URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer)

7. April 2016 ( *1 )

„Rechtsmittel — Restriktive Maßnahmen gegen die Islamische Republik Iran — Liste der Personen und Organisationen, für die das Einfrieren von Geldern und wirtschaftlichen Ressourcen gilt — Kriterium der materiellen, logistischen oder finanziellen Unterstützung der iranischen Regierung — Finanzdienstleistungen einer Zentralbank“

In der Rechtssache C‑266/15 P

betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 3. Juni 2015,

Central Bank of Iran mit Sitz in Teheran (Iran), Prozessbevollmächtigte: M. Lester und Z. Al‑Rikabi, Barristers,

Rechtsmittelführerin,

andere Partei des Verfahrens:

Rat der Europäischen Union, vertreten durch V. Piessevaux und M. Bishop als Bevollmächtigte,

Beklagter im ersten Rechtszug,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Ilešič, der Richterin C. Toader, des Richters A. Rosas (Berichterstatter), der Richterin A. Prechal und des Richters E. Jarašiūnas,

Generalanwalt: H. Saugmandsgaard Øe,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1

Mit ihrem Rechtsmittel beantragt die Central Bank of Iran (Zentralbank des Iran) die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 25. März 2015 (T‑563/12, EU:T:2015:187, im Folgenden: angefochtenes Urteil), mit dem dieses ihre Klage auf Nichtigerklärung zum einen des Beschlusses 2012/635/GASP des Rates vom 15. Oktober 2012 zur Änderung des Beschlusses 2010/413/GASP über restriktive Maßnahmen gegen Iran (ABl. L 282, S. 58) und zum anderen der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 945/2012 des Rates vom 15. Oktober 2012 zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 267/2012 über restriktive Maßnahmen gegen Iran (ABl. L 282, S. 16) (im Folgenden zusammen: streitige Rechtsakte), soweit diese Rechtsakte sie betreffen, abgewiesen hat.

Rechtlicher Rahmen

2

Am 26. Juli 2010 nahm der Rat den Beschluss 2010/413/GASP über restriktive Maßnahmen gegen Iran und zur Aufhebung des Gemeinsamen Standpunkts 2007/140/GASP (ABl. L 195, S. 39) an, in dessen Anhang II die Personen und Einrichtungen – neben denen, die vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen oder von dem mit der Resolution 1737 (2006) [RCSNU 1737 (2006)] eingesetzten Sanktionsausschuss benannt wurden und in Anhang I dieses Beschlusses erfasst sind – aufgeführt sind, deren Gelder eingefroren werden.

3

Am 23. Januar 2012 nahm der Rat den Beschluss 2012/35/GASP zur Änderung des Beschlusses 2010/413 (ABl. L 19, S. 22) an. Im 13. Erwägungsgrund dieses Beschlusses heißt es: „Die Einreisebeschränkungen und das Einfrieren von Geldern und wirtschaftlichen Ressourcen sollten auf weitere Personen und Einrichtungen, die die iranische Regierung unterstützen, indem sie ihr proliferationsrelevante nukleare Tätigkeiten oder die Entwicklung von Trägersystemen für Kernwaffen ermöglichen, insbesondere auf Personen und Einrichtungen, die finanzielle, logistische oder materielle Unterstützung für die iranische Regierung bereitstellen, Anwendung finden.“

4

Durch Art. 1 Nr. 7 Buchst. a Ziff. ii des Beschlusses 2012/35 wurde Art. 20 Abs. 1 des Beschlusses 2010/413 folgender Buchstabe angefügt, der vorsieht, dass die Gelder der nachstehenden Personen und Einrichtungen eingefroren werden:

„c)

weitere, nicht in Anhang I erfasste Personen und Einrichtungen, die die Regierung Irans unterstützen, und mit ihnen verbundene Personen und Einrichtungen gemäß der Auflistung in Anhang II“.

5

Durch Art. 1 Nr. 8 Buchst. a des Beschlusses 2012/635 wurde Art. 20 Abs. 1 Buchst. c des Beschlusses 2010/413 geändert; diese Bestimmung sieht nun vor, dass restriktive Maßnahmen verhängt werden gegen:

„c)

andere Personen und Einrichtungen, die nicht unter Anhang I fallen, die die Regierung des Iran unterstützen, und Einrichtungen, die in deren Eigentum oder unter deren Kontrolle stehen, oder Personen und Einrichtungen, die mit ihnen in Verbindung stehen; diese sind in Anhang II aufgeführt“.

