61994A0145

Urteil des Gerichts erster Instanz (Zweite erweiterte Kammer) vom 11. März 1999. - Unimétal - Société française des aciers longs SA gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - EGKS-Vertrag - Wettbewerb - Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Verbänden von Unternehmen und verabredete Praktiken - Preisfestsetzung - Markaufteilung - Informationsaustauschsysteme. - Rechtssache T-145/94.

Sammlung der Rechtsprechung 1999 Seite II-00585
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Leitsätze
Entscheidungsgründe
Tenor

Schlüsselwörter


1 EGKS - Kartelle - Unternehmen - Begriff - Wirtschaftliche Einheit

(EGKS-Vertrag, Artikel 65 § 1; EG-Vertrag, Artikel 85 Absatz 1)

2 EGKS - Kartelle - Verbot - Von einer Tochtergesellschaft begangene Zuwiderhandlung - Administrative Unterstützung durch die Muttergesellschaft - Zurechnung an die Tochtergesellschaft

(EGKS-Vertrag, Artikel 65 § 1)

3 EGKS - Kartelle - Geldbussen - Höhe - Bestimmung - Festsetzung der Geldbusse durch den Gemeinschaftsrichter - Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung

(EGKS-Vertrag, Artikel 36 Absatz 2)

Leitsätze


1 Das Verbot des Artikels 65 § 1 EGKS-Vertrag richtet sich ebenso wie das Verbot des Artikels 85 Absatz 1 EG-Vertrag insbesondere an "Unternehmen". Dabei ist als Unternehmen im Sinne des Artikels 85 EG-Vertrag eine wirtschaftliche Einheit anzusehen, die in einer einheitlichen Organisation personeller, materieller und immaterieller Mittel besteht, dauerhaft einen bestimmten wirtschaftlichen Zweck verfolgt und an einer Zuwiderhandlung im Sinne dieser Vorschrift beteiligt sein kann. Das gleiche hat für Artikel 65 EGKS-Vertrag zu gelten.

2 Nach der Rechtsprechung kann das Vorgehen von Tochtergesellschaften unter bestimmten Umständen der Muttergesellschaft, mit der sie eine wirtschaftliche Einheit bilden, zugerechnet werden, insbesondere wenn die Tochtergesellschaft trotz eigener Rechtspersönlichkeit ihr Marktverhalten nicht selbständig bestimmt, sondern im wesentlichen Weisungen der Muttergesellschaft befolgt. Ebenso kann einer Gesellschaft, die für die Koordinierung des Vorgehens einer Gruppe von Gesellschaften verantwortlich ist, die Verantwortung für Zuwiderhandlungen von Gesellschaften dieser Gruppe zugerechnet werden, auch wenn diese rechtlich gesehen keine Tochtergesellschaften sind.

Angesichts des Grundkonzepts der wirtschaftlichen Einheit, das dieser Rechtsprechung zugrunde liegt, kann diese unter bestimmten Umständen auch im umgekehrten Fall angewandt werden. So darf die Kommission das Verhalten der Muttergesellschaft ihrer Tochtergesellschaft zurechnen, wenn diese hauptsächlicher Urheber und Nutznießer der Zuwiderhandlungen ist, während ihre Muttergesellschaft lediglich ergänzend administrative Unterstützung leistete und damit die Vornahme der Zuwiderhandlungen durch die Tochtergesellschaft erleichterte, ohne eine Entscheidungsbefugnis oder ein Initiativrecht zu haben.

3 Die Festsetzung einer Geldbusse durch das Gericht im Rahmen der Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung ist dem Wesen nach kein streng mathematischer Vorgang. Im übrigen ist das Gericht nicht an die Berechnungen der Kommission gebunden, sondern hat unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls eine eigene Beurteilung vorzunehmen.

Entscheidungsgründe


Sachverhalt

A - Vorbemerkungen

1 Die vorliegende Klage ist auf die Nichtigerklärung der Entscheidung 94/215/EGKS der Kommission vom 16. Februar 1994 in einem Verfahren nach Artikel 65 des EGKS-Vertrags betreffend Vereinbarungen und verabredete Praktiken von europäischen Trägerherstellern (ABl. L 116, S. 1; im folgenden: Entscheidung oder angefochtene Entscheidung) gerichtet, mit der die Kommission die gegen Artikel 65 § 1 EGKS-Vertrag verstossende Beteiligung von 17 europäischen Stahlunternehmen und einem ihrer Wirtschaftsverbände an einer Reihe von Vereinbarungen, Beschlüssen und verabredeten Praktiken zur Festsetzung von Preisen, zur Marktaufteilung und zum Austausch vertraulicher Informationen auf dem Trägermarkt der Gemeinschaft feststellte und gegen vierzehn Unternehmen aus dieser Branche Geldbussen wegen Zuwiderhandlungen zwischen dem 1. Juli 1988 und dem 31. Dezember 1990 festsetzte.

