URTEIL DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer)

25. Oktober 2017 ( *1 )

„Rechtsmittel – Eigenmittel der Europäischen Union – Beschluss 2007/436/EG – Finanzielle Verantwortung der Mitgliedstaaten – Verlust von Einfuhrzöllen – Pflicht zur Zahlung des einem Verlust an Eigenmitteln entsprechenden Betrags an die Kommission – Nichtigkeitsklage – Zulässigkeit – Schreiben der Europäischen Kommission – Begriff der anfechtbaren Handlung“

In den verbundenen Rechtssachen C‑593/15 P und C‑594/15 P

betreffend zwei Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingereicht am 13. November 2015,

Slowakische Republik, vertreten durch B. Ricziová als Bevollmächtigte,

Rechtsmittelführerin,

unterstützt durch:

Tschechische Republik, vertreten durch M. Smolek, J. Vláčil und T. Müller als Bevollmächtigte,

Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch T. Henze und K. Stranz als Bevollmächtigte,

Rumänien, vertreten durch R.-H. Radu, M. Chicu und A. Wellman als Bevollmächtigte,

Streithelfer im Rechtsmittelverfahren,

andere Partei des Verfahrens:

Europäische Kommission, vertreten durch A. Caeiros, A. Tokár, G.‑D. Balan und Z. Malůšková als Bevollmächtigte,

Beklagte im ersten Rechtszug,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten T. von Danwitz, der Richter C. Vajda und E. Juhász, der Richterin K. Jürimäe (Berichterstatterin) und des Richters C. Lycourgos,

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: M. Aleksejev, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 23. März 2017,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 8. Juni 2017

folgendes

Urteil

1

Mit ihren Rechtsmitteln beantragt die Slowakische Republik die Aufhebung der Beschlüsse des Gerichts der Europäischen Union vom 14. September 2015, Slowakei/Kommission (T‑678/14, nicht veröffentlicht, im Folgenden: erster angefochtener Beschluss, EU:T:2015:661) und Slowakei/Kommission (T‑779/14, nicht veröffentlicht, im Folgenden zweiter angefochtener Beschluss, EU:T:2015:655) (im Folgenden zusammen: angefochtene Beschlüsse), mit denen ihre Klagen auf Nichtigerklärung der in den Schreiben BUDG/B/03MV D(2014) 2351197 vom 15. Juli 2014 (im Folgenden: erstes streitiges Schreiben) und BUDG/B/03MV D(2014) 3139078 vom 24. September 2014 (im Folgenden: zweites streitiges Schreiben) (im Folgenden zusammen: streitige Schreiben) ihrer Ansicht nach enthaltenen Beschlüsse der Generaldirektion Haushalt der Europäischen Kommission als unzulässig abgewiesen wurden.

Rechtlicher Rahmen

2

Durch den Beschluss 2007/436/EG, Euratom des Rates vom 7. Juni 2007 über das System der Eigenmittel der Europäischen Gemeinschaften (ABl. 2007, L 163, S. 17) wurde der Beschluss 2000/597/EG, Euratom des Rates vom 29. September 2000 über das System der Eigenmittel der Europäischen Gemeinschaften (ABl. 2000, L 253, S. 42) mit Wirkung am 1. Januar 2007 aufgehoben.

3

„Zölle des Gemeinsamen Zolltarifs und andere Zölle auf den Warenverkehr mit Drittländern, die von den Organen der [Union] eingeführt worden sind oder noch eingeführt werden“, gehören nach Art. 2 Abs. 1 Buchst. b des Beschlusses 2000/597 und Art. 2 Abs. 1 Buchst. a des Beschlusses 2007/436 zu den Einnahmen, die in den Haushaltsplan der Europäischen Union einzusetzende Eigenmittel darstellen (im Folgenden: Eigenmittel).

4

Nach Art. 2 Abs. 1 der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1150/2000 des Rates vom 22. Mai 2000 zur Durchführung des Beschlusses 2007/436 (ABl. 2000, L 130, S. 1) in der durch die Verordnung (EG, Euratom) Nr. 105/2009 des Rates vom 26. Januar 2009 (ABl. 2009, L 36, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 1150/2000) gilt ein Anspruch der Union auf die Eigenmittel als festgestellt, sobald die Bedingungen der Zollvorschriften für die buchmäßige Erfassung des Betrags der Abgabe und dessen Mitteilung an den Abgabenschuldner erfüllt sind.

5

Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 1150/2000 lautet:

„Jeder Mitgliedstaat schreibt die Eigenmittel nach Maßgabe des Artikels 10 dem Konto gut, das zu diesem Zweck für die Kommission bei der Haushaltsverwaltung des Mitgliedstaats oder bei der von ihm bestimmten Einrichtung eingerichtet wurde.“

6

Die Gutschrift der Eigenmittel erfolgt spätestens am ersten Arbeitstag nach dem 19. des zweiten Monats, der auf den Monat folgt, in dem der Anspruch nach Art. 2 der Verordnung festgestellt wurde (Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1150/2000).

7

Bei verspäteter Gutschrift auf dem in Art. 9 Abs. 1 der Verordnung genannten Konto hat der betreffende Mitgliedstaat Verzugszinsen zu entrichten (Art. 11 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1150/2000).

Vorgeschichte des Rechtsstreits

8

In den Jahren 2006 und 2007 gaben Gesellschaften in Deutschland als Hauptverpflichtete Zollanmeldungen ab, um für die Slowakei bestimmte Waren in das externe Versandverfahren gemäß den Art. 91 ff. der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. 1992, L 302, S. 1) zu überführen.

9

Die slowakischen Zollbehörden unterrichten die deutschen Behörden im Rahmen des neuen EDV-gestützten Versandverfahrens (NCTS) innerhalb der vorgeschriebenen Frist über die Gestellung der Waren bei der Bestimmungszollstelle und das Ergebnis der Kontrolle. Die Versandverfahren wurden daraufhin erledigt und die von den Hauptverpflichteten geleisteten Sicherheiten freigegeben.

