BESCHLUSS DES GERICHTSHOFS (Siebte Kammer)
„Vorlage zur Vorabentscheidung – Art. 99 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs – Staatliche Beihilfen – Beihilfen für erneuerbare Energien – Pflicht zur Versorgung mit Strom aus erneuerbaren Energiequellen – Mit dem Binnenmarkt vereinbare Beihilfe – Vorherige Anmeldung der Beihilfe – Art. 108 Abs. 3 AEUV – Möglichkeit, wegen eines vor dieser Anmeldung begangenen Verstoßes gegen die Versorgungspflicht eine Geldbuße zu verhängen“
In der Rechtssache C-220/23
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art 267 AEUV, eingereicht vom Sąd Apelacyjny w Warszawie Wydział Gospodarczy i Własności Intelektualnej (Berufungsgericht Warschau, Abteilung für Wirtschaftssachen und geistiges Eigentum, Polen) mit Entscheidung vom 22. März 2022, beim Gerichtshof eingegangen am 5. April 2023, in dem Verfahren
R. sp. z o.o.
gegen
Prezes Urzędu Regulacji Energetyki
erlässt
DER GERICHTSHOF (Siebte Kammer)
unter Mitwirkung der Präsidentin der Zweiten Kammer A. Prechal (Berichterstatterin) in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Siebten Kammer, des Richters N. Wahl und der Richterin M. L. Arastey Sahún,
Generalanwalt: M. Campos Sánchez-Bordona,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund der nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Entscheidung, gemäß Art. 99 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden,
folgenden
Beschluss
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Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV in Verbindung mit Art. 4 Abs. 3 EUV. |
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Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der R. sp. z o.o. und dem Prezes Urzędu Regulacji Energetyki (Leiter der Energieregulierungsbehörde, Polen) (im Folgenden: Leiter der URE) über eine Geldbuße, die R. wegen der Nichterfüllung der Verpflichtungen hinsichtlich der Einholung und Vorlage von Herkunftsnachweisen auferlegt wurde, denen sie gemäß einer Regelung zur Förderung der Erzeuger von Strom aus in Polen gelegenen erneuerbaren Energiequellen unterliegt. |
Polnisches Recht
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Art. 9a der Ustawa – Prawo energetyczne (Energiegesetz) vom 10. April 1997 in ihrer auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung (im Folgenden: Energiegesetz) bestimmte: „1. Unternehmen des Energiesektors, Endkunden sowie die in Abs. 1a genannten Maklergesellschaften für Rohstoffe bzw. Brokerhäuser sind nach Maßgabe der aufgrund von Abs. 9 erlassenen Vorschriften verpflichtet,
1a. Nach den Abs. 1 und 8 Verpflichtete sind:
… 5. Die Ersatzabgaben im Sinne von Abs. 1 Nr. 2... stellen Einnahmen des Nationalen Fonds für Umweltschutz und Wasserbewirtschaftung dar und sind bis zum 31. März eines jeden Jahres für das vorangegangene Kalenderjahr auf das Bankkonto des Fonds zu überweisen. … 9. Der Wirtschaftsminister legt durch Rechtsverordnung den genauen Geltungsbereich der [in Abs. 1] genannten Verpflichtungen fest... …“ |
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Art. 56 Abs. 1 Nr. 1a des Energiegesetzes bestimmte: „Ein Verstoß gegen die Verpflichtung, zum Zwecke der Entwertung einen Herkunftsnachweis bzw. einen Herkunftsnachweis für Biogas einzuholen und dem Leiter der URE vorzulegen oder die Ersatzabgabe zu entrichten, wird mit einer Geldbuße geahndet.“ |
Sachverhalt und Vorlagefrage
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Im Jahr 2005 führte die Republik Polen ein System von Herkunftsnachweisen zur Unterstützung der Erzeuger von Strom aus erneuerbaren Energiequellen (Grünstrom) ein. Diese Nachweise werden den Erzeugern nach Maßgabe ihrer Erzeugung von Grünstrom kostenlos zur Verfügung gestellt, wohingegen andere Unternehmen des Energiesektors, insbesondere diejenigen, die Strom an Endkunden verkaufen, verpflichtet sind, die Nachweise von den Erzeugern zu kaufen und sie zum Zweck ihrer Entwertung dem Leiter der URE in einer Menge vorzulegen, die einem Prozentsatz ihrer vermarkteten Strommengen entspricht. |
