Parteien
Entscheidungsgründe
Tenor

Parteien

In der Rechtssache C‑510/06 P

betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs, eingelegt am 11. Dezember 2006,

Archer Daniels Midland Co. mit Sitz in Decatur, Illinois (Vereinigte Staaten), Prozessbevollmächtigte: M. Garcia, Solicitor, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Rechtsmittelführerin,

andere Verfahrensbeteiligte:

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch A. Bouquet und X. Lewis als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagte im ersten Rechtszug,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann sowie der Richter A. Tizzano, A. Borg Barthet, E. Levits (Berichterstatter) und J.-J. Kasel,

Generalanwältin: V. Trstenjak,

Kanzler: R. Grass,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 15. Mai 2008

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe

1. Mit ihrem Rechtsmittel beantragt die Archer Daniels Midland Co. (im Folgenden: ADM) die Aufhebung des Urteils des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften vom 27. September 2006, Archer Daniels Midland/Kommission (T‑329/01, Slg. 2006, II‑3255, im Folgenden: angefochtenes Urteil), mit dem das Gericht ihre Klage auf teilweise Nichtigerklärung der Entscheidung K(2001) 2931 endg. der Kommission vom 2. Oktober 2001 in einem Verfahren nach Art. 81 EG-Vertrag und Art. 53 EWR-Abkommen (Sache COMP/E‑1/36.756, Natriumglukonat) (im Folgenden: streitige Entscheidung), soweit diese sie betrifft, abgewiesen hat.

Rechtlicher Rahmen

2. Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln [81] und [82] des Vertrags (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204), bestimmt:

„Die Kommission kann gegen Unternehmen und Unternehmensvereinigungen durch Entscheidung Geldbußen in Höhe von eintausend bis einer Million Rechnungseinheiten oder über diesen Betrag hinaus bis zu zehn vom Hundert des von dem einzelnen an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen im letzten Geschäftsjahr erzielten Umsatzes festsetzen, wenn sie vorsätzlich oder fahrlässig:

a) gegen Artikel [81] Absatz 1 [EG] oder Artikel [82 EG] des Vertrages verstoßen,

Bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße ist neben der Schwere des Verstoßes auch die Dauer der Zuwiderhandlung zu berücksichtigen.“

3. In der Mitteilung der Kommission „Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 EGKS-Vertrag festgesetzt werden“ (ABl. 1998, C 9, S. 3, im Folgenden: Leitlinien) heißt es u. a.:

„Die in diesen Leitlinien dargelegten Grundsätze sollen dazu beitragen, die Transparenz und Objektivität der Entscheidungen der Kommission sowohl gegenüber den Unternehmen als auch gegenüber dem Gerichtshof zu erhöhen, sowie den Ermessensspielraum bekräftigen, der vom Gesetzgeber der Kommission bei der Festsetzung der Geldbußen innerhalb der Obergrenze von 10 % des Gesamtumsatzes der Unternehmen eingeräumt wurde. Dieser Ermessensspielraum muss jedoch nach zusammenhängenden, nicht diskriminierenden Leitlinien ausgefüllt werden, die im Einklang mit den bei der Ahndung der Verstöße gegen die Wettbewerbsregeln verfolgten Zielen stehen.

Das neue Verfahren für die Festsetzung des Betrags der Geldbuße beruht auf folgendem Schema, dem die Errechnung eines Grundbetrags zugrunde liegt, wobei Aufschläge zur Berücksichtigung erschwerender und Abzüge zur Berücksichtigung mildernder Umstände berechnet werden können.“

4. Der vierte und der sechste Absatz von Abschnitt 1 A der Leitlinien lauten:

„Es wird auch nötig sein, die tatsächliche wirtschaftliche Fähigkeit der Urheber der Verstöße, Wettbewerber und den Verbraucher wirtschaftlich in erheblichem Umfang zu schädigen, zu berücksichtigen und die Geldbuße auf einen Betrag festzusetzen, der eine hinreichend abschreckende Wirkung entfaltet.

Bei Verstößen, an denen mehrere Unternehmen beteiligt sind (Kartelle), sollten in bestimmten Fällen die innerhalb der einzelnen vorstehend beschriebenen Gruppen festgesetzten Beträge gewichtet werden, um das jeweilige Gewicht und damit die tatsächliche Auswirkung des Verstoßes jedes einzelnen Unternehmens auf den Wettbewerb zu berücksichtigen, vor allem, wenn an einem Verstoß derselben Art Unternehmen von sehr unterschiedlicher Größe beteiligt waren.“

5. Abschnitt 3 („Mildernde Umstände“) der Leitlinien sieht vor:

„Verringerung des Grundbetrags bei mildernden Umständen wie z. B.:

– Beendigung der Verstöße nach dem ersten Eingreifen der Kommission (insbesondere Nachprüfungen),

…“

Die streitige Entscheidung

Das Kartell

6. Die Kommission richtete die streitige Entscheidung an sechs Natriumglukonat erzeugende Unternehmen: die Akzo Nobel NV (im Folgenden: Akzo), ADM, die Coöperatieve Verkoop- en Productievereniging van Aardappelmeel en Derivaten Avebe BA (im Folgenden: Avebe), die Fujisawa Pharmaceutical Co. Ltd (im Folgenden: Fujisawa), die Jungbunzlauer AG (im Folgenden: JBL) und die Roquette Frères SA (im Folgenden: Roquette).

7. Natriumglukonat gehört zu den Chelatbildnern, bei denen es sich um Stoffe handelt, die in industriellen Verfahren die Metallionen inaktivieren. Diese Verfahren umfassen u. a. die industrielle Reinigung, die Oberflächenbehandlung und die Wasserbehandlung. Chelatbildner werden demgemäß in der Lebensmittel‑, der Kosmetik-, der pharmazeutischen, der Papier- und der Betonindustrie sowie in weiteren Industriezweigen verwendet.

8. Im Oktober und Dezember 1997 sowie im Februar 1998 wurde die Kommission darüber unterrichtet, dass Akzo, Avebe, die Glucona vof (im Folgenden: Glucona) – die bis Dezember 1995 von der Akzo Chemie BV, einer 100%igen Tochtergesellschaft von Akzo und Avebe, kontrolliert wurde –, Fujisawa und Roquette nach Einleitung einer Untersuchung durch das amerikanische Justizministerium ihre Beteiligung an einem Kartell eingestanden hatten, in dessen Rahmen sie die Preise für Natriumglukonat festgesetzt und die Absatzmengen für dieses Produkt in den Vereinigten Staaten und andernorts untereinander aufgeteilt hatten. Diese Unternehmen und ADM wurden nach Abschluss von Vereinbarungen mit dem Justizministerium zu Geldbußen verurteilt.

9. Am 18. Februar 1998 richtete die Kommission gemäß Art. 11 der Verordnung Nr. 17 Auskunftsverlangen an die wichtigsten Hersteller, Einführer, Ausführer und Abnehmer von Natriumglukonat in Europa. ADM befand sich nicht unter den Adressaten.

10. Auf diese Auskunftsverlangen hin teilte Fujisawa mit, dass sie mit der Kommission auf der Grundlage von deren Mitteilung über die Nichtfestsetzung oder die niedrigere Festsetzung von Geldbußen in Kartellsachen (ABl. 1996, C 207, S. 4, im Folgenden: Mitteilung über Zusammenarbeit) zusammenarbeiten wolle.

11. Mit Schreiben vom 10. November 1998 richtete die Kommission ein Auskunftsverlangen an ADM, die ihr ihre Absicht zur Zusammenarbeit bekundete.

12. Unter Berücksichtigung der ihr übermittelten Informationen sowie weiterer Beweismittel stellte die Kommission fest, dass sich die beschuldigten Unternehmen an einem Kartell beteiligt hatten, das in der Zuteilung von Verkaufsquoten, der Festsetzung von Mindestverkaufspreisen auf dem Natriumglukonatmarkt und der Einführung von Überwachungsmechanismen bestand, deren Modalitäten auf regelmäßigen multilateralen und bilateralen Zusammenkünften zwischen den Kartellteilnehmern festgelegt worden waren. Die Kommission sandte ADM und den übrigen betroffenen Unternehmen daher am 17. Mai 2000 eine Mitteilung der Beschwerdepunkte wegen Verstoßes gegen Artikel 81 Absatz 1 EG und Artikel 53 Absatz 1 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 (ABl. 1994, L 1, S. 3). Keines dieser Unternehmen beantragte eine Anhörung oder bestritt die in der Mitteilung der Beschwerdepunkte dargelegten Tatsachen.

Dauer des Kartells

13. Nach den Feststellungen der Kommission hatte das Kartell unabhängig von seiner Zusammensetzung insgesamt von Februar 1987 bis Juni 1995 bestanden. Insoweit bezog sich die Kommission auf die Zusammenkunft vom 3. bis 5. Juni 1995 in Anaheim (Vereinigte Staaten) (im Folgenden: Zusammenkunft vom 3. bis 5. Juni 1995) als den letzten Versuch, das beanstandete Kartell fortzusetzen. Dabei berücksichtigte sie nicht, dass ADM ihre Teilnahme am Kartell angeblich bereits am 4. Oktober 1994 bei einer Zusammenkunft der Kartellteilnehmer in London (Vereinigtes Königreich) (im Folgenden: Zusammenkunft vom 4. Oktober 1994) eingestellt hatte.

Die Geldbußen

14. Zur Festsetzung der Höhe der Geldbußen wandte die Kommission die in den Leitlinien dargestellte Methode und die Mitteilung über Zusammenarbeit an.

15. Als Erstes ermittelte sie den Grundbetrag der Geldbuße anhand der Schwere und der Dauer der Zuwiderhandlung.

16. Was zunächst die Schwere angeht, stufte die Kommission die Zuwiderhandlung im 371. Erwägungsgrund der streitigen Entscheidung unter Berücksichtigung ihrer Art, ihrer konkreten Auswirkungen auf den Natriumglukonatmarkt im Europäischen Wirtschaftsraum und des Umfangs des betreffenden räumlichen Marktes als sehr schwer ein.

