URTEIL DES GERICHTSHOFS (Siebte Kammer)

20. April 2023 ( *1 )

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Sozialpolitik – Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf – Richtlinie 2000/78/EG – Verbot der Diskriminierung wegen des Alters – Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. a – Art. 6 Abs. 1 – Ruhebezug – Nationale Regelung, die eine schrittweise Angleichung des Beamtenpensionssystems an das allgemeine Pensionssystem vorsieht – Erste Anpassung des Ruhebezugs, die für eine Gruppe von Beamten schneller vorgenommen wird als für eine andere – Rechtfertigungsgründe“

In der Rechtssache C‑52/22

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesverwaltungsgericht (Österreich) mit Entscheidung vom 17. Jänner 2022, beim Gerichtshof eingegangen am 26. Jänner 2022, in dem Verfahren

BF

gegen

Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau (BVAEB),

erlässt

DER GERICHTSHOF (Siebte Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin M. L. Arastey Sahún (Berichterstatterin) sowie der Richter N. Wahl und J. Passer,

Generalanwältin: T. Ćapeta,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

von BF, vertreten durch Rechtsanwalt M. Riedl,

der österreichischen Regierung, vertreten durch A. Posch, J. Schmoll und F. Werni als Bevollmächtigte,

der Europäischen Kommission, vertreten durch B.‑R. Killmann und D. Martin als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. a sowie von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. 2000, L 303, S. 16) sowie der Grundsätze der Rechtssicherheit, der Besitzstandswahrung und der Effektivität des Unionsrechts.

2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen BF und der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau (BVAEB, Österreich) über die Höhe des Ruhebezugs von BF.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

3

Art. 1 („Zweck“) der Richtlinie 2000/78 sieht vor:

„Zweck dieser Richtlinie ist die Schaffung eines allgemeinen Rahmens zur Bekämpfung der Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung in Beschäftigung und Beruf im Hinblick auf die Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung in den Mitgliedstaaten.“

4

In Art. 2 („Der Begriff ‚Diskriminierung‘“) der Richtlinie heißt es:

„(1)   Im Sinne dieser Richtlinie bedeutet ‚Gleichbehandlungsgrundsatz‘, dass es keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung wegen eines der in Artikel 1 genannten Gründe geben darf.

(2)   Im Sinne des Absatzes 1

a)

liegt eine unmittelbare Diskriminierung vor, wenn eine Person wegen eines der in Artikel 1 genannten Gründe in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde;

b)

liegt eine mittelbare Diskriminierung vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen mit einer bestimmten Religion oder Weltanschauung, einer bestimmten Behinderung, eines bestimmten Alters oder mit einer bestimmten sexuellen Ausrichtung gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn:

i)

diese Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt, und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich …

… “

5

Art. 3 („Geltungsbereich“) der Richtlinie sieht in seinem Abs. 1 Buchst. c vor:

„Im Rahmen der auf die [Europäische] Gemeinschaft übertragenen Zuständigkeiten gilt diese Richtlinie für alle Personen in öffentlichen und privaten Bereichen, einschließlich öffentlicher Stellen, in Bezug auf

c)

die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Entlassungsbedingungen und des Arbeitsentgelts;

… “

6

Art. 6 („Gerechtfertigte Ungleichbehandlung wegen des Alters“) der Richtlinie 2000/78 lautet:

„(1)   Ungeachtet des Artikels 2 Absatz 2 können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass Ungleichbehandlungen wegen des Alters keine Diskriminierung darstellen, sofern sie objektiv und angemessen sind und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel, worunter insbesondere rechtmäßige Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung zu verstehen sind, gerechtfertigt sind und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind.

(2)   Ungeachtet des Artikels 2 Absatz 2 können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit die Festsetzung von Altersgrenzen als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente oder von Leistungen bei Invalidität einschließlich der Festsetzung unterschiedlicher Altersgrenzen im Rahmen dieser Systeme für bestimmte Beschäftigte oder Gruppen bzw. Kategorien von Beschäftigten und die Verwendung im Rahmen dieser Systeme von Alterskriterien für versicherungsmathematische Berechnungen keine Diskriminierung wegen des Alters darstellt, solange dies nicht zu Diskriminierungen wegen des Geschlechts führt.“

7

Art. 9 („Rechtsschutz“) Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 sieht vor:

„Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass alle Personen, die sich durch die Nichtanwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes in ihren Rechten für verletzt halten, ihre Ansprüche aus dieser Richtlinie auf dem Gerichts- und/oder Verwaltungsweg sowie, wenn die Mitgliedstaaten es für angezeigt halten, in Schlichtungsverfahren geltend machen können, selbst wenn das Verhältnis, während dessen die Diskriminierung vorgekommen sein soll, bereits beendet ist.“

Österreichisches Recht

8

Mit dem Pensionsharmonisierungsgesetz vom 15. Dezember 2004 (BGBl. I 142/2004) wurde das Allgemeine Pensionsgesetz (im Folgenden: APG) eingeführt, das am 1. Jänner 2005 in Kraft trat und für alle nach dem 1. Jänner 1955 geborenen Personen, grundsätzlich einschließlich der Bundesbeamten, ein neues einheitliches Pensionssystem vorsieht.

9

Vor dem Inkrafttreten des APG unterlagen Bundesbeamte ausschließlich den Pensionsregelungen des Bundesgesetzes über die Pensionsansprüche der Bundesbeamten, ihrer Hinterbliebenen und Angehörigen (Pensionsgesetz 1965) vom 18. November 1965 (BGBl. 340/1965, im Folgenden: PG 1965).