6

Mit dem Beschluss 2012/35 wurde der Name der Rechtsmittelführerin in die Liste des Anhangs II des Beschlusses 2010/413 aufgenommen. Der hierfür angeführte Grund waren Tätigkeiten, mit denen die Sanktionen umgangen werden sollten. Aus eben diesem Grund wurde der Name der Rechtsmittelführerin mit der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 54/2012 des Rates vom 23. Januar 2012 zur Durchführung der Verordnung Nr. 961/2010 (ABl. L 19, S. 1) in die Liste des Anhangs VIII der Verordnung (EU) Nr. 961/2010 des Rates vom 25. Oktober 2010 über restriktive Maßnahmen gegen Iran und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 423/2007 (ABl. L 281, S. 1) aufgenommen.

7

Durch den Beschluss 2012/635 wurde der Grund für die Aufnahme durch den folgenden Eintrag ergänzt:

„Unterstützt die iranische Regierung finanziell.“

8

Am 23. März 2012 erließ der Rat die Verordnung (EU) Nr. 267/2012 über restriktive Maßnahmen gegen Iran und zur Aufhebung der Verordnung Nr. 961/2010. Art. 23 Abs. 2 dieser Verordnung sieht vor, dass die Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen der in Anhang IX der Verordnung aufgeführten Personen, Organisationen und Einrichtungen eingefroren werden, in Bezug auf die festgestellt wurde, dass sie:

„d)

sonstige Personen, Organisationen oder Einrichtungen sind, die die iranische Regierung beispielsweise finanziell, logistisch oder materiell unterstützen, oder Personen und Organisationen, die mit ihnen in Verbindung stehen“.

9

Durch die Verordnung Nr. 945/2012 wurde der Grund für die Aufnahme des Namens der Rechtsmittelführerin in die Liste des Anhangs IX der Verordnung Nr. 267/2012 um den folgenden Eintrag ergänzt:

„Unterstützt die iranische Regierung finanziell.“

Verfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil

10

Mit Klageschrift, die am 26. Dezember 2012 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, erhob die Central Bank of Iran eine Klage auf Nichtigerklärung der streitigen Rechtsakte, soweit durch diese ihr Name nach erneuter Prüfung auf den Listen der von restriktiven Maßnahmen betroffenen Einrichtungen belassen worden war.

11

Die Central Bank of Iran machte zur Stützung ihres Antrags vier Klagegründe geltend. Mit dem ersten Klagegrund wurde ein Beurteilungsfehler, mit dem zweiten der Verstoß gegen die Begründungspflicht, mit dem dritten die Verletzung des Grundsatzes der Wahrung der Verteidigungsrechte und des Rechts auf effektive gerichtliche Kontrolle und mit dem vierten schließlich der Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und die Verletzung ihrer Grundrechte, insbesondere des Rechts auf Schutz ihres Eigentums und ihres Ansehens, geltend gemacht.

12

Das Gericht hat die Klage mit dem angefochtenen Urteil insgesamt abgewiesen.

Anträge der Parteien

13

Die Central Bank of Iran beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben;

die streitigen Rechtsakte für nichtig zu erklären, soweit sie sie betreffen;

dem Rat die der Rechtsmittelführerin im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens und im Rahmen des Rechtsmittels entstandenen Kosten aufzuerlegen.

14

Der Rat beantragt,

das Rechtsmittel zurückzuweisen;

der Rechtsmittelführerin die Kosten aufzuerlegen.

Zum Rechtsmittel

15

Zur Stützung ihres Rechtsmittels führt die Central Bank of Iran vier Rechtsmittelgründe an. Der erste Rechtsmittelgrund ist auf einen Fehler gestützt, den das Gericht mit der Feststellung begangen haben soll, dass der Rat zutreffend zu dem Ergebnis gelangt sei, dass sie die iranische Regierung „finanziell unterstützt“ habe. Der zweite Rechtsmittelgrund betrifft einen angeblichen Rechtsfehler des Gerichts bei seiner Beurteilung der Begründungspflicht des Rates. Der dritte Rechtsmittelgrund wird auf eine behauptete Verletzung des Grundsatzes der Wahrung der Verteidigungsrechte gestützt, und der vierte Rechtsmittelgrund schließlich bezieht sich auf eine behauptete Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und der Grundrechte der Rechtsmittelführerin, insbesondere des Rechts auf Schutz ihres Eigentums und ihres Ansehens.