2 Nach der Entscheidung ist die Unimétal - Société française des aciers longs SA (nachstehend: Unimétal) der grösste Langstahlhersteller der französischen Usinor-Sacilor-Gruppe und eine 100%ige Tochtergesellschaft dieses Konzerns. 1990 belief sich ihr Umsatz auf 6 896 Millionen FF, von denen 1 164 Millionen FF oder umgerechnet 168 Millionen ECU auf den Verkauf von Stahlträgern in der Gemeinschaft entfielen. Usinor Sacilor SA (nachstehend: Usinor Sacilor) ist eine staatliche Holding, unter deren Dach die Mehrzahl der französischen Stahlhersteller zusammengefasst ist, und der zweitgrösste Stahlhersteller weltweit. 1990 belief sich ihr konsolidierter Umsatz auf 96 053 Millionen FF.

...

D - Die angefochtene Entscheidung

3 Die angefochtene Entscheidung, die der Klägerin am 3. März 1994 zusammen mit einem Begleitschreiben von Herrn Van Miert vom 28. Februar 1994 (im folgenden: Schreiben vom 28. Februar 1994) zuging, enthält folgenden verfügenden Teil:

"Artikel 1

Die folgenden Unternehmen haben in dem in dieser Entscheidung beschriebenen Umfang an den jeweils unter ihrem Namen aufgeführten wettbewerbswidrigen Praktiken teilgenommen, die den normalen Wettbewerb im Gemeinsamen Markt verhinderten, einschränkten und verfälschten. Soweit Geldbussen festgesetzt werden, ist die Dauer des Verstosses in Monaten angegeben, ausser im Fall der Aufpreisharmonisierung, wo die Teilnahme an dem Verstoß mit $x` angegeben ist.

...

Unimétal

a) Austausch vertraulicher Informationen im Rahmen der Träger-Kommission (30)

b) Preisfestsetzung in der Träger-Kommission (30)

c) Preisfestsetzung auf dem italienischen Markt(6)

d) Preisfestsetzung auf dem dänischen Markt (16)

e) Marktaufteilung, $Traverso-System` (3 + 3)

f) Marktaufteilung, Frankreich (3)

g) Marktaufteilung, Italien (3)

h) Harmonisierung von Aufpreisen (x)

i) Preisfestsetzung auf dem französischen Markt

...

Artikel 4

Wegen der in Artikel 1 genannten und nach dem 30. Juni 1988 (31. Dezember 1988(2) im Fall von Aristrain und Ensidesa) begangenen Verstösse werden folgende Geldbussen festgesetzt:

...

Unimétal S.A.12 300 000 ECU

... Artikel 6

Diese Entscheidung ist an folgende Unternehmen gerichtet:

...

- Unimétal

..."

...

Zum Hauptantrag auf Nichtigerklärung der Entscheidung

... A - Zur Verletzung von Verteidigungsrechten der Klägerin

Zur Beschränkung des Zugangs zu den Akten der Kommission

...

Würdigung durch das Gericht

...

4 Zum Vorwurf gegenüber der Kommission, sie habe sich geweigert, der Klägerin eine nicht vertrauliche Zusammenfassung bestimmter als nicht zugänglich eingestufter Schriftstücke zur Verfügung zu stellen, obwohl sie dies zunächst angeboten habe, ist darauf hinzuweisen, daß der Antrag der Klägerin nahezu alle so eingestuften Schriftstücke (also mehrere Hundert und nicht, wie in ihren Schreiben behauptet, nur zwanzig) betraf und nur mit dem "Wunsch, ihre Nichtbeteiligung an bestimmten beanstandeten Praktiken nachzuweisen", begründet war. Die Kommission hat sich zu Recht geweigert, diesem Antrag zu entsprechen, dessen Begründung so allgemein gehalten war, daß sie einer fehlenden Begründung gleichkam.