17. Sodann vertrat die Kommission in den Erwägungsgründen 378 bis 385 der streitigen Entscheidung die Auffassung, dass der tatsächlichen wirtschaftlichen Fähigkeit, dem Wettbewerb Schaden zuzufügen, Rechnung zu tragen und die Geldbuße in einer Höhe festzusetzen sei, die eine hinreichende Abschreckungswirkung gewährleiste. Unter Zugrundelegung des weltweiten Umsatzes, den die betroffenen Unternehmen im Jahr 1995, dem letzten Jahr der Zuwiderhandlung, mit dem Verkauf von Natriumglukonat erzielt hatten und den sie auf die Auskunftsverlangen der Kommission hin mitgeteilt hatten, die anhand dessen die Marktanteile der einzelnen Unternehmen berechnet hatte, teilte die Kommission die Unternehmen in zwei Gruppen ein. Der ersten Gruppe ordnete sie die Unternehmen zu, die nach den ihr vorliegenden Zahlen Anteile von mehr als 20 % am weltweiten Natriumglukonatmarkt hielten, und zwar Fujisawa (35,54 %), JBL (24,75 %) sowie Roquette (20,96 %). Für diese Unternehmen setzte die Kommission einen Ausgangsbetrag der Geldbuße von 10 Mio. Euro fest. Der zweiten Gruppe ordnete sie die Unternehmen zu, die nach den ihr vorliegenden Zahlen Anteile von weniger als 10 % am weltweiten Natriumglukonatmarkt hielten, nämlich Glucona (ungefähr 9,5 %) und ADM (9,35 %). Für diese Unternehmen setzte die Kommission einen Ausgangsbetrag von 5 Mio. Euro fest und damit für Akzo und Avebe, die gemeinsam Glucona besaßen, jeweils einen Betrag von 2,5 Mio. Euro.

18. Im 388. Erwägungsgrund der streitigen Entscheidung passte die Kommission außerdem diese Ausgangsbeträge an, um zu gewährleisten, dass die Geldbußen hinreichend abschreckende Wirkung hätten, und um die Tatsache zu berücksichtigen, dass Großunternehmen über juristische und wirtschaftliche Kenntnisse und Infrastrukturen verfügten, die es ihnen erleichterten, ihr Verhalten als Zuwiderhandlung zu erkennen und die entsprechenden wettbewerbsrechtlichen Folgerungen daraus zu ziehen. Angesichts der Größe und der Gesamtressourcen der betroffenen Unternehmen wandte die Kommission deshalb einen Multiplikationskoeffizienten von 2,5 auf die für ADM und Akzo ermittelten Ausgangsbeträge an und erhöhte diese entsprechend auf 12,5 Mio. Euro im Fall von ADM und auf 6,25 Mio. Euro im Fall von Akzo.

19. In den Erwägungsgründen 389 bis 392 der streitigen Entscheidung führte die Kommission aus, um der Dauer der Zuwiderhandlung der einzelnen Unternehmen Rechnung zu tragen, sei es angebracht gewesen, den Ausgangsbetrag um 10 % pro Jahr zu erhöhen, d. h. um 80 % für Akzo, Avebe, Fujisawa und Roquette, 70 % für JBL und 35 % für ADM.

20. So setzte die Kommission im 396. Erwägungsgrund der streitigen Entscheidung die Grundbeträge der Geldbußen für Akzo auf 11,25 Mio. Euro, für ADM auf 16,88 Mio. Euro, für Avebe auf 4,5 Mio. Euro, für Fujisawa und Roquette jeweils auf 18 Mio. Euro und für JBL auf 17 Mio. Euro fest.

21. Als Zweites wurde, wie sich aus dem 403. Erwägungsgrund der streitigen Entscheidung ergibt, der Grundbetrag der gegen JBL verhängten Geldbuße wegen erschwerender Umstände um 50 % erhöht, weil dieses Unternehmen als Anführer des Kartells gehandelt habe.

22. Als Drittes prüfte und verwarf die Kommission in den Erwägungsgründen 404 bis 410 der streitigen Entscheidung das Vorbringen einiger Unternehmen, darunter ADM, dass ihnen mildernde Umstände zuzubilligen seien.

23. Als Viertes gewährte die Kommission, wie sich aus dem 418. Erwägungsgrund der streitigen Entscheidung ergibt, Fujisawa gemäß Abschnitt B der Mitteilung über Zusammenarbeit eine „wesentlich niedrigere Festsetzung“ – um 80 % – der Geldbuße, die gegen sie ohne die Zusammenarbeit verhängt worden wäre. Nach der im 423. Erwägungsgrund geäußerten Ansicht der Kommission erfüllte ADM nicht die in Abschnitt C dieser Mitteilung genannten Voraussetzungen für eine „erheblich niedrigere Festsetzung“ der Geldbuße gegen sie. Schließlich gewährte die Kommission in den Erwägungsgründen 426 und 427 der streitigen Entscheidung eine „spürbar niedrigere Festsetzung“ der Geldbußen gemäß Abschnitt D der Mitteilung zugunsten von ADM und Roquette – jeweils um 40 % – sowie Akzo, Avebe und JBL – jeweils um 20 %.

Verfügender Teil der streitigen Entscheidung

24. Nach Art. 1 Abs. 1 der streitigen Entscheidung haben die sechs Unternehmen, die Adressaten dieser Entscheidung sind, „gegen Artikel 81 Absatz 1 [EG] … verstoßen, indem sie an einer fortdauernden Vereinbarung und/oder aufeinander abgestimmten Verhaltensweise im Natriumglukonatsektor mitgewirkt haben“.

25. Nach Art. 1 Abs. 2 dieser Entscheidung dauerte die Zuwiderhandlung im Fall von Akzo, Avebe, Fujisawa und Roquette von Februar 1987 bis Juni 1995, im Fall von JBL von Mai 1988 bis Juni 1995 und im Fall von ADM von Juni 1991 bis Juni 1995.

26. Art. 3 des verfügenden Teils der streitigen Entscheidung lautet:

„Wegen der in Artikel 1 genannten Zuwiderhandlung werden folgende Geldbußen verhängt:

a) [Akzo] 9 Mio. EUR

b) [ADM] 10,13 Mio. EUR

c) [Avebe] 3,6 Mio. EUR

d) [Fujisawa] 3,6 Mio. EUR

e) [JBL] 20,4 Mio. EUR

f) [Roquette] 10,8 Mio. EUR“

Verfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil

27. ADM erhob am 21. Dezember 2001 beim Gericht Klage gegen die streitige Entscheidung.

28. Mit ihrer Klage beantragte ADM, Art. 1 der streitigen Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit er sie betrifft oder zumindest soweit darin die Auffassung vertreten wird, dass sie nach dem 4. Oktober 1994 an einer Zuwiderhandlung teilgenommen hat, Art. 3 dieser Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit er sie betrifft, und, hilfsweise, die mit dieser Entscheidung gegen sie verhängte Geldbuße aufzuheben oder wesentlich herabzusetzen.

29. ADM stützte ihre Klage auf vier Gründe, mit denen sie verschiedene Argumente geltend machte.

30. Erstens rügte ADM, die Leitlinien seien auf den vorliegenden Fall fehlerhaft angewandt worden. Insbesondere habe sich die Kommission nicht auf Erwägungen der gemeinschaftlichen Wettbewerbspolitik berufen, um eine erhebliche Erhöhung der Geldbuße im Rahmen der Anwendung der Leitlinien zu rechtfertigen.

31. Das Gericht hat diesen Klagegrund zurückgewiesen, indem es zum einen in Randnr. 44 des angefochtenen Urteils festgestellt hat, dass der Kommission nicht ihre Befugnis genommen werden könne, das Niveau der Geldbußen anzuheben, um die Durchführung der gemeinschaftlichen Wettbewerbspolitik sicherzustellen, und zum anderen in den Randnrn. 47 und 48 dieses Urteils befunden hat, dass die Anhebung des Geldbußenniveaus durch die Kommission nicht offensichtlich außer Verhältnis zu dem Ziel stehe, diese Durchführung zu gewährleisten, und dass es für ADM hinreichend vorhersehbar gewesen sei, dass die Kommission im Rahmen der Durchführung einer anderen Wettbewerbspolitik die allgemeine Höhe der Geldbußen jederzeit ändern könne.

32. Zweitens stellte ADM die Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung in Frage und trug dazu insbesondere vor, dass die Kommission nicht ihren beschränkten Umsatz aus dem Verkauf von Natriumglukonat hinreichend berücksichtigt habe.

33. Nachdem das Gericht in den Randnrn. 76 und 77 des angefochtenen Urteils darauf hingewiesen hat, dass der Umsatz ein Beurteilungsgesichtspunkt unter anderen für die Festsetzung der Geldbuße sei, hat es in Randnr. 86 dieses Urteils festgestellt, dass die Kommission durchaus die Umsätze der Kartellteilnehmer aus dem Verkauf von Natriumglukonat berücksichtigt habe, um die betroffenen Unternehmen differenziert zu behandeln.

34. Drittens machte ADM im Rahmen dieses Klagegrundes zur Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung geltend, die Kommission habe den Grundsatz der Gleichbehandlung verletzt, da sie ein viel niedrigeres Bußgeld in der Sache verhängt habe, in der ihre Entscheidung 2003/437/EG vom 11. Dezember 2001 in einem Verfahren nach Artikel 81 EG-Vertrag und Artikel 53 EWR-Abkommen – Sache COMP/E-1/37.027 – Zinkphosphat (ABl. 2003, L 153, S. 1, im Folgenden: Entscheidung Zinkphosphat) ergangen sei und in der Umstände vorgelegen hätten, die der Zuwiderhandlung im vorliegenden Fall vergleichbar gewesen seien.

35. Das Gericht hat hierzu in den Randnrn. 107 bis 111 des angefochtenen Urteils darauf hingewiesen, dass die Entscheidungspraxis der Kommission nicht als rechtlicher Rahmen für Geldbußen im Wettbewerbsrecht diene und dass daher dieses Vorbringen von ADM nicht durchgreife. Im Übrigen hat es in Randnr. 113 dieses Urteils hinzugefügt, dass sich die Gegebenheiten, die der Sache zugrunde gelegen hätten, in der die streitige Entscheidung ergangen sei, von denen der Sache, in der die Entscheidung Zinkphosphat ergangen sei, prima facie unterschieden, und die Auffassung vertreten, dass der Grundbetrag, den die Kommission wegen der von ADM begangenen Zuwiderhandlung festgesetzt habe, im Rahmen seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung jedenfalls aufrechtzuerhalten sei.

