SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

MICHAL BOBEK

vom 29. Juli 2019 ( 1 )

Rechtssache C‑418/18 P

Puppinck u. a.

gegen

Europäische Kommission

„Rechtsmittel – Institutionelles Recht – Europäische Bürgerinitiative (EBI) – Art. 11 Abs. 4 EUV – Finanzierung von Aktivitäten, die mit der Zerstörung menschlicher Embryonen verbunden sind, durch die Union – Forschungspolitik – Öffentliche Gesundheit – Entwicklungszusammenarbeit – EBI, die die erforderliche Zahl von Unterstützungsbekundungen erreicht hat – Mitteilung der Kommission nach Art. 10 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung (EU) Nr. 211/2011 – Verpflichtungen der Kommission bei einer erfolgreichen EBI – Maßstab der gerichtlichen Überprüfung“

I. Einleitung

1.

Herr Patrick Grégor Puppinck und sechs weitere Personen (im Folgenden: Rechtsmittelführer) bilden den Bürgerausschuss der Europäischen Bürgerinitiative „Uno di noi“ (Einer von uns) im Folgenden: EBI). Die EBI wurde von der Europäischen Kommission registriert. Sie sammelte anschließend über eine Million Unterschriften. Damit erreichte sie den maßgeblichen Schwellenwert und wurde der Kommission vorgelegt, die die Mitglieder des Bürgerausschusses der EBI empfing. Es fand eine Anhörung im Europäischen Parlament zur Erörterung der EBI statt. Schließlich erließ die Kommission eine Mitteilung, in der sie erklärte, sie habe beschlossen, keine Maßnahmen zur Verwirklichung der Ziele der EBI zu ergreifen.

2.

Die Rechtsmittelführer erhoben beim Gericht Klage auf Nichtigerklärung dieser Mitteilung, mit der sie erfolglos blieben. Mit dem vorliegenden Rechtsmittel fechten sie das erstinstanzliche Urteil des Gerichts an ( 2 ).

3.

Die EBI ist eine der Neuerungen, die mit dem Vertrag von Lissabon eingeführt wurden, um die Teilhabe der Bürger am demokratischen Leben der Union zu fördern. Mit der Verordnung (EU) Nr. 211/2011 ( 3 ) wird der rechtliche Rahmen für die EBI festgelegt. Dieses Instrument war bereits Gegenstand mehrerer Rechtssachen vor den Unionsgerichten, in denen es um ablehnende Entscheidungen der Kommission über die Registrierung von EBI ging ( 4 ).

4.

Die Neuartigkeit der vorliegenden Rechtssache liegt darin, dass es darin vor dem Gerichtshof erstmalig um die Weiterbehandlung bei einer „erfolgreichen EBI“ (im Sinne der Erreichung des vorgeschriebenen Schwellenwerts) durch die Kommission geht. „Einer von uns“ ist nämlich eine von bisher erst vier EBI, die die erforderliche Zahl von Unterschriften erreicht haben ( 5 ). Dies eröffnet wiederum zwei wichtige Grundsatzfragen, die die vorliegende Rechtssache aufwirft: Erstens, ist die Kommission nach einer erfolgreichen EBI verpflichtet, konkrete Gesetzgebungsvorschläge vorzulegen? Zweitens, welcher Maßstab der gerichtlichen Überprüfung gilt für die Überprüfung des von der Kommission zu einer erfolgreichen EBI eingenommenen Standpunkts?

II. Unionsrechtlicher Rahmen

5.

Nach dem ersten Erwägungsgrund der EBI-Verordnung „[stärkt d]er [EUV] die Unionsbürgerschaft und führt zu einer weiteren Verbesserung der demokratischen Funktionsweise der Union, indem unter anderem festgelegt wird, dass jeder Bürger das Recht hat, sich über eine europäische Bürgerinitiative am demokratischen Leben der Union zu beteiligen. Ähnlich wie das Recht, das dem Europäischen Parlament gemäß Artikel 225 [AEUV] und dem Rat gemäß Artikel 241 AEUV eingeräumt wird, bietet dieses Verfahren den Bürgern die Möglichkeit, sich direkt mit der Aufforderung an die Europäische Kommission zu wenden, einen Vorschlag für einen Rechtsakt der Union zur Umsetzung der Verträge zu unterbreiten“.

6.

Im 20. Erwägungsgrund der EBI-Verordnung heißt es: „Die Kommission sollte eine Bürgerinitiative prüfen und ihre rechtlichen und politischen Schlussfolgerungen getrennt darlegen. Ferner sollte sie auch ihr beabsichtigtes Vorgehen im Hinblick auf die Bürgerinitiative innerhalb von drei Monaten darlegen. Um den Nachweis zu erbringen, dass eine Bürgerinitiative von mindestens einer Million Unionsbürger unterstützt wird und ihre mögliche Weiterbehandlung sorgfältig geprüft wird, sollte die Kommission auf klare, verständliche und detaillierte Weise die Gründe für ihr beabsichtigtes Vorgehen erläutern und ebenfalls die Gründe angeben, falls sie nicht beabsichtigt, Maßnahmen zu ergreifen. Wenn der Kommission eine Bürgerinitiative vorgelegt wird, die von der erforderlichen Anzahl von Unterzeichnern unterstützt wird und den anderen Anforderungen der vorliegenden Verordnung entspricht, sollten die Organisatoren berechtigt sein, diese Initiative auf einer öffentlichen Anhörung auf der Ebene der Union vorzustellen.“

7.

Nach Art. 2 Abs. 1 der EBI-Verordnung bezeichnet „Bürgerinitiative“„eine Initiative, die der Kommission gemäß dieser Verordnung vorgelegt wird und in der die Kommission aufgefordert wird, im Rahmen ihrer Befugnisse geeignete Vorschläge zu Themen zu unterbreiten, zu denen es nach Ansicht von Bürgern eines Rechtsakts der Union bedarf, um die Verträge umzusetzen, und die die Unterstützung von mindestens einer Million teilnahmeberechtigten Unterzeichnern aus mindestens einem Viertel aller Mitgliedstaaten erhalten hat“.

8.

Art. 10 der EBI-Verordnung regelt das Verfahren zur Überprüfung einer Bürgerinitiative durch die Kommission. Er lautet:

„(1)   Geht bei der Kommission eine Bürgerinitiative gemäß Artikel 9 ein, so

c)

legt sie innerhalb von drei Monaten in einer Mitteilung ihre rechtlichen und politischen Schlussfolgerungen zu der Bürgerinitiative sowie ihr weiteres Vorgehen bzw. den Verzicht auf ein weiteres Vorgehen und die Gründe hierfür dar.

(2)   Die in Absatz 1 Buchstabe c genannte Mitteilung wird den Organisatoren sowie dem Europäischen Parlament und dem Rat übermittelt und veröffentlicht.“

9.

Nach Art. 11 der EBI-Verordnung, „[wird, wenn] die Bedingungen gemäß Artikel 10 Absatz 1 Buchstaben a und b erfüllt [sind], den Organisatoren innerhalb der in Artikel 10 Absatz 1 Buchstabe c genannten Frist die Möglichkeit gegeben, die Bürgerinitiative im Rahmen einer öffentlichen Anhörung vorzustellen. Die Kommission und das Europäische Parlament stellen sicher, dass diese Anhörung im Europäischen Parlament stattfindet, dass gegebenenfalls andere Organe und Einrichtungen der Union, die unter Umständen die Teilnahme wünschen, an der Anhörung teilnehmen, und dass die Kommission auf geeigneter Ebene vertreten ist.“

III. Sachverhalt

10.

Die EBI „Einer von uns“ (im Folgenden: EBI) wurde am 11. Mai 2012 nach Art. 4 Abs. 2 der EBI-Verordnung von der Kommission registriert ( 6 ). Der Gegenstand der EBI wird im Online-Register der Kommission wie folgt beschrieben: „Rechtlicher Schutz der Würde, des Rechts auf Leben, und der Unversehrtheit jeder menschlichen Person vom Zeitpunkt der Empfängnis an in jenen Kompetenzbereichen der EU, für die ein solcher Rechtsschutz von Bedeutung sein könnte.“ Die Ziele der EBI werden wie folgt beschrieben: „Die Würde des menschlichen Embryos muss geachtet und seine Unversehrtheit sichergestellt werden. Dies geht aus der Entscheidung des [Gerichtshofs der Europäischen Union] in der Rechtssache Brüstle hervor, in der der Embryo als erste Stufe der Entwicklung jedes Menschen anerkannt wird. Die [Europäische Union] möge daher, um die Kohärenz ihrer Politik in allen Bereichen, in denen das Leben des menschlichen Embryos auf dem Spiel steht, sicherzustellen, [die] Finanzierung aller Aktivitäten (insbesondere in den Bereichen Forschung, Entwicklungspolitik und öffentliche Gesundheit), die die Zerstörung menschlicher Embryonen voraussetzen, unterbinden.“

11.

Die Organisatoren haben als für die EBI relevante Bestimmungen der Verträge die Art. 2 und 17 EUV sowie Art. 4 Abs. 3 und 4 und die Art. 168, 180, 182, 209, 210 und 322 AEUV benannt.

12.

Der EBI war ein Anhang beigefügt, der einen Entwurf für einen Rechtsakt mit dem Antrag auf insbesondere drei Änderungen an bestehenden Rechtsakten der Union enthält.

13.

Erstens wurde die Aufnahme eines neuen Artikels in die Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1605/2002 des Rates vom 25. Juni 2002 über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Europäischen Gemeinschaften vorgeschlagen ( 7 ). Die vorgeschlagene Bestimmung lautete: „Es werden keine Zuweisungen aus dem Haushalt der Europäischen Union für die Finanzierung von Aktivitäten vorgenommen, die menschliche Embryonen zerstören oder ihre Zerstörung voraussetzen.“

14.

Zweitens wurde vorgeschlagen, in Art. 16 Abs. 3 des Vorschlags für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das Rahmenprogramm für Forschung und Innovation „Horizont 2020“ (2014-2020) einen neuen Unterabsatz einzufügen ( 8 ). Dieser neue Unterabsatz würde dazu führen, dass „Forschungstätigkeiten, bei denen menschliche Embryonen vernichtet werden, einschließlich solcher Tätigkeiten, die auf die Gewinnung embryonaler Stammzellen abzielen oder bei denen anderweitig gewonnene embryonale Stammzellen verwendet werden“, von der Finanzierung ausgenommen wären.

15.

Drittens wurde die Einfügung eines neuen Abs. 5 in Art. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1905/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2006 zur Schaffung eines Finanzierungsinstruments für die Entwicklungszusammenarbeit vorgeschlagen ( 9 ), der wie folgt lautet: „Die Entwicklungshilfe der Union auf der Grundlage der vorliegenden Verordnung darf nicht zur Finanzierung von Abtreibungen verwendet werden, sei es unmittelbar oder mittelbar, indem Organisationen finanziert werden, die Abtreibungen durchführen oder fördern. Bezugnahmen in der vorliegenden Verordnung auf reproduktive und sexuelle Gesundheit, auf Gesundheitsversorgung, auf Rechte, auf Dienstleistungen, auf Kurse und Information, auf die Internationale Konferenz über Bevölkerung und Entwicklung, ihre Grundsätze und ihr Aktionsprogramm, auf die Agenda von Kairo oder auf die UN Millenniums-Entwicklungsziele, insbesondere auf MEZ 5 (Verbesserung der Gesundheit von Müttern und Kindern), können dahin gehend ausgelegt werden, dass sie eine Rechtsgrundlage für die Verwendung von EU-Entwicklungshilfegeldern zur direkten oder indirekten Finanzierung von Abtreibungen bieten.“

16.

Am 28. Februar 2014 legten die Organisatoren der Kommission die EBI nach Art. 9 der EBI-Verordnung vor. Sie wurden anschließend am 9. April 2014 nach Art. 10 Abs. 1 Buchst. b der EBI-Verordnung von der Kommission empfangen. Am 10. April 2014 stellten die Organisatoren die EBI auf einer öffentlichen Anhörung vor, die nach Art. 11 der EBI-Verordnung im Europäischen Parlament stattfand.

17.

Am 28. Mai 2014 erließ die Kommission auf der Grundlage von Art. 10 Abs. 1 Buchst. c der EBI-Verordnung eine Mitteilung zu der in Rede stehenden EBI ( 10 ) (im Folgenden: Mitteilung), in der sie ankündigte, dass sie in Bezug auf die von der EBI geforderten Maßnahmen keinen Vorschlag verabschieden werde.

18.

Der Inhalt der Mitteilung ist in den Rn. 13 bis 30 des angefochtenen Urteils wiedergegeben.

IV. Angefochtenes Urteil und Verfahren vor dem Gerichtshof

19.

Mit Klageschrift vom 25. Juli 2014 beantragten die Rechtsmittelführer die Nichtigerklärung der Mitteilung und hilfsweise die Nichtigerklärung von Art. 10 Abs. 1 Buchst. c der EBI-Verordnung.

20.

Mit Beschluss vom 26. November 2015 ( 11 ) gab das Gericht einer von Parlament und Rat erhobenen Einrede der Unzulässigkeit statt und wies die Klage, soweit sie sich gegen Art. 10 Abs. 1 Buchst. c der EBI-Verordnung richte, als unzulässig ab, weil die Klage nicht innerhalb der Frist nach Art. 263 AEUV erhoben worden sei.

21.

In Bezug auf die Mitteilung wurden mit der Klage fünf Nichtigkeitsgründe geltend gemacht. Mit ihrem ersten Grund machten die Rechtsmittelführer einen Verstoß gegen Art. 10 Abs. 1 Buchst. c der EBI-Verordnung geltend, da die Kommission auf die EBI hin keinen Vorschlag für einen Rechtsakt vorgelegt habe. Mit dem zweiten, hilfsweise vorgebrachten Grund machten die Rechtsmittelführer geltend, dass dieses Versäumnis als Verstoß gegen Art. 11 Abs. 4 EUV anzusehen sei. Mit dem dritten Grund machten die Rechtsmittelführer einen Verstoß gegen Art. 10 Abs. 1 Buchst. c der EBI-Verordnung dadurch geltend, dass die Kommission in der Mitteilung ihre rechtlichen und politischen Schlussfolgerungen zu der EBI nicht getrennt dargelegt habe. Mit dem vierten Grund wurde geltend gemacht, dass die Kommission ihre Begründungspflicht verletzt habe. Mit ihrem fünften Grund rügten die Rechtsmittelführer eine Reihe angeblicher Beurteilungsfehler der Kommission.

22.

In seinem Urteil One of Us u. a./Kommission (im Folgenden: angefochtenes Urteil) ( 12 ) erklärte das Gericht erstens die Klage für unzulässig, soweit sie von der Einrichtung mit der Bezeichnung „European Citizens‘ Initiative One of Us“ erhoben worden sei, wobei die Zulässigkeit dieser Klage jedoch unberührt bleibe, soweit sie auch von sieben natürlichen Personen, die u. a. den Bürgerausschuss der EBI einschlössen, erhoben worden sei ( 13 ). Zweitens stelle die Mitteilung eine anfechtbare Handlung dar, gegen die eine Nichtigkeitsklage erhoben werden könne ( 14 ). Schließlich wies es die fünf, von den Rechtsmittelführern geltend gemachten Nichtigkeitsgründe zurück, wies die Klage ab ( 15 ) und verurteilte die Rechtsmittelführer zur Tragung ihrer eigenen Kosten und der Kosten der Kommission.

23.

Mit dem vorliegenden Rechtsmittel beantragen die Rechtsmittelführer, das Urteil des Gerichts aufzuheben, die Mitteilung für nichtig zu erklären und der Kommission die Kosten des Rechtsmittelverfahrens und des Verfahrens im ersten Rechtszug aufzuerlegen.

24.

Mit ihrem ersten Rechtsmittelgrund machen die Rechtsmittelführer geltend, dass das Gericht den Geltungsbereich und die Bedeutung von Art. 11 Abs. 4 EUV und der EBI-Verordnung rechtsfehlerhaft ausgelegt habe. Mit dem zweiten Rechtsmittelgrund machen die Rechtsmittelführer geltend, dass das Gericht fehlerhaft nicht zu der Feststellung gekommen sei, dass in der Mitteilung ihre rechtlichen und politischen Schlussfolgerungen nicht wie nach der EBI-Verordnung erforderlich getrennt dargelegt seien. Mit dem dritten Rechtsmittelgrund machen die Rechtsmittelführer geltend, dass das Gericht die Mitteilung nicht auf der richtigen Prüfungsebene überprüft habe, da es ein eingeschränktes Prüfungskriterium, nämlich das eines offensichtlichen Fehlers, angewendet habe. Mit dem vierten Rechtsmittelgrund machen die Rechtsmittelführer geltend, dass das Gericht, selbst wenn die angewendete Prüfungsebene zutreffend gewesen sei, nicht zu dem Schluss gekommen sei, dass die in der Mitteilung genannten Gründe das Kriterium eines offensichtlichen Fehlers erfüllten. Schließlich machen die Rechtsmittelführer mit dem fünften Rechtsmittelgrund geltend, dass das Gericht das Ziel der EBI missverstanden habe, soweit es festgestellt habe, dass ihr Ziel nicht der Schutz der Würde des Embryos als Mensch sei.

25.

Die Kommission beantragt, das vorliegende Rechtsmittel zurückzuweisen und den Rechtsmittelführern die Kosten aufzuerlegen.

26.

Die Beteiligten haben ihre Standpunkte in der mündlichen Verhandlung vor dem Gerichtshof vom 25. März 2019 dargelegt.

V. Würdigung

27.

