SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

NIILO JÄÄSKINEN

vom 15. März 2011(1)

Rechtssache C‑264/09

Europäische Kommission

gegen

Slowakische Republik

„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Elektrizitätsbinnenmarkt – Richtlinie 2003/54/EG – Vorrangiger Zugang – Nichtdiskriminierender Zugang zu Übertragungs- und Verteilernetzen – Vor dem Beitritt zur Europäischen Union geschlossener Investitionsvertrag – Vertrag über die Energiecharta – Bilaterales Investitionsschutzabkommen – Art. 307 EG – Faire und gerechte Behandlung – Enteignung“






I –    Einführung

1.        Der vorliegende Fall betrifft das Verhältnis zwischen den unionsrechtlichen Pflichten der Slowakei zur Gewährleistung nichtdiskriminierenden Zugangs zum Elektrizitätsübertragungsnetz gemäß der Richtlinie 2003/54/EG(2) und ihren Investitionsschutzpflichten aus einem Abkommen über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen (im Folgenden: Investitionsschutzabkommen), das die Slowakei am 5. Oktober 1990 vor ihrem Beitritt zur Europäischen Union am 1. Mai 2004 mit der Schweizerischen Eidgenossenschaft geschlossen hatte.(3)

2.        Im Mittelpunkt des Rechtsstreits steht ein privatrechtlicher Vertrag (im Folgenden: Investitionsvertrag) vom 27. Oktober 1997 zwischen einer schweizerischen Gesellschaft (der Aare-Tessin AG für Elektrizität, im Folgenden: ATEL) und einer staatlichen Netzbetreiberin in der Slowakei (der Slovenská elektrizačná prenosová sústava a.s., im Folgenden: SEPS). Gemäß dem Investitionsvertrag trägt ATEL mehr als die Hälfte der Baukosten für die noch zu errichtende Lemesany-Krosno-Leitung von Polen zur Slowakei; als Gegenleistung erhält sie für einen feststehenden und nicht verlängerbaren Zeitraum von 16 Jahren vorrangigen Zugang zu dieser Leitung.

3.        Die Kommission beantragt nunmehr beim Gerichtshof, festzustellen, dass die Slowakei dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 20 Abs. 1 und Art. 9 Buchst. e der Richtlinie 2003/54 verstoßen hat, dass sie keinen nichtdiskriminierenden Zugang zum Elektrizitätsübertragungsnetz gewährleistet hat. Die Kommission hat beim Gerichtshof zwar nicht ausdrücklich die Feststellung beantragt, dass die Slowakei den Investitionsvertrag aufzuheben hat, sie hat aber in ihren Ausführungen vor dem Gerichtshof die Auffassung vertreten, dass die Slowakei nicht zur Aufrechterhaltung des Investitionsvertrags verpflichtet sei. Eine bloße Nichtanwendung des Investitionsvertrags genüge nicht, um dem gerügten Verstoß abzuhelfen. Insoweit hat die Kommission implizit um Prüfung ersucht, ob die Slowakei zur Aufhebung des Investitionsvertrags verpflichtet werden muss.

4.        Dem hält die Slowakei entgegen, dass der Investitionsvertrag gemäß dem Vertrag über die Energiecharta als Investition geschützt sei und dass die Richtlinie 2003/54 im Einklang mit den Verpflichtungen der Union aus diesem Vertrag auszulegen sei.

II – Rechtlicher Rahmen

Völkerrecht

–        Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge(4)

5.        Art. 31 („Allgemeine Auslegungsregel“) des Wiener Übereinkommens lautet:

„(1)      Ein Vertrag ist nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Lichte seines Zieles und Zweckes auszulegen.

(4)      Eine besondere Bedeutung ist einem Ausdruck beizulegen, wenn feststeht, dass die Vertragsparteien dies beabsichtigt haben.“

–        Vertrag über die Energiecharta(5)

6.        Art. 10 Abs. 1 des Energiecharta-Vertrags lautet:

„Jede Vertragspartei fördert und schafft im Einklang mit diesem Vertrag stabile, gerechte, günstige und transparente Bedingungen für Investoren anderer Vertragsparteien, in ihrem Gebiet Investitionen vorzunehmen. Diese Bedingungen umfassen die Verpflichtung, den Investitionen von Investoren anderer Vertragsparteien stets eine faire und gerechte Behandlung zu gewähren. Diese Investitionen genießen auch auf Dauer Schutz und Sicherheit, und keine Vertragspartei darf deren Verwaltung, Aufrechterhaltung, Verwendung, Nutzung oder Veräußerung in irgendeiner Weise durch unangemessene oder diskriminierende Maßnahmen behindern. Diese Investitionen dürfen keinesfalls weniger günstig behandelt werden, als dies nach dem Völkerrecht, einschließlich vertraglicher Verpflichtungen, vorgeschrieben ist. Jede Vertragspartei erfüllt alle Verpflichtungen, die sie gegenüber einem Investor oder einer Investition eines Investors einer anderen Vertragspartei eingegangen ist.“

7.        Art. 13 des Energiecharta-Vertrags regelt Enteignungen. Dort heißt es in den hier einschlägigen Teilen:

„(1)      Investitionen von Investoren einer Vertragspartei im Gebiet einer anderen Vertragspartei dürfen nicht verstaatlicht oder einer Maßnahme gleicher Wirkung wie Verstaatlichung oder Enteignung (im Folgenden als ‚Enteignung‘ bezeichnet) unterworfen werden; davon ausgenommen sind Enteignungen, die

a)      im öffentlichen Interesse liegen,

b)      nicht diskriminierend sind,

c)      nach den rechtsstaatlichen Grundsätzen erfolgen und

d)      mit einer umgehenden, wertentsprechenden und tatsächlich verwertbaren Entschädigung einhergehen.“

–        Investitionsschutzabkommen

8.        Art. 1 („Begriffsbestimmungen“) des Investitionsschutzabkommens lautet, soweit hier einschlägig:

„Für die Zwecke dieses Abkommens

(2)      umfasst der Begriff ‚Investitionen‘ alle Arten von Vermögenswerten und Guthaben, insbesondere

c)      Forderungen und Rechte auf irgendwelche Leistungen, die einen wirtschaftlichen Wert aufweisen;

…“

9.        Art. 3 („Förderung, Zulassung“) des Investitionsschutzabkommens lautet:

„(1)      Jede Vertragspartei fördert auf ihrem Gebiet Investitionen von Investoren der anderen Vertragspartei und lässt diese Investitionen in Übereinstimmung mit ihren Gesetzen und übrigen Rechtsvorschriften zu.

…“

10.      Art. 4 („Schutz, Behandlung“) lautet:

„(1)      Jede Vertragspartei schützt auf ihrem Gebiet die in Übereinstimmung mit ihrer Gesetzgebung und übrigen Rechtsvorschriften von Investoren der anderen Vertragspartei getätigten Investitionen und unterlässt es, die Verwaltung, den Unterhalt, den Gebrauch, die Nutznießung, die Erweiterung, den Verkauf und die Liquidation solcher Investitionen durch ungerechtfertigte oder diskriminierende Maßnahmen zu behindern. …

(2)      Jede Vertragspartei stellt auf ihrem Gebiet eine gerechte und billige Behandlung der Investitionen von Investoren der anderen Vertragspartei sicher. Diese Behandlung darf nicht weniger günstig sein als jene, welche die Vertragspartei Investitionen angedeihen lässt, die auf ihrem Gebiet von eigenen Investoren getätigt wurden, oder als die Behandlung, die Investitionen von Investoren der am meisten begünstigten Nation genießen, sofern diese Behandlung günstiger ist. …“

11.      Art. 6 („Enteignung, Entschädigung“) lautet:

„(1)      Keine Vertragspartei darf direkt oder indirekt Enteignungs- oder Verstaatlichungsmaßnahmen oder irgendwelche andere Maßnahmen derselben Art oder mit derselben Wirkung gegenüber Investitionen von Investoren der anderen Vertragspartei treffen, es sei denn, solche Maßnahmen erfolgten im öffentlichen Interesse, seien nicht diskriminierend und entsprächen den gesetzlichen Vorschriften sowie vorausgesetzt, dass eine wertentsprechende und tatsächlich verwertbare Entschädigung vorgesehen ist. …“

12.      Art. 9 („Meinungsverschiedenheiten zwischen einer Vertragspartei und einem Investor der anderen Vertragspartei“) lautet:

„Zur Lösung von Meinungsverschiedenheiten zwischen einer Vertragspartei und einem Investor der anderen Vertragspartei finden, unbeschadet von Art. 10 dieses Abkommens (Meinungsverschiedenheiten zwischen Vertragsparteien), Beratungen zwischen den betroffenen Parteien statt.

(2)      Führen diese Beratungen innerhalb von sechs Monaten nicht zu einer Lösung, wird die Meinungsverschiedenheit auf Antrag des Investors einem Schiedsgericht unterbreitet. Dieses Schiedsgericht wird wie folgt bestellt:

a)      Das Schiedsgericht wird von Fall zu Fall gebildet. …

b)      Wurden die in Buchst. a) festgelegten Fristen nicht eingehalten, kann jede Streitpartei, vorbehältlich einer anderslautenden Vereinbarung, den Präsidenten des Schiedshofes der Internationalen Handelskammer in Paris ersuchen, die erforderlichen Ernennungen vorzunehmen. …

c)      Vorbehältlich einer anderslautenden Vereinbarung zwischen den Streitparteien regelt das Schiedsgericht sein Verfahren selbst. Seine Entscheide sind endgültig und bindend. Jede Vertragspartei stellt die Anerkennung und Vollstreckung der Schiedssprüche sicher.

(3)      Wenn beide Vertragsparteien der Washingtoner Konvention vom 18. März 1965 zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten zwischen Staaten und Angehörigen anderer Staaten beigetreten sind, können auf Antrag des Investors Meinungsverschiedenheiten gemäß diesem Artikel anstatt dem Schiedsgericht nach Abs. 2 dieses Artikels dem Internationalen Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten unterbreitet werden.

(5)      Keine Vertragspartei wird einen Streitfall, der einem Schiedsgericht unterbreitet wurde, auf diplomatischem Wege weiterverfolgen, es sei denn, die andere Vertragspartei befolge den von einem Schiedsgericht erlassenen Schiedsspruch nicht.“

13.      Art. 10 („Meinungsverschiedenheiten zwischen den Vertragsparteien“) lautet:

„(1)      Meinungsverschiedenheiten zwischen den Vertragsparteien bezüglich Auslegung oder Anwendung der Bestimmungen dieses Abkommens sind auf diplomatischem Wege beizulegen.

(2)      Falls die beiden Vertragsparteien sich nicht innerhalb von zwölf Monaten nach Ausbruch der Streitigkeit verständigen können, ist sie auf Ersuchen der einen oder anderen Vertragspartei einem aus drei Mitgliedern bestehenden Schiedsgericht zu unterbreiten. Jede Vertragspartei bezeichnet einen Schiedsrichter; diese beiden Schiedsrichter ernennen einen Angehörigen eines Drittstaates als Obmann.

