URTEIL DES GERICHTSHOFS (Große Kammer)

19. Juli 2012 ( *1 )

„Rechtsmittel — Wettbewerb — Kartelle — Spanischer Markt für den Kauf und die Erstverarbeitung von Rohtabak — Preisfestsetzung und Marktaufteilung — Verstoß gegen Art. 81 EG — Zurechenbarkeit des Verstoßes von Tochtergesellschaften an ihre Muttergesellschaften — Unschuldsvermutung — Verteidigungsrechte — Begründungspflicht — Gleichbehandlung“

In den verbundenen Rechtssachen C-628/10 P und C-14/11 P

betreffend zwei Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 28. Dezember 2010 und 7. Januar 2011,

Alliance One International Inc., vormals Standard Commercial Corp., mit Sitz in Danville (Vereinigte Staaten),

Standard Commercial Tobacco Co. Inc. mit Sitz in Wilson (Vereinigte Staaten),

Prozessbevollmächtigte: M. Odriozola Alén und A. João Vide, abogados,

Rechtsmittelführerinnen,

andere Verfahrensbeteiligte:

Trans-Continental Leaf Tobacco Corp. Ltd mit Sitz in Vaduz (Liechtenstein),

Klägerin im ersten Rechtszug,

Europäische Kommission, vertreten durch F. Castillo de la Torre, E. Gippini Fournier und R. Sauer als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagte im ersten Rechtszug,

und

Europäische Kommission, vertreten durch F. Castillo de la Torre, E. Gippini Fournier und R. Sauer als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Rechtsmittelführerin,

andere Verfahrensbeteiligte:

Alliance One International Inc.,

Standard Commercial Tobacco Co. Inc.,

Trans-Continental Leaf Tobacco Corp. Ltd,

Prozessbevollmächtigte: M. Odriozola Alén und A. João Vide, abogados,

Klägerinnen im ersten Rechtszug,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten A. Tizzano, J. N. Cunha Rodrigues, K. Lenaerts und M. Safjan, der Kammerpräsidentin A. Prechal, der Richter K. Schiemann, E. Juhász, G. Arestis, A. Arabadjiev (Berichterstatter) und D. Šváby, der Richterin M. Berger und des Richters E. Jarašiūnas,

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 16. November 2011,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 12. Januar 2012

folgendes

Urteil

1

Mit ihrem Rechtsmittel (C-628/10 P) beantragen die Alliance One International Inc. (im Folgenden: AOI), vormals Standard Commercial Corp. (im Folgenden: SCC), und die Standard Commercial Tobacco Co. Inc. (im Folgenden: SCTC) die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 27. Oktober 2010, Alliance One International u. a./Kommission (T-24/05, Slg. 2010, II-5329, im Folgenden: angefochtenes Urteil), mit dem dieses ihre Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung K (2004) 4030 endg. der Kommission vom 20. Oktober 2004 in einem Verfahren nach Artikel 81 Absatz 1 [EG] (Sache COMP/C.38.238/B.2 – Rohtabak – Spanien) (im Folgenden: streitige Entscheidung) abgewiesen hat, und die Nichtigerklärung der streitigen Entscheidung, soweit diese sie betrifft, sowie die Herabsetzung der mit dieser Entscheidung gegen sie verhängten Geldbuße.

2

Die Europäische Kommission beantragt mit ihrem Rechtsmittel (C-14/11 P) zum einen, das angefochtene Urteil in dem Maße aufzuheben, wie damit die streitige Entscheidung für nichtig erklärt wird, soweit sie die Trans-Continental Leaf Tobacco Corp. Ltd (im Folgenden: TCLT) betrifft, und zum anderen, die von Letzterer beim Gericht erhobene Klage abzuweisen.

I – Vorgeschichte des Rechtsstreits

3

Der dem vorliegenden Rechtsstreit zugrunde liegende Sachverhalt, wie er in den Randnrn. 1 bis 40 des angefochtenen Urteils dargestellt ist, lässt sich wie folgt zusammenfassen.

4

Die World Wide Tobacco España SA (im Folgenden: WWTE), die Agroexpansión SA (im Folgenden: Agroexpansión) und die Tabacos Españoles SL (im Folgenden: Taes) sind drei der vier Rohtabakerstverarbeitungsunternehmen in Spanien (alle vier Unternehmen zusammen im Folgenden: Verarbeiter).

5

Von 1995 bis zum 5. Mai 1998 wurden zwei Drittel des Kapitals von WWTE von TCLT, einer 100%igen Tochtergesellschaft von SCTC, selbst eine 100%ige Tochtergesellschaft von SCC (nunmehr AOI), gehalten. Eigner des übrigen Drittels waren der Vorsitzende von WWTE und zwei Mitglieder seiner Familie.

6

Am 5. Mai 1998 erhöhte TCLT ihre Beteiligung am Kapital von WWTE auf 86,94 %, während der Rest der Anteile von WWTE als Eigenkapital (9,73 %) und einer natürlichen Person (3,33 %) gehalten wurde. Im Oktober 1998 kaufte WWTE die Anteile dieser Person, und SCC erwarb eine unmittelbare Beteiligung von 0,04 % am Kapital von WWTE. Im Mai 1999 erhöhten TCLT und SCC ihre Beteiligung am Kapital von WWTE auf 89,64 % bzw. 0,05 %, wobei der Rest von WWTE als Eigenkapital gehalten wurde.

7

Agroexpansión gehört zu einer Unternehmensgruppe, an deren Spitze die Dimon Inc. steht. Letztere hält über ihre 100%ige Tochtergesellschaft Intabex Netherlands BV (im Folgenden: Intabex) sämtliche Anteile an Agroexpansión.

8

Sämtliche Anteile an Taes und an der Deltafina SpA (im Folgenden: Deltafina), einer italienischen Gesellschaft, deren Tätigkeit hauptsächlich in der Erstverarbeitung von Rohtabak in Italien und dem Inverkehrbringen von verarbeitetem Tabak besteht, sind im Besitz der Universal Leaf Tobacco Co. Inc. (im Folgenden: Universal Leaf). Letztere ist ihrerseits eine 100%ige Tochtergesellschaft der amerikanischen Gesellschaft Universal Corp. (im Folgenden: Universal).

9

Am 3. und 4. Oktober 2001 nahm die Kommission Nachprüfungen gemäß Art. 14 der Verordnung (EWG) Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962: Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln [81 EG] und [82 EG] (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204) in den Geschäftsräumen u. a. von WWTE vor, um Informationen über angebliche Verstöße der Verarbeiter und der spanischen Rohtabakerzeuger gegen Art. 81 EG zu überprüfen.

10

Am 11. Dezember 2003 erließ die Kommission eine Mitteilung der Beschwerdepunkte, die sie an 20 Unternehmen oder Verbände richtete, darunter SCTC und SCC.

11

Am 20. Oktober 2004 erließ die Kommission die streitige Entscheidung, die u. a. ein horizontales Kartell betrifft, das von den Verarbeitern und Deltafina auf dem spanischen Markt für Rohtabak vereinbart und umgesetzt wurde.

12

Nach den Feststellungen der Kommission hatte dieses Kartell die jährliche Festlegung im Zeitraum 1996–2001 des durchschnittlichen Lieferpreises für alle Rohtabaksorten jeder Güte und die Aufteilung der Mengen aller Rohtabaksorten, die die einzelnen Verarbeiter bei den Erzeugern kaufen konnten, zum Gegenstand. Von 1999 bis 2001 hatten die Verarbeiter und Deltafina auch Preisspannen pro Güteklasse der einzelnen Rohtabaksorten sowie die durchschnittlichen Mindestpreise je Erzeuger und je Erzeugergemeinschaft vereinbart.

13

In der streitigen Entscheidung sah die Kommission das besagte Kartell als eine einzige und fortgesetzte Zuwiderhandlung gegen Art. 81 Abs. 1 EG an, machte u. a. Deltafina und die Verarbeiter dafür verantwortlich, gab diesen Unternehmen auf, die betreffende Zuwiderhandlung unverzüglich einzustellen und sich zukünftig jeder einschränkenden Praxis mit entsprechender Zielsetzung oder Wirkung zu enthalten, und verhängte dazu die folgenden Geldbußen: 108000 Euro gegen Taes, 1822500 Euro gegen WWTE, 2592000 Euro gegen Agroexpansión und 11880000 Euro gegen Deltafina.

14

Aus der streitigen Entscheidung ergibt sich auch, dass die drei Muttergesellschaften von WWTE für die Zahlung der gegen Letztere verhängten Geldbuße und die Dimon Inc. für die Zahlung der Agroexpansión auferlegten Geldbuße gesamtschuldnerisch haften. Dagegen wurde Intabex nicht für die gegen Agroexpansión verhängte Geldbuße in Haftung genommen, und auch eine gesamtschuldnerische Haftung von Universal und Universal Leaf hinsichtlich der Taes und Deltafina auferlegten Geldbußen wurde nicht angenommen.

15

In Bezug auf die Adressaten der streitigen Entscheidung führte die Kommission in den Erwägungsgründen 375 und 376 dieser Entscheidung aus:

„(375)

Im vorliegenden Fall werden drei der vier spanischen Verarbeiter von Rohtabak (zu 100 % oder zu 90 %) von multinationalen US-Unternehmen beherrscht. Es gibt weitere tatsächliche Gesichtspunkte, die die Annahme bestätigen, dass das Verhalten von Agroexpansión und von WWTE ihren jeweiligen Muttergesellschaften zuzurechnen ist. In diesen Fällen sind beide Gesellschaften – Muttergesellschaft und Tochtergesellschaft – als gesamtschuldnerisch für die in dieser Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlungen haftbar anzusehen.