10

In der Slowakei durchgeführte Ermittlungen ergaben jedoch, dass die Versandverfahren von der slowakischen Bestimmungszollstelle aufgrund eines unrechtmäßigen Zugriffs auf das NCTS nicht ordnungsgemäß für beendet erklärt worden waren.

11

Mit den streitigen Schreiben wies der Direktor der Direktion „Eigenmittel und Finanzplanung“ der Generaldirektion Haushalt der Europäischen Kommission (im Folgenden: Direktor) darauf hin, dass die Kommission mit Beschluss K(2011) 9750 endgültig vom 5. Januar 2012 (REM 03/2010) auf Antrag der deutschen Behörden festgestellt habe, dass es im Fall einer deutschen Gesellschaft, die in den Jahren 2006 und 2007 als Hauptverpflichtete für ihre Kunden mehrere Anmeldungen für Beförderungen von für die Slowakei bestimmten Waren des externen Versandverfahrens abgegeben habe, gerechtfertigt sei, die Einfuhrabgaben gemäß Art. 239 der Verordnung Nr. 2913/92 zu erlassen. Die nicht ordnungsgemäße Beendigung der Versandverfahren sei auf betrügerische Machenschaften zurückzuführen. Diese ließen sich vernünftigerweise nur durch die aktive Beteiligung eines Bediensteten der slowakischen Bestimmungszollstelle oder durch eine mangelhafte Organisation dieser Stelle erklären, aufgrund deren ein Dritter Zugang zum NCTS gehabt habe.

12

Der Direktor wies ferner darauf hin, dass die deutschen Behörden in weiteren Fällen aus denselben Gründen die Einfuhrabgaben erlassen hätten. Im ersten streitigen Schreiben wird ein weiterer Fall genannt, im zweiten sechs.

13

In den streitigen Schreiben führte der Direktor weiter aus, die Stellen der Kommission hielten die Slowakische Republik für finanziell verantwortlich. Wegen der Bestätigung der Erledigung auf den an die deutsche Abgangszollstelle zurückgesandten Versandscheinen hätten die deutschen Behörden die Zölle, bei denen es sich um traditionelle Eigenmittel handele, nicht erheben bzw. zurückfordern können. Die Slowakische Republik sei für die Erhebung von Zöllen auf Einfuhren innerhalb der Union zwar nicht zuständig. Ein Mitgliedstaat müsse aber finanziell für Eigenmittelverluste aufkommen, wenn seine Behörden oder deren Vertreter Fehler begingen oder betrügerisch handelten.

14

Die slowakischen Behörden hätten eine ordnungsgemäße Anwendung der Zollvorschriften der Union nicht gewährleisten können. Deshalb sei es zu einem Verlust an traditionellen Eigenmitteln gekommen. Die deutschen Behörden hätten die Zölle nämlich nicht erheben und der Kommission zur Verfügung stellen können. Die Slowakische Republik müsse den so entstandenen Verlust im Haushalt der Union ausgleichen. Insoweit sei Rn. 44 des Urteils vom 8. Juli 2010, Kommission/Italien (C‑334/08, EU:C:2010:414), entsprechend anwendbar.

15

Eine Weigerung der Slowakischen Republik, die traditionellen Eigenmittel zur Verfügung zu stellen, würde gegen den Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten in der Union verstoßen und das reibungslose Funktionieren des Systems der Eigenmittel beeinträchtigen.

16

Der Direktor forderte die slowakischen Behörden daher auf, der Kommission spätestens am ersten Arbeitstag nach dem 19. des zweiten Monats, der auf den Monat folge, in dem die streitigen Schreiben versandt worden seien, Eigenmittel in Höhe von 1602457,33 Euro bzw. 1453723,12 Euro brutto (abzüglich Erhebungskosten in Höhe von 25 %) zur Verfügung zu stellen. Er wies darauf hin, dass bei verspäteter Gutschrift gemäß Art. 11 der Verordnung Nr. 1150/2000 Verzugszinsen zu entrichten seien.

Verfahren vor dem Gericht und angefochtene Beschlüsse

17

Mit Klageschriften, die am 22. September bzw. 26. November 2014 bei der Kanzlei des Gerichts eingingen, erhob die Slowakische Republik Klagen auf Nichtigerklärung der ihrer Auffassung nach in den streitigen Schreiben enthaltenen Beschlüsse.

18

Die Kommission erhob mit gesonderten Schriftsätzen, die am 5. Dezember 2014 bzw. am 12. Februar 2015 bei der Kanzlei des Gerichts eingingen, gemäß Art. 114 § 1 der Verfahrensordnung des Gerichts vom 2. Mai 1991 Unzulässigkeitseinreden. Sie machte in beiden Rechtssachen geltend, dass es an einer anfechtbaren Handlung fehle, in der Rechtssache T‑678/14 darüber hinaus, dass das erste streitige Schreiben lediglich bestätigenden Charakter habe.

19

Die Slowakische Republik nahm zu den Unzulässigkeitseinreden Stellung.

20

Die Bundesrepublik Deutschland und Rumänien beantragten mit Schriftsätzen, die am 8. bzw. 23. Januar 2015 bei der Kanzlei des Gerichts eingingen, in der Rechtssache T‑678/14, mit Schriftsätzen, die am 10. April bzw. 4. Mai 2015 bei der Kanzlei des Gerichts eingingen, in der Rechtssache T‑779/14 als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Slowakischen Republik zugelassen zu werden.

21

Mit den angefochtenen Beschlüssen entschied das Gericht gemäß Art. 130 seiner Verfahrensordnung über die Unzulässigkeitseinreden der Kommission.

