URTEIL DES GERICHTSHOFS (Dritte Kammer)
12. Januar 2023 ( *1 )
„Rechtsmittel – Wettbewerb – Kartelle – Sektor der Euro-Zinsderivate – Beschluss, mit dem eine Zuwiderhandlung gegen Art. 101 AEUV und Art. 53 des EWR-Abkommens festgestellt wird – Manipulation der Euribor-Referenzzinssätze im Interbankengeschäft – Austausch vertraulicher Informationen – Bezweckte Wettbewerbsbeschränkung – Einstufung – Berücksichtigung wettbewerbsfördernder Auswirkungen – Einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung – ‚Hybrides Verfahren‘, das zunächst zu einem Vergleichsbeschluss und sodann zu einem am Ende eines ordentlichen Verfahrens ergangenen Beschluss geführt hat – Charta der Grundrechte der Europäischen Union – Art. 41 – Recht auf eine gute Verwaltung – Art. 48 – Unschuldsvermutung“
In der Rechtssache C‑883/19 P
betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 3. Dezember 2019,
HSBC Holdings plc mit Sitz in London (Vereinigtes Königreich),
HSBC Bank plc mit Sitz in London,
HSBC Continental Europe, vormals HSBC France, mit Sitz in Paris (Frankreich),
vertreten durch C. Angeli, Avocate, K. Bacon, KC, D. Bailey, Barrister, M. Demetriou, KC, M. Giner, Avocate, und M. Simpson, Solicitor,
Rechtsmittelführerinnen,
unterstützt durch
Crédit agricole SA,
Crédit agricole Corporate and Investment Bank
mit Sitz in Montrouge (Frankreich), vertreten durch J. Jourdan, J.‑J. Lemonnier, A. Sieffert-Xuriguera und J.‑P. Tran Thiet, Avocats,
JPMorgan Chase & Co. mit Sitz in New York (Vereinigte Staaten),
JPMorgan Chase Bank, National Association, mit Sitz in Columbus, Ohio (Vereinigte Staaten),
vertreten durch D. Das, N. English, N. French, N. Frey, Solicitors, D. Heaton, Barrister, A. Holroyd, D. Hunt, Solicitors, M. Lester, KC, A. Ojukwu, Solicitor, D. Piccinin, Barrister, L. Ream, Solicitor, D. Rose, KC, und B. Tormey, Solicitor,
Streithelferinnen im Rechtsmittelverfahren,
andere Partei des Verfahrens:
Europäische Kommission, vertreten durch P. Berghe, M. Farley und F. van Schaik als Bevollmächtigte,
Beklagte im ersten Rechtszug,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin K. Jürimäe (Berichterstatterin) sowie der Richter M. Safjan, N. Piçarra, N. Jääskinen und M. Gavalec,
Generalanwalt: N. Emiliou,
Kanzler: M. Longar, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 26. Januar 2022,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 12. Mai 2022
folgendes
Urteil
1 |
Mit ihrem Rechtsmittel begehren die HSBC Holdings plc, die HSBC Bank plc und HSBC Continental Europe, vormals HSBC France (im Folgenden zusammen: HSBC-Gesellschaften), die teilweise Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 24. September 2019, HSBC Holdings u. a./Kommission (T‑105/17, im Folgenden: angefochtenes Urteil, EU:T:2019:675), mit dem das Gericht Art. 2 Buchst. b des Beschlusses C(2016) 8530 final der Kommission vom 7. Dezember 2016 in einem Verfahren nach Artikel 101 AEUV und Artikel 53 des EWR-Abkommens (Sache AT.39914 – Euro-Zinsderivate) (im Folgenden: streitiger Beschluss) für nichtig erklärt und ihre Klage im Übrigen abgewiesen hat. |
Vorgeschichte des Rechtsstreits
2 |
Das Gericht hat den dem Rechtsstreit zugrunde liegenden Sachverhalt in den Rn. 1 bis 29 des angefochtenen Urteils dargelegt. Für die Zwecke des vorliegenden Verfahrens lässt er sich wie folgt zusammenfassen. |
3 |
Mit dem streitigen Beschluss stellte die Europäische Kommission fest, dass die HSBC-Gesellschaften gegen Art. 101 AEUV und Art. 53 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 (ABl. 1994, L 1, S. 3, im Folgenden: EWR-Abkommen) verstoßen hätten, indem sie sich vom 12. Februar bis zum 27. März 2007 an einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung beteiligt hätten, die eine Störung des normalen Verlaufs der Preisfestsetzung auf dem Markt der mit dem „Euro Interbank Offered Rate“ (Euribor) und/oder dem „Euro Over-Night Index Average“ (EONIA) verknüpften Euro-Zinsderivate (Euro Interest Rate Derivatives [EIRD]) zum Gegenstand gehabt habe. Die Kommission erlegte den HSBC-Gesellschaften gesamtschuldnerisch eine Geldbuße in Höhe von 33606000 Euro auf. |
4 |
Der HSBC-Konzern (im Folgenden: HSBC) ist eine Bankengruppe, die u. a. im Investment‑, Corporate- und Wertpapier-Banking tätig ist. HSBC Holdings, die Dachgesellschaft von HSBC, ist die Muttergesellschaft von HSBC France (jetzt HSBC Continental Europe), die ihrerseits die Muttergesellschaft der HSBC Bank ist. HSBC France und HSBC Bank waren für den EIRD-Handel zuständig. HSBC France war für Anmeldungen von Zinssätzen beim Euribor-Panel verantwortlich. |
5 |
Am 14. Juni 2011 beantragte die Barclays-Bankengruppe, bestehend aus der Barclays plc, der Barclays Bank plc, der Barclays Directors Ltd, der Barclays Group Holding Ltd, der Barclays Capital Services Ltd und der Barclays Services Jersey Ltd (im Folgenden: Barclays), bei der Kommission einen Marker im Sinne der Mitteilung der Kommission über den Erlass und die Ermäßigung von Geldbußen in Kartellsachen (ABl. 2006, C 298, S. 17), wobei sie die Kommission über das Bestehen eines Kartells im EIRD-Sektor informierte und ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit der Kommission zum Ausdruck brachte. Am 14. Oktober 2011 wurde Barclays ein bedingter Geldbußenerlass gewährt. |
6 |
Zwischen dem 18. und dem 21. Oktober 2011 vollzog die Kommission Nachprüfungen in den Räumlichkeiten verschiedener Finanzinstitute in London (Vereinigtes Königreich) und Paris (Frankreich), darunter die Räumlichkeiten der HSBC-Gesellschaften. |
7 |
Am 5. März bzw. am 29. Oktober 2013 leitete die Kommission gemäß Art. 11 Abs. 6 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 [EG] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) ein Zuwiderhandlungsverfahren gegen die HSBC-Gesellschaften, Barclays, die Crédit agricole SA und die Crédit agricole Corporate and Investment Bank (im Folgenden zusammen: Crédit-agricole-Gesellschaften), die Deutsche Bank AG, die Deutsche Bank Services (Jersey) Ltd und die DB Group Services (UK) Ltd (im Folgenden zusammen: Deutsche Bank), die JP Morgan Chase & Co., die JP Morgan Chase Bank, National Association und die JP Morgan Services LLP (im Folgenden zusammen: JP-Morgan-Chase-Gesellschaften), die Royal Bank of Scotland plc und die Royal Bank of Scotland Group plc (im Folgenden zusammen: RBS) sowie gegen die Société Générale ein. |
8 |
Barclays, die Deutsche Bank, die Société Générale und RBS äußerten den Wunsch, an einem Vergleichsverfahren nach Art. 10a der Verordnung (EG) Nr. 773/2004 der Kommission vom 7. April 2004 über die Durchführung von Verfahren auf der Grundlage der Artikel [101 AEUV] und [102 AEUV] durch die Kommission (ABl. 2004, L 123, S. 18) teilzunehmen. Die HSBC-Gesellschaften, die Crédit-agricole-Gesellschaften und die JP-Morgan-Chase-Gesellschaften beschlossen, sich nicht an diesem Vergleichsverfahren zu beteiligen. |
9 |
Am 4. Dezember 2013 erließ die Kommission gegenüber Barclays, der Deutschen Bank, der Société Générale und RBS den Beschluss C(2013) 8512 final in einem Verfahren nach Artikel 101 [AEUV] und Artikel 53 des EWR-Abkommens (Sache AT.39914 – Euro-Zinsderivate [EIRD] [Settlement]) (im Folgenden: Vergleichsbeschluss), mit dem sie feststellte, dass diese Unternehmen gegen Art. 101 AEUV und Art. 53 des EWR-Abkommens verstoßen hätten, indem sie sich an einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung beteiligt hätten, die eine Störung des normalen Verlaufs der Preisfestsetzung auf dem EIRD-Markt zum Gegenstand gehabt habe. |
Verwaltungsverfahren
10 |
Am 19. März 2014 richtete die Kommission eine Mitteilung der Beschwerdepunkte an die HSBC-Gesellschaften, die Crédit-agricole-Gesellschaften und die JP-Morgan-Chase-Gesellschaften. |
11 |
Die HSBC-Gesellschaften konnten die zugänglichen Teile der Kommissionsakte auf DVD einsehen, und ihre Vertreter erhielten zusätzlich Akteneinsicht in den Räumlichkeiten der Kommission. Sie hatten darüber hinaus Zugang zu der Mitteilung der Beschwerdepunkte, die an die Parteien des Vergleichsverfahrens gerichtet worden war, zu den Antworten dieser Parteien sowie zum Vergleichsbeschluss. |
12 |
Die HSBC-Gesellschaften legten am 14. November 2014 ihre schriftliche Stellungnahme zur Mitteilung der Beschwerdepunkte vor und äußerten sich in der Anhörung, die vom 15. bis zum 17. Juni 2015 stattfand, mündlich. |
13 |
Am 6. April 2016 berichtigte die Kommission den Vergleichsbeschluss in Bezug auf die Festsetzung des Betrags der gegen die Société Générale verhängten Geldbuße. Die HSBC-Gesellschaften hatten Zugang zu diesem berichtigenden Beschluss sowie zum zugrunde liegenden Schriftverkehr und zu den von der Société Générale vorgelegten berichtigten Finanzdaten. |
Streitiger Beschluss
14 |
Am 7. Dezember 2016 erließ die Kommission den streitigen Beschluss. Art. 1 Buchst. b und Art. 2 Buchst. b dieses Beschlusses haben folgenden Wortlaut: „Artikel 1 Die folgenden Unternehmen haben in den angegebenen Zeiträumen durch ihre Beteiligung an einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung betreffend Euro-Zinsderivate gegen Art. 101 [AEUV] und Art. 53 des EWR-Abkommens verstoßen. Diese Zuwiderhandlung, die sich auf den gesamten [Europäischen Wirtschaftsraum (EWR)] erstreckte, bestand in Vereinbarungen und/oder abgestimmten Verhaltensweisen, die bezweckten, die normale Entwicklung der Preisgestaltungselemente im Sektor der Euro-Zinsderivate zu verfälschen: …
Artikel 2 Für die in Art. 1 genannte Zuwiderhandlung werden folgende Geldbußen verhängt: …
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Betroffene Produkte
15 |
Die in Rede stehenden Zuwiderhandlungen beziehen sich auf EIRD, d. h. Euro-Zinsderivate, die an den Euribor oder den EONIA gebunden sind. |
16 |
Der Euribor ist eine Gesamtheit von Referenzzinssätzen, die die Kosten der auf den internationalen Kapitalmärkten häufig verwendeten Kredite im Interbankengeschäft widerspiegeln soll. Er ist definiert als Index der Zinsen, zu denen Termineinlagen in Euro im Interbankengeschäft von einer erstklassigen Bank einer anderen erstklassigen Bank innerhalb der Eurozone angeboten werden. Der Euribor wird anhand des Durchschnitts der Preise berechnet, die von einem Panel – das während des vom streitigen Beschluss erfassten Zeitraums aus 47 erstklassigen Banken, darunter die in Rn. 7 des vorliegenden Urteils erwähnten Banken, bestand – täglich angeboten und zwischen 10.45 Uhr und 11.00 Uhr morgens bei Thomson Reuters als Berechnungsstelle der Europäischen Bankenvereinigung (EBF) gemeldet werden. Die Banken liefern Beiträge zu den 15 verschiedenen Euribor-Zinssätzen, die eine Laufzeit von einer Woche bis zu zwölf Monaten haben. Der EONIA erfüllt eine mit dem Euribor vergleichbare Funktion, bezieht sich aber auf Übernacht-Zinssätze. Er wird von der Europäischen Zentralbank (EZB) auf der Grundlage eines Durchschnitts der Zinssätze für ungesicherte („unsecured“) Interbankeneinlagen desselben Banken-Panels berechnet, das auch für die Festsetzung des Euribor herangezogen wird. |
17 |
Die gängigsten EIRD sind Forward Rate Agreements, Zins-Swaps, Zins-Optionen und Zins-Futures. |
Den HSBC-Gesellschaften zur Last gelegte Verhaltensweisen
18 |
Im 113. Erwägungsgrund des streitigen Beschlusses beschrieb die Kommission das den in Rn. 7 des vorliegenden Urteils erwähnten Banken vorgeworfene Verhalten wie folgt: „Barclays, die Deutsche Bank, [die JP-Morgan-Chase-Gesellschaften], die Société Générale, [die Crédit-agricole-Gesellschaften], [die HSBC-Gesellschaften] und RBS waren an mehreren bilateralen Kontakten im EIRD-Sektor beteiligt, die im Wesentlichen folgende Verhaltensweisen zwischen den verschiedenen Parteien umfassten:
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19 |
Im 114. Erwägungsgrund des streitigen Beschlusses fügte die Kommission hinzu: „Daneben besprachen gelegentlich bestimmte bei verschiedenen Parteien beschäftigte Händler das Ergebnis der Euribor-Zinsfestlegung, einschließlich konkreter Quotierungen, nachdem die Euribor-Zinssätze für einen Tag festgelegt und veröffentlicht waren.“ |
20 |
Die Kommission vertrat die Ansicht, diese Verhaltensweisen stellten eine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung dar. |
21 |
Zur Begründung dieser Einstufung stellte die Kommission erstens fest, dass mit diesen Verhaltensweisen ein einheitliches wirtschaftliches Ziel verfolgt worden sei, nämlich die Minderung des von den Beteiligten für die EIRD zu zahlenden Cashflows bzw. die Erhöhung des von ihnen als Einnahme erwarteten Cashflows. Zweitens hätten die verschiedenen Verhaltensweisen ein gemeinsames Verhaltensmuster gebildet, da eine feste Gruppe von Personen am Kartell beteiligt gewesen sei, die Parteien bei ihren wettbewerbswidrigen Tätigkeiten einem sehr ähnlichen Muster gefolgt seien und die verschiedenen Gespräche zwischen den Parteien identische bzw. sich überschneidende Themenbereiche abgedeckt und somit einen identischen oder teilweise identischen Inhalt gehabt hätten. Drittens seien die am wettbewerbswidrigen Austausch beteiligten Händler qualifizierte Fachleute, die Kenntnis von der allgemeinen Tragweite und den wesentlichen Merkmalen des gesamten Kartells gehabt hätten oder hätten haben müssen. |
22 |
Die Kommission war der Ansicht, die HSBC-Gesellschaften hätten sich an dieser einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung beteiligt. Insoweit hob sie hervor, dass bereits der bilaterale Austausch mit Barclays für sich genommen eine Zuwiderhandlung gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV darstelle. |
23 |
Was die Dauer dieser Beteiligung anging, bestimmte die Kommission in Bezug auf die HSBC-Gesellschaften als Anfangsdatum den 12. Februar 2007 und als Enddatum den 27. März 2007. |
Festsetzung der Höhe der Geldbuße
– Grundbetrag der Geldbuße
24 |
Was erstens die Ermittlung des Umsatzes der am Kartell beteiligten Banken anbelangte, ging die Kommission von einem Ersatzwert aus, da EIRD keinen Umsatz im herkömmlichen Sinne generieren. Außerdem hielt sie es in Anbetracht der Umstände des vorliegenden Falls für vorzugswürdig, keinen auf das Jahr umgerechneten Ersatzwert heranzuziehen, sondern sich auf einen Ersatzwert zu stützen, der den Monaten der Beteiligung der Banken an der Zuwiderhandlung entsprach. Sie wies darauf hin, dass sie keine mathematische Formel anwenden müsse und bei der Festsetzung der einzelnen Geldbußen über ein Ermessen verfüge. |
25 |
Die Kommission erachtete es für angemessen, als Ersatzwert auf die Bareinnahmen aus den Cashflows abzustellen, die jede Bank mit ihrem Portfolio aus mit den einzelnen Euribor- und/oder EONIA-Quotierungen verknüpften und mit Geschäftspartnern innerhalb des EWR geschlossenen Verträgen über EIRD erhielt. Hierauf wandte sie einen einheitlichen Abzinsungsfaktor von 98,849 % an. |
26 |
Somit ging die Kommission in Bezug auf die HSBC-Gesellschaften von einem Umsatz in Höhe von 192081799 Euro aus. |
27 |
Was zweitens die Schwere der Zuwiderhandlung anging, berücksichtigte die Kommission einen Schwerefaktor von 15 %, da sich die Zuwiderhandlung auf Preisabsprachen und Preisfestsetzungsvereinbarungen bezog. Sie fügte einen Schwerefaktor von 3 % hinzu und verwies dabei auf den Umstand, dass das Kartell den gesamten EWR betroffen und sich auf für sämtliche EIRD relevante Zinssätze bezogen habe und dass diese sich auf den Euro beziehenden Zinssätze von grundlegender Bedeutung für die Harmonisierung der Finanzbedingungen im Binnenmarkt und die Banktätigkeiten in den Mitgliedstaaten seien. |
28 |
Was drittens die Dauer der Zuwiderhandlung betraf, hob die Kommission hervor, dass sie die „in ganzen Monaten nach unten abgerundete relative“ Dauer der Beteiligung der einzelnen Kartellteilnehmer berücksichtigt habe, was bei den HSBC-Gesellschaften zur Anwendung eines Multiplikationskoeffizienten von 0,08 % führe. |