Die vorliegenden Schlussanträge behandeln jeden der fünf Rechtsmittelgründe in der Reihenfolge, in der sie von den Rechtsmittelführern angeführt werden. Erstens werde ich den Anwendungsbereich und die Bedeutung von Art. 11 Abs. 4 EUV und der einschlägigen Bestimmungen der EBI-Verordnung auslegen (A). Zweitens werde ich die Verpflichtung der Kommission zur „getrennten“ Darstellung der rechtlichen und politischen Schlussfolgerungen prüfen (B). Drittens werde ich auf die Frage nach dem Maßstab der gerichtlichen Überprüfung durch das Gericht eingehen (C). Viertens werde ich untersuchen, ob die Mitteilung der Kommission mit den angeblichen offensichtlichen Beurteilungsfehlern behaftet ist (D). Abschließend werde ich kurz den Rechtsmittelgrund im Zusammenhang mit dem Fehlverständnis des Gegenstands der EBI prüfen (E).

A.   Erster Rechtsmittelgrund: Auslegung von Art. 11 Abs. 4 EUV und der EBI-Verordnung

28.

Mit ihrem ersten Rechtsmittelgrund machen die Rechtsmittelführer geltend, dass das Gericht in den Rn. 118 bis 125 des angefochtenen Urteils ihren ersten und zweiten Nichtigkeitsgrund in Bezug auf den Geltungsbereich und die Bedeutung von Art. 11 Abs. 4 EUV und der EBI-Verordnung rechtsfehlerhaft zurückgewiesen habe. Mit dem ersten und zweiten Nichtigkeitsgrund hatten die Rechtsmittelführer vor dem Gericht geltend gemacht, dass die Kommission dadurch, dass sie auf die EBI hin keinen Vorschlag für einen Rechtsakt vorgelegt habe, gegen Art. 10 Abs. 1 Buchst. c der EBI-Verordnung bzw. hilfsweise gegen Art. 11 Abs. 4 EUV verstoßen habe. Nach Ansicht der Rechtsmittelführer soll außer in drei Ausnahmefällen, die in der vorliegenden Rechtssache nicht gegeben seien, eine Entscheidung der Kommission, keine Maßnahmen zu ergreifen, gegen Art. 10 Abs. 1 Buchst. c der EBI-Verordnung verstoßen ( 16 ).

29.

Zur Begründung ihres ersten Rechtsmittelgrundes tragen die Rechtsmittelführer mehrere Argumente vor. Erstens habe das Gericht rechtsfehlerhaft entschieden, soweit es in Rn. 111 des angefochtenen Urteils festgestellt habe, dass das der Kommission durch die Verträge übertragene „Quasi-Monopol“ im Bereich der Rechtsetzungsinitiative „durch das Recht … einer Mindestzahl von Bürgern, sich unter bestimmten Voraussetzungen mit der ‚Aufforderung‘ an die Kommission zu wenden, einen angemessenen Vorschlag zu unterbreiten“, nicht beeinträchtigt werde. Das angefochtene Urteil trage den Besonderheiten der EBI keine Rechnung. Dies gehe aus Rn. 113 des angefochtenen Urteils hervor, wo das Gericht erklärt habe, dass „sich eine Bestätigung für die Absicht der verfassungsgebenden Gewalt der Union, dem Mechanismus der europäischen Bürgerinitiative kein Initiativrecht für Gesetzesvorschläge einzuräumen, dem ersten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 211/2011 über die Bürgerinitiative entnehmen [lässt], der das Recht einer europäischen Bürgerinitiative im Wesentlichen dem Recht gleichsetzt, das dem Parlament gemäß Art. 225 AEUV und dem Rat gemäß Art. 241 AEUV eingeräumt wird. Eine Forderung des Parlaments oder des Rates zwingt die Kommission jedoch nicht dazu, einen Vorschlag für einen Rechtsakt zu unterbreiten. …“

30.

Zweitens folge aus Art. 17 Abs. 2 EUV, wonach „ein Gesetzgebungsakt … nur auf Vorschlag der Kommission erlassen werden [darf]“, nicht, dass die Kommission in Bezug auf den Erlass eines Vorschlags aufgrund einer erfolgreichen EBI über ein uneingeschränktes Ermessen verfüge. Von dem Ermessen, über das die Kommission bei der Ausübung ihres Initiativrechts für Gesetzesvorschläge verfüge, müsse in einer die Ziele einer erfolgreichen EBI fördernden Weise Gebrauch gemacht werden. Die Rechtsmittelführer ziehen eine Parallele zum Urteil Rat/Kommission ( 17 ) und bringen vor, dass eine Entscheidung der Kommission, im Fall einer erfolgreichen EBI kein Gesetzgebungsverfahren einzuleiten, „durch überzeugende Gesichtspunkte untermauert werden“ müsse, die dem Ziel der EBI nicht widersprechen dürften. Der einzige Weg zur Kontrolle der Ausübung des Ermessens sei die Schaffung eines Rechtfertigungskriteriums anhand allgemeiner politischer und öffentlicher Ziele. Das angefochtene Urteil gehe auf die die öffentliche Ordnung betreffenden Ziele der EBI und das wechselseitige Verhältnis zwischen Titel III des EUV und Art. 24 AEUV, das durch die EBI-Verordnung umgesetzt werde, nicht ein und treffe hierzu keine Feststellungen.

31.

Drittens habe das Gericht in Rn. 124 des angefochtenen Urteils rechtsfehlerhaft festgestellt, dass das Ziel des EBI-Mechanismus darin bestehe, die Kommission aufzufordern, einen Vorschlag für einen Rechtsakt vorzulegen. Jedermann könne die Kommission jederzeit auffordern, jede vorgeschlagene Maßnahme zu ergreifen, ohne dass hierfür eine Million überprüfte Unterschriften gesammelt werden müssten. Eine EBI, die von einer Million Bürgern in einem aufwändigen förmlichen Verfahren und mit erheblichen Kosten unterzeichnet werde, müsse einen von einer Aufforderung durch eine Einzelperson, Lobbyisten oder Petenten zu trennenden Status haben. Die EBI diene dazu, dem Demokratiedefizit der Union Rechnung zu tragen. Die Kostenbelastung und Schwierigkeiten bei der Organisation einer EBI deuteten auf einen Rechtsfehler im angefochtenen Urteil hin, soweit dieses der EBI keinen höheren Status zuerkenne als denjenigen einer bloßen Aufforderung. Die Rechtsmittelführer tragen insbesondere vor, dass nachdem fast zwei Millionen Unterschriften zusammengekommen seien, ihnen lediglich ein frostiges zweistündiges Treffen mit einem Kommissionsmitglied und eine Anhörung im Europäischen Parlament gewährt worden seien, in der die Mitglieder des Europäischen Parlaments, die sich geäußert hätten, den überwiegenden Teil der Redezeit in Anspruch genommen und eher belehrt als zugehört hätten. Dies könne nicht das vom Gesetzgeber beabsichtigte Ziel der EBI sein. Das angefochtene Urteil mache die EBI zu einem falschen Versprechen.

32.

In den folgenden Abschnitten werde ich erläutern, warum der erste Rechtsmittelgrund meines Erachtens auf einer unzutreffenden Auslegung von Art. 11 Abs. 4 EUV und der EBI-Verordnung beruht. Für die insoweit von den Rechtsmittelführern vertretenen Ansichten sprechen weder der Wortlaut oder die Entstehungsgeschichte der betreffenden Bestimmungen (a) noch eine systematische und kontextuelle Betrachtung des EBI-Mechanismus innerhalb des interinstitutionellen Beschlussfassungsverfahrens (b) noch die (zutreffend benannten) Ziele und Zwecke der EBI (c). Der erste Rechtsmittelgrund ist daher als unbegründet zurückzuweisen.

a) Wortlaut und Entstehungsgeschichte von Art. 11 Abs. 4 EUV und der EBI-Verordnung

33.

Die Rechtsmittelführer wenden sich gegen das Verständnis des EBI-Mechanismus in Rn. 124 des angefochtenen Urteils als „Aufforderung“ an die Kommission, einen Vorschlag für einen Rechtsakt vorzulegen. In diesem Absatz erklärte das Gericht, dass das Ziel des EBI-Mechanismus darin bestehe, „die Kommission aufzufordern, im Rahmen ihrer Befugnisse einen Vorschlag für einen Rechtsakt vorzulegen“.

34.

Auf der reinen Wortlaut-Ebene spiegelt diese Erklärung den Wortlaut der verfassungsrechtlichen Definition der EBI nach dem Primärrecht der Union genau wider. Nach Art. 11 Abs. 4 EUV kann eine Gruppe von Unionsbürgerinnen und Unionsbürgern, deren Anzahl mindestens eine Million betragen muss, die Initiative ergreifen und die Kommission auffordern, geeignete Vorschläge zu unterbreiten (in der englischen Fassung: „a group of citizens of not less than one million may take the initiative of inviting the Commission to submit any appropriate proposal“).

35.

Die Formulierung „Initiative … und … auffordern“ (in der englischen Fassung: „initiative of inviting“) in Art. 11 Abs. 4 EUV beinhaltet somit eindeutig keine „Verpflichtung zur Unterbreitung“. Dies gilt auch für andere Sprachfassungen. Auch wenn einige eher auf einen Zwang hindeutende Formulierungen verwenden, wenn dort von „beantragen“ oder „erwirken“ die Rede ist, können sie jedoch im natürlichen Sinne des Wortlauts nicht dahin verstanden werden, dass sie der Kommission eine Anweisung erteilen ( 18 ).

36.

Von Bedeutung ist sicherlich der Kontext des jeweiligen Wortlauts. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Wortlaut unklar oder mehrdeutig ist und damit eine „Aufforderung“ je nach Kontext alles Mögliche auf einer Skala von einer rein fakultativen Anregung, die dem Adressaten der Mitteilung zur Kenntnis gebracht wird, bis hin zu einer versteckten, aber praktisch recht eindeutigen Anweisung sein kann ( 19 ).

37.

Eine solche kontextabhängige Würdigung ist hier jedoch kaum relevant. Erstens ist, sofern nicht aufgrund des Kontexts und Zwecks die natürliche Bedeutung des Wortlauts außer Acht gelassen werden darf, eine „Aufforderung“ fakultativ, also ein „Darf“ und kein „Muss“. Sie eröffnet eine Möglichkeit oder Gelegenheit, verpflichtet aber nicht zu einem Handeln. Zweitens gibt es jedenfalls in der vorliegenden Rechtssache keine Dissonanz zwischen dem Wortlaut einerseits und dem Kontext und Zweck andererseits. Der Kontext und Zweck der betreffenden Bestimmungen sowohl auf der Ebene des Primär- als auch des Sekundärrechts sprechen eher für eine Bestätigung als für einen Widerspruch dazu, dass die EBI als „Initiative … und … [A]uffordern“ nicht dahin ausgelegt werden kann, dass sie eine Anweisung beinhaltet, die der Kommission eine Verpflichtung auferlegen würde, dieser Aufforderung nachzukommen.

38.

Die Entstehungsgeschichte von Art. 11 Abs. 4 EUV stützt dieses Verständnis. Die Ursprünge dieser Bestimmung lassen sich bis zu Art. 46 Abs. 4 des Entwurfvertrags über eine Verfassung für Europa zurückverfolgen ( 20 ). Die ratio legis dieser Bestimmung ergibt sich nicht schon aus den Vorarbeiten, weil die EBI im Rahmen der konkreten Arbeitsgruppen des Konvents zur Zukunft Europas nicht erörtert wurde. Sie wurde zu einem späteren Zeitpunkt auf eher ungewöhnlichem Weg Gegenstand der Erörterung ( 21 ).

39.

Die verfügbaren dokumentierten Nachweise sprechen jedoch dafür, dass im Gegensatz zu anderen Änderungen, die sich auf Instrumente der direkten Demokratie bezogen und eindeutige Verpflichtungen der Kommission anordnen sollten ( 22 ), die Änderung, aus der schließlich Art. 46 Abs. 4 des Entwurfs des Verfassungsvertrags hervorging, als Mechanismus für die Vorlage von Initiativen an die Kommission gedacht war, ohne jedoch eine Verpflichtung der Kommission vorzusehen, ihnen nachzukommen ( 23 ).

40.

Die anschließende gesetzliche Fassung der EBI, die nach Art. 24 AEUV in Form der EBI-Verordnung erfolgte, steht mit diesem Ansatz weiter im Einklang. In Art. 2 Abs. 1 der EBI-Verordnung ist die „Bürgerinitiative“ definiert als „eine Initiative, … in der die Kommission aufgefordert wird, … geeignete Vorschläge … zu unterbreiten“. Dementsprechend ist die Kommission nach Art. 10 Abs. 1 Buchst. c auf eine erfolgreiche EBI hin verpflichtet, in einer Mitteilung ihr weiteres Vorgehen bzw. den Verzicht auf ein weiteres Vorgehen und die Gründe hierfür darzulegen. Dies wird durch den nach einem Änderungsvorschlag des Parlaments ( 24 ) eingefügten Satz im 20. Erwägungsgrund näher klargestellt, wonach die Kommission „die Gründe angeben [sollte], falls sie nicht beabsichtigt, Maßnahmen zu ergreifen“.

41.

Ferner stellen die Vorarbeiten der EBI ausdrücklich klar, dass sie auf einem Modell beruht, das erfolgreichen EBI keine Bindungswirkung verleiht und das „Quasi-Monopol“ der Gesetzgebungsinitiative der Kommission wahrt ( 25 ). Der Bericht des Europäischen Parlaments lässt sich als besonders aussagekräftiger Beleg hierfür anführen. Die Berichterstatter unterstrichen, „[u]m Enttäuschung zu vermeiden (die die unmittelbare Folge der hohen Erwartungen sind, die an die Europäische Bürgerinitiative gerichtet werden), … dass nicht alle erfolgreichen Initiativen damit enden werden, dass die Kommission einen Legislativvorschlag vorlegt. Das Monopol der Kommission für legislative Initiativen hat Vorrang, und schlussendlich wird sie über die Folgemaßnahmen im Anschluss an eine erfolgreiche Bürgerinitiative beschließen“ ( 26 ).

42.

Kurzum, dem Wortlaut der betreffenden Bestimmungen sowohl auf der Ebene des Primär- als auch des Sekundärrechts ebenso wie der Entstehungsgeschichte dieser Bestimmungen sind eindeutig zu entnehmen, dass die EBI weder ihrer Konzeption noch ihrer Formulierung nach eine Verpflichtung der Kommission begründen sollte, den begehrten Vorschlag zu erlassen. Dies folgt auch aus dem systematischen und institutionellen Kontext, in den die EBI eingebettet ist und dem ich mich jetzt zuwende.

b) Systematischer und institutioneller Kontext der EBI

43.

Dass eine erfolgreiche EBI für die Kommission nicht verbindlich ist, belegen ferner systematische Argumente zweierlei Art: erstens Argumente, die sich auf das EBI-System in seiner durch die EBI-Verordnung begründeten Fassung beschränken, und zweitens Argumente, die sich auf das umfassendere System des Primärrechts beziehen und sich mit der richtigen Einbindung der EBI in den Kontext der interinstitutionellen Beschlussfassung auseinandersetzen.

44.

Was die Systematik der EBI-Verordnung angeht, beruht die gesetzgeberische Konzeption der EBI auf der Unverbindlichkeit einer erfolgreichen EBI für die Kommission. Erstens ist allein das Vorhandensein von Art. 10 Abs. 1 Buchst. c der EBI-Verordnung, wonach die Pflicht der Kommission darin besteht, Stellung zu nehmen, nicht aber, dem Vorschlag/den Vorschlägen, die in einer EBI gemacht werden, zwangsläufig nachzukommen, für sich genommen schon ein eindeutiger Hinweis hierauf. Zweitens hat die Unverbindlichkeit einer erfolgreichen EBI ihre Wurzeln auch im strukturellen Verhältnis zwischen dieser Bestimmung und Art. 4 der EBI-Verordnung. Wenn nämlich eine erfolgreiche EBI verbindlich wäre, erschiene fraglich, ob der Gesetzgeber die Voraussetzungen für die Registrierung so offen gestaltet hätte, wie sie aktuell in Art. 4 Abs. 2 der EBI-Verordnung gefasst sind. Dieser Artikel verpflichtet die Kommission, eine EBI zu registrieren, sofern nicht „offenkundige“ Gründe dagegen sprechen; dieser Ansatz könnte gewissermaßen als „In-dubio-pro-Registrierung“ bezeichnet werden ( 27 ).

45.

Was die umfassendere Frage der Einbettung der EBI in die Systematik des Primärrechts der Union angeht, hat das Gericht diese systematische Würdigung in den Rn. 107 bis 113 des angefochtenen Urteils vorgenommen. Die Rechtsmittelführer wenden sich im Wesentlichen gegen die Feststellungen in Rn. 111 dieses Urteils, wonach das „Quasi-Monopol“ der Kommission für die Gesetzgebungsinitiative durch die EBI nicht berührt werde. Nach Ansicht der Rechtsmittelführer hat eine erfolgreiche EBI Auswirkungen auf das Initiativrecht der Kommission. Die Kommission könne von ihrem Ermessen nur Gebrauch machen, um die Ziele der EBI zu fördern, und dürfe es nur ablehnen, den Vorschlägen der EBI nachzukommen, wenn dies durch überzeugende Gesichtspunkte gerechtfertigt sei, die dem Ziel der EBI nicht widersprächen. Diesen Ansatz stützen die Rechtsmittelführer auf eine Parallele zum Urteil Rat/Kommission ( 28 ).

46.