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Im Jahr 2013 verkaufte R., ein im Stromhandel tätiges Unternehmen, das nach Art. 9a Abs. 1 Nr. 1 des Energiegesetzes zur Einholung und Vorlage von Herkunftsnachweisen über die von ihm vermarkteten Strommengen verpflichtet ist, Strom an die H. S.A., eine Ferrolegierungen herstellende Gesellschaft, sowie an andere Kunden. |
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Um dieser Verpflichtung in Bezug auf die Strommengen nachzukommen, die sie 2013 an Endkunden verkauft hatte, legte R. dem Leiter der URE diesen Mengen entsprechende Herkunftsnachweise vor, die jedoch die an H. gelieferte Strommenge nicht abdeckten. |
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R. war nämlich der Ansicht, dass der an H. gelieferte Strom nicht für den Eigenverbrauch von H. bestimmt sei, so dass H. hinsichtlich dieser Strommenge kein Endkunde sei. Die an diese Gesellschaft gelieferte Menge sei daher von der in Art. 9a Abs. 1 Nr. 1 des Energiegesetzes vorgesehenen Verpflichtung nicht betroffen. |
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Mit Entscheidung vom 20. Dezember 2018 stellte der Leiter der URE in der Erwägung, dass die an H. verkaufte Strommenge für deren Eigenverbrauch bestimmt und daher von dieser Verpflichtung betroffen gewesen sei, fest, dass R. weder dieser Verpflichtung nachgekommen sei noch die Ersatzabgabe gezahlt habe, und verhängte gegen R. wegen dieser Missachtung gemäß Art. 56 Abs. 1 Nr. 1a des Energiegesetzes eine Geldbuße in Höhe von 19898182,35 Zloty (PLN) (etwa 4476096,12 Euro). |
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Der Sąd Okręgowy w Warszawie – Sąd Ochrony Konkurencji i Konsumentów (Regionalgericht Warschau – Gericht für Wettbewerbs- und Verbraucherschutzsachen, Polen), vor dem R. Klage erhoben hatte, gab dieser Klage teilweise statt, indem er die Entscheidung aufhob, soweit mit ihr eine Geldbuße auferlegt wurde. |
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Hierzu stellte das Gericht fest, dass der Leiter der URE angesichts von Art. 56 Abs. 1 Nr. 1a des Energiegesetzes zwar grundsätzlich berechtigt gewesen sei, R. eine Geldbuße wegen Nichterfüllung der Verpflichtung zur Vorlage von Herkunftsnachweisen in Bezug auf die an H. gelieferte Strommenge aufzuerlegen, dass Art. 108 Abs. 3 AEUV dem jedoch entgegenstehe. |
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Aus dem Beschluss C(2016) 4944 final der Kommission vom 2. August 2016 über die staatliche Beihilfe SA.37345 (2015/NN) – Polen – Polnisches System von Herkunftsnachweisen zur Förderung erneuerbarer Energien und Verringerung der Belastungen im Zusammenhang mit der Pflicht zum Nachweis erneuerbarer Energien für intensive Energienutzer (ABl. 2016, C 471, S. 1, im Folgenden: endgültiger Beschluss vom 2. August 2016) ergebe sich, dass die polnische Herkunftsnachweisregelung eine staatliche Beihilfe darstelle. Selbst wenn die Europäische Kommission die Regelung mit diesem Beschluss für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt hätte, verstieße ihre Durchführung in Bezug auf den Zeitraum vor diesem Beschluss gegen Art. 108 Abs. 3 AEUV. |
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Der Leiter der URE legte gegen dieses Urteil beim Sąd Apelacyjny w Warszawie Wydział Gospodarczy i Własności Intelektualnej (Berufungsgericht Warschau, Abteilung für Wirtschaftssachen und geistiges Eigentum, Polen) Berufung ein und machte u. a. einen Verstoß gegen Art. 108 Abs. 3 AEUV geltend. |
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Das vorlegende Gericht stellt auf der Grundlage des endgültigen Beschlusses vom 2. August 2016 fest, dass die Bestimmungen, mit denen die Verpflichtung in Bezug auf Herkunftsnachweise eingeführt worden sei, unter Verstoß gegen Art. 108 Abs. 3 AEUV in das polnische Rechtssystem eingeführt worden seien. |
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Die Frage, ob es möglich sei, auf der Grundlage nationaler Vorschriften über eine unter Verstoß gegen Art. 108 Abs. 3 AEUV durchgeführte Beihilferegelung eine Geldbuße gegen ein Unternehmen zu verhängen, sei jedoch in der Rechtsprechung des Gerichtshofs noch nicht entschieden worden, insbesondere für den Fall, dass diese Beihilferegelung später für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt worden sei. |