22

Zur Beurteilung der Anfechtbarkeit der streitigen Schreiben hat das Gericht die Verteilung der Zuständigkeiten zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten im Bereich der Feststellung der Eigenmittel gemäß den Vorschriften des Beschlusses 2007/436 und der Verordnung Nr. 1150/2000 untersucht (erster angefochtener Beschluss, Rn. 27 bis 37 und 39; zweiter angefochtener Beschluss, Rn. 26 bis 36 und 38). Es ist zu dem Schluss gelangt, dass es keine Vorschrift gebe, die die Kommission ermächtige, einen Rechtsakt zu erlassen, mit dem einem Mitgliedstaat aufgegeben werde, Eigenmittel zur Verfügung zu stellen, so dass davon auszugehen sei, dass die streitigen Schreiben informativen Charakter hätten und eine bloße Aufforderung an die Slowakische Republik darstellten (erster angefochtener Beschluss, Rn. 41; zweiter angefochtener Beschluss, Rn. 40).

23

Eine Meinungsäußerung der Kommission wie die in den streitigen Schreiben enthaltene sei für die nationalen Behörden nicht verbindlich (erster angefochtener Beschluss, Rn. 42 bis 44; zweiter angefochtener Beschluss, Rn. 41 bis 43). Sie stelle ebenso wenig wie eine mit Gründen versehene Stellungnahme im Vorverfahren eines Vertragsverletzungsverfahrens eine anfechtbare Handlung dar (erster angefochtener Beschluss, Rn. 45 bis 47; zweiter angefochtener Beschluss, Rn. 44 bis 46).

24

Schließlich hat das Gericht das Vorbringen der Slowakischen Republik zurückgewiesen. Das Vorbringen, die Kommission habe die einschlägigen Rechtsvorschriften nicht richtig ausgelegt, die streitigen Schreiben entbehrten jeglicher Rechtsgrundlage und die darin genannten Beträge könnten nicht als „Eigenmittel“ eingestuft werden, gehe, weil es die materielle Rechtmäßigkeit des Inhalts der Schreiben betreffe, ins Leere (erster angefochtener Beschluss, Rn. 54 und 55; zweiter angefochtener Beschluss Rn. 53 und 54). Das Gericht hat sich auch mit dem Vorbringen zum umfassenden Rechtsschutzsystem, zum effektiven gerichtlichen Rechtsschutz und zu der in den vorliegenden Fällen wegen einer etwaigen Verpflichtung zur Zahlung erheblicher Verzugszinsen gegebenen Dringlichkeit auseinandergesetzt (erster angefochtener Beschluss, Rn. 56 bis 59; zweiter angefochtener Beschluss, Rn. 55 bis 58).

25

Das Gericht hat den Unzulässigkeitseinreden der Kommission daher stattgegeben und die Klagen der Slowakischen Republik, weil sie gegen Handlungen gerichtet seien, die nicht anfechtbar seien, abgewiesen. Über die Anträge der Bundesrepublik Deutschland und Rumäniens auf Zulassung zur Streithilfe hat es nicht entschieden.

Anträge der Parteien des Rechtsmittelverfahrens und Verfahren vor dem Gerichtshof

26

Mit ihren Rechtsmitteln beantragt die Slowakische Republik,

die angefochtenen Beschlüsse vollständig aufzuheben;

selbst über die Zulässigkeit der Klagen zu entscheiden und die Rechtssachen zur Entscheidung über die Begründetheit der Klagen an das Gericht zurückzuverweisen, hilfsweise, die Rechtssachen zur Entscheidung über die Zulässigkeit und die Begründetheit der Klagen an das Gericht zurückzuverweisen;

der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

27

Die Kommission beantragt in ihrer Rechtsmittelbeantwortung,

die Rechtsmittel zurückzuweisen;

der Slowakischen Republik die Kosten aufzuerlegen.

28

Die Bundesrepublik Deutschland und Rumänien beantragen in ihren Streithilfeschriftsätzen im Wesentlichen, den Rechtsmitteln stattzugeben.

29

Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 12. Januar 2016 sind die Rechtssachen C‑593/15 P und C‑594/15 P zu gemeinsamem schriftlichen und mündlichen Verfahren und zu gemeinsamem Urteil verbunden worden.

Zu den Rechtsmitteln

30

Die Slowakische Republik macht zwei Rechtsmittelgründe geltend. Mit dem ersten rügt sie Rechtsfehler, mit dem zweiten hilfsweise einen Verstoß des Gerichts gegen seine Begründungspflicht.

Zum ersten Rechtsmittelgrund

Vorbringen der Parteien

31

Mit dem ersten Rechtsmittelgrund rügt die Slowakische Republik, dem Gericht seien bei der Beurteilung der Rechtsnatur und der Rechtswirkungen der streitigen Schreiben mehrere Rechtsfehler unterlaufen. Es werden drei Gesichtspunkte angesprochen.

32

Erstens habe das Gericht die Rechtsnatur der in den streitigen Schreiben verlangten Beträge nicht richtig beurteilt, indem es diese zumindest implizit als Eigenmittel im Sinne von Art. 2 Abs. 1 des Beschlusses 2007/436 eingestuft habe. Bei der Entscheidung über die Entscheidungsbefugnisse der Kommission habe das Gericht also zu Unrecht die Rechtsvorschriften und die Rechtsprechung über die Eigenmittel zugrunde gelegt. Die richtige rechtliche Einstufung der Beträge sei für die Beurteilung der Zulässigkeit der Klagen relevant gewesen. Das Gericht habe sich daher nicht auf die Feststellung beschränken dürfen, dass ihr Vorbringen die Begründetheit betreffe (erster angefochtener Beschluss, Rn. 54 und 55; zweiter angefochtener Beschluss, Rn. 53 und 54). Ihm sei insoweit ein Rechtsfehler unterlaufen.

