URTEIL DES GERICHTS (Vierte Kammer)

14. Juli 2016 ( *1 )

„EAGFL, EGFL und ELER — Von der Finanzierung ausgeschlossene Ausgaben — Pauschale finanzielle Berichtigung — Cross-Compliance-Verpflichtungen — Mindestanforderungen für den guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand — Standards — Art. 5 Abs. 1 und Anhang IV der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 — Art. 6 Abs. 1 und Anhang III der Verordnung (EG) Nr. 73/2009“

In der Rechtssache T‑661/14

Republik Lettland, vertreten durch I. Kalniņš und D. Pelše als Bevollmächtigte,

Klägerin,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch A. Sauka und D. Triantafyllou als Bevollmächtigte,

Beklagte,

betreffend eine Klage nach Art. 263 AEUV auf Nichtigerklärung des Durchführungsbeschlusses 2014/458/EU der Kommission vom 9. Juli 2014 über den Ausschluss bestimmter von den Mitgliedstaaten zulasten des Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft (EAGFL), Abteilung Garantie, des Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft (EGFL) und des Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) getätigter Ausgaben von der Finanzierung durch die Europäische Union (ABl. 2014, L 205, S. 62), soweit darin bestimmte Ausgaben der Republik Lettland in Höhe von 739393,95 Euro wegen Nichtübereinstimmung mit den Vorschriften der Union von der Finanzierung durch die Union ausgeschlossen werden,

erlässt

DAS GERICHT (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten M. Jaeger sowie der Richter M. Prek und V. Kreuschitz (Berichterstatter),

Kanzler: S. Bukšek Tomac, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 27. Januar 2016

folgendes

Urteil

Vorgeschichte des Rechtsstreits

1

Im Rahmen einer Konformitätsabschlusskontrolle nach Art. 31 der Verordnung (EG) Nr. 1290/2005 des Rates vom 21. Juni 2005 über die Finanzierung der Gemeinsamen Agrarpolitik (ABl. 2005, L 209, S. 1) informierte die Europäische Kommission mit Schreiben vom 26. November 2010 die Republik Lettland, dass sie Mängel im Hinblick auf die Unionsvorschriften, insbesondere – im Rahmen der Cross-Compliance-Verpflichtungen – die fehlende Durchführung bestimmter Standards, die in Anhang IV der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 des Rates vom 29. September 2003 mit gemeinsamen Regeln für Direktzahlungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik und mit bestimmten Stützungsregelungen für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe und zur Änderung der Verordnungen (EWG) Nr. 2019/93, (EG) Nr. 1452/2001, (EG) Nr. 1453/2001, (EG) Nr. 1454/2001, (EG) Nr. 1868/94, (EG) Nr. 1251/1999, (EG) Nr. 1254/1999, (EG) Nr. 1673/2000, (EWG) Nr. 2358/71 und (EG) Nr. 2529/2001 (ABl. 2003, L 270, S. 1) sowie in Anhang III der Verordnung (EG) Nr. 73/2009 des Rates vom 19. Januar 2009 mit gemeinsamen Regeln für Direktzahlungen im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik und mit bestimmten Stützungsregelungen für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 1290/2005, (EG) Nr. 247/2006, (EG) Nr. 378/2007 sowie zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 (ABl. 2009, L 30, S. 16) vorgesehen seien, festgestellt habe. Diese Mängel beträfen folgende Standards und Antragsjahre: „Mindestanforderungen an die Bodenbedeckung“ in den Jahren 2008 und 2009; „Standards für die Fruchtfolgen“ im Jahr 2008; „Mindestbesatzdichte und/oder andere geeignete Regelungen“ im Jahr 2008; „Keine Beseitigung von Landschaftselementen“ in den Jahren 2008 und 2009.

2

Mit Schreiben an die Kommission vom 27. Januar 2011 erklärten die lettischen Behörden u. a., dass die „Standards für die Fruchtfolgen“ und der Standard „Mindestbesatzdichte und/oder andere geeignete Regelungen“ in Lettland nicht als Mindestanforderungen festgelegt worden seien. Gemäß Anhang III („Erhaltung in gutem landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand gemäß Artikel 6“) der Verordnung Nr. 73/2009 seien diese Standards nach dem 1. Januar 2009 fakultativ geblieben und nicht umgesetzt worden. In Bezug auf den Standard „Mindestanforderungen an die Bodenbedeckung“ erklärten die lettischen Behörden, er werde seit 2010 auf Empfehlung einer Arbeitsgruppe, die aus Experten der Kommission bestehe und von der Kommission organisiert werde, mittels der Anforderung umgesetzt, dass unter der Verantwortung des Landwirts auf den landwirtschaftlichen Parzellen ein Verbesserungssystem beibehalten werde, wodurch die Regulierung des Bodenwasserhaushalts sichergestellt werde.

3

Mit Schreiben vom 23. Juli 2012 lud die Kommission die Republik Lettland gemäß Art. 11 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 885/2006 der Kommission vom 21. Juni 2006 mit Durchführungsvorschriften zur Verordnung (EG) Nr. 1290/2005 des Rates hinsichtlich der Zulassung der Zahlstellen und anderen Einrichtungen sowie des Rechnungsabschlusses für den EGFL und den ELER (ABl. 2006, L 171, S. 90) zu einer bilateralen Besprechung ein. In diesem Schreiben erklärte die Kommission, bei ihrem Standpunkt zu bleiben, wonach die „Standards für die Fruchtfolgen“ und der Standard „Mindestbesatzdichte und/oder andere geeignete Regelungen“ im Antragsjahr 2008 hätten eingeführt werden müssen, was nicht geschehen sei. In Bezug auf die Umsetzung des Standards „Mindestanforderungen an die Bodenbedeckung“ erklärte die Kommission, die von den lettischen Behörden abgegebene Erklärung betreffe nur die Regulierung des Bodenwasserhaushalts. So sei dieser Standard erst im Antragsjahr 2010 eingeführt worden. Schließlich stellte die Kommission das Fehlen zusätzlicher Erläuterungen zum Standard „Keine Beseitigung von Landschaftselementen“ fest und kam zu dem Ergebnis, dass dieser in den Antragsjahren 2008 und 2009 nicht angewandt worden sei.

4

Die bilaterale Besprechung fand am 20. September 2012 statt.

5

Mit Schreiben vom 6. November 2012 erklärten die lettischen Behörden der Kommission, dass bestimmte Standards im nationalen Kontext nicht wesentlich seien und ihre Umsetzung sinnlos sei. Außerdem habe der Rechnungshof der Europäischen Union in seinem Sonderbericht Nr. 8/2008 „Ist die Cross-Compliance-Regelung wirksam?“ erklärt, dass die Ziele der Cross-Compliance-Regelung weder konkret festgelegt noch messbar noch erreichbar noch sachgerecht noch mit einem Datum versehen worden seien.

6

Am 30. Januar 2013 übermittelte die Kommission den lettischen Behörden ein Protokoll der bilateralen Besprechung, das eine Zusammenfassung der zusätzlichen Informationen enthielt, die diese Behörden in ihrem Schreiben vom 6. November 2012 mitgeteilt hatten. Am 25. Februar 2013 sandte die Kommission ein Protokoll auf Lettisch, in dem sie zusätzliche Informationen anforderte. Die lettischen Behörden legten diese Informationen am 25. April 2013 vor.

7

Am 11. November 2013 übermittelte die Kommission den lettischen Behörden ihren Vorschlag, einen Gesamtbetrag von 861763,19 Euro wegen Verstößen bei der Umsetzung der in Rede stehenden Standards, einschließlich des Fehlens von Kontrollen und von Sanktionen betreffend administrative Mindestanforderungen, von der Finanzierung durch die Union auszuschließen. In diesem Schreiben führte die Kommission u. a. Folgendes aus:

„Zusammengefasst bleibt die Kommission bei ihrer Auffassung, dass vier von zehn GLÖZ-Standards [betreffend die „Erhaltung in gutem landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand“] im Antragsjahr 2008 und zwei von acht GLÖZ-Standards im Antragsjahr 2009 nicht festgelegt worden sind. Die lettischen Behörden haben eine Schätzung des potenziellen Risikos für den Fonds für bestimmte Antragsjahre vorgelegt. Die [Kommission] kann diese Schätzung jedoch nicht akzeptieren, da sie keine Zusicherung dafür hat, dass die so ermittelten Beträge dem vollständigen Risiko für die Fonds entsprechen. Außerdem berücksichtigt diese Schätzung nicht den Verlust abschreckender Wirkung wegen der Nichtanwendung der Kontrollen und Sanktionen.“

8

Am 20. Dezember 2013 befassten die lettischen Behörden die Schlichtungsstelle mit einem Antrag, in dem die Gründe dargestellt wurden, weswegen sie der Auffassung waren, dass die Kommission die einschlägigen Bestimmungen der Verordnungen Nrn. 1782/2003 und 73/2009 verkannt habe.

9

Mit Schreiben vom 27. Januar 2014 wies die Schlichtungsstelle den Antrag als unzulässig mit der Begründung zurück, dass die streitigen finanziellen Berichtigungen weniger als 1 Mio. Euro betrügen und der Antrag keine Grundsatzfrage aufwerfe, die Gegenstand des bilateralen Verfahrens gewesen sei.

10

Mit Schreiben vom 3. März 2014 teilte die Kommission der Republik Lettland die Beträge mit, deren Ausschluss von der Finanzierung der Union sie vorschlug und die sich auf insgesamt 741624,23 Euro beliefen.

11

Der Republik Lettland wurde sodann der Zusammenfassende Bericht vom 5. Mai 2014 mit dem Aktenzeichen D(2014)1819246-ANN2‑EN/FR betreffend die Ergebnisse der Inspektionen der Kommission im Kontext des Konformitätsabschlussverfahrens gemäß Art. 7 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1258/1999 des Rates vom 17. Mai 1999 über die Finanzierung der Gemeinsamen Agrarpolitik (ABl. 1999, L 160, S. 103) und Art. 31 der Verordnung Nr. 1290/2005 (im Folgenden: Zusammenfassender Bericht) mitgeteilt.