5 Ausserdem ist festzustellen, daß diese Schriftstücke nicht gegen die Klägerin verwendet worden sind und nichts zu ihrer Entlastung enthalten, was sie übrigens auch nicht in Abrede gestellt hat, nachdem sie während des Gerichtsverfahrens aufgrund des Beschlusses vom 19. Juni 1996 Einsicht erhalten hatte.

6 Unter diesen Umständen hat die Klägerin nach Auffassung des Gerichts nicht nachgewiesen, daß sie während des Verwaltungsverfahrens nicht in der Lage gewesen sein sollte, ihren Standpunkt zu den in der Mitteilung der Beschwerdepunkte gegen sie angeführten Schriftstücken zur Geltung zu bringen.

...

Zum Hilfsantrag, mit dem die Nichtigerklärung der Geldbusse oder zumindest ihre Herabsetzung begehrt wird

...

Zur Erhöhung der Geldbusse wegen des Verhaltens von Usinor Sacilor

7 Nach den eingehenden Erläuterungen der Kommission im Lauf des Verfahrens wurde die gegen die Klägerin wegen der Harmonisierung von Aufpreisen verhängte Geldbusse um 10 % erhöht, um dem Umstand Rechnung zu tragen, daß ihre Muttergesellschaft, Usinor Sacilor, diese Harmonisierung vorgeschlagen hatte.

8 Hierzu ist festzustellen, daß dieser erschwerende Umstand nirgends in der Entscheidung erwähnt wird und von der Beklagten erstmals in ihrer Antwort vom 19. Januar 1998 auf die schriftlichen Fragen des Gerichts angeführt worden ist. Der Entscheidung fehlt es daher insoweit an jeglicher Begründung.

9 Folglich ist Artikel 4 der Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit dort gegen die Klägerin eine erhöhte Geldbusse festgesetzt wird, weil Usinor Sacilor bei der Harmonisierung von Aufpreisen die treibende Kraft gewesen sei.

10 Nach den eingehenden Erläuterungen der Beklagten im Lauf des Verfahrens wurde ausserdem die gegen die Klägerin wegen des Austauschs vertraulicher Informationen verhängte Geldbusse um 10 % erhöht, weil Usinor Sacilor das Sekretariat der Träger-Kommission organisiert hatte, was von der Klägerin übrigens nicht bestritten wird.

11 Angesichts der Ausführungen in Randnummer 321 der Entscheidung, in der die Kommission angibt, daß "[d]ie gegen Unimétal festgesetzten Geldbussen ... dem Verhalten ihrer Muttergesellschaft - administrative Unterstützung der Träger-Kommission - Rechnung [tragen]", kann nicht davon ausgegangen werden, daß die Entscheidung insoweit mangelhaft begründet ist. Mit diesen Ausführungen ist der Klägerin verständlich gemacht worden, daß die Kommission ihr das Verhalten ihrer Muttergesellschaft zugerechnet hat, die durch die Führung des Sekretariats die Fortsetzung der innerhalb der Träger-Kommission begangenen Zuwiderhandlungen erleichtert hatte, und ihre Geldbusse deshalb erhöht worden war. Die Klägerin ist im übrigen dieser Zurechnung und der Erhöhung der Geldbusse in ihrer Klageschrift mit einer Reihe von Sachargumenten entgegengetreten (siehe oben, Randnrn. 561 und 562).

12 Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, daß zwischen Randnummer 321 und Randnummer 285 der Entscheidung kein Widerspruch besteht. Die Kommission behauptet nämlich in Randnummer 285 der Entscheidung keineswegs, daß der Beitrag von Usinor Sacilor zu den Betätigungen der Eurofer/Scandinavia-Gruppe, deren Sekretariat sie stellte, keine Beteiligung an einer Zuwiderhandlung nach Artikel 65 § 1 des Vertrages gewesen sei. Es wird dort allenfalls gesagt, daß dieser Beitrag nicht "substantiell eigenständig" genug gewesen sei, um den Erlaß einer weiteren Entscheidung neben der gegen ihre Tochtergesellschaft Unimétal gerichteten zu rechtfertigen. Ausserdem muß die Randnummer 321 der Entscheidung im Lichte der Randnummer 319 verstanden werden, wo es heisst, daß, wenn mehr als ein Unternehmen eines Konzerns an den Verstössen beteiligt war, die Entscheidung an das Produktionsunternehmen gerichtet wird, da die Produktionsunternehmen am meisten von einer vorherigen Kenntnis der Preise und Mengen zu gewinnen haben. In Randnummer 321 der Entscheidung wird dieser Grundsatz auf den konkreten Fall von Unimétal angewandt, die als die Träger produzierende Tochtergesellschaft von Usinor Sacilor namhaft gemacht wird, wobei klargestellt wird, daß die gegen Unimétal festgesetzten Geldbussen dem Verhalten ihrer Muttergesellschaft insoweit Rechnung tragen, als diese in der Träger-Kommission administrative Unterstützung geleistet habe.