(7)      Die Entscheide des Schiedsgerichts sind für die Vertragsparteien endgültig und bindend.“

14.      Art. 11 („Einhaltung von Verpflichtungen“) lautet, soweit hier relevant:

„Jede Vertragspartei gewährleistet zu jedem Zeitpunkt die Einhaltung der durch sie bezüglich der Investitionen von Investoren der anderen Vertragspartei eingegangenen Verpflichtungen.“

Unionsrecht

–        EG-Vertrag(6)

15.      Art. 307 EG lautet:

„(1)      Die Rechte und Pflichten aus Übereinkünften, die vor dem 1. Januar 1958 oder, im Falle später beigetretener Staaten, vor dem Zeitpunkt ihres Beitritts zwischen einem oder mehreren Mitgliedstaaten einerseits und einem oder mehreren dritten Ländern andererseits geschlossen wurden, werden durch diesen Vertrag nicht berührt.

(2)      Soweit diese Übereinkünfte mit diesem Vertrag nicht vereinbar sind, wenden der oder die betreffenden Mitgliedstaaten alle geeigneten Mittel an, um die festgestellten Unvereinbarkeiten zu beheben. Erforderlichenfalls leisten die Mitgliedstaaten zu diesem Zweck einander Hilfe; sie nehmen gegebenenfalls eine gemeinsame Haltung ein.

…“

–        Richtlinie 2003/54

16.      Art. 9 („Aufgaben der Übertragungsnetzbetreiber“) der Richtlinie 2003/54 lautet in den hier einschlägigen Teilen:

„Jeder Übertragungsnetzbetreiber ist verantwortlich,

e)      sich jeglicher Diskriminierung von Netzbenutzern oder Kategorien von Netzbenutzern, insbesondere zugunsten der mit ihm verbundenen Unternehmen, zu enthalten;

…“

17.      Art. 20 („Zugang Dritter“) der Richtlinie 2003/54 lautet:

„(1)      Die Mitgliedstaaten gewährleisten die Einführung eines Systems für den Zugang Dritter zu den Übertragungs- und Verteilernetzen auf der Grundlage veröffentlichter Tarife; die Zugangsregelung gilt für alle zugelassenen Kunden und wird nach objektiven Kriterien und ohne Diskriminierung zwischen den Netzbenutzern angewandt. Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass diese Tarife oder die Methoden zu ihrer Berechnung vor deren Inkrafttreten gemäß Artikel 23 genehmigt werden und dass die Tarife und – soweit nur die Methoden einer Genehmigung unterliegen – die Methoden vor ihrem Inkrafttreten veröffentlicht werden.

(2)      Der Betreiber eines Übertragungs- oder Verteilernetzes kann den Netzzugang verweigern, wenn er nicht über die nötige Kapazität verfügt. Die Verweigerung ist hinreichend substanziiert zu begründen, insbesondere unter Berücksichtigung des Artikels 3. Die Mitgliedstaaten stellen gegebenenfalls sicher, dass der Übertragungs- bzw. Verteilernetzbetreiber bei einer Verweigerung des Netzzugangs aussagekräftige Informationen darüber bereitstellt, welche Maßnahmen zur Verstärkung des Netzes erforderlich wären. Der um solche Informationen ersuchenden Partei kann eine angemessene Gebühr in Rechnung gestellt werden, die die Kosten für die Bereitstellung dieser Informationen widerspiegelt.“

18.      Die in Art. 26 der Richtlinie 2003/54 aufgeführten Ausnahmeregelungen finden im vorliegenden Fall keine Anwendung.

19.      Mit Art. 29 der Richtlinie 2003/54 wird die Richtlinie 96/92 mit Wirkung vom 1. Juli 2004 aufgehoben; die Verpflichtungen der Mitgliedstaaten hinsichtlich der Fristen für ihre Umsetzung und Anwendung werden davon nicht berührt.

20.      Nach Art. 30 der Richtlinie 2003/54 hatten die Mitgliedstaaten die Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft zu setzen, die erforderlich sind, um der Richtlinie spätestens am 1. Juli 2004 nachzukommen.

21.      Nach ihrem Art. 31 trat die Richtlinie 2003/54 am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union, d. h. am 15. Juli 2003, in Kraft.

–        Verordnung Nr. 1228/2003(7)

22.      Art. 7 („Neue Verbindungsleitungen“) lautet in den hier einschlägigen Teilen:

„(1)      Neue Gleichstrom-Verbindungsleitungen können auf Antrag von den Bestimmungen des Artikels 6 Absatz 6 der vorliegenden Verordnung sowie des Artikels 20 und des Artikels 23 Absätze 2, 3 und 4 der Richtlinie [2003/54] unter folgenden Voraussetzungen ausgenommen werden:

a)      Durch die Investition wird der Wettbewerb in der Stromversorgung verbessert;

b)      das mit der Investition verbundene Risiko ist so hoch, dass die Investition ohne die Gewährung einer Ausnahme nicht getätigt würde;

c)      die Verbindungsleitung muss Eigentum einer natürlichen oder juristischen Person sein, die zumindest der Rechtsform nach von den Netzbetreibern getrennt ist, in deren Netzen die entsprechende Verbindungsleitung gebaut wird;

d)      von den Nutzern dieser Verbindungsleitung werden Entgelte verlangt;

e)      seit der teilweisen Marktöffnung gemäß Artikel 19 der Richtlinie 96/92/EG dürfen keine Anteile der Kapital- oder Betriebskosten der Verbindungsleitung über irgendeine Komponente der Entgelte für die Nutzung der Übertragungs- oder Verteilernetze, die durch diese Verbindungsleitung miteinander verbunden werden, gedeckt worden sein;

f)      die Ausnahme wirkt sich nicht nachteilig auf den Wettbewerb oder das effektive Funktionieren des Elektrizitätsbinnenmarkts oder das effiziente Funktionieren des regulierten Netzes aus, an das die Verbindungsleitung angeschlossen ist.

(3)      Absatz 1 gilt auch für erhebliche Kapazitätserhöhungen bei vorhandenen Verbindungsleitungen.

(4) a) Die Regulierungsbehörde kann von Fall zu Fall über Ausnahmen nach den Absätzen 1 und 2 entscheiden. Die Mitgliedstaaten können jedoch vorsehen, dass die Regulierungsbehörden ihre Stellungnahme zu dem Antrag auf Gewährung einer Ausnahme der zuständigen Stelle des Mitgliedstaats zur förmlichen Entscheidung vorzulegen haben. Diese Stellungnahme wird zusammen mit der Entscheidung veröffentlicht.

(5)      Die zuständige Behörde teilt der Kommission unverzüglich die Entscheidung zusammen mit allen für die Entscheidung bedeutsamen Informationen mit. Diese Informationen können der Kommission in einer Zusammenfassung übermittelt werden, die der Kommission eine fundierte Entscheidung ermöglicht.

Die Kommission kann binnen zwei Monaten nach Eingang einer Mitteilung verlangen, dass die betreffende Regulierungsbehörde bzw. der betreffende Mitgliedstaat die Entscheidung über die Gewährung der Ausnahme ändert oder widerruft. Die Zweimonatsfrist kann um einen weiteren Monat verlängert werden, wenn die Kommission zusätzliche Informationen anfordert.

…“

III – Sachverhalt und Verfahren

23.      Am 27. Oktober 1997 schlossen ATEL und die Rechtsvorgängerin von SEPS den Investitionsvertrag, mit dem Letztere ATEL das Recht zur Übertragung von 300 MW über eine 400-kV-Elektrizitätsübertragungsleitung einräumte. Bei dieser Leitung handelte es sich um die noch zu errichtende Lemesany-Krosno-Übertragungsleitung zwischen Polen und der Slowakei. Die Übertragung sollte für einen am 30. September 2014 ablaufenden Zeitraum von 16 Jahren erlaubt werden. Die Slowakei war an dem Investitionsvertrag nicht als Partei beteiligt. Es wurde davon ausgegangen, dass die Übertragungsleitung ab 1. Oktober 1998 genutzt würde. ATEL stand ein Recht auf Rücktritt vom Investitionsvertrag für den Fall zu, dass die Leitung nicht spätestens am 1. Oktober 1999 genutzt würde.

24.      Anstelle eines Übertragungsentgelts sollte ATEL als Gegenleistung für die Zuteilung dieser Übertragungskapazität einen einmaligen Betrag in Höhe von mehr als 50 % der für den Bau der Lemesany-Krosno-Übertragungsleitung anfallenden, alle zwei Jahre neu zu berechnenden Kosten leisten. Die Parteien können ihre Rechte und Pflichten aus dem Investitionsvertrag auf einen Rechtsnachfolger übertragen, sofern dieser zur Vertragserfüllung in der Lage ist.

25.      Bei dem in deutscher Sprache aufgesetzten Investitionsvertrag handelt es sich um ein privatrechtliches Rechtsgeschäft, das dem österreichischen Recht unterliegt. In ihm wurde vereinbart, dass Streitigkeiten zwischen den Parteien in einem Schiedsverfahren nach der Schiedsordnung der Internationalen Handelskammer in Paris beigelegt werden.

26.      Die Slowakei unterzeichnete den Beitrittsvertrag am 16. April 2003. Die Richtlinie 2003/54 wurde kurz danach am 26. Juni 2003 veröffentlicht. Am 1. Mai 2004 trat die Slowakei der Europäischen Union bei.(8) Als Mitgliedstaat hat sie alle Verpflichtungen aus dem EG-Vertrag zu erfüllen. Die Frist für die Umsetzung der Richtlinie 2003/54 lief im Juni 2004 ab. Daher gehörte die Richtlinie nicht zum gemeinschaftlichen Besitzstand, den die Slowakei zum Zeitpunkt des Beitritts umzusetzen hatte. In der Beitrittsakte waren auch keine Bedingungen für die Anwendung der Richtlinie 96/92 auf die Slowakei festgelegt.(9)

27.      Am 10. April 2006 sandte die Kommission der Slowakei ein Mahnschreiben, dem am 15. Dezember 2006 eine mit Gründen versehene Stellungnahme folgte. In ihrer beim Gerichtshof eingereichten Klageschrift macht die Kommission geltend, dass der vorrangige Zugang, der ATEL gemäß dem Investitionsvertrag eingeräumt worden sei, gegen die Verpflichtungen der Slowakei aus Art. 9 Buchst. e und Art. 20 Abs. 1 der Richtlinie 2003/54 verstoße, in denen der nichtdiskriminierende Zugang zum Übertragungsnetz geregelt sei.

28.      Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist das Vorliegen einer Vertragsverletzung anhand der Lage zu beurteilen, die bei Ablauf der Frist bestand, die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzt wurde, d. h. hier zwei Monate nach dem 15. Dezember 2006.(10)

IV – Würdigung

29.      Bei der Würdigung des vorliegenden Falls werde ich zunächst einige Vorfragen prüfen und anschließend untersuchen, ob die ATEL von der Slowakei gewährte Behandlung eine gegen die Richtlinie 2001/29 verstoßende Diskriminierung darstellt. Bejahendenfalls werde ich im Weiteren der Frage nachgehen, ob diese Behandlung aufgrund des Energiecharta-Vertrags oder aufgrund Art. 307 Abs. 1 EG zulässig ist.