10

§ 41 PG 1965 in der Fassung des Gesetzes vom 15. Dezember 2020 (BGBl. I 135/2020) (im Folgenden: PG 2020) lautete:

„(1)   Änderungen dieses Bundesgesetzes, durch die weder die Höhe der Leistungen nach diesem Bundesgesetz geändert wird noch die Anspruchsvoraussetzungen auf diese Leistungen geändert werden, gelten auch für Personen, die zum Zeitpunkt ihres In-Kraft-Tretens Anspruch auf monatlich wiederkehrende Geldleistungen nach diesem Bundesgesetz haben. Änderungen von Bemessungsvorschriften oder von Anspruchsvoraussetzungen auf Leistungen gelten für Personen, die zum Zeitpunkt ihres In-Kraft-Tretens Anspruch auf Leistungen nach diesem Bundesgesetz haben, nur dann, wenn dies ausdrücklich bestimmt ist.

(2)   Die nach diesem Bundesgesetz gebührenden Ruhe- und Versorgungsbezüge mit Ausnahme der Ergänzungszulage gemäß § 26 sind zum selben Zeitpunkt und im selben Ausmaß wie die Pensionen in der gesetzlichen Pensionsversicherung anzupassen, wenn auf sie bereits

1.

vor dem 1. Jänner des betreffenden Jahres ein Anspruch bestanden hat oder

2.

sie von Ruhegenüssen abgeleitet werden, auf die vor dem 1. Jänner des betreffenden Jahres ein Anspruch bestanden hat.

Die erstmalige Anpassung eines Ruhebezuges ist abweichend vom ersten Satz erst mit Wirksamkeit ab 1. Jänner des dem Beginn des Anspruches auf den Ruhebezug zweitfolgenden Kalenderjahres vorzunehmen.

(7)   Die in § 744 Abs. 1 und 2 [Allgemeines Sozialversicherungsgesetz vom 9. September 1955 (BGBl. 189/1955, im Folgenden: ASVG)] für das Kalenderjahr 2021 festgelegte Vorgangsweise bei der Pensionsanpassung ist sinngemäß mit der Maßgabe anzuwenden, dass das Gesamtpensionseinkommen einer Person die Summe aller im Dezember 2020

nach diesem Bundesgesetz aufgrund eines öffentlich‑rechtlichen Dienstverhältnisses zum Bund

gebührenden und der Pensionsanpassung zum 1. Jänner 2021 unterliegenden Ruhe- und Versorgungsbezüge umfasst. Bei der Anpassung der Pensionen von Beamtinnen und Beamten der Länder, auf die dieses Bundesgesetz anzuwenden ist, ist kein Gesamtpensionseinkommen zu bilden. Bei einer Erhöhung nach § 744 Abs. 1 Z 4 ASVG ist der gesamte Erhöhungsbetrag dem Ruhe- oder Versorgungsgenuss zuzurechnen. Bezieht eine Person zwei oder mehrere Ruhe- oder Versorgungsbezüge, so ist § 744 Abs. 3 ASVG entsprechend anzuwenden.“

11

§ 41 PG 1965 in der Fassung des Pensionsanpassungsgesetzes 2022 vom 13. Dezember 2021 (BGBl. I 210/2021) (im Folgenden: PG 2022) sieht vor:

„(1)   Änderungen dieses Bundesgesetzes, durch die weder die Höhe der Leistungen nach diesem Bundesgesetz geändert wird noch die Anspruchsvoraussetzungen auf diese Leistungen geändert werden, gelten auch für Personen, die zum Zeitpunkt ihres In-Kraft-Tretens Anspruch auf monatlich wiederkehrende Geldleistungen nach diesem Bundesgesetz haben. Änderungen von Bemessungsvorschriften oder von Anspruchsvoraussetzungen auf Leistungen gelten für Personen, die zum Zeitpunkt ihres In-Kraft-Tretens Anspruch auf Leistungen nach diesem Bundesgesetz haben, nur dann, wenn dies ausdrücklich bestimmt ist.

(2)   Die nach diesem Bundesgesetz gebührenden Ruhe- und Versorgungsbezüge mit Ausnahme der Ergänzungszulage gemäß § 26 sind zum selben Zeitpunkt und im selben Ausmaß wie die Pensionen in der gesetzlichen Pensionsversicherung anzupassen, wenn auf sie bereits

1.

vor dem 1. Jänner des betreffenden Jahres ein Anspruch bestanden hat oder

2.

sie von Ruhegenüssen abgeleitet werden, auf die vor dem 1. Jänner des betreffenden Jahres ein Anspruch bestanden hat.

Die erstmalige Anpassung eines Ruhebezuges ist abweichend vom ersten Satz folgendermaßen vorzunehmen:

Ruhebezüge, die ab dem in der linken Spalte genannten Monatsersten des vorangegangenen Kalenderjahres gebühren, sind ab 1. Jänner mit dem in der rechten Spalte genannten Prozentsatz des Anpassungsfaktors zu vervielfachen

1. Jänner

100 %

Bei Ruhebezügen, die ab 1. November oder ab 1. Dezember des vorangegangenen Kalenderjahres gebühren, erfolgt die erstmalige Anpassung ab 1. Jänner des dem Beginn des Anspruchs auf den Ruhebezug zweitfolgenden Kalenderjahres. Diese Prozentsätze gelten auch bei der erstmaligen Anpassung für von diesen – noch nicht erstmalig angepassten – Ruhebezügen abgeleitete Versorgungsbezüge. Bei der erstmaligen Anpassung von Versorgungsbezügen nach im Dienststand verstorbenen Beamtinnen und Beamten gilt der Prozentsatz, der im Falle der Ruhestandsversetzung der Beamtin oder des Beamten am Monatsersten nach ihrem oder seinem Todestag gegolten hätte.