16

Es ist zunächst der zweite Rechtsmittelgrund zu prüfen; sodann ist der dritte und anschließend sind der erste und der vierte Rechtsmittelgrund zu prüfen.

Zum zweiten Rechtsmittelgrund: Rechtsfehler des Gerichts bei seiner Beurteilung der Begründungspflicht des Rates

Angefochtenes Urteil

17

In den Rn. 53 bis 58 des angefochtenen Urteils hat das Gericht an die Rechtsprechung zur Pflicht der Begründung der Rechtsakte der Union erinnert. Es hat dann in den Rn. 59 ff. dieses Urteils die Gründe geprüft, die in den streitigen Rechtsakten im Hinblick auf die Kriterien für die Aufnahme nach Art. 23 Abs. 2 Buchst. a, b und d der Verordnung Nr. 267/2012 und Art. 20 Abs. 1 Buchst. b und c des Beschlusses 2010/413 in seiner durch den Beschluss 2012/635 geänderten Fassung genannt sind.

18

In Rn. 74 des angefochtenen Urteils hat das Gericht festgestellt, „dass sich nur hinsichtlich des Kriteriums der Beihilfe zur Umgehung der restriktiven Maßnahmen und desjenigen der Unterstützung der iranischen Regierung, auf die sich der Rat in den [streitigen] Rechtsakten implizit, doch notwendig bezieht, beurteilen lässt, ob die Begründung dieser Rechtsakte ausreichend ist“. In Rn. 75 hat es jedoch ausgeführt, dass, soweit die streitigen Rechtsakte auf das Kriterium der Beihilfe zur Umgehung der restriktiven Maßnahmen abstellten, die Begründung, die Rechtsmittelführerin sei „an Maßnahmen zur Umgehung der Sanktionen [beteiligt]“, insoweit unzureichend sei, als diese Begründung sich als bloße Wiederholung des Kriteriums selbst darstelle und kein Element enthalte, mit dem die Gründe näher dargelegt würden, aus denen dieses Kriterium auf die Rechtsmittelführerin zutreffen solle. Im Übrigen hat das Gericht in Rn. 79 des angefochtenen Urteils befunden, dass eine implizite Begründung nicht berücksichtigt werden könne, um die unzureichende ausdrückliche Begründung in Bezug auf das Kriterium der Beihilfe zur Umgehung der restriktiven Maßnahmen zu heilen.

19

Bei der Prüfung der Unterstützung der iranischen Regierung hat das Gericht in den Rn. 84 und 85 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass die Begründung, dass die Rechtsmittelführerin „die iranische Regierung finanziell [unterstützt]“, ausreichend sei, um die Begründungspflicht des Rates zu erfüllen, da die Rechtsmittelführerin in der Lage gewesen sei, zu erkennen, dass sich der Rat auf die Finanzdienstleistungen bezogen habe, die sie als Zentralbank der Islamischen Republik Iran der iranischen Regierung erbringe. Das Gericht hat sich auf die Schriftsätze der Rechtsmittelführerin und insbesondere auf das Zeugnis der Vizegouverneurin für Devisengeschäfte dieser Bank gestützt, das die Rechtsmittelführerin ihrer Klageschrift angefügt hatte und wonach die Rechtsmittelführerin der Regierung, die einer ihrer Kunden ist, Dienstleistungen erbringt. Das Gericht hat sich auch auf die Art. 12 und 13 des iranischen Währungs- und Finanzgesetzes bezogen, in denen einige der Aufgaben und einige der Befugnisse der Rechtsmittelführerin in ihrer Eigenschaft als Zentralbank der Islamischen Republik Iran aufgeführt sind.

Vorbringen der Parteien

20

Mit ihrem zweiten Rechtsmittelgrund macht die Central Bank of Iran geltend, das Gericht habe einen Rechtsfehler begangen, als es davon ausgegangen sei, dass der Rat seiner Begründungspflicht aus Art. 296 AEUV nachgekommen sei.

21

Sie beanstandet insbesondere die Rn. 84 und 85 des angefochtenen Urteils, in denen das Gericht festgestellt habe, dass sie in der Lage gewesen sei, zu erkennen, dass der Rat sich auf die Finanzdienstleistungen bezogen habe, die sie als Zentralbank der iranischen Regierung erbracht habe, und dass es nicht erforderlich sei, diese Aufgaben und Befugnisse zu präzisieren, „da [diese] in öffentlich zugänglichen Bestimmungen niedergelegt sind, von denen vermutet werden kann, dass sie jedermann bekannt sind“.