36. Viertens machte ADM – weiter im Rahmen des Klagegrundes zur Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung – geltend, die Kommission habe einen Rechtsfehler begangen, indem sie die Substitute für Natriumglukonat von der Definition des relevanten Marktes ausgenommen habe.

37. Dieses Vorbringen hat das Gericht mit seiner Feststellung in Randnr. 237 des angefochtenen Urteils, ADM habe nicht nachgewiesen, dass die Auswirkungen des Kartells für Natriumglukonat auf dem größeren Markt für Chelatbildner inexistent oder jedenfalls zu vernachlässigen gewesen seien, zurückgewiesen.

38. Fünftens beanstandete ADM im Rahmen des Klagegrundes, mit dem sie Beurteilungsfehler hinsichtlich der Dauer der Zuwiderhandlung geltend machte, die von der Kommission angestellte Bewertung ihres Verhaltens bei der Zusammenkunft vom 4. Oktober 1994.

39. Das Gericht hat in Randnr. 247 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass sich ADM bei dieser Zusammenkunft nicht offen vom Kartell distanziert habe, und die Beurteilung der Kommission bestätigt, dass das Verhalten von ADM als taktisch zu werten sei. In den Randnrn. 248 bis 250 des angefochtenen Urteils hat das Gericht dargelegt, dass die Stellungnahmen der anderen Kartellteilnehmer diese Auffassung bestätigten.

40. Im Rahmen dieses Klagegrundes zur Rüge von Beurteilungsfehlern hinsichtlich der Dauer der Zuwiderhandlung warf ADM der Kommission sechstens vor, die Zusammenkunft vom 3. bis 5. Juni 1995 als Beweis dafür gewertet zu haben, dass das Kartell bis zu diesem Zeitpunkt angedauert habe.

41. Das Gericht hat dieses Vorbringen im Rahmen einer in fünf Punkte gegliederten Begründung verworfen und dabei in Randnr. 263 des angefochtenen Urteils insbesondere darauf hingewiesen, dass ein von Roquette bei dieser Zusammenkunft überreichter Vermerk die Auffassung der Kommission bestätigt habe.

42. Im Rahmen des Klagegrundes, der auf Beurteilungsfehler der Kommission bei der Anwendung mildernder Umstände gestützt wurde, machte ADM siebtens geltend, die Kommission habe ihr zu Unrecht keine niedrigere Festsetzung der Geldbuße zugebilligt, obwohl sie ihr rechtswidriges Verhalten gleich nach dem ersten Eingreifen der amerikanischen Wettbewerbsbehörde eingestellt habe.

43. Nach einer Auslegung von Abschnitt 3 der Leitlinien in den Randnrn. 277 bis 280 des angefochtenen Urteils ist das Gericht in dessen Randnr. 283 zu der Schlussfolgerung gelangt, dass das Verhalten von ADM nicht zur Zubilligung mildernder Umstände führen könne, und hat daher diesen Klagegrund zurückgewiesen und die Klage insgesamt abgewiesen.

Anträge der Verfahrensbeteiligten vor dem Gerichtshof

44. ADM beantragt,

– das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit mit ihm die Klage gegen die streitige Entscheidung abgewiesen worden ist;

– Art. 3 der angefochtenen Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit er sie betrifft;

– hilfsweise, Art. 3 dieser Entscheidung dahin gehend abzuändern, dass die mit ihm verhängte Geldbuße herabgesetzt oder aufgehoben wird;

– hilfsweise, die Sache zur Entscheidung gemäß der rechtlichen Beurteilung im Urteil des Gerichtshofs an das Gericht zurückzuverweisen;

– jedenfalls der Kommission ihre eigenen Kosten und die Kosten von ADM in Bezug auf die Verfahren vor dem Gericht und dem Gerichtshof aufzuerlegen.

45. Die Kommission beantragt,

– das Rechtsmittel zurückzuweisen und

– ADM die Kosten aufzuerlegen.

Zum Rechtsmittel

46. ADM stützt ihr Rechtsmittel im Wesentlichen auf vier Gründe:

– rechtsfehlerhafte Anwendung der Grundsätze über die Berechnung der Höhe der Geldbuße, da das Gericht bei deren Bemessung einen falschen Grundsatz angewandt habe;

– rechtsfehlerhafte Beurteilung der Auswirkungen des Kartells auf den relevanten Markt;

– rechtsfehlerhafte Bestimmung des Zeitpunkts der Beendigung des Kartells;

– hilfsweise, rechtsfehlerhafte Berücksichtigung mildernder Umstände.

Zum ersten Rechtsmittelgrund: rechtsfehlerhafte Anwendung der Grundsätze für die Berechnung der Höhe der Geldbuße

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

47. Der erste von ADM geltend gemachte Rechtsmittelgrund gliedert sich in vier Teile.

– Zum ersten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes: Begründungsmangel

48. Nach Ansicht von ADM hat das Gericht nicht begründet, warum die verhängte Geldbuße, die nach der früheren Entscheidungspraxis der Kommission viel niedriger als nach der rückwirkenden Anwendung der Leitlinien festgesetzt worden wäre, so beträchtlich heraufgesetzt worden sei. Zwar verfüge die Kommission bei der Festsetzung der Höhe der von ihr verhängten Geldbußen über ein Ermessen, doch überschreite sie dieses, wenn sie die Notwendigkeit einer Erhöhung des Geldbußenniveaus nicht anhand von Erwägungen der gemeinschaftlichen Wettbewerbspolitik nachweise. Weder die Kommission noch das Gericht hätten aber eine solche Begründung gegeben, obwohl ein solcher Nachweis nach ständiger Rechtsprechung (Urteile vom 7. Juni 1983, Musique Diffusion française u. a./Kommission, 100/80 bis 103/80, Slg. 1983, 1825, Randnrn. 108 und 109, sowie vom 28. Juni 2005, Dansk Rørindustri u. a./Kommission, C‑189/02 P, C‑202/02 P, C‑205/02 P bis C‑208/02 P und C‑213/02 P, Slg. 2005, I‑5425, Randnr. 227) und im Hinblick auf das im ersten Absatz der Leitlinien aufgestellte Erfordernis der Einfügung der Geldbußen in den Rahmen einer zusammenhängenden, nicht diskriminierenden Politik notwendig sei.

49. Die Kommission stellt fest, dass das Gericht im angefochtenen Urteil das Vorbringen von ADM zur Anwendung der Leitlinien im Hinblick auf die Bemessung der Geldbuße im vorliegenden Fall beantwortet und damit die sich daraus ergebende höhere Festsetzung gerechtfertigt habe. Jede weitere, zusätzliche Begründung sei überflüssig, da die Leitlinien bereits bezweckten, die Modalitäten der Festsetzung von Geldbußen transparent zu machen.

– Zum zweiten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes: Nichtbeachtung der im Urteil Musique Diffusion française u. a./Kommission festgelegten Kriterien

50. ADM trägt vor, das Gericht habe einen Rechtsfehler begangen, indem es insbesondere in Randnr. 47 des angefochtenen Urteils festgestellt habe, dass die Kommission den im Urteil Musique Diffusion française u. a./Kommission festgelegten Kriterien entsprochen und damit die Ausübung ihres Ermessens im Hinblick auf eine höhere Festsetzung der Geldbuße begründet habe. Weder die Kommission noch das Gericht hätten nämlich Erwägungen angeführt, die eine Festsetzung der Geldbuße über den Betrag hinaus rechtfertigten, der sich aus der Anwendung der Mitteilung der Kommission „Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen gemäß Artikel 23 Absatz 2 Buchstabe a) der Verordnung (EG) Nr. 1/2003“ (ABl. 2006, C 210, S. 2) ergebe.

51. Die Kommission führt aus, der zweite Teil des ersten Rechtsmittelgrundes sei unzulässig, da er sich auf eine allgemeine, unpräzise Beanstandung der vom Gericht bestätigten Höhe der Geldbuße und damit auf einen Antrag auf erneute Prüfung beschränke. Zumindest handele es sich dabei um eine Wiederholung des ersten Teils des ersten Rechtsmittelgrundes. Hilfsweise verweist die Kommission darauf, dass sie nach ständiger Rechtsprechung, die zuletzt durch das Urteil vom 18. Mai 2006, Archer Daniels Midland und Archer Daniels Midland Ingredients/Kommission (C‑397/03 P, Slg. 2006, I‑4429, Randnrn. 20 und 21), bestätigt worden sei, berechtigt sei, das Niveau der Geldbußen jederzeit den Erfordernissen der gemeinschaftlichen Wettbewerbspolitik anzupassen.

– Zum dritten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes: Verletzung der Rechtsgrundsätze für die Berechnung von Geldbußen

52. ADM macht geltend, das Gericht habe der Kommission mit dem angefochtenen Urteil gestattet, nicht den mit dem fraglichen Produkt erzielten Umsatz als Berechnungsgrundlage für die Festsetzung der Geldbuße heranzuziehen. Dieser Umsatz werde nämlich in den Randnrn. 84 bis 87 des angefochtenen Urteils nur für differenzierende Gewichtungen bei der Berechnung der Geldbuße herangezogen. Die in Randnr. 50 des vorliegenden Urteils genannte Mitteilung der Kommission hebe jedoch im Gegensatz zur Feststellung des Gerichts hervor, dass der Umsatz den Ausgangspunkt für die Bemessung der Geldbuße bilde. Danach sei der Betrag der Geldbuße deutlich niedriger als derjenige, der sich aus der irrigen Berechnungsmethode der Kommission ergebe, die vom Gericht bestätigt worden sei.