29 |
Viertens fügte die Kommission, da die Zuwiderhandlung in einer horizontalen Preisfestsetzung bestand, einen als „Eintrittsgebühr“ bezeichneten Zusatzbetrag von 18 % des Umsatzes hinzu, um Unternehmen unabhängig von der Dauer der Zuwiderhandlung von einer Beteiligung an solchen Verhaltensweisen abzuschrecken. |
30 |
Die Kommission setzte den Grundbetrag der den HSBC-Gesellschaften aufzuerlegenden Geldbuße daher auf 37340000 Euro fest. |
– Endbetrag der Geldbuße
31 |
Die Kommission stellte fest, dass die HSBC-Gesellschaften eine eher marginale bzw. untergeordnete Rolle bei der Zuwiderhandlung gespielt hätten, die nicht mit der Rolle der Hauptakteure verglichen werden könne, und gewährte ihnen eine Ermäßigung des Grundbetrags der Geldbuße um 10 %. Folglich setzte sie in Art. 2 Buchst. b des streitigen Beschlusses den Endbetrag der gegen diese Gesellschaften verhängten Geldbuße auf 33606000 Euro fest. |
Klage vor dem Gericht und angefochtenes Urteil
32 |
Mit Klageschrift, die am 17. Februar 2017 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhoben die HSBC-Gesellschaften eine Klage auf teilweise Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses. |
33 |
Im Rahmen ihrer Klage beantragten die HSBC-Gesellschaften sowohl die Nichtigerklärung von Art. 1 und Art. 2 Buchst. b des streitigen Beschlusses als auch, hilfsweise, die Herabsetzung der mit Art. 2 Buchst. b verhängten Geldbuße. |
34 |
Als Erstes brachten die HSBC-Gesellschaften fünf Klagegründe vor, um ihren Antrag auf Nichtigerklärung von Art. 1 des streitigen Beschlusses und, hilfsweise, Art. 1 Buchst. b dieses Beschlusses zu stützen. |
35 |
Diese Klagegründe betrafen:
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36 |
Das Gericht hat diese Klagegründe im angefochtenen Urteil allesamt zurückgewiesen. |
37 |
Hinsichtlich des ersten Klagegrundes, der die Einstufung als bezweckte Zuwiderhandlung im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV betraf, hat das Gericht den ersten Teil dieses Klagegrundes zurückgewiesen, mit dem diese Einstufung in Bezug auf die Manipulation des Euribor vom 19. März 2007 beanstandet wurde. Insoweit hat das Gericht in den Rn. 93 und 94 des angefochtenen Urteils befunden, dass die Kommission keinen Rechts- oder Beurteilungsfehler begangen habe, als sie festgestellt habe, dass sämtliche im 392. Erwägungsgrund des streitigen Beschlusses beschriebenen Verhaltensweisen, einschließlich der Manipulation vom 19. März 2007, den Wettbewerb eingeschränkt hätten, indem sie zwischen den Marktakteuren ein Informationsgefälle geschaffen hätten. Die an der Zuwiderhandlung beteiligten Parteien seien nämlich zum einen eher in der Lage gewesen, vorab mit einer gewissen Genauigkeit zu wissen, auf welchem Niveau ihre kollusiv handelnden Wettbewerber den Euribor festlegen würden oder festzulegen beabsichtigten, und zum anderen hätten sie gewusst, ob sich der Euribor auf einem künstlichen Niveau befunden habe oder nicht. |
38 |
In Bezug auf den zweiten Teil dieses Klagegrundes, der die Einstufung der übrigen den HSBC-Gesellschaften zur Last gelegten Verhaltensweisen als bezweckte Zuwiderhandlung betraf, hat das Gericht in einem ersten Schritt die Stichhaltigkeit dieser Einstufung in Bezug auf den Austausch von Informationen über die Medianpreise geprüft und entschieden, dass die Kommission keinen Fehler begangen habe, als sie festgestellt habe, dass der Informationsaustausch in den Gesprächen vom 14. und 16. Februar 2007 einen wettbewerbsbeschränkenden Zweck gehabt habe. In einem zweiten Schritt hat das Gericht die Rüge geprüft, dass die Einstufung des Austauschs von Informationen über Handelspositionen als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung unberechtigt sei. Das Gericht hat im Wesentlichen befunden, dass der Großteil der über die Handelspositionen geführten Gespräche, an denen die Händler der HSBC-Gesellschaften beteiligt gewesen seien, nämlich die Gespräche vom 12., 13. und 28. Februar sowie vom 19. März 2007, mit der Manipulation des Euribor vom 19. März 2007 zusammengehangen habe, so dass die Kommission in Bezug auf diese Gespräche zu Recht eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung festgestellt habe. Dagegen war das Gericht der Ansicht, dass die Gespräche vom 9. und 14. März 2007 weder einzeln noch zusammengenommen als wettbewerbsbeschränkend im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV angesehen werden könnten, da sie zum einen nicht im Hinblick auf die Manipulation des Euribor vom 19. März 2007 geführt worden seien und zum anderen die Unsicherheit über den Markt nicht in einer Weise verringert oder beseitigt hätten, dass die Kommission daraus eine Beeinflussung der normalen Entwicklung der Preisgestaltungselemente im EIRD-Sektor hätte ableiten können, ohne ihre Auswirkungen untersuchen zu müssen. |
39 |
In Bezug auf die Klagegründe 2 bis 4, die die von der Kommission vorgenommene Einstufung als einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung betrafen, hat das Gericht zunächst den zweiten Klagegrund zurückgewiesen, mit dem das Vorliegen eines „Gesamtplans“ mit einheitlichem Ziel bestritten wurde. Sodann hat es den vierten Klagegrund geprüft, mit dem bestritten wurde, dass die HSBC-Gesellschaften Kenntnis vom rechtswidrigen Verhalten der anderen Beteiligten gehabt hätten. Insoweit hat das Gericht zwischen der Manipulation vom 19. März 2007 und ihrer möglichen Wiederholung einerseits und den übrigen von der Kommission im Rahmen der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung berücksichtigten Verhaltensweisen andererseits unterschieden. In Rn. 273 des angefochtenen Urteils ist das Gericht zu dem Schluss gelangt, dass die Beteiligung der HSBC-Gesellschaften an einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung nur in Bezug auf ihre eigenen Verhaltensweisen im Rahmen dieser Zuwiderhandlung sowie in Bezug auf die Verhaltensweisen der anderen Banken im Rahmen der Manipulation vom 19. März 2007 und deren etwaiger Wiederholung festgestellt werden könne. Schließlich hat das Gericht den dritten Klagegrund, der die Absicht der HSBC-Gesellschaften betraf, sich an der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung zu beteiligen, mit der Begründung zurückgewiesen, dass sich hinsichtlich der Manipulation vom 19. März 2007 und ihrer Wiederholung die Absicht, sich an einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung zu beteiligen, klar aus den von der Kommission vorgelegten Beweisen ergebe. |
40 |
Den fünften Klagegrund, mit dem ein Rechtsfehler und eine Verletzung wesentlicher Formvorschriften im Verfahrensverlauf gerügt wurden, hat das Gericht in den Rn. 283 bis 293 des angefochtenen Urteils als ins Leere gehend zurückgewiesen. |
41 |
Als Zweites brachten die HSBC-Gesellschaften einen Klagegrund vor, um die Rechtmäßigkeit von Art. 2 Buchst. b des streitigen Beschlusses in Frage zu stellen, mit dem die Kommission ihnen wegen ihrer Beteiligung an der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung eine Geldbuße auferlegt hatte. Das Gericht war der Ansicht, dieser Klagegrund lasse sich in vier Teile untergliedern, da die HSBC-Gesellschaften erstens die Heranziehung abgezinster Bareinnahmen zur Ermittlung des Umsatzes, zweitens den angewandten Schwerefaktor, drittens den angewandten Zusatzbetrag und viertens die Beurteilung der mildernden Umstände beanstandeten. Die HSBC-Gesellschaften beantragten in erster Linie die Nichtigerklärung von Art. 2 Buchst. b des streitigen Beschlusses und hilfsweise die Herabsetzung der gegen sie verhängten Geldbuße. |
42 |
Im Rahmen des ersten Teils dieses Klagegrundes machten die HSBC-Gesellschaften geltend, die Kommission habe den Umsatz zu Unrecht auf die von ihnen im Zuwiderhandlungszeitraum für die EIRD erhaltenen Bareinnahmen gestützt, auf die ein Faktor von 98,849 % angewandt worden sei. Das Gericht war der Ansicht, dass dieser Teil des Klagegrundes in drei Rügen untergliedert werden könne, mit denen erstens die Fehlerhaftigkeit der Heranziehung der abgezinsten Bareinnahmen, zweitens die Fehlerhaftigkeit der Berücksichtigung der Bareinnahmen aus Verträgen, die vor Beginn der Beteiligung der HSBC-Gesellschaften an der Zuwiderhandlung geschlossen worden seien, und drittens die unzureichende Begründung des von der Kommission angewandten Abzinsungsfaktors von 98,849 % beanstandet würden. |
43 |
Das Gericht hat die erste und die zweite Rüge zurückgewiesen. Dagegen hat es der dritten Rüge, mit der geltend gemacht wurde, dass der von der Kommission angewandte Abzinsungsfaktor von 98,849 % unzureichend begründet sei, stattgegeben und folglich Art. 2 Buchst. b des streitigen Beschlusses für nichtig erklärt und die Klage im Übrigen abgewiesen. |
Verfahren vor dem Gerichtshof und Anträge der Parteien
44 |
Mit ihrem Rechtsmittel beantragen die HSBC-Gesellschaften,
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45 |
Die Kommission beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen und den HSBC-Gesellschaften sämtliche Kosten aufzuerlegen. |
46 |
Mit Beschlüssen des Präsidenten des Gerichtshofs vom 16. Juli 2020, HSBC Holdings u. a./Kommission (C‑883/19 P, EU:C:2020:561), und HSBC Holdings u. a./Kommission (C‑883/19 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2020:601), ist den Anträgen der Crédit-agricole-Gesellschaften und der JP-Morgan-Chase-Gesellschaften auf Zulassung als Streithelferinnen zur Unterstützung der Anträge der HSBC-Gesellschaften stattgegeben worden. |
47 |
Mit Beschluss der Präsidentin der Dritten Kammer des Gerichtshofs vom 12. August 2022 ist die JP Morgan Services LLP, in Liquidation, als Streithelferin gestrichen worden. Ab diesem Datum ist die Bezeichnung „JP-Morgan-Chase-Gesellschaften“ so zu verstehen, dass sie nur die JP Morgan Chase & Co. und die JP Morgan Chase Bank, National Association erfasst. |
Zum Antrag auf Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens
48 |
Nach der Verlesung der Schlussanträge des Generalanwalts haben die HSBC-Gesellschaften mit Schreiben vom 8. Juli 2022 die Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens beantragt. Zur Stützung ihres Antrags machen sie geltend, die Schlussanträge enthielten falsche Sachverhaltsdarstellungen oder beträfen bestimmte Aspekte der vorliegenden Rechtssache, die erörtert werden müssten, damit der Gerichtshof in dieser Rechtssache endgültig entscheiden könne. |
49 |
Der Gerichtshof kann gemäß Art. 83 seiner Verfahrensordnung jederzeit nach Anhörung des Generalanwalts die Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens beschließen, insbesondere wenn er sich für unzureichend unterrichtet hält, wenn eine Partei nach Abschluss des mündlichen Verfahrens eine neue Tatsache unterbreitet hat, die von entscheidender Bedeutung für die Entscheidung des Gerichtshofs ist, oder wenn ein zwischen den Parteien oder den in Art. 23 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union bezeichneten Beteiligten nicht erörtertes Vorbringen entscheidungserheblich ist. |
50 |
Im vorliegenden Fall ist der Gerichtshof indessen der Auffassung, dass er über alle für die Entscheidung erforderlichen Informationen verfügt und dass diese Informationen zwischen den Parteien erörtert worden sind. |
51 |
Zum Vorbringen der HSBC-Gesellschaften, die Schlussanträge des Generalanwalts enthielten falsche Sachverhaltsdarstellungen, ist darauf hinzuweisen, dass die Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union und die Verfahrensordnung des Gerichtshofs für die Parteien keine Möglichkeit vorsehen, zu den Schlussanträgen des Generalanwalts Stellung zu nehmen (Urteil vom 8. März 2017, Viasat Broadcasting UK/Kommission, C‑660/15 P, EU:C:2017:178, Rn. 13 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
52 |
Nach Art. 252 Abs. 2 AEUV hat der Generalanwalt die Aufgabe, zu den Rechtssachen, in denen seine Mitwirkung erforderlich ist, öffentlich in völliger Unparteilichkeit und Unabhängigkeit begründete Schlussanträge zu stellen, die den Gerichtshof natürlich nicht binden, was auch für die Begründung der Schlussanträge gilt. Dass eine Partei mit den Schlussanträgen nicht einverstanden ist, kann folglich unabhängig von den darin untersuchten Fragen für sich genommen kein Grund sein, der die Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens rechtfertigt (Urteil vom 8. März 2017, Viasat Broadcasting UK/Kommission, C‑660/15 P, EU:C:2017:178, Rn. 14 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
53 |
In Anbetracht dieser Erwägungen sieht der Gerichtshof nach Anhörung des Generalanwalts keine Veranlassung, die Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens anzuordnen. |
Zum Rechtsmittel
54 |
Zur Stützung ihres Rechtsmittels machen die HSBC-Gesellschaften mit Unterstützung der Streithelferinnen sechs Rechtsmittelgründe geltend, mit denen sie im Wesentlichen Folgendes rügen: erstens einen Rechtsfehler in Bezug auf die Auswirkungen des Verstoßes der Kommission gegen die Unschuldsvermutung sowie gegen die Grundsätze der guten Verwaltung und der Wahrung der Verteidigungsrechte, zweitens einen Rechtsfehler bei der Einstufung der Manipulation vom 19. März 2007 als bezweckte Zuwiderhandlung im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV, drittens einen Rechtsfehler, soweit das Gericht die beiden Gespräche über die Medianpreise vom 14. und 16. Februar 2007 als bezweckte Zuwiderhandlungen angesehen habe, viertens eine Verfälschung des Beweisergebnisses, soweit das Gericht die beiden Gespräche vom 12. und 16. Februar 2007 als bezweckte Zuwiderhandlungen betrachtet habe, ohne den Gesprächsinhalt näher zu prüfen, fünftens Rechtsfehler bei der Beurteilung, dass die von der Kommission festgestellten unterschiedlichen Verhaltensweisen einem einheitlichen Ziel gedient hätten, und sechstens einen Rechtsfehler bei der Feststellung, dass die HSBC-Gesellschaften an einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung beteiligt gewesen seien, die Verhaltensweisen umfasse, die im streitigen Beschluss nicht als rechtswidrig eingestuft worden seien. |
Zum ersten Rechtsmittelgrund
Vorbringen der Parteien
55 |
Die HSBC-Gesellschaften machen mit Unterstützung der Streithelferinnen geltend, das Gericht habe in den Rn. 287 bis 292 des angefochtenen Urteils ihren fünften Nichtigkeitsgrund rechtsfehlerhaft geprüft, mit dem sie im Wesentlichen gerügt hätten, dass der Vergleichsbeschluss unter Verstoß gegen die Unschuldsvermutung, ihr Recht auf eine gute Verwaltung und ihre Verteidigungsrechte, insbesondere ihr Recht auf Anhörung, erlassen worden sei. |
56 |
Das von der Kommission angewandte gestaffelte Verfahren habe unzweifelhaft dazu geführt, dass die Frage der Verantwortlichkeit der HSBC-Gesellschaften vorweggenommen worden sei, was ihr Recht auf Anhörung unumkehrbar verletzt habe. Das Gericht hätte daher Art. 1 Buchst. b des streitigen Beschlusses für nichtig erklären müssen. |
57 |
Indem das Gericht in Rn. 289 des angefochtenen Urteils entschieden habe, dass die von den HSBC-Gesellschaften geltend gemachten Verfahrensfehler nur dann zur Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses führen könnten, wenn erwiesen wäre, dass er ohne diese Fehler inhaltlich anders ausgefallen wäre, habe es einen falschen Prüfungsmaßstab angelegt. |
58 |
Nach der Rechtsprechung, die auf das Urteil vom 16. Januar 2019, Kommission/United Parcel Service (C‑265/17 P, EU:C:2019:23, Rn. 56), zurückgehe, hätte das Gericht nämlich prüfen müssen, ob die HSBC-Gesellschaften aufgrund der mangelnden objektiven Unparteilichkeit der Kommission eine – zumindest geringe – Chance verloren hätten, sich sachdienlicher zu verteidigen. Derselbe Maßstab hätte angewandt werden müssen, um zu prüfen, ob die Unschuldsvermutung und das Recht auf eine gute Verwaltung, die in Art. 41 Abs. 1, Art. 47 Abs. 1 und Art. 48 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) verankert seien, gewahrt worden seien. |