22

Die Central Bank of Iran macht geltend, dass die Existenz des iranischen Währungs- und Finanzgesetzes, das ihre Aufgaben und Befugnisse als Zentralbank der Islamischen Republik Iran aufführe, nicht kläre, was der Rat in der Begründung der streitigen Rechtsakte unter „finanzieller Unterstützung“ verstehe. Sie sei nicht in der Lage, festzustellen, ob der Rat davon ausgehe, dass sie der Regierung erhebliche Mittel bereitgestellt habe, oder ob der Rat auf den Umstand abstelle, dass sie die Währungspolitik reguliere oder Konten für die iranische Regierung führe und sonstige Zentralbankdienstleistungen dieser Art erbringe. Es obliege dem Rat, die Dienstleistungen, die er für qualitativ und quantitativ so bedeutend halte, um den Begriff „finanzielle Unterstützung der iranischen Regierung“ im Sinne von Art. 23 Abs. 2 Buchst. d der Verordnung Nr. 267/2012 auszufüllen (Urteil vom 16. Juli 2014, National Iranian Oil Company/Rat, T‑578/12, EU:T:2014:678, Rn. 119), genau anzugeben; das habe er nicht getan. Der Rat habe sich überhaupt nicht auf die Art. 12 und 13 des iranischen Währungs- und Finanzgesetzes berufen, als er den Beschluss gefasst habe, die Rechtsmittelführerin auf den Listen der restriktiven Maßnahmen unterliegenden Personen zu belassen, so dass die im iranischen Währungs- und Finanzgesetz vorgesehenen Aufgaben der Rechtsmittelführerin einen neuen Grund darstellten, der in den streitigen Rechtsakten nicht genannt sei.

23

Der Rat tritt dem Vorbringen der Central Bank of Iran entgegen.

Würdigung durch den Gerichtshof

24

Wie das Gericht in den Rn. 53 bis 58 des angefochtenen Urteils in Erinnerung gerufen hat, ist die Frage, ob die Begründung eines Rechtsakts ausreichend ist, anhand seines Kontexts sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet zu beurteilen, so dass ein beschwerender Rechtsakt hinreichend begründet ist, wenn er in einem Zusammenhang ergangen ist, der dem Betroffenen bekannt war und ihm gestattet, die Tragweite der ihm gegenüber getroffenen Maßnahme zu verstehen (vgl. Urteil vom 15. November 2012, Rat/Bamba, C‑417/11 P, EU:C:2012:718, Rn. 53 und 54).

25

Das Gericht ist daher in Rn. 85 des angefochtenen Urteils unter Bezugnahme auf die öffentlich zugänglichen gesetzlichen Bestimmungen rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass die Begründung der streitigen Rechtsakte, mit der der Rat darauf abstellte, dass die Rechtsmittelführerin „die iranische Regierung finanziell [unterstützt]“, sich implizit, doch notwendig auf die Aufgaben und Befugnisse der Rechtsmittelführerin als Zentralbank der Islamischen Republik Iran bezieht, wie diese in Teil II Kapitel 2 des iranischen Währungs- und Finanzgesetzes, insbesondere in dessen Art. 12 und 13, geregelt sind.

26

Das Gericht hat daher in Rn. 86 des angefochtenen Urteils zu Recht entschieden, dass „[d]er Rat … nicht verpflichtet [war], eine ausdrückliche Begründung in Bezug auf die Finanzdienstleistungen und damit die finanziellen Ressourcen oder Fazilitäten auszuführen, die die Klägerin … der iranischen Regierung bereitgestellt haben soll“.

27

Demnach ist der zweite Rechtsmittelgrund nicht begründet.

Zum dritten Rechtsmittelgrund: Verletzung der Verteidigungsrechte

Angefochtenes Urteil

28

Nachdem das Gericht in den Rn. 92 bis 94 des angefochtenen Urteils an die Rechtsprechung zur Wahrung der Verteidigungsrechte erinnert hat, hat es in den Rn. 95 und 98 dieses Urteils festgestellt, dass der Rat der Rechtsmittelführerin am 2. August 2012 individuell die Begründung der streitigen Rechtsakte mitgeteilt habe, in der er darauf abgestellt habe, dass sie „die iranische Regierung finanziell [unterstützt]“, und dass sie diese Begründung und die ihr zugrunde liegenden Erwägungen vor dem Erlass dieser Rechtsakte habe bekämpfen können.