(376)

[Demgegenüber] hat sich nach Absendung der Mitteilung der Beschwerdepunkte und nach Anhörung der Beteiligten erwiesen, dass die in den Akten enthaltenen Beweise eine ähnliche Schlussfolgerung in Bezug auf die Beteiligungen von Universal … und von Universal Leaf … an Taes und Deltafina nicht rechtfertigen konnten. Abgesehen vom gesellschaftlichen Bindeglied zwischen den Muttergesellschaften und ihren Tochtergesellschaften enthalten nämlich die Akten keinen Hinweis auf irgendeine materielle Verwicklung von Universal … und von Universal Leaf in den in dieser Entscheidung behandelten Sachverhalt. Eine Entscheidung in dieser Sache an sie zu richten, wäre deshalb nicht angebracht. Gleiches gälte erst recht für Intabex …, da ihre 100%ige Beteiligung an Agroexpansión rein finanziell war.“

16

Was genauer WWTE betrifft, unterschied die Kommission in Anbetracht der oben in den Randnrn. 5 und 6 geschilderten Umstände zwei Zeiträume. Der erste erstreckt sich von 1995 bis einschließlich 4. Mai 1998 (im Folgenden: erster Zeitraum) und der zweite vom 5. Mai 1998 bis zum Tag des Erlasses der streitigen Entscheidung (im Folgenden: zweiter Zeitraum).

17

In Bezug auf den ersten Zeitraum zog die Kommission in den Erwägungsgründen 391 und 392 der streitigen Entscheidung aus einer Reihe von Gesichtspunkten, die in den Erwägungsgründen 388 bis 390 dieser Entscheidung genannt werden, die Schlussfolgerung, dass WWTE von SCC – über SCTC und TCLT – und vom Vorsitzenden von WWTE sowie seiner Familie gemeinsam beherrscht worden sei, dass SCC und/oder ihre Tochtergesellschaften einen tatsächlichen Einfluss auf das Verhalten von WWTE genommen hätten und dass SCC bestimmte Mechanismen eingerichtet habe, die es ihr zusammengenommen ermöglicht hätten, über die Tätigkeiten von WWTE informiert zu sein und so eine tatsächliche Kontrolle über deren Geschäftspolitik auszuüben.

18

Hinsichtlich des zweiten Zeitraums gelangte die Kommission in den Erwägungsgründen 397 und 400 der streitigen Entscheidung auf der Grundlage einer Reihe von Gesichtspunkten, die in den Erwägungsgründen 393 bis 398 dieser Entscheidung genannt werden, zu dem Ergebnis, dass SCC entweder unmittelbar oder über SCTC und TCLT die alleinige Kontrolle über WWTE gehabt habe, dass die Argumente, die SCC in ihrer Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte ausgeführt habe, insoweit keine andere Schlussfolgerung rechtfertigten, dass also SCC und/oder ihre Tochtergesellschaften SCTC und TCLT einen entscheidenden Einfluss auf die Geschäftspolitik von WWTE ausgeübt hätten und dass sie deshalb gesamtschuldnerisch für die beanstandeten wettbewerbswidrigen Praktiken haftbar gemacht werden müssten.

II – Verfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil

19

Mit am 21. Januar 2005 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangener Klageschrift erhoben AOI, SCTC und TCLT Klage auf Nichtigerklärung der streitigen Entscheidung, soweit diese sie betrifft.

20

Sie stützten ihre Klage auf zwei Klagegründe. Mit dem ersten Klagegrund rügten sie einen Verstoß gegen die Art. 81 Abs. 1 EG und 23 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 [EG] und 82 [EG] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1), hilfsweise eine unzureichende Begründung der streitigen Entscheidung. Mit dem zweiten Klagegrund beanstandeten sie einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung.

21

Nachdem das Gericht beschlossen hatte, beide Klagegründe zusammen zu prüfen, hat es zunächst den zweiten Teil des ersten Klagegrundes, der auf eine unzureichende Begründung der streitigen Entscheidung gestützt wurde, als unbegründet zurückgewiesen.

22

Danach hat das Gericht den zweiten, auf einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz gestützten Klagegrund zurückgewiesen, weil es der Ansicht war, dass die Kommission auf alle betroffenen Muttergesellschaften dieselben Grundsätze angewandt habe, um zu entscheiden, ob ihnen die Verantwortung für die Zuwiderhandlung ihrer Tochtergesellschaften zuzurechnen sei. Es hat insbesondere befunden, dass die streitige Entscheidung nicht zeige, dass die Kommission insoweit an die Lage von SCC und SCTC anders herangegangen wäre als an diejenige von Universal, Universal Leaf oder Intabex.

23

Diese Beurteilung gründete u. a. auf folgenden Erwägungen, die in den Randnrn. 155 bis 157 des angefochtenen Urteils dargelegt werden:

„155

… [D]ie Kommission [hat sich] in dem besonderen Fall, dass eine Muttergesellschaft das gesamte Kapital ihrer Tochtergesellschaft hält, die gegen die Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft verstoßen hat, für den Nachweis, dass die Erstgenannte tatsächlich einen bestimmenden Einfluss auf die Geschäftspolitik der Letztgenannten ausübt, vorsichtshalber nicht ausschließlich auf die in der Rechtsprechung niedergelegte Vermutung … gestützt, sondern auch andere tatsächliche Gesichtspunkte berücksichtigt, um die Einflussnahme zu bekräftigen. Indem sie so vorgegangen ist, hat sie jedoch nur das erforderliche Beweismaß dafür, dass sie die Voraussetzung der tatsächlichen Ausübung eines bestimmenden Einflusses als erfüllt ansah, erhöht …

156

… [D]ie Kommission [muss], wenn sie in einer Sache, in der es um eine Zuwiderhandlung unter Beteiligung mehrerer verschiedener Unternehmen geht, innerhalb des von der Rechtsprechung gesetzten Rahmens eine bestimmte Methode wählt, um festzustellen, ob von einer Verantwortung sowohl der Tochtergesellschaften, die die Zuwiderhandlung materiell begangen haben, als auch ihrer Muttergesellschaften auszugehen ist, zu diesem Zweck bei allen betroffenen Unternehmen dieselben Kriterien anwenden, sofern keine außergewöhnlichen Umstände vorliegen.

157

Die Kommission muss sich nämlich an den Grundsatz der Gleichbehandlung halten, der nach ständiger Rechtsprechung verlangt, dass vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleich behandelt werden, es sei denn, eine solche Behandlung ist objektiv gerechtfertigt …“

24

Was den ersten Teil des ersten Klagegrundes betrifft, hat das Gericht hinsichtlich des ersten Zeitraums in Randnr. 194 des angefochtenen Urteils und in Bezug auf den zweiten Zeitraum in Randnr. 217 jenes Urteils festgestellt, dass die Kommission rechtlich hinreichend nachgewiesen habe, dass SCC und SCTC tatsächlich einen bestimmenden Einfluss auf das Verhalten von WWTE ausgeübt hätten.

25

In den Randnrn. 195 bis 197, 218 und 219 des angefochtenen Urteils hat das Gericht für den ersten und den zweiten Zeitraum die Ansicht vertreten, dass demgegenüber keiner der von der Kommission in der streitigen Entscheidung geltend gemachten Anhaltspunkte den Schluss zulasse, dass TCLT einen entscheidenden Einfluss auf das Verhalten von WWTE ausgeübt habe, und dass die Kommission demnach keinen Grund gehabt habe, TCLT die Zuwiderhandlung von WWTE zuzurechnen und sie für die Zahlung der Geldbuße gesamtschuldnerisch haftbar zu machen.

26

Insbesondere hat das Gericht in Randnr. 218 des angefochtenen Urteils befunden, dass sich die Kommission nicht allein darauf stützen könne, dass TCLT fast das gesamte Kapital von WWTE gehalten habe, weil TCLT sonst gegenüber Intabex, Universal und Universal Leaf diskriminiert würde.

27

Schließlich hat das Gericht in den Randnrn. 220 bis 229 des angefochtenen Urteils das Vorbringen der Klägerinnen verworfen, mit dem dargetan werden sollte, dass WWTE im Zuwiderhandlungszeitraum eigenständig auf dem Markt aufgetreten sei. Nach alledem hat das Gericht die streitige Entscheidung für nichtig erklärt, soweit sie TCLT betrifft, und die Klage im Übrigen abgewiesen.

III – Verfahren vor dem Gerichtshof und Anträge der Beteiligten

28

Durch Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 14. September 2011 sind die Rechtssachen C-628/10 P und C-14/11 P zu gemeinsamem mündlichen Verfahren und gemeinsamer Entscheidung verbunden worden.

29

AOI und SCTC beantragen mit ihrem Rechtsmittel,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die streitige Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit diese sie betrifft;

infolgedessen die durch diese Entscheidung verhängte Geldbuße herabzusetzen und

der Kommission die Kosten beider Rechtszüge aufzuerlegen.

30

Die Kommission beantragt in ihrer Rechtsmittelbeantwortung, das Rechtsmittel zurückzuweisen und den Rechtsmittelführerinnen die Kosten sowohl des ersten Rechtszugs als auch des Rechtsmittels aufzuerlegen.