59 |
Zudem verlange das Recht eines Unternehmens auf unparteiische Behandlung seiner Angelegenheiten, dass die Kommission sorgfältig und unparteiisch alle Gesichtspunkte des Einzelfalls prüfe. Hätte das Gericht dieses Kriterium im vorliegenden Fall zutreffend angewandt, hätte es daraus geschlossen, dass die fehlende objektive Unparteilichkeit der Kommission während des Verwaltungsverfahrens entscheidenden Einfluss auf den streitigen Beschluss gehabt habe. Somit habe das Gericht in den Rn. 289 und 292 des angefochtenen Urteils einen Rechtsfehler begangen. |
60 |
Überdies finde das in Rn. 289 des angefochtenen Urteils angewandte Kriterium entgegen den Ausführungen in Rn. 291 des angefochtenen Urteils keine Stütze in der Rechtsprechung, die auf das Urteil vom 16. Dezember 1975, Suiker Unie u. a./Kommission (40/73 bis 48/73, 50/73, 54/73 bis 56/73, 111/73, 113/73 und 114/73, im Folgenden: Urteil Suiker Unie, EU:C:1975:174), zurückgehe. |
61 |
Hilfsweise machen die HSBC-Gesellschaften geltend, dass selbst unter der Annahme, dass das Gericht den richtigen Maßstab angelegt habe, der streitige Beschluss ohne die gerügten Verfahrensfehler inhaltlich anders ausgefallen wäre. Dies ergebe sich aus den Rn. 165 bis 195 und 263 bis 274 des angefochtenen Urteils, in denen das Gericht festgestellt habe, dass der Kommission im streitigen Beschluss sachliche Fehler unterlaufen seien. Aufgrund dieser Fehler hätte das Gericht Art. 1 Buchst. b dieses Beschlusses für nichtig erklären müssen. |
62 |
Die Kommission trägt vor, der vorliegende Rechtsmittelgrund sei als unbegründet zurückzuweisen. |
63 |
Erstens habe das Gericht den Grundsatz der objektiven Unparteilichkeit zutreffend angewandt, als es den fünften Nichtigkeitsgrund der HSBC-Gesellschaften als ins Leere gehend zurückgewiesen habe. |
64 |
Das Gericht habe in Rn. 287 des angefochtenen Urteils zu Recht befunden, dass sich die Frage, ob ein etwaiger Mangel an objektiver Unparteilichkeit der Kommission und ein etwaiger Verstoß gegen die Unschuldsvermutung gegenüber den HSBC-Gesellschaften – begründet durch die öffentlichen Äußerungen des damals für die Wettbewerbspolitik zuständigen Kommissionsmitglieds bzw. durch den Erlass des Vergleichsbeschlusses – einen Einfluss auf die Rechtmäßigkeit des streitigen Beschlusses hätten haben können, „nicht von der Frage trennen [lasse], ob die Feststellungen [in diesem] Beschluss von den durch die Kommission vorgelegten Beweisen ausreichend getragen werden“. |
65 |
Folglich könne, wie das Gericht in Rn. 289 des angefochtenen Urteils zutreffend festgestellt habe, ein die objektive Unparteilichkeit betreffender Rechtsverstoß nur dann zur Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses führen, „wenn erwiesen ist, dass er ohne diese Unregelmäßigkeit inhaltlich anders ausgefallen wäre“. |
66 |
Diese Ausführungen stünden mit den Grundsätzen, die sich aus den Rn. 90 und 91 des Urteils Suiker Unie ergäben, im Einklang, und es bestehe keine Veranlassung, von diesen Grundsätzen abzuweichen. Somit komme es allein auf den Inhalt der öffentlichen Äußerungen des damals mit der Wettbewerbspolitik betrauten Kommissionsmitglieds an, und nicht auf deren Form. Folglich sei es unerheblich, ob die fraglichen Äußerungen von diesem Kommissionsmitglied oder im Vergleichsbeschluss getätigt worden seien. |
67 |
Das Urteil vom 16. Januar 2019, Kommission/United Parcel Service (C‑265/17 P, EU:C:2019:23), sei entgegen dem Vorbringen der HSBC-Gesellschaften für den vorliegenden Fall nicht relevant. Die HSBC-Gesellschaften verwechselten den Verstoß gegen die objektive Unparteilichkeit mit dem Bestehen eines gesonderten Rechts der Unternehmen, vor dem Erlass eines sie betreffenden endgültigen Beschlusses gehört zu werden. Im vorliegenden Fall seien die Verteidigungsrechte der HSBC-Gesellschaften in vollem Umfang gewahrt worden, da nicht bestritten werde, dass die Kommission ihnen eine Mitteilung der Beschwerdepunkte übersandt habe, dass sie umfassende Akteneinsicht gehabt hätten und dass sie in der Lage gewesen seien, ihren Standpunkt vor dem Erlass des streitigen Beschlusses darzulegen. |
68 |
Im Übrigen sei die Frage, ob der streitige Beschluss ohne den Vergleichsbeschluss anders ausgefallen wäre, entgegen dem Vorbringen der HSBC-Gesellschaften eine Tatsachenfrage, die für die Beurteilung der Frage, ob das Gericht das richtige rechtliche Kriterium angewandt habe, um die Folgen eines behaupteten Mangels an objektiver Unparteilichkeit zu bestimmen, unerheblich sei. Die Schlussfolgerung in Rn. 289 des angefochtenen Urteils sei somit eine Tatsachenfeststellung, die im Stadium des Rechtsmittels nicht in Frage gestellt werden könne, so dass die von den HSBC-Gesellschaften in Bezug auf diese Schlussfolgerung erhobenen Rügen unzulässig seien. Jedenfalls wäre der streitige Beschluss ohne den Vergleichsbeschluss nicht anders ausgefallen. |
69 |
Zweitens habe die Kommission sowohl ihre Pflicht zur objektiven Unparteilichkeit erfüllt als auch die Vermutung der Unschuld der HSBC-Gesellschaften beachtet, als sie den Vergleichsbeschluss vor dem streitigen Beschluss erlassen habe. |
70 |
Zum einen sei ein „hybrides“ Verfahren als solches nicht durch den Grundsatz der Unschuldsvermutung untersagt, wie die HSBC-Gesellschaften in ihrer Rechtsmittelschrift ausdrücklich eingeräumt hätten. Dies werde auch durch die anwendbaren Rechtsvorschriften und die maßgebliche Rechtsprechung des Gerichtshofs und des Gerichts bestätigt. Im Übrigen enthalte der Vergleichsbeschluss weder eine Feststellung der Verantwortlichkeit der HSBC-Gesellschaften noch sonst irgendein sie beschwerendes Element. |
71 |
Zum anderen müssten die im Vergleichsbeschluss enthaltenen Bezugnahmen auf die HSBC-Gesellschaften im Licht der Verfahrensgarantien gesehen werden, die in einem späteren Verfahrensstadium gewährt würden. Die HSBC-Gesellschaften hätten vor Erlass des streitigen Beschlusses in hinreichendem Maße alle Garantien genossen, einschließlich der Unschuldsvermutung, und ihnen sei ein faires Verfahren gewährt worden. |
Würdigung durch den Gerichtshof
72 |
Mit ihrem ersten Rechtsmittelgrund machen die HSBC-Gesellschaften mit Unterstützung der Streithelferinnen geltend, das Gericht habe in den Rn. 287 bis 292 des angefochtenen Urteils einen Rechtsfehler begangen, als es ihren Klagegrund einer Verletzung der Unschuldsvermutung sowie des Rechts auf eine gute Verwaltung und auf Wahrung der Verteidigungsrechte als ins Leere gehend zurückgewiesen habe. |
73 |
Insbesondere habe das Gericht ein falsches rechtliches Kriterium angewandt, als es namentlich in Rn. 289 dieses Urteils befunden habe, dass die gerügten Unregelmäßigkeiten, insbesondere diejenigen im Zusammenhang mit der fehlenden objektiven Unparteilichkeit der Kommission, nur dann zur Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses führen könnten, wenn erwiesen wäre, dass er ohne diese Unregelmäßigkeiten inhaltlich anders ausgefallen wäre. |
74 |
Vorab ist das Vorbringen der Kommission zurückzuweisen, dass bestimmte zur Stützung des vorliegenden Rechtsmittelgrundes vorgebrachte Argumente unzulässig seien, soweit damit Tatsachenwürdigungen des Gerichts beanstandet werden sollten. Aus der Formulierung dieses Rechtsmittelgrundes und allen zu seiner Stützung vorgebrachten Argumenten geht nämlich klar hervor, dass die HSBC-Gesellschaften das vom Gericht bei der Zurückweisung ihres fünften Nichtigkeitsgrundes herangezogene rechtliche Kriterium beanstanden wollen, was eine Rechtsfrage darstellt. |
75 |
Zu diesem fünften Nichtigkeitsgrund ist daran zu erinnern, dass die HSBC-Gesellschaften damit vor dem Gericht geltend gemacht haben, der streitige Beschluss müsse für nichtig erklärt werden, weil der Vergleichsbeschluss von der Kommission unter Verstoß sowohl gegen die Unschuldsvermutung als auch gegen das Recht auf eine gute Verwaltung sowie gegen die Verteidigungsrechte erlassen worden sei. |
76 |
Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission im Verwaltungsverfahren die Grundrechte der betroffenen Unternehmen zu beachten hat. Dabei ist der Grundsatz der Unparteilichkeit, der zum Recht auf eine gute Verwaltung gehört, von der Unschuldsvermutung zu unterscheiden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. März 2021, Pometon/Kommission, C‑440/19 P, EU:C:2021:214, Rn. 58 und 59). |
77 |
Das in Art. 41 der Charta verankerte Recht auf eine gute Verwaltung beinhaltet, dass jede Person u. a. ein Recht darauf hat, dass ihre Angelegenheiten von den Organen der Europäischen Union unparteiisch behandelt werden. Dieses Unparteilichkeitsgebot umfasst zum einen die subjektive Unparteilichkeit in dem Sinne, dass kein Mitglied des betroffenen Organs, das mit der Sache befasst ist, Voreingenommenheit oder persönliche Vorurteile an den Tag legen darf, und zum anderen die objektive Unparteilichkeit in dem Sinne, dass das Organ hinreichende Garantien bieten muss, um jeden berechtigten Zweifel in dieser Hinsicht auszuschließen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. März 2021, Pometon/Kommission, C‑440/19 P, EU:C:2021:214, Rn. 58 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
78 |
Die Unschuldsvermutung ist ihrerseits ein allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts, der in Art. 48 Abs. 1 der Charta niedergelegt ist. Dieser Grundsatz gilt angesichts der Art der fraglichen Zuwiderhandlungen sowie der Art und der Schwere der ihretwegen verhängten Sanktionen in Verfahren wegen Verletzung der für die Unternehmen geltenden Wettbewerbsregeln, die zur Verhängung von Geldbußen oder Zwangsgeldern führen können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. März 2021, Pometon/Kommission, C‑440/19 P, EU:C:2021:214, Rn. 59 und 60 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). |
79 |
Nach Art. 48 der Charta – betrachtet im Licht von Art. 6 Abs. 2 und 3 der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden: EMRK), der nach Art. 52 Abs. 3 der Charta bei der Auslegung ihres Art. 48 zu berücksichtigen ist – ist die Unschuldsvermutung verletzt, wenn eine gerichtliche Entscheidung oder eine amtliche Erklärung über einen Angeklagten, ohne dass eine rechtskräftige Verurteilung vorläge, eine eindeutige Erklärung enthält, dass die Person die in Rede stehende Straftat begangen hat. In diesem Zusammenhang ist die Bedeutung hervorzuheben, die der Wortwahl der Justizbehörden sowie den besonderen Umständen, unter denen die Äußerung getätigt wurde, und der Art und dem Kontext des fraglichen Verfahrens zukommt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. März 2021, Pometon/Kommission, C‑440/19 P, EU:C:2021:214, Rn. 61 und 62 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). |
80 |
In komplexen Strafverfahren mit mehreren Verdächtigen, die nicht in einem Verfahren gleichzeitig abgeurteilt werden können, kann es für die Bewertung der Schuld der Angeklagten unerlässlich sein, dass das zuständige Gericht auf die Beteiligung Dritter Bezug nimmt, gegen die später womöglich ein gesondertes Verfahren geführt wird. Wenn jedoch Tatsachen in Bezug auf die Beteiligung Dritter eingeführt werden müssen, sollte das betreffende Gericht es vermeiden, mehr Informationen zu geben als für die Bewertung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit der in dem betreffenden Verfahren angeklagten Personen nötig. Außerdem ist die Begründung der Gerichtsentscheidungen in einer Art und Weise zu formulieren, die eine mögliche vorzeitige Beurteilung der Schuld der betroffenen Dritten vermeidet, die die faire Prüfung der gegen sie in einem gesonderten Verfahren erhobenen Vorwürfe gefährden könnte (Urteil vom 18. März 2021, Pometon/Kommission, C‑440/19 P, EU:C:2021:214, Rn. 63 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
81 |
Im vorliegenden Fall hat das Gericht in den Rn. 283 bis 286 des angefochtenen Urteils im Wesentlichen den Grundsatz der Unschuldsvermutung und das Recht auf eine gute Verwaltung dargelegt, und zwar im Einklang mit der in den Rn. 77 und 78 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung. |
82 |
In Rn. 287 des angefochtenen Urteils hat das Gericht ausgeführt, dass sich die Frage, ob sich ein etwaiger Mangel an objektiver Unparteilichkeit der Kommission infolge eines beim Erlass des Vergleichsbeschlusses begangenen Verstoßes gegen den Grundsatz der Unschuldsvermutung gegenüber den HSBC-Gesellschaften möglicherweise auf die Rechtmäßigkeit des streitigen Beschlusses ausgewirkt habe, nicht von der Frage trennen lasse, ob die Feststellungen im letztgenannten Beschluss von den durch die Kommission vorgelegten Beweisen ausreichend getragen würden. |
83 |
In diesem Zusammenhang hat das Gericht in den Rn. 289 und 291 seines Urteils unter Bezugnahme u. a. auf das Urteil Suiker Unie befunden, dass ein etwaiger Mangel an objektiver Unparteilichkeit der Kommission nur dann zur Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses führen könnte, wenn erwiesen wäre, dass er ohne diese Unregelmäßigkeit inhaltlich anders ausgefallen wäre. |
84 |
In Rn. 289 des angefochtenen Urteils hat das Gericht ausgeführt, dass im vorliegenden Fall im Rahmen einer umfassenden Überprüfung der einschlägigen Gründe des streitigen Beschlusses festzustellen sei, dass die Kommission die Beteiligung der HSBC-Gesellschaften an der in Rede stehenden Zuwiderhandlung – außer in Bezug auf die in Rn. 288 des angefochtenen Urteils erwähnten Aspekte – rechtlich hinreichend nachgewiesen habe. Daher deute nichts darauf hin, dass der streitige Beschluss ohne den zuvor ergangenen Vergleichsbeschluss inhaltlich anders ausgefallen wäre. Infolgedessen hat das Gericht den in Rn. 75 des vorliegenden Urteils zusammengefassten Klagegrund als ins Leere gehend zurückgewiesen. |
85 |
Diese Erwägungen sind allerdings in zweierlei Hinsicht rechtsfehlerhaft. |
86 |
Zum einen hat das Gericht die gebotene, in Rn. 76 des vorliegenden Urteils dargelegte Unterscheidung zwischen der Unschuldsvermutung und dem Recht auf eine gute Verwaltung verkannt, da es, wie sich aus den Rn. 287 ff. des angefochtenen Urteils ergibt, das Vorbringen der HSBC-Gesellschaften zur Verletzung der Unschuldsvermutung allein unter dem Gesichtspunkt der fehlenden objektiven Unparteilichkeit der Kommission gewürdigt hat. Wie aus Rn. 77 des vorliegenden Urteils hervorgeht, stellt das Erfordernis der objektiven Unparteilichkeit aber lediglich einen der Aspekte des Rechts auf eine gute Verwaltung dar. |
87 |
Zum anderen ist dem Gericht auch ein Rechtsfehler unterlaufen, als es im Wesentlichen festgestellt hat, dass Unregelmäßigkeiten, die mit der Unschuldsvermutung beim Erlass des Vergleichsbeschlusses zusammenhingen, nur dann zur Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses führen könnten, wenn erwiesen wäre, dass er ohne diese Unregelmäßigkeiten inhaltlich anders ausgefallen wäre. |
88 |
Die Unschuldsvermutung – so verstanden, wie in den Rn. 79 und 80 des vorliegenden Urteils dargelegt – gilt nämlich auch dann, wenn die Kommission in Bezug auf ein und dasselbe Kartell nacheinander im Anschluss an zwei unterschiedliche Verfahren zwei Beschlüsse mit verschiedenen Adressaten erlässt, nämlich erstens einen an die am Vergleich beteiligten Unternehmen gerichteten Beschluss nach Abschluss eines Vergleichsverfahrens und zweitens einen an die übrigen Kartellunternehmen gerichteten Beschluss nach Abschluss eines ordentlichen Verfahrens (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. März 2021, Pometon/Kommission, C‑440/19 P, EU:C:2021:214, Rn. 64). |