12

Die maßgebliche Begründung für die streitigen finanziellen Berichtigungen findet sich auf den Seiten 98 und 105 des Zusammenfassenden Berichts. Dort heißt es, dass der Mitgliedstaat nach Art. 5 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1782/2003 und Art. 6 Abs. 1 der Verordnung Nr. 73/2009 außer in begründeten Fällen verpflichtet ist, Regeln festzulegen, die sämtliche der in Anhang IV bzw. Anhang III der genannten Verordnungen aufgelisteten Standards umfassen.

13

In Bezug auf das Antragsjahr 2008 wird in dem Zusammenfassenden Bericht ausgeführt, dass vier von zehn Standards weder festgelegt noch kontrolliert worden seien, und zwar die Standards mit den Bezeichnungen „Standards für die Fruchtfolgen“, „Mindestbesatzdichte“, „Mindestanforderungen an die Bodenbedeckung“ und „Keine Beseitigung von Landschaftselementen“. Die Kommission stellte ferner 106 Fälle fehlerhafter Sanktionsberechnungen fest. Gemäß dem Dokument AGRI‑2005‑64043 vom 9. Juni 2006 („Mitteilung der Kommission, wie sie mit Mängeln, die in den von den Mitgliedstaaten eingeführten Systemen zur Kontrolle der Cross-Compliance-Verpflichtungen festgestellt wurden, im Kontext des Rechnungsabschlusses des EAGFL, Abteilung ‚Garantie‘, umzugehen gedenkt“; im Folgenden: Dokument AGRI‑2005‑64043), nahm sie eine pauschale Berichtigung von 5 % auf die im Rahmen der Schlüsselkontrollen des Antragsjahrs 2008 festgestellten Mängel vor. In Bezug auf die im vorliegenden Fall festgestellten Mängel betreffend die Standards „Erhaltung eines guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustands“ (im Folgenden: GLÖZ-Standards) stellte die Kommission fest, dass diese für sich genommen eine pauschale Berichtigung von 5 % für sämtliche Landwirte, die Cross-Compliance-Verpflichtungen unterlägen, rechtfertigten. Die von den lettischen Behörden vorgelegte Berechnung des Betrags betreffend die 106 Fälle fehlerhafter Sanktionsberechnungen werde als von der pauschalen Berichtigung von 5 % für das Antragsjahr 2008 abgedeckt angesehen.

14

In Bezug auf das Antragsjahr 2009 stellt der Zusammenfassende Bericht fest, dass zwei von acht Standards weder festgelegt noch kontrolliert worden seien, nämlich die Standards „Mindestbesatzdichte“ und „Keine Beseitigung von Landschaftselementen“. Des Weiteren werden in diesem Bericht weitere Mängel bei den Sanktionen betreffend die Grundanforderungen an die Betriebsführung (GAB) 4 und 7 festgestellt. Die Kommission war der Auffassung, dass, obwohl Schwächen bei den Schlüsselkontrollen für das Antragsjahr 2009 festgestellt worden seien, angesichts der Tatsache, dass Verbesserungen des Systems zur Kontrolle der Einhaltung der Cross-Compliance-Verpflichtungen in Lettland eingeführt worden seien, das Risiko für den Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft (EAGFL), Abteilung „Garantie“, den Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft (EGFL) und den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) (im Folgenden zusammen: Fonds) in diesem Jahr geringer ausgefallen sei als im Antragsjahr 2008, so dass die festgestellten Mängel eine pauschale Berichtigung von 2 % für das Antragsjahr 2009 rechtfertigten. Die von den lettischen Behörden vorgelegten Berechnungen der Beträge im Zusammenhang mit den Mängeln bei den Sanktionen betreffend die GAB 4 und 7 würden als von dem 2%-Satz abgedeckt angesehen.

15

Am 9. Juli 2014 erließ die Kommission auf der Grundlage von Art. 7 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1258/1999 und Art. 31 der Verordnung Nr. 1290/2005 den Durchführungsbeschluss 2014/458/EU über den Ausschluss bestimmter von den Mitgliedstaaten zulasten der Fonds getätigter Ausgaben von der Finanzierung durch die Europäische Union (ABl. 2014, L 205, S. 62, im Folgenden: angefochtener Beschluss). Mit diesem Beschluss schloss die Kommission für die Antragsjahre 2009 bis 2012 bestimmte Ausgaben der Republik Lettland in Höhe von insgesamt 739393,95 Euro, die von der von der Republik Lettland zugelassenen Zahlstelle im Hinblick auf die Festlegung der Anforderungen im Bereich der Cross-Compliance-Verpflichtungen getätigt worden waren, wegen ihrer Unvereinbarkeit mit den Unionsregeln aus.

16

Der angefochtene Beschluss wurde der Republik Lettland am 11. Juli 2014 bekannt gegeben und am 12. Juli 2014 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht (ABl. 2014, L 205, S. 62).

17

Art. 1 des angefochtenen Beschlusses sieht vor, dass die in seinem Anhang aufgeführten, von den zugelassenen Zahlstellen der Mitgliedstaaten zulasten der Fonds erklärten Ausgaben wegen ihrer Nichtübereinstimmung mit den Unionsvorschriften von der Finanzierung durch die Union ausgeschlossen werden. Die auf die Republik Lettland angewandten pauschalen finanziellen Berichtigungen – in Höhe von 2 % bzw. 5 % – finden sich auf den Seiten 69, 70, 73 und 74 dieses Anhangs.

Verfahren und Anträge der Parteien

18

Mit Klageschrift, die am 11. September 2014 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Republik Lettland die vorliegende Klage erhoben.

19

Das Gericht (Vierte Kammer) hat auf Vorschlag des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen.

20

Im Rahmen prozessleitender Maßnahmen, die in Art. 89 Abs. 3 Buchst. d seiner Verfahrensordnung vorgesehen sind, hat das Gericht die Kommission aufgefordert, das Dokument VI/5330/97 vom 23. Dezember 1997 („Leitlinien für die Berechnung der finanziellen Auswirkungen bei der Vorbereitung der Entscheidung über den Jahresabschluss des EAGFL[, Abteilung ‚Garantie‘]“) (im Folgenden: Dokument VI/5330/97) vorzulegen. Die Kommission ist dieser Aufforderung fristgerecht nachgekommen.

21

Da ein Mitglied der Vierten Kammer an der weiteren Mitwirkung am Verfahren gehindert war, hat der Präsident des Gerichts sich selbst dazu bestimmt, den Spruchkörper zu vervollständigen.

22

Die Parteien haben in der Sitzung vom 27. Januar 2016 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

23

Die Republik Lettland beantragt,

den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären, soweit er bestimmte ihrer Ausgaben in Höhe von 739393,95 Euro von der Finanzierung durch die Union ausschließt;

der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

24

Die Kommission beantragt,

die Klage als offensichtlich unbegründet abzuweisen;

der Republik Lettland die Kosten aufzuerlegen.

Rechtliche Würdigung

Zusammenfassung der Nichtigkeitsgründe

25

Die Republik Lettland macht im Rahmen ihrer Klage zwei Klagegründe geltend.

26

Mit dem ersten Klagegrund stellt die Republik Lettland die Richtigkeit der streitigen, mit der angeblich fehlenden Umsetzung der GLÖZ-Standards begründeten finanziellen Berichtigungen in Abrede. In diesem Zusammenhang habe die Kommission die Tragweite von Art. 5 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1782/2003 und von Art. 6 Abs. 1 der Verordnung Nr. 73/2009 verkannt.

27

Mit dem zweiten Klagegrund macht die Republik Lettland im Wesentlichen geltend, die Kommission habe bei der Berechnung der streitigen finanziellen Berichtigungen u. a. gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen und die Verordnung Nr. 1290/2005, das Dokument AGRI‑2005‑64043 sowie das Dokument VI/5330/97 falsch angewendet.

Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 5 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1782/2003 und Art. 6 Abs. 1 der Verordnung Nr. 73/2009

Vorbringen der Parteien

28

Obwohl die Mitgliedstaaten bei der Festlegung der in der Verordnung Nr. 1782/2003 vorgesehenen Mindestanforderungen verpflichtet seien, die Bestimmungen des Anhangs IV dieser Verordnung zu beachten, überlässt dieser ihnen nach Ansicht der Republik Lettland durch den Gebrauch allgemeiner Begriffe und Wendungen einen gewissen Gestaltungsspielraum bei der konkreten Festlegung dieser Anforderungen. Diese Verordnung beschränke sich auf die Festlegung eines allgemeinen Regelungsrahmens, in dem die Mitgliedstaaten gemäß ihrem Art. 5 Abs. 1 über ein Ermessen verfügten, um u. a. die GLÖZ-Standards, die im nationalen Kontext wesentlich seien, unter Berücksichtigung der spezifischen Eigenschaften der betreffenden Gebiete festzulegen.

29

Die Republik Lettland habe die GLÖZ-Standards in den Jahren 2008 und 2009 gemäß den Verordnungen Nrn. 1782/2003 und 73/2009 unter Berücksichtigung ihres nationalen Kontexts eingeführt. Dadurch habe sie auch dem Schreiben der Kommission vom 30. Juli 2007 Rechnung getragen, in dem klargestellt worden sei, dass diese Standards nur insoweit festzulegen seien, als sie in diesem Kontext von Bedeutung seien. Ebenso habe die Kommission in ihrem Schreiben vom 26. November 2010 ausgeführt, dass die Mitgliedstaaten außer in begründeten Fällen Bestimmungen für alle in Anhang IV der Verordnung Nr. 1782/2003 und in Anhang III der Verordnung Nr. 73/2009 aufgezählten Gegenstände und Standards ausarbeiten müssten. Die Kommission habe sowohl in ihrem Bericht vom 29. März 2007 an den Rat der Europäischen Union über die Anwendung der Regelung für die Einhaltung anderweitiger Verpflichtungen (Cross-Compliance) (KOM[2007] 147) als auch in ihrer Mitteilung über den Gesundheitscheck der Gemeinsamen Agrarpolitik vom 20. Mai 2008 den gleichen Standpunkt vertreten. Die Republik Lettland schließt daraus, dass sie berechtigt gewesen sei, sich darauf zu beschränken, nur die Standards einzuführen, die in ihrem nationalen Kontext von Bedeutung gewesen seien.