13 Jedenfalls betrifft Randnummer 285 der Entscheidung ausschließlich die Tätigkeiten der Eurofer/Scandinavia-Gruppe und behandelt daher nur die Zuwiderhandlung der Preisfestsetzung auf dem dänischen Markt, während in Randnummer 321 der Entscheidung die Tätigkeiten der Träger-Kommission angesprochen werden. Nach den eingehenden Erläuterungen der Kommission im Lauf des Verfahrens betrifft aber die aufgrund der Berücksichtigung des Verhaltens von Usinor Sacilor als erschwerender Umstand gegen Unimétal ausgesprochene Erhöhung um 10 % lediglich den Teil der Geldbusse, der für den Austausch vertraulicher Informationen in der Träger-Kommission angesetzt wurde.

14 Zur Rechtmässigkeit dieser Zurechnung ist zunächst darauf hinzuweisen, daß sich das Verbot des Artikels 65 § 1 EGKS-Vertrag ebenso wie das Verbot des Artikels 85 Absatz 1 EG-Vertrag insbesondere an "Unternehmen" richtet. Nach der Rechtsprechung des Gerichts (vgl. Urteil Shell/Kommission, Randnr. 311) ist begrifflich als Unternehmen im Sinne des Artikels 85 EG-Vertrag eine wirtschaftliche Einheit anzusehen, die in einer einheitlichen Organisation personeller, materieller und immaterieller Mittel besteht, dauerhaft einen bestimmten wirtschaftlichen Zweck verfolgt und an einer Zuwiderhandlung im Sinne dieser Vorschrift beteiligt sein kann (vgl. auch Urteil des Gerichtshofes vom 12. Juli 1984 in der Rechtssache 170/83, Hydrotherm, Slg. 1984, 2999, Randnr. 11, und Urteil des Gerichts vom 12. Januar 1995 in der Rechtssache T-102/92, Viho/Kommission, Slg. 1995, II-17, Randnr. 50, bestätigt durch Urteil des Gerichtshofes vom 24. Oktober 1996 in der Rechtssache C-73/95 P, Viho/Kommission, Slg. 1996, I-5457, Randnrn. 15 bis 18). Nach Auffassung des Gerichts hat für Artikel 65 EGKS-Vertrag das gleiche zu gelten.

15 Im vorliegenden Fall müssen Usinor Sacilor und ihre 100%ige Tochtergesellschaft Unimétal als ein und dasselbe Unternehmen im Sinne der letztgenannten Vorschrift betrachtet werden.

16 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes kann das Vorgehen von Tochtergesellschaften unter bestimmten Umständen der Muttergesellschaft, mit der sie eine wirtschaftliche Einheit bilden, zugerechnet werden, insbesondere wenn die Tochtergesellschaft trotz eigener Rechtspersönlichkeit ihr Marktverhalten nicht selbständig bestimmt, sondern im wesentlichen Weisungen der Muttergesellschaft befolgt (vgl. Urteil ICI/Kommission, Randnrn. 132 bis 135). Ebenso kann nach der Rechtsprechung des Gerichts einer Gesellschaft, die für die Koordinierung des Vorgehens einer Gruppe von Gesellschaften verantwortlich ist, die Verantwortung für Zuwiderhandlungen von Gesellschaften dieser Gruppe zugerechnet werden, auch wenn diese rechtlich gesehen keine Tochtergesellschaften sind (vgl. Urteil Shell/Kommission, Randnrn. 312 bis 315).

17 Angesichts des Grundkonzepts der wirtschaftlichen Einheit, das dieser Rechtsprechung zugrunde liegt, ist das Gericht der Auffassung, daß diese auch im hier vorliegenden umgekehrten Fall angewandt werden kann.