Erstens ist, um auf dieses Vorbringen einzugehen und es schließlich zu verwerfen, mit dem Initiativrecht der Kommission zu beginnen. Dieses der Kommission nach Art. 17 Abs. 2 EUV und Art. 289 AEUV übertragene Recht ist Ausdruck des Grundsatzes des institutionellen Gleichgewichts ( 29 ). Dieses institutionelle Gleichgewicht ist ein der Union eigenes und besonderes. Das „Quasi-Monopol“ der Kommission in Bezug auf das Initiativrecht, das einen wichtigen Unterschied zwischen dem Gesetzgebungsverfahren der Union und demjenigen von Nationalstaaten darstellt, hat seine Wurzeln in den Besonderheiten der institutionellen Architektur der Union als Verbund von Staaten und Völkern und stellt einen zentralen Bestandteil der „Gemeinschaftsmethode“ dar ( 30 ). Dieses „Quasi-Monopol“ wird historisch dadurch erklärt, dass das Initiativrecht einer unabhängigen Stelle übertragen werden muss, die in der Lage ist, das europäische allgemeine Interesse zu ermitteln, und sich nicht mit nationalen Tagesordnungen oder politischen Gruppierungen in ihrer Abgrenzung in der nationalen politischen Debatte konfrontiert sieht, sowie mit dem ungleichen Gewicht der verschiedenen Mitgliedstaaten im Europäischen Parlament oder dem Erfordernis, auf die technischen Möglichkeiten einer spezialisierten supranationalen (und plurinationalen) Verwaltung zurückzugreifen, die mit den entsprechenden Mitteln ausgestattet ist ( 31 ).

47.

Ohne in eine Bewertung dieser Gründe im Hinblick auf ihre (fortdauernde) Berechtigung oder ihre sonstige Bewertung eintreten zu wollen, kommt es nach meiner (Rechts‑)Ansicht darauf an, dass auf der Ebene des positiven Rechts das Initiativrecht, mit einigen Ausnahmen, eindeutig der Kommission übertragen wurde. Das Parlament und der Rat handeln traditionell als „Mitgesetzgeber“, haben jedoch zum Zeitpunkt der „Einleitung“ des Gesetzgebungsverfahrens lediglich das Recht, die Kommission nach Art. 225 bzw. 241 AEUV aufzufordern, geeignete Vorschläge zu unterbreiten.

48.

Unter dem Blickwinkel seines sachlichen Geltungsbereichs umfasst das Initiativrecht der Kommission in seiner Auslegung durch die Rechtsprechung die Entscheidung, ob ein Vorschlag für einen Rechtsakt vorgelegt wird oder nicht, sowie die Festlegung von Gegenstand, Zweck und Inhalt eines solchen Vorschlags im Einklang mit der Pflicht zur Verfolgung der allgemeinen Interessen nach Art. 17 Abs. 1 EUV ( 32 ). Nach der Rechtsprechung kann allerdings unter bestimmten Umständen die Möglichkeit in Betracht kommen, dass die Kommission nach dem Unionsrecht zur Vorlage eines Vorschlags verpflichtet sein könnte ( 33 ). Diese Ausnahme bezieht sich jedoch, wie von der Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen zutreffend vorgetragen, auf Fälle, in denen die Verträge die Organe verpflichten, von ihren Befugnissen zur Rechtsetzung Gebrauch zu machen ( 34 ). Es kann nämlich grundsätzlich nicht ausgeschlossen werden, dass eine EBI möglicherweise einen Bereich betrifft, in dem eine Verpflichtung zum Erlass eines Vorschlags besteht, um den sich aus den Verträgen ergebenden Auftrag zu erfüllen. Sollte diese Fallgestaltung eintreten, wäre Grundlage für die Verpflichtung zum Handeln indes letztlich dieser Auftrag und nicht der Umstand, dass der Anstoß zum Erlass eines solchen Vorschlags von einer erfolgreichen EBI ausgeht.

49.

Diese wesentlichen Merkmale des Initiativrechts, zu denen die Entscheidung zur Vorlage eines Vorschlags, sein Zweck und sein Inhalt gehören, sind grundlegende Elemente des Beschlussfassungssystems der Union. Sie bilden die Grundlage für die Unabhängigkeit der Kommission und ihren Auftrag zur Verfolgung der allgemeinen Interessen der Union.

50.

Die von den Rechtsmittelführern vertretene Auslegung stände im Widerspruch zu dem in Art. 17 Abs. 1 EUV verankerten Auftrag der Kommission, die allgemeinen Interessen der Union zu fördern und hierzu geeignete Initiativen zu ergreifen. Sie würde auch eine Abkehr von der allgemeinen Verpflichtung der Kommission nach Art. 17 Abs. 3 EUV bedeuten, bei der Ausübung ihres Initiativrechts in voller Unabhängigkeit zu handeln. Beide Bestimmungen definieren, wie die Kommission ihr Initiativrecht ausüben muss ( 35 ).

51.

Könnte nämlich eine EBI, die die Unterstützung von mehr als einer Million Bürgerinnen und Bürgern erhält, die Kommission zur Vorlage einer Initiative verpflichten, wäre die Kommission letztlich gezwungen, den Vorgaben einer (möglicherweise großen, in absoluten Zahlen aber dennoch wahrscheinlich eher begrenzten) Zahl von Unionsbürgern nachzukommen. Dies stände nicht nur im Widerspruch zu dem Auftrag nach Art. 17 Abs. 3 EUV, in völliger Unabhängigkeit zu handeln, sondern würde auch bedeuten, dass die Kommission nicht in der Lage wäre, zur Verfolgung der allgemeinen Interessen nach Art. 17 Abs. 1 EUV ihre eigene völlig unparteiische Bewertung vorzunehmen. Es ist unstreitig, dass die letztere Verpflichtung auch beinhaltet, objektive Gesichtspunkte und komplexe Bewertungen technischer Art sowie die Interessen und Stellungnahmen anderer Bürgerinnen und Bürger bzw. Beteiligter zu berücksichtigen, die möglicherweise ihre Ansichten zu den politischen Optionen, die im Rahmen künftiger Initiativen in Aussicht genommen werden, als fester Bestandteil der Ausübung ihrer demokratischen Rechte zum Ausdruck bringen ( 36 ).

52.

Zu dem der Kommission übertragenen Initiativrecht gehört, dass dieses Organ die Möglichkeit hat, vorherige Konsultationen einzuleiten und Informationen einzuholen ( 37 ); hierzu kann auch die Berücksichtigung von Interessen und Informationen gehören, die für Optionen sprechen, die von den Zielen einer bestimmten erfolgreichen EBI abweichen. Die Vielzahl von Akteuren und Erwägungen, die sich in sonstiger Weise auf Beschlussfassungsverfahren der Union in Form des Entwurfs von Vorschlägen auswirken könnten, lassen sich nicht auf die EBI als einzigen, eine Bürgerbeteiligung ermöglichenden demokratischen Mechanismus reduzieren und begrenzen, wie Art. 11 EUV verdeutlicht. Dieser Artikel regelt nämlich nicht nur die EBI, sondern enthält auch den Auftrag an die Organe, den Bürgerinnen und Bürgern und den repräsentativen Verbänden die Möglichkeit zu geben, ihre Ansichten bekannt zu geben (Abs. 1), einen offenen, transparenten und regelmäßigen Dialog mit den repräsentativen Verbänden und der Zivilgesellschaft zu pflegen (Abs. 2), und den Auftrag an die Kommission, zur Gewährleistung der Kohärenz und Transparenz des Handelns der Union umfangreiche Anhörungen durchzuführen (Abs. 3).

53.

Zu betonen ist, dass weder Art. 11 Abs. 4 EUV noch der EBI-Verordnung zu entnehmen ist, dass die Kommission verpflichtet wäre, die Ziele einer erfolgreichen EBI zu fördern. Angesichts der Besonderheiten des institutionellen Systems und des Beschlussfassungssystems der Union und des derzeitigen verfassungsrechtlichen Rahmens würde dies die Kommission darin behindern, ihr Initiativrecht im Rahmen ihres Gesetzgebungsprogramms konsequent wahrnehmen zu können. Wäre die Kommission nämlich verpflichtet, jedem erfolgreichen EBI nachzukommen, ließe sich nicht ausschließen, dass es in gewissem Maß zu unbeherrschbaren Situationen kommen könnte, in denen die Kommission verpflichtet wäre, miteinander unvereinbare Vorschläge zu unterbreiten, die sich aus EBI ergeben, mit denen gegensätzliche, abweichende oder einander überschneidende Ansichten verfolgt werden ( 38 ).

54.

Ferner ist nicht anders als mit Verwirrung vorstellbar, wie all dies, selbst wenn es grundsätzlich möglich ist, in der Praxis funktionieren würde. In der mündlichen Verhandlung haben die Rechtsmittelführer vorgetragen, dass die Kommission, auch wenn sie eine erfolgreiche EBI (möglicherweise politisch) ablehne, einen Entwurf für den entsprechenden Vorschlag erarbeiten und ihn zur parlamentarischen Debatte vorlegen müsse. Wäre die Kommission dann verpflichtet, für jede erfolgreiche EBI, einschließlich EBI mit einander überschneidenden Gegenständen, aber unterschiedlichem Inhalt einen Entwurf zu erstellen? Wäre die Kommission nicht nur verpflichtet, einen Vorschlag zu erlassen, sondern auch einen spezifischen Ansatz zu verfolgen und alle Elemente der EBI einzubeziehen? Würde die Kommission zu einer Art „Sekretariat der EBI“? Wie und nach welchen Kriterien wäre zu prüfen, ob ein Kommissionsvorschlag mit dem EBI-Auftrag „übereinstimmt“, wenn der Auftrag wahrscheinlich häufig auf einer relativ hohen Abstraktionsebene politisch formuliert ist und als solcher mehrere weitere gesetzgeberische Auswahlmöglichkeiten eröffnet?

55.

Zweitens sind das Europäische Parlament und der Rat nach Art. 225 bzw. 241 AEUV befugt, die Kommission aufzufordern, geeignete Vorschläge zu unterbreiten und von der Kommission, wenn sie keinen Vorschlag vorlegt, eine Begründung zu verlangen. Zwar unterscheidet sich die Formulierung „Initiative … und … auffordern“ (in der englischen Fassung: „may take the initiative of inviting“) in Art. 11 Abs. 4 EUV von dem in den Art. 225 und 241 AEUV verwendeten Begriff „auffordern“ (in der englischen Fassung: „request“). Trotz des nicht identischen Wortlauts und des Auslegungsspielraums, den dies schafft, bringt die EBI-Verordnung in ihrem ersten Erwägungsgrund die Absicht des Gesetzgebers zum Ausdruck, die EBI dem Rat und dem Parlament in dem Sinne gleichzustellen, dass den Unionsbürgerinnen und Unionsbürgern ein ähnliches Recht gewährt wird, wie es diesen Organen zuerkannt ist.

56.

Dieses Gleichgewicht würde durch die von den Rechtsmittelführern vertretene Auslegung gestört. Sie würde dazu führen, dass eine EBI, die von einer Gruppe von mehr als einer Million Bürgerinnen und Bürgern unterstützt wird, mit mehr Initiativwirkung ausgestattet wäre als das direkt demokratisch gewählte Europäische Parlament und auch als der, wenn auch indirekt, demokratisch legitimierte Rat. In der Praxis käme einem (abstimmenden) Bruchteil der europäischen Bürgerinnen und Bürger mehr Gewicht zu als den beiden Unionsorganen, die durch (potenziell) sämtliche europäischen Bürgerinnen und Bürger direkt oder indirekt legitimiert sind.

57.

An dieser Stelle erscheint eine Klarstellung im Hinblick darauf angezeigt, inwieweit zwischen dem Initiativrecht des Parlaments und des Rates einerseits und demjenigen der EBI andererseits Ähnlichkeiten bestehen. In einem Beschluss des Vizepräsidenten des Gerichtshofs über einen Streithilfeantrag des Bürgerausschusses einer EBI in einer Rechtssache zwischen einem Mitgliedstaat und der Kommission wurde festgestellt, dass eine geplante EBI nicht genauso behandelt werden könne wie Vorschläge der Unionsorgane für den Erlass von Rechtsakten, auf die die allgemeinen Vorschriften über die Organe im Sechsten Teil Titel I Kapitel 1 AEUV und für die Zwecke ihres Erlasses die Bestimmungen über das ordentliche Gesetzgebungsverfahren nach Titel I Kapitel 2 Anwendung fänden ( 39 ).

58.

Diese Feststellung muss im richtigen Kontext ausgelegt und verstanden werden. Sie betraf die Auslegung von Art. 40 Abs. 2 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, wonach natürliche oder juristische Personen Rechtssachen zwischen Mitgliedstaaten und Organen der Union nicht beitreten dürfen. Die Unterschiede zwischen den Verfahrensrechten, die eine EBI bzw. die Unionsorgane in Rechtssachen „verfassungsrechtlicher“ Natur vor den Unionsgerichten genießen, ist eine von der allgemeinen systematischen verfassungsrechtlichen Funktion ihres jeweiligen Initiativrechts völlig zu trennende Frage. Mit anderen Worten kann daraus, dass infolge der Anwendung bestimmter Bestimmungen der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union für verschiedene Arten von Einrichtungen verschiedene Vorschriften über die Klagebefugnis und die Streithilfe Anwendung finden, kaum eine allgemeine verfassungsrechtliche Feststellung folgen, dass ihre Initiativrechte miteinander als solche nicht vergleichbar wären.

59.

Schließlich stützen die Rechtsmittelführer ihren Vortrag auch auf eine Analogie zum Urteil Rat/Kommission ( 40 ). Wenn nach einer erfolgreichen EBI kein Gesetzgebungsvorschlag vorgelegt werde, könne dies nur durch überzeugende Gesichtspunkte, die dem Ziel der EBI nicht widersprächen, gerechtfertigt werden.

60.

Im Urteil Rat/Kommission erklärte der Gerichtshof, dass die Befugnis der Kommission, einen bereits vorgelegten und förmlich in das Gesetzgebungsverfahren aufgenommenen Vorschlag zurückzuziehen, „ihr kein Vetorecht im Ablauf des Gesetzgebungsverfahrens verleihen [kann], das gegen die Grundsätze der begrenzten Einzelermächtigung und des institutionellen Gleichgewichts verstoßen würde“. Der Gerichtshof fügte weiter hinzu, dass „die Kommission, wenn sie nach der Vorlage eines Vorschlags im Rahmen des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens beschließt, diesen Vorschlag zurückzunehmen, dem Parlament und dem Rat die Gründe für diese Rücknahme erläutern [muss], und diese … im Streitfall durch überzeugende Gesichtspunkte untermauert werden [müssen]“ ( 41 ).

61.

In tatsächlicher Hinsicht betraf das Urteil Rat/Kommission somit eine Situation, in der die Kommission einen Gesetzgebungsvorschlag zurückziehen wollte, nachdem sie das Beschlussverfahren selbst eingeleitet hatte. Es ist meines Erachtens nicht ersichtlich, wie für die vorliegende Rechtssache überhaupt irgendeine Analogie zu jener Rechtssache gezogen werden könnte, die einen anderen Gegenstand und andere Akteure betrifft. Die rechtliche Lage, in der sich die Kommission im Fall einer erfolgreichen EBI vor dem Erlass eines Kommissionsvorschlags und dem Beginn des Gesetzgebungsverfahrens befindet, unterscheidet sich ganz logischerweise von der Situation, in der die Kommission bereits selbst einen Vorschlag erlassen und das Beschlussfassungsverfahren in anderen Organen ausgelöst hat.

62.

Diese Erwägungen bestätigen meines Erachtens, dass das Gericht in Rn. 124 des angefochtenen Urteils rechtsfehlerfrei festgestellt hat, dass das Ziel des EBI-Mechanismus darin bestehe, die Kommission aufzufordern, im Rahmen ihrer Befugnisse einen Vorschlag für einen Rechtsakt vorzulegen und der Kommission gleichzeitig bei der Ausübung ihres Initiativrechts für Gesetzesvorschläge ein weites Ermessen zuzugestehen. Auch hat das Gericht in Rn. 111 des angefochtenen Urteils fehlerfrei festgestellt, dass das gesetzgeberische Initiativrecht der Kommission durch die Einführung der EBI nicht beeinträchtigt werde.

c) Sinn und Zweck der EBI

63.

Die Rechtsmittelführer sind ferner der Ansicht, dass die Begründung des Gerichts im angefochtenen Urteil dazu führen würde, dass die EBI nur noch auf dem Papier stehe und keinen Mehrwert mehr beinhalte. Sie tragen letztlich vor, dass, wenn ihrer Auslegung von Art. 11 Abs. 4 EUV und der EBI-Verordnung nicht gefolgt würde (mit anderen Worten, wenn bestätigt werde, dass eine erfolgreiche EBI, von Ausnahmefällen abgesehen, die Kommission nicht dazu verpflichte, einen Vorschlag für einen Rechtsakt vorzulegen), dem EBI-Mechanismus jede praktische Wirksamkeit genommen würde.

64.

Soweit mit diesem Vortrag nicht lediglich der vorherige Vortrag der Rechtsmittelführer fortgeführt und nur auf einer höheren Abstraktionsebene neu aufgegriffen wird, kann er auch aus einem ganz einfachen Grund nicht überzeugen: Von dem von den Rechtsmittelführern angenommenen Ziel war niemals die Rede. Das angeblich beeinträchtigte Ziel ist vielmehr dasjenige, das die EBI nach Vorstellung der Rechtsmittelführer verfolgen soll, und nicht dasjenige, das sie nach ihrem Sinn und Zweck – objektiv – verfolgen soll. Zugespitzt formuliert, wird eine Art von Zweckwechsel in dem Sinne vorgetragen, dass die praktische Wirksamkeit eines Kaninchens abgeschwächt werde, wenn es nicht seinem Wesen nach als Taube interpretiert werde. Sofern indes nicht wirklich fortgeschrittene Magie zum Einsatz kommt und das Publikum erfolgreich zu der Überzeugung gebracht wird, dass es Sinn und Zweck der Betrachtung eines Kaninchens sei, darin eine Taube zu sehen, bleibt ein Kaninchen ein Kaninchen.