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Insoweit könne möglicherweise davon ausgegangen werden, dass, ebenso wie der Empfänger einer nicht angemeldeten Beihilfe die Verpflichtung zu deren Rückzahlung berücksichtigen müsse, ein Unternehmen, das den Verpflichtungen aus einer solchen Beihilferegelung unterliege und überzeugt sei, dass diese nicht angemeldet worden sei, damit rechnen können müsse, für einen Verstoß gegen diese Verpflichtungen nicht sanktioniert zu werden. |
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Dafür sprächen auch die Wirksamkeit des Verbots von Art. 108 Abs. 3 AEUV sowie der Umstand, dass die Mittel aus der Ersatzabgabe nach Art. 9a Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 5 des Energiegesetzes und die Mittel aus den Sanktionen wegen Nichtzahlung der Ersatzabgabe zur Finanzierung der Beihilfe bestimmt seien, wobei die Ersatzabgabe im Übrigen – entgegen der Behauptung des Leiters der URE – integraler Bestandteil der Beihilfe sei. |
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Unter diesen Umständen hat der Sąd Apelacyjny w Warszawie Wydział Gospodarczy i Własności Intelektualnej (Berufungsgericht Warschau, Abteilung für Wirtschaftssachen und geistiges Eigentum) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen: Ist Art. 108 Abs. 3 AEUV in Verbindung mit Art. 4 Abs. 3 EUV dahin auszulegen, dass die fehlende Notifizierung einer staatlichen Beihilfe bei der Kommission auch dann, wenn die Kommission später in einem Beschluss die Vereinbarkeit dieser Beihilfe mit dem Binnenmarkt feststellt, der Verhängung einer Geldbuße gegen ein Unternehmen entgegensteht, das eine Pflicht aus einer nationalen Vorschrift zur Durchführung dieser Beihilfe in der Zeit vor dem Beschluss der Kommission nicht erfüllt hat? |
Zur Vorlagefrage
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Nach Art. 99 seiner Verfahrensordnung kann der Gerichtshof, insbesondere wenn die Antwort auf eine zur Vorabentscheidung vorgelegte Frage klar aus der Rechtsprechung abgeleitet werden kann, auf Vorschlag des Berichterstatters und nach Anhörung des Generalanwalts jederzeit die Entscheidung treffen, durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden. |
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Diese Bestimmung ist in der vorliegenden Rechtssache anzuwenden. |
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Mit seiner einzigen Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV in Verbindung mit Art. 4 Abs. 3 EUV dahin auszulegen ist, dass er der Verhängung einer Geldbuße gegen ein Unternehmen wegen Verstoßes gegen eine Verpflichtung entgegensteht, die Teil einer staatlichen Beihilfemaßnahme ist, die durchgeführt wurde, bevor die Kommission den endgültigen Beschluss erlassen hat, mit dem die Vereinbarkeit dieser Beihilfe mit dem Binnenmarkt festgestellt wird, wenn der betreffende Verstoß in der Zeit vor dem Erlass dieses Beschlusses begangen wurde. |
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Aus der Vorlageentscheidung geht hervor, dass sich diese Frage in Bezug auf eine im Jahr 2005 eingeführte polnische Herkunftsnachweisregelung stellt, mit der Erzeuger von aus erneuerbaren Quellen in Polen erzeugtem Strom unterstützt werden sollen. Obwohl diese Regelung nach Ansicht der Kommission eine staatliche Beihilferegelung im Sinne von Art. 108 Abs. 3 AEUV darstellt, wurde sie von den polnischen Behörden erst 2013 bei ihr angemeldet, da diese ursprünglich davon ausgingen, eine solche Regelung könne nicht als staatliche Beihilfe eingestuft werden. Mit ihrem endgültigen Beschluss vom 2. August 2016 erklärte die Kommission die Regelung für mit dem Binnenmarkt vereinbar, beanstandete jedoch deren verfrühte Durchführung. |
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In diesem Zusammenhang geht die Vorlagefrage, so wie sie vom vorlegenden Gericht begründet wurde, dahin, ob mit dem Unionsrecht eine Geldbuße vereinbar ist, die gegen ein Unternehmen verhängt wurde, weil es insbesondere seiner Verpflichtung zur Erlangung und Vorlage von Herkunftsnachweisen für seine gesamten Stromverkäufe nicht nachgekommen ist, wobei auf der Grundlage des endgültigen Beschlusses vom 2. August 2016 feststeht, dass diese Verpflichtung Teil derselben staatlichen Beihilferegelung ist. |