31

Mit ihrem Rechtsmittel beantragt die Kommission,

das angefochtene Urteil in dem Maße aufzuheben, wie es die streitige Entscheidung für nichtig erklärt, soweit sie TCLT betrifft;

die von TCLT beim Gericht erhobene Klage abzuweisen und

TCLT die Kosten beider Rechtszüge aufzuerlegen.

32

AOI, SCTC und TCLT beantragen in ihrer Rechtsmittelbeantwortung, das Rechtsmittel zurückzuweisen und der Kommission die Kosten sowohl des ersten Rechtszugs als auch des Rechtsmittels aufzuerlegen.

IV – Zu den Rechtsmitteln

33

Zuerst ist das von der Kommission eingelegte Rechtsmittel zu prüfen.

A – Zum Rechtsmittel der Kommission

34

Die Kommission stützt ihr Rechtsmittel auf vier Gründe. Mit dem ersten und dem vierten Rechtsmittelgrund wird eine falsche Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung gerügt. Mit ihrem zweiten Rechtsmittelgrund beanstandet sie einen Rechtsfehler bei der Feststellung des rechtlichen Kriteriums, nach dem sich die Verantwortlichkeit der Muttergesellschaften bestimme. Mit dem dritten Rechtsmittelgrund wird geltend gemacht, das Gericht habe das Recht auf ein kontradiktorisches Verfahren verletzt und die Begründungspflicht falsch verstanden.

35

Der erste und der zweite Rechtsmittelgrund sind zusammen zu prüfen.

1. Zum ersten und zum zweiten Rechtsmittelgrund

a) Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

36

Mit ihrem ersten Rechtsmittelgrund macht die Kommission als Erstes geltend, das Gericht habe verkannt, dass der Grundsatz der Gleichbehandlung mit dem Gebot rechtmäßigen Handelns in Einklang gebracht werden müsse, so dass sich niemand zu seinem Vorteil auf eine fehlerhafte Rechtsanwendung zugunsten eines anderen berufen könne. Daher könne ein Unternehmen, wenn es gegen Art. 81 EG verstoßen habe, einer Sanktion nicht deshalb entgehen, weil anderen Unternehmen in vergleichbaren Situationen keine Geldbuße auferlegt worden sei.

37

Als Zweites weist die Kommission darauf hin, dass sie diese Argumente vor dem Gericht vorgebracht habe und dass dem angefochtenen Urteil, weil es auf sie nicht eingehe, ein Begründungsmangel anhafte.

38

Als Drittes bringt sie vor, es könne vermutet werden, dass TCLT als Muttergesellschaft, die fast das gesamte Kapital von WWTE halte, einen bestimmenden Einfluss auf diese ausgeübt habe, und das Gericht habe nicht festgestellt, dass TCLT diese Vermutung widerlegt habe oder überhaupt versucht habe, sie zu widerlegen.

39

Als Viertes macht die Kommission geltend, das Gericht sei rechtsfehlerhaft der Ansicht gewesen, dass TCLT nicht haftbar zu machen sei, weil andere Gesellschaften in angeblich vergleichbaren Situationen nicht zur Haftung herangezogen worden seien. Insbesondere bedeute der 384. Erwägungsgrund der streitigen Entscheidung, auf den das Gericht Bezug genommen habe, dass die Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung voraussetze, dass sich die Gesellschaften in einer vergleichbaren Lage befänden, was vorliegend nicht der Fall sei.

40

Mit ihrem zweiten Rechtsmittelgrund bringt die Kommission vor, das Gericht habe einen Rechtsfehler begangen, indem es davon ausgegangen sei, dass der Umstand, dass sie für bestimmte Unternehmen festgestellt habe, dass die tatsächliche Ausübung eines bestimmenden Einflusses auf einer „doppelten Grundlage“ und nicht allein auf der in der Rechtsprechung niedergelegten Vermutung beruhe, sie für alle Adressaten der streitigen Entscheidung binde. Anwendbar sei allein das in der Rechtsprechung aufgestellte Kriterium, da sie weder das insoweit erforderliche Beweismaß erhöhen noch durch einen solchen Ansatz das Gericht in seiner rechtlichen Beurteilung binden könne.

41

Wenn das von der Rechtsprechung aufgestellte Kriterium erfüllt sei, spiele es deshalb keine Rolle, ob sie zusätzliche Indizien angeführt habe, um ihre Schlussfolgerung vorsichtshalber weiter zu untermauern, da sich diese Indizien jedenfalls nicht in ein zwingendes Kriterium für die Beurteilung verwandelten, ob eine Muttergesellschaft tatsächlich einen bestimmenden Einfluss auf das Verhalten ihrer Tochtergesellschaft ausgeübt habe.

b) Würdigung durch den Gerichtshof

42

Nach ständiger Rechtsprechung bezeichnet der Begriff des Unternehmens jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einheit unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung. Unter diesem Begriff ist eine wirtschaftliche Einheit zu verstehen, selbst wenn diese Einheit rechtlich aus mehreren natürlichen oder juristischen Personen gebildet wird. Verstößt eine solche wirtschaftliche Einheit gegen die Wettbewerbsregeln, so hat sie nach dem Grundsatz der persönlichen Verantwortlichkeit für diese Zuwiderhandlung einzustehen (Urteile vom 20. Januar 2011, General Química u. a./Kommission, C-90/09 P, Slg. 2011, I-1, Randnrn. 34 bis 36 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 29. September 2011, Elf Aquitaine/Kommission, C-521/09 P, Slg. 2011, I-8947, Randnr. 53).

43

Insbesondere kann das Verhalten einer Tochtergesellschaft ihrer Muttergesellschaft namentlich dann zugerechnet werden, wenn die Tochtergesellschaft trotz eigener Rechtspersönlichkeit ihr Marktverhalten nicht eigenständig bestimmt, sondern im Wesentlichen Weisungen der Muttergesellschaft befolgt, und zwar vor allem wegen der wirtschaftlichen, organisatorischen und rechtlichen Bindungen, die die beiden Rechtssubjekte verbinden (Urteile vom 10. September 2009, Akzo Nobel u. a./Kommission, C-97/08 P, Slg. 2009, I-8237, Randnr. 58, Elf Aquitaine/Kommission, Randnr. 54, und vom 29. September 2011, Arkema/Kommission, C-520/09 P, Slg. 2011, I-8901, Randnr. 38).

44

Da nämlich in einem solchen Fall die Muttergesellschaft und ihre Tochtergesellschaft Teil ein und derselben wirtschaftlichen Einheit sind und damit ein einziges Unternehmen im Sinne von Art. 81 EG darstellen, kann die Kommission eine Entscheidung, mit der Geldbußen verhängt werden, an die Muttergesellschaft richten, ohne dass deren persönliche Beteiligung an der Zuwiderhandlung nachzuweisen wäre (vgl. Urteile Akzo Nobel u. a./Kommission, Randnr. 59, General Química u. a./Kommission, Randnr. 38, und Elf Aquitaine/Kommission, Randnr. 55).

45

Um festzustellen, ob eine Tochtergesellschaft ihr Marktverhalten eigenständig bestimmt, muss die Kommission grundsätzlich sämtliche im Zusammenhang mit ihren wirtschaftlichen, organisatorischen und rechtlichen Verbindungen zur Muttergesellschaft relevanten Gesichtspunkte berücksichtigen, die von Fall zu Fall variieren und daher nicht abschließend aufgezählt werden können (vgl. in diesem Sinne Urteile Akzo Nobel u. a./Kommission, Randnrn. 73 und 74, und Elf Aquitaine/Kommission, Randnr. 58).

46

Der Gerichtshof hat klargestellt, dass in dem besonderen Fall, dass eine Muttergesellschaft 100 % des Kapitals ihrer Tochtergesellschaft hält, die gegen die Wettbewerbsregeln der Union verstoßen hat, zum einen diese Muttergesellschaft einen bestimmenden Einfluss auf das Verhalten dieser Tochtergesellschaft ausüben kann und zum anderen eine widerlegliche Vermutung besteht, dass die Muttergesellschaft tatsächlich einen solchen Einfluss ausübt (Urteile vom 29. März 2011, ArcelorMittal Luxembourg/Kommission und Kommission/ArcelorMittal Luxembourg u. a., C-201/09 P und C-216/09 P, Slg. 2011, I-2239, Randnr. 97, und Elf Aquitaine/Kommission, Randnr. 56).

47

Unter diesen Umständen genügt es, dass die Kommission nachweist, dass die Muttergesellschaft das gesamte Kapital der Tochtergesellschaft hält, um zu vermuten, dass die Muttergesellschaft tatsächlich einen bestimmenden Einfluss auf die Geschäftspolitik dieser Tochtergesellschaft ausübt. Die Kommission kann in der Folge die Muttergesellschaft als gesamtschuldnerisch für die Zahlung der gegen die Tochtergesellschaft verhängten Geldbuße haftbar ansehen, sofern die Muttergesellschaft, der die Widerlegung dieser Vermutung obliegt, keine ausreichenden Beweise dafür erbringt, dass ihre Tochtergesellschaft auf dem Markt eigenständig auftritt (Urteile Akzo Nobel u. a./Kommission, Randnr. 61, Elf Aquitaine/Kommission, Randnr. 57, und Arkema/Kommission, Randnr. 41).

48

Vorab ist die Widerlegbarkeit der Vermutung zu betonen, die in der vorstehend in den Randnrn. 46 und 47 angeführten Rechtsprechung verankert ist.

