Urteil des Gerichtshofes (Sechste Kammer) vom 7. November 2002. - Eila Päivikki Maaheimo. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Tarkastuslautakunta - Finnland. - Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 - 'Familienleistungen' - Beihilfe für häusliche Kinderbetreuung - Bedingung bezüglich des Wohnorts des Kindes. - Rechtssache C-333/00.
Sammlung der Rechtsprechung 2002 Seite I-10087
Leitsätze
Parteien
Entscheidungsgründe
Kostenentscheidung
Tenor
1. Soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer und -selbständigen - Gemeinschaftsregelung - Sachlicher Geltungsbereich - Erfasste und ausgeschlossene Leistungen - Unterscheidungskriterien - Beihilfe für häusliche Kinderbetreuung - Einbeziehung
(Verordnung Nr. 1408/71 des Rates)
2. Soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer und -selbständigen - Gemeinschaftsregelung - Sachlicher Geltungsbereich - Erfasste und ausgeschlossene Leistungen - Unterscheidungskriterien - Leistung, die dem Ausgleich von Familienlasten dient - Beihilfe für häusliche Kinderbetreuung - Einbeziehung
(Verordnung Nr. 1408/71 des Rates, Artikel 1, Buchstaben u, i, und 4, Absatz 1, Buchstabe h)
3. Soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer und -selbständigen - Familienleistungen - Arbeitnehmer, der den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats unterliegt, jedoch mit seiner Familie in einem anderen Mitgliedstaat wohnt - Anspruch des Ehegatten auf ein in den Rechtsvorschriften des Beschäftigungsstaats vorgesehene Beihilfe für häusliche Kinderbetreuung
(Verordnung Nr. 1408/71 des Rates, Artikel 73)
1. Eine Leistung ist nur dann als Leistung der sozialen Sicherheit anzusehen, wenn sie nicht aufgrund einer auf die persönliche Bedürftigkeit abstellenden Ermessensentscheidung, sondern aufgrund eines gesetzlichen Tatbestands gewährt wird.
Eine Leistung wie die Beihilfe für häusliche Kinderbetreuung gemäß dem Laki (1128/1996) lasten kotihoidon ja yksityisen hoidon tuesta (Gesetz über die Beihilfen für häusliche und private Kinderbetreuung) erfuellt diese Voraussetzung: Die Vorschriften über die Gewährung dieser Beihilfe verleihen dem Begünstigten einen Anspruch aufgrund eines gesetzlichen Tatbestands, und sowohl das Betreuungsgeld als auch die Betreuungszulage werden den Personen, die bestimmte objektive Kriterien erfuellen, automatisch und nicht aufgrund einer auf die persönliche Bedürftigkeit abstellenden Ermessensentscheidung gewährt.
( vgl. Randnrn. 22-23 )
2. Eine Leistung wie die Beihilfe für häusliche Kinderbetreuung gemäß dem Laki (1128/1996) lasten kotihoidon ja yksityisen hoidon tuesta (Gesetz über die Beihilfen für häusliche und private Kinderbetreuung) fällt unter die Definition der Familienleistungen und bezieht sich somit auf das in Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe h der Verordnung Nr. 1408/71 aufgeführte Risiko. Sie dient nämlich dazu, die Familienlasten im Sinne von Artikel 1 Buchstabe u Ziffer i dieser Verordnung auszugleichen.
Der Ausdruck Ausgleich von Familienlasten" in Artikel 1 Buchstabe u Ziffer i der Verordnung Nr. 1408/71, durch den die Familienleistungen" definiert werden, ist dahin auszulegen, dass er u. a. einen staatlichen Beitrag zum Familienbudget erfassen soll, der die Kosten für den Unterhalt von Kindern verringert.
( vgl. Randnrn. 24-25, Tenor 1 )
3. Nach Artikel 73 der Verordnung Nr. 1408/71 hat ein Arbeitnehmer, der den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats unterliegt, für seine Familienangehörigen, die im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnen, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des ersten Staates, als ob diese Familienangehörigen im Gebiet dieses Staates wohnten.