30

Die GLÖZ-Standards seien nämlich nur dann verbindlich, wenn der Mitgliedstaat feststelle, dass ihre Umsetzung im nationalen Kontext wesentlich sei. Da in der Verordnung Nr. 1782/2003 keine präziseren Kriterien vorgesehen seien, sei nur der Mitgliedstaat in der Lage, in Ausübung seines Ermessens diesen Standards in seinem Rechtssystem eine konkrete Form zu geben und zu ermitteln, ob sie wesentlich und damit verbindlich in diesem Sinne seien. Um in Einklang mit dem Unionsrecht zu handeln, genüge es daher, dass der Mitgliedstaat seiner Ergebnispflicht zur Umsetzung der wesentlichen Standards nachkomme. Im vorliegenden Fall habe die Republik Lettland für die Zwecke der Analyse der einschlägigen Ziele und der zu lösenden Probleme die Standards ausgewählt, die am geeignetsten, am wichtigsten und den Besonderheiten des lettischen Staatsgebiets am besten angepasst seien.

31

Was erstens die Anforderung „Schutz des Bodens durch geeignete Maßnahmen“ sowie die zu diesem Zweck vorgesehenen Standards, nämlich „Mindestanforderungen an die Bodenbedeckung“, „An die standortspezifischen Bedingungen angepasste Mindestpraktiken der Bodenbearbeitung“ und „Keine Beseitigung von Terrassen“ betrifft, ist die Republik Lettland der Auffassung, unter Berücksichtigung der „besonderen Merkmale der betreffenden Flächen“ den wirksamsten Standard ausgewählt zu haben. Unter Berücksichtigung der besonderen Situation der lettischen landwirtschaftlichen Flächen, insbesondere des minimalen Flächenanteils an steilen Hängen und der hauptsächlichen Nutzung dieser Flächen als Dauergrünland, sei sie zu dem Ergebnis gekommen, dass ihre Bewirtschaftung in Lettland weniger bedeutsam und die Einführung des Standards „Mindestanforderungen an die Bodenbedeckung“ nicht erforderlich sei.

32

Was zweitens die „Erhaltung des Anteils der organischen Substanz im Boden durch geeignete Praktiken“ und die zu diesem Zweck aufgestellten Standards, nämlich „Weiterbehandlung von Stoppelfeldern“ und „Gegebenenfalls Standards für die Fruchtfolgen“ betrifft, führt die Republik Lettland aus, sie sei zu dem Schluss gekommen, dass die Fruchtfolge nicht als eigenständige Anforderung eingeführt werden müsse. Die Landwirte bedienten sich nämlich traditionell der Fruchtfolge als Methode der Bodenbewirtschaftung, so dass die Anforderung der Anbaudiversifizierung bereits für 99,2 % des Ackerlands erfüllt sei und der in Rede stehende Standard nur auf einen unbedeutenden Teil der Fläche dieses Ackerlands zur Anwendung gelangen würde. Zudem seien die Verwaltungskosten, u. a. diejenigen, die sich aus den physischen Kontrollen ergäben, für die potenzielle Umsetzung dieses Standards relativ hoch und gegenüber den daraus gezogenen Vorteilen unverhältnismäßig. Schließlich werde der fakultative Charakter seiner Umsetzung durch den Gebrauch des Wortes „gegebenenfalls“ bestätigt.

33

Was drittens die Verpflichtung zu einem „Mindestmaß an landschaftspflegerischen Instandhaltungsmaßnahmen und Vermeidung einer Zerstörung von Lebensräumen“ sowie die zu diesem Zweck vorgeschlagenen Standards „Mindestbesatzdichte und/oder andere geeignete Regelungen“, „Schutz von Dauergrünland“, „Keine Beseitigung von Landschaftselementen“, „Vermeidung des Vordringens unerwünschter Vegetation auf landwirtschaftliche Flächen“ und „Erhaltung von Olivenhainen und Rebflächen in gutem vegetativem Zustand“ betrifft, trägt die Republik Lettland vor, sie sei zu dem Ergebnis gekommen, dass die getrennte Umsetzung des Standards zur Erhaltung von Landschaftselementen und desjenigen bezüglich der Besatzdichte nicht wesentlich gewesen sei. Der Standard „Mindestbesatzdichte und/oder andere geeignete Regelungen“ sei im Kontext der Cross-Compliance-Verpflichtungen nicht wesentlich, da er nur einen kleinen Teil der Betriebe und landwirtschaftlichen Flächen betreffe. Außerdem sei sein Ziel, nämlich die Erhaltung von Dauergrünland, in Lettland durch die Umsetzung der sich aus einem nationalen Standard ergebenden Anforderung, im vorliegenden Fall Punkt 24.4 der Ministerialverordnung Nr. 269, erreicht worden. Die Umsetzung des besagten Standards laufe jedoch den Zielen dieser Ministerialverordnung zuwider und wirke sich auf die Einhaltung der Anforderung des Schutzes von Dauergrünland negativ aus. Daher habe die Republik Lettland von ihrer Befugnis nach der Verordnung Nr. 1782/2003 Gebrauch gemacht, die ihr gestatte, eine andere geeignete Regelung zur Erhaltung von Dauergrünland festzulegen. Schließlich seien die Standards „Fruchtfolge“, „Mindestanforderungen an die Bodenbedeckung“ und „Keine Beseitigung von Landschaftselementen“ im nationalen Kontext nicht von Bedeutung, während die Ziele des Standards „Mindestbesatzdichte und/oder andere geeignete Regelungen“ durch die Festlegung einer geeigneten Regelung, nämlich Mindestvoraussetzungen für das Mähen, dennoch erreicht worden seien.

34

Viertens weist die Republik Lettland auf die Bedeutung der tatsächlichen Lösung der in Anhang IV der Verordnung Nr. 1782/2003 beschriebenen Probleme hin, was durch die Umsetzung der in Rede stehenden Standards allein nicht sichergestellt werde. Es seien gerade die nationalen Behörden, die mit dem nationalen Kontext vertraut seien, am besten geeignet, so wirksam wie möglich die Ziele der Verordnung Nr. 1782/2003 zu erreichen. Dies schließe – gemäß der Ratio der in Art. 5 Abs. 1 dieser Verordnung vorgesehenen Ausnahme – die Möglichkeit für die Mitgliedstaaten ein, nur einen Teil der dort genannten Standards einzuführen.

35

Die Republik Lettland schließt daraus, dass sie die in Anhang IV der Verordnung Nr. 1782/2003 genannten Probleme dadurch gelöst habe, dass sie die dort festgelegten Ziele erreicht habe und für jedes dieser Probleme gemäß dem nationalen Kontext die geeignetsten und wirksamsten der von dieser Verordnung vorgeschlagenen Standards bewertet und bestimmt habe.

36

Ferner habe die Kommission erst am 15. September 2009 erklärt, dass sämtliche in Anhang IV der Verordnung Nr. 1782/2003 festgelegten Standards verbindlich seien. Zudem gehe aus der Korrespondenz zwischen der Kommission und den lettischen Behörden hervor, dass die Kommission in Bezug auf bestimmte in Lettland umgesetzte GLÖZ-Standards die Auffassung vertreten habe, sie müssten angewendet werden, während sie in Bezug auf andere, darunter der Standard „Keine Beseitigung von Terrassen“, den gegenteiligen Standpunkt der Republik Lettland gebilligt habe. Dieser inkohärente Ansatz der Kommission hinsichtlich der Anwendung der Verordnung Nr. 1782/2003 laufe im Übrigen dem Grundsatz des Vertrauensschutzes zuwider. Die Untätigkeit der Kommission bis zum September 2009 betreffend die in den Jahren 2008 und 2009 eingeführten lettischen Standards weise darauf hin, dass die Republik Lettland darauf habe vertrauen dürfen, dass sie bis zu diesem Zeitpunkt in Einklang mit dem Unionsrecht gehandelt habe.

37

Nach alledem ist die Republik Lettland der Auffassung, dass sie nicht gegen die Bestimmungen der Verordnungen Nrn. 1782/2003 und 73/2009 verstoßen habe und dass die Kommission über keine Rechtsgrundlage verfügt habe, um auf sie eine finanzielle Berichtigung anzuwenden.

38

Die Kommission entgegnet, die Verordnung Nr. 1782/2003 räume den Mitgliedstaaten keinerlei Ermessen bei der Auswahl der Standards ein, die in ihrem Anhang IV aufgeführt seien. Die dort genannten Standards müssten alle umgesetzt werden, außer denjenigen, die im nationalen Kontext gegenstandslos seien, was die Kommission im Übrigen bereits in ihrem Bericht vom 29. März 2007 über Cross-Compliance-Verpflichtungen bemerkt habe. Indem er den Mitgliedstaaten die Aufgabe übertrage, die genannten „Mindestanforderungen“ festzulegen, habe der Unionsgesetzgeber ihnen die Möglichkeit gelassen, auf ihrem Staatsgebiet bestehende regionale Unterschiede bei der Umsetzung der in diesem Anhang IV genannten GLÖZ-Standards zu berücksichtigen, ohne ihnen jedoch das Recht einzuräumen, zu beschließen, bestimmte Teile dieser Standards überhaupt nicht anzuwenden. Die Kommission weist darauf hin, dass ihr ursprünglicher Vorschlag vom 21. Januar 2003 für eine Verordnung des Rates zur Festlegung von Gemeinschaftsregeln für Direktzahlungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik und Förderregeln für Erzeuger bestimmter Kulturpflanzen (KOM[2003] 23 endg.) keine Pflicht für die Mitgliedstaaten vorgesehen habe, darauf zu achten, dass alle landwirtschaftlichen Flächen in einem „guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand“ erhalten würden, und dass diese Pflicht auf einer Entscheidung des Unionsgesetzgebers im Gesetzgebungsverfahren beruhe. In anderen Mitgliedstaaten wie Estland, Malta und den Niederlanden hätten mehrere 2009 umgesetzte GLÖZ-Standards einen relativ kleinen Teil der landwirtschaftlichen Flächen betroffen. Ferner beruhe ihr Standpunkt zum Standard „Keine Beseitigung von Terrassen“ auf einer kohärenten Auslegung von Art. 5 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1782/2003, „und zwar, dass die GLÖZ-Standards, die im nationalen Kontext in keiner Weise anwendbar sind, auch nicht umgesetzt werden müssen“. Eine der geografischen Besonderheiten Lettlands sei nämlich das Fehlen von Terrassen in der Natur, so dass es nicht erforderlich sei, diesen Standard umzusetzen.