89 |
In einem solchen, als „hybrides“ Verfahren bezeichneten Fall, der zum Erlass aufeinanderfolgender Beschlüsse führt, kann es nämlich objektiv notwendig sein, dass die Kommission in dem das Vergleichsverfahren abschließenden Beschluss bestimmte Tatsachen und Verhaltensweisen in Bezug auf die Mitglieder des mutmaßlichen Kartells, gegen die ein ordentliches Verfahren anhängig ist, behandelt. Die Kommission muss jedoch sicherstellen, dass in dem das Vergleichsverfahren abschließenden Beschluss die Unschuldsvermutung zugunsten von Unternehmen, die den Vergleich abgelehnt haben und die Gegenstand eines ordentlichen Verfahrens sind, gewahrt wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. März 2021, Pometon/Kommission, C‑440/19 P, EU:C:2021:214, Rn. 65). |
90 |
Zur Prüfung der Frage, ob die Kommission die Unschuldsvermutung gewahrt hat, ist es daher Aufgabe der Unionsgerichte, den das Vergleichsverfahren abschließenden Beschluss und seine Begründung in seiner Gesamtheit und im Licht der besonderen Umstände, unter denen er erlassen worden ist, zu prüfen. Jeder ausdrückliche Hinweis auf die fehlende Schuld der anderen Mitglieder des mutmaßlichen Kartells in einem Abschnitt dieses Beschlusses verlöre nämlich seinen Sinn, wenn andere Abschnitte des Beschlusses wie eine vorzeitige Feststellung ihrer Schuld verstanden werden könnten (Urteil vom 18. März 2021, Pometon/Kommission, C‑440/19 P, EU:C:2021:214, Rn. 66). |
91 |
Soweit die HSBC-Gesellschaften vor ihm geltend gemacht hatten, beim Erlass des Vergleichsbeschlusses sei gegen die Unschuldsvermutung verstoßen worden, durfte sich das Gericht folglich nicht darauf beschränken, dieses Vorbringen als ins Leere gehend zurückzuweisen, weil nicht erwiesen sei, dass der streitige Beschluss ohne die behaupteten Unregelmäßigkeiten inhaltlich anders ausgefallen wäre. |
92 |
In Anbetracht der Ausführungen in Rn. 90 des vorliegenden Urteils war das Gericht also verpflichtet, den das Vergleichsverfahren abschließenden Beschluss und seine Begründung in vollem Umfang zu prüfen, und zwar im Licht der besonderen Umstände, unter denen er erlassen worden war, um zu kontrollieren, ob dieser Beschluss, wie die HSBC-Gesellschaften geltend machten, wie eine vorzeitige Feststellung ihrer Schuld verstanden werden konnte. |
93 |
Folglich hat das Gericht mit der Feststellung, dass Unregelmäßigkeiten, die mit der Unschuldsvermutung beim Erlass des Vergleichsbeschlusses zusammenhingen, nur dann zur Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses führen könnten, wenn erwiesen wäre, dass er ohne diese Unregelmäßigkeiten inhaltlich anders ausgefallen wäre, ein falsches Kriterium angewandt, aufgrund dessen es die Prüfung unterlassen hat, ob beim Erlass des Vergleichsbeschlusses im Rahmen des dem Erlass des streitigen Beschlusses vorausgehenden Verfahrens gegen die Unschuldsvermutung verstoßen worden war. |
94 |
Insoweit kann die Kommission nicht mit Erfolg geltend machen, dass der vom Gericht im angefochtenen Urteil verfolgte Ansatz mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs im Einklang stehe, die insbesondere auf das Urteil Suiker Unie zurückgehe. |
95 |
Denn wie der Generalanwalt in den Nrn. 60 bis 62 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, stellt ein von der Kommission im Rahmen des hier in Rede stehenden „hybriden“ Verfahrens begangener Verstoß gegen den Grundsatz der Unparteilichkeit und gegen die Unschuldsvermutung einen hinreichend schweren Verstoß dar, der möglicherweise das gesamte Verfahren, das zum Erlass des streitigen Beschlusses geführt hat, ungültig macht. Eine solche Unregelmäßigkeit, die eine Missachtung der im Rahmen dieses Verfahrens garantierten Grundrechte der betroffenen Unternehmen zur Folge hat, ist nicht mit der Art von Fehlern vergleichbar, die so gering sind, dass sie die endgültige Entscheidung nur geringfügig beeinflussen können, wie es in der dem Urteil Suiker Unie zugrunde liegenden Rechtssache der Fall war, die im Übrigen kein „hybrides“ Verfahren betraf. |
96 |
Somit durfte das Gericht, da die Unschuldsvermutung andernfalls gänzlich ausgehöhlt wäre, seine Pflicht, den Vergleichsbeschluss im Hinblick auf seine Vereinbarkeit mit diesem Grundsatz zu prüfen, nicht mit der Begründung verneinen, dass nicht erwiesen sei, dass der streitige Beschluss ohne den Vergleichsbeschluss inhaltlich anders ausgefallen wäre. |
97 |
In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen ist dem ersten Rechtsmittelgrund stattzugeben. |
Zum zweiten Rechtsmittelgrund
Vorbringen der Parteien
98 |
Die HSBC-Gesellschaften machen mit Unterstützung der Streithelferinnen geltend, das Gericht habe rechtsfehlerhaft festgestellt, dass die versuchte Manipulation der Euribor-Quotierung mit einer Laufzeit von drei Monaten (Euribor‑3M) vom 19. März 2007 unter die Definition der bezweckten Zuwiderhandlung im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV falle. |
99 |
Insbesondere habe das Gericht in den Rn. 101 und 102 des angefochtenen Urteils nach Maßgabe der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu Unrecht befunden, dass die bloße Möglichkeit, dass die an dieser Manipulation Beteiligten bessere Konditionen als ihre Wettbewerber anböten, für den Schluss genüge, dass diese Manipulation den Wettbewerb hinreichend beeinträchtigt habe, um eine bezweckte Zuwiderhandlung darzustellen. Das Informationsgefälle, auf das sich das Gericht beziehe, hätte den normalen Wettbewerb hinsichtlich der festen und/oder variablen EIRD-Zinssätze nur dann beschränken oder verfälschen können, wenn die Händler aufgrund dieser Information willens und in der Lage gewesen wären, wettbewerbsfähigere Zinssätze anzubieten. Die theoretische Fähigkeit, wettbewerbsfähigere Zinssätze anzubieten, beweise nicht, dass die Manipulation vom 19. März 2007 als solche für das ordnungsgemäße Funktionieren des normalen Wettbewerbs im EIRD-Sektor schädlich gewesen sei. |
100 |
Die Kommission habe somit weder in der Mitteilung der Beschwerdepunkte noch im streitigen Beschluss geprüft, ob die Kenntnis von der Manipulation vom 19. März 2007 den Händlern einen Anreiz gegeben habe, wettbewerbsfähigere Zinssätze als ihre Wettbewerber anzubieten. |
101 |
Die HSBC-Gesellschaften hätten insoweit einen Beweis vorgelegt, nämlich ein Sachverständigengutachten, dem die Kommission nicht entgegengetreten sei. Die Feststellung des Gerichts in Rn. 101 des angefochtenen Urteils, dass dieses Gutachten nur allgemeine Erwägungen enthalte, stelle eine offensichtliche Verfälschung dieses Beweisstücks dar. Jedenfalls lägen dem Gericht keinerlei Beweise vor, die belegten oder auch nur nahelegten, dass die an der Manipulation des Euribor‑3M-Zinssatzes beteiligten Händler einen Anreiz dazu gehabt hätten, wettbewerbsfähigere Zinssätze anzubieten. Das Gericht scheine in Rn. 103 des angefochtenen Urteils davon auszugehen, dass die Feststellung genüge, dass es im Interesse der beteiligten Händler liege, ihre Handelspositionen im Licht ihrer Kenntnis von dieser Manipulation zu ändern. Im Gegenteil hätten die Händler aber keinen Anreiz gehabt, ihre Preise entsprechend dieser Manipulation anzupassen. |
102 |
Folglich habe das Gericht in Rn. 111 des angefochtenen Urteils rechtsfehlerhaft festgestellt, dass die Manipulation vom 19. März 2007 eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung darstelle. |
103 |
Die Kommission vertritt die Auffassung, dieser Rechtsmittelgrund gehe ins Leere. |
Würdigung durch den Gerichtshof
104 |
Zunächst ist das Vorbringen der Kommission zurückzuweisen, dass der vorliegende Rechtsmittelgrund ins Leere gehe. Zwar betrifft er hauptsächlich die Rn. 101 und 102 des angefochtenen Urteils, in denen das Gericht einige der Argumente zurückgewiesen hat, mit denen die HSBC-Gesellschaften die Einstufung der Euribor-Manipulation vom 19. März 2007 als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung beanstandet hatten. Darüber hinaus bezieht sich dieser Rechtsmittelgrund aber auch auf die Frage, ob das Gericht im Anschluss an seine in den Rn. 85 ff. dieses Urteils dargelegte Würdigung davon ausgehen durfte, dass diese Manipulation den Wettbewerb hinreichend beeinträchtigt hatte, und zwar unter Berücksichtigung des von den HSBC-Gesellschaften geltend gemachten Umstands, dass die betreffenden Händler kein Interesse daran gehabt hätten, wettbewerbsfähigere Zinssätze als ihre Wettbewerber anzubieten. |
105 |
Mit dem zweiten Rechtsmittelgrund machen die HSBC-Gesellschaften somit im Wesentlichen geltend, das Gericht habe einen Rechtsfehler begangen, als es die von der Kommission vorgenommene Einstufung dieser Manipulation als bezweckte Zuwiderhandlung bestätigt habe. |
106 |
Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs das wesentliche rechtliche Kriterium bei der Ermittlung, ob eine Vereinbarung eine „bezweckte“ Wettbewerbsbeschränkung enthält, in der Feststellung liegt, dass eine solche Vereinbarung in sich selbst eine hinreichende Beeinträchtigung des Wettbewerbs erkennen lässt, die die Annahme rechtfertigt, dass eine Prüfung ihrer Auswirkungen auf den Wettbewerb nicht erforderlich ist (Urteile vom 26. November 2015, Maxima Latvija, C‑345/14, EU:C:2015:784, Rn. 20, sowie vom 2. April 2020, Budapest Bank u. a., C‑228/18, EU:C:2020:265, Rn. 37). |
107 |
Bei der Prüfung der Frage, ob eine Vereinbarung zwischen Unternehmen oder ein Beschluss einer Unternehmensvereinigung eine hinreichende Beeinträchtigung des Wettbewerbs erkennen lässt, um als „bezweckte“ Wettbewerbsbeschränkung im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV aufgefasst zu werden, ist auf den Inhalt ihrer Bestimmungen und die mit ihr verfolgten Ziele sowie auf den wirtschaftlichen und rechtlichen Zusammenhang, in dem sie steht, abzustellen. Im Rahmen der Beurteilung dieses Zusammenhangs sind auch die Art der betroffenen Waren und Dienstleistungen, die auf dem betreffenden Markt oder den betreffenden Märkten bestehenden tatsächlichen Bedingungen und die Struktur dieses Marktes oder dieser Märkte zu berücksichtigen (Urteil vom 2. April 2020, Budapest Bank u. a., C‑228/18, EU:C:2020:265, Rn. 51 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). |
108 |
Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den vom Gericht in den Rn. 85 bis 90 des angefochtenen Urteils getroffenen Tatsachenfeststellungen, dass die Manipulation vom 19. März 2007 darin bestand, niedrige Quotierungen für den Euribor‑3M zu melden, um den Zinssatz an diesem Tag zu senken und einen finanziellen Gewinn aus einer Kategorie von EIRD zu erzielen, nämlich den an den Euribor‑3M gebundenen Zins-Futures. Nach diesen Feststellungen, die von den HSBC-Gesellschaften nicht beanstandet werden, bestand die Manipulation darin, schrittweise ein ganz erhebliches „Käuferrisiko“ einzugehen, d. h. ein Risiko, für das die Bank einen festen Zinssatz erhält und den variablen Zinssatz zahlt, und dabei durch eine konzertierte Aktion den variablen Zinssatz am Fälligkeitstermin zu senken. |
109 |
In den Rn. 92 und 93 des angefochtenen Urteils hat das Gericht im Einklang mit der in Rn. 107 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung die Feststellungen berücksichtigt, die die Kommission im streitigen Beschluss zum Funktionieren des EIRD-Marktes und zur Bestimmung des Cashflows auf diesem Markt getroffen hatte. So hat das Gericht darauf hingewiesen, dass der Euribor-Satz, auf den sich die Manipulation vom 19. März 2007 bezogen habe, den im Rahmen des „variablen Elements“ der EIRD geschuldeten Cashflow unmittelbar beeinflusse und auch für die Bestimmung des im Rahmen des „festen Elements“ der EIRD geschuldeten Cashflows relevant sei. |
110 |
Aus diesen Randnummern des angefochtenen Urteils ergibt sich, dass die von der Kommission vorgenommene Einstufung dieser Manipulation als bezweckte Zuwiderhandlung im Wesentlichen auf der Feststellung einer Wettbewerbsbeschränkung beruhte, die durch ein Informationsgefälle zwischen den Marktakteuren hervorgerufen worden sei. Die an der Manipulation Beteiligten seien nämlich zum einen eher in der Lage gewesen, vorab mit einer gewissen Genauigkeit zu wissen, auf welchem Niveau ihre kollusiv handelnden Wettbewerber den Euribor festlegen würden oder festzulegen beabsichtigten, und zum anderen hätten sie gewusst, ob sich der Euribor zu einem bestimmten Zeitpunkt auf einem künstlichen Niveau befunden habe oder nicht. |
111 |
Das Gericht ist zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Manipulation vom 19. März 2007 aus diesen Gründen als bezweckte Beschränkung eingestuft werden konnte. |
112 |
Aus den Rn. 59 bis 67 des angefochtenen Urteils geht nämlich hervor, dass sich das Gericht zutreffend auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs zum Informationsaustausch zwischen Wettbewerbern gestützt hat. |
113 |
Nach dieser Rechtsprechung sind die Kriterien der Koordinierung und der Zusammenarbeit, die Voraussetzungen für aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen sind, im Sinne des Grundgedankens der Wettbewerbsvorschriften des AEU‑Vertrags zu verstehen, wonach jeder Unternehmer selbständig zu bestimmen hat, welche Politik er im Binnenmarkt betreiben will (Urteil vom 19. März 2015, Dole Food und Dole Fresh Fruit Europe/Kommission, C‑286/13 P, EU:C:2015:184, Rn. 119 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). |
114 |
Zwar nimmt dieses Selbständigkeitspostulat den Wirtschaftsteilnehmern nicht das Recht, sich dem festgestellten oder erwarteten Verhalten ihrer Mitbewerber mit wachem Sinn anzupassen; es steht jedoch streng jeder unmittelbaren oder mittelbaren Fühlungnahme zwischen Unternehmen entgegen, die geeignet ist, entweder das Marktverhalten eines gegenwärtigen oder potenziellen Mitbewerbers zu beeinflussen oder einen solchen Mitbewerber über das Verhalten ins Bild zu setzen, das man selbst auf dem betreffenden Markt an den Tag zu legen entschlossen ist oder in Erwägung zieht, wenn diese Kontakte bezwecken oder bewirken, dass Wettbewerbsbedingungen entstehen, die im Hinblick auf die Art der Waren oder erbrachten Dienstleistungen, die Bedeutung und Zahl der beteiligten Unternehmen sowie den Umfang des in Betracht kommenden Marktes nicht den normalen Bedingungen dieses Marktes entsprechen (Urteil vom 19. März 2015, Dole Food und Dole Fresh Fruit Europe/Kommission, C‑286/13 P, EU:C:2015:184, Rn. 120 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). |
115 |
So hat der Gerichtshof entschieden, dass der Austausch von Informationen zwischen Wettbewerbern gegen die Wettbewerbsregeln verstoßen kann, wenn er den Grad der Ungewissheit über das fragliche Marktgeschehen verringert oder beseitigt und dadurch zu einer Beschränkung des Wettbewerbs zwischen den Unternehmen führt (Urteil vom 19. März 2015, Dole Food und Dole Fresh Fruit Europe/Kommission, C‑286/13 P, EU:C:2015:184, Rn. 121 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). |
116 |
Insbesondere ist davon auszugehen, dass ein Informationsaustausch, der geeignet ist, die Unsicherheiten unter den Beteiligten hinsichtlich des Zeitpunkts, des Ausmaßes und der Modalitäten der von den betreffenden Unternehmen vorzunehmenden Anpassung des Marktverhaltens auszuräumen, einen wettbewerbswidrigen Zweck verfolgt (Urteil vom 19. März 2015, Dole Food und Dole Fresh Fruit Europe/Kommission, C‑286/13 P, EU:C:2015:184, Rn. 122 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). |
117 |