53. Die Kommission macht unter Hinweis auf das Urteil vom 21. September 2006, Technische Unie/Kommission (C‑113/04 P, Slg. 2006, I‑8831, Randnr. 196), geltend, allein das Gericht sei dafür zuständig, die Art und Weise, wie die Kommission im Einzelfall die Schwere der rechtswidrigen Verhaltensweisen beurteilt habe, zu überprüfen. Insoweit habe das Gericht alle im vorliegenden Fall einschlägigen Umstände berücksichtigt und alle Argumente von ADM beantwortet. Außerdem gehe aus der streitigen Entscheidung und dem angefochtenen Urteil hervor, dass der Umsatz aus dem Verkauf von Natriumglukonat als Grundlage für die Festsetzung der Höhe der Geldbuße gedient habe.

– Zum vierten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes: Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung

54. Nach Ansicht von ADM hätte das Kartell, an dem sie sich beteiligt habe, die gleiche Behandlung erfahren müssen wie dasjenige, das Gegenstand der Sache gewesen sei, in der die Entscheidung Zinkphosphat ergangen sei. Entgegen der Auffassung des Gerichts habe es nämlich zwischen dieser Sache und derjenigen, die zur streitigen Entscheidung geführt habe, keine relevanten objektiven Unterschiede gegeben, die Geldbußen unterschiedlicher Höhe gerechtfertigt hätten. Zum einen seien die in diesem Zusammenhang vom Gericht angeführten Urteile nicht einschlägig, da sie vor der Veröffentlichung der Leitlinien ergangen seien. Zum anderen handele es sich bei den Umständen, auf die sich das Gericht stütze, um im Rahmen seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung die Höhe der verhängten Geldbuße zu bestätigen, um die gleichen wie die, um die es in der Sache Zinkphosphat gegangen sei.

55. Die Kommission trägt erstens vor, das Gericht habe objektive Umstände zur Unterscheidung der vorliegenden Rechtssache von der Sache Zinkphosphat angeführt. Zweitens habe ADM nicht die Rechtsprechung beanstandet, nach der die frühere Entscheidungspraxis der Kommission nicht als rechtlicher Rahmen für Geldbußen im Wettbewerbsrecht diene. Drittens ergebe sich aus dem angefochtenen Urteil, dass ADM nicht nachgewiesen habe, dass es bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße zu einer Ungleichbehandlung gekommen sei. Es sei daher, wie aus dem Urteil vom 25. Januar 2007, Dalmine/Kommission (C‑407/04 P, Slg. 2007, I‑829, Randnr. 152), folge, nicht Sache des Gerichtshofs, seine eigene Beurteilung des Geldbußenbetrags an die Stelle der Beurteilung des Gerichts zu setzen.

Würdigung durch den Gerichtshof

56. Mit den ersten beiden Teilen des ersten Rechtsmittelgrundes, die zusammen zu behandeln sind, rügt ADM, das Gericht habe nicht ihr Vorbringen beantwortet, dass die Kommission weder in der streitigen Entscheidung noch in ihren im Verfahren des ersten Rechtszugs eingereichten Schriftsätzen eine Rechtfertigung dafür geliefert oder Beweise dafür beigebracht habe, dass die Durchführung der gemeinschaftlichen Wettbewerbspolitik es erfordere, gegen ADM im Rahmen der rückwirkenden Anwendung der Leitlinien eine viel höhere Geldbuße als diejenigen zu verhängen, die sich aus einer Prüfung der früheren Entscheidungspraxis der Kommission ergäben. Das Gericht habe daher einen Rechtsfehler begangen, indem es keine solche Rechtfertigung verlangt habe, die jedoch nach dem Urteil Musique Diffusion française u. a./Kommission notwendig sei.

57. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass das Gericht in den Randnrn. 43 bis 49 des angefochtenen Urteils auf den Klagegrund der Verletzung des Grundsatzes der Rechtssicherheit und des Rückwirkungsverbots eingegangen ist, mit dem ADM gerügt hat, dass die gegen sie nach Maßgabe der Leitlinien verhängte Geldbuße höher sei als die Geldbußen, die von der Kommission in der Vergangenheit verhängt worden seien.

58. Das Gericht hat diesen Klagegrund in Randnr. 48 des angefochtenen Urteils mit der Begründung zurückgewiesen, eine Anhebung des Geldbußenniveaus – unterstellt, sie liege tatsächlich vor – sei für ADM zur Zeit der Begehung der fraglichen Zuwiderhandlungen hinreichend vorhersehbar gewesen.

59. Nach der vom Gericht in Randnr. 46 des angefochtenen Urteils in Erinnerung gerufenen Rechtsprechung müssen sich nämlich die Unternehmen, die von einem Verwaltungsverfahren betroffen sind, das zu einer Geldbuße führen kann, dessen bewusst sein, dass die Kommission jederzeit beschließen kann, das Niveau der Geldbußen gegenüber dem in der Vergangenheit praktizierten Niveau anzuheben. Das ist dann der Fall, wenn die Kommission das Niveau der Geldbußen durch die Verhängung von Geldbußen in Einzelentscheidungen anhebt, aber auch dann, wenn diese Anhebung dadurch erfolgt, dass Verhaltensnormen mit allgemeiner Geltung wie die Leitlinien auf konkrete Fälle angewandt werden (Urteil Dansk Rørindustri u. a./Kommis sion, Randnrn. 229 und 230).

60. Im vorliegenden Fall hat die Kommission die Leitlinien angewandt, um die Höhe der gegen ADM verhängten Geldbuße festzusetzen. Diese Leitlinien stellen zum einen eine Verhaltensnorm auf, von der die Kommission nicht abweichen kann, ohne wegen Verstoßes gegen allgemeine Rechtsgrundsätze wie die der Gleichbehandlung und des Vertrauensschutzes mit einer Sanktion belegt zu werden. Zum anderen schaffen sie Rechtssicherheit für die betroffenen Unternehmen, indem sie das Verfahren regeln, das sich die Kommission zur Festsetzung der nach Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 verhängten Geldbußen auferlegt hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. Mai 2008, Evonik Degussa/Kommission und Rat, C‑266/06 P, Randnr. 53).

61. Wie in Randnr. 43 des angefochtenen Urteils in Erinnerung gerufen worden ist, besteht die hauptsächliche Neuerung der Leitlinien darin, dass als Ausgangspunkt der Berechnung Grundbeträge herangezogen werden, die innerhalb von hierfür in den Leitlinien vorgesehenen Spannen festgelegt werden, wobei diese Spannen verschiedenen Schweregraden der Zuwiderhandlungen entsprechen, als solche aber keinen Bezug zum relevanten Umsatz aufweisen. Diese Methode beruht somit im Wesentlichen auf einer – wenn auch relativen und flexiblen – Tarifierung der Geldbußen (Urteil Dansk Rørindustri u. a./Kommission, Randnr. 225).

62. Im Rahmen der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung hat die Kommission verschiedene eine Festsetzung der Geldbuße ermöglichende Gesichtspunkte zu berücksichtigen, darunter Erwägungen im Zusammenhang mit der Notwendigkeit einer Anhebung des Geldbußenniveaus.

63. Das folgt aus Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17, der nur auf die Schwere und die Dauer der Zuwiderhandlung als Kriterien für die Berechnung der Höhe der Geldbuße abstellt, und im Wesentlichen aus dem von der Rechtsmittelführerin angeführten Urteil Musique Diffusion française u. a./Kommission, in dessen Randnr. 106 der Gerichtshof darauf hingewiesen hat, dass die Kommission bei der Beurteilung der Schwere einer Zuwiderhandlung im Hinblick auf die Festsetzung der Geldbuße nicht nur die besonderen Umstände des Einzelfalls, sondern auch den Kontext der Zuwiderhandlung berücksichtigen und sicherstellen muss, dass ihr Vorgehen die notwendige abschreckende Wirkung hat.

64. Im vorliegenden Fall hat das Gericht in Randnr. 47 des angefochtenen Urteils, mit der es auf das Vorbringen von ADM eingegangen ist, wonach die angebliche Erhöhung des Niveaus der Geldbußen durch die Kommission außer Verhältnis zu dem Ziel stehe, die Durchführung der Wettbewerbspolitik zu gewährleisten, dieses Vorbringen, wenn auch vorbehaltlich seiner Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung, wie sie sich aus den Randnrn. 99 ff. dieses Urteils ergibt, zurückgewiesen.

65. So hat das Gericht insbesondere in Randnr. 103 des angefochtenen Urteils bei der Prüfung der von der Kommission angenommenen Schwere der Zuwiderhandlung an die Gründe erinnert, aus denen die Kommission die gegen die Rechtsmittelführerin verhängte Geldbuße in einer entsprechenden Höhe festgesetzt hatte, und dazu auf die Erwägungsgründe 6, 8 und 9 der streitigen Entscheidung verwiesen.

66. Damit ist das Gericht dem Vorgehen gefolgt, das der Gerichtshof im Urteil Musique Diffusion française u. a./Kommission gewählt hatte und das er im Urteil Dansk Rørindustri u. a./Kommission speziell in Bezug auf die Anwendung der Leitlinien bekräftigt hat. In Randnr. 232 dieses Urteils hat der Gerichtshof nämlich, ohne von der Kommission die Anführung spezifischer, über die Erfordernisse der Leitlinien hinausgehender Gründe zu verlangen, festgestellt, dass die Anwendung dieser Leitlinien auf vor deren Erlass begangene Zuwiderhandlungen weder gegen das Rückwirkungsverbot noch gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit verstoße.

67. Folglich kann dem Gericht weder ein Begründungsmangel noch eine unzutreffende Anwendung der Rechtsprechung des Gerichtshofs vorgeworfen werden.

68. Mithin greifen die ersten beiden Teile des ersten Rechtsmittelgrundes nicht durch.

69. Mit dem dritten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes rügt ADM im Wesentlichen, das Gericht habe nicht festgestellt, dass die Kommission den Umsatz aus den Verkäufen von Natriumglukonat als geeignete Berechnungsgrundlage für die Höhe der Geldbuße hätte berücksichtigen müssen.