18 Da Usinor Sacilor durch ihre administrative Sekretariatstätigkeit die Weiterführung der innerhalb der Träger-Kommission begangenen Zuwiderhandlungen erleichtert hat, durfte die Kommission diese Hilfeleistung berücksichtigen, um die genaue Beteiligung und Rolle des betreffenden Unternehmens bei den streitigen Praktiken zu ermessen.

19 Die Kommission durfte ferner das Verhalten von Usinor Sacilor ihrer Tochtergesellschaft Unimétal - und nicht umgekehrt - zurechnen, weil die Klägerin unter den besonderen Umständen des Falles als Tochtergesellschaft, die innerhalb des Konzerns Usinor Sacilor für die Trägerproduktion zuständig war, hauptsächlicher Urheber und Nutznießer der Zuwiderhandlungen ist, während ihre Muttergesellschaft lediglich ergänzend administrative Unterstützung leistete. In diesem Zusammenhang hat die Klägerin in ihren Schriftsätzen darauf hingewiesen, daß Usinor Sacilor keine Entscheidungsbefugnis und kein Initiativrecht hatte, als sie die Aufgaben des Verwaltungssekretariats der Träger-Kommission übernahm.

20 Demgemäß ist das Vorbringen der Klägerin in Zusammenhang mit der Erhöhung der Geldbusse wegen der administrativen Unterstützung der Tätigkeit der Träger-Kommission durch Usinor Sacilor als unbegründet zurückzuweisen.

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Zur Ausübung der Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung durch das Gericht

21 Das Gericht hat Artikel 1 der Entscheidung bereits für nichtig erklärt, soweit darin die Teilnahme der Klägerin an einer Vereinbarung über die Aufteilung des italienischen Marktes festgestellt wird (siehe oben, Randnr. 403). Die wegen dieser Zuwiderhandlung von der Kommission festgesetzte Geldbusse ist auf 70 600 ECU beziffert worden.

22 Aus den oben in Randnummer 422(3) genannten Gründen ist ausserdem bei der Berechnung der Geldbusse für die Zuwiderhandlung der Preisfestsetzung auf dem dänischen Markt die Zeit vom 1. Juli bis zum 31. Dezember 1988 auszunehmen; dies führt bei der Klägerin nach der von der Kommission angewandten Methode zu einer Herabsetzung der Geldbusse um 16 800 ECU.

23 Das Gericht hat darüber hinaus die Erhöhung der Geldbusse der Klägerin, die vorgenommen wurde, weil es sich bei ihrem Verhalten um einen Wiederholungsfall handeln soll, und die nach Angaben der Kommission 3 074 200 ECU beträgt, aus den oben genannten Gründen (Randnrn. 581 ff.)(4) für nichtig erklärt.

24 Das Gericht hat ferner die Erhöhung der gegen die Klägerin verhängten Geldbusse wegen der Rolle von Usinor Sacilor als treibende Kraft bei der Harmonisierung der Aufpreise (siehe oben, Randnr. 595) für nichtig erklärt. Diese Erhöhung ist von der Kommission mit 84 000 ECU beziffert worden.

25 Schließlich ist der Gesamtbetrag der wegen der Vereinbarungen und verabredeten Praktiken zur Preisfestsetzung verhängten Geldbusse aus den oben dargelegten Gründen (Randnrn. 615 bis 621 ff.)(5) um 15 % herabzusetzen, weil die Kommission die wettbewerbswidrigen Wirkungen der festgestellten Zuwiderhandlungen in gewissem Umfang überbewertet hat. Unter Berücksichtigung der bereits angesprochenen Abschläge in bezug auf die Preisabsprachen auf dem dänischen Markt führt dies nach der von der Kommission angewandten Berechnungsmethode zu einer Verringerung um 777 800 ECU.

26 Bei Anwendung der Methode der Kommission müsste die Geldbusse der Klägerin daher um 4 023 400 ECU herabgesetzt werden.

27 Die Festsetzung einer Geldbusse durch das Gericht im Rahmen der Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung ist dem Wesen nach kein streng mathematischer Vorgang. Im übrigen ist das Gericht nicht an die Berechnungen der Kommission gebunden, sondern hat unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls eine eigene Beurteilung vorzunehmen.