Würdigung durch das Gericht

– Vorbemerkungen

39

Im Rahmen des vorliegenden Klagegrundes ist das Gericht mit der Frage befasst, ob für die Mitgliedstaaten eine absolute Pflicht besteht, sämtliche in Anhang IV der Verordnung Nr. 1782/2003 und in Anhang III der Verordnung Nr. 73/2009 genannten Standards umzusetzen. Zur Beantwortung dieser Frage ist nach ständiger Rechtsprechung eine grammatikalische, systematische, teleologische und historische Auslegung der streitigen Bestimmungen vorzunehmen. Dabei ist dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die Vorschriften des Unionsrechts in mehreren Sprachen abgefasst sind und die verschiedenen Sprachfassungen gleichermaßen verbindlich sind, was einen Vergleich der Sprachfassungen erforderlich machen kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Dezember 2015, Finnland/Kommission, T‑124/14, EU:T:2015:955, Rn. 24 und 25 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

40

Hierzu ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Bestimmungen der Verordnungen Nrn. 1782/2003 und 73/2009 aufgrund ihrer Art nach Art. 288 Abs. 2 AEUV in allen Teilen verbindlich sind und unmittelbar in den nationalen Rechtsordnungen gelten, so dass sie grundsätzlich keine normative Umsetzung im engeren Sinne auf nationaler Ebene erfordern. Die unmittelbare Anwendbarkeit einer Verordnung setzt somit voraus, dass die Verordnung in Kraft getreten ist und zugunsten oder zulasten der Rechtssubjekte Anwendung findet, ohne dass es irgendwelcher Maßnahmen zur Umwandlung in nationales Recht bedarf. Anders verhält es sich jedoch, wenn die betreffende Verordnung den Mitgliedstaaten die Aufgabe überlässt, selbst die erforderlichen Rechts-, Verwaltungs- und Finanzvorschriften zu erlassen, damit die Bestimmungen der Verordnung wirksam angewendet werden können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Juni 2012, Association nationale d’assistance aux frontières pour les étrangers, C‑606/10, EU:C:2012:348, Rn. 72 und die dort angeführte Rechtsprechung). Es ist festzustellen, dass dies vorliegend der Fall ist (vgl. unten, Rn. 41 ff.), was in seinem Grundsatz von den Parteien nicht bestritten wird.

– Zur grammatikalischen Auslegung

41

Art. 5 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1782/2003 bestimmt u. a. Folgendes:

„… Die Mitgliedstaaten legen … entsprechend dem in Anhang IV vorgegebenen Rahmen Mindestanforderungen für den [GLÖZ] fest; sie berücksichtigen dabei die besonderen Merkmale der betreffenden Flächen, einschließlich Boden- und Klimaverhältnisse, Bewirtschaftungssysteme, Flächennutzung, Fruchtwechsel, Wirtschaftsweisen und Betriebsstrukturen. …“

42

Der maßgebliche Teil von Art. 6 Abs. 1 der Verordnung Nr. 73/2009 ist im Wesentlichen gleich formuliert, außer dass er auf „Anhang III“ statt auf „Anhang IV“ verweist.

43

Der Gebrauch des Verbs „festlegen“ im Indikativ, vor allem in der englischen („shall define“) und der portugiesischen („devem definir“) Sprachfassung, deutet auf das Bestehen einer Pflicht zur Festlegung von „Mindestanforderungen für den [GLÖZ entsprechend dem in Anhang IV der Verordnung Nr. 1782/2003 vorgegebenen Rahmen]“ hin. Wie die Kommission vorträgt, hat diese Pflicht zur Festlegung damit den Erlass allgemeingültiger Vorschriften durch den Mitgliedstaat zum Gegenstand, die solche „Mindestanforderungen“ unter Berücksichtigung der in diesem Anhang vorgesehenen Standards festlegen. Tatsächlich hat der Gerichtshof hat daraus abgeleitet, dass die Mitgliedstaaten bei der Festlegung dieser Anforderungen zwar verpflichtet sind, diesen Anhang zu beachten, dieser ihnen aber durch die Verwendung allgemeiner Konzepte und Begriffe einen gewissen Gestaltungsspielraum bei der konkreten Festsetzung der Anforderungen belässt (vgl. entsprechend Urteil vom 16. Juli 2009, Horvath, C‑428/07, EU:C:2009:458, Rn. 25 und 26). Daraus folgt, dass die Festlegungspflicht der Mitgliedstaaten mittels einer Regelungstätigkeit zum einen ihre Pflicht voraussetzt, alle in Anhang IV der Verordnung Nr. 1782/2003 genannten Standards zu „beachten“, und zum anderen eng an einen gewissen Handlungsspielraum ihrerseits gebunden ist, um diese Anforderungen auf der Grundlage dieser Standards konkret festzulegen, wobei diese auf allgemeinen Konzepten und Begriffen beruhen, deren konkrete Umsetzung zwangsläufig das Bestehen eines Ermessens voraussetzt (vgl. entsprechend Schlussanträge von Generalanwältin Trstenjak in der Rechtssache Horvath, C‑428/07, EU:C:2009:47, Nrn. 28 und 58).

44

Allerdings geht weder aus dem Wortlaut von Art. 5 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1782/2003 noch aus der oben genannten Rechtsprechung des Gerichtshofs hervor, dass die Mitgliedstaaten gegebenenfalls berechtigt sind, bestimmte GLÖZ-Standards überhaupt nicht umzusetzen. Indem der Gerichtshof entschieden hat, dass die Mitgliedstaaten Anhang IV bei der Festlegung der Mindestanforderungen für die GLÖZ-Standards „beachten“ müssen, hat er sich nämlich darauf beschränkt, den verbindlichen Charakter dieses Anhangs in seinem vollen Umfang anzuerkennen, d. h. sämtlicher dort vorgesehener Standards, ohne jedoch zwischen ihnen u. a. je nach ihrem Wortlaut oder ihrem Präzisionsgrad zu differenzieren. In Anbetracht der Ungenauigkeit von Art. 5 Abs. 1 dieser Verordnung zu dieser Frage ist indessen auf den Wortlaut jedes dieser Standards getrennt abzustellen, um ihren verbindlichen Charakter sowie den Umfang des den Mitgliedstaaten hinsichtlich ihrer konkreten Festlegung und Umsetzung überlassenen Gestaltungsspielraums zu ermitteln. Diese Notwendigkeit zur Differenzierung wird dadurch bestätigt, dass Art. 5 Abs. 1 dieser Verordnung auf die „besonderen Merkmale der betreffenden Flächen“ verweist, zu denen diese Bestimmung nur eine nicht erschöpfende Liste von Beispielen einschlägiger Kriterien nennt („einschließlich Boden- und Klimaverhältnisse, Bewirtschaftungssysteme, Flächennutzung, Fruchtwechsel, Wirtschaftsweisen und Betriebsstrukturen“), die zur Festlegung der GLÖZ-Standards („sie berücksichtigen dabei“) bestimmt sind; aus diesem Grund werden diese Kriterien wie z. B. die „Fruchtfolge“ zum Teil wörtlich im Rahmen dieses Anhangs IV wiedergegeben.

45

Daher ist für jeden der streitigen GLÖZ-Standards zu prüfen, ob diese ein Ermessen des Mitgliedstaats hinsichtlich der Notwendigkeit seiner Umsetzung in der innerstaatlichen Rechtsordnung beinhalten.

46

Erstens ist in Bezug auf den Standard „Mindestanforderungen an die Bodenbedeckung“ festzustellen, dass nichts im Wortlaut dieses Standards den Schluss zulässt, dass seine Umsetzung durch die Mitgliedstaaten fakultativ ist. In Anbetracht der oben in Rn. 43 angeführten Rechtsprechung ist daher sein grundsätzlich verbindlicher Charakter anzuerkennen, ohne dass dies der Frage vorgreift, ob die Mitgliedstaaten seine Nichtdurchführung gegebenenfalls rechtfertigen können (siehe unten, Rn. 64 bis 66). Diese Schlussfolgerung wird indirekt durch die Tatsache bestätigt, dass in Anhang III der Verordnung Nr. 73/2009, der Anhang IV der Verordnung Nr. 1782/2003 ersetzt hat, die „Mindestanforderungen an die Bodenbedeckung“ ausdrücklich als „Verbindliche Standards“ eingestuft werden.

47

Zweitens setzt, was „Gegebenenfalls Standards für die Fruchtfolgen“ betrifft, der Gebrauch des Wortes „gegebenenfalls“ in allen geltenden Sprachfassungen per se das Bestehen eines Ermessens der Mitgliedstaaten hinsichtlich ihrer Umsetzung voraus. Dieses Wort weist nämlich darauf hin, dass der Mitgliedstaat nur dann verpflichtet ist, sie umzusetzen, wenn er die Relevanz dieser Standards für seine eigenen landwirtschaftlichen Flächen unter Berücksichtigung der „besonderen Merkmale der betreffenden Flächen“ im Sinne von Art. 5 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1782/2003 anerkennt. Diese Schlussfolgerung wird zum einen indirekt durch die Tatsache bestätigt, dass Anhang III der Verordnung Nr. 73/2009 die „Standards für die Fruchtfolge“ ausdrücklich als „Fakultative Standards“ einstuft. Zum anderen steht ihr die ausdrückliche Nennung der „Fruchtfolge“ in Art. 5 Abs. 1 und im dritten Erwägungsgrund am Ende der Verordnung Nr. 1782/2003 nicht entgegen, da diese Nennung nur Teil einer nicht erschöpfenden Liste („einschließlich“) von Beispielen für maßgebliche Kriterien für die Festlegung der in Anhang IV genannten – verbindlichen oder nicht verbindlichen – Standards ist (vgl. oben, Rn. 44).

48

Drittens geht in Bezug auf den Standard „Mindestbesatzdichte und/oder andere geeignete Regelungen“ bereits aus seinem Wortlaut hervor, dass keine absolute Pflicht für den Mitgliedstaat besteht, eine Regelung über die „Mindestbesatzdichte“ festzulegen, sondern dass dieser über eine alternative Möglichkeit („und/oder“) verfügt, eine „andere geeignete Regelung“ zu erlassen. Auf diese Möglichkeit pocht die Republik Lettland im vorliegenden Fall. Entsprechend den Ausführungen oben in Rn. 47 zu den „Standards für die Fruchtfolgen“ wird diese Auslegung indirekt durch Anhang III der Verordnung Nr. 73/2009 bestätigt, in dem die „Mindestbesatzdichte und/oder andere geeignete Regelungen“ ausdrücklich als „Fakultative Standards“ eingestuft werden.