A –    Vorfragen

30.      Im vorliegenden Fall sind zwei Vorfragen zu klären, nämlich i) ob der Slowakei das Verhalten von SEPS zugerechnet werden kann und ii) ob der Gerichtshof die Slowakei zur Kündigung eines privatrechtlichen Vertrags zwingen kann, damit die Verletzung ihrer Verpflichtungen abgestellt wird.

31.      Was den ersten Punkt betrifft, hat zwar keine der beiden Verfahrensbeteiligten die Frage der Eigentumsverhältnisse an SEPS angesprochen, jedoch besitzt die Slowakei offenbar 100 % der SEPS-Anteile(11). Infolgedessen kann deren Verhalten der Slowakei zugerechnet werden, da die Handlungen von im Staatsbesitz befindlichen Unternehmen den Mitgliedstaaten zuzurechnen sind(12).

32.      Was den zweiten Punkt anlangt, hat sich nach Angaben der Slowakei in ihrer Klagebeantwortung die slowakische Energieregulierungsstelle (URSO) ablehnend zu dem ATEL gewährten vorangigen Zugang geäußert, was zu einer geänderten Praxis bei der Gewährung des Netzzugangs geführt habe. Ausweislich der mit Blick auf das vorliegende Verfahren verfassten Schreiben des URSO-Präsidenten und des SEPS-Präsidenten, beide vom 10. Juli 2009, die der Klagebeantwortung Slowakei beigefügt sind, genießt ATEL keinen vorangigen Netzzugang mehr, sondern erwirbt ihre gesamte Kapazität seit 1. Januar 2008 auf Auktionen.

33.      Die Kommission hält dies für unzureichend, da der Investitionsvertrag zwischen ATEL und SEPS fortbestehe. Zur Begründung ihrer Auffassung beruft sie sich auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs, wonach eine Verwaltungspraxis nicht genüge, um eine Verletzung der Verpflichtungen abzustellen.

34.      Im Urteil Kommission/Griechenland hat der Gerichtshof ausgeführt, dass eine einfache Verwaltungspraxis, die die Verwaltungsbehörden naturgemäß beliebig ändern können, den Mitgliedstaat nicht der Pflicht enthebt, die gegen das Gemeinschaftsrecht verstoßenden gesetzlichen Bestimmungen aufzuheben.(13) Nach dieser Rechtsprechung kann der Verstoß nur durch eine Rechtsänderung beendet werden.

35.      Im vorliegenden Fall beruht die Verletzung der Verpflichtungen jedoch nicht auf dem Erlass gesetzlicher Vorschriften oder aufsichtsrechtlicher Bestimmungen, sondern auf einem dem österreichischen Recht unterliegenden privatrechtlichen Vertrag zwischen zwei Unternehmen. Es ist daher nicht ohne Weiteres erkennbar, zu welchen rechtlichen Maßnahmen bezüglich des Investitionsvertrags die Slowakei als Mitgliedstaat verpflichtet werden soll, um die gerügte Verletzung von Verpflichtungen abzustellen. Daher kann das Urteil Kommission/Griechenland als solches nicht auf den vorliegenden Fall übertragen werden.

36.      Der vorliegende Fall wirft daher die interessante Frage auf, inwiefern der Mitgliedstaat auch einen nicht seinem Recht unterliegenden privatrechtlichen Vertrag aufheben muss, um eine Verletzung seiner Verpflichtungen abzustellen. Die Problematik, ob ein Mitgliedstaat zur Aufhebung eines Vertrags verpflichtet ist, wenn der Gerichtshof einen Verstoß feststellt, wurde vor allem im Bereich des öffentlichen Auftragswesens erörtert.(14) Meines Erachtens ist diese Rechtsprechung hier jedoch nur bedingt relevant, da Zweck des Vergaberechts ja gerade die Regelung des Abschlusses und der Vergabe von Verträgen durch öffentliche Auftraggeber oder unter Verwendung öffentlicher Mittel ist. Dies geschieht im Bereich der Elektrizitätsverteilung nicht.

37.      Es erscheint zweifelhaft, ob ein Mitgliedstaat außerhalb des Bereichs der öffentlichen Auftragsvergabe zur Aufhebung eines wirksamen privatrechtlichen Vertrags verpflichtet werden sollte. Ein solcher Vorgang liefe nämlich dem Grundsatz der Rechtssicherheit zuwider und brächte die Gefahr mit sich, dass redliche Dritte für einen von einem Mitgliedstaat begangenen Verstoß büßen müssen. Nach den Grundregeln des Europäischen Vertragsrechts führt ein Rechtsverstoß nur in Ausnahmefällen zur Unwirksamkeit des Vertrags. Voraussetzung hierfür ist ein hinreichend schwerer Verstoß gegen einen allgemeinen Rechtsgrundsatz oder eine zwingende Rechtsvorschrift.(15)

38.      Selbst wenn die Slowakei Vertragspartei wäre, ist sie – wenn ich richtig verstehe – ohne die Zustimmung von ATEL nicht zum Rücktritt vom Investitionsvertrag berechtigt. Aus den Akten ergibt sich, dass ATEL an ihrem Anspruch auf Vertragserfüllung festhält.(16)

B –    Zum Vorliegen einer Diskriminierung im Sinne der Richtlinie 2003/54

39.      Die Kommission macht geltend, die Zuteilung eines Teils der Übertragungskapazität an ein Unternehmen komme der Einräumung einer Vorzugsstellung eines Benutzers zum Nachteil anderer gleich, was wiederum eine Diskriminierung von Unternehmen darstelle, die sich um Netzzugang bemühten. Zur Begründung führt sie das Urteil VEMW u. a. an, in dem der Gerichtshof entschieden habe, dass die Richtlinie 96/92 Maßnahmen, mit denen eine Kapazität für die grenzüberschreitende Übertragung von Elektrizität vorrangig zugeteilt werde, entgegenstehe, sofern diese Maßnahmen nicht im Rahmen der Ausnahmeregelung nach Art. 24 der genannten Richtlinie genehmigt worden seien.(17)

40.      Die Slowakei trägt vor, dass sich ATEL aufgrund ihrer bedeutsamen Beiträge zur Errichtung der Lemesany-Krosno-Übertragungsleitung in einer anderen Lage befinde als andere Benutzer, so dass ihre unterschiedliche Behandlung keine Diskriminierung darstelle.

41.      Nach ständiger Rechtsprechung verlangt der allgemeine Gleichheitsgrundsatz, dass vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleichbehandelt werden, es sei denn, dass eine solche Behandlung objektiv gerechtfertigt wäre.(18)

42.      Durch den vorrangigen Zugang zu einer 300 MW umfassenden Übertragungskapazität über die Lemesany-Krosno-Übertragungsleitung wird ATEL anders behandelt als andere Unternehmen, die Zugang zum Netz erlangen wollen. Es stellt sich daher die Frage, ob sich ATEL in einer vergleichbaren Lage wie diese anderen Unternehmen befindet.

1.      Zur Frage, ob vorrangiger Zugang stets zu einer Diskriminierung führt – Leitgedanke des Urteils VEMW

43.      In der Rechtssache VEMW ging es um die Zuweisung eines Teils der Kapazität des grenzüberschreitenden Netzes für die Einfuhr von Elektrizität in die Niederlande an einen früheren Monopolbetrieb (Samenwerkende Elektriciteits Productiebedrijven NV, der in der Folgezeit in das Nederlands Elektriciteit Administratiekantoor BV umgewandelt wurde, im Folgenden: SEP/NEA). SEP/NEA nahm im allgemeinen wirtschaftlichen Interesse liegende Aufgaben wahr, um die Elektrizitätsversorgung in den Niederlanden zum Zweck des Weiterverkaufs zu angemessenen Preisen zu gewährleisten. Vor diesem Hintergrund hatte SEP/NEA vor Inkrafttreten der Richtlinie 96/92 verschiedene internationale Verträge über die Einfuhr von Elektrizität geschlossen und benötigte hierfür die ihr zugewiesene Kapazität. Mit dieser Begründung machte sie geltend, sie befinde sich in einer anderen Lage als andere Betreiber, so dass keine Diskriminierung vorliege.

44.      Der Gerichtshof wies dieses Vorbringen implizit zurück, da SEP/NEA aufgrund des Inkrafttretens der Richtlinie 96/92 und der entsprechenden nationalen Umsetzungsvorschriften nicht mehr mit der betreffenden Aufgabe betraut sei und sich daher in einer vergleichbaren Lage wie die anderen Betreiber befinde.

45.      Sodann prüfte der Gerichtshof, ob die unterschiedliche Behandlung gerechtfertigt sei(19), und verneinte dies. Dabei verwies er auf Art. 24 der Richtlinie 96/92, der die Mitgliedstaaten berechtige, Ausnahmeregelungen von den allgemeinen Bestimmungen der genannten Richtlinie zu beantragen. Es sei den Mitgliedstaaten verwehrt, einseitig aufgrund von Erwägungen, wie sie nach der Richtlinie 96/92 eine Ausnahmeregelung rechtfertigen könnten, eine unterschiedliche Behandlung der Elektrizitätsimporteure zu praktizieren(20), da damit die praktische Wirksamkeit von Art. 24 und der Richtlinie insgesamt gefährdet sein könne(21). Der Gerichtshof gelangte anscheinend also im Wesentlichen zu dem Ergebnis, dass eine Diskriminierung nach der Richtlinie nur gerechtfertigt sein kann, wenn die Maßnahme im Rahmen des Ausnahmeverfahrens genehmigt worden ist.(22)

46.      Es wird die Auffassung vertreten, dass eine – von der Kommission befürwortete – Auslegung dieses Urteils dahin, dass damit ein allgemeiner Grundsatz aufgestellt werde, wonach vorrangiger Zugang stets eine Diskriminierung darstelle, sofern die Maßnahme nicht im Rahmen des Ausnahmeverfahrens genehmigt worden sei, zu weit gehe und auch nicht wünschenswert sei.