28 Die allgemeine Vorgehensweise der Kommission bei der Ermittlung des Niveaus der Geldbussen (siehe oben, Randnrn. 548 ff.)(6) ist nach den Umständen des vorliegenden Falles gerechtfertigt. Die in der Festsetzung von Preisen und der Aufteilung von Märkten bestehenden Zuwiderhandlungen, die durch Artikel 65 § 1 des Vertrages ausdrücklich verboten werden, sind als besonders schwerwiegend anzusehen, da sie einen unmittelbaren Eingriff in die wesentlichen Wettbewerbsparameter auf dem betreffenden Markt bedeuten. Auch die der Klägerin zur Last gelegten Systeme zum Austausch vertraulicher Informationen bezweckten in ähnlicher Weise eine Aufteilung der Märkte anhand der traditionellen Handelsströme. Alle bei der Geldbusse berücksichtigten Zuwiderhandlungen wurden nach dem Ende der Krisenregelung und nach entsprechenden Warnungen an die Unternehmen begangen. Nach den Feststellungen des Gerichts bestand der allgemeine Zweck der fraglichen Vereinbarungen und Praktiken gerade darin, die mit dem Wegfall der Regelung für die offensichtliche Krise verbundene Rückkehr zum normalen Wettbewerb zu verhindern oder zu verfälschen. Ausserdem war den Unternehmen die Rechtswidrigkeit der Vereinbarungen und Praktiken bekannt, die sie der Kommission bewusst verheimlichten.

29 Nach alledem und unter Berücksichtigung des Inkrafttretens der Verordnung (EG) Nr. 1103/97 des Rates vom 17. Juni 1997 über bestimmte Vorschriften im Zusammenhang mit der Einführung des Euro (ABl. L 162, S. 1) am 1. Januar 1999 ist die Geldbusse auf 8 300 000 EUR festzusetzen.

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Tenor


Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT

(Zweite erweiterte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Artikel 1 der Entscheidung 94/215/EGKS der Kommission vom 16. Februar 1994 in einem Verfahren nach Artikel 65 des EGKS-Vertrags betreffend Vereinbarungen und verabredete Praktiken von europäischen Trägerherstellern wird für nichtig erklärt, soweit der Klägerin darin zur Last gelegt wird, für die Dauer von drei Monaten an einer Vereinbarung über die Aufteilung des italienischen Marktes teilgenommen zu haben.

2. Die Höhe der in Artikel 4 der Entscheidung 94/215 gegen die Klägerin verhängten Geldbusse wird auf 8 300 000 EUR festgesetzt.

3. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Die Klägerin trägt ihre eigenen Kosten sowie die Hälfte der Kosten der Beklagten. Die Beklagte trägt die andere Hälfte ihrer eigenen Kosten.

(1) - Es sind nur die Randnummern der Gründe des vorliegenden Urteils wiedergegeben, deren Veröffentlichung das Gericht für angebracht hält. Die übrigen Randnummern stimmen weitgehend mit denen im Urteil des Gerichts vom 11. März 1999 in der Rechtssache T-141/94 (Thyssen/Kommission, Slg. 1999, II-0000) überein oder ähneln ihnen, ausgenommen die Randnummern 413 bis 422 des letztgenannten Urteils, die im vorliegenden Urteil keine Entsprechung haben. Auch die der Klägerin zur Last gelegten Zuwiderhandlungen gegen Artikel 65 § 1 EGKS-Vertrag auf einigen nationalen Märkten stimmen nicht mit denen überein, die der Klägerin in der Rechtssache Thyssen/Kommission zur Last gelegt werden. Im vorliegenden Fall wird die teilweise Nichtigerklärung von Artikel 1 der Entscheidung im wesentlichen damit begründet, daß es keinen Beweis für die Teilnahme der Klägerin an der in Punkt 1 des Tenors des vorliegenden Urteils genannten Zuwiderhandlung gibt.

(2) - Dieses Datum wird in der deutschen und der englischen Fassung der Entscheidung angegeben. In der französischen und der spanischen Fassung findet sich das Datum des 31. Dezember 1989.

(3) - Vgl. Urteil Thyssen/Kommission, Randnr. 451.

(4) - Vgl. Urteil Thyssen/Kommission, Randnrn. 614 ff.

(5) - Vgl. Urteil Thyssen/Kommission, Randnrn. 640 ff.

(6) - Vgl. Urteil Thyssen/Kommission, Randnrn. 577 ff.