29

In Rn. 97 des angefochtenen Urteils ist das Gericht davon ausgegangen, dass „der Rat im vorliegenden Fall der Klägerin nicht die schriftlichen Beweismittel zu übermitteln [hatte], auf denen diese Begründung beruhte, da diese Beweismittel, die diejenigen Finanzdienstleistungen betrafen, die die Klägerin der iranischen Regierung gerade in ihrer Eigenschaft als Zentralbank der Islamischen Republik Iran erbracht hatte, als allgemein bekannt und als in der Begründung der [streitigen] Rechtsakte in Ansehung des Kriteriums der Unterstützung der iranischen Regierung implizit enthalten gelten konnten“. In Rn. 99 des angefochtenen Urteils hat das Gericht daher entschieden, dass „die Verteidigungsrechte der Klägerin und ihr Recht auf effektive gerichtliche Kontrolle gewahrt worden [sind]“.

Vorbringen der Parteien

30

Mit ihrem dritten Rechtsmittelgrund macht die Central Bank of Iran geltend, dass das Gericht einen Fehler begangen habe, indem es ihre Verteidigungsrechte für gewahrt befunden habe. Sie macht geltend, dass der Rat ihr vor dem Erlass der streitigen Rechtsakte in Bezug auf seinen Beschluss, sie auf den Listen der restriktiven Maßnahmen unterliegenden Einrichtungen zu belassen, keinerlei Beweismittel mitgeteilt habe. Das Gericht habe zu Unrecht festgestellt, dass der Rat die Gründe für die Beibehaltung der Aufnahme der Rechtsmittelführerin in die fraglichen Listen ergänzen könne, indem er sich aus den Bestimmungen des iranischen Währungs- und Finanzgesetzes sich ergebende Faktoren berücksichtige, die offensichtlich nicht in den Gründen der streitigen Rechtsakte erfasst gewesen und der Rechtsmittelführerin vor dem Erlass dieser Rechtsakte nicht mitgeteilt worden seien. Sie habe keine Kenntnis von den gegen sie vorgebrachten Argumenten gehabt und sei nicht in der Lage gewesen, geeignete Verteidigungsmittel anzuführen. Erst im Verlauf der mündlichen Verhandlung habe sie erstmals die Möglichkeit gehabt, auf die Behauptung, sie habe der iranischen Regierung Mittel bereitgestellt, zu antworten.

31

Der Rat tritt den Argumenten der Central Bank of Iran entgegen.

Würdigung durch den Gerichtshof

32

Wie der Gerichtshof bereits entschieden hat, ist der Rat im Fall eines Ausgangsbeschlusses über das Einfrieren von Geldern nicht verpflichtet, der betroffenen Person oder Einrichtung im Voraus die Gründe mitzuteilen, aus denen er die Aufnahme dieser Person oder Einrichtung in die Liste beabsichtigt, wohingegen vor dem Erlass eines Folgebeschlusses, aufgrund dessen der Name dieser Person oder Einrichtung dort verbleibt, grundsätzlich die belastenden Umstände mitgeteilt werden müssen und der betroffenen Person oder Einrichtung Gelegenheit zur Anhörung gegeben werden muss (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Dezember 2011, Frankreich/People’s Mojahedin Organization of Iran, C‑27/09 P, EU:C:2011:853, Rn. 61 und 62).

33

Folglich muss der Rat im Rahmen des Erlasses eines Beschlusses, mit dem der Name einer Person oder einer Einrichtung auf einer Liste von restriktiven Maßnahmen unterliegenden Personen oder Einrichtungen belassen wird, das Recht der betreffenden Person oder Einrichtung auf vorherige Anhörung wahren, wenn er in dem Beschluss, ihren Namen auf der Liste zu belassen, ihr gegenüber neue Umstände anführt, d. h. solche, die im ursprünglichen Beschluss über ihre Aufnahme in diese Liste nicht enthalten waren (Urteil vom 18. Juni 2015, Ipatau/Rat, C‑535/14 P, EU:C:2015:407, Rn. 26).

34

In Rn. 94 des angefochtenen Urteils hat das Gericht rechtsfehlerfrei auf diese Rechtsprechung hingewiesen.