65.

Das Ziel, das der Gesetzgeber (seinerzeit) bei der Einführung der EBI vor Augen hatte, ist oben bereits skizziert worden ( 42 ). Selbst wenn man annähme, dass relativ neue verfassungs- und sekundärrechtliche Vorschriften den ursprünglichen Willen des Gesetzgebers durch den (abweichenden und neuen) derzeitigen Willen ersetzen könnten, kann ich gleichwohl nicht erkennen, warum das Ziel der EBI heute in irgendeiner Weise ein anderes sein sollte.

66.

Für die Beurteilung des Ziels der EBI kommt den umfassenderen, durch das jetzt geltende Primärrechtssystem belegten Zwecken der EBI Bedeutung zu.

67.

Die Einführung der EBI im Vertrag von Lissabon geht auf die Debatten über das Übereinkommen zur Zukunft Europas zurück und ist Teil eines umfassenderen Versuchs, den Grundsatz der Demokratie, einen Grundwert nach Art. 2 EUV, im Mittelpunkt des institutionellen Systems der Union zu verankern. Titel II des EUV, der den besonderen Bestimmungen über die Unionsorgane im Sinne von Titel III EUV vorausgeht, ist den „Bestimmungen über die demokratischen Grundsätze“ gewidmet, darunter Art. 11 Abs. 4 EUV, der den Grundstein für die EBI bildet.

68.

In diesem Gesamtrahmen ist Art. 11 Abs. 4 EUV Teil des umfassenderen demokratischen Systems der Union und ein wichtiger Bestandteil dieses Systems. Nach Art. 10 Abs. 1 EUV beruht die Arbeitsweise der Union auf dem Grundsatz der repräsentativen Demokratie, wobei nach Art. 10 Abs. 2 EUV die Bürgerinnen und Bürger auf Unionsebene unmittelbar im Europäischen Parlament vertreten sind.

69.

Diese Vorstellung von einer repräsentativen Demokratie wird dann im Primärrecht durch die Schaffung von Wegen der partizipativen und deliberativen Demokratie durch Art. 10 Abs. 3 EUV sowie Art. 11, in dem die EBI verankert ist, ergänzt und gestärkt. Insbesondere handelt es sich, wie die Rechtsprechung bereits festgestellt hat, bei der EBI um ein Instrument der partizipativen Demokratie im Zusammenhang mit dem in Art. 10 Abs. 3 EUV anerkannten Recht, am demokratischen Leben der Union teilzunehmen ( 43 ).

70.

Ebenso ist auf der Ebene des Sekundärrechts, wie im ersten und zweiten Erwägungsgrund der EBI-Verordnung erwähnt, das Ziel dieser Verordnung, die Bürger zur Teilnahme zu ermutigen und die Union für ihre Bürger zugänglicher zu machen ( 44 ).

71.

Das Ziel der EBI, die Beteiligung der Bürger am demokratischen Prozess und den Dialog zwischen Bürgern und den Unionsorganen zu fördern, führt jedoch weder zu einer Abkehr von den bereits bestehenden, für das institutionelle Gleichgewicht des Gesetzgebungsverfahrens konstitutiven Elementen noch zur Aufgabe des Gesetzgebungsmonopols der Kommission. Eine Stärkung oder Förderung der Beteiligung innerhalb der bestehenden demokratischen Strukturen ist nicht dasselbe wie eine Umgehung oder Ersetzung dieser Strukturen.

72.

Der eigentliche Zweck des EBI-Mechanismus dürfte sich daher durchaus von dem unterscheiden, den die Rechtsmittelführer vortragen. Erst nachdem der richtige verfassungsrechtliche und institutionelle Rahmen bestimmt ist, können der „Mehrwert“ und/oder die „praktische Wirksamkeit“ der EBI zutreffend beurteilt werden.

73.

In seinem richtigen Licht betrachtet, ist der EBI-Mechanismus sehr weit davon entfernt, keine Wirkung zu haben. In Erfüllung des Auftrags des Art. 24 AEUV regelt die EBI-Verordnung das Recht, das mehr als einer Million Bürgerinnen und Bürgern zusteht, die Kommission aufzufordern, einen Vorschlag für einen Rechtsakt zu erlassen, indem sie eine Reihe von Bestimmungen mit konkreten und detaillierten Verpflichtungen, insbesondere für die Kommission, vorsieht, die über alle bestehenden Kanäle der Interaktion zwischen Bürgern und den Unionsorganen hinausgehen. Der Mehrwert der EBI liegt somit auf mindestens vier gesonderten Ebenen, nämlich i) der Förderung der öffentlichen Debatte, ii) der verstärkten Sichtbarkeit bestimmter Themen oder Anliegen, iii) des privilegierten Zugangs zu den Unionsorganen, damit diese Anliegen energisch vorgebracht werden können, und iv) des Anspruchs auf eine begründete institutionelle Reaktion, die die öffentliche und politische Kontrolle erleichtert.

74.

Erstens wird mit der EBI ein ständiger und offizieller Weg geschaffen, auf dem Bürger sich in Bezug auf eine bestimmte Frage organisieren können. Sie bietet ihnen eine Plattform, die es ihnen ermöglicht, eine Initiative einzuleiten und öffentlich zu machen und für diese Initiative Unterstützung von anderen Bürgern in den verschiedenen Mitgliedstaaten zu erlangen. Auf diese Weise dient sie als Instrument, um Themen, die für Bürger über die Grenzen von Mitgliedstaaten hinweg von gemeinsamem Interesse sind, zu versammeln, und trägt zur Stärkung des öffentlichen Raums der Union bei. Zweitens gewährleistet die EBI-Verordnung auch Transparenz und Sichtbarkeit einer erfolgreichen EBI, indem sie nach Art. 10 Abs. 1 Buchst. a der EBI-Verordnung zwingend unverzüglich im Register zu veröffentlichen ist. Drittens gewährt die EBI Zugang zu dem für die Einleitung des Gesetzgebungsverfahrens verantwortlichen Organ, der Kommission. In Art. 10 Abs. 1 Buchst. b der EBI-Verordnung ist festgelegt, dass die Kommission, sobald eine Bürgerinitiative nach Art. 9 dieser Verordnung bei ihr eingeht, verpflichtet ist, die Organisatoren „auf geeigneter Ebene“ zu empfangen, damit sie die EBI im Detail erläutern können. Nach Art. 11 der EBI-Verordnung wird den Organisatoren einer EBI die Möglichkeit gegeben, sie im Rahmen einer öffentlichen Anhörung im Parlament vorzustellen. Viertens sieht Art. 10 Abs. 1 Buchst. c der EBI-Verordnung die Verpflichtung der Kommission vor, in einer Mitteilung ihre rechtlichen und politischen Schlussfolgerungen zu der EBI sowie ihr weiteres Vorgehen bzw. den Verzicht auf ein weiteres Vorgehen und die Gründe hierfür darzulegen. Diese Mitteilung wird nach Art. 10 Abs. 2 der EBI-Verordnung den Organisatoren, dem Parlament und dem Rat übermittelt und veröffentlicht.

75.

Die Rechtsmittelführer machen jedoch geltend, dass die EBI zu einer (direkten) Debatte im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens und insbesondere in dem über die demokratische Legitimität verfügenden Organ, dem Parlament, führen müsse.

76.

Ich habe bereits recht eingehend erläutert, warum die EBI auf der Ebene ihrer verfassungsrechtlichen und institutionellen Konzeption nicht als ein Weg zur Umgehung des bestehenden Gesetzgebungsverfahrens, sondern als ein Instrument zur Förderung dieses Verfahrens geschaffen wurde ( 45 ). Unter diesem Blickwinkel schafft die EBI einen institutionellen Mechanismus, mit dem der politische Beitrag der Bürgerinnen und Bürger den Organen zugeleitet wird, die für das Gesetzgebungsverfahren, einschließlich seiner Einleitung, zuständig sind und bleiben.

77.

Das Vorbringen der Rechtsmittelführer zu einem (fehlenden) direkten Zugang zu dem über die demokratische Legitimität verfügenden Organ, nämlich dem Parlament, und zu einer (fehlenden) direkten Beteiligung an seiner Arbeit, ist etwas verwirrend. Hinzuweisen ist noch einmal darauf, dass die gesetzliche Ausgestaltung der EBI den Mitgliedern des Bürgerausschusses einer erfolgreichen EBI einen direkten Zugang zum Parlament ermöglicht. Nach Art. 11 der EBI-Verordnung haben sie die Möglichkeit, ihre Initiative im Parlament vorzustellen. Dieses konkrete Element des Verfahrens wurde in den Verhandlungen über die EBI-Verordnung durch einen Änderungsantrag des Parlaments selbst eingefügt ( 46 ). Durch die Erörterung einer EBI im Parlament hat eine Gruppe von Bürgern die Möglichkeit, in diesem Organ Aufmerksamkeit für Fragen zu schaffen, die für sie von Interesse sind, was auch die Möglichkeit eröffnet, dass ihre Initiative vom Parlament oder einigen seiner Mitglieder übernommen wird. Das Parlament kann sich den Zielen einer EBI anschließen und sie im Wege seiner eigenen Befugnis, zur Vorlage einer Initiative aufzufordern, fördern, wenn die erforderlichen parlamentarischen Mehrheiten gewährleistet sind ( 47 ).

78.

Der besondere Mehrwert der EBI liegt somit nicht notwendigerweise in der Gewissheit des Ergebnisses, sondern in den Wegen und Möglichkeiten, die sie schafft. Sie gibt Bürgern die Möglichkeit einer Beteiligung, indem sie ihre Initiative der Kommission und in der Anhörung im Europäischen Parlament vorstellen und damit eine politische Debatte in den Organen anstoßen, ohne dass die Einleitung eines Gesetzgebungsverfahrens abgewartet werden müsste ( 48 ). Der Erfolg einer EBI bemisst sich daher nicht nur danach, ob sie in einen förmlichen Vorschlag mündet, sondern auch an der demokratischen Debatte, die sie anstößt ( 49 ).

79.

Schließlich sei vergleichend ergänzt, dass die Unverbindlichkeit einer EBI für das Organ, an das sie sich richtet, keine Ausnahme ist. Sie fügt sich gut ein in das Modell der Initiativen, mit denen bestimmte Themen auf die politische Tagesordnung gesetzt werden (,agenda-setting initiatives“), die sich von Systemen einer „direkten Volksinitiative“, bei denen der Vorschlag den Wählern direkt im Wege einer Volksabstimmung vorgelegt wird, unterscheiden ( 50 ). Wie oben bereits skizziert ( 51 ), zählt die institutionelle Gestaltung der EBI seit jeher zur erstgenannten und nicht zur letztgenannten Kategorie. Auch wenn nämlich nationale Initiativen, mit denen bestimmte Themen auf die politische Tagesordnung gesetzt werden, möglicherweise Zugang zu nationalen Parlamenten als den über das Initiativrecht verfügenden nationalen Organen gewähren, richtet sich die EBI im Rahmen des Sui-generis-Systems der Union in ähnlicher Weise an das Organ, das wie oben ausgeführt, über das Initiativrecht verfügt.

80.

Aus der Gesamtheit der vorstehenden Erwägungen wird erkennbar, dass die EBI viel mehr ist als ein bloßes symbolisches Nicken gegenüber der partizipativen Demokratie. Es handelt sich um ein institutionelles Instrument, das die Artikulation politischer Fragen ermöglicht, die für eine Gruppe von Bürgern von Interesse sind. Es trägt dazu bei, dass diese Fragen als verschiedenen Mitgliedstaaten gemeinsame Angelegenheiten von europäischem Interesse hervortreten. Es macht Fragen sichtbar, die Anliegen von Bürgerinnen und Bürgern darstellen und möglicherweise noch nicht auf der Tagesordnung der Organe oder nicht einmal auf der Tagesordnung der im Europäischen Parlament vertretenen Fraktionen stehen. Es ermöglicht einen direkten Zugang zu dem Organ, das im besonderen institutionellen Sui-generis-System der Union über das Initiativrecht für die Gesetzgebung verfügt. Darüber hinaus verpflichtet es dieses Organ – die Kommission – die Vorschläge einer erfolgreichen EBI ernsthaft zu prüfen und einer Bewertung zu unterziehen, und zwar öffentlich und unter öffentlicher Kontrolle. Es gewährleistet, dass der Inhalt der EBI geprüft und im demokratisch gewählten Europäischen Parlament öffentlich erörtert wird. Alle diese Gründe machen deutlich, dass das EBI-System, auch wenn es in seiner aktuellen Ausgestaltung im Primär- und Sekundärrecht keine Verpflichtung der Kommission zur Vorlage eines Vorschlags mit sich bringt, zweifellos einen Mehrwert als Sui-generis-Mechanismus, mit dem bestimmte Themen auf die politische Tagesordnung gesetzt werden, beinhaltet.

81.

Die Rechtsmittelführer haben nicht dargetan, dass die Auslegung von Art. 11 Abs. 4 EUV und der EBI-Verordnung durch das Gericht im angefochtenen Urteil dem (zutreffend definierten) Ziel oder der praktischen Wirksamkeit des EBI-Mechanismus widerspricht.

82.

Das Vorbringen der Rechtsmittelführer lässt vielmehr ein etwas anders liegendes Problem erkennen: Nachdem sie von dem EBI-Mechanismus erfolgreich Gebrauch gemacht haben und infolgedessen mit den betreffenden Organen in Verbindung stehen, sind die Rechtsmittelführer letztlich mit dem materiellen Ergebnis ihrer Partizipationserfahrung nicht einverstanden. Sie sind nicht nur mit der politischen Entscheidung der Kommission, keinen Vorschlag vorzulegen, unzufrieden, sondern auch mit der Erörterung in der Anhörung, die ihnen im Parlament gewährt wurde. Die Interaktion mit der Kommission (ein Treffen mit einem Mitglied der Kommission) wird in den Worten der Rechtsmittelführer ( 52 ) als frostig beschrieben, während die Mitglieder des Parlaments eher an Belehrungen als am Zuhören interessiert gewesen seien. Es kann an dieser Stelle offen bleiben, welcher Aussagegehalt aus diesen Ansichten für die Anerkennung des Wesens der Demokratie spricht, nämlich dass ein einzelnes politisches Ergebnis möglicherweise keine Zustimmung findet, der Entscheidungsprozess und seine Organe aber anerkannt werden.

83.

Alle vorstehenden Erwägungen führen jedoch zu dem Schluss, dass die EBI bei zutreffender Auslegung von Art. 11 Abs. 4 EUV und der EBI-Verordnung bei Weitem nicht „nur auf dem Papier“ steht. Der Inhalt dieser Instrumente sagt lediglich etwas anderes aus, als die Rechtsmittelführer gerne hätten.

84.

Eine letzte abschließende Anmerkung ist angezeigt. Die Würdigung des ersten Rechtsmittelgrundes der Rechtsmittelführer führte zu einer Auslegung auf der Grundlage ihres Wortlauts und (historischen und gegenwärtigen) Kontexts sowie ihres Sinn und Zwecks, dem der EBI in ihrer derzeitigen Ausgestaltung im Gesetzgebungsverfahren der Union zukommenden Platz. Auch wenn die vorliegenden Schlussanträge einige ihrer neuartigen Merkmale in positivem Licht hervorheben, wird mit der vorliegenden Stellungnahme sicherlich nicht die Ansicht vertreten, dass die EBI ein perfekter Mechanismus sei, der eine Wunderlösung für die angeblichen oder tatsächlichen Mängel der Europäischen Union in Bezug auf die demokratische Legitimität, einschließlich der Verringerung der angeblichen Distanz zwischen Bürgern und den Unionsorganen, biete. Eine Reihe von Aspekten der gegenwärtigen institutionellen Ausgestaltung der EBI werden in der Tat auch in der Lehre (mehr oder weniger konstruktiv) kritisiert ( 53 ). Ihr rechtlicher Rahmen war ferner vor Kurzem Gegenstand institutioneller Erörterungen ( 54 ) und einer Änderung ( 55 ). Diese Diskussionen führen dann logischerweise zurück zur Erörterung möglicher Änderungen der Rolle der Kommission und ihres Initiativrechts auf Aufforderung anderer Organe.

85.

Im Kontext der Diskussionen über die mögliche künftige institutionelle Ausgestaltung und den möglichen künftigen institutionellen Rahmen könnten mehrere andere, vielleicht noch bessere Optionen ins Auge gefasst werden, die die gleichen oder auch andere Ziele verfolgen. Die vorliegende Rechtssache betrifft jedoch den EBI-Mechanismus in seiner institutionellen Gestaltung im EUV und in der näheren Ausgestaltung durch die EBI-Verordnung. Um mit der schon eingeführten Metapher zu schließen, ist es Sache des Gesetzgebers, darüber zu entscheiden, ob es nach seinem Wunsch kein Kaninchen mehr, sondern vielmehr eine Taube, oder sogar eine Katze oder ein Wal, sein soll.

86.

Aufgrund aller vorstehenden Erwägungen ist der erste Rechtsmittelgrund meines Erachtens insgesamt als unbegründet zurückzuweisen.