33

Die vom Gericht angeführte Rechtsprechung (erster angefochtener Beschluss, Rn. 28 bis 34; zweiter angefochtener Beschluss, Rn. 27 bis 33) sei hier jedenfalls nicht einschlägig. Sie betreffe die Verpflichtung der Mitgliedstaaten im Bereich der Eigenmittel in den bilateralen Beziehungen zwischen der Kommission und dem Mitgliedstaat, der solche Eigenmittel zur Verfügung zu stellen habe. Im vorliegenden Fall gehe es aber um trilaterale Beziehungen. Beteiligt seien die Kommission, die Bundesrepublik Deutschland als Mitgliedstaat, der die Eigenmittel zur Verfügung zu stellen habe, und die Slowakische Republik, die dafür nicht verantwortlich sei.

34

In ihrer Stellungnahme zu den Streithilfeschriftsätzen weist die Slowakische Republik darüber hinaus darauf hin, dass wegen der Unsicherheit hinsichtlich der Rechtsgrundlage einer Verpflichtung zur Zahlung der geforderten Beträge Rechtsunsicherheit bestehe und schwere finanzielle Folgen drohten. Eine solche Verpflichtung bestehe nach dem Unionsrecht nicht. Die Kommission habe mit den streitigen Schreiben eine Verpflichtung und Folgen festgesetzt, die im Unionsrecht nicht vorgesehen seien. Die Schreiben erzeugten daher eindeutig Rechtswirkungen, die geeignet seien, ihre Interessen zu beeinträchtigen. Jedenfalls wäre eine Klärung der sich in den vorliegenden Rechtssachen hinsichtlich der Rechtsgrundlage einer solchen Verpflichtung stellenden Fragen hilfreich.

35

Zweitens habe das Gericht das Kriterium der Befugnis des Handelnden rechtsfehlerhaft zum Tatbestandsmerkmal einer anfechtbaren Handlung erhoben (erster angefochtener Beschluss, Rn. 41; zweiter angefochtener Beschluss, Rn. 40). Zwar habe der Gerichtshof in Rn. 55 des Urteils vom 13. Februar 2014, Ungarn/Kommission (C‑31/13 P, EU:C:2014:70), entschieden, dass die Rechtswirkungen einer Handlung auch anhand der Befugnisse des die Handlung vornehmenden Organs zu beurteilen seien. Diese Rechtsprechung könne aber nicht dahin verstanden werden, dass das Fehlen von Befugnissen zwangsläufig dazu führe, dass eine Handlung eines Unionsorgans in keinem Fall eine Handlung darstellen könne, die verbindliche Rechtswirkungen erzeuge und gegen die eine Nichtigkeitsklage gemäß Art. 263 AEUV erhoben werden könne. Sonst würden Rechtswidrigkeitseinreden, mit der die Unzuständigkeit des Handelnden gerügt werde, jeglicher Relevanz beraubt.

36

Drittens sei die Möglichkeit der Zahlung unter Vorbehalt entgegen den Feststellungen des Gerichts (erster angefochtener Beschluss, Rn. 59; zweiter angefochtener Beschluss, Rn. 58) weder geeignet, den unzureichenden gerichtlichen Schutz und den unzureichenden Zugang zu den Gerichten zu ersetzen, noch, in einem Fall wie hier das Problem der Dringlichkeit der Lage zu lösen. Die Unzulässigkeit der Klagen vor dem Gericht habe nicht hinnehmbare negative Auswirkungen auf ihre Lage. Sie könne den von der Kommission geltend gemachten Ansprüchen allenfalls im Rahmen einer Vertragsverletzungsklage entgegentreten und laufe daher Gefahr, hohe Verzugszinsen zu zahlen. Eine Zahlung unter Vorbehalt sei in keinem Unionsrechtsakt vorgesehen und eine Rückforderung durch die Rechtsprechung nicht gesichert. Die Entscheidung für eine Zahlung unter Vorbehalt gewähre ihr daher keinen Zugang zu den Gerichten.

37

Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen. Nach ihrer Auffassung ist der erste Rechtsmittelgrund als unbegründet zurückzuweisen.

38

Erstens betreffe das Vorbringen zur Rechtsnatur der verlangten Beträge, zur Zahlung durch die Slowakische Republik und zur Existenz einer Verpflichtung dieses Mitgliedstaats, die Beträge zur Verfügung zu stellen, nicht die Zulässigkeit der Klagen, sondern deren Begründetheit. Im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung habe das Gericht den Inhalt der streitigen Schreiben nach Maßgabe der Rechtsprechung beurteilt. Seine Feststellung, die Schreiben enthielten nach ihrem Inhalt lediglich eine Aufforderung, Eigenmittel zur Verfügung zu stellen, sei nicht zu beanstanden. Weder die Slowakische Republik noch die Mitgliedstaaten, die den Rechtsstreitigkeiten als Streithelfer beigetreten seien, hätten diese Feststellung entkräftet. Das Gericht habe die Klagen also zu Recht nach Maßgabe der Vorschriften und der Rechtsprechung zu den Eigenmitteln geprüft.

39

Zum einen sei unstreitig, dass es sich bei den betreffenden Beträgen um Zölle, und damit um traditionelle Eigenmittel handele. Zum anderen habe das Gericht, indem es bei der Zulässigkeitsprüfung die Vorschriften über Eigenmittel herangezogen habe, keinesfalls über eine etwaige Verpflichtung der Slowakischen Republik zur Zurverfügungstellung der Beträge entschieden. Nach diesen Vorschriften in ihrer Auslegung durch die Rechtsprechung und den Vorschriften über das Vertragsverletzungsverfahren habe die Kommission nicht die Befugnis, die Höhe der Eigenmittel verbindlich festzusetzen, eine Frist zur Zahlung zu bestimmen oder über Verzugszinsen zu entscheiden.

40

Jedenfalls seien die streitigen Schreiben, selbst unterstellt, es ginge darin nicht um die Zahlung von Eigenmitteln, nicht geeignet, verbindliche Rechtswirkungen zu erzeugen. Es sei keine Rechtsgrundlage für den Erlass eines solchen verbindlichen Rechtsakts bestimmt worden.