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Nach dieser Klarstellung ist erstens darauf hinzuweisen, dass Art. 108 Abs. 3 AEUV die beabsichtigte Einführung neuer Beihilfen einer vorbeugenden Prüfung unterwirft. Die damit geschaffene Verhütungsregelung ist darauf gerichtet, dass nur vereinbare Beihilfen durchgeführt werden. Um dieses Ziel zu erreichen, wird die Durchführung eines Beihilfevorhabens ausgesetzt, bis die Zweifel an seiner Vereinbarkeit durch die abschließende Entscheidung der Kommission beseitigt sind (Urteil vom 5. März 2019, Eesti Pagar, C‑349/17, EU:C:2019:172, Rn. 84 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
25 |
Dabei ist die Anmeldepflicht ein Grundbestandteil des mit dem AEU‑Vertrag im Bereich der staatlichen Beihilfen eingerichteten Kontrollsystems. Im Rahmen dieses Systems sind die Mitgliedstaaten zum einen verpflichtet, bei der Kommission alle Maßnahmen anzumelden, mit denen eine Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV eingeführt oder umgestaltet werden soll, und zum anderen, gemäß Art. 108 Abs. 3 AEUV solche Maßnahmen nicht durchzuführen, solange die Kommission nicht abschließend über sie entschieden hat (Urteil vom 24. November 2020, Viasat Broadcasting UK, C‑445/19, EU:C:2020:952, Rn. 19 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
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Das Verbot in Art. 108 Abs. 3 AEUV soll gewährleisten, dass die Wirkungen einer Beihilfe nicht eintreten, bevor die Kommission innerhalb einer angemessenen Frist das Vorhaben im Einzelnen prüfen und gegebenenfalls das in Art. 108 Abs. 2 AEUV vorgesehene Verfahren einleiten konnte (Urteil vom 24. November 2020, Viasat Broadcasting UK, C‑445/19, EU:C:2020:952, Rn. 20 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
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Im Rahmen dieses Systems der Kontrolle staatlicher Beihilfen fallen zum einen den nationalen Gerichten und zum anderen der Kommission ergänzende, aber unterschiedliche Rollen zu, wobei die nationalen Gerichte insbesondere bis zur endgültigen Entscheidung der Kommission über die Wahrung der Rechte der Einzelnen bei eventuellen Verstößen der staatlichen Behörden gegen das in Art. 108 Abs. 3 AEUV aufgestellte Verbot wachen (Urteil vom 15. September 2016, PGE, C‑574/14, EU:C:2016:686, Rn. 30 und 31). |
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Die Anwendung dieser Regeln beruht auf einer Verpflichtung zu loyaler Zusammenarbeit, in deren Rahmen insbesondere die nationalen Gerichte alle zur Erfüllung der unionsrechtlichen Verpflichtungen geeigneten Maßnahmen allgemeiner oder besonderer Art treffen und alle Maßnahmen unterlassen müssen, die die Verwirklichung der Ziele des Vertrags gefährden könnten, wie aus Art. 4 Abs. 3 EUV hervorgeht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. November 2013, Deutsche Lufthansa, C‑284/12, EU:C:2013:755, Rn. 41). |
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Zweitens ergibt sich aus gefestigter Rechtsprechung zum einen, dass eine Beihilfemaßnahme, die unter Verstoß gegen die sich aus Art. 108 Abs. 3 AEUV ergebenden Verpflichtungen durchgeführt wird, rechtswidrig ist (Urteil vom 8. Dezember 2011, Residex Capital IV, C‑275/10, EU:C:2011:814, Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
30 |
Zum anderen hat in einer Situation, in der die Kommission, wie im vorliegenden Fall, zu einer unter Verstoß gegen Art. 108 Abs. 3 AEUV durchgeführten Beihilfe einen endgültigen Beschluss erlassen hat, mit dem gemäß Art. 107 AEUV die Vereinbarkeit dieser Beihilfe mit dem Binnenmarkt festgestellt wird, dieser Beschluss nicht die Heilung der unter Verstoß gegen das Durchführungsverbot von Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV getroffenen und deshalb ungültigen Durchführungsmaßnahmen zur Folge. Jede andere Auslegung würde die Missachtung dieser Bestimmung durch den betreffenden Mitgliedstaat begünstigen und ihr ihre praktische Wirksamkeit nehmen (Urteil vom 24. November 2020, Viasat Broadcasting UK, C‑445/19, EU:C:2020:952, Rn. 21). |
31 |