Im vorliegenden Fall entsprach das aus der Manipulation vom 19. März 2007 resultierende Informationsgefälle, wie das Gericht in den Rn. 95 bis 97 des angefochtenen Urteils festgestellt hat, nicht den normalen Bedingungen des betreffenden Marktes, da es eine für den Wettbewerb auf dem EIRD-Markt wesentliche Variable betraf, nämlich den variablen Zinssatz, der für die Bestimmung der Cashflows auf diesem Markt maßgeblich ist. Somit führte diese Manipulation dazu, dass Unsicherheiten unter den Kartellteilnehmern hinsichtlich des Zeitpunkts, des Ausmaßes und der Modalitäten der Anpassung ihres Verhaltens auf diesem Markt ausgeräumt wurden, und zwar zum Nachteil ihrer Konkurrenten, die über diese Manipulation nicht informiert waren. Das Gericht hat hierzu konkret in Bezug auf die HSBC-Gesellschaften festgestellt, dass die Händler, als sie das „feste Element“ der fraglichen Futures ausgehandelt hätten, dies in dem Wissen hätten tun können, dass der variable Zinssatz niedrig sein würde. |
118 |
Die Manipulation hat somit den Grad der Ungewissheit über das fragliche Marktgeschehen verringert oder beseitigt und dadurch zu einer Beschränkung des Wettbewerbs zwischen den Unternehmen geführt, so dass das Gericht berechtigterweise davon ausgehen konnte, dass sie den Wettbewerb hinreichend beeinträchtigte, um als bezweckte Zuwiderhandlung eingestuft zu werden. |
119 |
Diese Schlussfolgerung wird nicht durch das Argument der HSBC-Gesellschaften in Frage gestellt, dass es entgegen den Feststellungen des Gerichts in Rn. 96 des angefochtenen Urteils nicht im Interesse der Kartellteilnehmer gelegen habe, wettbewerbsfähigere Zinssätze als die der Wettbewerber anzubieten, als sie gewusst hätten, dass die mit den fraglichen Futures verbundenen Cashflows positiv gewesen seien. |
120 |
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs kann eine abgestimmte Verhaltensweise einen wettbewerbswidrigen Zweck verfolgen, auch wenn sie nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit den Verbraucherpreisen steht. Der Wortlaut von Art. 101 Abs. 1 AEUV lässt nämlich nicht den Schluss zu, dass nur abgestimmte Verhaltensweisen verboten wären, die sich unmittelbar auf die von den Endverbrauchern zu zahlenden Preise auswirken. Vielmehr geht aus Art. 101 Abs. 1 Buchst. a AEUV hervor, dass aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die in der „unmittelbare[n] oder mittelbare[n] Festsetzung der An- oder Verkaufspreise oder sonstiger Geschäftsbedingungen“ bestehen, geeignet sind, einen wettbewerbswidrigen Zweck zu verfolgen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. März 2015, Dole Food und Dole Fresh Fruit Europe/Kommission, C‑286/13 P, EU:C:2015:184, Rn. 123 und 124 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). |
121 |
Jedenfalls ist Art. 101 AEUV, wie auch die übrigen Wettbewerbsregeln des Vertrags, nicht nur dazu bestimmt, die unmittelbaren Interessen einzelner Wettbewerber oder Verbraucher zu schützen, sondern die Struktur des Marktes und damit den Wettbewerb als solchen. Die Feststellung, dass mit einer abgestimmten Maßnahme ein wettbewerbswidriger Zweck verfolgt wird, setzt daher nicht voraus, dass ein unmittelbarer Zusammenhang mit den Verbraucherpreisen festgestellt wird (vgl. entsprechend Urteil vom 19. März 2015, Dole Food und Dole Fresh Fruit Europe/Kommission, C‑286/13 P, EU:C:2015:184, Rn. 125 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). |
122 |
Im vorliegenden Fall wird von den HSBC-Gesellschaften jedoch nicht bestritten, dass der Cashflow auf dem EIRD-Markt, wie das Gericht in den Rn. 100 und 101 des angefochtenen Urteils festgestellt hat, das Ergebnis der Saldierung der im Rahmen des „festen Elements“ und des „variablen Elements“ der EIRD geschuldeten Zahlungen ist. Somit ist das Gericht zu Recht davon ausgegangen, dass die Händler der an der Zuwiderhandlung beteiligten Banken aufgrund ihrer Insider-Informationen über den an den relevanten Tagen geltenden variablen Zinssatz in der Lage waren, den für sie passenden festen Zinssatz zu bestimmen, der ihnen die Rentabilität der EIRD garantierte. |
123 |
In Anbetracht insbesondere der in Rn. 116 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung des Gerichtshofs genügte diese Feststellung, um ein den Wettbewerbsprozess auf dem EIRD-Markt beeinträchtigendes Verhalten zu bejahen, ohne dass es insoweit darauf ankäme, ob die betreffenden Händler ein wirtschaftliches Interesse daran hatten, den variablen Zinssatz auf einem bestimmten Niveau festzulegen. |
124 |
Aus den von den HSBC-Gesellschaften nicht bestrittenen Feststellungen des Gerichts geht nämlich hervor, dass angesichts der Funktionsweise des EIRD-Marktes die Senkung des variablen Zinssatzes allein mit dem Geschäftsinteresse der betroffenen Händler zu erklären war, sich keinem Leistungswettbewerb auszusetzen. Indem sie sich über die Höhe einer Variable verständigten, mit der sich der feste EIRD-Zinssatz bestimmen ließ, haben sie also bewusst das Wettbewerbsrisiko durch eine praktische Zusammenarbeit verdrängt, was als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung einzustufen ist. |
125 |
Folglich ist, ohne dass auf die von den HSBC-Gesellschaften geltend gemachte Beweisverfälschung durch das Gericht eingegangen zu werden braucht, festzustellen, dass das Gericht keinen Rechtsfehler begangen hat, als es in Rn. 111 des angefochtenen Urteils entschieden hat, dass die Manipulation vom 19. März 2007 eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV darstelle. |
126 |
Somit ist der zweite Rechtsmittelgrund als unbegründet zurückzuweisen. |
Zum dritten Rechtsmittelgrund
Vorbringen der Parteien
127 |
Mit ihrem dritten Rechtsmittelgrund wenden sich die HSBC-Gesellschaften mit Unterstützung der Streithelferinnen gegen die vom Gericht in den Rn. 149 bis 160 des angefochtenen Urteils vorgenommene Beurteilung der Gespräche über die Medianpreise („Mids“) vom 14. und 16. Februar 2007. |
128 |
Das Gericht habe insbesondere in den Rn. 154 und 157 bis 160 des angefochtenen Urteils einen Rechtsfehler begangen, indem es ihr Vorbringen zu den wettbewerbsfördernden Auswirkungen des Informationsaustauschs über diese Preise im Licht der sogenannten Lehre von den „Nebenabreden“ geprüft habe. Das Gericht hätte stattdessen die Rechtsprechung zum Begriff der „bezweckten Wettbewerbsbeschränkung“ heranziehen müssen, was es dazu veranlasst hätte, dieses Vorbringen im wirtschaftlichen und rechtlichen Kontext des fraglichen Verhaltens zu prüfen. |
129 |
Weder die HSBC-Gesellschaften noch die Kommission hätten sich vor dem Gericht auf die genannte Lehre berufen, die im vorliegenden Fall auch nicht einschlägig sei. Sie beziehe sich vielmehr auf ein Verhalten, das mit einer bestimmten Transaktion oder Geschäftstätigkeit auf einem Markt zusammenhänge, wie etwa dem Verkauf eines Unternehmens oder dem Abschluss eines Franchisevertrags. Zudem könne ein Argument, mit dem der wettbewerbsfördernde Charakter eines bestimmten Verhaltens geltend gemacht werde, durchaus auch unabhängig von dieser Lehre geprüft werden. |
130 |
In ihrer Erwiderung machen die HSBC-Gesellschaften geltend, der Gerichtshof habe nach der Einlegung des Rechtsmittels in den Urteilen vom 30. Januar 2020, Generics (UK) u. a. (C‑307/18, EU:C:2020:52, Rn. 103), und vom 2. April 2020, Budapest Bank u. a. (C‑228/18, EU:C:2020:265, Rn. 74, 75, 81 und 82), bestätigt, dass bei der Prüfung der Frage, ob eine bestimmte Vereinbarung eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung darstelle, als Bestandteil des Kontexts dieser Vereinbarung auch deren wettbewerbsfördernde Wirkungen gebührend zu berücksichtigen seien, wenn sich die Parteien der Vereinbarung darauf beriefen. |
131 |
Das Gericht habe die wettbewerbsfördernden Auswirkungen der Gespräche über die Medianpreise zu Unrecht nicht als maßgeblichen Bestandteil des Kontexts berücksichtigt, da es irrigerweise davon ausgegangen sei, dass diese Auswirkungen im Rahmen von Art. 101 Abs. 1 AEUV irrelevant seien, außer im Rahmen der Lehre von den „Nebenabreden“. |
132 |
Das Sachverständigengutachten der HSBC-Gesellschaften habe die wettbewerbsfördernden Auswirkungen der betreffenden Gespräche jedoch belegt. Dieser Beweis genüge den Anforderungen aus dem Urteil vom 30. Januar 2020, Generics (UK) u. a. (C‑307/18, EU:C:2020:52, Rn. 103), so dass das Gericht ihn zu Unrecht nicht geprüft habe. Zudem habe das Gericht keine sonstigen Belege für eine solide und verlässliche Erfahrung angeführt, um darzulegen, dass die Gespräche über die Medianpreise ihrem Wesen nach hinreichend wettbewerbsschädlich gewesen seien. |
133 |
Die Kommission trägt vor, das Gericht habe zu Recht bestätigt, dass die Gespräche über die Medianpreise eine bezweckte Zuwiderhandlung im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV darstellten. Das Vorbringen der HSBC-Gesellschaften beruhe auf einem lücken- und fehlerhaften Verständnis des angefochtenen Urteils. |
134 |
In den Rn. 128 bis 139 dieses Urteils sei das Gericht auf das Vorbringen der HSBC-Gesellschaften eingegangen, dass der Austausch von Informationen über die Medianpreise wettbewerbsfördernde Auswirkungen habe; insoweit habe es die Feststellung der Kommission bestätigt, dass diese Preise Ausdruck der individuellen Wahrnehmung seien, die die einzelnen Händler in Bezug auf den Marktpreis hätten. Ferner habe das Gericht in den Rn. 128 bis 148 des angefochtenen Urteils, die von den HSBC-Gesellschaften nicht beanstandet würden, geprüft, inwieweit die Medianpreise für die Festsetzung der Preise im EIRD-Sektor relevant seien und weshalb die in Rede stehenden Gespräche, insbesondere die vom 14. und 16. Februar 2007, bezweckte Zuwiderhandlungen dargestellt hätten. In diesem Zusammenhang habe das Gericht in den Rn. 154 und 157 bis 160 des angefochtenen Urteils diese Gespräche anhand der Lehre von den „Nebenabreden“ beurteilt, nachdem es festgestellt habe, dass diese Gespräche in den Anwendungsbereich von Art. 101 Abs. 1 AEUV fielen. Die HSBC-Gesellschaften träten diesen Erwägungen nicht entgegen. |
135 |
Das Vorbringen der HSBC-Gesellschaften, das Gericht habe einen Rechtsfehler begangen, indem es im Rahmen seiner Beurteilung des wirtschaftlichen und rechtlichen Zusammenhangs die wettbewerbsfördernden Aspekte der streitigen Gespräche nicht berücksichtigt habe, sei jedenfalls unbegründet. Dieses Vorbringen sei nämlich nicht geeignet, vernünftige Zweifel daran zu wecken, dass diese Gespräche hinreichend schädlich für den Wettbewerb gewesen seien, um als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung eingestuft zu werden. |
136 |
In ihrer Gegenerwiderung trägt die Kommission vor, die Urteile vom 30. Januar 2020, Generics (UK) u. a. (C‑307/18, EU:C:2020:52), und vom 2. April 2020, Budapest Bank u. a. (C‑228/18, EU:C:2020:265), könnten die Auffassung der HSBC-Gesellschaften nicht stützen. Ferner bezögen sich diese Gesellschaften vergeblich auf ihr Sachverständigengutachten, da die Relevanz dieses Gutachtens in Rn. 101 des angefochtenen Urteils zu Recht verneint worden sei. Außerdem nehme die Kommission entgegen dem Vorbringen dieser Gesellschaften keine Umdeutung der streitigen Gespräche vor, sondern stütze sich auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs zu Praktiken, die geeignet seien, den Grad der Ungewissheit der Wettbewerber auf dem Markt zu beseitigen. Im Übrigen könne selbst dann, wenn der Gerichtshof feststellen sollte, dass das Gericht durch die Nichtberücksichtigung der wettbewerbsfördernden Wirkungen einen Rechtsfehler begangen habe, diese Feststellung nicht zur Aufhebung des angefochtenen Urteils führen. Das Vorbringen der HSBC-Gesellschaften, die Gespräche seien wettbewerbsfördernd gewesen, wecke nämlich keinen vernünftigen Zweifel an der Feststellung der Kommission, dass die Gespräche darauf abgezielt hätten, den Wettbewerb zu verfälschen. |
Würdigung durch den Gerichtshof
137 |
In Bezug auf den Informationsaustausch über die Medianpreise, der Gegenstand des vorliegenden Rechtsmittelgrundes ist, hat das Gericht in Rn. 138 des angefochtenen Urteils entschieden, dass die Kommission keinen Fehler begangen habe, als sie festgestellt habe, dass der in den Gesprächen vom 14. und 16. Februar 2007 erfolgte Austausch von Informationen einen wettbewerbsbeschränkenden Zweck gehabt habe. |
138 |
Mit dem vorliegenden Rechtsmittelgrund machen die HSBC-Gesellschaften geltend, das Gericht habe ein falsches Kriterium angewandt, als es ihr Vorbringen zurückgewiesen habe, dass dieser Informationsaustausch wettbewerbsfördernde Auswirkungen gehabt habe, was die Einstufung als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung in Frage stelle. Das Gericht habe sich zu Unrecht auf die Lehre von den „Nebenabreden“ gestützt, die insbesondere auf die Urteile vom 11. Juli 1985, Remia u. a./Kommission (42/84, EU:C:1985:327), und vom 11. September 2014, MasterCard u. a./Kommission (C‑382/12 P, EU:C:2014:2201), zurückgehe. |
139 |
Insoweit hat der Gerichtshof entschieden, dass bei der Prüfung der Frage, ob eine Vereinbarung eine „bezweckte Beschränkung“ darstellt, als Bestandteile des Kontexts dieser Vereinbarung auch deren wettbewerbsfördernde Wirkungen gebührend zu berücksichtigen sind, wenn sich die Parteien der Vereinbarung darauf berufen. Diese Wirkungen können nämlich unter Umständen die Gesamtbeurteilung der Frage, ob die betreffende Absprache den Wettbewerb hinreichend beeinträchtigt, und folglich die Einstufung als „bezweckte Beschränkung“ in Frage stellen (Urteil vom 30. Januar 2020, Generics [UK] u. a., C‑307/18, EU:C:2020:52, Rn. 103). |
140 |
Mit der Berücksichtigung der wettbewerbsfördernden Wirkungen soll keineswegs die Einstufung als „Einschränkung des Wettbewerbs“ im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV ausgeschlossen werden. Sie dient lediglich dazu, die objektive Schwere des betreffenden Verhaltens zu ermitteln und folglich die Modalitäten des Nachweises zu bestimmen. Daher steht sie in keiner Weise im Widerspruch zur ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs, nach der das europäische Wettbewerbsrecht keine „rule of reason“ kennt, wonach bei der Einstufung einer Vereinbarung als „Einschränkung des Wettbewerbs“ im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV die wettbewerbsfördernden Aspekte der Vereinbarung gegen die wettbewerbswidrigen abzuwägen wären (Urteil vom 30. Januar 2020, Generics [UK] u. a., C‑307/18, EU:C:2020:52, Rn. 104 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). |
141 |
Aus dieser Rechtsprechung folgt, dass das Gericht einen Rechtsfehler begangen hat, als es in Rn. 154 des angefochtenen Urteils ausgeführt hat, dass etwaige wettbewerbsfördernde Auswirkungen – außer bei Nebenabreden zu einer Hauptmaßnahme – lediglich im Rahmen der Prüfung von Art. 101 Abs. 3 AEUV berücksichtigt werden könnten. |
142 |
Damit hat das Gericht ein falsches Kriterium angewandt, als es in Rn. 155 des angefochtenen Urteils ausgeführt hat, dass es folglich Sache der HSBC-Gesellschaften sei, nachzuweisen, dass die Gespräche über die Medianpreise entweder unmittelbar mit dem Funktionieren des EIRD-Marktes verbunden und dafür notwendig gewesen seien oder die Voraussetzungen von Art. 101 Abs. 3 AEUV erfüllten. |
143 |
Aufgrund dieses Fehlers hat das Gericht das Vorbringen der HSBC-Gesellschaften, dass die Gespräche über die Medianpreise wettbewerbsfördernde Wirkungen gehabt hätten, nicht geprüft, obwohl sich diese Gesellschaften auf diese Wirkungen berufen hatten, um die Einstufung der Gespräche als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung in Frage zu stellen. |
144 |
Somit ist dem dritten Rechtsmittelgrund stattzugeben. |
Zum vierten Rechtsmittelgrund
Vorbringen der Parteien
145 |