70. Erstens kann die Rechtsmittelführerin dem Gericht, nachdem dieses in Randnr. 78 des angefochtenen Urteils hervorgehoben hat, dass der Umsatz aus dem Verkauf des betroffenen Erzeugnisses eine geeignete Grundlage darstellen „kann“, um die Schädigung des Wettbewerbs auf dem betroffenen Produktmarkt in der Europäischen Gemeinschaft zu ermitteln, nicht vorwerfen, sich selbst zu widersprechen, wenn es dieses Kriterium tatsächlich nicht als geeignete Grundlage herangezogen hat.

71. Zweitens ist vorab daran zu erinnern, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs bei der Festsetzung der Höhe der Geldbußen die Dauer der Zuwiderhandlungen sowie sämtliche Faktoren zu berücksichtigen sind, die für die Beurteilung der Schwere dieser Zuwiderhandlungen eine Rolle spielen (vgl. Urteile Musique Diffusion française u. a./Kommission, Randnr. 129, sowie Dansk Rørindustri u. a./Kommission, Randnr. 240).

72. Hierbei ist die Schwere der Zuwiderhandlungen gegen das Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft anhand einer Vielzahl von Gesichtspunkten zu ermitteln, zu denen die besonderen Umstände der Rechtssache, ihr Kontext und die Abschreckungswirkung der Geldbußen gehören, ohne dass es eine zwingende oder abschließende Liste von Kriterien gäbe, die auf jeden Fall berücksichtigt werden müssten (Urteil Dalmine/Kommission, Randnr. 129 und die dort angeführte Rechtsprechung).

73. Zu den Faktoren, die bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlungen berücksichtigt werden können, gehören das Verhalten jedes einzelnen Unternehmens, die Rolle, die es bei der Errichtung des Kartells gespielt hat, der Gewinn, den die Unternehmen aus ihm ziehen konnten, ihre Größe und der Wert der betroffenen Waren sowie die Gefahr, die derartige Zuwiderhandlungen für die Ziele der Gemeinschaft bedeuten (vgl. in diesem Sinne Urteile Musique Diffusion française u. a./Kommission, Randnr. 129, sowie Dalmine/Kommission, Randnr. 130).

74. Dabei darf bei der Festsetzung der Geldbuße sowohl der Gesamtumsatz des Unternehmens, der – wenn auch nur annähernd und unvollständig – etwas über dessen Größe und Wirtschaftskraft aussagt, als auch der Teil dieses Umsatzes berücksichtigt werden, der mit den Waren erzielt worden ist, hinsichtlich deren die Zuwiderhandlung begangen wurde, und der somit einen Anhaltspunkt für das Ausmaß dieser Zuwiderhandlung liefern kann. Weder dem einen noch dem anderen dieser Umsätze darf eine im Verhältnis zu den anderen Beurteilungskriterien übermäßige Bedeutung zugemessen werden, so dass die Festsetzung einer angemessenen Geldbuße nicht das Ergebnis eines bloßen auf den Umsatz aus dem Verkauf des betreffenden Erzeugnisses gestützten Rechenvorgangs sein kann (vgl. in diesem Sinne Urteil Archer Daniels Midland und Archer Daniels Midland Ingredients/Kommission, Randnr. 100).

75. Das Gemeinschaftsrecht enthält zudem keinen allgemein anwendbaren Grundsatz, wonach die Sanktion in angemessenem Verhältnis zu dem Umsatz stehen muss, den das Unternehmen aus dem Verkauf des Erzeugnisses, das Gegenstand der Zuwiderhandlung ist, erzielt (vgl. in diesem Sinne Urteile Archer Daniels Midland und Archer Daniels Midland Ingredients/Kommission, Randnr. 101).

76. Folglich hat das Gericht in Randnr. 78 des angefochtenen Urteils entgegen der Auffassung von ADM zutreffend festgestellt, dass der Umsatz aus dem Verkauf von Natriumglukonat nicht das einzige Kriterium darstelle, nach dem die Kommission die Schwere der Zuwiderhandlung habe beurteilen müssen. Jedenfalls bildet dieser Umsatz nicht notwendig den Ausgangspunkt für die Berechnung der Geldbußen.

77. Dies ergibt sich auch aus den Leitlinien, wie in Randnr. 61 des vorliegenden Urteils in Erinnerung gerufen worden ist. Wenn hingegen die Auffassung der Rechtsmittelführerin zu gelten hätte, würde dies unausweichlich zu einem Verstoß gegen die in diesen Leitlinien aufgestellten Regeln führen, von deren Anwendbarkeit auf die Zuwiderhandlung der Rechtsmittelführerin das Gericht zu Recht ausgegangen ist.

78. Somit kann die Rechtsmittelführerin nicht mit Erfolg rügen, dass das Gericht die für die Berechnung von Geldbußen geltenden Rechtsgrundsätze verletzt habe, indem es den Umsatz mit dem fraglichen Erzeugnis nicht als Ausgangspunkt für die Festsetzung der Höhe der gegen sie verhängten Geldbuße herangezogen habe.

79. Drittens hat das Gericht namentlich in den Randnrn. 86 und 87 des angefochtenen Urteils unter Hinweis insbesondere auf die Erwägungsgründe 378 bis 382 der streitigen Entscheidung dargelegt, auf welche Weise die Kommission den Umsatz aus dem Verkauf von Natriumglukonat bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße berücksichtigt habe. In diesem Zusammenhang hat es darauf hingewiesen, dass die Kommission ihr weites Ermessen nicht überschritten habe, und in Randnr. 114 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass „der Grundbetrag, den die Kommission im vorliegenden Fall wegen der von ADM begangenen Zuwiderhandlung festsetzte, in Anbetracht aller von der Kommission in der [streitigen] Entscheidung angeführten Gesichtspunkte und der Würdigung einer Reihe dieser Gesichtspunkte im vorliegenden Urteil angemessen ist“.

80. Nach ständiger Rechtsprechung ist es nicht Sache des Gerichtshofs im Rahmen eines Rechtsmittelverfahrens, die freie Würdigung des Sachverhalts durch das Gericht in Frage zu stellen, da allein dieses dafür zuständig ist, die Art und Weise, wie die Kommission im Einzelfall die Schwere der rechtswidrigen Verhaltensweisen beurteilt hat, zu überprüfen (vgl. in diesem Sinne Urteil Technische Unie/Kommission, Randnr. 196).

81. Demgemäß greift auch der dritte Teil des ersten Rechtsmittelgrundes nicht durch.

82. Was den vierten Teil dieses Rechtsmittelgrundes betrifft, hat das Gericht in den Randnrn. 108 bis 110 des angefochtenen Urteils auf die ständige Rechtsprechung hingewiesen, wonach die Entscheidungspraxis der Kommission nicht als rechtlicher Rahmen für Geldbußen im Wettbewerbsrecht dient, da die Kommission im Bereich der Festsetzung der Höhe der Geldbußen über ein weites Ermessen verfügt und bei dessen Ausübung nicht an frühere eigene Beurteilungen gebunden ist (Urteil Dansk Rørindustri u. a./Kommission, Randnrn. 209 bis 213).

83. Das Gericht hat daraus in Randnr. 111 des angefochtenen Urteils den zutreffenden Schluss gezogen, dass die bloße Berufung von ADM auf die Entscheidung Zinkphosphat als solche nicht durchgreifen könne, da die Kommission nicht verpflichtet gewesen sei, die vorliegende Sache ebenso zu beurteilen.

84. Es ist festzustellen, dass ADM in ihrer Rechtsmittelschrift nichts vorgetragen hat, um diesen maßgeblichen Teil der Begründung des angefochtenen Urteils zu entkräften.

85. ADM stellt nämlich lediglich die vom Gericht in Randnr. 113 des angefochtenen Urteils angeführten Gesichtspunkte in Frage, in denen sich die vorliegende Rechtssache seiner Ansicht nach von derjenigen unterscheidet, in der die Entscheidung Zinkphosphat ergangen ist, legt jedoch nicht dar, aus welchen Gründen es im vorliegenden Fall gerade nicht geboten sein soll, der vom Gericht in den Randnrn. 108 und 109 dieses Urteils in Erinnerung gerufenen ständigen Rechtsprechung zu folgen.

86. Demgemäß ist der vierte Teil des ersten Rechtsmittelgrundes und damit der erste Rechtsmittelgrund insgesamt als teils unbegründet, teils unzulässig zurückzuweisen.

Zum zweiten Rechtsmittelgrund: rechtsfehlerhafte Beurteilung der Auswirkungen des Kartells auf den relevanten Markt

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

87. Der zweite Rechtsmittelgrund gliedert sich in drei Teile.

– Zum ersten Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes: Verletzung des Grundsatzes, dass die Kommission die Regeln einhalten müsse, die sie sich selbst auferlegt habe

88. ADM trägt vor, das Gericht habe ihr Vorbringen, dass die Kommission bei der Beurteilung der Auswirkungen des Kartells nicht den relevanten Markt definiert habe, nicht geprüft, obwohl es sich hierbei um eine in den Richtlinien vorgesehene unentbehrliche Voraussetzung handele. Wenn die Kommission den relevanten Markt ordnungsgemäß, d. h. unter Berücksichtigung der auf dem Markt für Chelatprodukte vorhandenen Substitutprodukte, definiert hätte, wäre sie zu dem Ergebnis gelangt, dass sich das Kartell auf die tatsächlich praktizierten Preise möglicherweise nicht ausgewirkt hätte.

89. Nach Ansicht der Kommission beruht die Auffassung von ADM auf einem falschen Verständnis des Zwecks, der mit der Definition des relevanten Marktes verfolgt werde. Im vorliegenden Fall habe das Gericht in Randnr. 226 des angefochtenen Urteils betont, dass die Kommission den relevanten Markt untersucht habe, bevor sie die Schwere der von ADM begangenen Zuwiderhandlung untersucht habe. Die Rechtsmittelführerin begehre daher vom Gerichtshof, im Stadium des Rechtsmittelverfahrens zu Tatsachen Stellung zu nehmen, zu denen sie im ersten Rechtszug keine Beweise habe beibringen können.