49

Außerdem bedeutet diese Rechtsprechung nicht, dass sich die Kommission ausschließlich auf diese Vermutung stützen muss. Sie ist nämlich durch nichts daran gehindert, durch andere Beweise oder durch eine Kombination solcher Beweise mit der genannten Vermutung darzutun, dass eine Muttergesellschaft tatsächlich einen bestimmenden Einfluss auf ihre Tochtergesellschaft ausübt.

50

Im vorliegenden Fall ergibt sich, wie vom Gericht in den Randnrn. 134 bis 147 des angefochtenen Urteils festgestellt, aus der streitigen Entscheidung und ist auch von der Kommission im Verfahren des ersten Rechtszugs bestätigt worden, dass Letztere beschlossen hatte, für die Zwecke der Prüfung der tatsächlichen Ausübung eines bestimmenden Einflusses auf die Tochtergesellschaften durch die Muttergesellschaften die Letztgenannten nur zur Verantwortung zu ziehen, wenn Beweise die sich aus der Kontrolle des gesamten Kapitals der Tochtergesellschaften durch die Muttergesellschaften ergebende Vermutung der tatsächlichen Ausübung eines bestimmenden Einflusses auf Erstere bestätigen sollten (sogenannte Methode der „doppelten Grundlage“), und sie somit darauf verzichtet hatte, es mit der Anwendung der bloßen Vermutung eines bestimmenden Einflusses bewenden zu lassen.

51

Ferner steht fest, dass diese Herangehensweise dadurch motiviert war, dass die Kommission bei Erlass der streitigen Entscheidung nach dem damaligen Stand der Rechtsprechung Zweifel daran hatte, ob allein die Beherrschung des gesamten Kapitals einer Tochtergesellschaft durch ihre Muttergesellschaft erlaubte, die – wenngleich nicht widerlegte – Vermutung zur Anwendung zu bringen, und ob diese Beherrschung somit für den Nachweis ausreichte, dass eine Muttergesellschaft tatsächlich einen bestimmenden Einfluss auf ihre Tochtergesellschaft ausgeübt hatte.

52

Folglich hat zum einen die Kommission zur Ermittlung der Verantwortung der betroffenen Muttergesellschaften zu Recht eine der Methoden gewählt, auf die sie sich angesichts der oben in Randnr. 49 getroffenen Feststellung rechtmäßig stützen durfte, um das Bestehen eines solchen bestimmenden Einflusses zu beurteilen.

53

Zum anderen hat das Gericht in Randnr. 155 des angefochtenen Urteils zutreffend festgestellt, dass sich die Kommission für die Prüfung der Zurechenbarkeit des in Rede stehenden Kartells an die Muttergesellschaften mit der Wahl dieser Methode selbst eine Beweislast in Bezug auf die tatsächliche Ausübung eines bestimmenden Einflusses auferlegt habe, die gegenüber derjenigen verschärft sei, die unter Berücksichtigung der oben in den Randnrn. 46 und 47 dargestellten Rechtsprechung grundsätzlich als ausreichend angesehen worden wäre.

54

In den Randnrn. 195 bis 197, 218 und 219 des angefochtenen Urteils hat das Gericht aber die Feststellung getroffen, dass keiner der in der streitigen Entscheidung enthaltenen Beweise geeignet sei, die Vermutung der tatsächlichen Ausübung eines bestimmenden Einflusses auf WWTE durch TCLT zu bekräftigen, und dass das Fehlen solcher Beweise die Kommission gemäß der gewählten Methode veranlasst habe, die Verantwortlichkeit der Muttergesellschaften Intabex, Universal und Universal Leaf zu verneinen.

55

Auf der Grundlage dieser Feststellungen hat das Gericht befunden, dass die Kommission TCLT nicht für die Zahlung der betreffenden Geldbuße gesamtschuldnerisch haftbar machen könne, ohne sie gegenüber Intabex sowie gegenüber Universal und Universal Leaf zu diskriminieren.

56

Die Kommission stellt diese Feststellungen in ihrem Rechtsmittel nicht in Frage. Sie bestreitet also nicht, dass sie die gewählte Methode, d. h. die der doppelten Grundlage, auf alle Muttergesellschaften, deren Tochtergesellschaften an dem in Rede stehenden Kartell beteiligt waren, mit Ausnahme von TCLT anwandte, für die die Kriterien, auf denen diese Methode beruht, in der streitigen Entscheidung nicht erfüllt waren. Daraus folgt, dass die Kommission diese Gesellschaft allein auf der Grundlage der besagten Vermutung verantwortlich machte.

57

In den Randnrn. 156 und 157 des angefochtenen Urteils hat das Gericht die Auffassung vertreten, dass die Kommission, wenn sie eine Methode wie die im vorliegenden Fall angewandte wähle, um festzustellen, ob von einer Verantwortung der Muttergesellschaften, deren Tochtergesellschaften an ein und demselben Kartell teilgenommen hätten, auszugehen sei, nach dem Grundsatz der Gleichbehandlung bei allen diesen Muttergesellschaften dieselben Kriterien anwenden müsse, sofern keine außergewöhnlichen Umstände vorlägen.

58

Insoweit ergibt sich aus der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass die Unternehmen, die an einer gegen Art. 81 Abs. 1 EG verstoßenden Vereinbarung oder abgestimmten Verhaltensweise beteiligt waren, bei der Bemessung der Geldbuße nicht durch die Anwendung verschiedener Berechnungsmethoden ungleich behandelt werden dürfen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 16. November 2000, Weig/Kommission, C-280/98 P, Slg. 2000, I-9757, Randnrn. 63 bis 68, und Sarrió/Kommission, C-291/98 P, Slg. 2000, I-9991, Randnrn. 97 bis 100).

59

Da sich aber die Zurechnung der Verantwortung für eine von der Tochtergesellschaft begangene Zuwiderhandlung an die Muttergesellschaft nach der von der Kommission angewandten Berechnungsmethode erheblich auf den Betrag der Geldbuße auswirken kann, die diesen Gesellschaften gesamtschuldnerisch auferlegt werden kann, hat das Gericht in Randnr. 156 des angefochtenen Urteils zu Recht entschieden, dass die gleiche Logik gilt, wenn die Kommission für ein Kartell innerhalb des von der Rechtsprechung gezogenen Rahmens eine spezifische Methode wählt, um die Verantwortung der betroffenen Muttergesellschaften für die Zuwiderhandlungen ihrer Tochtergesellschaften zu ermitteln.

60

In Bezug auf den vorliegenden Fall ist klarzustellen, dass entgegen der Behauptung der Kommission die Beurteilung durch das Gericht nicht auf der Vergleichbarkeit der jeweiligen tatsächlichen Lage von TCLT einerseits sowie Intabex, Universal und Universal Leaf andererseits gründet, sondern auf der Vergleichbarkeit der jeweiligen Lage dieser Unternehmen im Hinblick sowohl auf das Beweismaß, das die Kommission bei dem fraglichen Kartell für erforderlich hielt, um das Vorliegen der tatsächlichen Ausübung eines bestimmenden Einflusses der Muttergesellschaften auf ihre Tochtergesellschaften nachzuweisen, als auch auf die in der streitigen Entscheidung enthaltenen Beweise.

61

Daraus folgt, dass das Gericht zu Recht eine Ungleichbehandlung festgestellt hat, aufgrund deren es die streitige Entscheidung teilweise für nichtig erklärt hat.

62

Diese Feststellung wird auch, anders als die Kommission vorbringt, nicht durch die Anforderungen des Gebots rechtmäßigen Handelns in Frage gestellt.

63

Wie nämlich die Generalanwältin in Nr. 64 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, kann die Kommission, da sie eine mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs zum bestimmenden Einfluss in Einklang stehende Methode angewandt hat, keine Rechtswidrigkeit begangen haben, so dass hier das Gebot rechtmäßigen Handelns nicht die Verpflichtung der Kommission zur Beachtung des Grundsatzes der Gleichbehandlung verdrängen konnte.

64

Was schließlich den behaupteten Begründungsmangel des angefochtenen Urteils betrifft, so verpflichtet nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs die Pflicht zur Begründung der Urteile, die dem Gericht nach den Art. 36 und 53 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union obliegt, dieses nicht, bei seinen Ausführungen alle von den Parteien des Rechtsstreits vorgetragenen Argumente nacheinander erschöpfend zu behandeln. Die Begründung kann daher implizit erfolgen, sofern sie es den Betroffenen ermöglicht, die Gründe zu erkennen, auf denen das angefochtene Urteil beruht, und dem Gerichtshof ausreichende Angaben an die Hand gibt, damit er seine Kontrollaufgabe im Rahmen eines Rechtsmittels wahrnehmen kann (Urteil vom 16. Dezember 2010, AceaElectrabel Produzione/Kommission, C-480/09 P, Slg. 2010, I-13355, Randnr. 77 und die dort angeführte Rechtsprechung).

65

Im vorliegenden Fall ergibt sich zum einen aus Randnr. 113 des angefochtenen Urteils, dass das Gericht das Vorbringen der Kommission im ersten Rechtszug dargestellt hat. Zum anderen ergibt sich aus den Randnrn. 156 und 157 sowie 218 und 219 jenes Urteils, dass das Gericht dieses Vorbringen implizit zurückgewiesen hat. Es hat nämlich die Auffassung vertreten, dass die Kommission, da sie eine mit der Rechtsprechung zum bestimmenden Einfluss in Einklang stehende Methode angewandt habe, keine Rechtswidrigkeit begangen habe, so dass hier das Gebot rechtmäßigen Handelns nicht die Verpflichtung der Kommission zur Beachtung des Grundsatzes der Gleichbehandlung habe verdrängen können.