35

Es hat anschließend in den Rn. 95 und 98 dieses Urteils festgestellt, dass der Rat der Central Bank of Iran am 2. August 2012 die neue Begründung mitgeteilt habe, wonach sie „die iranische Regierung finanziell [unterstützt]“ habe, und dass die Central Bank of Iran dies am 7. Oktober 2012 bestritten habe.

36

Entgegen dem Vorbringen der Rechtsmittelführerin konnte das Fehlen einer Mitteilung durch den Rat der Beweismittel, aufgrund deren dieser davon ausging, dass die Central Bank of Iran die iranische Regierung finanziell unterstütze, die Verteidigungsrechte dieser Bank nicht verletzen.

37

Wie sich aus den Rn. 25 und 26 des vorliegenden Urteils ergibt, konnte nämlich davon ausgegangen werden, dass die Rolle der Rechtsmittelführerin als Zentralbank der Islamischen Republik Iran und die sie betreffenden gesetzlichen Bestimmungen einen der Rechtsmittelführerin bekannten Kontext darstellten, so dass das Gericht zu Recht annehmen durfte, dass der Rat nicht verpflichtet war, eine ausdrückliche Begründung in Bezug auf die Finanzdienstleistungen und damit die finanziellen Ressourcen und Fazilitäten anzuführen, die die Rechtsmittelführerin der iranischen Regierung bereitgestellt haben soll.

38

Unter diesen Umständen hat das Gericht ohne Verstoß gegen die Verteidigungsrechte der Rechtsmittelführerin im Hinblick auf die dieser bekannten Elemente entschieden, dass der Rat nicht verpflichtet war, insoweit schriftliche oder andere Beweismittel vorzulegen.

39

Folglich ist der dritte Rechtsmittelgrund nicht begründet.

Zum ersten Rechtsmittelgrund: Fehler, den das Gericht mit der Feststellung begangen haben soll, dass der Rat zutreffend zu dem Ergebnis gelangt sei, dass die Rechtsmittelführerin die Islamische Republik Iran „finanziell [unterstützt]

Angefochtenes Urteil

40

Das Gericht hat in Rn. 103 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass die Rechtmäßigkeit der streitigen Rechtsakte im Hinblick auf deren Begründung, dass die Rechtsmittelführerin „die iranische Regierung finanziell [unterstützt]“, zu beurteilen sei. In Rn. 104 dieses Urteils hat das Gericht befunden, dass bei der Beurteilung der Stichhaltigkeit dieser Begründung die Aufgaben und Befugnisse der Rechtsmittelführerin als Zentralbank der Islamischen Republik Iran, wie sie in den Art. 12 und 13 des iranischen Währungs- und Finanzgesetzes niedergelegt seien, berücksichtigt werden könnten. Nach einer Prüfung dieser Bestimmungen hat das Gericht in Rn. 108 dieses Urteils entschieden, dass „… die Klägerin der iranischen Regierung, indem sie sie durch Ressourcen oder Fazilitäten materieller, finanzieller und logistischer Art unterstützt, wodurch der Regierung ermöglicht wird, die nukleare Proliferation fortzusetzen, offensichtlich Finanzdienstleistungen [erbringt], die aufgrund ihrer qualitativen und quantitativen Bedeutung zur Förderung der nuklearen Proliferation geeignet sind“. In Rn. 111 desselben Urteils ist das Gericht daher davon ausgegangen, dass der Rat keinen Beurteilungsfehler begangen habe.

Vorbringen der Parteien

41

Mit ihrem ersten Rechtsmittelgrund macht die Central Bank of Iran geltend, dass das Gericht einen Fehler begangen habe, als es davon ausgegangen sei, der Rat habe die Frage, ob irgendeines der Kriterien für die Aufnahme in die Listen der streitigen Rechtsakte erfüllt sei, ordnungsgemäß geprüft. Sie analysiert die Art. 12 und 13 des iranischen Währungs- und Finanzgesetzes und macht geltend, dass die von ihr als Zentralbank erbrachten Dienstleistungen wie die Führung der Konten und die Kompensationsgeschäfte, keine „finanzielle Unterstützung“ der iranischen Regierung im Sinne von Art. 23 Abs. 2 Buchst. d der Verordnung Nr. 267/2012 darstellten, d. h. eine finanzielle Unterstützung von einer solchen qualitativen und quantitativen Bedeutung, dass sie der iranischen Regierung die Fortsetzung des Nuklearprogramms ermögliche (Urteil vom 16. Juli 2014, National Iranian Oil Company/Rat, T‑578/12, EU:T:2014:678, Rn. 119).