47.      Der erste Kritikpunkt betrifft Fälle, in denen eine Ausnahme nicht möglich ist. Der Leitgedanke des Urteils VEMW könne theoretisch dann nicht zum Tragen kommen, wenn eine Ausnahme nicht möglich sei; aufgrund einer zeitlichen Lücke führe die Auslegung hier zu einer diskriminierenden Behandlung von Investoren je nach dem Zeitpunkt der Vornahme der Investition. Investitionen, die vor Ablauf der Bestimmung über das Ausnahmeverfahren gemäß der Richtlinie 96/92 (also vor dem 20. Februar 1998), und Investitionen, die nach dem Inkrafttreten der Verordnung Nr. 1228/2003 (also nach dem 1. Juli 2004) getätigt worden seien, könnten dann nämlich von den Bestimmungen über das Diskriminierungsverbot ausgenommen werden, während dies bei zwischen diesen beiden Zeitpunkten getätigten Investitionen nicht möglich sei. Zu Recht wurde dies als merkwürdiges Ergebnis bezeichnet.(23)

48.      Der zweite Kritikpunkt betrifft den Umstand, dass es gute Gründe dafür geben könne, unabhängige Investoren anders als andere Unternehmen zu behandeln, die Zugang zu Elektrizitätsübertragungsleitungen erlangen wollten. Investitionen im Energiesektor seien bedeutsam, da in diesem Bereich nicht nur die Errichtung neuer Übertragungsleitungen, sondern auch die Weiterentwicklung vorhandener Technologien erforderlich sei.(24) Die Durchführung solcher Projekte sei außerdem sehr kostenaufwendig.(25) Da es sich bei Elektrizitätsnetzen naturgemäß um Monopole handele(26), sei es unter dem Gesichtspunkt der Marktliberalisierung wünschenswert, dass private Unternehmen in die Netze investierten, was im Übrigen auch zur Zerschlagung früherer Monopole beitrage. Zudem habe die Kommission bereits entschieden, dass Kapazitätszuteilungen zur Sicherung von Investitionen nicht wettbewerbswidrig im Sinne von Art. 81 EG seien und auch nicht gegen Art. 82 EG verstießen.(27)

49.      Ich teile zwar diese Bedenken, jedoch passt der Leitgedanke des Urteils VEMW meines Erachtens besser in das Gesamtkonzept der Marktliberalisierung, die der Gesetzgeber im Bereich der Energiepolitik anstrebt.

50.      Ziel der europäischen Energiepolitik ist die Öffnung der Märkte und die Schaffung gleicher Ausgangsbedingungen, indem früheren Monopolisten keine Vorzugsbehandlung mehr gewährt wird.(28) Zur Erreichung dieses Ziels ist der Grundsatz gleicher Zugangsbedingungen unumgänglich. (29)

51.      Das Ziel der Liberalisierung muss jedoch in Einklang mit der Notwendigkeit einer Förderung von Investitionen im Energiesektor gebracht werden(30), da diese für die Gewährleistung der Versorgungssicherheit in der Union von besonderer Bedeutung sind.(31)

52.      Meiner Meinung nach wird die Erreichung des Ziels der Investitionsförderung weder durch das Urteil VEMW noch durch die Richtlinie 2003/54 in Frage gestellt, da das Urteil und die Richtlinie kein absolutes Diskriminierungsverbot statuieren.(32) Der Gesetzgeber hat der Notwendigkeit, die im Rahmen der Richtlinie 2003/54 getätigten Investitionen unter bestimmten Voraussetzungen zu schützen, durchaus Rechnung getragen.(33) So sieht Art. 7 der Verordnung Nr. 1228/2003 vor, dass neue Verbindungsleitungen auf Antrag von den Bestimmungen des Art. 20 der Richtlinie 2003/54 unter den in Art. 7 der Verordnung Nr. 1228/2003 genannten Voraussetzungen ausgenommen werden können. Für die Zwecke der Verordnung bezeichnet der Begriff „Verbindungsleitung“ eine Übertragungsleitung, die eine Grenze zwischen Mitgliedstaaten überquert.(34)

53.      Mithin gestattet die Regelung in bestimmten Fällen eine Ungleichbehandlung, wenngleich in einem letztlich von der Kommission kontrollierten Rahmen. Gemäß dem Verfahren nach Art. 7 der Verordnung Nr. 1228/2003 kann die Regulierungsbehörde von Fall zu Fall die Erteilung einer Ausnahme von Art. 20 der Richtlinie 2003/54 beschließen, wenn Investitionen in neue Gleichstrom-Verbindungsleitungen vorgenommen werden. Zudem können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass die Regulierungsbehörden der zuständigen Stelle des Mitgliedstaats ihre Stellungnahme zu dem Antrag auf Gewährung einer Ausnahme vorlegen.(35) Die Entscheidung zur Gewährung einer Ausnahme wird dann der Kommission mitgeteilt, damit diese sie prüfen kann. Nach erfolgter Prüfung kann die Kommission gegebenenfalls verlangen, dass die betreffende Regulierungsbehörde des Mitgliedstaats ihre Entscheidung über die Gewährung der Ausnahme ändert oder widerruft. (36)

54.      Nach alledem stellt meines Erachtens die Grundregel, dass ein vorrangiger Zugang nur erlaubt ist, wenn er aufgrund einer entsprechenden Ausnahmeregelung genehmigt wurde, eine vernünftige Lösung dar, um Marktliberalisierung und die Notwendigkeit, Investitionen zu gewinnen und zu schützen, in Einklang zu bringen; diese Grundregel entspricht dem Willen des Gesetzgebers.

2.      Zur Situation von ATEL und von unabhängigen Investoren

55.      Demnach kann dem Vorbringen der Slowakei, dass sich Investoren in einer anderen Situation befänden, nicht gefolgt werden.

56.      Dies gilt ungeachtet des Umstands, dass dieses Ergebnis für das betroffene Unternehmen im vorliegenden Fall schwerwiegendere Folgen nach sich zieht, als dies in der Rechtssache VEMW der Fall war. Dort konnte SEP/NEA den Strom, zu dessen Erwerb außerhalb der Niederlande sie sich im Rahmen internationaler Verträge verpflichtet hatte(37), anderweit verkaufen, während ATEL ihren vertraglichen Anspruch auf vorrangigen Zugang im vorliegenden Fall nicht sinnvoll veräußern kann, weil er wertlos geworden ist.

57.      Wenn man jedoch zuließe, dass Investoren anders behandelt werden, würde einer kleinen Gruppe von Unternehmen der Erwerb vorrangigen Zugangs gestattet, was der Zielsetzung der Richtlinie 2003/54 und der Energiepolitik der Union im Allgemeinen gerade zuwiderliefe.

58.      ATEL ist einfach eine weitere Gesellschaft, die Netzzugang erlangen will, um Elektrizität an ihre Kunden übertragen zu können. Insoweit steht sie im Wettbewerb mit verschiedenen anderen potenziellen Elektrizitätsverkäufern und muss daher als mit diesen in einer vergleichbaren Situation befindlich angesehen werden.

59.      Die Gewährung einer vorrangigen Behandlung im vorliegenden Fall stellt daher eine Diskriminierung im Sinne der Richtlinie 2003/54 dar, so dass geprüft werden muss, ob diese Behandlung gerechtfertigt ist.

C –    Rechtfertigung

1.      Energiecharta-Vertrag

60.      Zur Rechtfertigung des ATEL gewährten privilegierten Zugangs beruft sich die Slowakei in erster Linie auf die Verpflichtungen aus dem Energiecharta-Vertrag. Sie weist zutreffend darauf hin, dass die Richtlinie 2003/54 im Einklang mit den Verpflichtungen der Union aus dem Energiecharta-Vertrag auszulegen ist.(38) Da es sich beim Energiecharta-Vertrag um ein gemischtes Übereinkommen handele, sei die Union außerdem rechtlich an die darin normierten Verpflichtungen zur fairen und gerechten Behandlung und zur Unterlassung von Enteignungen gebunden, die den materiell-rechtlichen Bestimmungen des Investitionsschutzabkommens entsprächen.

61.      Meines Erachtens können die Spezialvorschriften der Richtlinie 2003/54, die im Urteil VEMW im Einzelnen ausgelegt worden sind, nicht durch die Generalvorschriften des Energiecharta-Vertrags verdrängt werden.(39) Dies gilt umso mehr, wenn die Auslegung auf eine in der Richtlinie 2003/54 nicht vorgesehene rückwirkende Ausnahme von den Vorschriften über das Diskriminierungsverbot hinausläuft.

62.      Zu klären bleibt die Frage der unmittelbaren Verpflichtungen der Union als Vertragspartei des Energiecharta-Vertrags.

63.      Meiner Meinung nach bietet der Energiecharta-Vertrag dem Investor keinen weiter gehenden Schutz als das Investitionsschutzabkommen. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass das Energierecht der Union, wie es in der Richtlinie 2003/54 und der Verordnung Nr. 1228/2003 niedergelegt ist, bezüglich Investitionen, die in den zeitlichen Geltungsbereich dieser Rechtsakte fallen, hinter dem vom Energiecharta-Vertrag verlangten Schutzniveau zurückbleibt. Was im Übrigen Nutzung und Schutz der Investitionen betrifft, bietet der unionsrechtlich garantierte allgemeine Grundrechtsschutz den Investoren Schutz auf einem Niveau, das den Erfordernissen von Art. 10 Abs. 1 und Art. 13 Abs. 1 des Energiecharta-Vertrags genügt.(40)

64.      Da der Investitionsvertrag im vorliegenden Fall, wie noch darzulegen ist, durch Art. 307 Abs. 1 EG geschützt ist, verletzt die Union nicht ihre ATEL gegenüber bestehenden Verpflichtungen aus dem Energiecharta-Vertrag. Daher dürfte sich eine nähere Auslegung des Energiecharta-Vertrags hier erübrigen.

2.      Ausnahmeregelung

65.      Nach Auffassung der Kommission hätte die Slowakei auf die Aufnahme einer Ausnahmeregelung in ihre Beitrittsakte hinwirken müssen.

66.      Meines Erachtens konnte von der Slowakei jedoch nicht erwartet werden, eine Ausnahme von einer Bestimmung zu erwirken, deren unionsrechtliche Beurteilung ungewiss war. Zum Zeitpunkt des Beitritts stand nicht fest, dass die Gewährung einer vorrangigen Behandlung eine Diskriminierung im Sinne der Richtlinie 2003/54 darstellen würde. Erstens war zum Zeitpunkt der Verhandlungen über den Beitrittsvertrag das Urteil VEMW noch nicht ergangen.(41) Des Weiteren vertraten in der Rechtssache VEMW die niederländische, die französische und die finnische Regierung sowie die Kommission die Auffassung, dass die streitige Maßnahme des vorrangigen Zugangs keine Diskriminierung darstelle.(42) Darüber hinaus scheint sich die Kommission in ihrem Wettbewerbsbericht 2003 auf den Standpunkt gestellt zu haben, dass vor der Liberalisierung abgeschlossene Verträge trotz im Hinblick auf die wettbewerblichen Auswirkungen bestehender Bedenken gültig seien.(43) Es ist fraglich, ob die Mitgliedstaaten und die Kommission im Rahmen der Beitrittsverhandlungen einer Ausnahmeregelung für einen Bewerberstaat zugestimmt hätten, wenn dies zu einer Auslegung des gemeinschaftlichen Besitzstands geführt hätte, der sie sich damals nicht hätten anschließen können.

67.      Falls allerdings der Investitionsvertrag im Rahmen von Art. 307 Abs. 1 EG geschützt ist, sind Spekulationen über die Beitrittsverhandlungen müßig, da die Slowakei dann keine Ausnahmeregelung benötigt hätte.

D –    Art. 307 EG: vor dem Beitritt eingegangene völkerrechtliche Verpflichtungen

68.      Die Kommission ist der Ansicht, dass keine Pflicht aus einer vor dem Beitritt geschlossenen Übereinkunft im Sinne des Art. 307 EG bestehe und dies daher keinen Rechtfertigungsgrund für die zugunsten von ATEL erfolgte Diskriminierung darstellen könne.