B.   Zweiter Grund: Trennung zwischen rechtlichen und politischen Gründen

87.

Mit dem zweiten Rechtsmittelgrund machen die Rechtsmittelführer geltend, dass das Gericht rechtsfehlerhaft entschieden habe, soweit es zwar anerkannt habe, dass die Kommission in der Mitteilung keine Trennung zwischen „rechtlichen“ und „politischen“ Gründen vorgenommen habe, wie nach dem 20. Erwägungsgrund der EBI-Verordnung erforderlich, jedoch in den Rn. 128 und 132 des angefochtenen Urteils festgestellt habe, dass der 20. Erwägungsgrund irrelevant sei. Erwägungsgründe spielten eine Rolle bei der Auslegung von materiellen Bestimmungen des Unionsrechts. Der 20. Erwägungsgrund lege Art. 10 Abs. 1 Buchst. c der EBI-Verordnung aus und stehe zu dieser Bestimmung nicht im Widerspruch. Die Trennung zwischen rechtlichen und politischen Schlussfolgerungen sei ferner wichtig, um dem Gerichtshof eine Überprüfung dieser beiden Kategorien zu ermöglichen.

88.

Die Kommission ist der Ansicht, dass das angefochtene Urteil keine Rechtsfehler enthalte, bzw. hilfsweise, dass sie ihre rechtlichen und politischen Schlussfolgerungen tatsächlich getrennt dargelegt habe.

89.

Das Gericht stellte in Rn. 128 des angefochtenen Urteils fest, dass nach ständiger Rechtsprechung die Begründungserwägungen eines Unionsrechtsakts rechtlich nicht verbindlich seien und weder zur Rechtfertigung einer Abweichung von den Bestimmungen des betreffenden Rechtsakts angeführt noch dazu geltend gemacht werden könnten, sie in einem Sinne auszulegen, der ihrem Wortlaut offensichtlich zuwiderliefe ( 56 ).

90.

Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung stellte das Gericht in den Rn. 129 und 130 seines Urteils fest, dass, da die im 20. Erwägungsgrund der EBI-Verordnung erwähnte Verpflichtung zur getrennten Darlegung der rechtlichen und politischen Schlussfolgerungen nicht in den Text von Art. 10 Abs. 1 Buchst. c aufgenommen worden sei, die Kommission bei der Abfassung der in der genannten Vorschrift vorgesehenen Mitteilung einer solchen Verpflichtung nicht unterworfen sei. Das Gericht fügte anschließend in Rn. 131 des angefochtenen Urteils hinzu, dass selbst wenn unterstellt werde, dass die Kommission zu einer getrennten Darlegung dieser rechtlichen und politischen Schlussfolgerungen rechtlich verpflichtet wäre, eine solche – rein formale – Verpflichtung jedenfalls nicht zur Nichtigerklärung der Mitteilung führen könne.

91.

Meines Erachtens ist die Begründung des Gerichts im Hinblick auf die in der vorliegenden Rechtssache vorzunehmende Anwendung der Rechtsprechung zur Rolle von Begründungserwägungen bei der Auslegung von Rechtsakten der Union in der Tat rechtsfehlerhaft. Dieser Fehler hat jedoch keine Auswirkungen auf den Tenor des Urteils, der aus den weiteren, in der Begründung des Gerichts dargelegten Gründen zutreffend aufrechterhalten werden kann.

92.

Zwar dürfen nach der im angefochtenen Urteil angeführten Rechtsprechung die Begründungserwägungen nicht von der tatsächlichen Bestimmung abweichen, die sie auslegen sollen, oder als Grundlage für eine Auslegung dienen, die eindeutig ihrem Wortlaut widerspricht, indem beispielsweise neue Anforderungen hinzugefügt werden, die im verfügenden Teil eines Rechtsakts nicht vorgesehen sind. Die Erwägungsgründe sind daher naturgemäß selbst keine Rechtsvorschriften im Sinne des verfügenden Teils.

93.

Abgesehen von diesen beiden eindeutigen Kategorien (keine „Spiegelbestimmung“ und kein klarer Widerspruch) sind die Erwägungsgründe im Allgemeinen ein wichtiges Auslegungselement, das im Zusammenhang mit spezifischen Bestimmungen, denen sie zuzuordnen sind, den Willen des Gesetzgebers verbindlich zum Ausdruck bringt. Auf diese Weise werden sie häufig für eine teleologische Auslegung herangezogen, um eine im verfügenden Text enthaltene Rechtsvorschrift klarzustellen oder ihre genauere Auslegung zu ermöglichen ( 57 ). Werden sie hierzu herangezogen, führt jedoch kein Weg an der Erkenntnis vorbei, dass die Trennlinie zwischen Auslegung und keine neuen Verpflichtungen hinzufügen auf der Grundlage eines Erwägungsgrundes gefährlich unscharf werden kann ( 58 ).

94.

In der vorliegenden Rechtssache ist der einzige zentrale Unterschied zwischen dem Wortlaut von Art. 10 Abs. 1 Buchst. c der EBI-Verordnung und dem 20. Erwägungsgrund, dass das Wort „getrennt“, das im 20. Erwägungsgrund aufgeführt ist, im Wortlaut des betreffenden Artikels nicht verwendet wird. Der Rest ist indes nahezu identisch (die Kommission muss innerhalb von drei Monaten ihre rechtlichen und politischen Schlussfolgerungen darlegen).

95.

Der Wortlaut weicht somit nuanciert ab. Angesichts des logischen Geltungsbereichs der betreffenden Vorschriften ist darin jedoch kaum ein Widerspruch zwischen Erwägungsgrund und Artikel zu sehen. Mangels eines Widerspruchs und in Anbetracht der gerade skizzierten Praxis des Gerichtshofs wäre es nicht unvorstellbar, das Wort „getrennt“ in den Wortlaut von Art. 10 Abs. 1 Buchst. c der EBI-Verordnung hineinzulesen.

96.

Meines Erachtens sollte dies jedoch aus den folgenden Gründen nicht geschehen.

97.

Der Begriff „getrennt“ könnte in zweierlei Hinsicht verstanden werden, nämlich zum einen dahin, dass sowohl rechtliche als auch politische Erwägungen enthalten sein müssen, und/oder dahin, dass sie nicht nur beide enthalten sein, sondern auch im Wortlaut der Mitteilung sichtbar getrennt sein müssen ( 59 ).

98.

Der 20. Erwägungsgrund wurde infolge eines Änderungsantrags des Europäischen Parlaments im Zuge der Verhandlungen über die EBI-Verordnung in Verbindung mit dem Verweis auf „rechtliche und politische“ Schlussfolgerungen in Art. 10 eingefügt. Die Begründung für diesen Änderungsantrag weist lediglich darauf hin, dass „[d]ie Reaktion der Kommission … sowohl rechtlich als auch politisch gerechtfertigt sein [sollte]“ ( 60 ).

99.

Im Hinblick auf seinen Kontext und Zweck könnte der 20. Erwägungsgrund in der Tat dahin verstanden werden, dass er die Verpflichtung der Kommission unterstreicht, ihre Schlussfolgerungen rechtlicher und politischer Art in der Weise klar anzugeben, dass die Bürger die Verschiedenheit dieser Erwägungen erfassen können. Auf diese Weise bezieht sich die Verpflichtung in Art. 10 Abs. 1 Buchst. c der EBI-Verordnung, die rechtlichen und politischen Schlussfolgerungen ausdrücklich anzugeben, auf die Qualität und den Inhalt der Begründung im Rahmen der Reaktion der Kommission auf eine erfolgreiche EBI. Dies steht im Einklang mit dem im 20. Erwägungsgrund genannten Erfordernis, dass die Kommission „auf klare, verständliche und detaillierte Weise die Gründe für ihr beabsichtigtes Vorgehen erläutern“ und ebenso „die Gründe angeben [sollte], falls sie nicht beabsichtigt, Maßnahmen zu ergreifen“. Eine solche verstärkte Begründungspflicht ist nicht nur ein wesentliches Verfahrenserfordernis, sondern auch die Garantie und der Nachweis einer gründlichen, ernsthaften und eingehenden Prüfung einer erfolgreichen EBI.

100.

Damit besagt Art. 10 Abs. 1 Buchst. c der EBI-Verordnung in seiner Auslegung in Verbindung mit dem 20. Erwägungsgrund lediglich, dass sowohl rechtliche als auch politische Erwägungen in der Begründung der Kommission enthalten sein müssen und dass ein Leser in der Lage sein muss, sich zu erschließen, was was ist. Schwierigkeiten habe ich hingegen mit formalistischen Auslegungen dahin, dass die Kommission über diese Anforderung hinaus verpflichtet wäre, ihre Mitteilung in verschiedene Abschnitte zu gliedern, die zwingend die Überschriften „rechtliche Erwägungen“ und „politische Erwägungen“ tragen müssten, was dann im Fall der Nichtbeachtung automatisch zur Nichtigerklärung der Mitteilung führen würde.

101.

Es gibt noch einen weiteren pragmatischen Grund: Die sichtbare Trennung rechtlicher und politischer Schlussfolgerungen zu diesem Zeitpunkt des EBI-Verfahrens ist eher künstlich und möglicherweise schwer umsetzbar.

102.

Erstens findet die rechtliche Prüfung einer geplanten EBI in erster Linie zum Zeitpunkt der Registrierung nach Art. 4 Abs. 2 statt, wenn die Kommission die Wahrung der in Art. 2 EUV festgeschriebenen Werte und ihrer eigenen Befugnisse zur Vorlage des begehrten Vorschlags prüft. Da diese Prüfung nur unter bestimmten „offenkundigen“ Umständen zu einer Ablehnung der Registrierung führen kann, bleibt Raum für eine rechtliche Prüfung zu dem Zeitpunkt, zu dem die Mitteilung nach Art. 10 Abs. 1 Buchst. c ergeht. Im Rahmen dieser rechtlichen Prüfung kann ferner die Vereinbarkeit mit anderen Unionsrechtsakten geprüft werden. Zu diesem Zeitpunkt wird jedoch natürlich der größere Teil der in der Mitteilung der Kommission enthaltenen Beurteilung wahrscheinlich politischer Art sein, da die Entscheidung über die Weiterbehandlung einer erfolgreichen EBI im Wesentlichen eine politische ist. Somit dürften sich zu diesem Zeitpunkt die rechtlichen Schlussfolgerungen auf eine beschreibende Darstellung des geltenden Rechts beschränken, das den notwendigen Bezugsrahmen für die Ausarbeitung der politischen Schlussfolgerungen bildet.

103.

Zweitens könnte, selbst wenn dies nicht der Fall wäre und die Natur der rechtlichen Schlussfolgerungen weiter ausgelegt werden könnte, in der Endphase einer EBI, wenn die Kommission sich eingehender mit der Begründetheit der EBI auseinandersetzen muss, schwer kategorisch festzustellen sein, welche Argumente rechtlicher und welche politischer Art sind. Sofern nicht der Begriff „rechtliche Erwägungen“ auf eine trockene Wiedergabe der einschlägigen Rechtsvorschriften und internationalen Verpflichtungen zu beschränken wäre (in deren Auslegung jedenfalls schon eine gewisse politische Beurteilung zu sehen sein könnte), werden die zu diesem Zeitpunkt der materiellen Beurteilung vorgetragenen Argumente wahrscheinlich in nicht unerheblichem Umfang eine Zwischen- oder Doppelstellung einnehmen.

104.

Aus den vorstehenden Ausführungen folgt, dass die Mitteilung die Voraussetzungen von Art. 10 Abs. 1 Buchst. c in seiner Auslegung in Verbindung mit dem 20. Erwägungsgrund erfüllt. Die Darstellung ihrer Schlussfolgerungen lässt erkennen, ob die in ihr enthaltenen Erwägungen rechtlicher oder politischer Art sind. Wie von der Kommission vorgetragen, enthält Abschnitt 2 der Mitteilung („Aktueller Stand“) eine Darstellung der Rechtslage. In Abschnitt 3 („Bewertung der Forderungen der Europäischen Bürgerinitiative“) wird die politische Bewertung der EBI erläutert. Außerdem haben die Rechtsmittelführer zu keinem Zeitpunkt vorgetragen, dass sie nicht hätten erkennen können, ob die Erwägungen der Kommission in der Mitteilung politischer oder rechtlicher Art seien.

105.

In den Rn. 128 bis 131 des angefochtenen Urteils stützt sich das Gericht auf eine Auslegung des 20. Erwägungsgrunds, wonach dieser ein formales Erfordernis aufstelle und damit ein offenkundiger Widerspruch zwischen dem 20. Erwägungsgrund und Art. 10 Abs. 1 Buchst. c bestehe. Aus den in den Nrn. 92 bis 96 der vorliegenden Schlussanträge genannten Gründen ist diese Begründung meines Erachtens rechtsfehlerhaft.

106.

Es ist jedoch ebenso klar, dass der Tenor des angefochtenen Urteils wirksam bleibt, da er aus den in den Nrn. 97 bis 105 der vorliegenden Schlussanträge erläuterten rechtlichen Gründen begründet ist.

107.

Daher ist, da der Tenor des angefochtenen Urteils begründet bleibt, der zweite Rechtsmittelgrund als ins Leere gehend zurückzuweisen.

C.   Dritter Grund: gerichtliche Überprüfung

108.

Mit dem dritten Rechtsmittelgrund machen die Rechtsmittelführer geltend, dass das Gericht in Rn. 170 des angefochtenen Urteils rechtsfehlerhaft festgestellt habe, dass die Entscheidung der Kommission, keinen Gesetzgebungsvorschlag auf der Grundlage der EBI vorzulegen, nur einer eingeschränkten Kontrolle durch das Gericht unterliege und nur offensichtliche Beurteilungsfehler eine solche Entscheidung fehlerhaft machen könnten.

109.

Es sei nicht erkennbar, ob die Mitteilung frei von offensichtlichen Fehlern sei, da kein Kriterium genannt werde, nach dem offensichtliche von nicht offensichtlichen Fehlern zu unterscheiden seien. Das Gericht habe die Schwelle zu niedrig angesetzt und sich selbst vorbehalten, frei prüfen zu können, ob das Kriterium erfüllt sei oder nicht. Ferner sei die Feststellung paradox, dass die Gründe der Mitteilung überprüfbar sein müssten, wenn der Prüfungsmaßstab so niedrig und undurchsichtig sei. Außerdem unterscheide die vorliegende Rechtssache sich von der Rechtssache Rica Food ( 61 ), auf die das Gericht als einschlägige Präzedenzentscheidung für die Anwendung des Kriteriums der „offensichtlichen Fehler“ verweise. In jener Rechtssache sei es im Gegensatz zur vorliegenden Rechtssache, die die Rechte von Unionsbürgern in Bezug auf ein klar definiertes demokratisches Recht betreffe, um Rechte von Nicht-Unionsbürgern im Zusammenhang mit unklaren finanziellen Interessen gegangen. Die Rechtsmittelführer fassen die Auffassung des Gerichts wie folgt zusammen: „Da die Gemeinschaft bei der Einfuhr von Zucker von den Antillen über ein weites Ermessen verfügt, muss sie auch über ein weites Ermessen verfügen, wenn es um die Ablehnung einer EBI geht, mit der sie möglicherweise politisch nicht übereinstimmt.“

110.

Nach Ansicht der Kommission ist der dritte Rechtsmittelgrund als unbegründet zurückzuweisen. Mit dem Initiativrecht der Kommission sei nur eine begrenzte gerichtliche Überprüfung vereinbar. Die Kommission verweist auf das Urteil Schönberger/Parlament ( 62 ) und trägt weiter vor, dass es widersprüchlich wäre, wenn eine Mitteilung nach Art. 10 Abs. 1 Buchst. c der EBI-Verordnung voll überprüfbar wäre, während Entscheidungen des Parlaments über die weitere Behandlung einer Petition überhaupt keiner gerichtlichen Überprüfung zugänglich seien.

111.

Der vorliegende Rechtsmittelgrund wirft die zentrale Frage auf, welchem Maß an Kontrolle die Unionsgerichte eine Mitteilung unterziehen müssen, die die Entscheidung der Kommission über die Weiterbehandlung einer erfolgreichen EBI enthält. Diese Frage steht notwendigerweise mit den im ersten Rechtsmittelgrund aufgeworfenen Fragen in Verbindung, dessen Prüfung bestätigt hat, dass die Kommission nicht zum Erlass eines Vorschlags für einen mit einer erfolgreichen EBI vorgeschlagenen Rechtsakt verpflichtet ist.

112.

Rn. 170 des angefochtenen Urteils, die Gegenstand der mit dem vorliegenden Rechtsmittelgrund geltend gemachten Rüge ist, ist Teil der Prüfung des von den Rechtsmittelführern im ersten Rechtszug geltend gemachten fünften Nichtigkeitsgrundes durch das Gericht. Nachdem festgestellt worden ist, dass die Kommission im Rahmen ihres Initiativrechts für Gesetzesvorschläge und demzufolge bei der Entscheidung darüber, ob im Anschluss an eine erfolgreiche EBI Maßnahmen ergriffen werden, weites Ermessen genießen muss ( 63 ), werden in Rn. 170 des angefochtenen Urteils der Umfang und die Ebene der für die Mitteilung geltenden gerichtlichen Überprüfung dargestellt. Nach diesem Absatz muss sie „Gegenstand einer eingeschränkten Kontrolle seitens des Unionsrichters sein, mit der nicht nur überprüft werden soll, ob sie hinreichend begründet ist, sondern auch und vor allem, ob offensichtliche Beurteilungsfehler vorliegen, die die besagte Entscheidung fehlerhaft machen“. Diese Feststellung stützte das Gericht in entsprechender Weise auf das Urteil des Gerichtshofs Rica Foods ( 64 ).