(7)   Die in § 744 Abs. 1 und 2 ASVG für das Kalenderjahr 2021 festgelegte Vorgangsweise bei der Pensionsanpassung ist sinngemäß mit der Maßgabe anzuwenden, dass das Gesamtpensionseinkommen einer Person die Summe aller im Dezember 2020

nach diesem Bundesgesetz aufgrund eines öffentlich‑rechtlichen Dienstverhältnisses zum Bund

gebührenden und der Pensionsanpassung zum 1. Jänner 2021 unterliegenden Ruhe- und Versorgungsbezüge umfasst. Bei der Anpassung der Pensionen von Beamtinnen und Beamten der Länder, auf die dieses Bundesgesetz anzuwenden ist, ist kein Gesamtpensionseinkommen zu bilden. Bei einer Erhöhung nach § 744 Abs. 1 Z 4 ASVG ist der gesamte Erhöhungsbetrag dem Ruhe- oder Versorgungsgenuss zuzurechnen. Bezieht eine Person zwei oder mehrere Ruhe- oder Versorgungsbezüge, so ist § 744 Abs. 3 ASVG entsprechend anzuwenden.“

12

§ 99 PG 1965 in der Fassung des Gesetzes vom 17. Juni 2015 (BGBl. I 65/2015) (im Folgenden: PG 2015) sah vor:

„(1)   Abschnitt XIII gilt nur für Beamte, die nach dem 31. Dezember 1954 und vor dem 1. Jänner 1976 geboren sind, vor dem 1. Jänner 2005 in das öffentlich‑rechtliche Dienstverhältnis zum Bund aufgenommen worden sind und sich am 31. Dezember 2004 im Dienststand befinden.

(2)   Dem Beamten gebührt der nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes bemessene Ruhe- oder Emeritierungsbezug nur in dem Ausmaß, das dem Prozentausmaß nach § 7 bzw. § 90 Abs. 1 entspricht, das sich aus der vom Beamten bis zum 31. Dezember 2004 erworbenen ruhegenussfähigen Gesamtdienstzeit ergibt.

(3)   Neben dem Ruhe- oder Emeritierungsbezug ist für die Beamtin oder den Beamten eine Pension unter Anwendung des APG und der §§ 6 Abs. 3 und 15 Abs. 2 APG in der am 31. Dezember 2013 geltenden Fassung zu bemessen. § 15 und § 16 Abs. 5 APG sind dabei nicht anzuwenden. Die Pension nach dem APG gebührt in dem Ausmaß, das der Differenz des Prozentsatzes nach Abs. 2 auf 100 % entspricht.

(4)   Nach § 9 zugerechnete Zeiten sind bei der Anwendung der Abs. 2, 3 und 6 nicht zu berücksichtigen. Bei angerechneten Zeiträumen ist jeweils die tatsächliche zeitliche Lagerung des angerechneten Zeitraums maßgebend.

(5)   Die Gesamtpension des Beamten setzt sich aus dem anteiligen Ruhe- oder Emeritierungsbezug nach Abs. 2 und aus der anteiligen Pension nach Abs. 3 zusammen.“

13

Gemäß § 109 Abs. 90 PG 2022 treten § 41 Abs. 2 und 3 sowie § 99 Abs. 3, 5 und 6 PG 2022 mit 1. Jänner 2022 in Kraft.

14

§ 108h ASVG in der Fassung des Gesetzes vom 22. Oktober 2019 (BGBl. I 98/2019) bestimmte in Abs. 1:

„Mit Wirksamkeit ab 1. Jänner eines jeden Jahres sind

a)

alle Pensionen aus der Pensionsversicherung, für die der Stichtag (§ 223 Abs. 2) vor dem 1. Jänner dieses Jahres liegt,

mit dem Anpassungsfaktor zu vervielfachen. …“

15

In § 108h ASVG in der Fassung des Gesetzes vom 28. Jänner 2021 (BGBl. I Nr. 28/2021) heißt es:

„(1)   Mit Wirksamkeit ab 1. Jänner eines jeden Jahres sind

a)

alle Pensionen aus der Pensionsversicherung, für die der Stichtag (§ 223 Abs. 2) vor dem 1. Jänner dieses Jahres liegt,

mit dem Anpassungsfaktor zu vervielfachen. …“

(1a)   Die erstmalige Anpassung hat abweichend von Abs. 1 so zu erfolgen, dass Pensionen, deren Stichtag (§ 223 Abs. 2) in dem in der linken Spalte genannten Kalendermonat des der Anpassung vorangegangenen Kalenderjahres liegt, ab 1. Jänner mit dem in der rechten Spalte genannten Prozentsatz jenes Erhöhungsbetrages zu erhöhen sind, der sich aus der Anwendung des Anpassungsfaktors ergeben würde:

Februar

90 %

Liegt der Stichtag im November oder im Dezember des der Anpassung vorangegangenen Kalenderjahres, so erfolgt die erstmalige Anpassung ab 1. Jänner des dem Stichtag zweitfolgenden Kalenderjahres. …“

Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefrage

16

BF, geboren 1958, wurde am 1. Juli 2020 im österreichischen öffentlichen Dienst in den Ruhestand versetzt.

17

Mit Bescheid vom 2. Dezember 2020 setzte die BVAEB den Ruhebezug von BF auf einen monatlichen Bruttobetrag von 4455,43 Euro fest. Dieser Betrag wurde auf der Grundlage einer so genannten „Parallelrechnung“ gemäß § 99 PG 2015 ermittelt, wonach ein Teil des Ruhebezugs – gewichtet nach der Aufteilung der Dienstzeiten vor bzw. ab dem Jahr 2005 – nach dem PG 1965 gezahlt wird, während der andere Teil nach dem APG gebührt (im Folgenden: Parallelrechnung).