66

Da außerdem die genannten Randnummern des angefochtenen Urteils den Betroffenen ermöglichen, die Gründe zu erkennen, auf denen das Urteil beruht, und dem Gerichtshof ausreichende Angaben an die Hand geben, damit er seine Kontrollaufgabe im Rahmen des vorliegenden Rechtsmittels wahrnehmen kann, haftet dem angefochtenen Urteil entgegen dem Vorbringen der Kommission kein Begründungsmangel an.

67

Die ersten beiden Rechtsmittelgründe der Kommission sind daher zu verwerfen.

2. Zum dritten Rechtsmittelgrund der Kommission: Verletzung des Rechts auf ein kontradiktorisches Verfahren und falsches Verständnis von der Begründungspflicht

a) Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

68

Die Kommission bringt vor, das Gericht habe einen Rechtsfehler begangen, indem es in Randnr. 196 des angefochtenen Urteils befunden habe, dass sie sich nicht auf die tatsächlichen Unterschiede zwischen der Lage von TCLT einerseits sowie derjenigen von Intabex und Universal andererseits habe berufen können, weil in der streitigen Entscheidung davon keine Rede gewesen sei. Sie habe nämlich diese Unterschiede in ihrer beim Gericht eingereichten Klagebeantwortung zur Sprache gebracht.

69

Da die Begründungspflicht keine Begründung dafür verlange, dass der fragliche Rechtsakt nicht an bestimmte dritte Beteiligte gerichtet worden sei, habe sie in der streitigen Entscheidung weder die Gründe, weshalb sie die Entscheidung nicht an Intabex und Universal gerichtet habe, erläutern noch die angeblich andere Behandlung dieser Gesellschaften rechtfertigen müssen.

70

TCLT habe im Verwaltungsverfahren weder eine Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung geltend gemacht, noch sich darauf berufen, dass ihre Beteiligung an WWTE rein finanzieller Art gewesen sei. Die Kommission habe deshalb dem Vorbringen einer angeblichen Diskriminierung erstmals in ihrer Klagebeantwortung vor dem Gericht entgegentreten können.

71

Unter diesen Umständen habe sie der vom Gericht verfolgte Ansatz daran gehindert, sich gegen den Vorwurf der Diskriminierung zu verteidigen. Sie sei aber berechtigt, sich auf jeden Gesichtspunkt zu stützen, den sie für ihre Verteidigung für erforderlich halte, wenn ein Vorbringen erstmals vor dem Gericht gemacht werde. Insbesondere müsse sie nach der Rechtsprechung in ihren Entscheidungen nicht alle Argumente ausführen, die sie in der Folge anführen könne, um den Rechtswidrigkeitsgründen entgegenzutreten, die gegen ihre Handlungen geltend gemacht würden.

b) Würdigung durch den Gerichtshof

72

Die nach Art. 296 AEUV vorgeschriebene Begründung muss der Natur des betreffenden Rechtsakts angepasst sein und die Überlegungen des Organs, das den Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, dass die Betroffenen ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen können und das zuständige Gericht seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann (Urteil Elf Aquitaine/Kommission, Randnr. 147).

73

So ergibt sich im Zusammenhang mit Einzelentscheidungen aus der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass die Pflicht zur Begründung einer Einzelentscheidung neben der Ermöglichung einer gerichtlichen Überprüfung den Zweck hat, den Betroffenen so ausreichend zu unterrichten, dass er erkennen kann, ob die Entscheidung eventuell mit einem Mangel behaftet ist, der ihre Anfechtung ermöglicht (Urteil Elf Aquitaine/Kommission, Randnr. 148).

74

Die Begründung ist dem Betroffenen daher grundsätzlich gleichzeitig mit der ihn beschwerenden Entscheidung mitzuteilen. Das Fehlen der Begründung kann nicht dadurch geheilt werden, dass der Betroffene die Gründe für die Entscheidung während des Verfahrens vor den Unionsinstanzen erfährt (Urteil Elf Aquitaine/Kommission, Randnr. 149 und die dort angeführte Rechtsprechung).

75

Insbesondere muss eine Entscheidung zur Anwendung des Wettbewerbsrechts der Union, wenn sie an eine Mehrzahl von Adressaten gerichtet ist und die Zurechnung der Zuwiderhandlung betrifft, in Bezug auf jeden Adressaten hinreichend begründet sein, vor allem aber in Bezug auf diejenigen, denen die Zuwiderhandlung in der Entscheidung zugerechnet wird. Daher muss eine solche Entscheidung in Bezug auf eine Muttergesellschaft, die für die Zuwiderhandlung ihrer Tochtergesellschaft haftbar gemacht wird, grundsätzlich eine Darlegung der Gründe enthalten, die die Zurechnung der Zuwiderhandlung an die Muttergesellschaft rechtfertigt.

76

Im vorliegenden Fall ist daran zu erinnern, dass das Gericht zunächst festgestellt hat, dass die Kommission ausweislich der streitigen Entscheidung beschlossen habe, nur dann von einer Verantwortung der einzelnen betroffenen Muttergesellschaften auszugehen, wenn ausreichende Beweise in jedem Einzelfall die Vermutung der tatsächlichen Ausübung eines bestimmenden Einflusses bekräftigen sollten, die sich daraus ergebe, dass die Muttergesellschaften das Kapital ihrer jeweiligen Tochtergesellschaften zur Gesamtheit hielten; sodann hat es festgestellt, dass in der streitigen Entscheidung in Bezug auf TCLT kein Beweis angeführt werde, der diese Vermutung bestätige, und schließlich, dass das Fehlen solcher Beweise die Kommission veranlasst habe, die Verantwortlichkeit der Muttergesellschaften Intabex, Universal und Universal Leaf zu verneinen.

77

Somit hat das Gericht in Randnr. 196 des angefochtenen Urteils rechtsfehlerfrei entschieden, dass ein Umstand, den die Kommission erstmals in ihrer Klagebeantwortung vor dem Gericht angeführt habe, nicht berücksichtigt werden könne.

78

Außerdem hat das Gericht mit dieser Anwendung der einschlägigen Rechtsprechung die Kommission weder zu einer Begründung dafür verpflichtet, dass die streitige Entscheidung nicht an bestimmte dritte Beteiligte gerichtet wurde, noch dazu, jedes maßgebliche Argument auszuführen, das hätte vorgebracht werden können. Es hat nämlich in Randnr. 195 des angefochtenen Urteils im Wesentlichen nur einen Begründungsmangel der streitigen Entscheidung in Ansehung der Kriterien, die sich die Kommission selbst auferlegt hatte, und in Randnr. 196 jenes Urteils die Unmöglichkeit der Heilung eines solchen Mangels durch die Kommission im gerichtlichen Verfahren festgestellt.

79

Das Gericht hat somit zu Recht entschieden, dass die Verteidigungsrechte der Kommission nicht so weit gehen, dass sie die Möglichkeit hat, die Rechtmäßigkeit der streitigen Entscheidung gegenüber Diskriminierungsvorwürfen zu verteidigen, indem sie während des gerichtlichen Verfahrens Beweise für die Verantwortlichkeit einer Muttergesellschaft beibringt, die sich in dieser Entscheidung nicht finden.

80

Demnach ist der dritte Rechtsmittelgrund der Kommission zu verwerfen.

3. Zum vierten Rechtsmittelgrund der Kommission: falsche Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung

a) Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

81

Nach Ansicht der Kommission befinden sich Universal und Intabex einerseits und TCLT andererseits, anders als das Gericht befunden habe, nicht in der gleichen tatsächlichen Lage, so dass keine Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung festgestellt werden könne.

82

Zum einen sei TCLT im Gegensatz zu Intabex keine dazwischengeschaltete Gesellschaft rein finanzieller Natur, sondern die Hauptkundin von WWTE. Dies rechtfertige aber zugleich den Rückgriff auf die Vermutung der tatsächlichen Ausübung eines bestimmenden Einflusses und die Feststellung, dass diese Vermutung von TCLT nicht widerlegt worden sei.

83

Zum anderen werde im angefochtenen Urteil nicht ausgeführt, weshalb das Gericht Universal in der gleichen Lage wie TCLT gesehen habe. Da das Gericht nicht auf die Gründe eingegangen sei, die die Kommission dafür vorgebracht habe, dass zwischen der Lage von TCLT und der von Universal zu unterscheiden sei, leide das angefochtene Urteil unter einem Begründungsmangel.

b) Würdigung durch den Gerichtshof

84

Nach den Art. 256 AEUV und 58 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs ist allein das Gericht dafür zuständig, die Tatsachen festzustellen – es sei denn, aus den Verfahrensakten ergibt sich die materielle Unrichtigkeit dieser Feststellungen – und zu würdigen. Hat das Gericht die Tatsachen festgestellt oder gewürdigt, ist der Gerichtshof gemäß Art. 256 AEUV zur Kontrolle der rechtlichen Qualifizierung dieser Tatsachen und der Rechtsfolgen, die das Gericht aus ihnen gezogen hat, befugt (Urteile vom 6. April 2006, General Motors/Kommission, C-551/03 P, Slg. 2006, I-3173, Randnr. 51, und vom 29. März 2011, ThyssenKrupp Nirosta/Kommission, C-352/09 P, Slg. 2011, I-2359, Randnr. 179).