113.

Dem Vorbringen der Rechtsmittelführer sind meines Erachtens keine in dem soeben angeführten Absatz des angefochtenen Urteils enthaltenen Rechtsfehler zu entnehmen.

114.

Bevor der im angefochtenen Urteil angewendete Maßstab der gerichtlichen Überprüfung geprüft wird, ist zunächst der dort zugrunde gelegte Umfang der gerichtlichen Überprüfung in Erinnerung zu bringen.

115.

In dem von den Rechtsmittelführern gerügten Absatz stellte das Gericht entschieden fest, dass die Mitteilung gerichtlich überprüfbar sei. Aus dieser Bestätigung könnte der Schluss gezogen werden, dass damit die Stellung der EBI erheblich gestärkt worden sei. Sie beinhaltet eine gerichtliche Garantie der angemessenen Prüfung einer erfolgreichen EBI durch die Kommission. Ergänzt sei lediglich, dass diese Feststellung sich durchaus nicht von selbst verstand, wie die vorangegangene Diskussion der Frage in der Lehre zeigt ( 65 ).

116.

Das angefochtene Urteil erkennt ferner an, dass sowohl die Frage, ob die Mitteilung hinreichend begründet sei, als auch die ihren materiellen Inhalt bildende Beurteilung überprüfbar seien.

117.

Wie von der Kommission vorgetragen, steht diese Auffassung im Widerspruch zur Rechtsprechung des Gerichtshofs zur gerichtlichen Überprüfung des Standpunkts des Parlaments zur weiteren Behandlung einer Petition. Der Gerichtshof hat nämlich festgestellt, dass dieser Standpunkt aufgrund des weiten politischen Ermessens des Parlaments keiner gerichtlichen Nachprüfung unterliegt ( 66 ). Umgekehrt geht das angefochtene Urteil trotz der Anerkennung des weiten Ermessens der Kommission in dieser Hinsicht nicht davon aus, dass die in der Mitteilung enthaltene Beurteilung eine politische Entscheidung ist, die einer gerichtlichen Überprüfung entzogen ist ( 67 ).

118.

Meines Erachtens zu Recht. Dieser robuste Ansatz spiegelt das System und die Ziele der EBI zutreffend wider. Die zentrale Bedeutung des EBI-Mechanismus als Ausdruck des Grundsatzes der Demokratie, die für den Erfolg einer EBI zu erfüllenden hohen Anforderungen und die Verfahrensgarantien nach der EBI-Verordnung rechtfertigen sämtlich den Schluss, dass auch in Anbetracht des erheblichen politischen Ermessens nicht nur die Frage einer hinreichenden Begründung, sondern auch die Prüfung der Begründetheit, auf der die Entscheidung der Kommission beruht, Gegenstand der Überprüfung durch die Unionsgerichte ist ( 68 ).

119.

Die Überprüfbarkeit von Mitteilungen nach Art. 10 Abs. 1 Buchst. c der EBI-Verordnung ist nämlich untrennbar mit den Verpflichtungen verbunden, die die EBI-Verordnung für die Kommission in dieser letzten Phase des EBI-Verfahrens vorsieht. Die Kommission muss für ihren Standpunkt eine klare, detaillierte und vollständige Begründung abgeben. Die Erklärung muss sowohl rechtliche als auch politische Erwägungen enthalten. Die Verpflichtungen, die sich aus Art. 10 der EBI-Verordnung ergeben, sind jedoch nicht nur verfahrensrechtlicher Natur, sondern umfassen auch die Verpflichtung, die mit einer erfolgreichen EBI vorgelegten Vorschläge angemessen und eingehend zu prüfen.

120.

Was den Maßstab der Prüfung angeht, verfolgt das angefochtene Urteil zwei verschiedene Ansätze. Es wird erstens festgestellt, dass die Unionsgerichte prüfen müssen, ob eine hinreichende Begründung vorliegt. Die Überprüfung dieses Elements, das, wie oben festgestellt, eine zentrale institutionelle Verpflichtung darstellt, die bei einer erfolgreichen EBI entsteht ( 69 ), ist nicht auf das Kriterium „offensichtlicher Fehler“ beschränkt. Sie stellt somit eine umfassende Überprüfung dar. Zweitens stellt das Gericht fest, dass im Rahmen der Überprüfung weiterhin geprüft werden müsse, ob offensichtliche Beurteilungsfehler gegeben seien, die die besagte Entscheidung fehlerhaft machten.

121.

Insoweit wenden die Rechtsmittelführer sich gegen die auf dieses zweite Element, nämlich die in der Mitteilung der Kommission enthaltene materielle Beurteilung, angewendete Prüfungsebene. Insbesondere konzentrieren die Rechtsmittelführer ihre Beanstandungen auf die Rechtsprechung, auf die im angefochtenen Urteil verwiesen und auf die der angewendete Maßstab der gerichtlichen Überprüfung gestützt wird. Sie weisen nachdrücklich auf die Unterschiede zwischen dem vorliegenden Sachverhalt und demjenigen des Urteils Rica Foods hin und beanstanden vor diesem Hintergrund den Maßstab der gerichtlichen Überprüfung, den das Gericht im angefochtenen Urteil zugrunde legt.

122.

Die Beanstandungen der Rechtsmittelführer in dieser Hinsicht sind meines Erachtens unzutreffend.

123.

Zu betonen ist, dass der auf die Prüfung offensichtlicher Beurteilungsfehler beschränkte Maßstab der gerichtlichen Überprüfung für Fälle gilt, in denen die Unionsorgane über ein weites Ermessen verfügen, insbesondere wenn sie Maßnahmen „in Bereichen“ ergreifen, „in denen von ihnen u. a. politische Entscheidungen … verlangt werden“ ( 70 ). Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs hängt nämlich die Intensität seiner Prüfung von dem den Organen zur Verfügung stehenden Ermessen ab ( 71 ).

124.

In diesem Zusammenhang, d. h. demjenigen des richtigen Prüfungsmaßstabs, wurde maßgeblich auf das Urteil Rica Foods verwiesen. Der Verweis ist in diesem Zusammenhang ganz und gar berechtigt, da er entgegen dem Vorbringen der Rechtsmittelführer mit dem Thema Einfuhren in jener Rechtssache wenig zu tun hat, sondern sich auf den richtigen Prüfungsmaßstab im Allgemeinen bezieht. Nebenbei sei auch ergänzt, dass der Verweis auf jene konkrete Rechtssache gut gewählt war, weil Gegenstand der Prüfung in jener Rechtssache die konkrete Frage war, welchen Prüfungsmaßstab das damalige Gericht erster Instanz auf ein politisches Ermessen anzuwenden hatte, wie sich aus den Schlussanträgen des Generalanwalts Léger in jener Rechtssache ergibt ( 72 ).

125.

Somit gilt allgemein in Bereichen, in denen – wie im Rahmen des ersten Rechtsmittelgrundes ausgeführt – das Ermessen der Kommission sehr weit ist, entsprechend ein begrenzter Maßstab der gerichtlichen Kontrolle. Bei diesem Ermessen handelt es sich vor allem um ein politisches Ermessen; es kann jedoch auch beinhalten, dass die Kommission im Rahmen ihrer Entscheidung, (nicht) von ihrem Initiativrecht Gebrauch zu machen, komplexe Beurteilungen vornimmt.

126.

In jedem Fall ist in Anbetracht dessen, dass die in der Mitteilung enthaltene Entscheidung der Kommission, den mit der EBI begehrten Vorschlag nicht vorzulegen, im Kern in erster Linie auf einer politischen Beurteilung beruht ( 73 ), und ausgehend davon, dass eine solche ihrem Wesen nach politische Entscheidung grundsätzlich einer gerichtlichen Kontrolle unterliegen muss, meines Erachtens nicht ersichtlich, inwieweit eine solche Beurteilung einer strengen gerichtlichen Überprüfung unterzogen werden könnte, ohne die Grenzen des Grundsatzes des institutionellen Gleichgewichts, insbesondere zwischen der Exekutive der Union und den Unionsgerichten, zu überschreiten.

127.

Erforderlich wird ein eingeschränkter Prüfungsmaßstab nämlich durch den politischen Spielraum im Rahmen des Initiativrechts der Kommission, der untrennbar mit einem Ausgleich verschiedener Interessen und einer Wahlentscheidung zwischen politischen Optionen verbunden ist. Dieser Spielraum ergibt sich auch aus der politischen Natur der in der Mitteilung der Kommission enthaltenen Kernbeurteilung, wie und ob erfolgreiche EBI weiter behandelt werden, die Teil ihres Initiativrechts ist. Die Unionsgerichte dürfen die politische Beurteilung durch die Kommission nicht ersetzen, die für die Entscheidung der Kommission maßgebend sein muss, ob durch Ausübung ihres Initiativrechts das Beschlussfassungsverfahren eingeleitet wird.

128.

Der dritte Rechtsmittelgrund ist daher meines Erachtens als unbegründet zurückzuweisen.

D.   Vierter Grund: offensichtliche Beurteilungsfehler

129.

Mit dem vierten Rechtsmittelgrund rügen die Rechtsmittelführer, dass das Gericht, selbst wenn der vom Gericht angewendete Prüfungsmaßstab richtig wäre, nicht zu dem Schluss gekommen sei, dass die von der Kommission in der Mitteilung angegebenen Gründe das Kriterium eines offensichtlichen Fehlers erfüllten.

130.

Die Rechtsmittelführer wenden sich gegen fünf Punkte der Mitteilung der Kommission, die ihrer Ansicht nach mit solchen offenkundigen Beurteilungsfehlern behaftet seien.

131.

Erstens tragen die Rechtsmittelführer unter Verweis auf das Urteil Brüstle ( 74 ) vor, dass es eindeutig widersprüchlich sei, die Patentierung von Erfindungen zu verbieten, die die Zerstörung eines menschlichen Embryos voraussetzten, und gleichzeitig eben diese Forschung zu finanzieren.

132.

Die Schlussfolgerungen, die die Rechtsmittelführer aus der Entscheidung des Gerichtshofs im Urteil Brüstle ziehen, gehen über den eigentlichen Umfang jener Rechtssache weit hinaus.

133.

Wie von der Kommission zutreffend vorgetragen, betraf dieses Urteil ausschließlich die Frage der Patentierbarkeit. Die Richtlinie 98/44/EG ( 75 ), die in jener Rechtssache Gegenstand der Auslegung war, hat nämlich „nicht zum Gegenstand …, die Verwendung menschlicher Embryonen im Rahmen wissenschaftlicher Untersuchungen zu regeln. Ihr Gegenstand beschränkt sich auf die Patentierbarkeit biotechnologischer Erfindungen“ ( 76 ). Der Ausschluss von der Patentierbarkeit ist nicht mit dem Verbot wissenschaftlicher Forschung oder ihrer Finanzierung auf einem bestimmten Gebiet verbunden ( 77 ). Ein spezifischer Ausschluss der Patentierbarkeit auf einem bestimmten Gebiet macht es unmöglich, ein ausschließliches Recht auf die gewerbliche Verwertung zu begründen, was eine deutlich andere Fragestellung darstellt, als sie die wissenschaftliche Forschung in ihren verschiedenen Anwendungsformen aufwirft.

134.

Das Gericht hat daher in Rn. 173 des angefochtenen Urteils frei von Fehlern festgestellt, dass die Schlussfolgerung der Kommission in Nummer 2.1 a. E. der Mitteilung, wonach das Urteil Brüstle nicht die Frage zum Gegenstand gehabt habe, ob eine solche Forschung durchgeführt oder ob sie finanziell gefördert werden könne, nicht mit einem offensichtlichen Beurteilungsfehler behaftet sei.

135.

Zweitens machen die Rechtsmittelführer geltend, es liege auf der Hand, dass es nicht möglich sei, einen Ausgleich zwischen dem Recht auf Leben des Embryos und den Interessen der Forschung an Stammzellen menschlicher Embryonen (human embryonic stem cell, im Folgenden: hESC) herzustellen. Der Begriff der Menschenwürde verbiete die Herstellung eines solchen Ausgleichs. Dementsprechend werde in der Mitteilung in offensichtlich fehlerhafter Weise festgestellt, dass „es nicht notwendig ist, den rechtlichen Status des Embryos zu klären“.

136.

Ich stimme mit der Kommission darin überein, dass dieses Vorbringen ins Leere geht. Es richtet sich nicht gegen einen Punkt der Begründung des Gerichts, in dem es die angeblichen Beurteilungsfehler gewürdigt hat, die die Rechtsmittelführer mit ihrem fünften Nichtigkeitsgrund geltend machen, sondern gegen eine der Feststellungen des Gerichts zum vierten Nichtigkeitsgrund, der sich auf den angeblichen Verstoß gegen die Begründungspflicht bezieht. Das Gericht prüfte in Rn. 156 des angefochtenen Urteils nämlich die hinreichende Begründung.

137.

Drittens haben die Rechtsmittelführer eine Reihe von Argumenten vorgetragen, die sich im Wesentlichen gegen die Begründung des Gerichts in Bezug auf die hESC‑Forschung richten. Die Feststellung in der Mitteilung, dass mit dem „Dreifach-Sicherungssystem“ ein ethisch abgesichertes Kriterium für die Beurteilung eines Forschungsvorhabens zur Verfügung stehe, stelle einen offensichtlichen Beurteilungsfehler dar. Die Behauptung der Kommission, dass in einem solchen System, das die Finanzierung von Forschungsprojekten erlaube, die in 27 von 28 Mitgliedstaaten rechtswidrig seien, ein hoher Standard zu sehen sei, stelle nicht nur einen offensichtlichen Fehler dar, sondern sei schlichtweg absurd. In diesem Zusammenhang sei der Ansatz des Gerichts, was die unterschiedliche ethische Bewertung angehe, als Rechtsfehler anzusehen, da es im Zusammenhang mit einer erfolgreichen EBI nicht Aufgabe des Gerichts sei, über die Vorzüge widerstreitender sozialethischer Fragen zu befinden; dies sei vielmehr nicht Sache der Justiz, sondern des politischen Prozesses. Der Standpunkt des Gerichts sei an sich unethisch. Es vertrete einen durch reinen Subjektivismus gekennzeichneten Ansatz, durch den die Ansichten der Kommission unwiderlegbar gemacht werden sollten. Schließlich sei die Überprüfung durch das Gericht unvollständig, da nicht alle von den Rechtsmittelführern geltend gemachten Beurteilungsfehler geprüft würden. Insoweit werde die Rechtssache Brüstle zwar erörtert, das angefochtene Urteil enthalte jedoch keine weitere Erörterung der Behauptungen der Kommission zum „Dreifach-Sicherungssystem“.

138.

Das vorstehend skizzierte Vorbringen der Rechtsmittelführer ist unbegründet. Dieses Vorbringen beruht offenbar auf einem Missverständnis des Urteils des Gerichts.

139.

Das Gericht hat in Rn. 176 des angefochtenen Urteils, die im Mittelpunkt der Beanstandungen durch das Vorbringen der Rechtsmittelführer steht, zunächst die wesentlichen Merkmale der unterschiedlichen ethischen Ansätze der EBI und der Kommission skizziert, indem es ausführte, dass „der ethische Ansatz der in Rede stehenden EBI derjenige ist, dass der menschliche Embryo ein Mensch ist, dem der Genuss der Menschenwürde und das Recht auf Leben zuteil werden muss, während der sich aus der Mitteilung ergebende ethische Ansatz der Kommission dem Recht auf Leben und der Menschenwürde menschlicher Embryonen Rechnung trägt, gleichzeitig aber auch den Bedürfnissen der hESC‑Forschung, die zu Behandlungen derzeit noch unheilbarer oder lebensbedrohlicher Krankheiten führen kann, Rechnung trägt“. Es kam sodann zu dem Schluss, dass „der von der Kommission vertretene ethische Ansatz insoweit offensichtlich nicht mit einem offensichtlichen Beurteilungsfehler behaftet ist und dass das Vorbringen der Rechtsmittelführer, das auf einem anderen ethischen Ansatz beruht, das Vorliegen eines solchen Fehlers nicht belegt“.

140.

Es ist offenkundig, dass das Gericht sich keiner Ansicht angeschlossen und ethisch keine Stellung bezogen hat, die als „Rechtfertigung“ politischer Entscheidungen beanstandet werden könnte. Entgegen dem Vorbringen der Rechtsmittelführer wahrt das Urteil des Gerichts gerade das politische Ermessen, das der Kommission im Rahmen des aktuellen institutionellen Beschlussfassungsrahmens, insbesondere im Fall einer erfolgreichen EBI, zusteht. Es hat im Rahmen der Prüfung, ob die Mitteilung einen offensichtlichen Beurteilungsfehler enthält, lediglich angeführt, dass die Rechtsmittelführer einen anderen ethischen Standpunkt verträten als die Kommission.

141.

Diese Begründung ist nicht zu beanstanden. Wie von der Kommission zutreffend festgestellt, unterstreicht dieser Ansatz in Übereinstimmung mit dem anwendbaren Maßstab der gerichtlichen Kontrolle das politische Ermessen, über das die Kommission bei ihrer Beurteilung der Hinlänglichkeit und Angemessenheit des aktuellen Rechtsrahmens als eines der Elemente der Begründung ihrer Entscheidung verfügt, nicht von ihrem Ermessen zur Ausübung ihres Initiativrechts in dem durch die streitige EBI vorgeschlagenen Sinne Gebrauch zu machen.

142.