18

Mit Schreiben vom 26. Februar 2021 beantragte BF bei der BVAEB, den monatlichen Bruttobetrag seines Ruhebezugs ab dem 1. Jänner 2021 neu zu berechnen, da er sich im Vergleich zu ehemaligen Bundesbeamten, die eine allein auf der Grundlage des APG festgesetzte Pension bezögen, deren Höhe ohne Verzögerung schon im ersten neuen Pensionsjahr angepasst worden sei, während die auf der Grundlage der Parallelrechnung festgesetzte Pension von BF erst zum 1. Jänner des dem Beginn des Anspruchs auf den Ruhebezug zweitfolgenden Kalenderjahres, hier dem 1. Jänner 2022, angepasst werde, für benachteiligt halte.

19

Mit Bescheid vom 19. März 2021 bestätigte die BVAEB, dass der Ruhebezug von BF auf einen monatlichen Bruttobetrag von 4455,43 Euro festzusetzen sei und dass die erstmalige Anpassung dieses Ruhebezuges gemäß § 41 Abs. 2 PG 2020 erst zum 1. Jänner 2022 erfolgen werde.

20

Mit Schreiben vom 6. April 2021 erhob BF beim vorlegenden Gericht, dem Bundesverwaltungsgericht (Österreich), Beschwerde gegen diesen Bescheid der BVAEB und beantragte, die erstmalige Anpassung seines Ruhebezuges mit Wirkung vom 1. Jänner 2021 vorzunehmen.

21

Vor dem Bundesverwaltungsgericht macht BF zum einen geltend, dass § 41 Abs. 2 PG 2020, demzufolge die erstmalige Anpassung eines Ruhebezuges erst ab dem dem Beginn des Anspruchs auf den Ruhebezug zweitfolgenden Kalenderjahr vorzunehmen sei, verfassungswidrig sei, da die nach § 108h Abs. 1a ASVG in der durch das Gesetz vom 28. Jänner 2021 geänderten Fassung festgesetzten Ruhebezüge ohne Verzögerung schon im ersten neuen Pensionsjahr angepasst würden. Zum anderen schaffe § 41 Abs. 2 PG 2020 eine unionsrechtswidrige Diskriminierung wegen des Alters, da die Anpassung der Ruhebezüge auf der Grundlage der Parallelrechnung überwiegend Bundesbeamte betreffe, die zwischen dem Jahr 1955 und dem Jahr 1975 geboren seien.

22

Zwar habe § 41 Abs. 2 PG 2022 diese Benachteiligung für die Zukunft beseitigt. Da dieser Artikel jedoch keine Rückwirkung vorsehe, werde die geltend gemachte Diskriminierung ehemaliger Bundesbeamter wie BF, deren Ruhebezug der Parallelrechnung unterliege, gegenüber ehemaligen Bundesbeamten, die einen allein auf der Grundlage des APG festgesetzten Ruhebezug erhielten, für die Vergangenheit aufrechterhalten.

23

Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts ist als Erstes in Bezug auf die Situation, die ehemalige Bundesbeamte, deren Ruhebezüge der Parallelrechnung unterliegen, im Verhältnis zu denjenigen benachteilige, die ausschließlich eine Pension nach dem APG beziehen, die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (Österreich) zur Vergleichbarkeit von Ruhegenusssystemen nach dem PG 1965 und dem APG zu berücksichtigen. Außerdem sei in diesem Zusammenhang der nach § 99 Abs. 5 PG 2015 festgesetzte Ruhebezug einem „Arbeitsentgelt“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2000/78 gleichzuhalten.

24

Als Zweites weist das vorlegende Gericht zum Vorbringen von BF, dass bei Anwendung der Parallelrechnung ein Teil seines Ruhebezuges nach dem APG gezahlt werde, darauf hin, dass dieser Anteil gering sei, da er nur etwa 9,2 % dieses Betrags ausmache.

25

Drittens verweist das vorlegende Gericht auf den verhältnismäßig weiten Gestaltungsspielraum des nationalen Gesetzgebers bei der Regelung des Dienst‑, Besoldungs- und Pensionsrechts der öffentlichen Bediensteten.

26

Was als Viertes die Gesetzesänderung in Form des Erlasses von § 41 Abs. 2 PG 2022 betrifft, fragt sich das vorlegende Gericht, ob diese Änderung nicht gegen die Verpflichtung der Mitgliedstaaten verstoße, eine festgestellte Diskriminierung unverzüglich und vollständig zu beseitigen, wie sich aus Rn. 24 des Urteils vom 7. Oktober 2019, Safeway (C‑171/18, im Folgenden: Urteil Safeway, EU:C:2019:839), ergebe.

27

Als Fünftes und Letztes könnte nach Ansicht des vorlegenden Gerichts eine Gesetzesänderung mit rückwirkender Wirkung im Bereich der Pensionen zu Anpassungen der Pensionshöhe der zuvor diskriminierten Bundesbeamten und damit zu erheblichen Ausgaben zulasten des Bundeshaushalts führen. Daher könnte eine solche Rückwirkung das finanzielle Gleichgewicht des betreffenden Rentensystems gefährden und damit einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses darstellen, der es dem österreichischen Gesetzgeber ermögliche, zu rechtfertigen, von einer Rückwirkung abzusehen, wie der Gerichtshof in Rn. 43 des Urteils Safeway ausgeführt habe.