85

Der Gerichtshof hat auch klargestellt, dass die Tatsachenwürdigung, sofern die dem Gericht vorgelegten Beweise nicht verfälscht werden, keine Rechtsfrage darstellt, die als solche der Kontrolle des Gerichtshofs unterliegt (Urteile vom 18. Mai 2006, Archer Daniels Midland und Archer Daniels Midland Ingredients/Kommission, C-397/03 P, Slg. 2006, I-4429, Randnr. 85, und ThyssenKrupp Nirosta/Kommission, Randnr. 180).

86

Mit ihrem Vorbringen, das darauf abstellt, dass sich Universal und Intabex einerseits sowie TCLT andererseits nicht in der gleichen tatsächlichen Lage befunden hätten, begehrt die Kommission aber vorliegend vom Gerichtshof die Überprüfung von Tatsachenwürdigungen des Gerichts.

87

Außerdem gründet, wie oben in Randnr. 60 ausgeführt, die Beurteilung durch das Gericht nicht auf einem Vergleich der jeweiligen tatsächlichen Lage dieser Gesellschaften, sondern auf der Vergleichbarkeit ihrer Lage im Hinblick auf das Beweismaß, das die Kommission für erforderlich hielt, und auf die in der streitigen Entscheidung enthaltenen Beweise.

88

Im Übrigen geht, wie von der Generalanwältin in Nr. 134 ihrer Schlussanträge festgestellt, die Rüge eines angeblichen Begründungsmangels hinsichtlich der Vergleichbarkeit der Lage von TCLT mit der von Universal ins Leere, weil die Gründe, aus denen das Gericht die Lage von TCLT und die Lage von Intabex für vergleichbar gehalten hat, im angefochtenen Urteil rechtlich hinreichend dargestellt sind. Da das Gericht befunden hat, dass die Kommission TCLT und Intabex ohne Rechtfertigung unterschiedlich behandelt habe, hat es das Vorliegen der von ihm zugrunde gelegten Ungleichbehandlung nämlich bereits rechtlich hinreichend festgestellt.

89

Unter diesen Umständen kann der vierte Rechtsmittelgrund der Kommission keinen Erfolg haben, und das Rechtsmittel ist daher insgesamt zurückzuweisen.

B – Zum Rechtsmittel von AOI und SCTC

90

AOI und SCTC stützen ihr Rechtsmittel auf drei Gründe, nämlich einen Verstoß gegen die Art. 81 Abs. 1 EG und 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003, eine Verletzung von Art. 48 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts und der Verteidigungsrechte sowie schließlich einen Verstoß gegen Art. 20 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta), in dem der Grundsatz der Gleichbehandlung verankert ist. Für den Fall der Aufhebung beantragen AOI und SCTC eine Herabsetzung der ihnen auferlegten Geldbuße.

1. Zum ersten Rechtsmittelgrund: Verstoß gegen die Art. 81 Abs. 1 EG und 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003

91

Der erste Rechtsmittelgrund umfasst zwei Teile, deren erster darauf gestützt wird, dass die Muttergesellschaften von WWTE während des ersten Zeitraums, also vor dem 5. Mai 1998, nicht in der Lage gewesen seien, einen bestimmenden Einfluss auf ihre Tochtergesellschaft auszuüben, und deren zweiter darauf beruht, dass AOI und SCTC mit dem angefochtenen Urteil bestimmte Grundrechte vorenthalten würden, die ihnen zustünden.

a) Zum ersten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes: kein bestimmender Einfluss von SCC und SCTC auf WWTE

i) Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

92

Als Erstes beanstanden AOI und SCTC, das Gericht habe bestätigt, dass sie während des ersten Zeitraums in der Lage gewesen seien, einen bestimmenden Einfluss auf das Verhalten von WWTE auszuüben. In diesem Zeitraum habe SCC – über TCLT – nur 66 % des Kapitals von WWTE gehalten. Die Beschlüsse der Generalversammlung Letzterer hätten aber nur mit einer 75 % des Gesellschaftskapitals entsprechenden Mehrheit angenommen werden können.

93

Wenn der bestimmende Einfluss im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates vom 20. Januar 2004 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (ABl. L 24, S. 1) negativ konzipiert sei, er also gegeben sei, wenn ein Anteilseigner über eine Sperrmöglichkeit verfüge, so könne ein solches Konzept keine Verantwortung im Sinne des Art. 81 Abs. 1 EG begründen, der impliziere, dass Verantwortung nur aufgrund positiver Handlungen der Muttergesellschaft gegenüber ihren Tochtergesellschaften zugerechnet werden könne.

94

Außerdem werfen AOI und SCTC dem Gericht vor, erklärt zu haben, falls sie tatsächlich einen bestimmenden Einfluss auf das Verhalten von WWTE ausgeübt hätten, bedeute dies zwangsläufig, dass sie in der Lage gewesen seien, einen solchen Einfluss auszuüben. Diese beiden Kriterien, also zum einen das der Fähigkeit, einen bestimmenden Einfluss auszuüben, und zum anderen das der tatsächlichen Ausübung eines solchen Einflusses seien nämlich unabhängig voneinander.

95

Die von der Kommission vorgelegten Beweise hätten nicht gezeigt, dass SCC WWTE Anweisungen erteilt hätte, sondern nur, dass sie von den fraglichen Praktiken gewusst habe. Dieses Wissen allein beweise aber nicht, dass SCC bestimmenden Einfluss auf das Verhalten von WWTE ausgeübt habe oder habe ausüben können.

96

Schließlich reiche, da keine gesamtschuldnerische Haftung von TCLT festgestellt worden sei, die mittelbare und negative Kontrolle, die SCC über WWTE ausgeübt habe, nicht aus, um SCC für das Verhalten von WWTE verantwortlich zu machen.

97

Als Zweites machen AOI und SCTC geltend, das Gericht habe das Konzept des einheitlichen Unternehmens falsch angewandt. Wenn zwischen WWTE, SCC und dem Minderheitsaktionär wirtschaftliche, organisatorische und rechtliche Verbindungen bestanden hätten, so hätte das einheitliche Unternehmen alle drei umfassen müssen. Da SCC für sich allein im ersten Zeitraum keinen bestimmenden Einfluss auf WWTE habe ausüben können, hätten WWTE und SCC allein nicht als wirtschaftliche Einheit angesehen werden können.

98

Die Kommission habe nicht den Einfluss angesprochen, den der Minderheitsaktionär gegebenenfalls habe ausüben können, und das Gericht habe in Bezug auf Letzteren nicht geprüft, ob er in der Lage gewesen sei, Einfluss auf WWTE zu nehmen. Daher sei es durch nichts gerechtfertigt, SCC die alleinige Verantwortung für das Verhalten von WWTE zuzurechnen.

99

Nach Auffassung der Kommission ist der erste Teil des ersten Rechtsmittelgrundes zurückzuweisen. Insbesondere sei das Argument von AOI und SCTC, dass im Fall einer gemeinsamen Kontrolle die Verantwortung für eine Zuwiderhandlung der Tochtergesellschaft beiden Anteilseignern zuzurechnen sei, die die Kontrolle gemeinsam ausgeübt hätten, im ersten Rechtszug nicht vorgebracht worden und deshalb unzulässig.

ii) Würdigung durch den Gerichtshof

100

Vorab ist die von der Kommission geltend gemachte Unzulässigkeit des auf die falsche Anwendung des Begriffs des einheitlichen Unternehmens gestützten Arguments von AOI und SCTC zu verneinen, da dieses Argument als Weiterentwicklung desjenigen angesehen werden kann, das zuvor vor dem Gericht ausgeführt wurde und in den Randnrn. 56 und 57 des angefochtenen Urteils Niederschlag gefunden hat.

101

Zur Sache hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass die Ausübung einer gemeinsamen Kontrolle über ihre Tochtergesellschaft durch zwei voneinander unabhängige Muttergesellschaften die Kommission grundsätzlich nicht an der Feststellung hindert, dass zwischen einer dieser beiden Muttergesellschaften und der fraglichen Tochtergesellschaft eine wirtschaftliche Einheit besteht, und dies selbst dann gilt, wenn diese Muttergesellschaft weniger Kapital der Tochtergesellschaft hält als die andere Muttergesellschaft (vgl. in diesem Sinne Urteil AceaElectrabel Produzione/Kommission, Randnr. 64). Demnach können eine Muttergesellschaft und ihre Tochtergesellschaft, die selbst Muttergesellschaft der Gesellschaft ist, die eine Zuwiderhandlung begangen hat, erst recht als wirtschaftliche Einheit zusammen mit der letztgenannten Gesellschaft angesehen werden.

102

Außerdem kann, wie oben in den Randnrn. 42 bis 44 ausgeführt, die Kommission eine Entscheidung, mit der Geldbußen verhängt werden, an die Muttergesellschaft einer an einem Verstoß gegen Art. 81 EG beteiligten Tochtergesellschaft richten, ohne dass die persönliche Beteiligung der Muttergesellschaft an dem Verstoß nachzuweisen wäre, sofern diese tatsächlich einen bestimmenden Einfluss auf die Geschäftspolitik der Tochtergesellschaft ausübt.

103

Folglich steht allein der Umstand, dass SCC und SCTC im fraglichen Zeitraum nur eine gemeinsame Kontrolle über WWTE ausübten, nicht der Feststellung entgegen, dass diese Gesellschaften eine wirtschaftliche Einheit bildeten, sofern SCC und SCTC erwiesenermaßen einen bestimmenden Einfluss auf die Geschäftspolitik von WWTE ausgeübt haben.