Daraus folgt, dass eine Beihilfe, die vor dem Erlass des endgültigen Beschlusses durchgeführt wurde, mit dem ihre Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt festgestellt wurde, im Zeitraum vor dem Erlass dieses Beschlusses im Hinblick auf Art. 108 Abs. 3 AEUV als rechtswidrig anzusehen ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. Dezember 2022, Veejaam und Espo, C-470/20, EU:C:2022:981, Rn. 54). |
32 |
Drittens hat der Gerichtshof außerdem ohne Beschränkung auf einen bestimmten Bereich des Unionsrechts entschieden, dass eine Sanktionsregelung, die Geldbußen oder andere Zwangsmaßnahmen zur Durchsetzung einer nationalen Regelung vorsieht, die für mit dem Unionsrecht unvereinbar befunden worden ist, schon allein aus diesem Grund als mit dem Unionsrecht unvereinbar erachtet werden muss (Urteil vom 11. September 2003, Safalero, C-13/01, EU:C:2003:447, Rn. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
33 |
Folglich verstoßen Sanktionen zur Ahndung der Nichterfüllung einer Verpflichtung, die aus dem Grund gegen Art. 108 Abs. 3 AEUV verstößt, dass sie, wie in Rn. 31 des vorliegenden Beschlusses ausgeführt, Teil einer staatlichen Beihilferegelung ist, die vor dem Erlass des abschließenden Beschlusses durchgeführt wurde, mit dem ihre Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt festgestellt wurde, selbst gegen diese Bestimmung, wenn sie wegen eines vor dem Erlass des abschließenden Beschlusses begangenen Verstoßes gegen diese Verpflichtung verhängt werden. |
34 |
Im vorliegenden Fall geht aus den Feststellungen des vorlegenden Gerichts hervor, dass die in Art. 9a Abs. 1 Nr. 1 des Energiegesetzes vorgesehene Verpflichtung, Herkunftsnachweise zu erlangen und sie dem Leiter der ERB zum Zweck ihrer Entwertung vorzulegen, Teil einer staatlichen Beihilferegelung ist, die unter Verstoß gegen Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV in die polnische Rechtsordnung eingeführt wurde, da diese Regelung durchgeführt wurde, bevor die Kommission den endgültigen Beschluss erlassen hat, mit dem die Regelung für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt wurde, dass diese Verpflichtung daher in der Zeit vor dem Erlass des Beschlusses gegen Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV verstieß und dass die Sanktion gegen R. wegen eines während der Dauer der Rechtswidrigkeit begangenen Verstoßes verhängt wurde. |
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Unter diesen Umständen, die gegebenenfalls vom vorlegenden Gericht zu prüfen sind, ist eine Sanktion wie die gegen R. verhängte unter Berücksichtigung der in den Rn. 24 bis 32 des vorliegenden Beschlusses angeführten Rechtsprechung als mit Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV unvereinbar anzusehen. |
36 |
Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV in Verbindung mit Art. 4 Abs. 3 EUV dahin auszulegen ist, dass er der Verhängung einer Geldbuße gegen ein Unternehmen wegen Verstoßes gegen eine Verpflichtung entgegensteht, die Teil einer staatlichen Beihilfemaßnahme ist, die durchgeführt wurde, bevor die Kommission den endgültigen Beschluss erlassen hat, mit dem die Vereinbarkeit dieser Beihilfe mit dem Binnenmarkt festgestellt wird, wenn der betreffende Verstoß in der Zeit vor dem Erlass dieses Beschlusses begangen wurde. |
Kosten
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Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. |
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Siebte Kammer) beschlossen: |
Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV in Verbindung mit Art. 4 Abs. 3 EUV |
ist dahin auszulegen, dass |
er der Verhängung einer Geldbuße gegen ein Unternehmen wegen Verstoßes gegen eine Verpflichtung entgegensteht, die Teil einer staatlichen Beihilfemaßnahme ist, die durchgeführt wurde, bevor die Europäische Kommission den endgültigen Beschluss erlassen hat, mit dem die Vereinbarkeit dieser Beihilfe mit dem Binnenmarkt festgestellt wird, wenn der betreffende Verstoß in der Zeit vor dem Erlass dieses Beschlusses begangen wurde. |
Unterschriften |
( *1 ) Verfahrenssprache: Polnisch.
( i ) Die vorliegende Sprachfassung ist im Tenor gegenüber der ursprünglich online gestellten Sprachfassung geändert worden.