28

Das Unionsrecht hindere in diesem Zusammenhang die Mitgliedstaaten nicht daran, neben politischen, sozialen oder demografischen Erwägungen auch Haushaltserwägungen zu berücksichtigen, sofern sie dabei insbesondere das allgemeine Verbot der Diskriminierung wegen des Alters beachteten. Insoweit könnten Haushaltserwägungen zwar den sozialpolitischen Entscheidungen eines Mitgliedstaats zugrunde liegen und die Art oder das Ausmaß der von ihm zu treffenden Maßnahmen beeinflussen, für sich allein aber kein legitimes Ziel im Sinne von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 darstellen. Vergleichbar schwerwiegende Rechtfertigungsgründe wie die erhebliche Gefährdung eines Rentensystems, die einen solchen zwingenden Grund des Allgemeininteresses bilden könnten, seien für das vorlegende Gericht im vorliegenden Ausgangsverfahren allerdings nicht klar ersichtlich.

29

Unter diesen Umständen hat das Bundesverwaltungsgericht beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Sind Art. 2 Abs. 1 und 2 lit. a und Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 bzw. die Grundsätze der Rechtssicherheit, Besitzstandswahrung und der Effektivität des Unionsrechts dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung – wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden – entgegenstehen, wonach die erstmalige Anpassung des Ruhebezuges jener Gruppe von Beamten, die spätestens ab 1. Dezember 2021 einen Anspruch auf Ruhebezug nach dem PG 2020 hatten, erst mit Wirksamkeit ab 1. Jänner des dem Beginn des Anspruches auf den Ruhebezug zweitfolgenden Kalenderjahres vorzunehmen ist, während die erstmalige Anpassung des Ruhebezuges der Gruppe von Beamten, die erst ab 1. Jänner 2022 einen Anspruch auf Ruhebezug nach dem PG 2022 hatten bzw. haben werden, bereits mit Wirksamkeit ab 1. Jänner des dem Beginn des Anspruches auf den Ruhebezug folgenden Kalenderjahres vorzunehmen ist?

Zur Vorlagefrage

Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens

30

Die österreichische Regierung bestreitet die Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens mit der Begründung, dass es nicht den Anforderungen von Art. 94 Buchst. c der Verfahrensordnung des Gerichtshofs entspreche, da das vorlegende Gericht nicht dargelegt habe, inwiefern die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden österreichischen Rechtsvorschriften unter Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. a sowie Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 zu einer unmittelbaren Diskriminierung wegen des Alters führten.

31

Das vorlegende Gericht beschränke sich zum einen darauf, auf die Schlechterstellung der Bundesbeamten gegenüber Leistungsbeziehern in der allgemeinen Pensionsversicherung sowie auf die Frage Bezug zu nehmen, ob mit der im Ausgangsverfahren fraglichen nationalen Regelung der Pflicht der Mitgliedstaaten widersprochen worden sei, eine Diskriminierung zu beenden. Das Vorabentscheidungsersuchen enthalte aber nur einen einzigen Hinweis auf eine Ungleichbehandlung „älterer Beamter“, nämlich bei der Wiedergabe des Vorbringens von BF zu diesem Punkt.

32

Zum anderen lege das vorlegende Gericht in keiner Weise die Gründe dar, die es dazu veranlasst hätten, den Gerichtshof zu befragen, ob die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung mit den Grundsätzen der Rechtssicherheit, der Besitzstandswahrung und der Effektivität des Unionsrechts vereinbar sei.

33

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung zwar eine Vermutung für die Entscheidungserheblichkeit der Fragen des nationalen Gerichts spricht, die es zur Auslegung des Unionsrechts in dem rechtlichen und sachlichen Rahmen stellt, den es in eigener Verantwortung festgelegt und dessen Richtigkeit der Gerichtshof nicht zu prüfen hat. Das durch Art. 267 AEUV geschaffene Verfahren ist aber ein Instrument der Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten, mit dem der Gerichtshof diesen Gerichten Hinweise zur Auslegung des Unionsrechts gibt, die sie zur Entscheidung der bei ihnen anhängigen Rechtsstreitigkeiten benötigen. Die Rechtfertigung des Vorabentscheidungsersuchens liegt nicht in der Abgabe von Gutachten zu allgemeinen oder hypothetischen Fragen, sondern darin, dass das Ersuchen für die tatsächliche Entscheidung eines Rechtsstreits erforderlich ist. Wie sich bereits aus dem Wortlaut von Art. 267 AEUV ergibt, muss die beantragte Vorabentscheidung „erforderlich“ sein, um dem vorlegenden Gericht den „Erlass seines Urteils“ in der bei ihm anhängigen Rechtssache zu ermöglichen. Außerdem muss das vorlegende Gericht nach Art. 94 Buchst. c der Verfahrensordnung genau die Gründe, aus denen es Zweifel bezüglich der Auslegung des Unionsrechts hat, sowie den Zusammenhang darstellen, den es zwischen diesen Vorschriften und dem auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren nationalen Recht herstellt (Urteil vom 24. März 2021, NAMA u. a., C‑771/19, EU:C:2021:232, Rn. 23 und die dort angeführte Rechtsprechung).

34

Mit der Darlegung seiner Zweifel an der Vereinbarkeit von § 41 Abs. 2 PG 2022 mit Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. a sowie mit Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 bzw. mit den Grundsätzen der Rechtssicherheit, der Besitzstandswahrung und der Effektivität des Unionsrechts führt das vorlegende Gericht im vorliegenden Fall die Gründe an, aus denen es den Gerichtshof um Auslegung dieser Bestimmungen und Grundsätze des Unionsrechts ersucht.

35

Zwar erläutert es – worauf die österreichische Regierung zutreffend hinweist – nicht ausdrücklich den Zusammenhang, den es zwischen den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Bestimmungen und den Grundsätzen der Rechtssicherheit, der Besitzstandswahrung und der Effektivität des Unionsrechts herstellt, um deren Auslegung es ersucht.