1.      Zur Frage, ob der Investitionsvertrag eine nach dem Investitionsschutzabkommen schutzfähige Investition zum Gegenstand hat

69.      Das Investitionsschutzabkommen findet auf Investitionen Anwendung; diese sind definiert als „alle Arten von Vermögenswerten und Guthaben“, und in einer nicht erschöpfenden Aufzählung von Beispielen dessen, was unter den Begriff „Investitionen“ fallen könnte, sind „Forderungen und Rechte auf irgendwelche Leistungen, die einen wirtschaftlichen Wert aufweisen“(44), aufgeführt.

70.      Im vorliegenden Fall hat ATEL das Recht zur Nutzung einer festgelegten Kapazität der Lemesany-Krosno-Leitung gegen Zahlung von mehr als der Hälfte der entsprechend den Vertragsbestimmungen zu berechnenden Errichtungskosten erworben. Im Gegenzug ist SEPS verpflichtet, ATEL diese Kapazität auf Verlangen zur Verfügung zu stellen, d. h., sie muss die Dienstleistungen eines Übertragungsnetzbetreibers vorrangig erbringen. Dieses von ATEL erworbene Recht hat einen wirtschaftlichen Wert, denn es garantiert Zugang zum slowakischen Übertragungsnetz, den ATEL benötigt, um Strom aus/über Ungarn nach Polen verkaufen zu können.

71.      Es kann daher als Investition im Sinne von Art. 1 Abs. 2 Buchst. c des Investitionsschutzabkommens angesehen werden.

2.      Zur Frage, ob das Investitionsschutzabkommen eine Pflicht im Sinne von Art. 307 EG begründet

72.      Art. 307 EG bezweckt die Herstellung eines Gleichgewichts zwischen den vor einem Beitritt begründeten Rechten von Drittländern (nach Art. 307 Abs. 1 EG) und der Behebung von gegebenenfalls daraus resultierenden Unvereinbarkeiten mit dem EG-Vertrag; erreicht wird dies durch die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, alle geeigneten Mittel anzuwenden, um Unvereinbarkeiten zwischen vor dem Beitritt geschlossenen Übereinkünften und unionsrechtlichen Pflichten (nach Art. 307 Abs. 2 EG) zu beheben.(45) In der jüngsten Rechtsprechung hat sich der Gerichtshof mit der letztgenannten Pflicht befasst, die in Art. 307 Abs. 2 EG verankert ist.(46) Im vorliegenden Fall geht es jedoch ausschließlich um Art. 307 Abs. 1 EG, da die Kommission sich nicht auf Art. 307 Abs. 2 EG berufen hat.

73.      Nach Art. 307 Abs. 1 EG werden die Rechte und Pflichten aus Übereinkünften, die ein Mitgliedstaat vor dem Zeitpunkt seines Beitritts mit einem Drittstaat geschlossen hat, durch den Vertrag nicht berührt.(47) Diese Bestimmung löst also den Widerspruch zwischen zwei miteinander unvereinbaren Pflichten zugunsten der zeitlich früher begründeten Pflicht auf und kodifiziert damit den völkerrechtlichen Grundsatz, dass ein später geschlossener Vertrag, der mit einem früheren kollidiert, nicht die Rechte eines Staats berühren kann, der lediglich Partei des früheren Vertrags ist(48).

74.      In Art. 307 Abs. 1 EG ist zwar nur von Pflichten der Mitgliedstaaten die Rede, die Vorschrift würde aber ihren Zweck verfehlen, wenn mit ihr nicht stillschweigend eine Verpflichtung der Gemeinschaftsorgane begründet würde, die Erfüllung der Pflichten, die sich für die Mitgliedstaaten aus früheren Übereinkünften ergeben, nicht zu behindern.(49)

75.      Ferner verleiht Art. 307 Abs. 1 EG nicht etwa Einzelnen, die sich auf eine vor einem Beitritt geschlossene Übereinkunft berufen, von den Gerichten der Mitgliedstaaten zu schützende Rechte und beeinträchtigt auch nicht die Rechte, die Einzelnen aufgrund einer solchen Übereinkunft möglicherweise zustehen.(50)

76.      Im vorliegenden Fall ist die Slowakei gegenüber der Schweiz gemäß dem Investitionsschutzabkommen zum Schutz der von schweizerischen Investoren in der Slowakei getätigten Investitionen verpflichtet. Darüber hinaus sieht das Investitionsschutzabkommen auch ausdrücklich das völkerrechtliche Recht der Investoren vor, sich gegenüber einer Vertragspartei auf die im Investitionsschutzabkommen enthaltene Schiedsklausel zu berufen, und zwar unabhängig von den Rechtsfolgen, die das Abkommen in der innerstaatlichen Rechtsordnung der Vertragsparteien entfaltet, und ohne diplomatischen Schutz nach Maßgabe des Völkerrechts in Anspruch nehmen zu müssen.

77.      Da die Rechte, die einem Privaten aufgrund einer vor dem Beitritt geschlossenen Übereinkunft zustehen, unberührt bleiben, kann sich die Slowakei für den Fall, dass sie die ihr in Bezug auf ATEL nach Maßgabe des Investitionsschutzabkommens obliegenden Pflichten nicht erfüllen kann, wenn sie die Richtlinie 2003/54 in der vom Gerichtshof im Urteil VEMW vorgenommenen Auslegung anwendet, zu ihrer Verteidigung auf Art. 307 Abs. 1 EG berufen, so dass die diskriminierende Behandlung deshalb gerechtfertigt ist.

78.      Die Kommission macht erstens geltend, dass zwischen dem Unionsrecht und dem Investitionsschutzabkommen an sich kein Widerspruch bestehe, da das Abkommen keine mit dem Unionsrecht unvereinbaren Bestimmungen enthalte. Außerdem bestreitet die Kommission das Bestehen einer Pflicht aus dem Investitionsschutzabkommen, da dieses die Slowakei nicht zur Aufrechterhaltung des Investitionsvertrags zwinge. Die Kündigung des Investitionsvertrags stelle weder eine Verletzung der im Investitionsschutzabkommen enthaltenen Bestimmungen über die faire und gerechte Behandlung von Investitionen noch eine Enteignung im Sinne des Investitionsschutzabkommens dar.

79.      Grundsätzlich ist der Gerichtshof zur Auslegung des Investitionsschutzabkommens nicht befugt. Diese Aufgabe ist – bei Meinungsverschiedenheiten zwischen einer Vertragspartei und einem Investor der anderen Vertragspartei nach Art. 9 des Investitionsschutzabkommens und bei Meinungsverschiedenheiten zwischen den Vertragsparteien nach Art. 10 – der ausschließlichen Zuständigkeit der Schiedsgerichte zugewiesen. Das Gleiche gilt für die Auslegung des Investitionsvertrags. Außerdem besteht aufgrund der Schiedsklauseln im Investitionsschutzabkommen und im Investitionsvertrag die Gefahr, dass die Entscheidung eines zuständigen Schiedsgerichts über diese Bestimmungen von der Entscheidung des Gerichtshofs abweicht.

80.      Im vorliegenden Vertragsverletzungsverfahren muss der Gerichtshof jedoch eine gewisse „auslegende Rekonstruktion“ der einzelnen Elemente der durch diese Verpflichtungserklärungen geschaffenen Rechtslage vornehmen, um feststellen zu können, ob eine Pflicht im Sinne von Art. 307 Abs. 1 EG besteht.(51) Gleichwohl gehören diese Rechtselemente für den Gerichtshof zum Sachverhalt des gerügten Verstoßes und nicht zu den Rechtsnormen, die er auszulegen hätte.

81.      Wenn der Gerichtshof völkerrechtliche Übereinkünfte auszulegen hat, wendet er dabei Art. 31 des Wiener Übereinkommens an. Danach ist ein Vertrag nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Licht seines Zieles und Zweckes auszulegen. Insoweit ist außer dem Zusammenhang auch jeder in den Beziehungen zwischen den Vertragsparteien anwendbare einschlägige Völkerrechtssatz zu berücksichtigen.

82.      Nach Art. 31 Abs. 4 des Wiener Übereinkommens ist bei der Auslegung eines völkerrechtlichen Vertrags auch jede besondere Bedeutung zu berücksichtigen, die die Vertragsparteien einem Ausdruck beilegen wollten. Im vorliegenden Fall wollten die Vertragsparteien des Investitionsschutzabkommens den Formulierungen des Abkommens ersichtlich die Bedeutung beilegen, die ihnen von den Schiedsgerichten und dem Internationalen Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (International Centre for Settlement of Investment Disputes, im Folgenden: ICSID) beigelegt werden, da im Investitionsschutzabkommen ausdrücklich die Beilegung von Meinungsverschiedenheiten durch ein entsprechend den Vorgaben des Investitionsschutzabkommens bestelltes Schiedsgericht oder durch Verweisung der Meinungsverschiedenheit an das ICSID genannt wird.(52) Auch wenn in Schiedsverfahren nicht der Lehrsatz von der bindenden Wirkung von Präzedenzfällen gilt, nehmen Schiedsgerichte bei ihren Feststellungen in der Regel auf die Entscheidungen anderer Schiedsgerichte Bezug.

83.      Gemäß seiner Präambel ist es Ziel und Zweck des Investitionsschutzabkommens, günstige Bedingungen für Investitionen zu schaffen und zu erhalten sowie solche Investitionen zu fördern und zu schützen. Darüber hinaus heißt es in Art. 3 des Investitionsschutzabkommens ausdrücklich, dass die Vertragsparteien Investitionen auf ihrem Gebiet fördern.

84.      Art. 4 des Investitionsschutzabkommens regelt die Behandlung und den Schutz von Investitionen nach deren Bewilligung. Zum Schutz von Investitionen gehören auch die in Art. 6 des Investitionsschutzabkommens enthaltenen Bestimmungen über Enteignung. Ich werde nacheinander auf die einzelnen Vorschriften eingehen.

a)       „Gerechte und billige Behandlung“ nach Art. 4 des Investitionsschutzabkommens

85.      Zu Art. 4 des Investitionsschutzabkommens trägt die Kommission vor, dass ATEL keinen Vertrauensschutz bezüglich des unveränderten Fortbestands der rechtlichen Rahmenbedingungen genieße. Insbesondere habe ATEL bekannt sein müssen, dass die Slowakei kurz vor einem Beitritt zur Europäischen Union gestanden habe, da diese bereits den europäischen Vertrag unterzeichnet und ihren Beitrittsantrag gestellt gehabt habe.

86.      Die Slowakei macht geltend, bei der Vornahme der Investition im Jahr 1997 habe ATEL den Zeitpunkt des Beitritts der Slowakei nicht vorhersehen können und habe jedenfalls nicht den Verlust ihrer Investition erwartet, insbesondere da die Union damals mit der Richtlinie 90/547/EWG(53) ihren politischen Wunsch zum Ausdruck gebracht habe, Kapazitäten für die Elektrizitätsübertragung auch außerhalb Europas zu erhöhen.