41

Zweitens sei die Prüfung des Umfangs ihrer Befugnisse in den vorliegenden Rechtssachen im Rahmen der komplexen Prüfung der Frage erfolgt, ob die streitigen Schreiben in Anbetracht ihrer Rechtsnatur, des Zusammenhangs, in dem sie verfasst worden seien, und der Befugnisse des Verfassers anfechtbar seien. Es sei zu unterscheiden zwischen Handlungen mit Rechtswirkungen, die von einem unzuständigen Organ erlassen worden seien, und Handlungen, die keine solchen Wirkungen hätten und damit nicht Gegenstand einer Nichtigkeitsklage sein könnten.

42

Drittens ergebe sich aus dem Wesen des Systems der Eigenmittel zwingend, dass sie in diesem Bereich keine Befugnis zum Erlass verbindlicher Entscheidungen habe. Das Fehlen einer solchen Befugnis könne daher nicht bedeuten, dass der Slowakischen Republik das Recht auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz entzogen werde. Dasselbe gelte für die Verpflichtung der Slowakischen Republik zur Entrichtung von Verzugszinsen. Diese ergebe sich unmittelbar aus Art. 11 der Verordnung Nr. 1150/2000. Die Zahlung unter Vorbehalt sei nicht dazu bestimmt, das Recht auf einen effektiven gerichtlichen Rechtsschutz zu garantieren, sondern die etwaige finanzielle Belastung zu mindern, die die Verpflichtung zur Entrichtung von Verzugszinsen für einen Mitgliedstaat darstellen könne. Im Übrigen hänge das Risiko des Entstehens von Verzugszinsen mit der Verletzung der Verpflichtung, ihr Eigenmittel zur Verfügung zu stellen, zusammen, und nicht mit den eine entsprechende Aufforderung enthaltenden streitigen Schreiben.

43

Das Fehlen einer Befugnis zum Erlass verbindlicher Entscheidungen im Bereich der Eigenmittel werde auch dadurch bestätigt, dass der Rat einen Vorschlag zur Änderung von Art. 17 der Verordnung Nr. 1150/2000 abgelehnt habe, mit dem der Kommission die Befugnis eingeräumt worden wäre, Ermittlungen durchzuführen und bei festgestellten Zöllen über 50000 Euro einen mit Gründen versehenen Beschluss zu erlassen.

44

Eine Nichtigkeitsklage könne nur erhoben werden, wenn Gegenstand des Rechtsstreits die Gültigkeit einer Handlung sei, die Rechtswirkungen erzeuge. Sei Gegenstand des Rechtsstreits hingegen das Vorliegen einer Verpflichtung eines Mitgliedstaats aus dem Unionsrecht, sei allein die Vertragsverletzungsklage statthaft. In den Verträgen sei für die Mitgliedstaaten kein Verfahren vorgesehen, mit dem diese feststellen lassen könnten, ob sie ihren Verpflichtungen aus dem Unionsrecht nachgekommen seien.

45

Die Tschechische Republik, die Bundesrepublik Deutschland und Rumänien sind der Ansicht, dass dem ersten Rechtsmittelgrund stattzugeben sei.

Würdigung durch den Gerichtshof

46

Nach ständiger Rechtsprechung sind „anfechtbare Handlungen“ im Sinne von Art. 263 AEUV unabhängig von ihrer Form alle von den Organen erlassenen Bestimmungen, die verbindliche Rechtswirkungen erzeugen sollen (Urteil vom 13. Februar 2014, Ungarn/Kommission, C‑31/13 P, EU:C:2014:70, Rn. 54 und die dort angeführte Rechtsprechung).

47

Für die Feststellung, ob die angefochtene Handlung solche Wirkungen erzeugt, ist auf ihr Wesen abzustellen (Urteil vom 22. Juni 2000, Niederlande/Kommission, C‑147/96, EU:C:2000:335, Rn. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung). Die Wirkungen sind anhand objektiver Kriterien zu beurteilen, wie z. B. des Inhalts der Handlung, wobei gegebenenfalls der Zusammenhang ihres Erlasses und die Befugnisse des die Handlung vornehmenden Organs zu berücksichtigen sind (Urteil vom 13. Februar 2014, Ungarn/Kommission, C‑31/13 P, EU:C:2014:70, Rn. 55 und die dort angeführte Rechtsprechung).

48

In den angefochtenen Beschlüssen hat das Gericht vorab über die Unzulässigkeitseinreden der Kommission entschieden. Wie oben in den Rn. 22 und 23 ausgeführt, hat das Gericht nach der Prüfung der Verteilung der Zuständigkeiten zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten im Bereich der Feststellung der Eigenmittel gemäß den Vorschriften des Beschlusses 2007/436 und der Verordnung Nr. 1150/2000 festgestellt, dass es keine Vorschrift gebe, die die Kommission ermächtige, einen Rechtsakt zu erlassen, mit dem einem Mitgliedstaat aufgegeben werde, Eigenmittel zur Verfügung zu stellen, so dass davon auszugehen sei, dass die streitigen Schreiben informativen Charakter hätten und eine bloße Aufforderung an die Slowakische Republik darstellten (erster angefochtener Beschluss, Rn. 41; zweiter angefochtener Beschluss Rn. 40).

49

Das Gericht hat insoweit ausgeführt, dass eine Meinungsäußerung der Kommission wie die in den Schreiben enthaltene für die nationalen Behörden nicht verbindlich sei und ebenso wenig wie eine mit Gründen versehene Stellungnahme im Vorverfahren eines Vertragsverletzungsverfahrens eine anfechtbare Handlung darstelle.