– Zum zweiten Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes: Verletzung der Begründungspflicht

90. ADM trägt vor, das Gericht habe seine Begründungspflicht verletzt, indem es ohne jede Begründung ihr Vorbringen, dass es Beweise für die fehlende Auswirkung des Kartells auf den relevanten Markt gebe, zurückgewiesen habe. Insoweit belegten die von ihr im ersten Rechtszug vorgelegten Beweismittel eindeutig, dass die nach Errichtung des Kartells eingetretenen Preisschwankungen bei Natriumglukonat durch andere Faktoren verursacht worden seien.

91. Nach Ansicht der Kommission geht aus dem angefochtenen Urteil, insbesondere seinen Randnrn. 232 bis 236, klar hervor, dass das Gericht alle von ADM vorgelegten Beweismittel geprüft habe, bevor es zu dem Schluss gelangt sei, dass diese ihren Vortrag nicht stützen könnten.

92. Hilfsweise fügt die Kommission hinzu, das Begehren von ADM komme einer Aufforderung an den Gerichtshof gleich, die im ersten Rechtszug vorgelegten Beweismittel zu prüfen, wofür der Gerichtshof in einem Rechtsmittelverfahren nicht zuständig sein könne.

– Zum dritten Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes: rechtswidrige Umkehr der Beweislast durch das Gericht

93. ADM rügt im Wesentlichen, das angefochtene Urteil erlege ihr die Beweislast dafür auf, dass die von der Kommission angeführten Preise die gleichen gewesen wären, wenn es kein Kartell gegeben hätte. Zum einen ergebe sich aber aus den Leitlinien, dass es Sache der Kommission sei, nachzuweisen, dass die Preise ohne Kartell niedriger gewesen wären. Zum anderen habe das Gericht in den Randnrn. 177 und 184 des angefochtenen Urteils selbst eingeräumt, dass es nicht möglich sei, einen genauen Preis für das betroffene Erzeugnis ohne Bestehen des Kartells anzugeben.

94. Nach Ansicht der Kommission hat das Gericht festgestellt, dass sie die Auswirkungen der Zuwiderhandlung auf den Natriumglukonatmarkt rechtlich hinreichend nachgewiesen habe. Damit habe es festgestellt, dass ADM nicht nachgewiesen habe, dass eine andere Definition des relevanten Marktes hinsichtlich der Auswirkung des Kartells zu einer anderen Schlussfolgerung geführt hätte. Mit diesem dritten Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes werde letztlich eine erneute Würdigung des Sachverhalts durch den Gerichtshof im Stadium des Rechtsmittelverfahrens begehrt; dieser Teil sei daher unzulässig.

Würdigung durch den Gerichtshof

95. Zum zweiten Rechtsmittelgrund, dessen drei Teile zusammen zu behandeln sind, ist vorab daran zu erinnern, dass im Rahmen der Festsetzung der Geldbuße nach den Leitlinien die konkrete Auswirkung des Kartells auf den relevanten Markt ein Faktor ist, der bei der Beurteilung der Schwere der begangenen Zuwiderhandlung berücksichtigt werden kann.

96. Erstens hat das Gericht in Randnr. 226 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass die Kommission in den Erwägungsgründen 34 bis 41 der streitigen Entscheidung den betroffenen Produktmarkt als den Markt für Natriumglukonat in fester und flüssiger Form und dessen Ausgangsprodukt Glukonsäure definiert habe. Dabei hat es die Gründe angeführt, aus denen die Kommission nicht auf den von ADM angeführten größeren Markt abgestellt habe.

97. Zweitens hat das Gericht in den Randnrn. 229 bis 231 des angefochtenen Urteils zutreffend hervorgehoben, dass ADM mit der Behauptung allein, die Kommission habe auf eine fehlerhafte Definition des relevanten Marktes abgestellt, nicht dartun könne, dass die fragliche Zuwiderhandlung unter Zugrundelegung ihrer eigenen Marktdefinition nicht zu einer Auswirkung auf den betroffenen Markt geführt habe.

98. Drittens hat das Gericht, nachdem es in Randnr. 232 des angefochtenen Urteils auf die Methode hingewiesen hat, die von der Kommission angewandt worden sei, um die Auswirkung der fraglichen Zuwiderhandlung auf den von ihr definierten Markt darzutun, in den Randnrn. 233 bis 237 dieses Urteils festgestellt, dass ADM lediglich behauptet habe, dass der Kommission bei der Definition des relevanten Marktes Fehler unterlaufen seien, ohne jedoch zu erklären, inwieweit die von ihr selbst zugrunde gelegte Definition des Marktes eine tatsächliche Auswirkung der fraglichen Zuwiderhandlung ausgeschlossen habe.

99. Aus diesen Erwägungen folgt, dass ADM dem Gericht nicht vorwerfen kann, es habe zugelassen, dass die Kommission die Auswirkung der fraglichen Zuwiderhandlung beurteile, ohne zuvor den relevanten Markt definiert zu haben. Wie nämlich aus Randnr. 226 des angefochtenen Urteils hervorgeht, hat die Kommission diese Definition tatsächlich vorgenommen.

100. Im Übrigen hat das Gericht in freier Würdigung des Sachverhalts die Prüfung der Auswirkung der fraglichen Zuwiderhandlung auf den relevanten Markt angesichts der von der Kommission hierzu vorgetragenen Gesichtspunkte für überzeugend befunden. So hat es unter Bezugnahme auf den 354. Erwägungsgrund der streitigen Entscheidung daran erinnert, dass die Kommission insbesondere die Preise für Natriumglukonat zum Inkrafttreten des Kartells in Beziehung gesetzt, das Preisniveau für dieses Erzeugnis, das ohne das fragliche Kartell gegolten hätte, geschätzt und daraus schließlich auf die Auswirkung der von ADM begangenen Zuwiderhandlung auf den Markt für Natriumglukonat geschlossen habe.

101. Dem Gericht kann auch nicht vorgeworfen werden, die Beweislast für die Definition des relevanten Marktes umgekehrt zu haben und die Begründung für seine Würdigung schuldig geblieben zu sein.

102. Erstens hat sich nämlich das Gericht in Randnr. 237 des angefochtenen Urteils auf die Feststellung beschränkt, dass ADM nicht nachgewiesen habe, dass die Auswirkungen des fraglichen Kartells auf den von ihr dargestellten größeren Markt zu vernachlässigen oder sogar inexistent gewesen seien. So hat das Gericht zu Recht von der Rechtsmittelführerin verlangt, Beweismittel zur Widerlegung der Beurteilung der Kommission vorzulegen, auf die es sich in den Randnrn. 196 und 197 des angefochtenen Urteils bezogen hat und mit der der Zusammenhang zwischen der Entwicklung der Preise auf dem Natriumglukonatmarkt und dem Inkrafttreten des Kartells aufgezeigt werden sollte.

103. Eines solchen Nachweises hätte es aber umso mehr bedurft, als ADM zum einen im ersten Rechtszug darauf hingewiesen hat, dass die Preise der Erzeugnisse, die ihrer Ansicht nach zur Bestimmung des relevanten Marktes zusammen mit Natriumglukonat hätten herangezogen werden müssen, eine ähnliche Entwicklung wie die Preise von Natriumglukonat genommen hätten, und zum anderen, wie die Generalanwältin in Nr. 154 ihrer Schlussanträge festgestellt hat, behauptet, dass sich das Kartell nicht auf den relevanten Markt ausgewirkt habe, obwohl sie an ihm mehrere Jahre lang beteiligt gewesen sei.

104. Zweitens ist damit das Gericht auf das Vorbringen von ADM zum Fehlen einer Auswirkung des Kartells auf den Natriumglukonatmarkt eingegangen, indem es befunden hat, dass die von ADM vorgelegten Beweise die Beurteilung der Kommission nicht widerlegen könnten; es hat somit die ihm obliegende Begründungspflicht erfüllt.

105. Hierzu ist daran zu erinnern, dass nach Art. 225 EG und Art. 58 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs allein das Gericht dafür zuständig ist, die Tatsachen festzustellen – sofern sich nicht aus den Prozessakten ergibt, dass seine Feststellungen tatsächlich falsch sind – und sie zu würdigen. Hat das Gericht die Tatsachen festgestellt oder gewürdigt, so ist der Gerichtshof gemäß Art. 225 EG zur Kontrolle der rechtlichen Qualifizierung dieser Tatsachen und der Rechtsfolgen, die das Gericht aus ihnen gezogen hat, befugt. Der Gerichtshof ist somit nicht für die Feststellung der Tatsachen zuständig und grundsätzlich nicht befugt, die Beweise zu prüfen, auf die das Gericht seine Feststellungen gestützt hat. Diese Beurteilung ist somit, sofern die Beweismittel nicht verfälscht werden, keine Rechtsfrage, die als solche der Kontrolle des Gerichtshofs unterliegt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. Juli 2008, Bertelsmann und Sony Corporation of America/Impala, C‑413/06 P, Slg. 2008, I‑0000, Randnr. 29).

106. Im vorliegenden Fall begehrt die Rechtsmittelführerin, die in ihrer Rechtsmittelschrift auf die im ersten Rechtszug vorgelegten, vom Gericht als unzureichend angesehenen Beweismittel verweist, in Wirklichkeit vom Gerichtshof, diese Beweismittel erneut zu prüfen, ohne jedoch geltend zu machen, dass das Gericht diese Beweismittel verfälscht hätte; für eine solche Prüfung ist der Gerichtshof nicht zuständig.

107. Da insbesondere in Randnr. 102 des vorliegenden Urteils festgestellt worden ist, dass das Gericht die Beweislast nicht umgekehrt hat und sich die Rechtsmittelführerin nicht auf eine Verfälschung von Beweismitteln berufen hat, ist somit der zweite Rechtsmittelgrund als teils unbegründet und teils unzulässig insgesamt zurückzuweisen.