87.      Zugegebenermaßen unterscheidet sich der zeitliche Verlauf des Beitritts der Slowakei von dem derjenigen im Fall anderer Länder, die zum selben Zeitpunkt beigetreten sind. Die Slowakei unterzeichnete das Assoziierungsabkommen am 4. Oktober 1993, und der slowakische Premierminister legte der Union den Antrag im Rahmen der Tagung des Europäischen Rates am 27. Juni 1995 in Cannes vor. Allerdings wurde die Slowakei erst vom Europäischen Rat (Helsinki) im Dezember 1999 zur Aufnahme der Verhandlungen über einen Beitritt zur Europäischen Union eingeladen. Diese Einladung erging später als die Einladung an die erste Gruppe von Bewerberstaaten, die dann gleichzeitig mit der Slowakei der Union beitraten.(54)

88.      Diese zeitliche Abfolge könnte dafür sprechen, dass im Jahr 1997 ein Investor nicht sicher sein oder nicht vorhersehen konnte, ob und zu welchem Zeitpunkt die Slowakei der Europäischen Union beitreten würde, da dies damals noch ungewiss war.

89.      Durfte ATEL trotzdem davon ausgehen, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen unverändert bleiben würden?

90.      Nach dem Wortlaut von Art. 4 des Investitionsschutzabkommens darf der Aufnahmestaat Investitionen nicht durch ungerechtfertigte oder diskriminierende Maßnahmen behindern. Außerdem muss der Aufnahmestaat Investitionen gerecht und billig und nicht weniger günstig behandeln als Investitionen eigener Investoren.

91.      Aus dem von Art. 4 insgesamt garantierten Schutzniveau lässt sich meines Erachtens nicht herleiten, dass sich die rechtlichen und geschäftlichen Rahmenbedingungen nie ändern werden, sondern lediglich, dass Änderungen nicht willkürlich erfolgen und den ausländischen Investor im Vergleich zu inländischen Investoren, die Investitionen in dem Gebiet tätigen, nicht ungerechtfertigt und diskriminierend beeinträchtigen dürfen.

92.      Dieses Ergebnis entspricht auch der Spruchpraxis der Schiedsgerichte. In der Regel besteht eine Pflicht, das rechtliche und geschäftliche Umfeld, in dem eine Investition getätigt wurde, nicht zu ändern.(55) Im Kontext von Investitionen in einem Land, das sich im Zuge der Ablösung von seiner kommunistischen Vergangenheit in einer Übergangsphase befindet, haben die Schiedsgerichte jedoch entschieden, dass der Investor nicht auf einen unveränderten Fortbestand der gesetzlichen Regelungen vertrauen dürfe.(56) In solchen Situationen könne vom Investor erwartet werden, sich gegen die Risiken eines instabilen rechtlichen Umfelds durch Vereinbarung einer Stabilisierungsklausel oder anderer Bestimmungen, die Schutz vor unerwünschten Veränderungen bieten, abzusichern. Unterlasse er dies, könne daraus gegebenenfalls der Schluss gezogen werden, dass der Investor ein kalkuliertes Geschäftsrisiko eingehe und akzeptiere, dass er möglicherweise mit Rechtsänderungen konfrontiert werde, die sich nachteilig auf seine Interessen und Investitionen auswirken können oder könnten.(57)

93.      Diesen Schiedssprüchen lässt sich als Entscheidungskriterium entnehmen, dass mit den Rechtsänderungen spezifisch die Beeinträchtigung der Investition bezweckt werden muss(58), es sei denn, der Staat hat eine gegenteilige Zusicherung abgegeben, die den Investor zur Vornahme der Investition veranlasst hat.

94.      Dennoch bin ich nicht überzeugt, dass die Änderung der rechtlichen Rahmenbedingungen, mit der ATEL konfrontiert ist, nicht unangemessen ist, da ATEL der völlige Verlust der Gegenleistung für ihre Investition droht.

95.      Als Beispiel für eine Änderung der rechtlichen Rahmenbedingungen, vor der ein privater Investor nicht geschützt ist, ließe sich der Fall anführen, dass sich ein ausländischer Reiseveranstalter an der Finanzierung einer Ferienanlage beteiligt und als Gegenleistung das Recht erhält, 20 Jahre lang bis zu 20 % der Bettenkapazität der Anlage zu nutzen. Die Attraktivität der Ferienanlage beruht auf ihrer Nähe zu einem Naturschutzgebiet. Büßt die Ferienanlage ihre Rentabilität ein, weil neue Vorschriften den Zugang zu dem Schutzgebiet für Touristen verbieten, kann nicht geltend gemacht werden, dass das berechtigte Vertrauen des Investors verletzt sei, es sei denn, der betreffende Staat war unmittelbar oder mittelbar an dem Geschäft beteiligt oder hat den Fortbestand des status quo in sonstiger Weise zugesichert. Wenn der Staat hingegen zur Förderung des gleichberechtigten Zugangs zu dem Schutzgebiet neue Vorschriften erlässt, wonach alle Reiseveranstalter hinsichtlich der Nutzung der Bettenkapazität der neuen Ferienanlage gleichgestellt werden müssen, ist die Situation anders zu beurteilen. Ein Investor braucht nicht damit zu rechnen, dass rechtmäßig getätigte Investitionen aufgrund regulativer Eingriffe zu dem Allgemeinwohl dienenden Zwecken umfunktioniert und damit für den Investor wertlos werden.

96.      Selbst wenn ATEL Änderungen der rechtlichen Rahmenbedingungen erwarten musste, ist daher fraglich, ob sie mit Rechtsänderungen rechnen musste, die ihr die Möglichkeit zur privilegierten Nutzung von Vermögenswerten nehmen, die sie mit ihrer Investition erworben hat.(59)

b)      Enteignung nach Art. 6 des Investitionsschutzabkommens

97.      Nach Art. 6 des Investitionsschutzabkommens dürfen die Vertragsparteien weder direkt noch indirekt Enteignungsmaßnahmen oder sonstige Maßnahmen derselben Art oder mit derselben Wirkung gegenüber Investitionen treffen. Dies gilt nicht, wenn die Maßnahmen im öffentlichen Interesse erfolgen, nicht diskriminierend sind und den gesetzlichen Vorschriften entsprechen und sofern eine wertentsprechende und tatsächlich verwertbare Entschädigung vorgesehen ist.

98.      Die Kommission macht geltend, dass Art. 6 des Investitionsschutzabkommens keine völkerrechtliche Pflicht zur Aufrechterhaltung des Investitionsvertrags begründe, da dessen Verletzung nicht als Enteignung zu qualifizieren sei. Nur in seltenen Fällen stelle der Eingriff eines Staats in die eine Investition betreffenden Rechte eines Auftragnehmers eine indirekte Enteignung dar.

99.      Die Slowakei trägt vor, dass eine solche Situation einer indirekten Enteignung gleichkomme. Eine Enteignung sei eine staatliche Handlung, die sich negativ auf die Verwaltung, die Nutznießung und den Wert der Investition auswirke, und liege dann vor, wenn die öffentliche Maßnahme irreversibel und dauerhaft sei und zu einem teilweisen Wertverlust der Investition führe.(60)

100. Der Wortlaut von Art. 6 des Investitionsschutzabkommens sei weit gefasst. Die Vorschrift erfasse nicht nur direkte und indirekte Enteignungen, sondern auch Maßnahmen mit derselben Wirkung. Offensichtlich sei also ein weiter Investitionsschutz vorgesehen.

101. Im vorliegenden Fall ergebe sich bei Zugrundelegung dieses Enteignungsbegriffs und angesichts des weit gefassten Wortlauts von Art. 6 des Investitionsschutzabkommens, dass eine Kündigung des Investitionsvertrags seitens der Slowakei in die Rechte von ATEL eingreife: ATEL werde ihre einzige Rendite aus der Investition entzogen.(61)

102. Nach Auffassung der Kommission ist die Enteignung nicht rechtswidrig, da Art. 6 des Investitionsschutzabkommens im Fall einer Enteignung eine Entschädigung vorsehe. Es bestehe daher keine Pflicht zur Unterlassung einer Enteignung, sondern eine Pflicht zur Unterlassung einer Enteignung ohne Entschädigung. Betrachte man dagegen bereits eine Enteignung in dem erstgenannten weiten Sinne als Rechtfertigungsgrund für eine diskriminierende Behandlung, würde – so die Kommission – jede Berufung auf eine finanzielle Belastung durchgreifen, was indes der Rechtsprechung des Gerichtshofs zuwiderliefe.(62)

103. Meines Erachtens setzt diese Argumentation die Rechtsfolge vor den Rechtsgrund. Art. 6 verankert das Recht auf Entschädigung als Folge einer Verletzung des dem Investor zustehenden Rechts, nicht enteignet zu werden. Dieses Entschädigungsrecht hebt aber das Recht, nicht enteignet zu werden, nicht auf, so dass eine völkerrechtliche Pflicht der Slowakei im Sinne von Art. 307 EG besteht, nämlich hier die Pflicht, keine Enteignungen gegenüber Investitionen vorzunehmen, ohne dass die Bedingungen des Art. 6 des Investitionsschutzabkommens erfüllt sind, unter denen die Entschädigung nur eine Bedingung unter mehreren ist.

104. Meines Erachtens handelt es sich bei einer rechtmäßigen Enteignung nicht um eine spontane politische Maßnahme, die sich gegen einen individuellen Investor richtet – auch wenn sie durch eine Entschädigungsleistung abgemildert wird –, sondern um die Anwendung bestehender Rechtsvorschriften auf bestimmte, durch ein zwingendes Allgemeininteresse gekennzeichnete Fälle unter umfassender Wahrung der Menschenrechte und der Grundrechte.

105. Für dieses Ergebnis spricht auch die Untersuchung dessen, was die Slowakei tun müsste, um den nach Ansicht der Kommission gemäß der Richtlinie 2003/54 gebotenen Rechtszustand herzustellen. Partei des Investitionsvertrags ist nicht die Slowakei, sondern SEPS, der kein Rücktrittsrecht zusteht. Der Investitionsvertrag ist nach österreichischem Recht auszulegen, so dass die Slowakei keine Möglichkeit hat, seinen Inhalt oder seine Rechtsfolgen durch eigene Rechtssetzung zu ändern oder den Investitionsvertrag unwirksam zu machen. Ein slowakisches Gesetz, das Verträge, die vorrangigen Zugang zu Übertragungsnetzen vorsehen, für in der Slowakei ungültig und unanwendbar erklärte, würde nichts daran ändern, dass SEPS rechtlich an den Investitionsvertrag gebunden bliebe. Die einzig denkbare Möglichkeit für die Slowakei, im vorliegenden Fall ihren Verpflichtungen nachzukommen, bestünde daher im Erlass von gesetzlichen Maßnahmen gegen SEPS, mit denen diese an der Erfüllung des Investitionsvertrags gehindert würde. Dies käme meines Erachtens einer Enteignung oder einer Maßnahme mit derselben Wirkung gleich und dürfte im Übrigen nicht im Einklang mit dem Erfordernis einer fairen und gerechten Behandlung stehen.