36

Aus dem Vorlagebeschluss geht jedoch hervor, dass das vorlegende Gericht den Gerichtshof um Auslegung dieser Grundsätze im Hinblick auf das Urteil Safeway und die sich daraus ergebenden Erkenntnisse in Bezug auf die Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur unverzüglichen und vollständigen Beseitigung einer Diskriminierung ersucht.

37

Nach alledem ist festzustellen, dass das Vorabentscheidungsersuchen zulässig ist.

Zur Beantwortung der Vorlagefrage

38

Nach ständiger Rechtsprechung ist es im Rahmen des durch Art. 267 AEUV eingeführten Verfahrens der Zusammenarbeit zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof Aufgabe des Gerichtshofs, dem nationalen Gericht eine für die Entscheidung des bei diesem anhängigen Rechtsstreits sachdienliche Antwort zu geben. So gesehen kann der Gerichtshof veranlasst sein, unionsrechtliche Vorschriften zu berücksichtigen, die das nationale Gericht in seiner Frage nicht angeführt hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. Juli 2021, Ministrstvo za obrambo, C‑742/19, EU:C:2021:597, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung). Der Umstand, dass ein nationales Gericht eine Vorlagefrage ihrer Form nach unter Bezugnahme auf bestimmte Vorschriften des Unionsrechts formuliert hat, hindert den Gerichtshof nämlich nicht daran, diesem Gericht alle Auslegungshinweise zu geben, die ihm bei der Entscheidung über die bei ihm anhängige Rechtssache von Nutzen sein können, und zwar unabhängig davon, ob es bei der Formulierung seiner Fragen darauf Bezug genommen hat oder nicht. Der Gerichtshof hat insoweit aus allem, was das einzelstaatliche Gericht vorgelegt hat, insbesondere aus der Begründung der Vorlageentscheidung, diejenigen Elemente des Unionsrechts herauszuarbeiten, die unter Berücksichtigung des Gegenstands des Rechtsstreits einer Auslegung bedürfen (Urteil vom 22. Dezember 2022, Ministre de la Transition écologique und Premier ministre [Haftung des Staates für die Luftverschmutzung], C‑61/21, EU:C:2022:1015, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).

39

Da dem Vorabentscheidungsersuchen nicht zu entnehmen ist, dass nach Ansicht des vorlegenden Gerichts nur eine etwaige unmittelbare Diskriminierung im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78 und nicht auch eine mittelbare Diskriminierung im Sinne von Buchst. b dieser Bestimmung im Ausgangsverfahren relevant sein kann, ist davon auszugehen, dass das vorlegende Gericht mit seiner Frage im Wesentlichen wissen möchte, ob Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. a und b sowie Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, die im Hinblick auf eine schrittweise Angleichung des Beamtenpensionssystems an das allgemeine Pensionssystem vorsieht, dass die erstmalige Anpassung der Höhe des Ruhebezuges einer Gruppe von Beamten ab dem dem Beginn des Anspruchs auf den Ruhebezug zweitfolgenden Kalenderjahr vorzunehmen ist, während diese Anpassung bei einer anderen Gruppe von Beamten ab dem ersten auf den Beginn dieses Anspruchs folgenden Kalenderjahr erfolgt.

40

Zur Beantwortung dieser Frage ist zu prüfen, ob die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Regelung in den Geltungsbereich der Richtlinie 2000/78 fällt und, wenn ja, ob mit ihr eine Ungleichbehandlung wegen des Alters eingeführt wird und ob in diesem Fall eine solche nach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 gerechtfertigt sein kann.

41

Was als Erstes die Frage betrifft, ob die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Regelung in den Geltungsbereich der Richtlinie 2000/78 fällt, ergibt sich sowohl aus dem Titel und den Erwägungsgründen als auch aus dem Inhalt und der Zielsetzung dieser Richtlinie, dass diese einen allgemeinen Rahmen schaffen soll, der gewährleistet, dass jeder „in Beschäftigung und Beruf“ gleich behandelt wird, indem sie dem Betroffenen einen wirksamen Schutz vor Diskriminierungen aus einem der in ihrem Art. 1 genannten Gründe – darunter auch das Alter – bietet (Urteil vom 15. April 2021, Olympiako Athlitiko Kentro Athinon, C‑511/19, EU:C:2021:274, Rn. 22 und die dort angeführte Rechtsprechung).

42

Zudem ist Art. 3 Abs. 1 Buchst. c dieser Richtlinie zu entnehmen, dass diese im Rahmen der auf die Europäische Union übertragenen Zuständigkeiten „für alle Personen in öffentlichen und privaten Bereichen, einschließlich öffentlicher Stellen“, in Bezug auf insbesondere „die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Entlassungsbedingungen und des Arbeitsentgelts“ gilt.

43

Der Gerichtshof hat im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens, das auch die Ruhebezüge der österreichischen Bundesbeamten nach dem PG 1965 betraf, bereits darauf hingewiesen, dass eine solche Pension unter den Begriff des „Entgelts“ im Sinne von Art. 157 AEUV fällt, da zum einen ihre Höhe von den Dienstzeiten und Ruhegenussvordienstzeiten sowie den Dienstbezügen des betreffenden Bundesbeamten abhängt und da sie zum anderen eine künftige Geldzahlung des Arbeitgebers an die Arbeitnehmer als unmittelbare Folge ihres Beschäftigungsverhältnisses darstellt. Sie wird nach innerstaatlichem Recht nämlich als Fortzahlung eines Entgelts im Rahmen eines nach Übertritt des Beamten in den Ruhestand weiter bestehenden Dienstverhältnisses angesehen (Urteil vom 5. Mai 2022, BVAEB, C‑405/20, EU:C:2022:347, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung).

44

Diese Feststellung kann nicht mit der Begründung in Frage gestellt werden, dass BF bei Anwendung der Parallelrechnung ein Teil des Ruhegehalts nach dem APG gezahlt wird, da dieser Anteil, wie sich aus Rn. 24 des vorliegenden Urteils ergibt, gering ist.