104

Insoweit hat das Gericht in den Randnrn. 172 bis 193 des angefochtenen Urteils die Beweise, auf die sich die Kommission stützte, eingehend geprüft, bevor es in Randnr. 194 jenes Urteils zu dem Ergebnis gelangt ist, dass diese Beweise die tatsächliche Ausübung eines solchen bestimmenden Einflusses rechtlich hinreichend nachwiesen.

105

Unter Berücksichtigung namentlich der in den Randnrn. 182 bis 186 des angefochtenen Urteils geprüften Anhaltspunkte, die die Einflussnahme von SCTC auf WWTE betreffen, haftet den Ausführungen in den Randnrn. 172 bis 194 des angefochtenen Urteils zum einen kein Rechtsfehler an, und sie konnten zum anderen das Gericht entgegen der Ansicht von AOI und SCTC mit gutem Grund zu der Feststellung veranlassen, dass ein solcher bestimmender Einfluss tatsächlich ausgeübt worden sei.

106

Nach alledem ist der erste Teil des ersten Rechtsmittelgrundes des von AOI und SCTC eingelegten Rechtsmittels zu verwerfen.

b) Zum zweiten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes: Verletzung der Grundrechte

i) Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

107

Nach Ansicht von AOI und SCTC verletzt das angefochtene Urteil manche ihrer Grundrechte, nämlich das Recht auf die Unschuldsvermutung und die Grundsätze der Gesetzmäßigkeit sowie der individuellen Anknüpfung bei Straftaten und Strafen gemäß den Art. 48 und 49 der Charta. Das Inkrafttreten der Charta habe unmittelbare Folgen für den vorliegenden Fall, da diese Grundsätze nunmehr mit dem Primärrecht gleichrangig seien.

108

AOI und SCTC machen geltend, dass gemäß diesen Grundrechten eine Schuldvermutung grundsätzlich verboten sei und nur unter außergewöhnlichen Umständen zugelassen werden dürfe. Das Gericht habe aber die sich aus dem Besitz sämtlicher Anteile an einer Tochtergesellschaft ergebende Vermutung der tatsächlichen Ausübung eines bestimmenden Einflusses angewandt, ohne dass hier außergewöhnliche Umstände vorgelegen hätten. Außerdem seien die ihnen auferlegten Geldbußen erheblich und nicht geringfügig.

109

Die Kommission hält den zweiten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes für unzulässig und macht dafür namentlich geltend, dass er auf neuem Vorbringen beruhe.

ii) Würdigung durch den Gerichtshof

110

Wie die Kommission zu Recht vorbringt, haben AOI und SCTC in ihrer Klageschrift im ersten Rechtszug die Argumente, die sie im Rahmen des zweiten Teils ihres ersten Rechtsmittelgrundes geltend machen, nicht vorgetragen.

111

Nach ständiger Rechtsprechung würde aber einer Partei, wenn sie vor dem Gerichtshof erstmals ein Angriffs- oder Verteidigungsmittel vorbringen könnte, das sie vor dem Gericht nicht vorgebracht hat, letztlich gestattet, den Gerichtshof mit einem weiterreichenden Rechtsstreit zu befassen, als ihn das Gericht zu entscheiden hatte. Im Rahmen eines Rechtsmittels kann der Gerichtshof grundsätzlich nur überprüfen, wie das Gericht die vor ihm erörterten Angriffs- und Verteidigungsmittel gewürdigt hat (Urteil AceaElectrabel Produzione/Kommission, Randnr. 113 und die dort angeführte Rechtsprechung).

112

Der zweite Teil des ersten Rechtsmittelgrundes ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

113

Jedenfalls entbehrt das oben in Randnr. 108 geschilderte Vorbringen in Anbetracht der oben in den Randnrn. 46 und 47 dargestellten Rechtsprechung auch jeder Grundlage.

114

Der erste Rechtsmittelgrund ist daher in vollem Umfang zurückzuweisen.

2. Zum zweiten Rechtsmittelgrund von AOI und SCTC: Verletzung der Verteidigungsrechte und von Art. 48 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts

a) Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

115

Als Erstes machen AOI und SCTC geltend, das Gericht habe die Verteidigungsrechte verletzt, indem es sich unter Verstoß gegen Art. 48 § 2 seiner Verfahrensordnung ein neues Vorbringen zu eigen gemacht habe, das aus der Antwort der Kommission auf eine schriftliche Frage des Gerichts stamme.

116

In dieser Antwort habe die Kommission nämlich von ihren früheren Aussagen Abstand genommen, wonach es Universal und Universal Leaf im Verwaltungsverfahren gelungen sei, die sich aus dem Besitz sämtlicher Anteile an Deltafina ergebende Vermutung der tatsächlichen Ausübung eines bestimmenden Einflusses zu widerlegen, und erstmals behauptet, sie habe beschlossen, sich nicht ausschließlich auf diese Vermutung zu stützen, sondern die Verantwortlichkeit auf einer doppelten Grundlage unter Berücksichtigung auch zusätzlicher Beweise nachzuweisen, die es nach ihren Aussagen in Bezug auf die Muttergesellschaften Universal und Universal Leaf nicht gegeben habe. AOI und SCTC hätten aber keine Gelegenheit gehabt, in ihren Schriftsätzen auf das Vorbringen zu dieser doppelten Grundlage zu erwidern.

117

Als Zweites weisen AOI und SCTC darauf hin, dass sich die Kommission nach ständiger Rechtsprechung an die in der streitigen Entscheidung gegebene Begründung halten müsse und die Entscheidung nicht im Nachhinein vor dem Unionsrichter begründen könne. Dieses Erfordernis gelte aber erst recht für das Gericht.

118

Die Erwägungsgründe 371 bis 373 der streitigen Entscheidung enthielten keinerlei Bezugnahme auf das vom Gericht zugrunde gelegte Kriterium der doppelten Grundlage. Das Gericht habe somit die von der Kommission angeblich angewandte Methode ermittelt, indem es sie im Nachhinein dem Gesamtzusammenhang dieser Entscheidung entnommen habe. Die Gründe, die die Kommission dazu veranlasst haben könnten, sich in der Entscheidung unklar auszudrücken, gäben dem Gericht aber jedenfalls nicht das Recht zur Behebung der Schwachstellen in der Begründung der Kommission oder zu einer nachträglichen Begründung.

119

Die Kommission hält den zweiten Rechtsmittelgrund für unzulässig, weil ein Vorbringen, das auf einen Verfahrensfehler vor dem Gericht gestützt werde, im Rechtsmittelstadium nur zulässig sei, wenn dieser Fehler die Interessen des Rechtsmittelführers beeinträchtigt habe. AOI und SCTC hätten aber nicht dargetan, dass ihre Interessen verletzt worden seien. Darüber hinaus geht dieser Rechtsmittelgrund nach Ansicht der Kommission ins Leere.

b) Würdigung durch den Gerichtshof

120

Eingangs ist das Vorbringen zurückzuweisen, mit dem die Kommission geltend macht, dass der vorliegende Rechtsmittelgrund unzulässig sei. Wie nämlich die Generalanwältin in den Nrn. 187 und 188 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, wird das Vorbringen von AOI und SCTC auf eine Verletzung der Verteidigungsrechte gestützt. Eine solche Verletzung ist aber, sollte sie erwiesen sein, geeignet, zur Aufhebung des angefochtenen Urteils zu führen.

121

Zur Begründetheit ist jedoch sogleich festzustellen, dass das Gericht, anders als AOI und SCTC behaupten, seine Würdigung nicht auf ein neues Vorbringen der Kommission im gerichtlichen Verfahren gestützt hat, sondern, wie den Randnrn. 141 ff. des angefochtenen Urteils zu entnehmen ist, auf seine eigene Auslegung der in ihrer Gesamtheit betrachteten streitigen Entscheidung. Insbesondere ergibt sich aus Randnr. 147 jenes Urteils, dass die von der Kommission im gerichtlichen Verfahren gegebenen Erklärungen vom Gericht nur zur Bestätigung seiner eigenen Auslegung dieser Entscheidung herangezogen worden sind.

122

Demzufolge ist zum einen das Vorbringen von AOI und SCTC zurückzuweisen, wonach das Gericht nicht die in der streitigen Entscheidung enthaltene Begründung geprüft, sondern sich ein neues Vorbringen der Kommission im gerichtlichen Verfahren zu eigen gemacht habe.

123

Zum anderen geht, wie die Kommission zu Recht geltend macht, das Vorbringen von AOI und SCTC, mit dem ein Verstoß gegen Art. 48 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts gerügt wird, ins Leere. Diese Bestimmung kann jedenfalls entgegen der Auffassung dieser Rechtsmittelführerinnen nicht im Sinne einer Einschränkung des Beurteilungsspielraums des Gerichts dahin ausgelegt werden, dass dieses eine bestimmte Auslegung einer Entscheidung deshalb nicht zugrunde legen könnte, weil dieselbe Auslegung von einem der Verfahrensbeteiligten verspätet vorgeschlagen worden ist. Abgesehen davon hatten AOI und SCTC in der mündlichen Verhandlung im ersten Rechtszug Gelegenheit, zu den Erklärungen der Kommission Stellung zu nehmen.

124

Der zweite Rechtsmittelgrund ist somit zurückzuweisen.

3. Zum dritten Rechtsmittelgrund von AOI und SCTC: Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung

a) Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

125

Als Erstes machen AOI und SCTC geltend, das Kriterium der doppelten Grundlage, das vom Gericht angewandt worden sei, um die tatsächliche Ausübung eines bestimmenden Einflusses festzustellen und den Muttergesellschaften so die Verantwortung für das Verhalten ihrer zu 100 % kontrollierten Tochtergesellschaften zuzurechnen, leide unter drei Rechtsfehlern.