106. Da das Unionsrecht derzeit Ausnahmen vom Grundsatz des nichtdiskriminierenden Zugangs zu Elektrizitätsübertragungsnetzen zulässt, lässt sich nicht anführen, dass Enteignungsmaßnahmen gegenüber der Investition von ATEL im öffentlichen Interesse notwendig seien. Die Enteignungsmaßnahmen lassen sich auch nicht als nichtdiskriminierend bezeichnen, da eine zeitliche Lücke zwischen dem Ablauf der Geltungsfrist für nach Art. 24 der Richtlinie 96/92 zulässige Ausnahmeregelungen und dem Inkrafttreten von Art. 7 der Verordnung Nr. 1228/2003 besteht. Diese Lücke hat zur Foge, dass für einige Investitionen eine Ausnahme gelten kann, für andere hingegen nicht, so dass die Maßnahme nicht als nichtdiskriminierend bezeichnet werden kann.

107. Dies muss zu dem Ergebnis führen, dass eine völkerrechtliche Pflicht im Sinne von Art. 307 Abs. 1 EG besteht und dass die Slowakei SEPS nicht zur Nichterfüllung des Investitionsvertrags zwingen kann, ohne dabei gegen ihre Verpflichtungen aus dem Investitionsschutzabkommen zu verstoßen.

c)      Ergebnis bezüglich einer völkerrechtlichen Pflicht

108. Infolgedessen wird eine solche Pflicht, die vor Inkrafttreten des EG-Vertrags begründet wurde, durch diesen Vertrag nicht berührt, so dass die Slowakei ihre Verpflichtungen aus den Art. 9 und 20 der Richtlinie 2003/54 nicht verletzt hat.

109. Zu dieser Schlussfolgerung komme ich allerdings nur mit einigem Zögern. Auch wenn die Anwendung von Art. 307 EG ein solches Ergebnis rechtfertigt, scheint dieses doch auf den ersten Blick dem Gedanken der Marktliberalisierung zuwiderzulaufen, die mit der Richtlinie 2003/54 gefördert werden soll. Überzeugt hat mich jedoch die Überlegung, dass diese Lösung nicht unvereinbar mit den in Art. 24 der Richtlinie 96/92 und Art. 7 der Verordnung Nr. 1228/2003 vorgesehenen Ausnahmeregelungen ist, die bei Investitionen im Elektrizitätsbereich ausnahmsweise die Gewährung privilegierten Zugangs erlauben.

110. Zudem ist im vorliegenden Fall die Marktliberalisierung nicht gefährdet, da ATEL ein Unternehmen eines Drittstaats und nicht ein gebietsansässiger Monopolist ist und da sie ein Recht besitzt, das vor dem Beitritt der Slowakei erworben wurde, zeitlich begrenzt ist und nach Ablauf dieses Zeitraums nicht verlängert werden kann.

V –    Ergebnis

111. Aufgrund der vorstehenden Ausführungen schlage ich dem Gerichtshof vor, die Klage abzuweisen und der Kommission die Kosten aufzuerlegen.


1 – Originalsprache: Englisch.


2 – Richtlinie 2003/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2003 über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 96/92/EG (ABl. L 176, S. 37). Der Richtlinie 2003/54 war die Richtlinie 96/92/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Dezember 1996 betreffend gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt (ABl. 1997, L 27, S. 20) vorausgegangen. Die Richtlinie 2003/54 wurde vor Kurzem durch die Richtlinie 2009/72/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/54/EG aufgehoben und ersetzt (ABl. L 211, S. 55).


3 – Das Abkommen wurde zwischen der Tschechischen und Slowakischen Föderativen Republik und der Schweizerischen Eidgenossenschaft geschlossen. Zur Staatsnachfolge der Tschechoslowakei und zur Anwendbarkeit des Investitionsschutzabkommens auf die Slowakei nach deren Umwandlung in einen unabhängigen Staat sind keine Rechtsfragen aufgeworfen worden.


4 – Das Übereinkommen wurde am 23. Mai 1969 in Wien unterzeichnet und ist am 27. Januar 1980 in Kraft getreten (UN Doc.A/Conf.39/27, 1155 UNTS 331, 8 ILM 679, 1969, im Folgenden: Wiener Übereinkommen). Beide Länder sind Vertragsstaaten des Wiener Übereinkommens, die Slowakei als Nachfolgerstaat.


5 – Der Vertrag über die Energiecharta (im Folgenden: Energiecharta-Vertrag) wurde im Dezember 1994 unterzeichnet und ist im April 1998 in Kraft getreten. Die Slowakei, die Schweiz und die Union waren zum maßgebenden Zeitpunkt Unterzeichner.


6 – Da die vorliegende Vertragsverletzungsklage vor Inkrafttreten des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (ABl. 2008, C 115, S. 47) erhoben worden ist, werden durchweg die Bezeichnungen der Artikel des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (ABl. 2002, C 325, S. 33) beibehalten.


7 – Verordnung (EG) Nr. 1228/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2003 über die Netzzugangsbedingungen für den grenzüberschreitenden Stromhandel (ABl. L 176, S. 1).


8 – Vertrag zwischen dem Königreich Belgien, dem Königreich Dänemark, der Bundesrepublik Deutschland, der Hellenischen Republik, dem Königreich Spanien, der Französischen Republik, Irland, der Italienischen Republik, dem Großherzogtum Luxemburg, dem Königreich der Niederlande, der Republik Österreich, der Portugiesischen Republik, der Republik Finnland, dem Königreich Schweden, dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland (Mitgliedstaaten der Europäischen Union) und der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien, der Slowakischen Republik über den Beitritt der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik zur Europäischen Union (ABl. 2003, L 236, S. 17).


9 – Nach Auffassung der Kommission hätte die Slowakei auf die Aufnahme einer Übergangsregelung in ihre Beitrittsakte hinwirken müssen, mit der ihr ein Recht auf die fortgesetzte Vorhaltung einer Übertragungskapazität zugunsten von ATEL zuerkannt worden wäre. Ich werde die Stichhaltigkeit dieses Arguments später prüfen.


10– Urteile vom 27. November 1990, Kommission/Griechenland (C‑200/88, Slg. 1990, I‑4299, Randnr. 13), vom 31. März 1992, Kommission/Italien (C‑362/90, Slg. 1992, I‑2353, Randnr. 10), und vom 7. März 2002, Kommission/Spanien (C‑29/01, Slg. 2002, I‑2503, Randnr. 11).


11 – http://www.sepsas.sk/seps/en_Clanok012.asp?kod=128.


12 – Vgl. z. B. das Wallonische Autobusse betreffende Urteil vom 25. April 1996, Kommission/Belgien (C‑87/94, Slg. 1996, I‑2043).


13 – Urteil vom 14. Juli 1988, Kommission/Griechenland (38/87, Slg. 1988, 4415, Randnrn. 9, 10, 12 und 16).


14 – Urteile vom 10. April 2003, Kommission/Deutschland (C‑20/01 und C‑28/01, Slg. 2003, I‑3609), und vom 28. Oktober 1999, Kommission/Österreich (C‑328/96, Slg. 1999, I‑7479).


15 – Art. 15:101 und 15:102. Vgl. http://frontpage.cbs.dk/law/commission_on_european_contract_law/Skabelon/pecl_engelsk.htm


16 – Aus den Akten ist nicht ersichtlich, weshalb der Investitionsvertrag zwischen den Partien nicht mehr durchgeführt wird. Da ATEL an dem vorliegenden Verfahren nicht beteiligt ist, lässt sich ihre Auffassung hierzu nicht feststellen. Es mag stichhaltige wirtschaftliche oder rechtliche Gründe geben, die ATEL dazu veranlassen, weder die Durchführung des Investitionsvertrags zu verlangen noch von ihm zurückzutreten.


17 – Urteil vom 7. Juni 2005, VEMW u. a. (C‑17/03, Slg. 2005, I‑4983, im Folgenden: Urteil VEMW).


18 – Urteil vom 12. März 2002, Omega Air u. a. (C‑27/00 und C‑122/00, Slg. 2002, I‑2569, Randnr. 79 und die dort angeführte Rechtsprechung). Vgl. auch Urteile vom 14. April 2005, AEM und AEM Torino (C‑128/03 und C‑129/03, Slg. 2005, I‑2861, Randnr. 58 und die dort angeführte Rechtsprechung), vom 12. Dezember 2002, Rodríguez Caballero (C‑442/00, Slg. 2002, I‑11915), vom 9. September 2003, Milk Marque und National Farmers’ Union (C‑137/00, Slg. 2003, I‑7975, Randnr. 126), vom 20. September 1988, Spanien/Rat (203/86, Slg. 1988, 4563, Randnr. 25), vom 17. April 1997, EARL de Kerlast (C‑15/95, Slg. 1997, I‑1961, Randnr. 35), vom 13. April 2000, Karlsson (C‑292/97, Slg. 2000, I‑2737, Randnr. 39), und vom 6. März 2003, Niemann (C‑14/01, Slg. 2003, I‑2279, Randnr. 49).


19 – Urteil VEMW, oben in Fn. 17 angeführt, Randnr. 54.


20 – Urteil VEMW, oben in Randnr. 17 angeführt, Randnr. 61.


21 – Urteil VEMW, oben in Fn. 17 angeführt, Randnrn. 58 und 61 bis 63.


22 – In diesem Sinne scheint jedenfalls die Kommission das Urteil VEMW verstanden zu haben. Vgl. Arbeitsdokument vom 26. April 2006 „Commission staff working paper on the decision C‑17/03 of 7 June 2005 of the Court of Justice of the European Communities“, SEC (2006) 547.


23 – Talus, K., „Role of the European Court of Justice in the Opening of Energy Markets“, ERA Forum (2007) 8, S. 435.


24 – Vgl. z. B. den in der Verordnung Nr. 1228/2003 angesprochenen auf zehn Jahre angelegten europaweiten Investitionsplan.


25 – Talus, K., und Wälde, T., „Electricity interconnectors in EU law: energy, security, long term infrastructure contracts and competition law“, European Law Review, 2007, Heft 32, Nr. 1, S. 133.


26 – Helm, D., Energy, the State and the Market – British Energy Policy since 1979, Oxford University Press, 2003, S. 407.


27 – Mitteilung gemäß Artikel 19 Absatz 3 der Verordnung Nr. 17 des Rates in der Sache COMP/E-3/37.921 – Viking Cable (ABl. 2001, C 247, S. 11). Vgl. auch Kommission, XXXIII. Bericht über die Wettbewerbspolitik 2003, S. 223.


28 – Erwägungsgründe 1 bis 5 der Richtlinie 2003/54. Vgl. auch Urteile vom 22. Mai 2008, citiworks (C‑439/06, Slg. 2008, I‑3913, Randnr. 38), und vom 9. Oktober 2008, Sabatauskas u. a. (C‑239/07, Slg. 2008, I‑7523, Randnr. 31).


29 – Vgl. Schlussanträge von Generalanwältin Stix-Hackl in der Rechtssache VEMW, Urteil oben in Fn. 17 angeführt, Nr. 58.