49

Viertens genügt in Bezug auf den Standard „Keine Beseitigung von Landschaftselementen“ der Verweis auf die Erwägungen oben in Rn. 46, um zu dem Schluss zu gelangen, dass dieser Standard verbindlich im Sinne der oben in Rn. 43 angeführten Rechtsprechung ist, was indirekt durch seine ausdrückliche Einstufung als „Verbindlicher Standard“ in Anhang III der Verordnung Nr. 73/2009 bestätigt wird, und zwar unbeschadet der Frage, ob der Mitgliedstaat berechtigt ist, gegebenenfalls seine fehlende Umsetzung zu rechtfertigen (vgl. unten, Rn. 66).

50

Die vorstehenden Erwägungen gelten entsprechend für die grammatikalische Auslegung von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 und 2 der Verordnung Nr. 73/2009 sowie der entsprechenden Standards in Anhang III dieser Verordnung. Die Sätze 1 und 2 dieser Bestimmung sind nämlich im Wesentlichen gleich formuliert. Außerdem legt, wie oben in den Rn. 46 bis 49 ausgeführt, Anhang III dieser Verordnung ausdrücklich den verbindlichen oder fakultativen Charakter diese Standards fest.

51

Demnach deutet die grammatikalische Auslegung der streitigen Bestimmungen darauf hin, dass die Republik Lettland zum einen grundsätzlich berechtigt war, auf die Umsetzung der „Standards für die Fruchtfolge“ und „Mindestbesatzdichte und/oder andere geeignete Regelungen“ genannten Standards zu verzichten, und zum anderen verpflichtet war, die Standards „Mindestanforderungen an die Bodenbedeckung“ und „Keine Beseitigung von Landschaftselementen“ umzusetzen.

– Zur systematischen und teleologischen Auslegung

52

Aus systematischer und teleologischer Sicht sind die von Art. 5 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1782/2003 verfolgten Ziele zu berücksichtigen, die u. a. im dritten Erwägungsgrund dieser Verordnung genannt werden, im Hinblick auf den die erstgenannte Bestimmung auszulegen ist (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteile vom 12. Juni 2014, Ascendi Beiras Litoral e Alta, Auto Estradas das Beiras Litoral e Alta, C‑377/13, EU:C:2014:1754, Rn. 48 und 49, sowie vom 26. November 2015, Total Waste Recycling, C‑487/14, EU:C:2015:780, Rn. 38 und 39). Dieser Erwägungsgrund verweist u. a. auf das Ziel der GLÖZ-Standards, „[die] Aufgabe landwirtschaftlicher Flächen [zu verhindern] und … sicherzustellen, dass die Flächen in gutem landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand erhalten werden“. Dieses Ziel geht auch aus dem Wortlaut von Art. 5 Abs. 1 selbst hervor, soweit er sich auf die Pflicht der Mitgliedstaaten bezieht, „auf nationaler oder regionaler Ebene entsprechend dem in Anhang IV vorgegebenen Rahmen Mindestanforderungen für den guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand fest[zulegen]; sie berücksichtigen dabei die besonderen Merkmale der betreffenden Flächen, einschließlich Boden- und Klimaverhältnisse, Bewirtschaftungssysteme, Flächennutzung, Fruchtwechsel, Wirtschaftsweisen und Betriebsstrukturen“.

53

Diese Definition der von den GLÖZ-Standards verfolgten Ziele gibt jedoch für sich allein genommen keinen eindeutigen und präzisen Hinweis darauf, ob es notwendig ist, sämtliche dieser Standards umzusetzen, vor allem wenn der Mitgliedstaat der Auffassung ist, dass sich unter Berücksichtigung der „besonderen Merkmale der betreffenden Flächen“ diese nicht für das Ziel der Erhaltung von landwirtschaftlichen Flächen „in gutem landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand“ eignen.

54

Jedoch geht aus dem dritten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1782/2003 auch hervor, dass „… ein Gemeinschaftsrahmen festzulegen [ist], der es den Mitgliedstaaten erlaubt, Standards unter Berücksichtigung der besonderen Merkmale der betreffenden Flächen … zu erlassen“. Der Gebrauch des Verbs „erlauben“ oder eines entsprechenden Ausdrucks in den anderen Sprachfassungen dieser Verordnung könnte als Hinweis auf die Anerkennung eines gewissen Ermessens des Mitgliedstaats bei der Auswahl der Standards verstanden werden, die in diesem Unionsrahmen festgelegt werden. Zudem ist darauf hinzuweisen, dass Art. 5 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1782/2003, der in diesem Punkt ungenau ist, im Licht des dritten Erwägungsgrundes dieser Verordnung zu lesen ist (vgl. oben, Rn. 52).

55

Somit könnte gewiss aus dem dritten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1782/2003 abgeleitet werden, dass der Mitgliedstaat über ein Ermessen verfügt, das ihm erlaubt, zu beschließen, bestimmte der in Anhang IV dieser Verordnung genannten Standards nicht umzusetzen, wenn er sie in seinem nationalen Kontext für nicht relevant oder sogar aufgrund der „Merkmale der betreffenden Flächen“ für unanwendbar und damit zur Erreichung der Ziele dieser Verordnung ungeeignet hält. Diese Argumentation könnte jedoch dem eindeutigen Wortlaut der oben in den Rn. 46 und 49 genannten GLÖZ-Standards zuwiderlaufen, die nach dem unmissverständlichen Willen des Unionsgesetzgebers in jedem Fall beachtet und umgesetzt werden müssen. Überdies ist diese Lesart die einzige, die der oben in Rn. 43 wiedergegebenen Auslegung des Gerichtshofs entspricht, wonach die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, Anhang IV der Verordnung Nr. 1782/2003 und damit grundsätzlich sämtliche dort aufgeführten Standards zu beachten.

56

Folglich spricht eine systematische und teleologische Auslegung dafür, die in Rede stehenden Bestimmungen so zu verstehen, dass Art. 5 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1782/2003 den Mitgliedstaaten ein Ermessen bei der Auswahl einzelner GLÖZ-Standards einräumt, aber nicht für sämtliche dieser Standards (vgl. oben, Rn. 43). Ob diese Standards verbindlich sind oder nicht, hängt somit nämlich letztendlich von ihrem Wortlaut ab (vgl. oben, Rn. 46 bis 49).

57

Dies gilt entsprechend für Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung Nr. 73/2009 in Verbindung mit Anhang III dieser Verordnung, die ausdrücklich zwischen verbindlichen und fakultativen Standards unterscheidet (vierter Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 73/2009).

– Zur historischen Auslegung

58

Wie die Kommission vorträgt, sah Art. 5 in ihrem ursprünglichen Vorschlag vom 21. Januar 2003 für eine Verordnung des Rates zur Festlegung von Gemeinschaftsregeln für Direktzahlungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik und Förderregeln für Erzeuger bestimmter Kulturpflanzen (KOM[2003] 23 endg.) lediglich vor, dass „[d]ie Mitgliedstaaten … unter Berücksichtigung des in Anhang IV festgelegten Rahmens den Begriff des guten landwirtschaftlichen Zustands [bestimmen]“.

59

In diesem Zusammenhang lautete der dritte Erwägungsgrund dieses Vorschlags wie folgt:

„Zur Erhaltung der Flächen in gutem landwirtschaftlichen Zustand müssen Vorschriften über verschiedene Aspekte erlassen werden, die bisher noch nicht verbindlich geregelt sind. Diese Vorschriften sollten auf guter Landwirtschaftspraxis basieren, wie sie zum Teil bereits in einzelstaatlichen Rechtsnormen verankert ist. Daher ist ein Gemeinschaftsrahmen festzulegen, der es den Mitgliedstaaten erlaubt, entsprechende Bestimmungen unter Berücksichtigung der besonderen Merkmale der betreffenden Flächen einschließlich Boden- und Klimaverhältnisse, bestehende Bewirtschaftungssysteme (Flächennutzung, Fruchtwechsel, Wirtschaftsweisen) und Betriebsstrukturen zu erlassen.“

60

Die Kommission trägt damit zu Recht vor, dass dieser Vorschlag keine Pflicht für die Mitgliedstaaten vorgesehen habe, sämtliche GLÖZ-Standards umzusetzen. Zum einen erwähnte nämlich Art. 5 dieses Vorschlags keine „Mindestanforderungen“, sondern nur die Festlegung des „guten landwirtschaftlichen Zustands“ durch die Mitgliedstaaten; zum anderen verwies sein dritter Erwägungsgrund, im Hinblick auf den dieser Artikel auszulegen war, auf ein Ermessen der Mitgliedstaaten beim Erlass von – einem Gemeinschaftsrahmen für Standards lediglich „entsprechende[n –] Bestimmungen unter Berücksichtigung der besonderen Merkmale der betreffenden Flächen“. Im Übrigen enthielt dieser Erwägungsgrund bereits die Formulierung, wonach „es den Mitgliedstaaten erlaubt [war], … Bestimmungen … zu erlassen“; diese Formulierung wurde, aus welchem Grund auch immer, in der endgültigen Fassung des dritten Erwägungsgrundes der Verordnung Nr. 1782/2003 beibehalten. Dieser Umstand deutet per se darauf hin, dass im Rahmen der endgültigen Fassung dieser Verordnung, deren Wortlaut substanziell verändert wurde, diese Formulierung nicht zwangsläufig darauf abzielt, das Bestehen eines Ermessens des Mitgliedstaats bei der Auswahl der in Anhang IV vorgesehenen Standards anzudeuten (vgl. oben, Rn. 55).

61

Demzufolge bestätigt die historische Auslegung ebenfalls, dass der Mitgliedstaat grundsätzlich verpflichtet ist, die gesamten GLÖZ-Standards mit Ausnahme derjenigen, deren Wortlaut das Gegenteil vorgibt, umzusetzen.