126

Erstens führe diese Methode zu Diskriminierungen zwischen den Gesellschaften je nach ihren Erfolgsaussichten vor Gericht. Indem die Kommission nämlich eine Methode gewählt habe, die vorsichtshalber die Fälle der Widerlegung der fraglichen Vermutung nach der Verfügbarkeit zusätzlicher Beweise filtere, habe sie spekulativ gehandelt und die von der streitigen Entscheidung erfassten Gesellschaften gegenüber denjenigen diskriminiert, die davon nicht betroffen seien.

127

Zweitens habe das Gericht einen Rechtsfehler begangen, indem es der Auffassung gewesen sei, dass die Kommission das erforderliche Beweismaß erhöht habe, denn das Gericht habe nicht festgestellt, dass die Kommission die Anwendung der fraglichen Vermutung von zusätzlichen Indizien abhängig gemacht habe. Die Kommission hätte also diese Vermutung ohne Rückgriff auf eine weitere Grundlage anwenden können, um die tatsächliche Ausübung eines bestimmenden Einflusses zu begründen.

128

Drittens habe die Kommission im 376. Erwägungsgrund der streitigen Entscheidung die Verantwortung von Universal und Universal Leaf ausgeschlossen, da die Akten keinen Hinweis auf ihre materielle Beteiligung an der Zuwiderhandlung enthalten hätten. Da die Kommission aber niemals behauptet habe, dass SCC oder SCTC an der von WWTE begangenen Zuwiderhandlung materiell beteiligt gewesen seien, und trotzdem von ihrer Verantwortlichkeit ausgegangen sei, habe sie für sie andere Kriterien gelten lassen und damit den Grundsatz der Gleichbehandlung verletzt.

129

Als Zweites machen AOI und SCTC einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung bei der Anwendung der Methode zur Zurechnung der Verantwortung für die Zuwiderhandlung geltend.

130

Das Gericht habe zum einen nicht geprüft, ob Deltafina, Universal und Universal Leaf eine einzige wirtschaftliche Einheit gebildet hätten. Deshalb habe es nicht feststellen können, ob AOI und SCTC gegenüber diesen Gesellschaften diskriminiert worden seien. Außerdem habe Universal ausweislich der Akten der Kommission mitgeteilt, dass sie die Entscheidung ihrer Tochtergesellschaft Taes zur Kooperation unterstütze und dass zwei Tochtergesellschaften an den betreffenden Praktiken beteiligt gewesen seien, was auf die Ausübung eines bestimmenden Einflusses auf diese Tochtergesellschaften hindeuten könne.

131

Zum anderen habe die Lage von SCC und SCTC vollauf derjenigen von Universal und Universal Leaf entsprochen, da alle diese Gesellschaften die Anteile an ihren jeweiligen Tochtergesellschaften zu 100 % gehalten hätten. Da das Gericht die streitige Entscheidung teilweise für nichtig erklärt habe, soweit sie TCLT betroffen habe, hätte es auch die Zurechnung der Verantwortung an SCC und SCTC für nichtig erklären müssen, um eine Diskriminierung gegenüber Universal und Universal Leaf zu vermeiden.

b) Würdigung durch den Gerichtshof

132

Als Erstes ist in Bezug auf das Kriterium der doppelten Grundlage, das nach den Feststellungen des Gerichts von der Kommission angewandt wurde, um zu bestimmen, ob eine Verantwortung der Muttergesellschaften gegeben war, deren Tochtergesellschaften an dem von der streitigen Entscheidung erfassten Kartell teilgenommen hatten, darauf hinzuweisen, dass das Gericht diesen Ansatz der Kommission einer eingehenden Analyse dieser Entscheidung entnommen hat und dass dieser Analyse, wie oben in Randnr. 121 festgestellt, kein Rechtsfehler anhaftet.

133

Insbesondere hat das Gericht mit seiner Auslegung zu Recht das von AOI und SCTC vorgetragene Verständnis vom 376. Erwägungsgrund der streitigen Entscheidung zurückgewiesen, wonach die Kommission die Verantwortung von Universal Leaf und Universal wegen des Fehlens von Hinweisen auf deren materielle Beteiligung an der Zuwiderhandlung verneint haben soll, denn ein solches Verständnis steht in Widerspruch zu einer Gesamtbetrachtung dieser Entscheidung und insbesondere zu ihren Erwägungsgründen 18, 376, 384, 391, 392, 397, 399 und 400, die im Übrigen vom Gericht in den Randnrn. 133 ff. des angefochtenen Urteils geprüft worden sind.

134

Hinzu kommt, dass oben in den Randnrn. 51 bis 53 festgestellt worden ist, dass das Gericht in Anbetracht der Zweifel der Kommission an der Rechtmäßigkeit einer allein auf die nicht widerlegte Vermutung eines bestimmenden Einflusses gestützten Entscheidung befinden durfte, dass es der Kommission im vorliegenden Fall freistand, sich eine Beweislast aufzuerlegen, die gegenüber derjenigen verschärft ist, die unter Berücksichtigung der oben in den Randnrn. 46 und 47 dargestellten Rechtsprechung grundsätzlich als ausreichend angesehen worden wäre.

135

Das vom Gericht angewandte Kriterium der doppelten Grundlage ist ein objektives Kriterium, da es lediglich Beweise verlangt, die die Vermutung der Ausübung eines bestimmenden Einflusses durch die betreffende Muttergesellschaft auf ihre Tochtergesellschaft bestätigen, die sich aus dem Besitz des gesamten Kapitals Letzterer ergibt. Entgegen der Ansicht von AOI und SCTC beruht dieses Kriterium daher nicht auf den Erfolgsaussichten des jeweiligen Vorbringens der von der streitigen Entscheidung betroffenen Gesellschaften.

136

Als Zweites ist zur Anwendung des Kriteriums der doppelten Grundlage im vorliegenden Fall festzustellen, dass AOI und SCTC mit ihrem Vorbringen im Wesentlichen geltend machen, das Gericht hätte das Bestehen einer wirtschaftlichen Einheit zwischen Deltafina, Universal und Universal Leaf prüfen und bejahendenfalls die streitige Entscheidung für nichtig erklären müssen, soweit sie SCC und SCTC betreffe, da diese gegenüber Universal und Universal Leaf diskriminiert worden seien.

137

Hierzu genügt der Hinweis, dass das Gericht in den Randnrn. 141 bis 147 des angefochtenen Urteils zu Recht ausgeführt hat, dass die Kommission auf alle Muttergesellschaften dasselbe rechtliche Kriterium angewandt habe und außer im Fall von TCLT die Verantwortung dieser Gesellschaften nach Maßgabe dessen bejaht oder verneint habe, ob Beweise vorgelegen hätten, die die Vermutung der Ausübung eines bestimmenden Einflusses der Muttergesellschaften bestätigt hätten, die sich daraus ergebe, dass diese das gesamte Kapital ihrer jeweiligen Tochtergesellschaften gehalten hätten.

138

Unter diesen Umständen ist der dritte Rechtsmittelgrund von AOI und SCTC, da sie keinen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung nachgewiesen haben, zurückzuweisen.

4. Zum Antrag auf Herabsetzung der Geldbuße

139

AOI und SCTC sind der Ansicht, dass die ihnen auferlegte Geldbuße im Fall der Nichtigerklärung der streitigen Entscheidung herabzusetzen sei.

140

Da die streitige Entscheidung nach all dem, was vorstehend ausgeführt worden ist, nicht für nichtig zu erklären ist, ist der Antrag auf Herabsetzung der gegen AOI und SCTC verhängten Geldbuße, der im Übrigen vor dem Gericht nicht gestellt wurde, jedenfalls zurückzuweisen.

141

Da keiner der von AOI und SCTC geltend gemachten Rechtsmittelgründe Erfolg hat, ist das Rechtsmittel zurückzuweisen.

V – Kosten

142

Nach Art. 69 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs, der gemäß Art. 118 dieser Verfahrensordnung auf das Rechtsmittelverfahren entsprechende Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

143

Da AOI und SCTC mit ihrem Vorbringen im Rahmen des Rechtsmittels in der Rechtssache C-628/10 P unterlegen sind, sind ihnen gemäß dem Antrag der Kommission die Kosten im Zusammenhang mit diesem Rechtsmittel aufzuerlegen.

144

Da die Kommission mit ihrem Vorbringen im Rahmen des Rechtsmittels in der Rechtssache C-14/11 P unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag von AOI und SCTC die Kosten im Zusammenhang mit diesem Rechtsmittel aufzuerlegen.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

 

1.

Die Rechtsmittel werden zurückgewiesen.

 

2.

Die Alliance One International Inc. und die Standard Commercial Tobacco Co. Inc. tragen ihre eigenen Kosten im Zusammenhang mit dem Rechtsmittel in der Rechtssache C-628/10 P sowie die der Europäischen Kommission im Zusammenhang mit diesem Rechtsmittel entstandenen Kosten.

 

3.

Die Europäische Kommission trägt ihre eigenen Kosten im Zusammenhang mit dem Rechtsmittel in der Rechtssache C-14/11 P sowie die der Alliance One International Inc., der Standard Commercial Tobacco Co. Inc. und der Trans-Continental Leaf Tobacco Corp. Ltd im Zusammenhang mit diesem Rechtsmittel entstandenen Kosten.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Englisch.