Mit der Begründung des Gerichts in den Rn. 176 und 177 des angefochtenen Urteils wird das Vorbringen der Rechtsmittelführer daher meines Erachtens angemessen abgedeckt. Ich sehe keinen Anlass, dieses Vorbringen weiter zu vertiefen, da es sich entweder gegen die von der Kommission in Ausübung ihres Ermessens zum Ausdruck gebrachten Wertentscheidungen richtet oder dem Gericht vorwirft, keine ethischen Standpunkte bezogen und grundlos bestimmten Werten gefolgt zu sein.

143.

Viertens sei die durch nichts belegte Behauptung, dass die Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen, die durch die Steuerzahler der Union finanziert würden, zu einer Verringerung von Schwangerschaftsabbrüchen führe, offensichtlich paradox.

144.

Dieses Vorbringen geht ins Leere, da es an dem wesentlichen Inhalt der Ausführungen des Gerichts in Bezug auf die Beanstandungen der Rechtsmittelführer zu den Erwägungen der Kommission zur Entwicklungszusammenarbeit vorbeigeht ( 78 ). Jedenfalls dürfte dieses Vorbringen auf einer eher zweifelhaften Auslegung der Mitteilung beruhen, da sich eine solche Behauptung darin nicht findet ( 79 ).

145.

Fünftens sei ihr Vortrag im Urteil des Gerichts missverstanden worden, soweit in Rn. 164 des angefochtenen Urteils festgestellt werde, dass „die Rechtsmittelführer auch geltend machen, dass es sich bei den Millenniums-Entwicklungszielen und dem Aktionsprogramm ‚Internationale Konferenz zu Fragen der Bevölkerung und der Entwicklung‘ nicht um verbindliche rechtliche Verpflichtungen, sondern um politische Ziele handelt“. Die Rechtsmittelführer hätten vielmehr vortragen wollen, dass die Kommission fälschlicherweise behauptet habe, dass diese Quellen verbindliche rechtliche Verpflichtungen enthielten, was ein offensichtlicher Fehler der Kommission gewesen sei.

146.

Selbst wenn unterstellt wird, dass das Gericht in der Erklärung der Kommission, dass die Millenniums-Entwicklungsziele und das IPCD-Programm rechtliche Verpflichtungen enthielten, fehlerhaft keinen offensichtlichen Fehler erkannt hätte, kann dieses Vorbringen nicht durchdringen, da die Mitteilung der Kommission diese Aussage nicht enthält. Diesem Vorbringen ist daher kein Rechtsfehler im Rahmen der Feststellung des Gerichts zu entnehmen, wonach das in Rn. 164 des angefochtenen Urteils wiedergegebene Vorbringen der Rechtsmittelführer nicht belege, dass offensichtliche Beurteilungsfehler vorlägen.

147.

Aufgrund aller vorstehenden Erwägungen ist der vierte Rechtsmittelgrund meines Erachtens als teilweise ins Leere gehend und teilweise unbegründet zurückzuweisen.

E.   Fünfter Grund: Fehlverständnis der EBI

148.

Mit dem fünften Rechtsmittelgrund rügen die Rechtsmittelführer einen Rechtsfehler des angefochtenen Urteils in Rn. 156, soweit dort festgestellt worden sei, dass auf das Vorbringen, wonach der menschliche Embryo ein Mensch sei, nicht eingegangen werden müsse.

149.

Nach Ansicht der Rechtsmittelführer ergebe sich der Sinn und Zweck der EBI eindeutig aus ihrem Gegenstand, der in der EBI bezeichnet sei als der „rechtliche Schutz der Würde, des Rechts auf Leben, und der Unversehrtheit jeder menschlichen Person vom Zeitpunkt der Empfängnis an“. Zu diesem Schluss sei das Gericht aufgrund eines Fehlverständnisses des Zwecks der EBI infolge der Entscheidung gekommen, dass ihr Ziel nicht der Schutz des Embryos als Mensch, sondern schlicht der Erlass der drei dem Unionsgesetzgeber vorzulegenden Vorschläge sei.

150.

Nach Ansicht der Kommission handelt es sich bei der Auslegung eines von einer privaten Partei stammenden Dokuments um eine Tatsachenwürdigung, die außer im Fall der Verfälschung von Beweismitteln keine Rechtsfrage darstelle, die Gegenstand einer Überprüfung durch den Gerichtshof im Rechtsmittelverfahren sei ( 80 ).

151.

Ich bin nicht davon überzeugt, dass es angemessen ist, die Frage der Definition des Gegenstands einer (erfolgreichen) EBI als einen tatsächlichen Umstand zu verstehen, die mit einem Dokument einer privaten Partei vergleichbar ist. Auch wenn natürlich die Frage, was wo schriftlich festgehalten wurde, eine Tatsachenfrage ist, ist die unmittelbare rechtliche Einordnung dieser Tatsachen im Rahmen der „Registrierbarkeit“ nach Art. 4 Abs. 2 der EBI-Verordnung sowie weiterer späterer Phasen einer EBI eindeutig nicht lediglich eine Tatsachenfrage. Außerdem kann kaum angenommen werden, dass eine EBI mit einem zwischen zwei privaten Parteien ausgehandelten Vertrag vergleichbar sei, der dann von den Unionsgerichten beispielsweise in einem wettbewerbsrechtlichen Zusammenhang berücksichtigt wird. Im Kontext einer EBI werden kontinuierlich (eine ganze Reihe von) Unterlagen privater Parteien mit den Unionsorganen ausgetauscht und von diesen bewertet.

152.

So reizvoll eine Erörterung der Abgrenzung zwischen Tatsachen- und Rechtsfragen im Allgemeinen auch sein mag, so überflüssig erschiene sie meines Erachtens im Kontext der vorliegenden Rechtssache. Der Zweck der EBI wird im angefochtenen Urteil in keiner Weise falsch verstanden.

153.

Das Vorbringen der Rechtsmittelführer läuft auf die Behauptung hinaus, die Kommission habe die EBI nicht dahin auslegen dürfen, dass damit nur das verlangt werde, was ausdrücklich gefordert worden sei (die drei konkreten Gesetzgebungsvorschläge im Anhang), sondern sie habe auch den Gegenstand der EBI als konkrete Aufforderung dazu auslegen müssen, ausdrücklich rechtlich dazu Stellung zu nehmen, dass Embryonen Menschen seien.

154.

Dieser Ansicht bin ich nicht.

155.

Nach Art. 4 Abs. 1 der EBI-Verordnung müssen die Organisatoren für einen Antrag auf Registrierung einer EBI die relevanten Informationen nach Anhang II vorlegen. Nach diesem Anhang ist die Angabe einer Bezeichnung in höchstens 100 Zeichen (1), eines Gegenstands in höchstens 200 Zeichen (2) und einer Beschreibung der Ziele in höchstens 500 Zeichen (3) erforderlich. Außerdem können die Organisatoren fakultativ, wenn sie dies wünschen, einen Entwurf für einen Rechtsakt vorlegen.

156.

In der in Rede stehenden EBI sind die konkreten Ziele im Sinne der Nummer (3) eindeutig als Vorschlag dahin benannt „[die] Finanzierung aller Aktivitäten (insbesondere in den Bereichen Forschung, Entwicklungspolitik und öffentliche Gesundheit), die die Zerstörung menschlicher Embryonen voraussetzen, [zu] unterbinden“ ( 81 ). Diesen Zielen war ein konkreter Entwurf für einen Rechtsakt beigefügt.

157.

Insoweit hat der Gerichtshof bereits hervorgehoben, dass im Rahmen der Registrierung einer geplanten EBI nach Art. 4 der EBI-Verordnung einer sorgfältigen und unparteiischen Prüfung aller von den Organisatoren einer EBI gemachten Angaben durch die Kommission besondere Bedeutung zukommt, wenn sie im Anhang der von ihnen geplanten EBI genauere Informationen zu deren Gegenstand, Zielen und Hintergrund zur Verfügung stellen ( 82 ). Diese Angaben müssen ferner auch alle im Rahmen der Mitteilung der Kommission nach Art. 10 Abs. 1 Buchst. c der EBI-Verordnung gebührend berücksichtigt werden.

158.

Die Ziele einer EBI bleiben logischerweise zu beiden vorgenannten Zeitpunkten unverändert. In der vorliegenden Rechtssache hat die Kommission die Ziele anhand der konkreten, in der EBI gemachten Vorschläge ausgelegt und ist davon ausgehend zu dem Schluss gekommen, dass sie registriert werden konnten, da sie die Voraussetzungen von Art. 4 der EBI-Verordnung erfüllten. Ich halte das Vorbringen für sehr seltsam, dass die Kommission parallel (oder zusätzlich) hierzu die Ziele der EBI auch noch anhand des oben genannten Gegenstands hätte auslegen müssen, da dies möglicherweise durchaus hätte dazu führen können, dass das Ziel die Voraussetzungen nach Art. 4 Abs. 2 Buchst. b der EBI-Verordnung nicht erfüllt hätte.

159.

Was der Kommission tatsächlich vorgeworfen wird, ist somit im Kern, dass sie nicht über die konkreten, eindeutig genannten Ziele der EBI hinaus der Bezeichnung der EBI ein weiteres Ziel entnommen habe. Diese Auslegung der EBI wäre letztlich zu deren Lasten gegangen, da dieses Ziel (oder möglicherweise die EBI insgesamt) dann von der Registrierung hätte ausgeschlossen werden müssen. Ich habe persönlich zugestandenermaßen durchaus Schwierigkeiten damit, der Kommission eine Befugnis nach Art. 4 Abs. 2 Buchst. b der EBI-Verordnung zuzuerkennen, einen Vorschlag für einen Rechtsakt der Europäischen Union vorzulegen, mit dem die Frage geklärt werden soll, ob der menschliche Embryo ein Mensch ist.

160.

Unter diesen Umständen kann nicht festgestellt werden, dass das Gericht in Rn. 156 des angefochtenen Urteils rechtsfehlerhaft festgestellt hätte, dass das Ziel der in Rede stehenden EBI nicht darin bestanden hätte, den rechtlichen Status des menschlichen Embryos zu definieren oder klarzustellen, sondern darin, dass die Kommission dem Unionsgesetzgeber diese drei Vorschläge vorlegt.

161.

Der fünfte Rechtsmittelgrund ist daher meines Erachtens als unbegründet zurückzuweisen.

VI. Kosten

162.

Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung, der nach ihrem Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

163.

Die Kommission hat einen Kostenantrag gestellt. Die Rechtsmittelführer sind meines Erachtens unterlegen. Die Rechtsmittelführer sind daher zur Tragung der Kosten des vorliegenden Rechtsmittelverfahrens zu verurteilen.

VII. Ergebnis

164.

Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor,

das Rechtsmittel zurückzuweisen;

den Rechtsmittelführern ihre eigenen Kosten und die Kosten der Kommission aufzuerlegen.


( 1 ) Originalsprache: Englisch.

( 2 ) Urteil vom 23. April 2018, One of Us u. a./Kommission (T‑561/14, EU:T:2018:210).

( 3 ) Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 über die Bürgerinitiative (ABl. 2011, L 65, S. 1) (im Folgenden: EBI-Verordnung).

( 4 ) Vgl. Urteile vom 12. September 2017, Anagnostakis/Kommission (C‑589/15 P, EU:C:2017:663), und vom 7. März 2019, Izsák und Dabis/Kommission (C‑420/16 P, EU:C:2019:177), sowie Urteile des Gerichts vom 19. April 2016, Costantini u. a./Kommission (T‑44/14, EU:T:2016:223), vom 3. Februar 2017, Minority SafePack – one million signatures for diversity in Europe/Kommission (T‑646/13, EU:T:2017:59), vom 5. April 2017, HB u. a./Kommission (T‑361/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:252), und vom 10. Mai 2017, Efler u. a./Kommission (T‑754/14, EU:T:2017:323).

( 5 ) Die anderen drei erfolgreichen EBI sind Right2Water, Stop vivisection und Verbot von Glyphosat. Siehe http://ec.europa.eu/citizens-initiative/public/initiatives/successful.

( 6 ) ECI(2012)000005.

( 7 ) ABl. 2002, L 248, S. 1.

( 8 ) KOM(2011) 809 endg.

( 9 ) ABl. 2006, L 378, S. 41.

( 10 ) KOM(2014) 355 endg.

( 11 ) Beschluss vom 26. November 2015, One of Us/Parlament u. a. (T‑561/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:917).

( 12 ) Urteil vom 23. April 2018 (T‑561/14, EU:T:2018:210).

( 13 ) Rn. 53 bis 65 des angefochtenen Urteils.

( 14 ) Rn. 66 bis 101 des angefochtenen Urteils.

( 15 ) Rn. 102 ff. des angefochtenen Urteils.

( 16 ) Diese drei Fälle sind in Rn. 103 des angefochtenen Urteils genannt. „… erstens wenn die von der EBI verlangten Maßnahmen nicht mehr erforderlich sind, … zweitens, wenn der Erlass der von der EBI verlangten Maßnahmen nach Registrierung der EBI unmöglich geworden ist, und drittens, wenn die EBI keinen konkreten Vorschlag für Maßnahmen enthält, sondern lediglich Aufmerksamkeit für ein Problem schafft, das gelöst werden soll, und der Kommission die Entscheidung überlässt, welche Maßnahmen gegebenenfalls ergriffen werden können.“

( 17 ) Urteil vom 14. April 2015 (C‑409/13, EU:C:2015:217, Rn. 75 und 76).

( 18 ) Vgl. z. B. im Deutschen: „… können die Initiative ergreifen und die Europäische Kommission auffordern“; im Spanischen: „… podrá tomar la iniciativa de invitar a la Comisión Europea“; im Italienischen: „… possono prendere l’iniziativa d’invitare la Commissione europea“; im Niederländischen: „kunnen zij het initiatief nemen de Europese Commissie te verzoeken“; im Portugiesischen: „pode tomar a iniciativa de convidar a Comissão Europeia“; und im Tschechischen: „se může ujmout iniciativy a vyzvat Evropskou komisi“.

( 19 ) Vgl. veranschaulichend meine Schlussanträge in der Rechtssache Belgien/Kommission (C‑16/16 P, EU:C:2017:959, Nrn. 114 bis 115 und 140 bis 141).

( 20 ) ABl. 2003, C 169, S. 1. Diese Bestimmung lautet: „Mindestens eine Million Bürgerinnen und Bürger aus einer erheblichen Zahl von Mitgliedstaaten können die Kommission auffordern, geeignete Vorschläge zu Themen zu unterbreiten, zu denen es nach Ansicht der Bürgerinnen und Bürger eines Rechtsakts der Union bedarf, um die Verfassung umzusetzen. Die Bestimmungen über die besonderen Verfahren und Bedingungen, die für eine solche Bürgerinitiative gelten, werden durch ein Europäisches Gesetz festgelegt.“

( 21 ) Vgl. z. B. Morelli, M., La democrazia partecipativa nella governance dell’Unione europea, Giuffrè editore, Mailand, 2011, S. 55 ff.

( 22 ) Vgl. zu hiermit in Verbindung stehenden Änderungen, die auf Elemente der Bürgerinitiative aufbauen, das europäische Referendum und das Petitionsrecht, Lamassoure, A., „Proposition d’amendement à l’Article 34 (bis)“, die eine Verpflichtung der Kommission zur Vorlage eines Vorschlags enthalten, sowie Einem, C., und Berger, M., „Suggestion for amendment of Article: 34a“, zur Verpflichtung, ein Referendum abzuhalten. Die Änderungen sind verfügbar unter: http://european-convention.europa.eu/EN/amendemTrait/amendemTrait2352.html?lang=EN.

( 23 ) Vgl. Meyer, J., „Suggestion for amendment of Article: I-46, part I, title VI (CONV 724/03)“. Der Erläuterung dieses Änderungsvorschlags zufolge „wird er das bestehende Petitionsrecht zu einem Recht der Bürger auf Vorlage von Gesetzgebungsvorschlägen an die EU-Kommission ausbauen. Die Kommission muss dann entscheiden, ob sie gesetzgeberisch tätig wird oder nicht“.

( 24 ) Änderungsantrag 19, Bericht I über den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Bürgerinitiative (KOM[2010] 0119 – C7‑0089/2010 – 2010/0074 [COD]), Ausschuss für konstitutionelle Fragen A7‑0350/2010.

( 25 ) Zur Debatte im Europäischen Parlament vgl. Szeligowska, D., und Mincheva, E., „The European Citizens’ Initiative – Empowering European Citizens within the Institutional Triangle: A Political and Legal Analysis“, Perspectives on European Politics and Society, Bd. 13, 2012, Nr. 3, S. 270 bis 284, auf S. 274.

( 26 ) Begründung, Bericht I über den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Bürgerinitiative (KOM[2010] 119 – C7‑0089/2010 – 2010/0074 [COD]), Ausschuss für konstitutionelle Fragen A7‑0350/2010.

( 27 ) Der weite Ansatz zur Zulässigkeit auf der Ebene der Registrierung wird durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs bestätigt, in der bisher lediglich das Kriterium des Art. 4 Abs. 2 Buchst. b der EBI-Verordnung Gegenstand der Auslegung war. Der Gerichtshof hat in diesem Zusammenhang erklärt, dass die Kommission, wenn eine geplante EBI an sie herangetragen wird, „verpflichtet ist, [die] Bedingung für die Registrierung [nach Art. 4 Abs. 2 Buchst. b] so auszulegen und anzuwenden, dass eine leichte Zugänglichkeit der EBI sichergestellt ist und dass sie die Registrierung … nur ablehnen darf, wenn [die EBI] offenkundig außerhalb des Rahmens ihrer Befugnisse [liegt]“. Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 12. September 2017, Anagnostakis/Kommission (C‑589/15 P, EU:C:2017:663, Rn. 49 und 50), und vom 7. März 2019, Izsák und Dabis/Kommission (C‑420/16 P, EU:C:2019:177, Rn. 64).