Mit diesem Rechtsmittelgrund beanstanden die HSBC-Gesellschaften Rn. 164 des angefochtenen Urteils, in der das Gericht festgestellt hat, dass das Gespräch vom 12. Februar 2007 im Rahmen der Manipulation vom 19. März 2007 geführt worden sei und daher Teil einer Zuwiderhandlung gegen Art. 101 AEUV gewesen sei, ebenso wie das Gespräch vom 16. Februar 2007, soweit es in einem Austausch von Informationen über die Medianpreise bestanden habe. Indem sich das Gericht allein auf diesen Grund gestützt habe, um zu dem Ergebnis zu gelangen, dass nicht geprüft zu werden brauche, ob die Gespräche vom 12. und 16. Februar 2007 auch als bezweckte Zuwiderhandlung einzustufen seien, habe es ihm vorgelegte Beweise offensichtlich verfälscht. |
146 |
Das Gespräch vom 12. Februar 2007 habe zwei verschiedene Besprechungen zwischen den beiden betroffenen Händlern umfasst, weshalb die HSBC-Gesellschaften in ihrer Nichtigkeitsklage zwischen diesen beiden Besprechungen unterschieden hätten. Hätte das Gericht die erste Besprechung zutreffend als von der zweiten verschieden behandelt, wäre es zwangsläufig zu dem Ergebnis gelangt, dass die erste Besprechung keinen Verstoß gegen Art. 101 AEUV darstelle. |
147 |
Was das Gespräch vom 16. Februar 2007 anbelange, habe das Gericht einen ähnlichen Rechts- und Beurteilungsfehler begangen wie den in der vorstehenden Randnummer genannten, da an diesem Tag zwei verschiedene Besprechungen stattgefunden hätten, nämlich eine erste über die Durchschnittspreise und eine zweite über eine einzelne, bereits erfolgte Transaktion und eine aktuelle Handelsposition. Wie das Gericht in Rn. 124 des angefochtenen Urteils selbst festgestellt habe, sei die erste Besprechung Gegenstand der ersten Rüge im Rahmen des zweiten Teils des ersten Nichtigkeitsgrundes gewesen, und die Würdigung der zweiten Besprechung sei im Rahmen der zweiten Rüge dieses Teils des ersten Nichtigkeitsgrundes angegriffen worden. Aus den in der Nichtigkeitsklage genannten Gründen sei diese zweite Besprechung nicht geeignet, den Wettbewerb einzuschränken oder zu verfälschen. |
148 |
Nach Ansicht der Kommission geht der vorliegende Rechtsmittelgrund ins Leere und ist jedenfalls unbegründet. |
Würdigung durch den Gerichtshof
149 |
Mit dem vorliegenden Rechtsmittelgrund wenden sich die HSBC-Gesellschaften gegen Rn. 164 des angefochtenen Urteils, in der das Gericht im Wesentlichen festgestellt hat, dass die Gespräche vom 12. und 16. Februar 2007 einen Zusammenhang mit der Manipulation vom 19. März 2007 aufwiesen bzw. die Medianpreise betroffen hätten, so dass die Kommission diese Gespräche zu Recht als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung eingestuft habe. Die HSBC-Gesellschaften machen geltend, diese Feststellung beruhe auf einer Beweisverfälschung. |
150 |
Hierzu ist festzustellen, dass der vorliegende Rechtsmittelgrund, wie die Kommission vorträgt, ins Leere geht. |
151 |
Selbst wenn die Gespräche vom 12. und 16. Februar 2007, wie die HSBC-Gesellschaften geltend machen, tatsächlich mehrere Themen betroffen haben sollten, von denen einige nichts mit der Manipulation vom 19. März 2007 oder den Medianpreisen zu tun hatten, verbleibt nämlich die von diesen Gesellschaften unbestrittene Tatsache, dass diese Gespräche zumindest teilweise einen wettbewerbswidrigen Zweck hatten, der mit dieser Manipulation zusammenhing. |
152 |
Folglich kann dieser Rechtsmittelgrund nicht zur Aufhebung des angefochtenen Urteils führen und ist daher als ins Leere gehend zurückzuweisen. |
Zum fünften Rechtsmittelgrund
Vorbringen der Parteien
153 |
Mit diesem Rechtsmittelgrund wenden sich die HSBC-Gesellschaften mit Unterstützung der Streithelferinnen gegen die Rn. 214 bis 229 des angefochtenen Urteils, in denen das Gericht befunden hat, dass mit den verschiedenen von der Kommission festgestellten Verhaltensweisen ein einheitliches Ziel verfolgt worden sei. |
154 |
Die HSBC-Gesellschaften stimmen darin überein, dass der Begriff „einheitliches Ziel“, wie das Gericht in Rn. 216 dieses Urteils zutreffend festgestellt habe, nicht durch einen allgemeinen Verweis auf die Verzerrung des Wettbewerbs in einem bestimmten Sektor bestimmt werden könne, da eine solche Auslegung dem Begriff „einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung“ einen Teil seines Sinns nähme. Die HSBC-Gesellschaften bestreiten auch nicht die Feststellung in Rn. 217 des angefochtenen Urteils, dass nur Wettbewerbsbeschränkungen, die nachweislich eine Störung des normalen Verlaufs des festen oder des variablen EIRD-Zinssatzes bezweckten, unter das von der Kommission festgestellte einheitliche Ziel fallen könnten. |
155 |
Allerdings habe das Gericht die Frage falsch beurteilt, ob das Verhalten der HSBC-Gesellschaften im Zusammenhang mit der Manipulation vom 19. März 2007 – soweit sich diese Manipulation auf die Euribor-Quotierungen bezogen habe –, der sonstige Austausch von Informationen über Handelspositionen sowie die Absichten und die Strategie in Bezug auf die EIRD-Preise einem einheitlichen Ziel gedient hätten. |
156 |
Erstens würde, falls der Gerichtshof dem zweiten Rechtsmittelgrund stattgebe, daraus folgen, dass das Gericht einen Rechtsfehler begangen habe, als es in den Rn. 219 und 220 des angefochtenen Urteils zu dem Ergebnis gelangt sei, dass mit der Manipulation vom 19. März 2007 das vom Gericht in Rn. 217 dieses Urteils festgestellte einheitliche wettbewerbswidrige Ziel verfolgt worden sei. |
157 |
Zweitens habe das Gericht jedenfalls in den Rn. 221 bis 225 des angefochtenen Urteils rechtsfehlerhaft festgestellt, dass der wettbewerbswidrige Zweck des Gesprächs vom 27. März 2007 unstreitig sei. |
158 |
Die HSBC-Gesellschaften hätten einen solchen wettbewerbswidrigen Zweck nämlich nie eingeräumt, und auch die Kommission habe im streitigen Beschluss keine solche Feststellung getroffen. Der einzige Teil des Gesprächs vom 27. März 2007, der in diesem Beschluss als Teil der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung identifiziert worden sei, sei der Informationsaustausch über den Umfang der Handelsposition des Händlers von Barclays im Hinblick auf die Manipulation vom 19. März 2007. Auch wenn das Gericht in Rn. 225 des angefochtenen Urteils zu Recht davon ausgegangen sei, dass verschiedene Manipulationen von Referenzzinssätzen grundsätzlich dasselbe einheitliche Ziel verfolgen könnten, habe es somit die von der Kommission angegebene Begründung durch seine eigene ersetzt und damit die Grenzen seiner Kontrollbefugnisse überschritten, als es befunden habe, dass das Gespräch vom 27. März 2007 diesem einheitlichen Ziel gedient habe. |
159 |
Was drittens den Austausch von Informationen über Handelspositionen sowie über die Absichten und die Strategie in Bezug auf Preise betreffe, habe das Gericht in Rn. 228 des angefochtenen Urteils zu Unrecht angenommen, dass die Gespräche vom 14. und 16. Februar 2007, die die Medianpreise betroffen hätten, das gemeinsame Ziel gehabt hätten, den normalen Verlauf des festen oder des variablen EIRD-Zinssatzes zu manipulieren. In den Rn. 139 bis 161 des angefochtenen Urteils finde sich nämlich kein Hinweis darauf, dass die Gespräche über die Medianpreise ein solches Ziel verfolgt hätten. Selbst wenn das Gericht entgegen dem, was die HSBC-Gesellschaften im Rahmen des dritten Rechtsmittelgrundes geltend machten, zu Recht angenommen hätte, dass der Zweck dieser Gespräche wettbewerbswidrig gewesen sei, hätten diese Gespräche nicht auf eine Manipulation des normalen Verlaufs des festen oder des variablen EIRD-Zinssatzes abgezielt, wie es in Rn. 217 des angefochtenen Urteils dargestellt worden sei. Der in den Rn. 139 bis 161 dieses Urteils beschriebene Mechanismus beziehe sich auf einen anderen Sachverhalt als die Verfälschung der EIRD-Preise. |
160 |
Somit beruhe Rn. 228 des angefochtenen Urteils auf einem Rechtsfehler. Das Gericht hätte zu dem Ergebnis kommen müssen, dass die beiden Gespräche über die Medianpreise, selbst wenn sie aufgrund ihres Zwecks als wettbewerbsbeschränkend anzusehen wären, was die HSBC-Gesellschaften mit dem dritten Rechtsmittelgrund bestritten, gleichwohl ein anderes Ziel verfolgt hätten als die Manipulation vom 19. März 2007. |
161 |
Die Kommission trägt vor, der vorliegende Rechtsmittelgrund sei als unzulässig zurückzuweisen, da er darauf hinauslaufe, den Gerichtshof um eine neue Tatsachen- und Beweiswürdigung zu ersuchen. Jedenfalls seien die von den HSBC-Gesellschaften zur Stützung dieses Rechtsmittelgrundes vorgebrachten Argumente bei einzelner Betrachtung entweder unzulässig oder ins Leere gehend oder unbegründet. |
Würdigung durch den Gerichtshof
162 |
Mit dem vorliegenden Rechtsmittelgrund stellen die HSBC-Gesellschaften die Beurteilungen des Gerichts in Frage, die es zu dem Schluss gelangen ließen, dass einige ihrer Verhaltensweisen dem von der Kommission festgestellten einheitlichen Ziel gedient hätten, wie es in Rn. 217 des angefochtenen Urteils als Tatbestandsmerkmal einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung beschrieben werde. |
163 |
Was erstens das Gespräch vom 27. März 2007 über die Möglichkeit einer zukünftigen Manipulation der Referenzzinssätze betrifft, sind die HSBC-Gesellschaften zum einen der Ansicht, dass das Gericht in Rn. 222 des angefochtenen Urteils von einer falschen Prämisse ausgegangen sei, indem es festgestellt habe, dass der mit diesem Gespräch verfolgte wettbewerbsbeschränkende Zweck von diesen Gesellschaften nicht bestritten worden sei. |
164 |
Im Stadium des vorliegenden Rechtsmittels machen die HSBC-Gesellschaften lediglich geltend, sie hätten niemals eingeräumt, dass dieses Gespräch einen solchen Zweck gehabt habe. Wie das Gericht in Rn. 222 des angefochtenen Urteils festgestellt hat, steht jedoch fest, dass sie keinen Nichtigkeitsgrund vorgebracht haben, um zu beanstanden, dass das Ende des ihnen zur Last gelegten Zeitraums der Zuwiderhandlung auf den 27. März 2007, d. h. auf das Datum des streitigen Gesprächs, festgesetzt wurde. In Anbetracht der Erwägungen des Gerichts in den Rn. 216 und 217 des angefochtenen Urteils, die von den HSBC-Gesellschaften nicht beanstandet werden, implizierte diese Feststellung aber zwangsläufig, dass mit diesem Gespräch ein wettbewerbsbeschränkendes Ziel verfolgt wurde. |
165 |
Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass in der Klageschrift nicht enthaltene neue Klage- und Verteidigungsgründe gemäß Art. 127 Abs. 1 der Verfahrensordnung, der nach deren Art. 190 auf das Rechtsmittelverfahren anwendbar ist, im Stadium des Rechtsmittels nicht vorgebracht werden können, so dass das Vorbringen der HSBC-Gesellschaften unzulässig ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 23. November 2000, British Steel/Kommission, C‑1/98 P, EU:C:2000:644, Rn. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
166 |
Zum anderen rügen die HSBC-Gesellschaften mit ihrem Vorbringen, dass die Schlussfolgerung in Rn. 222 des angefochtenen Urteils im Widerspruch zu den Feststellungen im streitigen Beschluss stehe, im Wesentlichen, dass das Gericht diesen Beschluss verfälscht habe. |
167 |
Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs muss ein Rechtsmittelführer, wenn er eine Verfälschung von Beweisen durch das Gericht behauptet, nach Art. 256 AEUV, Art. 58 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union und Art. 168 Abs. 1 Buchst. d der Verfahrensordnung des Gerichtshofs genau angeben, welche Beweise das Gericht verfälscht haben soll, und die Beurteilungsfehler darlegen, die das Gericht seines Erachtens zu dieser Verfälschung veranlasst haben. Ferner muss sich eine solche Verfälschung in offensichtlicher Weise aus den Akten ergeben, ohne dass es einer neuen Tatsachen- und Beweiswürdigung bedarf (Urteil vom 30. November 2016, Kommission/Frankreich und Orange, C‑486/15 P, EU:C:2016:912, Rn. 99 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). |
168 |
Im vorliegenden Fall ergibt sich aus dem Vortrag der HSBC-Gesellschaften nicht in offensichtlicher Weise, dass das Gericht in Rn. 222 des angefochtenen Urteils die Erwägungsgründe 339, 358 und 491 des streitigen Beschlusses verfälscht hätte. |
169 |
Folglich ist das Vorbringen der HSBC-Gesellschaften zum Gespräch vom 27. März 2007 unzulässig. |
170 |
Zweitens ist zu den Gesprächen vom 14. und 16. Februar 2007 über die Medianpreise festzustellen, dass die HSBC-Gesellschaften mit ihrem Vorbringen die Tatsachenwürdigungen beanstanden, die das Gericht in Bezug auf das mit diesen Gesprächen verfolgte Ziel vorgenommen hat. |
171 |
Ein solches Vorbringen ist jedoch im Stadium des Rechtsmittels unzulässig. |
172 |
Nach alledem ist der fünfte Rechtsmittelgrund als unzulässig zurückzuweisen. |
Zum sechsten Rechtsmittelgrund
Vorbringen der Parteien
173 |
Mit diesem Rechtsmittelgrund wenden sich die HSBC-Gesellschaften gegen die Feststellung des Gerichts in den Rn. 255 bis 262 des angefochtenen Urteils, dass diese Gesellschaften gewusst hätten, dass sie sich an einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung beteiligten, die nicht nur die Manipulation vom 19. März 2007, sondern auch die Gespräche vom 19. und 27. März 2007 über die Möglichkeit einer Wiederholung dieser Manipulation umfasse. |
174 |
Dieser Rechtsmittelgrund, dessen Behandlung nicht völlig von der des fünften Rechtsmittelgrundes abhänge, beziehe sich auf die Kenntnis, die diese Gesellschaften von einer bis zum 27. März 2007 andauernden einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung gehabt hätten, und zwar unabhängig davon, ob das an diesem Tag geführte Gespräch über die Wiederholung einer Manipulation dem vom Gericht festgestellten einheitlichen Ziel gedient habe. |
175 |
In Anbetracht der für den Begriff „einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung“ geltenden Grundsätze, die in den Rn. 198, 260 und 261 des angefochtenen Urteils zutreffend dargelegt worden seien, beruhe die Schlussfolgerung des Gerichts, dass sich die HSBC-Gesellschaften an einer bis zum 27. März 2007 andauernden einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung beteiligt hätten, auf der Prämisse, dass die am 27. März 2007 erfolgte Erwähnung der Möglichkeit, die Manipulation zu wiederholen, ihrerseits zum einen eine Zuwiderhandlung im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV und zum anderen eine „besondere Durchführungsmaßnahme“ im Sinne der vom Gericht angeführten Rechtsprechung darstelle. |
176 |
Im streitigen Beschluss werde aber nirgends angegeben, dass jegliches Gespräch über die „mögliche Wiederholung“ der Manipulation vom 19. März 2007 als Zuwiderhandlung im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV anzusehen sei. |
177 |
Vor diesem Hintergrund habe das Gericht nicht, ohne unzulässigerweise seine eigene Begründung an die Stelle derjenigen der Kommission zu setzen, allein aufgrund der beim Treffen vom 27. März 2007 erfolgten Erwähnung der Möglichkeit der Wiederholung der Manipulation feststellen können, dass die Beteiligung der HSBC-Gesellschaften an der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung bis zum 27. März 2007 angedauert habe. |
178 |
Außerdem könne der Informationsaustausch vom 27. März 2007 über die Handelspositionen auch nicht als „besondere Durchführungsmaßnahme“ im Sinne der auf das Urteil vom 10. November 2017, Icap u. a./Kommission (T‑180/15, EU:T:2017:795, Rn. 223), zurückgehenden Rechtsprechung angesehen werden und damit die Annahme rechtfertigen, dass die Zuwiderhandlung über den 19. März 2007 hinaus angedauert habe. Wenngleich dieser Informationsaustausch am 27. März 2007 stattgefunden habe, habe er keine anderen Auswirkungen gehabt als die Manipulation vom 19. März 2007. |
179 |
Daraus folge, dass die Schlussfolgerung in Rn. 273 des angefochtenen Urteils, dass die Beteiligung der HSBC-Gesellschaften an einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung in Bezug auf die Verhaltensweisen der anderen Banken im Rahmen der Manipulation vom 19. März 2007 und ihrer etwaigen Wiederholung festgestellt werden könne, auf einem Rechtsfehler beruhe. |