50

Zum einen ist festzustellen, dass das Gericht seine Beurteilung der Anfechtbarkeit der streitigen Schreiben im Wesentlichen auf eine Prüfung der Befugnisse der Kommission nach den Vorschriften des Beschlusses 2007/436 und der Verordnung Nr. 1150/2000 gestützt hat. Entgegen dem Vorbringen der Slowakischen Republik hat es auf diese Weise aber weder die Rechtsnatur der verlangten Beträge beurteilt noch diese als „Eigenmittel“ eingestuft.

51

Das Gericht hat sich in den angefochtenen Beschlüssen nämlich darauf beschränkt, die Verpflichtungen und Befugnisse der Mitgliedstaaten bzw. der Kommission im Bereich der Eigenmittel der Union abstrakt darzulegen. Da die Kommission die streitigen Schreiben in diesem Bereich erlassen hat (vgl. erster angefochtener Beschluss, Rn. 4 bis 10; zweiter angefochtener Beschluss, Rn. 4 bis 10), durfte das Gericht die Verpflichtungen und Befugnisse der Mitgliedstaaten bzw. der Kommission im Rahmen der Prüfung der Anfechtbarkeit der Schreiben nach Maßgabe der Vorschriften über die Eigenmittel beurteilen. Es ist ihm insoweit kein Rechtsfehler unterlaufen. Der Prüfung der die Begründetheit betreffenden Frage der Anwendbarkeit dieser Vorschriften im vorliegenden Fall und der Einstufung der betreffenden Beträge wurde damit nicht vorgegriffen.

52

Das Gericht hat das Vorbringen der Slowakischen Republik zur materiellen Rechtmäßigkeit des Inhalts der streitigen Schreiben daher zu Recht als ins Leere gehend zurückgewiesen (erster angefochtener Beschluss, Rn. 55; zweiter angefochtener Beschluss, Rn. 54).

53

Zum anderen ist festzustellen, dass die Slowakische Republik zu Recht darauf hinweist, dass das Gericht lediglich die Befugnisse des Handelnden geprüft hat, nicht aber den Inhalt der streitigen Schreiben. Dies steht nicht in Einklang mit der oben in Rn. 47 dargestellten Rechtsprechung.

54

Folglich ist dem Gericht ein Rechtsfehler unterlaufen.

55

Jedoch ist darauf hinzuweisen, dass eine Verletzung des Unionsrechts in einem Urteil des Gerichts, wenn zwar dessen Gründe eine solche Verletzung enthalten, die Urteilsformel sich aber aus anderen Rechtsgründen als richtig erweist, nicht zur Aufhebung dieses Urteils führen kann und die Begründung durch eine andere zu ersetzen ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 18. Juli 2013, Kommission u. a./Kadi, C‑584/10 P, C‑593/10 P und C‑595/10 P, EU:C:2013:518, Rn. 150, und vom 5. März 2015, Kommission u. a./Versalis u. a., C‑93/13 P und C‑123/13 P, EU:C:2015:150, Rn. 102 und die dort angeführte Rechtsprechung).

56

So liegt der Fall hier.

57

Eine Analyse des Inhalts der streitigen Schreiben nach Maßgabe der oben in den Rn. 46 und 47 dargestellten Rechtsprechung ergibt unter Berücksichtigung des Zusammenhangs ihrer Erstellung und der Befugnisse der Kommission, dass die Schreiben nicht als „anfechtbare Handlungen“ einzustufen sind.

58

Erstens ist zum Inhalt der Schreiben festzustellen, dass der Direktor darin nach einer Darstellung des Sachverhalts den Standpunkt der Direktion zum Ausdruck gebracht hat, dass die Slowakische Republik für die in Deutschland entstandenen Verluste an Eigenmitteln verantwortlich sei. Er hat die Auffassung vertreten, dass die Slowakische Republik diese Verluste ausgleichen müsse und dass sie, wenn sie sich weigere, die betreffenden Beträge zur Verfügung zu stellen, gegen den Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit verstoße und das reibungslose Funktionieren des Systems der Eigenmittel gefährde. Vor diesem Hintergrund hat er die Slowakische Republik aufgefordert, die den Verlusten entsprechenden Beträge zur Verfügung zu stellen, wobei er darauf hingewiesen hat, dass, wenn dies nicht innerhalb der in den Schreiben gesetzten Fristen geschehe, gemäß Art. 11 der Verordnung Nr. 1150/2000 Verzugszinsen zu entrichten seien.

59

Demnach hat die Kommission der Slowakischen Republik mit den streitigen Schreiben im Wesentlichen mitgeteilt, welche rechtlichen Folgen die in Deutschland entstandenen Verluste an Eigenmitteln ihrer Auffassung nach haben und welche Verpflichtungen sich daraus ihrer Auffassung nach für die Slowakische Republik ergeben. Vor diesem Hintergrund hat sie die Slowakische Republik aufgefordert, die betreffenden Beträge zur Verfügung zu stellen.

60

Weder die Darlegung einer bloßen Rechtsauffassung noch eine bloße Aufforderung, die betreffenden Beträge zur Verfügung zu stellen, sind aber geeignet, Rechtswirkungen zu erzeugen.

61

Allein die Tatsache, dass in den streitigen Schreiben für die Zurverfügungstellung der Beträge mit dem Hinweis, dass bei verspäteter Gutschrift Verzugszinsen zu entrichten seien, eine Frist gesetzt wird, lässt im Hinblick auf den gesamten Inhalt der Schreiben nicht den Schluss zu, dass die Kommission beabsichtigt hätte, nicht ihre Meinung zu äußern, sondern Rechtsakte mit verbindlichen Rechtswirkungen zu erlassen, und verleiht den Schreiben deshalb auch nicht die Rechtsnatur anfechtbarer Handlungen.