45

Die im Ausgangsverfahren streitige nationale Regelung fällt daher in den Geltungsbereich der Richtlinie 2000/78.

46

Was als Zweites die Frage betrifft, ob diese Regelung zu einer Ungleichbehandlung wegen des Alters in Beschäftigung und Beruf führt, ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 in Verbindung mit deren Art. 1 der Gleichbehandlungsgrundsatz im Sinne dieser Richtlinie jede unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung wegen des Alters verbietet. Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78 stellt klar, dass für die Zwecke der Anwendung von Abs. 1 eine unmittelbare Diskriminierung u. a. dann vorliegt, wenn eine Person wegen eines der in Art. 1 dieser Richtlinie genannten Gründe in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person. Gemäß Art. 2 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2000/78 liegt eine mittelbare Diskriminierung vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen eines bestimmten Alters gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können.

47

Im vorliegenden Fall ist zunächst festzustellen, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung, nämlich § 41 Abs. 2 PG 2022, nicht zu einer unmittelbaren Diskriminierung zu führen scheint, da sie unabhängig vom Alter der betroffenen Bundesbeamten gilt und sich nur auf den Zeitpunkt bezieht, ab dem ein solcher Beamter seinen Ruhebezugsanspruch geltend machen kann.

48

In einem zweiten Schritt ist jedoch festzustellen, dass aus dem Vorlagebeschluss hervorgeht, dass nach § 41 Abs. 2 letzter Satz PG 2020 die erstmalige Anpassung eines Ruhebezuges erst mit Wirksamkeit ab 1. Jänner des dem Beginn des Anspruchs auf den Ruhebezug zweitfolgenden Kalenderjahres vorzunehmen ist, während nach § 41 Abs. 2 PG 2022 Pensionen von Bundesbeamten, die erst ab dem 1. Jänner 2022 einen Anspruch auf Pension hatten oder haben, mit Wirksamkeit ab 1. Jänner des dem Beginn des Anspruchs folgenden Kalenderjahres unter Anwendung einer Aliquotierungsregel erstmals angepasst werden. Folglich kann diese nationale Regelung, indem sie auf den Zeitpunkt abstellt, ab dem ein Bundesbeamter seinen Ruhebezugsanspruch geltend machen kann, dahin ausgelegt werden, dass sie sich mittelbar auf ein an das Alter anknüpfendes Kriterium stützt, da der Bezug eines Ruhebezuges im Allgemeinen von der Ableistung einer bestimmten Anzahl von Dienstjahren und der Erreichung eines bestimmten Alters abhängt.

49

Insoweit hat der Gerichtshof zum einen entschieden, dass eine mittelbare Diskriminierung wegen des Alters nur dann festgestellt werden kann, wenn nachgewiesen wird, dass sich diese Regelung unter sämtlichen Personen, die von dem Anwendungsbereich der nationalen Regelung, auf die diese Diskriminierung zurückgehen soll, erfasst werden, auf einen signifikant höheren Anteil von Personen eines bestimmten Alters im Vergleich zu anderen Personen ungünstig und ohne Rechtfertigung auswirkt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 24. September 2020, YS [Betriebspensionen leitender Angestellter], C‑223/19, EU:C:2020:753, Rn. 71).

50

Zum anderen kann der bloße Umstand, dass auf Personen, die ein bestimmtes Alter noch nicht erreicht haben, eine spätere Rechtslage Anwendung findet, nicht zu einer mittelbaren Diskriminierung wegen des Alters zum Nachteil der anderen Personen führen, auf die die ältere Rechtslage Anwendung findet (Urteil vom 24. September 2020, YS [Betriebspensionen leitender Angestellter], C‑223/19, EU:C:2020:753, Rn. 73 und die dort angeführte Rechtsprechung).

51

Ebenso scheint eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, indem sie die Situation eines Bundesbeamten nach Maßgabe dessen unterschiedlich behandelt, ob er vor oder nach dem 1. Jänner 2022 einen Anspruch auf Ruhegehalt erwirbt, auch nicht mittelbar auf das Alter der betreffenden Beamten gestützt zu sein, da sie allein auf den objektiven Zeitpunkt der Entstehung dieses Anspruchs abstellt, was zu prüfen allerdings Sache des vorlegenden Gerichts ist.

52

Im Übrigen treten Bundesbeamte, wie aus den schriftlichen Erklärungen der österreichischen Regierung hervorgeht, zwar grundsätzlich mit Vollendung des 65. Lebensjahrs in den Ruhestand, können jedoch, wie BF, abweichend davon und unter bestimmten Voraussetzungen auch zu einem früheren oder späteren Zeitpunkt in den Ruhestand treten, was darauf hinzudeuten scheint, dass die Unterscheidung, die mit der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Regelung getroffen wird, Personen eines bestimmten Alters nicht im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2000/78 gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligt.

53

Sollte das vorlegende Gericht, das allein für die Auslegung der anwendbaren nationalen Rechtsvorschriften zuständig ist, gleichwohl zu dem Ergebnis kommen, dass die mit dieser Regelung vorgenommene Unterscheidung mittelbar eine Ungleichbehandlung der betreffenden Bundesbeamten auf der Grundlage eines dem Anschein nach neutralen Kriteriums, nämlich dem Zeitpunkt der Entstehung des Ruhebezugsanspruchs, bewirkt, wäre drittens zu prüfen, ob eine solche Ungleichbehandlung wegen des Alters im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 gerechtfertigt wäre.

54

Nach dieser Vorschrift stellen Ungleichbehandlungen wegen des Alters keine Diskriminierung dar, sofern sie objektiv und angemessen sind und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel, worunter insbesondere rechtmäßige Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung zu verstehen sind, gerechtfertigt sind und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind.