– Ergebnis

62

Nach alledem ist Art. 5 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1782/2003 in Verbindung mit Anhang IV dieser Verordnung nach Auffassung, des Gerichts dahin auszulegen, dass er eine grundsätzliche Pflicht für den Mitgliedstaat vorsieht, durch geeignete allgemeingültige Regeln sämtliche der in diesem Anhang genannten Standards mit Ausnahme u. a. der Standards „[Gegebenenfalls] Standards für die Fruchtfolgen“ und „Mindestbesatzdichte und/oder andere geeignete Regelungen“ umzusetzen. Dies gilt entsprechend erst recht für Art. 6 Abs. 1 der Verordnung Nr. 73/2009 in Verbindung mit Anhang III dieser Verordnung, der gemäß dieser Auslegung ausdrücklich zwischen verbindlichen und fakultativen Standards unterscheidet.

63

Zum einen folgt daraus, dass die Kommission dadurch einen Rechtsfehler begangen hat, dass sie der Republik Lettland vorgeworfen hat, im Jahr 2008 die Standards „[Gegebenenfalls] Standards für die Fruchtfolgen“ und „Mindestbesatzdichte und/oder andere geeignete Regelungen“ nicht umgesetzt zu haben, ohne dass es notwendig wäre, die Stichhaltigkeit der Argumente, die die lettischen Behörden vorgetragen hatten, um ihre fehlende Umsetzung zu rechtfertigen, zu prüfen. Was genauer den Standard „Mindestbesatzdichte und/oder andere geeignete Regelungen“ betrifft, genügt die Feststellung, dass diese Behörden hierzu sowohl im bilateralen Abschlussverfahren als auch im Verfahren vor dem Gericht die Gründe dargelegt haben, weshalb sie sich für eine andere „geeignete Regelung“ entschieden hatten (vgl. oben, Rn. 33). Im Übrigen geht weder aus den Akten noch aus dem angefochtenen Beschluss, einschließlich des Zusammenfassenden Berichts, noch aus den Schriftsätzen der Kommission vor dem Gericht hervor, ob und, wenn ja, auf welche Weise sie die Merkmale dieser anderen Regelung und ihre Geeignetheit, die „Mindestbesatzdichte“ zu ersetzen, bewertet hat; sie hat vielmehr lediglich vorgetragen, dass die Republik Lettland in jedem Fall verpflichtet gewesen sei, diesen Standard auf nationaler Ebene umzusetzen.

64

Zum anderen ist das Gericht der Auffassung, dass die Kommission grundsätzlich berechtigt war, von den lettischen Behörden die Umsetzung der Standards „Mindestanforderungen an die Bodenbedeckung“ und „Keine Beseitigung von Landschaftselementen“ in den Jahren 2008 und 2009 zu verlangen, so dass die von der Republik Lettland gegen diese Pflicht zur Umsetzung geltend gemachten Rügen keinen Erfolg haben können. In diesem Zusammenhang war die Kommission jedenfalls nicht verpflichtet, die Rechtfertigung, auf die sich die Republik Lettland berief, um von ihrer Pflicht zur Umsetzung dieser Standards abzuweichen, zu akzeptieren, da eine solche Rechtfertigung weder auf den Wortlaut der Verordnung Nr. 1782/2003 noch auf die oben in Rn. 43 angeführte Rechtsprechung noch auf die Ziele dieser Verordnung gestützt werden kann, die darauf abzielen, zu verhindern, dass landwirtschaftliche Flächen aufgegeben werden, und sicherzustellen, dass sie in gutem landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand erhalten werden (dritter Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1782/2003).

65

Selbst unterstellt, dass – wie von dem betreffenden Mitgliedstaat vorgetragen – die landwirtschaftlichen Flächen oder die fraglichen Gebiete bereits an sich mehr oder weniger mit diesen Zielen in Einklang stehende Merkmale aufwiesen, was somit die GLÖZ-Standards ins Leere gehen ließe oder ihre Umsetzung unverhältnismäßig machte, befreit ihn dieser Umstand in Anbetracht des Grundsatzes der Rechtssicherheit und der oben in Rn. 40 angeführten Rechtsprechung nicht von seiner Pflicht, die einschlägigen Bestimmungen dieser Verordnung durch geeignete nationale Vorschriften umzusetzen. Zwar kann der Mitgliedstaat im Rahmen seines Ermessens, das ihm die allgemeinen und unpräzisen Wendungen, welche die GLÖZ-Standards kennzeichnen, belassen, Letztere derart verändern und konkretisieren, dass sie dem „nationalen Kontext“ angepasst sind. Er kann jedoch nicht vollständig auf ihre Umsetzung verzichten.

66

In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, dass die Kommission u. a. im Zusammenfassenden Bericht auf die Umsetzung der streitigen GLÖZ-Standards mittels geeigneter nationaler Vorschriften bestanden hat, und zwar auch mit der Begründung, dass die nationalen Regeln Kontrollen sowie Sanktionen ermöglichen müssten, falls sie nicht beachtet würden. Des Weiteren hat die Republik Lettland in Bezug auf die Standards „Mindestanforderungen an die Bodenbedeckung“ und „Keine Beseitigung von Landschaftselementen“ anerkannt, dass zumindest ein kleiner Teil ihrer landwirtschaftlichen Flächen von diesen Standards betroffen gewesen sei, deren Umsetzung aber aus diesem Grund unverhältnismäßig sei. In Anbetracht des grundlegenden Kontroll- und Sanktionserfordernisses kann sich die Republik Lettland jedoch nicht auf ihr angebliches Ermessen oder auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz berufen, um die vollständige Nichtumsetzung dieser Standards zu rechtfertigen. Somit war die Kommission in Anbetracht der oben in Rn. 40 angeführten Rechtsprechung berechtigt, auf eine solche Umsetzung dieser Standards zu bestehen, und sei es auch nur für die Zwecke eines vollständigen und wirksamen Kontroll- und Sanktionssystems.

67

Schließlich kann die Republik Lettland diese Würdigung nicht dadurch in Frage stellen oder sich auf einen Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes berufen, dass sie vorträgt, die Kommission habe u. a. akzeptiert, dass sie von der Umsetzung des Standards „Keine Beseitigung von Terrassen“ absehe. Unbeschadet der Erwägungen oben in den Rn. 65 und 66 würde sich nämlich aufgrund des vollständigen Fehlens solcher Terrassen in Lettland eine Kontrolle als nicht notwendig erweisen, was die Umsetzung dieses Standards anbelange. Jedenfalls können sich die lettischen Behörden in Anbetracht des Schriftverkehrs im Abschlussverfahren und der unmissverständlichen gegenteiligen Stellungnahmen der Dienststellen der Kommission nicht darauf berufen, präzise, nicht an Bedingungen geknüpfte und übereinstimmende Zusicherungen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 18. Juni 2010, Luxemburg/Kommission, T‑549/08, EU:T:2010:244, Rn. 71, und vom 27. September 2012, Applied Microengineering/Kommission, T‑387/09, EU:T:2012:501, Rn. 58 und die dort angeführte Rechtsprechung) in dem Sinne erhalten zu haben, dass die Kommission die fehlende Umsetzung der Standards „Mindestanforderungen an die Bodenbedeckung“ und „Keine Beseitigung von Landschaftselementen“ akzeptiere. In Anbetracht der oben angeführten Rechtsprechung wäre eine solche Billigung vielmehr Ausdruck einer Verwaltungspraxis ohne rechtliche Grundlage gewesen, die niemals rechtmäßige Erwartungen bei dem Einzelnen, auch einem Mitgliedstaat, wecken könnte. Daraus folgt, dass die Republik Lettland hinsichtlich dieser beiden Standards vergeblich versucht hat, eine Ausnahme von ihrer Pflicht zu ihrer Umsetzung zu beantragen und zu rechtfertigen, da die Kommission von Gesetzes wegen verpflichtet war, sie abzulehnen. Somit ist der angefochtene Beschluss insoweit nicht rechtswidrig.

68

Demzufolge ist nach alledem dem ersten Klagegrund stattzugeben, soweit er die Standards „[Gegebenenfalls] Standards für die Fruchtfolgen“ und „Mindestbesatzdichte und/oder andere geeignete Regelungen“ betrifft. Er ist jedoch zurückzuweisen, soweit er die Standards „Mindestanforderungen an die Bodenbedeckung“ und „Keine Beseitigung von Landschaftselementen“ betrifft.

Zum zweiten Klagegrund: fehlerhafte Berechnung der streitigen finanziellen Berichtigungen

Vorbringen der Parteien

69

Im Rahmen des zweiten Klagegrundes wirft die Republik Lettland der Kommission vor, eine fehlerhafte finanzielle Berichtigung vorgenommen zu haben, deren Betrag den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht beachte. Aus dem Dokument AGRI‑2005‑64043 gehe hervor, dass die finanziellen Berichtigungen zum Risiko für die Fonds proportional sein müssten und dass dieses Risiko auf der Grundlage des finanziellen Schadensrisikos bewertet werde, das sich aus der Nichtanwendung von Sanktionen ergebe. Die Kommission habe jedoch weder bei ihren zahlreichen Kontakten mit den lettischen Behörden, u. a. in ihren Schreiben vom 26. November 2010 (Punkt 1.3) und vom 25. Februar 2013 (Punkt 4), noch im Zusammenfassenden Bericht erklärt, welches Risiko für die Fonds bestanden habe. Das Gericht habe indessen bereits im Urteil vom 10. September 2008, Frankreich/Kommission (T‑370/05, EU:T:2008:328, Rn. 81), entschieden, dass das vom EAGFL eingegangene tatsächliche Risiko einer Überschreitung der Schwelle der gemeinschaftlichen Finanzierung zu bewerten sei und dass in jener Rechtssache das Risiko einer Überschreitung dieser Schwelle ausgesprochen gering gewesen sei und daher nicht wirklich bestanden habe. Dies sei auch vorliegend der Fall. Daher seien die streitigen finanziellen Berichtigungen unzumutbar und unverhältnismäßig.