42

Der Rat tritt dem Vorbringen der Rechtsmittelführerin entgegen.

Würdigung durch den Gerichtshof

43

Es ist darauf hinzuweisen, dass sich das Kriterium „Unterstützung der iranischen Regierung“ in Art. 20 Abs. 1 Buchst. c des Beschlusses 2010/413 in der durch den Beschluss 2012/635 geänderten Fassung und in Art. 23 Abs. 2 Buchst. d der Verordnung Nr. 267/2012 auf eine Unterstützung bezieht, die materiell, logistisch oder finanziell erfolgen kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 1. März 2016, National Iranian Oil Company/Rat, C‑440/14 P, EU:C:2016:128, Rn. 79).

44

Das Ziel der Hinzufügung dieses Kriteriums bestand darin, konkrete Tätigkeiten der betroffenen Personen und Einrichtungen zu erfassen, die die nukleare Proliferation, auch wenn sie als solche keinen unmittelbaren oder mittelbaren Bezug zu ihr aufweisen, begünstigen können, indem der iranischen Regierung Ressourcen oder Fazilitäten materieller, finanzieller oder logistischer Art zur Verfügung gestellt werden, die ihr die Fortführung der proliferationsrelevanten Tätigkeiten ermöglichen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 1. März 2016, National Iranian Oil Company/Rat, C‑440/14 P, EU:C:2016:128, Rn. 80 und 81).

45

Wie das Gericht in Rn. 108 des angefochtenen Urteils ausgeführt hat, erbrachte die Rechtsmittelführerin der iranischen Regierung Finanzdienstleistungen – indem sie diese Regierung durch Ressourcen oder Fazilitäten materieller, finanzieller oder logistischer Art unterstützte, wodurch der Regierung ermöglicht wurde, die nukleare Proliferation fortzusetzen –, die aufgrund ihrer quantitativen und qualitativen Bedeutung die nukleare Proliferation begünstigen konnten (vgl. in diesem Zusammenhang Urteil vom 1. März 2016, National Iranian Oil Company/Rat, C‑440/14 P, EU:C:2016:128, Rn. 83). Denn Dienstleistungen wie die Kontoführung, die Durchführung und der Abschluss von Finanzgeschäften oder der Erwerb und die Veräußerung von Anleihen stellen eine materielle wie auch logistische und finanzielle Unterstützung dieses Staates und mithin eine Unterstützung von dessen Regierung dar.

46

Daher hat das Gericht in Rn. 109 des angefochtenen Urteils zutreffend festgestellt, dass es nicht darauf ankomme, dass die Rechtsmittelführerin bestritten habe, der iranischen Regierung eigene finanzielle Ressourcen zur Verfügung zu stellen, da sie stets eingeräumt habe, dass sie ihr Dienstleistungen erbracht habe, wie sie von jeder Zentralbank eines Staates dessen Regierung erbracht würden.

47

Das Gericht hat somit in Rn. 110 des angefochtenen Urteils rechtsfehlerfrei festgestellt, dass der Rat zutreffend zu dem Ergebnis gelangt ist, dass die Rechtsmittelführerin „die iranische Regierung finanziell [unterstützt]“, so dass das Kriterium nach Art. 20 Abs. 1 Buchst. c des Beschlusses 2010/413 in der durch den Beschluss 2012/635 geänderten Fassung und Art. 23 Abs. 2 Buchst. d der Verordnung Nr. 267/2012 im vorliegenden Fall erfüllt war.

48

Folglich ist der erste Rechtsmittelgrund unbegründet.

Zum vierten Rechtsmittelgrund: Verletzung der Grundrechte, des Rechts auf Schutz des Eigentums und des Ansehens der Rechtsmittelführerin

Angefochtenes Urteil

49

In Rn. 119 des angefochtenen Urteils ist das Gericht davon ausgegangen, dass die der Rechtsmittelführerin mit den streitigen Rechtsakten zugefügten Nachteile gemessen an der Bedeutung des mit ihnen verfolgten Ziels der Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit nicht unverhältnismäßig seien. In derselben Randnummer hat es darauf hingewiesen, dass die streitigen Rechtsakte nur einen Teil der Aktiva der Rechtsmittelführerin beträfen, dass unter bestimmten Umständen Möglichkeiten für eine Freigabe von Geldern bestünden und dass der Rat nicht behauptet habe, dass die Rechtsmittelführerin selbst an der nuklearen Proliferation beteiligt sei.