55

Insoweit hat der Gerichtshof wiederholt entschieden, dass die Mitgliedstaaten nicht nur bei der Entscheidung darüber, welches konkrete Ziel von mehreren sie im Bereich der Arbeits- und Sozialpolitik verfolgen wollen, sondern auch bei der Festlegung der zu seiner Erreichung geeigneten Maßnahmen über ein weites Ermessen verfügen (Urteil vom 15. April 2021, Olympiako Athlitiko Kentro Athinon, C‑511/19, EU:C:2021:274, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung).

56

Zum einen ist dem Vorlagebeschluss zu entnehmen, dass § 41 Abs. 2 PG 2022 das Ziel verfolgt, wie im ASVG eine monatsweise Aliquotierung der erstmaligen Pensionsanpassung ab dem Jahr 2022 einzuführen und dabei die zwischen dem Pensionsantritt und der erstmaligen Anpassung vergangene Zeit fair zu berücksichtigen, wodurch eine Angleichung der verschiedenen Pensionsanpassungssysteme angestrebt wird, um zu verhindern, dass zwischen den verschiedenen Pensionsregelungen nach dem PG 1965 und dem APG eine zu große Kluft entsteht.

57

Zum anderen ergibt sich aus der dem Gerichtshof vorliegenden Akte, dass § 41 Abs. 2 PG 2022 zum Ziel hat, angesichts der aktuellen steigenden Geldentwertung und der steigenden Lebenshaltungskosten die Kaufkraft der ehemaligen Bundesbeamten ab dem Beginn des ersten, auf den Beginn dieses Anspruchs folgenden Kalenderjahres zu erhöhen, wobei der Zeitraum zwischen dem Beginn dieses Anspruchs und dem 1. Jänner des Folgejahres fair berücksichtigt wird. Die Beibehaltung eines „Wartejahrs“ für Bundesbeamte im Sinne von § 41 Abs. 2 PG 2020 hingegen würde die nachhaltige Finanzierung des nationalen Pensionssystems gewährleisten.

58

Haushaltserwägungen können zwar eine Diskriminierung wegen des Alters nicht rechtfertigen, aber Zielsetzungen in Form der nachhaltigen Sicherung der Finanzierung von Pensionsleistungen und der Verringerung des Unterschieds bei der Höhe staatlich finanzierter Pensionen können als legitime sozialpolitische Ziele angesehen werden, die nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Alters zu tun haben (vgl. entsprechend Urteil vom 5. Mai 2022, BVAEB, C‑405/20, EU:C:2022:347, Rn. 57 und die dort angeführte Rechtsprechung).

59

Folglich können mit der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Regelung legitime sozialpolitische Ziele verfolgt werden, die nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Alters zu tun haben.

60

Was die Frage betrifft, ob diese Regelung den in Rn. 54 des vorliegenden Urteils genannten Anforderungen, insbesondere hinsichtlich ihrer Angemessenheit und Erforderlichkeit, entspricht, ergibt sich aus den dem Gerichtshof vorliegenden Informationen, dass § 41 Abs. 2 PG 2022 einen Ausgleich der Nachteile bewirkt, welche Bundesbeamte, die nach dem 1. Jänner 2022 in den Ruhestand getreten sind, aufgrund der Reformen des Pensionssystems und der niedrigeren Ruhebezüge im Vergleich zu den Bundesbeamten, die früher in den Ruhestand getreten sind, zu tragen haben, und so die Unterschiede zwischen diesen Ruhebezügen verringert.

61

Somit ist festzustellen, dass die Angleichung von Pensionsanpassungssystemen im Sinne von § 41 Abs. 2 PG 2022 ein rechtmäßiges Ziel aus den Bereichen Beschäftigungspolitik und Arbeitsmarkt darstellen kann, das im Sinne von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 während eines Übergangszeitraums die Ungleichbehandlung wegen des Alters von Bundesbeamten, die vor oder nach dem 1. Jänner 2022 in den Ruhestand getreten sind, hinsichtlich der jährlichen Anpassung ihrer Ruhebezüge rechtfertigen kann.

62

Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. a und b sowie Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung nicht entgegenstehen, die im Hinblick auf eine schrittweise Angleichung des Beamtenpensionssystems an das allgemeine Pensionssystem vorsieht, dass die erstmalige Anpassung der Höhe des Ruhebezuges einer Gruppe von Beamten ab dem dem Beginn des Anspruchs auf den Ruhebezug zweitfolgenden Kalenderjahr vorzunehmen ist, während diese Anpassung bei einer anderen Gruppe von Beamten ab dem ersten auf Beginn dieses Anspruchs folgenden Kalenderjahr erfolgt.

Kosten

63

Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Siebte Kammer) für Recht erkannt:

 

Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. a und b sowie Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf

 

sind dahin auszulegen, dass

 

sie einer nationalen Regelung nicht entgegenstehen, die im Hinblick auf eine schrittweise Angleichung des Beamtenpensionssystems an das allgemeine Pensionssystem vorsieht, dass die erstmalige Anpassung der Höhe des Ruhebezuges einer Gruppe von Beamten ab dem dem Beginn des Anspruchs auf den Ruhebezug zweitfolgenden Kalenderjahr vorzunehmen ist, während diese Anpassung bei einer anderen Gruppe von Beamten ab dem ersten auf Beginn dieses Anspruchs folgenden Kalenderjahr erfolgt.

 

Arastey Sahún

Wahl

Passer

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 20. April 2023.

Der Kanzler

A. Calot Escobar

Die Kammerpräsidentin

M. L. Arastey Sahún


( *1 ) Verfahrenssprache: Deutsch.