Zum dritten Rechtsmittelgrund: rechtsfehlerhafte Bestimmung des Zeitpunkts der Beendigung des Kartells

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

108. Dieser Rechtsmittelgrund gliedert sich in vier Teile.

– Zum ersten Teil des dritten Rechtsmittelgrundes: Verstoß gegen Art. 81 EG wegen unzutreffender Anwendung der Regeln über die Beendigung des Kartells

109. ADM beanstandet im Wesentlichen die vom Gericht in Randnr. 247 des angefochtenen Urteils vorgenommene Beurteilung ihrer Absichten bei der Zusammenkunft vom 4. Oktober 1994. Das Gericht sei nämlich in der Annahme, dass ihr Verhalten bei dieser Zusammenkunft nicht bezweckt habe, ihren Rückzug aus dem Kartell anzukündigen, sondern vielmehr taktischer Natur und darauf gerichtet gewesen sei, ihren Willen im Kartell durchzusetzen, zu dem Schluss gelangt, dass sie dort ihre bisherige Rolle habe fortsetzen wollen. Ihr könne jedoch nicht vorgeworfen werden, die Fortsetzung des Kartells nur beabsichtigt zu haben, da sie offen ihren Willen zum Ausdruck gebracht habe, ihre Beteiligung am Kartell zu beenden, und Art. 81 EG es nicht zulasse, für eine Bejahung eines Verstoßes gegen ihn auf subjektive Gesichtspunkte abzustellen, sondern sich auf das Verbot erwiesener Handlungen beschränke.

110. Nach Ansicht der Kommission wirft das maßgebliche Kriterium der offenen Bekanntgabe des Rückzugs von einem Kartell die Frage auf, wie dessen Mitglieder das Verhalten des die Beteiligung an einer solchen Vereinbarung einstellenden Unternehmens verstehen. Insoweit sei es Sache dieses Unternehmens, seiner Beweispflicht hinsichtlich dieses Verständnisses zu genügen. ADM habe zwar nachgewiesen, dass sie die Zusammenkunft vom 4. Oktober 1994 vor deren Ende verlassen habe, nicht jedoch, dass die übrigen Teilnehmer dieses Verhalten als Rückzug vom Kartell verstanden hätten. Das zeigten jedenfalls die vom Gericht in Randnr. 249 des angefochtenen Urteils angeführten Tatsachen.

– Zum zweiten Teil des dritten Rechtsmittelgrundes: Verfälschung von Beweismitteln

111. ADM trägt vor, das Gericht sei in den Randnrn. 248 bis 250 des angefochtenen Urteils auf der Grundlage der Erklärungen von JBL und Roquette fälschlich nicht zu dem Schluss gelangt, dass ADM ihre Beteiligung am Kartell mit der Zusammenkunft vom 4. Oktober 1994 beendet habe. Insoweit habe es diese Beweismittel verfälscht.

112. Nach Ansicht der Kommission geht aus den Beweismitteln, auf die sich ADM beziehe, hervor, dass Roquette am 4. Oktober 1994 aus dem Kartell ausgeschieden sei. Das könne jedoch nicht bedeuten, dass das Kartell an diesem Tag beendet worden wäre, und erst recht nicht, dass ADM ihre Beteiligung an ihm eingestellt hätte.

– Zum dritten Teil des dritten Rechtsmittelgrundes: Das Gericht habe gegen Art. 81 EG verstoßen, indem es die Auffassung vertreten habe, dass die Zusammenkunft vom 3. bis 5. Juni 1995 Ausdruck eines wettbewerbswidrigen Verhaltens gewesen sei

113. Von der grundsätzlichen Annahme ausgehend, dass sie ihre Beteiligung am Kartell im Anschluss an die Zusammenkunft vom 4. Oktober 1994 eingestellt habe, macht ADM geltend, das Gericht habe gegen Art. 81 EG verstoßen, indem es festgestellt habe, dass das Kartell in der Folge weiter bestanden habe und dass die Zusammenkunft vom 3. bis 5. Juni 1995 diese Auffassung erhärte. Das Gericht habe jedoch von der Kommission nicht verlangt, nachzuweisen, dass die Erörterungen dieser Zusammenkunft wettbewerbswidrige Wirkung hätten.

114. Die Kommission führt aus, da ADM ihre Beteiligung am Kartell am 4. Oktober 1994 nicht beendet habe, habe das Gericht zu Recht die Auffassung vertreten, dass die Zusammenkunft vom 3. bis 5. Juni 1995 nicht die Grundlage für ein neues Kartell dargestellt habe.

– Zum vierten Teil des dritten Rechtsmittelgrundes: Verfälschung eines Beweismittels

115. Das Gericht habe mit der Auffassung, der Roquette zugeschriebene Vermerk, auf den es insbesondere in Randnr. 263 des angefochtenen Urteils seine Beurteilung hinsichtlich der Fortsetzung des Kartells gestützt habe, sei von Roquette bei der Zusammenkunft vom 3. bis 5. Juni 1995 verfasst worden, dieses Beweismittel in zweierlei Hinsicht verfälscht. Zum einen sei dieser Vermerk von den amerikanischen Wettbewerbsbehörden verfasst worden, und zum anderen sei er nicht bei der Zusammenkunft vom 3. bis 5. Juni 1995 verfasst worden.

116. Die Kommission weist darauf hin, dass sich aus dem 233. Erwägungsgrund der streitigen Entscheidung ergebe, dass der vom Gericht in Randnr. 263 des angefochtenen Urteils angeführte Vermerk von Roquette vorgelegt worden sei. Jedenfalls sei dieses Beweismittel als solches für die Begründung des Gerichts nicht entscheidend.

Würdigung durch den Gerichtshof

117. Zunächst ist daran zu erinnern, dass die Prüfung des Gerichtshofs im Rechtsmittelverfahren auf Rechtsfehler sowie den Gesichtspunkt der etwaigen Verfälschung von Beweismitteln durch das Gericht beschränkt ist.

118. So rügt ADM im Rahmen des ersten Teils des dritten Rechtsmittelgrundes, dass das Gericht ihr Verlassen der Zusammenkunft vom 4. Oktober 1994 nicht als Ende ihrer Beteiligung am fraglichen Kartell gewertet habe. Damit habe das Gericht das Kriterium der offenen Distanzierung nicht korrekt angewandt, weil es unzutreffend auf eine subjektive Komponente, nämlich die Absicht von ADM, abgestellt habe.

119. Wird nachgewiesen, dass ein Unternehmen an Zusammenkünften teilgenommen hat, bei denen wettbewerbswidrige Vereinbarungen getroffen wurden, ohne sich offen dagegen auszusprechen, so ist dies nach ständiger Rechtsprechung ein ausreichender Beleg für die Teilnahme dieses Unternehmens am Kartell. Ist die Teilnahme an solchen Zusammenkünften erwiesen, obliegt es dem fraglichen Unternehmen, Indizien vorzutragen, die zum Beweis seiner fehlenden wettbewerbswidrigen Einstellung bei der Teilnahme an den Zusammenkünften geeignet sind, und nachzuweisen, dass es seine Wettbewerber darauf hingewiesen hat, dass es mit einer anderen Zielsetzung als diese an den Zusammenkünften teilgenommen hat (vgl. Urteil vom 7. Januar 2004, Aalborg Portland u. a./Kommission, C‑204/00 P, C‑205/00 P, C‑211/00 P, C‑213/00 P, C‑217/00 P und C‑219/00 P, Slg. 2004, I‑123, Randnr. 81).

120. Somit kommt es für die Beurteilung der Frage, ob sich das betroffene Unternehmen von der rechtswidrigen Vereinbarung distanzieren wollte, tatsächlich entscheidend auf das Verständnis an, das die übrigen Kartellteilnehmer von seiner Absicht hatten. Das Gericht hat daher in Randnr. 247 des angefochtenen Urteils zutreffend festgestellt, dass in der bloßen Tatsache, dass ADM die Zusammenkunft vom 4. Oktober 1994 verlassen hatte, als solcher keine offene Distanzierung vom fraglichen Kartell erblickt werden könne und dass ADM Indizien dafür beizubringen habe, dass die Kartellteilnehmer annahmen, dass sie ihre Beteiligung beende.

121. Dazu macht ADM im Rahmen des zweiten Teils des dritten Rechtsmittelgrundes geltend, das Gericht habe die vorgelegten Beweise verfälscht, indem es in Randnr. 248 des angefochtenen Urteils festgestellt habe, dass keines der Schriftstücke, auf die sie sich berufen habe, den Schluss zulasse, dass die anderen Teilnehmer des fraglichen Kartells ihr Verhalten bei der Zusammenkunft vom 4. Oktober 1994 als offene Distanzierung vom Inhalt dieses Kartells aufgefasst hätten.

122. Zum Beweis dessen, dass sie ihre Beteiligung am streitigen Kartell im Anschluss an die Zusammenkunft vom 4. Oktober 1994 beendet habe, hat sich ADM insbesondere auf von anderen Teilnehmern an dieser Zusammenkunft stammende Schriftstücke gestützt, nämlich ein Schreiben von JBL an die Kommission vom 21. Mai 1999, ein Schreiben von Fujisawa an die Kommission vom 12. Mai 1998 und ein Schreiben von JBL an die Kommission vom 30. April 1999. Die Rechtsmittelführerin bestreitet hier nicht den Inhalt dieser Schriftstücke, wie er vom Gericht festgestellt worden ist, sondern wendet sich gegen deren Auslegung durch das Gericht in den Randnrn. 249 bis 251 des angefochtenen Urteils.

123. So hat das Gericht zu den Schreiben von JBL vom 30. April und 21. Mai 1999 in den Randnrn. 249 und 251 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass sie keinerlei Schilderung des Verhaltens von ADM bei der Zusammenkunft vom 4. Oktober 1994 enthielten und es in ihnen nur heiße, dass Roquette die wettbewerbswidrigen Absprachen nicht mehr beachten werde.

124. Damit hat das Gericht diese Schriftstücke völlig zulässig dahin ausgelegt, dass sie es ADM nicht ermöglichten, nachzuweisen, dass sie sich nach der Zusammenkunft vom 4. Oktober 1994 vom Kartell zurückgezogen habe.

125. Ganz im Gegenteil hat das Gericht, ohne die ihm vorliegenden Beweismittel zu verfälschen, auf der Grundlage der in den Randnrn. 250 und 251 des angefochtenen Urteils genannten, von ADM nicht beanstandeten Beweismittel – des Schreibens von Fujisawa vom 12. Mai 1998, wonach das Kartell erst 1995 beendet war, und des Schreibens von JBL vom 30. April 1999, wonach ADM bei der Zusammenkunft vom 4. Oktober 1994 eine Neuzuteilung der Verkaufsquoten gefordert hatte – festgestellt, dass ADM den Beweis dafür schuldig geblieben sei, dass sie bei dieser Zusammenkunft ihre Beteiligung am Kartell beendet habe.