62

Zweitens ist zum Zusammenhang festzustellen, dass die Kommission in der mündlichen Verhandlung, ohne dass die Slowakische Republik oder die Mitgliedstaaten, die den Rechtsstreitigkeiten als Streithelfer beigetreten sind, ihr insoweit widersprochen hätten, darauf hingewiesen hat, dass Schreiben wie die streitigen einer gängigen Praxis der Kommission entsprächen. Sie dienten dazu, informelle Gespräche über die Beachtung des Unionsrechts durch einen Mitgliedstaat in Gang zu setzen, auf die die Einleitung des Vorverfahrens eines Vertragsverletzungsverfahrens folgen könne. Dieser Zusammenhang wird in den streitigen Schreiben deutlich, in denen klar begründet wird, warum die Kommission die Auffassung vertritt, dass die Slowakische Republik gegen Vorschriften des Unionsrechts verstoßen haben könnte. Außerdem geht aus den Klageschriften, die die Slowakische Republik beim Gericht eingereicht hat, eindeutig hervor, dass die Slowakische Republik diesen Zusammenhang kannte und die Absicht der Kommission, informelle Kontakte aufzunehmen, durchaus verstanden hat.

63

Nach der Rechtsprechung ist eine mit Gründen versehene Stellungnahme wegen des Ermessens, über das die Kommission hinsichtlich der Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens verfügt, nicht geeignet, verbindliche Rechtswirkungen zu erzeugen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. September 1998, Kommission/Deutschland, C‑191/95, EU:C:1998:441, Rn. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung). Das muss erst recht für Schreiben gelten, die wie die streitigen als informelle Kontaktaufnahmen vor der Einleitung des Vorverfahrens eines Vertragsverletzungsverfahrens aufgefasst werden können.

64

Drittens ist zu den Befugnissen der Kommission festzustellen, dass zwischen den Parteien unstreitig ist, dass die Kommission jedenfalls nicht über die Befugnis verfügt, verbindliche Rechtsakte zu erlassen, mit denen einem Mitgliedstaat aufgegeben wird, Beträge wie die der vorliegenden Verfahren zur Verfügung zu stellen. Denn selbst unterstellt, diese Beträge wären nicht als „Eigenmittel“ einzustufen, wie die Slowakische Republik geltend macht, hat die Kommission vor dem Gerichtshof darauf hingewiesen, dass für den Erlass eines verbindlichen Rechtsakts keine Rechtsgrundlage ersichtlich sei. Und selbst unterstellt, die Beträge wären entgegen dem Vorbringen der Slowakischen Republik als „Eigenmittel“ einzustufen, ist das Vorbringen der Kommission, dass ihr weder durch den Beschluss 2007/436 noch durch die Verordnung Nr. 1150/2000 eine Entscheidungsbefugnis eingeräumt sei, von der Slowakischen Republik nicht bestritten worden.

65

Somit ist, ohne dass über die die Begründetheit betreffende Frage der Anwendbarkeit des Beschlusses 2007/436 und der Verordnung Nr. 1150/2000 und der rechtlichen Einstufung der verlangten Beträge entschieden zu werden braucht, festzustellen, dass die streitigen Schreiben keine „anfechtbaren Handlungen“ im Sinne von Art. 263 AEUV darstellen.

66

Dieses Ergebnis wird durch das Vorbringen der Slowakischen Republik zum Recht auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz, zur unnötigen Verlängerung des Streits mit der Kommission und zum Risiko von Verzugszinsen nicht in Frage gestellt. Zwar ist die Voraussetzung der verbindlichen Rechtswirkungen im Licht des Rechts auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz auszulegen, wie es in Art. 47 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union garantiert ist. Dieses Recht zielt aber nicht darauf ab, das in den Verträgen vorgesehene Rechtsschutzsystem und insbesondere die Bestimmungen über die Zulässigkeit direkter Klagen bei den Gerichten der Union zu ändern, wie auch aus den Erläuterungen zu diesem Artikel hervorgeht, die gemäß Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 3 EUV und Art. 52 Abs. 7 der Charta für deren Auslegung zu berücksichtigen sind (Urteil vom 3. Oktober 2013, Inuit Tapiriit Kanatami u. a./Parlament und Rat, C‑583/11 P, EU:C:2013:625, Rn. 97 und die dort angeführte Rechtsprechung). Die Auslegung des Begriffs „anfechtbare Handlung“ im Licht von Art. 47 der Charta kann daher nicht zum Wegfall der Voraussetzung der verbindlichen Rechtswirkungen führen, ohne dass die den Unionsgerichten durch den Vertrag verliehenen Befugnisse überschritten würden (vgl. entsprechend Urteil vom 12. September 2006, Reynolds Tobacco u. a./Kommission, C‑131/03 P, EU:C:2006:541, Rn. 81, und Beschluss vom 14. Mai 2012, Sepracor Pharmaceuticals [Ireland]/Kommission, C‑477/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2012:292, Rn. 54).

67

Somit ist festzustellen, dass der Tenor der angefochtenen Beschlüsse, soweit mit ihm die Klagen der Slowakischen Republik als unzulässig abgewiesen werden, richtig ist. Der erste Rechtsmittelgrund ist daher zurückzuweisen.

Zum zweiten Rechtsmittelgrund

Vorbringen der Parteien

68

Mit dem zweiten Rechtsmittelgrund, den sie hilfsweise geltend macht, rügt die Slowakische Republik eine Verletzung der Begründungspflicht.

69

Erstens habe das Gericht seine Feststellung, die geforderten Beträge stellten Eigenmittel dar, überhaupt nicht begründet. Eine solche Begründung wäre in den vorliegenden Rechtssachen aber besonders wichtig gewesen. Zum einen sei die Beurteilung der Zulässigkeit der Klagen durch das Gericht, die im Übrigen unzutreffend sei, auf der Grundlage dieser Feststellung erfolgt. Zum anderen habe sie sich in ihren Stellungnahmen zu den Unzulässigkeitseinreden gegen die Einstufung der Beträge als „Eigenmittel“ gewandt. Begründen müssen hätte das Gericht ferner, warum die Rechtsprechung zu den Verpflichtungen der Mitgliedstaaten im Bereich der Eigenmittel in bilateralen Beziehungen auf trilaterale Beziehungen, wie sie hier vorlägen, anwendbar sei. Sie habe dies bestritten.