180 |
Außerdem beruhe diese Schlussfolgerung auf einer nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs unzulässigen Zerlegung und Missachtung der Feststellungen im streitigen Beschluss, was bereits für sich genommen einen Rechtsfehler darstelle. |
181 |
Die Kommission ist der Ansicht, dass die Behandlung des vorliegenden Rechtsmittelgrundes vollkommen von der Behandlung des fünften Rechtsmittelgrundes abhänge, so dass der vorliegende Rechtsmittelgrund aus den gleichen Gründen zurückzuweisen sei. |
Würdigung durch den Gerichtshof
182 |
Mit dem vorliegenden Rechtsmittelgrund beanstanden die HSBC-Gesellschaften die in den Rn. 255 bis 262 des angefochtenen Urteils enthaltenen Ausführungen des Gerichts zum Gespräch vom 27. März 2007. |
183 |
In ihrer Erwiderung führen sie aus, dieser Rechtsmittelgrund beziehe sich nicht auf die Frage, ob mit diesem Gespräch das vom Gericht festgestellte einheitliche Ziel verfolgt worden sei. |
184 |
Gleichwohl ist festzustellen, dass mit den Argumenten, die die HSBC-Gesellschaften zur Stützung dieses Rechtsmittelgrundes entwickeln, im Wesentlichen geltend gemacht werden soll, das Gericht habe zu Unrecht angenommen, dass mit diesem Gespräch ein wettbewerbswidriger Zweck verfolgt worden sei. |
185 |
Daher ist der vorliegende Rechtsmittelgrund aus denselben Gründen als unzulässig anzusehen wie der fünfte Rechtsmittelgrund. |
Ergebnis in Bezug auf das Rechtsmittel
186 |
Da dem ersten und dem dritten Rechtsmittelgrund stattgegeben worden ist, ist das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit in Nr. 2 seines Tenors die Klage der HSBC-Gesellschaften auf Nichtigerklärung von Art. 1 des streitigen Beschlusses, hilfsweise von Art. 1 Buchst. b dieses Beschlusses, abgewiesen worden ist. Das angefochtene Urteil bleibt jedoch unberührt, soweit in Nr. 1 seines Tenors Art. 2 Buchst. b des streitigen Beschlusses für nichtig erklärt worden ist. |
Zur Klage vor dem Gericht
187 |
Gemäß Art. 61 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union kann der Gerichtshof, wenn er die Entscheidung des Gerichts aufhebt, den Rechtsstreit selbst endgültig entscheiden, wenn dieser zur Entscheidung reif ist. |
188 |
Wie aus Rn. 42 des angefochtenen Urteils hervorgeht, haben die HSBC-Gesellschaften im Rahmen ihrer Klage zum einen die Nichtigerklärung von Art. 1 des streitigen Beschlusses, hilfsweise von Art. 1 Buchst. b dieses Beschlusses, beantragt. Zum anderen haben sie die Nichtigerklärung von Art. 2 Buchst. b dieses Beschlusses sowie die Herabsetzung der damit verhängten Geldbuße beantragt. |
189 |
Was die Anträge betrifft, Art. 1 des streitigen Beschlusses bzw. hilfsweise Art. 1 Buchst. b dieses Beschlusses für nichtig zu erklären, machen die HSBC-Gesellschaften, wie das Gericht in den Rn. 48 bis 51 des angefochtenen Urteils zusammengefasst hat, fünf Klagegründe geltend, die Folgendes betreffen:
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190 |
Angesichts insbesondere des Umstands, dass diese Klagegründe Gegenstand einer kontradiktorischen Erörterung vor dem Gericht waren und ihre Prüfung keiner weiteren prozessleitenden Maßnahme oder Beweisaufnahme bedarf, ist der Gerichtshof der Ansicht, dass die Klage in der Rechtssache T‑105/17 hinsichtlich dieser Klagegründe entscheidungsreif ist und endgültig über sie zu entscheiden ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 4. März 2021, Kommission/Fútbol Club Barcelona, C‑362/19 P, EU:C:2021:169, Rn. 108). |
Zum ersten Klagegrund: Einstufung als bezweckte Zuwiderhandlung im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV
Zum ersten Teil des Klagegrundes, mit dem die Einstufung der Manipulation des Euribor vom 19. März 2007 als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung beanstandet wird
191 |
Aus den gleichen Gründen wie den in den Rn. 85 bis 114 des angefochtenen Urteils angeführten, die sich der Gerichtshof zu eigen macht, und unter Berücksichtigung der Rn. 104 bis 126 des vorliegenden Urteils ist dieser erste Teil des Klagegrundes zurückzuweisen. |
Zum zweiten Teil des Klagegrundes: Einstufung der anderen den HSBC-Gesellschaften zur Last gelegten Verhaltensweisen als bezweckte Zuwiderhandlung
192 |
Wie das Gericht in Rn. 124 des angefochtenen Urteils festgestellt hat, kann das Vorbringen der HSBC-Gesellschaften in zwei Rügen unterteilt werden; die erste Rüge betrifft die Frage, ob die Kommission die Gespräche, die sie als Austausch von Informationen über die Medianpreise beschrieben hat, zu Recht als bezweckte Beschränkung eingestuft hat, und die zweite Rüge betrifft eine entsprechende Frage in Bezug auf die Gespräche, die die Kommission als Austausch von Informationen über Handelspositionen beschrieben hat. |
– Zur Rüge, mit der die Einstufung des Austauschs von Informationen über die Medianpreise als bezweckte Beschränkung in Frage gestellt wird
193 |
Die HSBC-Gesellschaften machen geltend, der Austausch von Informationen über die Medianpreise, d. h. die Gespräche vom 14. und 16. Februar 2007, sei zu Unrecht als bezweckte Beschränkung eingestuft worden. Zum einen beschränke dieser Austausch nämlich den Wettbewerb nicht, da Medianpreise nicht den Preis oder ein Preisgestaltungselement eines Zinsderivats darstellten. Zum anderen ermögliche es dieser Austausch, den Kunden günstigere Konditionen anzubieten. Der streitige Beschluss weise insoweit offensichtliche Beurteilungsfehler auf und sei unzureichend begründet. |
194 |
Die Kommission beantragt die Zurückweisung dieser Rüge. |
195 |
Zu dem Vorbringen, der Austausch von Informationen über die Medianpreise sei angesichts der Natur dieser Preise nicht wettbewerbsbeschränkend, befindet der Gerichtshof, der sich insoweit die in den Rn. 139 bis 148 des angefochtenen Urteils dargelegten Gründe zu eigen macht, dass die Kommission keinen Fehler begangen hat, als sie festgestellt hat, dass mit diesem Austausch ein wettbewerbsbeschränkender Zweck verfolgt worden sei. |
196 |
Was das Vorbringen zum wettbewerbsfördernden Charakter dieses Austauschs betrifft, ergibt sich aus den Rn. 139 und 140 des vorliegenden Urteils, dass mit der Berücksichtigung der wettbewerbsfördernden Wirkungen eines bestimmten Verhaltens nicht die Einstufung als „Einschränkung des Wettbewerbs“ im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV ausgeschlossen werden soll. Gleichwohl sind solche Wirkungen bei der Prüfung der Frage, ob das betreffende Verhalten eine „bezweckte Beschränkung“ darstellt, als Bestandteil des Kontexts dieses Verhaltens gebührend zu berücksichtigen, da sie unter Umständen die Gesamtbeurteilung der Frage, ob das kollusive Verhalten den Wettbewerb hinreichend beeinträchtigt, in Frage stellen können. |
197 |
Der Gerichtshof hat jedoch entschieden, dass diese Berücksichtigung voraussetzt, dass die wettbewerbsfördernden Wirkungen nicht nur erwiesen und relevant, sondern auch allein auf die betreffende Vereinbarung zurückzuführen sind. Zudem ist die Einstufung als „bezweckte Beschränkung“ nicht bereits deshalb ausgeschlossen, weil die Vereinbarung solche wettbewerbsfördernden Wirkungen hat. Die wettbewerbsfördernden Wirkungen müssen, sofern sie erwiesen, relevant und allein auf die betreffende Vereinbarung zurückzuführen sind, hinreichend erheblich sein, um begründete Zweifel daran aufkommen zu lassen, dass die betreffende Vereinbarung den Wettbewerb hinreichend beeinträchtigt und daher eine bezweckte Beschränkung darstellt (Urteil vom 30. Januar 2020, Generics [UK] u. a., C‑307/18, EU:C:2020:52, Rn. 105 bis 107). |
198 |
Insoweit ist festzustellen, dass das Vorbringen der HSBC-Gesellschaften auf der Behauptung beruht, es liege im Interesse der Kunden einer als Marktmacher („Market-Maker“) agierenden Bank, dass diese die Unsicherheit hinsichtlich der Höhe des „Mid“ auf dem Markt verringere, um die Unterschiede zwischen An- und Verkaufskursen zu reduzieren. Eine solche Verringerung der Unsicherheit ermögliche es den Händlern, diesen Kunden günstigere Preise anzubieten. |
199 |
Selbst wenn diese Behauptung zutreffen sollte, könnte sie aber keine vernünftigen Zweifel daran aufkommen lassen, dass der fragliche Informationsaustausch den Wettbewerb hinreichend beeinträchtigt hat. |
200 |
Die HSBC-Gesellschaften räumen nämlich selbst ein, dass die „Mids“ die bilateralen und privaten Verhandlungen zwischen den Marktmachern widerspiegeln und dass die daraus resultierende Verringerung der Unsicherheit hinsichtlich der Medianpreise es ermöglicht, die Risiken zu reduzieren, die die Händler durch ihr Market-Making eingehen. |
201 |
Die Kommission hat im 395. Erwägungsgrund des streitigen Beschlusses insoweit hervorgehoben, dass der fragliche Austausch weit über einen Austausch öffentlich verfügbarer Informationen hinausgegangen sei und darauf abgezielt habe, die Transparenz zwischen den Parteien zu steigern und damit die normalen, dem Markt inhärenten Unsicherheiten zum Vorteil der Parteien und zum Nachteil der übrigen Marktteilnehmer spürbar zu verringern. Die am Kartell beteiligten Banken hätten somit untereinander Informationen über die grundlegenden Aspekte ihrer Strategie und ihres Marktverhaltens offenbart, was in erheblichem Maße die Unsicherheiten verringert habe, die einen Markt kennzeichneten, auf dem der Umgang mit Risiken und Unsicherheiten einer der Schlüsselparameter des Wettbewerbs sei. |
202 |
Wie in den Rn. 113 und 114 des vorliegenden Urteils ausgeführt, steht das in Art. 101 AEUV enthaltene Selbständigkeitspostulat aber streng jeder unmittelbaren oder mittelbaren Fühlungnahme zwischen Unternehmen entgegen, die geeignet ist, entweder das Marktverhalten eines gegenwärtigen oder potenziellen Mitbewerbers zu beeinflussen oder einen solchen Mitbewerber über das Verhalten ins Bild zu setzen, das man selbst auf dem betreffenden Markt an den Tag zu legen entschlossen ist oder in Erwägung zieht, wenn diese Kontakte bezwecken oder bewirken, dass Wettbewerbsbedingungen entstehen, die nicht den normalen Bedingungen dieses Marktes entsprechen. |
203 |
Folglich ist gemäß der in Rn. 116 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung davon auszugehen, dass ein Informationsaustausch, der geeignet ist, die Unsicherheiten unter den Beteiligten hinsichtlich des Zeitpunkts, des Ausmaßes und der Modalitäten der von den betreffenden Unternehmen vorzunehmenden Anpassung des Marktverhaltens auszuräumen, einen wettbewerbswidrigen Zweck verfolgt, und zwar unabhängig von den unmittelbaren Auswirkungen auf die von den Endverbrauchern gezahlten Preise. |
204 |
Soweit die Kommission befunden hat, dass der Austausch von Informationen über die Medianpreise in erheblichem Maße die Unsicherheiten verringert habe, die einen Markt kennzeichneten, auf dem der Umgang mit Risiken und Unsicherheiten einer der Schlüsselparameter des Wettbewerbs sei, so genügte dies für die Feststellung, dass dieser Informationsaustausch eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV darstellt. |
205 |
In diesem Zusammenhang lässt das Vorbringen der HSBC-Gesellschaften, dass dieser Austausch es ermöglicht habe, den Kunden der betreffenden Banken günstigere Preise anzubieten, keine vernünftigen Zweifel daran aufkommen, dass dieser Austausch den Wettbewerb auf dem betreffenden Markt beeinträchtigt hat. |
206 |
Nach alledem ist die Rüge, mit der die Einstufung des Austauschs von Informationen über die Medianpreise als bezweckte Beschränkung in Frage gestellt wird, zurückzuweisen. |
– Zur Rüge, mit der die Einstufung des Austauschs von Informationen über Handelspositionen als bezweckte Beschränkung in Frage gestellt wird
207 |
Aus denselben Gründen wie den in den Rn. 162 bis 164 des angefochtenen Urteils angeführten und unter Berücksichtigung der Rn. 151 und 152 des vorliegenden Urteils ist das Vorbringen der HSBC-Gesellschaften zur Einstufung sowohl der Gespräche vom 13. und 28. Februar sowie vom 19. März 2007 als auch der Gespräche vom 12. und 16. Februar 2007 zurückzuweisen. |
208 |
Da die Rn. 165 bis 195 des angefochtenen Urteils im Rahmen des vorliegenden Rechtsmittels nicht beanstandet worden sind, ist festzustellen, dass die Ausführungen des Gerichts zu dieser Rüge nicht mehr angreifbar sind. |
Zu den Klagegründen 2 bis 4 betreffend die von der Kommission vorgenommene Einstufung als einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung
209 |
Die Klagegründe 2 bis 4 sind in derselben Reihenfolge zu prüfen, wie sie das Gericht im angefochtenen Urteil gewählt hat. |
210 |
Der zweite Klagegrund, mit dem die HSBC-Gesellschaften das Vorliegen eines „Gesamtplans“ mit einheitlichem Ziel bestreiten, ist aus den gleichen Gründen wie den in den Rn. 209 bis 237 des angefochtenen Urteils dargelegten und unter Berücksichtigung der Rn. 162 bis 172 des vorliegenden Urteils zurückzuweisen. |
211 |
Was den vierten Klagegrund betrifft, mit dem die HSBC-Gesellschaften ihre Kenntnis vom rechtswidrigen Verhalten der anderen Beteiligten bestreiten, so ist, wie das Gericht in Rn. 247 des angefochtenen Urteils ausgeführt hat, zwischen der Manipulation vom 19. März 2007 und ihrer möglichen Wiederholung einerseits und den anderen von der Kommission im Rahmen der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung berücksichtigten Verhaltensweisen andererseits zu unterscheiden. |
212 |
Erstens ist das Vorbringen der HSBC-Gesellschaften zur Manipulation vom 19. März 2007 und ihrer möglichen Wiederholung aus denselben Gründen wie den in den Rn. 248 bis 262 des angefochtenen Urteils angeführten und unter Berücksichtigung der Rn. 182 bis 185 des vorliegenden Urteils zurückzuweisen. |
213 |
Zweitens ist, da die in den Rn. 263 bis 274 des angefochtenen Urteils angeführten Gründe im Rahmen des vorliegenden Rechtsmittels nicht beanstandet worden sind, festzustellen, dass die Ausführungen des Gerichts zur Kenntnis der HSBC-Gesellschaften von der Beteiligung anderer Banken an den anderen Verhaltensweisen, die Teil der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung waren, nicht mehr angreifbar sind. |
214 |
Was schließlich den dritten Klagegrund betrifft, der sich auf die Absicht der HSBC-Gesellschaften bezieht, sich an der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung zu beteiligen, so sind die in den Rn. 275 bis 280 des angefochtenen Urteils angeführten Gründe im Rahmen des vorliegenden Rechtsmittels nicht beanstandet worden und können daher nicht mehr angegriffen werden. |
Zum fünften Klagegrund: Verletzung der Unschuldsvermutung, des Rechts auf eine gute Verwaltung und der Verteidigungsrechte
Vorbringen der Parteien
215 |
Die HSBC-Gesellschaften tragen vor, ihre Haftung sei bereits im Vergleichsbeschluss festgestellt worden, wodurch ihr Recht auf Anhörung unumkehrbar verletzt worden sei. Sie leiten daraus ab, dass der streitige Beschluss wegen Verletzung der Unschuldsvermutung sowie wegen Verstoßes gegen die Grundsätze der guten Verwaltung und der Wahrung der Verteidigungsrechte für nichtig erklärt werden müsse. Ferner verweisen sie auf die vor Erlass des streitigen Beschlusses getätigten Aussagen des damals für die Wettbewerbspolitik zuständigen Kommissionsmitglieds zu den Ergebnissen der Untersuchung über die EIRD. Sie heben darüber hinaus hervor, dass sie nicht die Möglichkeit gehabt hätten, zur Mitteilung über die Beschwerdepunkte Stellung zu nehmen, die an die Parteien gerichtet worden sei, die sich zum Abschluss eines Vergleichs entschlossen hätten. |
216 |
Die Kommission beantragt, den vorliegenden Klagegrund zurückzuweisen. |
Würdigung durch den Gerichtshof
– Zur Verletzung der Unschuldsvermutung und der Verteidigungsrechte
217 |