70

Des Weiteren macht die Republik Lettland im Wesentlichen geltend, die Kommission habe rechtswidrig einen pauschalen Ansatz angewendet, obwohl es möglich gewesen sei, die durch die nicht erfolgte Umsetzung der GLÖZ-Standards begründeten tatsächlichen Risiken zu bewerten. Das Dokument VI/5330/97 sehe vor, dass pauschale Berichtigungen nur dann in Frage kämen, wenn es dem Prüfer anhand der aus einer Untersuchung resultierenden Informationen nicht möglich sei, den Verlust durch eine Extrapolation der festgestellten Verluste zu bewerten. Die Republik Lettland habe jedoch wiederholt, u. a. durch Schreiben vom 6. November 2012, alle notwendigen Informationen geliefert – u. a. über die Zahl der von den Anforderungen, die 2008 und 2009 gefehlt hätten, potenziell betroffenen Betriebe, über die Größe der landwirtschaftlichen Flächen der betreffenden Betriebe und über den geschätzten Betrag der Beihilfen –, die bei der Berechnung des Risikos für die Fonds hätten verwendet werden können. Die Kommission habe diese Informationen jedoch weder berücksichtigt noch konkrete Gründe angeführt, warum sie dies unterlassen habe, und damit dem Dokument VI/5330/97 zuwider gehandelt. Zudem habe die Kommission dadurch, dass sie ohne Angabe konkreter Gründe eine korrekte Würdigung des Vorbringens der lettischen Behörden zur Berechnung des genauen finanziellen Risikos für die Fonds unterlassen habe, gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung verstoßen, dem zufolge das zuständige Organ sorgfältig und unparteiisch alle relevanten Gesichtspunkte des Einzelfalls untersuchen müsse. Auf eine genaue Berechnung dieses Risikos, von dem sie in Anlage A.17 der Klageschrift eine eigene Berechnung vorgelegt habe, hätte die Kommission im vorliegenden Fall nicht verzichten dürfen.

71

Die Kommission entgegnet im Wesentlichen, dass es wegen der fehlenden Umsetzung der in Rede stehenden GLÖZ-Standards und anderer einschlägiger Kriterien nicht möglich gewesen sei, die konkreten Verluste für die Fonds zu berechnen. Die von der Republik Lettland vorgelegte hypothetische Berechnung könne daher nicht überprüft werden. Gemäß dem Dokument AGRI‑2005‑64043 habe die Kommission daher finanzielle Berichtigungen in Höhe von 5 % für das Antragsjahr 2008 und von 2 % für das Antragsjahr 2009 vorgenommen.

Würdigung durch das Gericht

72

Mit dem zweiten Klagegrund wirft die Republik Lettland der Kommission im Wesentlichen vor, bei der Berechnung der streitigen finanziellen Berichtigungen zum einen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sowie die einschlägigen Bestimmungen des Dokuments AGRI‑2005‑64043 (erster Teil) und zum anderen die im Dokument VI/5330/97 aufgestellten Anforderungen sowie den Grundsatz der „ordnungsgemäßen Verwaltung“ (zweiter Teil) nicht beachtet zu haben.

73

In Bezug auf den ersten Teil ist festzustellen, dass das Dokument AGRI‑2005‑64043 nicht nur genauere Bestimmungen vorsieht als das Dokument VI/5330/97, da es gerade die finanziellen Berichtigungen betrifft, die im Rahmen der im vorliegenden Fall relevanten Cross-Compliance-Verpflichtungen angewendet werden können, sondern auch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in diesem besonderen Rahmen umsetzen soll. Die Republik Lettland stellt jedoch die Rechtmäßigkeit des Dokuments AGRI‑2005‑64043 u. a. im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht in Frage, so dass es ausreicht, dass das Gericht prüft, ob die Kommission die Regeln, die sie sich nach diesem Dokument selbst auferlegt hat, eingehalten hat. Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission dadurch, dass sie Normen für die Verwaltungspraxis, die Außenwirkungen entfalten sollen, wie das Dokument AGRI‑2005‑64043, erlassen und durch ihre Veröffentlichung oder, wie im vorliegenden Fall, ihre Mitteilung den Mitgliedstaaten angekündigt hat, dass sie diese von nun an auf die von ihnen erfassten Fälle anwenden werde, die Ausübung ihres Ermessens beschränkt hat und nicht von diesen Normen abweichen kann, ohne dass dies gegebenenfalls wegen eines Verstoßes gegen allgemeine Rechtsgrundsätze wie die Grundsätze der Gleichbehandlung, der Rechtssicherheit oder des Vertrauensschutzes geahndet würde (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 9. September 2011, Griechenland/Kommission, T‑344/05, nicht veröffentlicht, EU:T:2011:440, Rn. 192, vom 16. September 2013, Spanien/Kommission, T‑3/07, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:473, Rn. 84 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 10. Juli 2014, Griechenland/Kommission, T‑376/12, EU:T:2014:623, Rn. 106).

74

Im Dokument AGRI‑2005‑64043 wird im Abschnitt „Allgemeine Grundsätze“ unter Bezugnahme auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Wesentlichen dargestellt, dass die finanziellen Berichtigungen im rechten Verhältnis zum Risiko der Fonds stehen müssen, wobei die Tatsache zu berücksichtigen ist, dass die Cross-Compliance-Standards keine Regeln über die Zuschussfähigkeit, sondern die Grundlage für Sanktionen darstellen. Daher wird das Risiko für die Fonds grundsätzlich nicht auf der Grundlage des Risikos nicht zuschussfähiger Ausgaben bewertet, sondern auf der Grundlage des sich aus der Nichtanwendung von Sanktionen ergebenden Risikos finanzieller Verluste. Im selben Abschnitt teilt die Kommission ihre Absicht mit, pauschale finanzielle Berichtigungen auch im Kontext von Mängeln des Systems der Cross-Compliance-Verpflichtungen vorzunehmen.

75

Was die finanziellen Berichtigungen anbelangt, sieht Punkt 3.1 des Dokuments AGRI‑2005‑64043 u. a. folgende Berichtigungssätze vor:

„–

Wenn Mängel bei der Anwendung einer oder mehrerer Sekundärkontrollen im Rahmen des Systems der Cross-Compliance-Verpflichtungen festgestellt werden, ist eine Berichtigung in Höhe von 2 % vorzunehmen …

Wenn die Verpflichtungen, die im Rahmen der Cross-Compliance-Verpflichtungen einzuhalten sind und in einem Rechtsakt … oder einem Standard (vgl. Anhang IV der … Verordnung [Nr. 1782/2003]) festgelegt sind, kontrolliert werden, jedoch nicht in der nach den Regelungen oder Vorschriften vorgeschriebenen Zahl, Häufigkeit oder Intensität (im Fall … des guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustands), oder wenn diese Kontrollen nicht zur Anwendung von verwaltungsrechtlichen Sanktionen führen, ist eine Berichtigung in Höhe von 5 % vorzunehmen.

…“

76

Die Republik Lettland ist den Nachweis schuldig geblieben, dass die Kommission im vorliegenden Fall bei der Festlegung der streitigen finanziellen Berichtigungen die vorstehenden Bestimmungen nicht eingehalten und damit gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen hat.

77

Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass sich die Republik Lettland im Rahmen des ersten Klagegrundes darauf beschränkt hat, die Rechtmäßigkeit der streitigen finanziellen Berichtigungen hauptsächlich mit der Begründung anzufechten, dass die Kommission ihr zu Unrecht vorgeworfen habe, die in Anhang IV der Verordnung Nr. 1782/2003 genannten Standards nicht umgesetzt zu haben. Außerdem geht aus den Bestimmungen im zweiten Gedankenstrich von Punkt 3.1 des Dokuments AGRI‑2005‑64043 eindeutig hervor, dass sich die Kommission für berechtigt hält, eine pauschale Berichtigung in Höhe von 5 % vorzunehmen, wenn die Verpflichtungen, die im Rahmen der Cross-Compliance-Verpflichtungen einzuhalten sind und in einem Standard im Sinne von Anhang IV der Verordnung Nr. 1782/2003 festgelegt sind, „kontrolliert werden, jedoch nicht in der nach den Regelungen oder Vorschriften vorgeschriebenen Zahl, Häufigkeit oder Intensität … oder wenn diese Kontrollen nicht zur Anwendung von Sanktionen führen“.

78

Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass wegen der vollständig fehlenden Umsetzung u. a. der Standards „Mindestanforderungen an die Bodenbedeckung“ und „Keine Beseitigung von Landschaftselementen“ durch die lettischen Behörden (vgl. oben, Rn. 68), und damit von Kontrollen und Sanktionen betreffend die eventuelle Nichteinhaltung dieser Standards durch diese Behörden, die Voraussetzungen der vorstehenden Bestimmung für das Antragsjahr 2008 zwangsläufig erfüllt waren. Die Kommission hatte nämlich, wie vorstehend ausgeführt, um die Anwendung eines pauschalen Berichtigungssatzes von 5 % zu rechtfertigen, in ihrem Zusammenfassenden Bericht angegeben, dass 2008 vier von zehn GLÖZ-Standards, darunter die zwei oben genannten, weder festgelegt noch kontrolliert worden seien, was für sich allein genommen diese pauschale Berichtigung rechtfertige (vgl. oben, Rn. 13). Jedenfalls hat die Republik Lettland nicht in Abrede gestellt, dass die von der Kommission geforderten Kontrollen nicht durchgeführt worden waren und dass Sanktionen weder vorgesehen noch angewendet worden waren.

79

Unter diesen Umständen konnte sich die Kommission damit begnügen, auf die Kriterien der vorstehenden Bestimmungen aus dem Dokument AGRI‑2005‑64043 Bezug zu nehmen und die vollständig fehlende Umsetzung und Kontrolle der in Rede stehenden Standards festzustellen, ohne verpflichtet zu sein, die Höhe des Risikos für die Fonds zu bewerten und zu erklären. Diese Feststellung wird indirekt durch Punkt 3.2 des Dokuments AGRI‑2005‑64043 bestätigt, in dem es unter der Überschrift „Bewertung der Höhe des Risikos“ heißt, dass es, wenn das vom Mitgliedstaat eingeführte Kontrollsystem mangelhaft ist, unmöglich ist, eindeutig die jeweilige Höhe der verschiedenen einschlägigen Sätze betreffend die nicht angewendeten Sanktionen festzulegen, und dass die pauschalen Berichtigungen darauf abzielen, dieser Schwierigkeit dadurch abzuhelfen, dass Standardberichtigungssätze angewendet werden. In diesem Zusammenhang trägt die Kommission dem Ziel dieser Bestimmung entsprechend zu Recht vor, dass es ihr im Fall der vollständig fehlenden Umsetzung bestimmter GLÖZ-Standards unmöglich sei, die konkreten Verluste für die Fonds zu berechnen.