70

Zweitens habe das Gericht seine Feststellung, dass eine Zahlung unter Vorbehalt geeignet sei, das komplexe Problem des Zugangs zu den Gerichten und die Dringlichkeit der Situation, wie sie in den vorliegenden Rechtssachen gegeben seien, zu lösen, nicht begründet.

71

Drittens sei die Begründung der angefochtenen Beschlüsse nahezu identisch mit der mehrerer, am selben Tag ergangener Beschlüsse des Gerichts, die anders gelagerte Sachverhalte beträfen. Dies gelte insbesondere für den Beschluss vom 14. September 2015, Slowenien/Kommission (T‑585/14, EU:T:2015:662), der den Verlust traditioneller Eigenmittel wegen der Gewährung einer Einfuhrlizenz für Zucker betreffe und in dem es anders als in den vorliegenden Rechtssachen um bilaterale Beziehungen zwischen dem Mitgliedstaat und der Kommission gehe.

72

Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

Würdigung durch den Gerichtshof

73

Die Pflicht zur Begründung von Urteilen ergibt sich aus Art. 36 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, der gemäß deren Art. 53 Abs. 1 auf das Gericht anwendbar ist, und aus Art. 117 der Verfahrensordnung des Gerichts. Nach ständiger Rechtsprechung müssen aus der Begründung eines Urteils die Überlegungen des Gerichts klar und eindeutig hervorgehen, so dass die Betroffenen die Gründe für die Entscheidung des Gerichts erkennen können und der Gerichtshof seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann (Urteil vom 19. Dezember 2012, Mitteldeutsche Flughafen und Flughafen Leipzig-Halle/Kommission, C‑288/11 P, EU:C:2012:821, Rn. 83 und die dort angeführte Rechtsprechung).

74

Nach ständiger Rechtsprechung verlangt die Begründungspflicht nicht, dass das Gericht bei seinen Ausführungen alle von den Parteien des Rechtsstreits vorgetragenen Argumente nacheinander erschöpfend behandelt. Es genügt, wenn die Begründung es den Betroffenen ermöglicht, die Gründe zu erkennen, aus denen das Gericht ihrer Argumentation nicht gefolgt ist, und dem Gerichtshof ausreichende Angaben liefert, damit er seine Kontrolle ausüben kann (vgl. in diesem Sinne u. a. Beschluss vom 12. Juli 2016, Pérez Gutiérrez/Kommission, C‑604/15 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2016:545, Rn. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).

75

Im vorliegenden Fall hat das Gericht in den angefochtenen Beschlüssen klar begründet, warum es zu dem Schluss gelangt ist, dass die streitigen Schreiben nicht Gegenstand einer Nichtigkeitsklage gemäß Art. 263 AEUV sein können. Der erste Rechtsmittelgrund der Slowakischen Republik zeigt, dass diese die Erwägungen, die der Feststellung der Unzulässigkeit zugrunde liegen, anhand der Begründung der Beschlüsse nachvollziehen und beanstanden konnte und dass der Gerichtshof auf der Grundlage der Begründung der Beschlüsse seine Kontrolle ausüben kann.

76

Folglich leiden die angefochtenen Beschlüsse nicht unter einem Begründungsmangel.

77

Dieses Ergebnis wird durch das Vorbringen der Slowakischen Republik nicht in Frage gestellt.

78

Erstens ist zum Vorbringen der Slowakischen Republik, das Gericht hätte begründen müssen, warum es angenommen habe, dass es den Beschluss 2007/436 und die Verordnung Nr. 1150/2000 bei der Beurteilung der Anfechtbarkeit der streitigen Schreiben heranziehen dürfe, festzustellen, dass das Gericht auf das Vorbringen, diese Rechtsakte dürften nicht herangezogen werden, eingegangen ist. Es hat nämlich festgestellt, dass es die Begründetheit der Klagen betreffe.

79

Zweitens ist unter diesen Umständen auch irrelevant, dass die Begründung der angefochtenen Beschlüsse nahezu identisch ist mit der von Beschlüssen in anderen Rechtssachen, die andere Sachverhalte betreffen, einmal unterstellt, dies trifft überhaupt zu.

80

Drittens ist das Gericht, indem es zu Recht darauf hingewiesen hat, dass die Voraussetzung verbindlicher Rechtswirkungen im Licht des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes auszulegen sei, eine solche Auslegung aber nicht zum Wegfall dieser Voraussetzung führen könne, ohne dass die den Unionsgerichten durch den Vertrag verliehenen Befugnisse überschritten würden, rechtlich hinreichend auf das Vorbringen der Slowakischen Republik zu einem ungenügenden gerichtlichen Rechtsschutz in Anbetracht der behaupteten Dringlichkeit der Situation eingegangen.

81

Somit sind der zweite Rechtsmittelgrund und damit das Rechtsmittel insgesamt zurückzuweisen.

Kosten

82

Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs, der nach deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

83

Da die Slowakische Republik mit ihren Rechtsmittelgründen unterlegen ist, ist sie gemäß dem Antrag der Kommission zu verurteilen, neben ihren eigenen Kosten die der Kommission zu tragen.

84

Nach Art. 140 Abs. 1 der Verfahrensordnung, der nach deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, tragen die Mitgliedstaaten und die Organe, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten.

85

Folglich haben die Tschechische Republik, die Bundesrepublik Deutschland und Rumänien ihre eigenen Kosten zu tragen.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

 

1.

Die Rechtsmittel werden zurückgewiesen.

 

2.

Die Slowakische Republik trägt neben ihren eigenen Kosten die der Europäischen Kommission.

 

3.

Die Tschechische Republik, die Bundesrepublik Deutschland und Rumänien tragen ihre eigenen Kosten.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Slowakisch.