30 – Vgl. u. a. das von der Kommission herausgegebene Grünbuch – Eine europäische Strategie für nachhaltige, wettbewerbsfähige und sichere Energie, KOM(2006) 105 endg. vom 8. März 2006, in dem die Kommission ausführt, dass mit der Energiepolitik der Union ein integrierter, nachhaltiger, wettbewerbsfähiger und sicherer Energiebinnenmarkt geschaffen werden soll.


31 – Dementsprechend bezweckt die Richtlinie 2005/89/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Januar 2006 über Maßnahmen zur Gewährleistung der Sicherheit der Elektrizitätsversorgung und von Infrastrukturinvestitionen (ABl. 2006, L 33, S. 22) ausdrücklich hinreichende Investitionen zum Ausbau der Elektrizitätserzeugungskapazitäten, um ein angemessenes Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage sicherzustellen.


32 – Interessanterweise enthält die Richtlinie 2009/72, also die neue Richtlinie zur Aufhebung der Richtlinie 2003/54, ausdrückliche Bestimmungen für eine verbesserte Koordinierung der Investitionsplanung in der Union zwischen den Mitgliedstaaten (vgl. Mitteilung der Kommission an das Parlament 2007/0195[COD]).


33 – Art. 7 der Verordnung Nr. 1228/2003, die seit 1. Juli 2004 gilt.


34 – Art. 2 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1228/2003.


35 – Art. 7 Abs. 4 Buchst. a der Verordnung Nr. 1228/2003.


36 – Art. 7 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1228/2003.


37 – Urteil VEMW, oben in Fn. 17 angeführt, Randnr. 83. Der Gerichtshof hat außerdem auf die Möglichkeit der nationalen Betreiber hingewiesen, die Behörden auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen, weil diese keine Ausnahme nach Art. 24 der Richtlinie 96/92 beantragt hatten (Randnr. 86).


38 – Urteil vom 10. September 1996, Kommission/Deutschland (C‑61/94, Slg. 1996, I‑3898, Randnr. 52).


39 – Urteil vom 16. Juli 1998, Scotch Whisky Association (C‑136/96, Slg. 1998, I‑4571, Randnr. 47).


40 – In Bezug auf den Schutz der von ATEL getätigten Investitionen meine ich, dass im Verhältnis zwischen der Slowakei und der Union kein Pflichtenübergang in dem Sinne stattgefunden hat, dass die Union spezielle Pflichten aus dem Energiecharta-Vertrag gegenüber einem Investor treffen, der Investitionen auf dem Gebiet einer Vertragspartei vorgenommen hat, bevor diese der Union beigetreten ist.


41 – Der Beitrittsvertrag, der die Beitrittsakte enthält, wurde am 16. April 2003 unterzeichnet. Die Große Kammer verkündete das Urteil VEMW am 7. Juni 2005.


42 – Randnr. 39.


43 – Kommission, XXXIII. Bericht über die Wettbewerbspolitik 2003, S. 223.


44 – Art. 1 Abs. 2 Buchst. c des Investitionsschutzabkommens.


45 – Urteil vom 4. Juli 2000, Kommission/Portugal (C‑62/98, Slg. 2000, I‑5171, Randnr. 50).


46 – Vgl. z. B. Urteile vom 3. März 2009, Kommission/Österreich (C‑205/06, Slg. 2009, I‑1301), vom 3. März 2009, Kommission/Schweden (C‑249/06, Slg. 2009, 1335), und vom 19. November 2009 Kommission/Finnland (C‑118/07, Slg. 2009, I‑10889).


47 – Vgl. Urteil vom 3. März 2009, Kommission/Österreich, oben in Fn. 46 angeführt, Randnr. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung (Urteile vom 14. Oktober 1980, Burgoa [812/79, Slg. 1980, 2787, Randnr. 8], vom 4. Juli 2000, Kommission/Portugal [C‑84/98, Slg. 2000, I‑5215, Randnr. 53], und vom 18. November 2003, Budĕjovický Budvar [C‑216/01, Slg. 2003, I‑13617, Randnrn. 144 und 145]).


48 – Art. 34 des Wiener Übereinkommens.


49 – Urteil Burgoa, oben in Fn. 47 angeführt, Randnr. 9.


50 – Urteil Burgoa, oben in Fn. 47 angeführt, Randnr. 10. Den Grundsatz des „Unberührtlassens“ hat Generalanwalt Capotorti in seinen Schlussanträgen (Nr. 2) verdeutlicht, wo er ausführt, „dass Artikel 234 Absatz 1 der ursprünglichen rechtlichen Bedeutung der Rechte und Pflichten, die sich aus früheren Verträgen zwischen Mitgliedstaaten und dritten Ländern ergeben, nichts hinzufügt und dass diese Rechte und Pflichten weiterhin völlig unabhängig vom Gemeinschaftsrecht sind. Letztlich wäre der bereits bestehende Rechtszustand im Verhältnis zu Drittländern auch dann unberührt geblieben, wenn die fragliche Vorschrift nicht in den Vertrag eingefügt worden wäre.“


51 – Urteil vom 2. August 1993, Levy (C‑158/91, Slg. 1993, I‑4287, Randnr. 13), in dem der Gerichtshof ausgeführt hat, dass zur Feststellung, ob eine Gemeinschaftsbestimmung gegenüber einer früheren internationalen Übereinkunft zurückzutreten hat, „zu prüfen [ist], ob diese Übereinkunft dem betroffenen Mitgliedstaat Pflichten auferlegt, deren Erfüllung die der Übereinkunft beigetretenen Drittstaaten weiterhin verlangen können“. Vgl. auch Urteile vom 14. Januar 1997, Centro-Com (C‑124/95, Slg. 1997, I‑81, Randnr. 57), und vom 10. März 1998, T. Port (C‑364/95 und C‑365/95, Slg. 1998, I‑1023, Randnr. 60).


52 – Art. 9 Abs. 3 des Investitionsschutzabkommens.


53 – Richtlinie 90/547/EWG des Rates vom 29. Oktober 1990 über den Transit von Elektrizitätslieferungen über große Netze (ABl. L 313, S. 30).


54 – Der Europäische Rat beschloss auf seiner Tagung im Dezember 1997 in Luxemburg, 1998 Beitrittsverhandlungen mit sechs Bewerberstaaten (Zypern, Ungarn, Polen, Estland, der Tschechischen Republik und Slowenien) aufzunehmen. Europäischer Rat (Luxemburg), 12. und 13. Dezember 1997, Schlussfolgerungen des Vorsitzes, SN400/97. Abrufbar unter http://ue.eu.int/en/info/eurocouncil.


55 – Vgl. z. B. Schiedsspruch in der vom London Court of International Arbitration erledigten Sache Occidental Exploration and Production Company/Ecuador, Nr. UN 3467.


56 – Der dem Schiedsspruch des ICSID vom 11. September 2007, Parkerings-Compagniet/Litauen (ARB/05/8), zugrunde liegende Sachverhalt erstreckt sich auf die Zeit von 1991 bis 1999 „nach dem schrittweisen Übergang Litauens von 1991 bis 1997 von einer Sowjetrepublik zu einem Bewerber für die Unionsmitgliedschaft und zu einer Marktwirtschaft“ (Randnr. 51 des Schiedsspruchs). Im Schiedsspruch des Schiedsinstituts der Handelskammer Stockholm vom 27. März 2007, Eastern Sugar/Tschechische Republik (SCC Nr. 088/2004), heißt es, dass die bloße Einführung einer Regelung für Zucker, die der Regelung für Zucker in der Union ähnelt und die angesichts des Beitritts der Tschechischen Republik zur Europäischen Union erfolgt, keine Verletzung der Norm zur fairen und gerechten Behandlung darstelle, dass eine solche Verletzung jedoch dann vorliege, wenn die Rechtsvorschriften unfair und ungerecht gegen das konkret betroffene Unternehmen gerichtet seien (Randnrn. 271 bis 274, 284 bis 287 und 333 bis 338). Vgl. auch Schiedsspruch des ICSID vom 25. Juni 2001, Genin u. a./Estland (ARB/99/2, Randnr. 356).


57 – Schiedsspruch Parkerings-Compagniet/Litauen, oben in Fn. 56 angeführt, Randnr. 336.


58 – Vgl. z. B. die oben in Fn. 56 angeführten Schiedssprüche Parkerings-Compagniet/Litauen, Randnr. 337, und Eastern Sugar/Tschechische Republik, Randnr. 335.


59 – Meiner Meinung nach könnte das Recht, das ATEL aufgrund des Investitionsvertrags zusteht, als Eigentumsrecht im Sinne von Art. 1 des Zusatzprotokolls zur Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte zu qualifizieren sein. Zum weiten Begriff des Eigentums, das nach Art. 1 des Zusatzprotokolls zur Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte geschützt ist, vgl. Harris, D., Law of the European Convention on Human Rights, S. 656 bis 662. Zur Rechtsprechung betreffend Investitionen vgl. z. B. Urteil des EGMR vom 9. Dezember 1994, Stran Greek Refineries und Stratis Andreadis/Griechenland (Beschwerde Nr. 13427/87, Serie A Nr. 301-B).


60 – Schiedsspruch des ICSID vom 27. August 2008, Plama Consortium/Bulgarien (ARB/03/24).


61 – Interessanterweise rechtfertigt das Erfordernis, das Unionsrecht zu beachten, nicht zwangsläufig Maßnahmen eines Aufnahmestaats, die mit einem bilateralen Investitionsabkommen unvereinbar sind. So ist das Schiedsgericht in der Sache ADC Affiliate und ADC & AMC Management/Ungarn nicht der Auffassung gefolgt, dass die Beachtung des Unionsrechts (nach dem Unionsrecht mussten der Bodenbetrieb auf dem Flughafen Budapest mit der Richtlinie 96/97 harmonisiert und die Flugsicherung vom Flughafenbetrieb getrennt werden) zu den vom Aufnahmestaat gegen den ausländischen Investor getroffenen Maßnahmen zwinge. Nach den Feststellungen des Schiedsgerichts stellten diese Maßnahmen eine Enteignung dar und verstießen damit gegen die Verpflichtungen Ungarns aus dem in Rede stehenden bilateralen Investitionsabkommen – vgl. Schiedsspruch des ICSID vom 2. Oktober 2006, ADC Affiliate und ADC & AMC Management/Ungarn (ARB/03/16).


62 – Urteil vom 20. Februar 1986, Kommission/Italien (309/84, Slg. 1986, 599, Randnr. 17). Mir fällt auf, dass sich in den Akten kein Hinweis darauf findet, dass ATEL im Fall einer Änderung der Situation eine Entschädigung angeboten würde. Außerdem könnten finanzielle Erleichterungen, die einem Investor als Entschädigung für den Wertverlust eines verbotenen diskriminierenden Vorteils gewährt werden, unter dem Gesichtspunkt staatlicher Beihilfen problematisch sein. Vgl. hierzu z. B. Eilmansberfer, T., „Bilateral Investment Treaties and EU law“ (2009), 46 Common Market Law Review 383, S. 423 und Fn. 171.