126. Zum vierten Teil des dritten Rechtsmittelgrundes ist daran zu erinnern, dass sich das Gericht für seine Feststellung, dass das fragliche Kartell bis zur Zusammenkunft vom 3. bis 5. Juni 1995 angedauert habe, auf fünf Beweismittel gestützt hat.

127. So hat es in den Randnrn. 258 bis 262 des angefochtenen Urteils, ohne dass ihm ADM widersprochen hätte, darauf hingewiesen, dass bei dieser Zusammenkunft alle Kartellmitglieder anwesend gewesen seien und die Teilnehmer die im Jahr 1994 realisierten Verkaufsmengen von Natriumglukonat diskutiert hätten, wobei sie versucht hätten, ein neues Informationssystem für diese Verkaufsmengen einzuführen, um den Gesamtumfang des Natriumglukonatmarkts zu ermitteln.

128. Sodann hat sich das Gericht in Randnr. 263 des angefochtenen Urteils auf ein Schriftstück bezogen, das es Roquette zuschreibt und das bestätige, dass bei der Zusammenkunft vom 3. bis 5. Juni 1995 deren Teilnehmer die Absicht gehabt hätten, ihr wettbewerbswidriges Verhalten beizubehalten.

129. Im Übrigen hat das Gericht in Randnr. 264 des angefochtenen Urteils die von ADM vorgelegten Beweismittel, die nach deren Ansicht geeignet waren, die Auffassung der Kommission hinsichtlich der Natur der Zusammenkunft vom 3. bis 5. Juni 1995 zu widerlegen, zurückgewiesen.

130. Schließlich hat das Gericht in Randnr. 266 des angefochtenen Urteils befunden, dass das auf das Zusammentreffen dieser Zusammenkunft mit einem allgemeinen Industrietreffen gestützte Vorbringen unerheblich sei.

131. Infolgedessen hat das Gericht angesichts seiner zutreffenden Feststellung, dass die Kommission davon ausgehen durfte, dass ADM seine Beteiligung am Kartell bei der Zusammenkunft vom 4. Oktober 1994 nicht eingestellt hatte, keinen Rechtsfehler begangen, indem es die Auffassung der Kommission bestätigt hat, dass das fragliche Kartell mit der Zusammenkunft vom 3. bis 5. Juni 1995 fortgesetzt wurde.

132. Hierbei hat sich das Gericht auf Tatsachen und Beweismittel gestützt, die der Gerichtshof im Stadium des Rechtsmittelverfahrens außer im Fall ihrer Verfälschung nicht erneut prüfen kann.

133. ADM macht im Rahmen des vierten Teils des dritten Rechtsmittelgrundes geltend, das Gericht habe in Randnr. 263 des angefochtenen Urteils den der Kommission von Roquette überreichten Vermerk verfälscht, indem es dessen Erstellung Roquette zugeschrieben habe, die ihn in der Zusammenkunft vom 3. bis 5. Juni 1995 verfasst haben solle.

134. Mit der Rechtsmittelführerin ist jedoch festzustellen – und dies wird auch von der Kommission eingeräumt –, dass dieses Schriftstück von Roquette nicht verfasst, sondern nur vorgelegt worden ist und dass es nach der genannten Zusammenkunft verfasst worden ist.

135. Insoweit hat das Gericht dieses Beweismittel verfälscht.

136. Wie jedoch die Generalanwältin in den Nrn. 214 und 215 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, kann diese Verfälschung nicht das angefochtene Urteil ungültig machen.

137. Wie nämlich aus den Randnrn. 126 bis 130 des vorliegenden Urteils hervorgeht, stützt das Gericht seine Begründung für die Feststellung, dass die Zusammenkunft vom 3. bis 5. Juni 1995 einen Versuch zur Fortsetzung des streitigen Kartells dargestellt habe, auf fünf Gesichtspunkte, zu denen der Roquette zugeschriebene Vermerk gehört.

138. Überdies hat das Gericht die Beweiskraft dieses Schriftstücks selbst relativiert, indem es in Randnr. 263 des angefochtenen Urteils ausgeführt hat, dass dieser Vermerk nur eine ungenaue Vorstellung vom Inhalt der Diskussionen bei der Zusammenkunft vom 3. bis 5. Juni 1995 vermittelt habe, und ihn nur als Bestätigung der Auffassung der Kommission angesehen hat.

139. Der vierte Teil des dritten Rechtsmittelgrundes geht daher ins Leere.

140. Zum dritten Teil des dritten Rechtsmittelgrundes ist schließlich mit dem Gericht – in Randnr. 265 des angefochtenen Urteils – daran zu erinnern, dass bei der Anwendung von Art. 81 Abs. 1 EG auf Vereinbarungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen die tatsächlichen Auswirkungen einer Vereinbarung nicht berücksichtigt zu werden brauchen, wenn diese eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezweckt. Das Gericht hat daher insoweit keinen Rechtsfehler begangen.

141. Aus den vorstehenden Ausführungen folgt daher, dass der dritte Rechtsmittelgrund insgesamt als teils unbegründet, teils unzulässig zurückzuweisen ist.

Zum hilfsweise geltend gemachten vierten Rechtsmittelgrund: rechtsfehlerhafte Berücksichtigung mildernder Umstände

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

142. ADM trägt vor, indem das Gericht in Randnr. 287 des angefochtenen Urteils die Verpflichtung der Kommission verneint habe, mildernde Umstände zuzubilligen, wie es in den Leitlinien für den Fall der Beendigung des Kartells vorgesehen sei, habe es die Leitlinien irrig ausgelegt. Im Übrigen könne es für die Berücksichtigung mildernder Umstände entgegen der Auffassung des Gerichts keine Rolle spielen, dass das streitige Kartell geheim gewesen sei.

143. Nach Ansicht der Kommission ist das Gericht zutreffend nicht davon ausgegangen, dass eine Beendigung der Zuwiderhandlung ohne Weiteres eine niedrigere Festsetzung der Geldbuße nach sich ziehe. Insoweit verfüge die Kommission über einen Wertungsspielraum im Hinblick insbesondere auf das Verhalten des betroffenen Unternehmens. Im vorliegenden Fall habe ADM nicht entscheidend am Verwaltungsverfahren mitgewirkt, so dass ihr keine mildernden Umstände hätten zugebilligt werden können.

Würdigung durch den Gerichtshof

144. In Abschnitt 3 der Leitlinien heißt es im Wesentlichen, der von der Kommission festgelegte Grundbetrag der Geldbuße werde u. a. dann verringert, wenn das beschuldigte Unternehmen die Verstöße nach dem ersten Eingreifen der Kommission beende.

145. Dazu hat das Gericht in Randnr. 280 des angefochtenen Urteils ausgeführt, diese Bestimmung sei dahin auszulegen, dass nur die besonderen Umstände des Einzelfalls, unter denen ein Verstoß nach dem ersten Eingreifen der Kommission konkret beendet werde, die Berücksichtigung dieser Beendigung als mildernden Umstand rechtfertigen könnten.

146. Das Gericht hat somit die Auffassung der Rechtsmittelführerin zurückgewiesen, dass die Beendigung des Kartells automatisch zu einer Verringerung des Grundbetrags der Geldbuße nach Abschnitt 3 der Leitlinien führen müsse, wobei es in Randnr. 279 des angefochtenen Urteils betont hat, dass eine solche Auslegung dieser Bestimmung die praktische Wirksamkeit von Art. 81 Abs. 1 EG beeinträchtigen würde.

147. Das Vorbringen, dass das Gericht einen Rechtsfehler begangen habe, geht fehl.

148. Es ist nämlich festzustellen, dass die Zuerkennung einer solchen Verringerung des Grundbetrags der Geldbuße notwendig an die Umstände des Einzelfalls gebunden ist, die die Kommission veranlassen können, einem Unternehmen, das Partei einer rechtswidrigen Vereinbarung ist, diese Verringerung nicht zu gewähren.

149. So könnte die Zubilligung eines mildernden Umstands in Situationen, in denen ein Unternehmen Partei einer offensichtlich rechtswidrigen Vereinbarung ist, von der es weiß oder wissen muss, dass sie den Tatbestand einer Zuwiderhandlung verwirklicht, einen Anreiz für Unternehmen bieten, eine geheime Vereinbarung so lange wie möglich fortzusetzen in der Hoffnung, dass ihr Verhalten nie aufgedeckt wird, aber in dem Bewusstsein, dass, sollte es doch aufgedeckt werden, die Geldbuße gegen sie bei anschließendem Abbruch der Zuwiderhandlung herabgesetzt werden könnte. Eine solche Zubilligung würde der verhängten Geldbuße jede Abschreckungswirkung nehmen und die praktische Wirksamkeit von Art. 81 Abs. 1 EG beeinträchtigen.

150. Daher hat das Gericht zutreffend festgestellt, dass ADM, die, was sie nicht bestreitet, an einem geheimen Kartell beteiligt war, keine Verringerung der gegen sie verhängten Geldbuße mit der Begründung verlangen kann, sie habe ihr rechtswidriges Verhalten nach dem ersten Eingreifen der amerikanischen Wettbewerbsbehörden beendet.

151. Der vierte Rechtsmittelgrund ist folglich als unbegründet zurückzuweisen.

152. Nach alledem ist das Rechtsmittel, da die zu seiner Stützung geltend gemachten Rechtsmittelgründe teils unzulässig, teils unbegründet sind, insgesamt zurückzuweisen.

Kosten

153. Nach Art. 69 § 2 der Verfahrensordnung, der gemäß Art. 118 der Verfahrensordnung auf das Rechtsmittelverfahren entsprechende Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission eine Verurteilung von ADM beantragt hat und diese mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ADM die Kosten aufzuerlegen.

Tenor

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1. Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

2. Die Archer Daniels Midland Co. trägt die Kosten.