80

Diese Beurteilung wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass sich die Kommission in Bezug auf das Antragsjahr 2009 darauf beschränkt hat, eine pauschale Berichtigung von nur 2 % vorzunehmen, was die fehlende Umsetzung und Kontrolle der entsprechenden GLÖZ-Standards nach Anhang III der Verordnung Nr. 73/2009 betrifft, die ebenfalls „Mindestanforderungen an die Bodenabdeckung“ und „Keine Beseitigung von Landschaftselementen“ lauten (vgl. oben, Rn. 14). Wie aus dem Zusammenfassenden Bericht hervorgeht, hat die Kommission nämlich die Anwendung dieses geringeren Berichtigungssatzes von 2 % damit begründet, dass die lettischen Behörden zwischenzeitlich das System zur Kontrolle der Cross-Compliance-Verpflichtungen verbessert hätten, so dass das Risiko für die Fonds in diesem Jahr geringer sei als im Antragsjahr 2008. Jedenfalls hat die Republik Lettland in der mündlichen Verhandlung bestätigt, dass sie nicht das Vorliegen von Mängeln in diesem Kontrollsystem bestreite. Außerdem hat sie nicht geltend gemacht, dass die Kommission diesen Berichtigungssatz auch in Bezug auf das Antragsjahr 2008 hätte anwenden müssen, sondern sich darauf beschränkt, die angebliche Notwendigkeit, das eingegangene Risiko konkret zu berechnen, zu betonen.

81

In diesem Zusammenhang kann sich die Republik Lettland auch nicht mit Erfolg auf das Urteil vom 10. September 2008, Frankreich/Kommission (T‑370/05, EU:T:2008:328, Rn. 81), berufen. Insoweit genügt die Feststellung, dass dieses Urteil nicht eindeutig in dem von der Republik Lettland geltend gemachten Sinn zu verstehen ist und dass es eine andere Regelung zur Ausgabenkontrolle und zu finanziellen Berichtigungen nach dem EAGFL betrifft, die im vorliegenden Fall nicht anwendbar ist.

82

Da die Kommission berechtigt war, den angefochtenen Beschluss und insbesondere die streitigen finanziellen Berichtigungen auf die Nichtbeachtung der Pflicht zur Umsetzung der Standards „Mindestanforderungen an die Bodenbedeckung“ und „Keine Beseitigung von Landschaftselementen“ durch die lettischen Behörden sowie auf ihre fehlende Kontrolle in den Antragsjahren 2008 und 2009 zu stützen, kann dem Vortrag der Klägerin somit nicht gefolgt werden.

83

Der erste Teil des zweiten Klagegrundes ist daher als unbegründet zurückzuweisen.

84

In Bezug auf den zweiten Teil ist darauf hinzuweisen, dass das Dokument AGRI‑2005‑64043 Sonderregeln für auf das System der Cross-Compliance-Verpflichtungen anwendbare pauschale finanzielle Berichtigungen enthält, so dass die im Dokument VI/5330/97 enthaltenen allgemeinen Regeln zwangsläufig verändert und präzisiert werden. Somit kann sich die Republik Lettland nicht auf dieses Dokument in seiner Allgemeinheit berufen, und ihre entsprechende Rüge ist als ins Leere gehend zurückzuweisen.

85

Des Weiteren ist, wie die Kommission hervorhebt, festzustellen, dass sie tatsächlich die Argumente und die Informationen berücksichtigt hat, die die lettischen Behörden im bilateralen Abschlussverfahren vorgebracht hatten, um darzutun, dass die vorgeschlagenen pauschalen Berichtigungen nicht dem Risiko der Fonds angemessen seien. Jedoch hat die Kommission in ihrem Schreiben vom 11. November 2013, wie oben in den Rn. 77 bis 82 ausgeführt, diese Argumente und Informationen u. a. im Wesentlichen mit der Begründung zurückgewiesen, dass im Jahr 2008 vier von zehn GLÖZ-Standards und im Jahr 2009 zwei von acht GLÖZ-Standards nicht festgelegt worden seien und dass die von den lettischen Behörden vorgelegte Schätzung des Risikos für die Fonds nicht zuverlässig gewesen sei (vgl. oben, Rn. 6).

86

Unter diesen Umständen kann die Republik Lettland der Kommission auch keinen Verstoß gegen das Dokument VI/5330/97 und den Grundsatz der „ordnungsgemäßen Verwaltung“ vorwerfen, so dass der zweite Teil nicht durchgreift.

87

Folglich ist der zweite Klagegrund in vollem Umfang zurückzuweisen.

Zum Antrag auf Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses

88

Da dem ersten Klagegrund zum Teil stattzugeben ist, d. h. soweit die Kommission die streitigen finanziellen Berichtigungen zu Unrecht auf das den lettischen Behörden vorgeworfene Versäumnis gestützt hat, im Jahr 2008 die Standards „[Gegebenenfalls] Standards für die Fruchtfolgen“ und „Mindestbesatzdichte und/oder andere geeignete Regelungen“ umzusetzen, ist der angefochtene Beschluss in vollem Umfang für nichtig zu erklären.

89

Entgegen den Erklärungen der Kommission in der mündlichen Verhandlung genügt nämlich in jedem Fall der Hinweis, dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Nichtberücksichtigung dieses Versäumnisses oder die Aufrechterhaltung der bloßen Feststellung der fehlenden Umsetzung der Standards „Mindestanforderungen an die Bodenbedeckung“ und „Keine Beseitigung von Landschaftselementen“ für die Antragsjahre 2008 und 2009 einen Einfluss auf die im Rahmen der vorliegenden Klage gerügte Berechnung des Gesamtbetrags der pauschalen Berichtigung, nämlich 739393,95 Euro, hätte haben können. Diese Schlussfolgerung ist u. a. in Anbetracht der Tatsache gerechtfertigt, dass es die Kommission in dem angefochtenen Beschluss in Bezug auf das Antragsjahr 2009 wegen der fehlenden Umsetzung dieser beiden – und nur dieser beiden – GLÖZ-Standards für angebracht gehalten hat, pauschale Berichtigungen von nur 2 % anstatt 5 % vorzunehmen. Auch wenn die Kommission diesen Ansatz mit einer gewissen Verbesserung des Systems der Kontrolle der Cross-Compliance-Verpflichtungen durch die lettischen Behörden im Vergleich zum Antragsjahr 2008 gerechtfertigt hat (vgl. oben, Rn. 14 und 80), ist das Gericht nicht in der Lage, nach dem Akteninhalt zu beurteilen, ob die fehlende Umsetzung nur dieser beiden GLÖZ-Standards im Jahr 2008 die Kommission zu einer entsprechenden Schlussfolgerung hätte veranlassen können. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Rechtsprechung den Unionsorganen auf dem Gebiet der Agrarpolitik angesichts der ihnen durch den Vertrag übertragenen Aufgaben ein weites Ermessen einräumt (Urteil vom 3. Mai 2007, Spanien/Kommission, T‑219/04, EU:T:2007:121, Rn. 105). Ebenso verfügt die Kommission im vorliegenden Fall im Rahmen der Durchführung von Art. 31 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1290/2005 und der einschlägigen Bestimmungen des Dokuments AGRI‑2005‑64043 über ein weites Ermessen bei der Bewertung des für die Fonds durch die Mängel in den Systemen zur Kontrolle der Cross-Compliance-Verpflichtungen sowie durch die Komplexität der – dem Gericht nicht offenbarten – Rechenoperationen, die der Berechnung des Betrags der verschiedenen auf den Seiten 69, 70, 73 und 74 des angefochtenen Beschlusses dargestellten streitigen pauschalen Berichtigungen zugrunde liegen, begründeten Risikos. In diesem Punkt darf das Gericht jedoch im Rahmen seiner Rechtmäßigkeitskontrolle nach Art. 263 AEUV die wirtschaftliche Beurteilung seitens der Kommission nicht durch seine eigene ersetzen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 2. September 2010, Kommission/Scott, C‑290/07 P, EU:C:2010:480, Rn. 66, und vom 24. Januar 2013, Frucona Košice/Kommission, C‑73/11 P, EU:C:2013:32, Rn. 89).

90

Nach Art. 266 Abs. 1 AEUV ist es daher Sache der Kommission, aus der Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses die notwendigen Konsequenzen zu ziehen und dabei nicht nur den Tenor des vorliegenden Urteils, sondern auch die Gründe, die ihn in dem Sinne tragen, dass sie zur Bestimmung der genauen Bedeutung des Tenors unerlässlich sind, zu berücksichtigen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. November 2007, Italien/Kommission, C‑417/06 P, EU:C:2007:733, Rn. 50 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Kosten

91

Gemäß Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

92

Da die Kommission unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Republik Lettland die Kosten aufzuerlegen.

 

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Vierte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

 

1.

Der Durchführungsbeschluss 2014/458/EU der Kommission vom 9. Juli 2014 über den Ausschluss bestimmter von den Mitgliedstaaten zulasten des Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft (EAGFL), Abteilung Garantie, des Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft (EGFL) und des Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) getätigter Ausgaben von der Finanzierung durch die Europäische Union wird für nichtig erklärt, soweit darin bestimmte Ausgaben der Republik Lettland in Höhe von 739393,95 Euro wegen Nichtübereinstimmung mit den Vorschriften der Union von der Finanzierung durch die Union ausgeschlossen werden.

 

2.

Die Europäische Kommission trägt die Kosten.

 

Jaeger

Prek

Kreuschitz

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 14. Juli 2016.

Inhaltsverzeichnis

 

Vorgeschichte des Rechtsstreits

 

Verfahren und Anträge der Parteien

 

Rechtliche Würdigung

 

Zusammenfassung der Nichtigkeitsgründe

 

Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 5 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1782/2003 und Art. 6 Abs. 1 der Verordnung Nr. 73/2009

 

Vorbringen der Parteien

 

Würdigung durch das Gericht

 

– Vorbemerkungen

 

– Zur grammatikalischen Auslegung

 

– Zur systematischen und teleologischen Auslegung

 

– Zur historischen Auslegung

 

– Ergebnis

 

Zum zweiten Klagegrund: fehlerhafte Berechnung der streitigen finanziellen Berichtigungen

 

Vorbringen der Parteien

 

Würdigung durch das Gericht

 

Zum Antrag auf Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses

 

Kosten


( *1 ) Verfahrenssprache: Lettisch.