( 28 ) Urteil vom 14. April 2015 (C‑409/13, EU:C:2015:217, Rn. 75 und 76).

( 29 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. September 2017, Slowakei und Ungarn/Rat (C‑643/15 und C‑647/15, EU:C:2017:631, Rn. 146).

( 30 ) Vgl. hierzu Schlussanträge des Generalanwalts Jääskinen in der Rechtssache Rat/Kommission (C‑409/13, EU:C:2014:2470, Nrn. 44 und 45).

( 31 ) Vgl. zu dieser Diskussion Ponzano, P., „Le droit d’initiative de la Commission européenne: théorie et pratique“, Revue des affaires européennes, 2009 bis 2010/1, S. 27 bis 35; Ponzano, P., Hermanin, C., und Corona, D., The Power of Initiative of the European Commission: A Progressive Erosion?, Notre Europe, 2012, S. 7; oder von Buttlar, C., Das Initiativrecht der Europäischen Kommission, Duncker & Humblot, Berlin, 2003, S. 17.

( 32 ) Urteile vom 14. April 2015, Rat/Kommission, (C‑409/13, EU:C:2015:217, Rn. 70), und vom 6. September 2017, Slowakei und Ungarn/Rat (C‑643/15 und C‑647/15, EU:C:2017:631, Rn. 146).

( 33 ) Urteil vom 14. April 2015, Rat/Kommission (C‑409/13, EU:C:2015:217, Rn. 70).

( 34 ) Wie im Fall einer gemeinsamen Verkehrspolitik nach Art. 74 und 75 des EWG-Vertrags. Vgl. Urteil vom 22. Mai 1985, Parlament/Rat (13/83, EU:C:1985:220, insbesondere Rn. 64 bis 68).

( 35 ) Insoweit ist in ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs anerkannt, dass „die Grundsätze über die Willensbildung der Unionsorgane in den Verträgen festgelegt sind und nicht zur Disposition der Mitgliedstaaten oder der Organe selbst stehen“. Vgl. z. B. Urteil vom 10. September 2015, Parlament/Rat (C‑363/14, EU:C:2015:579, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 36 ) Vgl. in diesem Sinne zur Bedeutung des Zugangs zu Dokumenten Urteil vom 4. September 2018, ClientEarth/Kommission (C‑57/16 P, EU:C:2018:660, Rn. 108).

( 37 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 23. März 2004, Frankreich/Kommission (C‑233/02, EU:C:2004:173, Rn. 51).

( 38 ) Allerdings wäre die zeitgleiche Bearbeitung und Erörterung von Initiativen mit verschiedenen oder gar einander widersprechenden Inhalten in einer Demokratie sicherlich möglich. Es ließe sich ohne Weiteres eine Parallele zur nationalen Ebene in dem Sinne ziehen, dass möglicherweise verschiedene Vorschläge zeitgleich in einem Parlament vorgelegt und erörtert werden. Diese Analogie lässt sich jedoch nicht vollständig herstellen, da solche Situationen auf nationaler Ebene untrennbar mit den jeweiligen Initiativrechten einzelner Parlamentsmitglieder, der Parlamentsfraktionen oder politischer Vereinigungen im Parlament verknüpft sind, die dann wahrscheinlich miteinander oder mit einem bereits vorgelegten Regierungsvorschlag kollidieren. Eine bessere Analogie wäre insoweit eine Situation, in der ein und dieselbe Regierung dem nationalen Parlament gleichzeitig einander widersprechende Vorschläge übermittelt, was, egal auf welcher Ebene, kaum als effektive (oder auch nur demokratische) Regierungsführung bezeichnet werden könnte.

( 39 ) Beschluss vom 5. September 2018, Minority SafePack – one million signatures for diversity in Europe/Kommission (C‑717/17 P[I], nicht veröffentlicht, EU:C:2018:691, Rn. 31).

( 40 ) Urteil vom 14. April 2015 (C‑409/13, EU:C:2015:217).

( 41 ) Urteil vom 14. April 2015 (C‑409/13, EU:C:2015:217, Rn. 75 und 76).

( 42 ) Siehe oben, Nrn. 38 bis 41 der vorliegenden Schlussanträge.

( 43 ) Urteil vom 12. September 2017, Anagnostakis/Kommission (C‑589/15 P, EU:C:2017:663, Rn. 24).

( 44 ) Urteile vom 12. September 2017, Anagnostakis/Kommission (C‑589/15 P, EU:C:2017:663, Rn. 49), und vom 7. März 2019, Izsák und Dabis/Kommission (C‑420/16 P, EU:C:2019:177, Rn. 53).

( 45 ) Siehe oben, Nrn. 39 bis 42 der vorliegenden Schlussanträge.

( 46 ) Änderungsantrag 52, Bericht I über den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Bürgerinitiative (KOM[2010] 0119 – C7‑0089/2010 – 2010/0074 (COD)), Ausschuss für konstitutionelle Fragen A7-0350/2010.

( 47 ) Ergänzt sei, dass die Rahmenvereinbarung über die Beziehungen zwischen dem Europäischen Parlament und der Europäischen Kommission (ABl. 2010, L 304, S. 47) in Nr. 16 eine wichtige Verbindung zwischen der Weiterbehandlung einer Aufforderung des Parlaments nach Art. 225 AEUV und der EBI herstellt. Die Kommission verpflichtet sich, über die Weiterbehandlung innerhalb von drei Monaten nach der Entschließung zu berichten; legt sie keinen Vorschlag vor, so teilt sie die Gründe dafür mit. Insbesondere „verpflichtet sich“ die Kommission „zu enger und früher Zusammenarbeit mit dem Parlament bei Aufforderungen zur Vorlage von Gesetzgebungsinitiativen, die aus Bürgerinitiativen hervorgehen“. Vgl. zur Interaktion mit dem Europäischen Parlament, Karatzia, A., „The European Citizens’ Initiative and the EU Institutional Balance: On realism and the possibilities of affecting EU law-making“, Common Market Law Review, 54, 2017, S. 177, auf S. 187 bis 190.

( 48 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. Mai 2017, Efler u. a./Kommission (T‑754/14, EU:T:2017:323‚ Rn. 45).

( 49 ) So festgestellt im Beschluss der Europäischen Bürgerbeauftragten zum Abschluss ihrer Initiativuntersuchung OI/9/2013/TN betreffend die Europäische Kommission vom 4. März 2015, Ziff. 20.

( 50 ) Zu einer Erörterung anderer Initiativsysteme aus vergleichender Sicht vgl. Cuesta López, V., „A Comparative approach to the Regulation on the European Citizens‘ Initiative“, Perspectives on European Politics and Society, 13, 2012, S. 257 bis 269, auf S. 263; Petropoulos, E., „Die Europäische Bürgerinitiative im paneuropäischen Kontext: Wo steht die direkte Demokratie in der EU im Vergleich zu ihren Mitgliedstaaten?“, Saar Blueprints, 11/2016; Qvortrup, M., „The Legislative Initiative: A comparative Analysis of the Domestic Experiences in EU Countries“, in Dougan, M., Nic Shuibhne, N., und Spaventa, E., Empowerment and Disempowerment of the European Citizen, Hart, Oxford, 2012, S. 291 bis 304.

( 51 ) Siehe oben, Nrn. 39 und 71.

( 52 ) Vgl. Nr. 31 der vorliegenden Schlussanträge.

( 53 ) Zum Beispiel Organ, J., „Decommissioning Direct Democracy? A Critical Analysis of Commission Decision-Making on the Legal Admissibility of European Citizens Initiative Proposals“, European Constitutional Law Review, 10 (3), 2014, S. 422 bis 443; Guilloud-Colliat, L., „La mise en oeuvre de l’initiative citoyenne européenne: anatomie d’un échec“, Revue du droit de l’Union européenne, Bd. 4, 2008, S. 175 bis 200; und Bouza Garcia, L., und Del Río Villar, S., „The ECI as a Democratic Innovation: Analysing its Ability to Promote Inclusion, Empowerment and Responsiveness in European Civil Society“, Perspectives on European Politics and Society, 13 (3), 2012, S. 312 bis 324.

( 54 ) Vgl. Berichte der Kommission über die Anwendung der Verordnung (EU) Nr. 211/2011 über die Bürgerinitiative (COM[2015] 145 final und COM[2018] 157 final) sowie das Dokument „The European Citizens’ Initiative: the experience of the first three years. European Implementation Assessment [Die Europäische Bürgerinitiative: Erfahrungen der ersten drei Jahre. Bewertung der EU-weiten Durchführung.]“, Wissenschaftlicher Dienst des Europäischen Parlaments, S. 27 ff., und die darin genannten Entschließungen des Europäischen Parlaments.

( 55 ) Verordnung (EU) 2019/788 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. April 2019 über die Europäische Bürgerinitiative (ABl. 2019, L 130, S. 55). Die neue Verordnung lässt die Unverbindlichkeit einer erfolgreichen EBI für die Kommission unverändert. Sie bringt in dieser konkreten Hinsicht allerdings Änderungen in Bezug auf die vom Parlament wahrgenommene politische Kontrolle der Weiterbehandlung durch die Kommission (Art. 16) und die Verpflichtung des Parlaments, nach der Anhörung zu bewerten, inwieweit die Initiative politisch unterstützt wird (Art. 14 Abs. 3).

( 56 ) Unter Verweis auf die Urteile vom 19. November 1998, Nilsson u. a. (C‑162/97, EU:C:1998:554, Rn. 54), vom 25. November 1998, Manfredi (C‑308/97, EU:C:1998:566, Rn. 30), und vom 24. November 2005, Deutsches Milch-Kontor (C‑136/04, EU:C:2005:716, Rn. 32).

( 57 ) Vgl. veranschaulichend z. B. Urteil vom 12. Juli 2005, Alliance for Natural Health u. a. (C‑154/04 und C‑155/04, EU:C:2005:449, Rn. 91 und 92), vom 21. Dezember 2011, Ziolkowski und Szeja (C‑424/10 und C‑425/10, EU:C:2011:866, Rn. 42 und 43), oder vom 25. Juli 2018, Confédération paysanne u. a. (C‑528/16, EU:C:2018:583, Rn. 44 bis 46 und 51).

( 58 ) Die Lehrbuchbeispiele dieser Kategorie sind Fälle, in denen der Geltungsbereich eines in den Artikeln eines Rechtsakts enthaltenen undefinierten oder unbestimmten Rechtsbegriffs angesichts eines Erwägungsgrunds eng oder weit ausgelegt wird. Auf diese Weise könnte einem Beteiligten, förmlich natürlich aufgrund eines Artikels des Rechtsakts, tatsächlich jedoch aufgrund eines Erwägungsgrunds, der den Geltungsbereich des betreffenden Rechtsbegriffs möglicherweise erheblich verändert, eine Verpflichtung oder einem anderen ein Recht entstehen.

( 59 ) Ohne eine „rückwirkende Auslegung“ vornehmen zu wollen, sei darauf hingewiesen, dass das Wort „getrennt“ im 28. Erwägungsgrund der Verordnung 2019/788, der dem 20. Erwägungsgrund der EBI-Verordnung entspricht, entfallen ist.

( 60 ) Vgl. Begründung des 19. Änderungsantrags, Bericht I über den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Bürgerinitiative (KOM[2010] 0119 – C7‑0089/2010 – 2010/0074 [COD]), Ausschuss für konstitutionelle Fragen A7-0350/2010. Ebenso heißt es im 52. Änderungsantrag, dass „die Kommission zu rechtlichen und politischen Schlussfolgerungen über die Initiative gelangen [sollte]. Die Mitteilung sollte beide Arten von Schlussfolgerungen enthalten“.

( 61 ) Urteil vom 14. Juli 2005, Rica Foods/Kommission (C‑40/03 P, EU:C:2005:455).

( 62 ) Urteil vom 9. Dezember 2014 (C‑261/13 P, EU:C:2014:2423).

( 63 ) Rn. 169 des angefochtenen Urteils.

( 64 ) Urteil vom 14. Juli 2005, Rica Foods/Kommission (C‑40/03 P, EU:C:2005:455, Rn. 53 bis 55 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 65 ) Vgl. zur Diskussion über die Rechtfertigung der Mitteilung über die Weiterbehandlung einer erfolgreichen EBI z. B. Dougan, M., „What are we to make of the citizens‘ initiative?“, Common Market Law Review, 48, 2011, S. 1807 bis 1848, auf S. 1839; Vogiatzis, N., „Between discretion and control: Reflections on the institutional position of the Commission within the European citizens’ initiative process“, European Law Journal, 23, 2017, S. 250 bis 271, auf S. 257.

( 66 ) Urteil vom 9. Dezember 2014, Schönberger/Parlament (C‑261/13 P, EU:C:2014:2423‚ Rn. 24).

( 67 ) Es geht somit nicht von einem Ausschluss von einer gerichtlichen Überprüfung deshalb aus, weil es sich um eine „politische Frage“ handelt, was in gewisser Weise auch denkbar gewesen wäre. Wenn anerkannt wird, dass die Kommission über ein politisches Ermessen dahin verfügt, ob eine erfolgreiche EBI weiterverfolgt werden soll oder nicht, was bliebe dann zu prüfen? Geschmack, Ansichten und politische Überzeugungen sind kaum einer (rationalen) gerichtlichen Überprüfung zugänglich. Vgl. zu dieser Diskussion im Allgemeinen Butler, G., „In search of the Political Question Doctrine in EU law“, Legal Issues of Economic Integration, Bd. 45 (4), 2018, S. 329 bis 354.

( 68 ) Was somit auf einer anderen Ebene die „Mehrwert“-Diskussion oben in den Nrn. 73 und 74 der vorliegenden Schlussanträge widerspiegelt.

( 69 ) Vgl. Nr. 100 der vorliegenden Stellungnahme.

( 70 ) Vgl. z. B. Urteil vom 6. September 2017, Slowakei und Ungarn/Rat (C‑643/15 und C‑647/15, EU:C:2017:631‚ Rn. 124 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 71 ) Vgl. z. B. Urteil vom 18. März 2014, Kommission/Parlament und Rat (C‑427/12, EU:C:2014:170‚ Rn. 40), vom 11. Dezember 2018, Weiss u. a. (C‑493/17, EU:C:2018:1000‚ Rn. 24), oder vom 30. April 2019, Italien/Rat (Fangquote für Schwertfisch im Mittelmeer) (C‑611/17, EU:C:2019:332‚ Rn. 57 und 120).

( 72 ) Schlussanträge des Generalanwalts Léger in der Rechtssache Rica Foods/Kommission (C‑40/03 P, EU:C:2005:93‚ Nrn. 45 bis 50).

( 73 ) Siehe oben, Nr. 103 der vorliegenden Schlussanträge.

( 74 ) Urteil vom 18. Oktober 2011 (C‑34/10, EU:C:2011:669).

( 75 ) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Juli 1998 über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen (ABl. 1998, L 213, S. 13).

( 76 ) Urteile vom 18. Oktober 2011, Brüstle (C‑34/10, EU:C:2011:669‚ Rn. 40), und vom 18. Dezember 2014, International Stem Cell Corporation (C‑364/13, EU:C:2014:2451‚ Rn. 22).

( 77 ) Vgl. in diesem Sinne Schlussanträge des Generalanwalts Bot in der Rechtssache Brüstle (C‑34/10, EU:C:2011:138‚ Nr. 44), wo er betont, dass „Patentierbarkeit und Forschung nicht untrennbar miteinander verbunden“ seien.

( 78 ) Siehe Rn. 179 und 180 des angefochtenen Urteils.

( 79 ) Die Mitteilung beinhaltet in Nr. 3.3 lediglich folgende Feststellung: „In den Partner-Entwicklungsländern, in denen die EU den Gesundheitssektor fördert, unterstützt sie das Gesundheitswesen entweder durch Hilfen für die Bereitstellung integrierter Gesundheitsleistungen, die Dienste zur Förderung der sexuellen und reproduktiven Gesundheit und der Gesundheit von Müttern, Neugeborenen und Kindern in allen Bereichen der Gesundheitsfürsorge bieten, oder durch die Bereitstellung von Budgethilfen für diese Länder zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit ihrer nationalen Gesundheitssysteme. Per Definition leistet diese Hilfe einen direkten oder indirekten Beitrag zum Gesamtspektrum der in den Partnerländern angebotenen Gesundheitsleistungen; diese können unter Umständen Dienste im Zusammenhang mit Schwangerschaftsabbrüchen zur Rettung des Lebens der Mutter umfassen. Diese umfassende Unterstützung der EU trägt wesentlich zur Senkung der Zahl der Schwangerschaftsabbrüche bei, weil sie … den Zugang zu sicheren und hochwertigen Diensten (u. a. gute Familienplanung, eine große Bandbreite an Verhütungsmethoden, Notverhütung und umfassende Sexualerziehung) verbessert.“

( 80 ) Dies wird auf das Urteil vom 13. Juli 2006, Kommission/Volkswagen (C‑74/04 P, EU:C:2006:460‚ Rn. 49 bis 53), gestützt.

( 81 ) Siehe Nr. 11 der vorliegenden Schlussanträge.

( 82 ) Vgl. Urteile vom 12. September 2017, Anagnostakis/Kommission (C‑589/15 P, EU:C:2017:663‚ Rn. 35 und 45), und vom 7. März 2019, Izsák und Dabis/Kommission (C‑420/16 P, EU:C:2019:177‚ Rn. 51).