Vorbringen der Parteien

50

Mit ihrem vierten Rechtsmittelgrund macht die Central Bank of Iran geltend, dass dem Gericht ein Fehler unterlaufen sei, als es ihren Klagegrund zurückgewiesen habe, wonach der Rat ohne Rechtfertigung und in unverhältnismäßiger Weise ihre Grundrechte, einschließlich ihres Rechts auf Schutz ihres Eigentums und ihres Ansehens, verletzt habe. Sie macht geltend, dass das Gericht keine angemessene Prüfung der Frage vorgenommen habe, ob die Anwendung dieser restriktiven Maßnahmen auf die Central Bank of Iran einen rechtswidrigen und unverhältnismäßigen Eingriff in ihre Grundrechte, die das Recht auf Eigentum und Ansehen seien, darstellten. Das Gericht hätte zu dem Ergebnis kommen müssen, dass die Maßnahmen gemessen an den verfolgten Zielen unverhältnismäßig seien.

51

Die Central Bank of Iran beanstandet insbesondere Rn. 119 des angefochtenen Urteils. Sie unterstreicht, dass das Gericht die negativen Folgen der restriktiven Maßnahmen auf das wirtschaftliche Leben des Landes und des iranischen Volkes nicht ausreichend berücksichtigt habe. Die Dienstleistungen, die sie erbringe, hätten keinerlei Zusammenhang mit der Kapazität der iranischen Regierung, ein Nuklearprogramm fortzusetzen, und der Ansatz des Gerichts ermögliche es, restriktive Maßnahmen gegen Tausende von Steuerpflichtigen oder Dienstleistungserbringern zu erlassen. Schließlich verstoße der Beschluss des Rates, sie in die Listen der restriktiven Maßnahmen unterliegenden Einrichtungen aufzunehmen und darauf zu belassen, gegen die öffentlichen Erklärungen, die die europäischen Organe abgegeben hätten, insbesondere die Schlussfolgerungen des Rates vom 23. Januar 2012 zu Iran, in denen der Rat ausführe, dass „[d]ie heute vereinbarten restriktiven Maßnahmen … das iranische Nuklearprogramm und die Einnahmen des iranischen Regimes beeinträchtigen [sollen] und … nicht gegen das iranische Volk gerichtet [sind]“.

52

Der Rat tritt dem Vorbringen der Rechtsmittelführerin entgegen.

Würdigung durch den Gerichtshof

53

Es ist festzustellen, dass das Gericht, um zu überprüfen, ob ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vorlag, in Rn. 117 des angefochtenen Urteils das durch die streitigen Rechtsakte verfolgte Ziel des Gemeinwohls herangezogen hat. In Rn. 118 dieses Urteils hat es eingeräumt, dass diese Rechtsakte der Rechtsmittelführerin einen Schaden verursacht hätten, soweit sie ihr Recht auf Eigentum und ihr Ansehen beeinträchtigt hätten. Das Gericht hat jedoch in Rn. 119 des Urteils das Ziel der Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit berücksichtigt und dabei auch darauf hingewiesen, dass die streitigen Rechtsakte nur einen Teil der Aktiva der Rechtsmittelführerin beträfen, dass unter bestimmten Umständen Möglichkeiten für eine Freigabe von Geldern bestünden und dass der Rat nicht behauptet habe, dass die Rechtsmittelführerin selbst an der nuklearen Proliferation beteiligt sei.

54

Im Licht dieser Gesichtspunkte hat das Gericht den Klagegrund, der auf einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und die Verletzung der Grundrechte der Rechtsmittelführerin, insbesondere des Rechts auf Schutz ihres Eigentums und ihres Ansehens, gestützt wurde, zu Recht zurückgewiesen.

55

Der vierte Rechtsmittelgrund ist daher zurückzuweisen.

56

Da die vier Rechtsmittelgründe für unbegründet befunden worden sind, ist das Rechtsmittel zurückzuweisen.

Kosten

57

Nach Art. 184 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs entscheidet der Gerichtshof über die Kosten, wenn das Rechtsmittel unbegründet ist.

58

Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung, der nach deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

59

Da der Rat die Verurteilung der Central Bank of Iran beantragt hat und diese mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, hat sie neben ihren eigenen Kosten die Kosten des Rates zu tragen.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

 

1.

Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

 

2.

Die Central Bank of Iran trägt neben ihren eigenen Kosten die Kosten des Rates der Europäischen Union.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Englisch.