Die HSBC-Gesellschaften machen geltend, der Erlass des Vergleichsbeschlusses im Rahmen des hybriden Verfahrens habe zu einer Verletzung der Unschuldsvermutung geführt, da dieser Beschluss der Frage ihrer Verantwortlichkeit vorgegriffen und ihr Recht auf Anhörung unumkehrbar verletzt habe. |
218 |
Wie in Rn. 90 des vorliegenden Urteils ausgeführt, ist es bei der Prüfung der Frage, ob die Kommission im Rahmen eines hybriden Verfahrens die Unschuldsvermutung gewahrt hat, Aufgabe der Unionsgerichte, den das Vergleichsverfahren abschließenden Beschluss und seine Begründung in seiner Gesamtheit und im Licht der besonderen Umstände, unter denen er erlassen worden ist, zu prüfen. |
219 |
Gemäß der in den Rn. 79 und 80 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung ist zum einen zu prüfen, ob die Kommission im Vergleichsbeschluss hinreichend vorsichtige Formulierungen verwendet hat, um eine vorzeitige Beurteilung der Beteiligung der HSBC-Gesellschaften am Kartell zu vermeiden, und zum anderen, ob die im Vergleichsbeschluss enthaltenen Hinweise auf diese Gesellschaften erforderlich waren. |
220 |
Was erstens die vorsichtigen Formulierungen anbelangt, zu denen die Kommission verpflichtet war, so enthielt der Vergleichsbeschluss, wie auch die Kommission im 529. Erwägungsgrund des streitigen Beschlusses ausgeführt hat, verschiedene ausdrückliche Vorbehalte, um die Feststellung jeglicher Verantwortlichkeit der Parteien, die keinen Vergleich geschlossen hatten, insbesondere der HSBC-Gesellschaften, zu vermeiden. |
221 |
So hat die Kommission im dritten Erwägungsgrund des Vergleichsbeschlusses klargestellt, dass dieser Beschluss auf Tatsachen beruhe, die allein von den Parteien des Vergleichs in diesem Verfahrensstadium eingeräumt worden seien, und dass in diesem Beschluss keine Verantwortlichkeit der nicht am Vergleich beteiligten Parteien für jedwede Beteiligung an einem Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht der Union festgestellt werde. Diese Klarstellung ist im 40. Erwägungsgrund des Vergleichsbeschlusses wiederholt worden. |
222 |
Ebenso hat die Kommission in Fn. 4 des Vergleichsbeschlusses darauf hingewiesen, dass die von diesem Beschluss erfassten Verhaltensweisen, die die nicht am Vergleich beteiligten Parteien beträfen, ausschließlich für den Nachweis der Verantwortlichkeit der am Vergleich beteiligten Parteien für einen Verstoß gegen Art. 101 AEUV und Art. 53 des EWR-Abkommens angeführt würden. |
223 |
In Anbetracht dessen ist davon auszugehen, dass die Kommission hinreichend vorsichtige Formulierungen gewählt hat, indem sie deutlich gemacht hat, dass sie nicht über die Beteiligung der HSBC-Gesellschaften am mutmaßlichen Kartell zu entscheiden hatte. |
224 |
Damit hat die Kommission jede bewusste, gegebenenfalls sogar endgültige Festlegung hinsichtlich der Verantwortlichkeit dieser Gesellschaften vermieden. Ebenso hat sie es im Einklang mit der in Rn. 80 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung unterlassen, irgendeine – und sei es auch nur eine potenzielle – Voreingenommenheit in Bezug auf diese Verantwortlichkeit zum Ausdruck zu bringen (vgl. entsprechend Urteil vom 18. März 2021, Pometon/Kommission, C‑440/19 P, EU:C:2021:214, Rn. 76). |
225 |
Was zweitens die Frage betrifft, ob die Bezugnahmen auf die HSBC-Gesellschaften im Vergleichsbeschluss erforderlich waren, so ist darauf hinzuweisen, dass es die Kommission im Rahmen eines zum Erlass aufeinanderfolgender Beschlüsse führenden hybriden Verfahrens unter der Kontrolle der Unionsgerichte vermeiden muss, mehr Informationen über die Beteiligung eines Dritten zu geben, als es für die Bewertung der Verantwortlichkeit der Adressaten dieses Beschlusses erforderlich ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. März 2021, Pometon/Kommission, C‑440/19 P, EU:C:2021:214, Rn. 77 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
226 |
Insoweit geht aus den Erwägungsgründen 3, 36, 37 und 40 sowie aus Fn. 4 des Vergleichsbeschlusses hervor, dass in der in diesem Beschluss enthaltenen Beschreibung der Ereignisse die Parteien, die keinen Vergleich geschlossen hatten, nur insoweit erwähnt worden sind, als dies zum Verständnis des Sachverhalts unbedingt erforderlich war. |
227 |
Auch in der rechtlichen Würdigung sind die Parteien, die weder einzeln noch gemeinsam einen Vergleich geschlossen hatten, nicht individuell erwähnt worden. Zudem enthält der Vergleichsbeschluss in Anbetracht der von der Kommission gewählten vorsichtigen Formulierungen keinerlei Schlussfolgerung in Bezug auf diese Parteien. |
228 |
Wie die Kommission im 533. Erwägungsgrund des streitigen Beschlusses ausgeführt hat, lassen in diesem Zusammenhang die wenigen im Vergleichsbeschluss enthaltenen Bezugnahmen auf die Beteiligung anderer Akteure als der am Vergleich beteiligten Parteien keinerlei Schlussfolgerung in Bezug auf die Parteien zu, die keinen Vergleich geschlossen haben. |
229 |
Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass diese Bezugnahmen für das Verständnis und die Feststellung des Sachverhalts unbedingt erforderlich waren, so dass sie mit der Unschuldsvermutung vereinbar waren. |
230 |
Diese Feststellung wird nicht durch das Vorbringen der HSBC-Gesellschaften in Frage gestellt, dass die Kommission in Fn. 4 des Vergleichsbeschlusses den Begriff „Parteien“ als „alle Unternehmen, die Gegenstand des Verfahrens sind“, definiert habe und dass sie u. a. im 36. Erwägungsgrund dieses Beschlusses bei der Beschreibung der in Rede stehenden Verhaltensweisen auf bilaterale Kontakte zwischen Barclays und den HSBC-Gesellschaften Bezug genommen habe. |
231 |
Die Bezugnahmen auf die Parteien, die keinen Vergleich geschlossen haben, einschließlich der HSBC-Gesellschaften, sind nämlich wenig zahlreich und finden sich entgegen dem Vorbringen dieser Gesellschaften nicht in Abschnitt 5 („Rechtliche Würdigung“) des Vergleichsbeschlusses. Außerdem haben diese Bezugnahmen, wie sich insbesondere aus den Erwägungen in Rn. 226 des vorliegenden Urteils ergibt, nur beschreibenden Charakter und sind mit keiner ausdrücklichen oder impliziten Beurteilung der rechtlichen Situation dieser Gesellschaften verbunden. Im Rahmen eines hybriden Verfahrens, das zum sukzessiven Erlass zweier Beschlüsse geführt hat, erscheinen diese Bezugnahmen für die Feststellung der Verantwortlichkeit der Parteien des Vergleichsverfahrens objektiv notwendig. |
232 |
Daher kann den HSBC-Gesellschaften nicht darin gefolgt werden, dass der Vergleichsbeschluss Angaben enthalte, die zu einem Verstoß gegen die Unschuldsvermutung geführt hätten. |
233 |
Auch das Vorbringen, der Vergleichsbeschluss habe die Verteidigungsrechte dieser Gesellschaften verletzt, ist zurückzuweisen, da unstreitig ist, dass die Kommission ihnen eine Mitteilung der Beschwerdepunkte übersandt hat, dass sie Einsicht in die Akten gehabt haben und dass sie in der Lage waren, ihren Standpunkt vor Erlass des streitigen Beschlusses darzulegen. |
– Zur Verletzung des Rechts auf eine gute Verwaltung
234 |
Als Erstes machen die HSBC-Gesellschaften geltend, die in den Jahren 2012 und 2014 getätigten öffentlichen Äußerungen des damals für die Wettbewerbspolitik zuständigen Kommissionsmitglieds hätten dazu geführt, dass die Kommission das Recht auf eine gute Verwaltung verletzt habe. |
235 |
Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union verpflichtet sind, die durch das Unionsrecht garantierten Grundrechte zu beachten, zu denen das in Art. 41 der Charta verankerte Recht auf eine gute Verwaltung gehört. Nach Art. 41 Abs. 1 der Charta hat jede Person u. a. ein Recht darauf, dass ihre Angelegenheiten von den Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union unparteiisch behandelt werden. |
236 |
Das Erfordernis der Unparteilichkeit zielt darauf ab, die Gleichbehandlung zu gewährleisten, auf der die Union beruht. Dieses Erfordernis soll insbesondere dazu dienen, etwaige Interessenkonflikte der im Namen der Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen handelnden Beamten und sonstigen Bediensteten zu vermeiden. In Anbetracht der grundlegenden Bedeutung der Gewährleistung von Unabhängigkeit und Integrität sowohl für das interne Funktionieren als auch für das äußere Erscheinungsbild der Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union umfasst das Erfordernis der Unparteilichkeit alle Umstände, bei denen der Beamte oder Bedienstete, der sich in einer Sache zu äußern hat, vernünftigerweise erkennen muss, dass sie in den Augen Dritter als geeignet erscheinen können, seine Unabhängigkeit in diesem Bereich zu beeinträchtigen (Urteil vom 27. März 2019, August Wolff und Remedia/Kommission, C‑680/16 P, EU:C:2019:257, Rn. 26 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). |
237 |
Wie in Rn. 77 des vorliegenden Urteils ausgeführt, obliegt es den Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union, dem Gebot der Unparteilichkeit in seinen beiden Komponenten nachzukommen; dabei handelt es sich zum einen um die subjektive Unparteilichkeit, die bedeutet, dass kein Mitglied des betroffenen Organs, das mit der Sache befasst ist, Voreingenommenheit oder persönliche Vorurteile an den Tag legen darf, und zum anderen um die objektive Unparteilichkeit, die bedeutet, dass dieses Organ hinreichende Garantien bieten muss, um jeden berechtigten Zweifel in Bezug auf ein etwaiges Vorurteil auszuschließen. |
238 |
Soweit die HSBC-Gesellschaften die öffentlichen Äußerungen des damals für die Wettbewerbspolitik zuständigen Kommissionsmitglieds beanstanden, ist davon auszugehen, dass ihre Rüge im Wesentlichen die erstgenannte Komponente des Grundsatzes der Unparteilichkeit betrifft. |
239 |
Insoweit ist zwischen den Äußerungen von 2012, die vor dem Erlass des Vergleichsbeschlusses getätigt wurden, und den Äußerungen von 2014, die nach dessen Erlass getätigt wurden, zu unterscheiden. |
240 |
Zu den Äußerungen von 2012 ist festzustellen, dass sie allgemein gehalten waren, so dass sie nicht als Ausdruck einer Voreingenommenheit oder eines Vorurteils seitens des damals für die Wettbewerbspolitik zuständigen Kommissionsmitglieds in Bezug auf die Schuld der HSBC-Gesellschaften angesehen werden können. |
241 |
Zu den Äußerungen von 2014 machen die HSBC-Gesellschaften geltend, die öffentlichen Aussagen des damals für die Wettbewerbspolitik zuständigen Kommissionsmitglieds hätten den Eindruck erweckt, dass dieses Kommissionsmitglied bereits vor dem Abschluss der Untersuchung zu einer Schlussfolgerung gelangt sei. |
242 |
Insoweit trifft es zwar zu, dass einige dieser Äußerungen in sprachlicher Hinsicht nicht so umsichtig formuliert waren, wie es von dem für die Wettbewerbspolitik zuständigen Kommissionsmitglied in einem laufenden Verfahren zu erwarten gewesen wäre. Gleichwohl sind die Äußerungen nicht geeignet, Zweifel an der Unparteilichkeit zu wecken, mit der die Kommission ihre Untersuchung der fraglichen Zuwiderhandlung durchgeführt hat. Daher führen sie für sich genommen nicht zur Rechtswidrigkeit des streitigen Beschlusses, der vom Kollegium der Kommissionsmitglieder erlassen wurde. |
243 |
Aus den fraglichen Äußerungen geht nämlich hervor, dass sich das damals für die Wettbewerbspolitik zuständige Kommissionsmitglied darauf beschränkt hat, die Öffentlichkeit über eine laufende Untersuchung zu informieren, wobei es darauf hingewiesen hat, dass dieses Verfahren nach dem Erlass des Vergleichsbeschlusses fortgesetzt werde. In diesem Zusammenhang wurden durch die fraglichen Äußerungen keine Informationen offengelegt, die in diesem Beschluss nicht enthalten waren. Soweit durch diese Äußerungen offenbart wurde, dass die Kommission eine Mitteilung der Beschwerdepunkte gegenüber den nicht am Vergleich beteiligten Parteien vorbereitete, so lässt dies angesichts des vorläufigen Charakters eines solchen Dokuments nicht den Schluss zu, dass die Kommission bereits vor dem Abschluss der Untersuchung zu einer Schlussfolgerung hinsichtlich der Verantwortlichkeit dieser Parteien gelangt ist. Ebenso wenig kann daraus geschlossen werden, dass das fragliche Kommissionsmitglied gegenüber den HSBC-Gesellschaften voreingenommen war oder sie vorverurteilt hat. |
244 |
Schließlich ist das Argument der HSBC-Gesellschaften zurückzuweisen, der Europäische Bürgerbeauftragte habe in Bezug auf das damals für die Wettbewerbspolitik zuständige Kommissionsmitglied festgestellt, dass die in Rn. 234 des vorliegenden Urteils genannten öffentlichen Äußerungen einen Missstand in der Verwaltungstätigkeit begründeten. |
245 |
Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die Schlussfolgerungen des Bürgerbeauftragten, mit denen dieser einen „Missstand in der Verwaltungstätigkeit“ feststellt, die Unionsgerichte nicht binden und allenfalls ein Anhaltspunkt dafür sein können, dass das betreffende Unionsorgan gegen den Grundsatz der guten Verwaltung verstoßen hat. Das Verfahren vor dem Bürgerbeauftragten, der nicht zum Erlass bindender Entscheidungen befugt ist, ist im Verhältnis zu einer Klage vor den Unionsgerichten ein alternativer, außergerichtlicher Weg für die Unionsbürger, für den besondere Kriterien gelten und der nicht notwendig dasselbe Ziel hat wie eine Klage (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Oktober 2007, Komninou u. a./Kommission, C‑167/06 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2007:633, Rn. 44). |
246 |
In Anbetracht der in den Rn. 240 bis 243 des vorliegenden Urteils dargelegten Gründe sind die Schlussfolgerungen des Bürgerbeauftragten zu den in Rn. 234 dieses Urteils genannten öffentlichen Äußerungen weder für sich genommen noch in Verbindung mit den übrigen Aktenbestandteilen geeignet, eine Verletzung des Rechts auf eine gute Verwaltung zu belegen. |
247 |
Demnach ist das Vorbringen der HSBC-Gesellschaften, mit dem eine Verletzung des Rechts auf eine gute Verwaltung geltend gemacht wird, und infolgedessen der fünfte Klagegrund zurückzuweisen. |
Ergebnis in Bezug auf die Klage vor dem Gericht
248 |
Die Klage der HSBC-Gesellschaften wird abgewiesen, soweit sie darauf gerichtet ist, Art. 1 des streitigen Beschlusses, hilfsweise Art. 1 Buchst. b dieses Beschlusses, für nichtig zu erklären. |
Kosten
249 |
Nach Art. 184 Abs. 2 der Verfahrensordnung entscheidet der Gerichtshof über die Kosten, wenn das Rechtsmittel begründet ist und er den Rechtsstreit selbst endgültig entscheidet. |
250 |
Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung, der nach deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Für den Fall, dass jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, bestimmt Art. 138 Abs. 3 der Verfahrensordnung, dass jede Partei ihre eigenen Kosten trägt. |
251 |
Im vorliegenden Fall haben die HSBC-Gesellschaften beantragt, der Kommission die Kosten des ersten Rechtszugs und des Rechtsmittelverfahrens aufzuerlegen. Die Kommission ist mit ihren Anträgen im Rechtsmittelverfahren vollständig und mit ihren erstinstanzlichen Anträgen teilweise unterlegen. Die HSBC-Gesellschaften sind mit ihren im ersten Rechtszug gestellten Anträgen teilweise unterlegen. |
252 |
Unter diesen Umständen sind der Kommission die Kosten des Rechtsmittelverfahrens aufzuerlegen. Was die Kosten der Klage vor dem Gericht angeht, so trägt jede Partei ihre eigenen Kosten. |
253 |
Im Übrigen kann der Gerichtshof nach Art. 140 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 184 Abs. 1 der Verfahrensordnung entscheiden, dass ein Streithelfer seine eigenen Kosten trägt. |
254 |
Die Crédit-agricole-Gesellschaften und die JP-Morgan-Chase-Gesellschaften tragen als Streithelferinnen im Rechtsmittelverfahren ihre eigenen Kosten. |
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt und entschieden: |
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Unterschriften |
( *1 ) Verfahrenssprache: Englisch.