Wenn ein Arbeitnehmer mit seiner Familie in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen lebt, dessen Rechtsvorschriften er unterliegt, kann sich sein Ehegatte ebenfalls auf diesen Artikel berufen.
Artikel 73 der Verordnung Nr. 1408/71 soll verhindern, dass ein Mitgliedstaat die Gewährung von Familienleistungen davon abhängig macht, dass die Familienangehörigen des Arbeitnehmers im Mitgliedstaat der Leistung wohnen, und damit Arbeitnehmer davon abhält, von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch zu machen. Folglich verstößt es erst recht gegen den Zweck dieses Artikels, wenn der tatsächliche Wohnort als Voraussetzung für die Leistung bestimmt wird.
Artikel 73 der Verordnung Nr. 1408/71 ist somit dahin auszulegen, dass die Voraussetzung für die Gewährung einer Leistung wie der Beihilfe für häusliche Kinderbetreuung, nach der das Kind im Hoheitsgebiet des zuständigen Mitgliedstaats tatsächlich wohnen muss, als erfuellt anzusehen ist, wenn das Kind im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnt.
( vgl. Randnrn. 31-34, Tenor 2 )
In der Rechtssache C-333/00
betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 234 EG vom Tarkastuslautakunta (Finnland) in dem bei diesem anhängigen Verfahren
Eila Päivikki Maaheimo
vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung der Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe h, 10a, 73 und 75 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996 (ABl. 1997, L 28, S. 1) geänderten und aktualisierten Fassung
erlässt
DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten der Zweiten Kammer R. Schintgen in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Sechsten Kammer, des Richters V. Skouris, der Richterinnen F. Macken und N. Colneric (Berichterstatterin) sowie des Richters J. N. Cunha Rodrigues,
Generalanwalt: F. G. Jacobs
Kanzler: L. Hewlett, Verwaltungsrätin
unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen
- der finnischen Regierung, vertreten durch E. Bygglin als Bevollmächtigte,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch H. Michard und M. Huttunen als Bevollmächtigte,
aufgrund des Sitzungsberichts,
nach Anhörung der mündlichen Ausführungen der finnischen Regierung und der Kommission in der Sitzung vom 10. Januar 2002,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 7. März 2002,
folgendes
Urteil
1 Der Tarkastuslautakunta (Beschwerdeausschuss in Angelegenheiten der sozialen Sicherheit) hat mit Beschluss vom 31. Mai 2000, beim Gerichtshof eingegangen am 11. September 2000, gemäß Artikel 234 EG drei Fragen nach der Auslegung der Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe h, 10a, 73 und 75 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996 (ABl. 1997, L 28, S. 1) geänderten und aktualisierten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 1408/71) zur Vorabentscheidung vorgelegt.
2 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen Frau Maaheimo und dem Kansaneläkelaitos (staatliche Rentenversicherungsanstalt) wegen der Weigerung dieser Versicherungsanstalt, Frau Maaheimo die Beihilfe für häusliche Kinderbetreuung gemäß dem Laki (1128/1996) lasten kotihoidon ja yksityisen hoidon tuesta (Gesetz über die Beihilfen für häusliche und private Kinderbetreuung, im Folgenden: Kinderbetreuungsgesetz) zu gewähren.
Gemeinschaftsregelung
3 Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe h der Verordnung Nr. 1408/71 bestimmt:
Diese Verordnung gilt für alle Rechtsvorschriften über Zweige der sozialen Sicherheit, die folgende Leistungsarten betreffen:
...
h) Familienleistungen."
4 Nach der Definition des Artikels 1 Buchstabe u Ziffer i sind ,Familienleistungen: alle Sach- oder Geldleistungen, die zum Ausgleich von Familienlasten im Rahmen der in Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe h genannten Rechtsvorschriften bestimmt sind, jedoch mit Ausnahme der in Anhang II aufgeführten besonderen Geburts- oder Adoptionsbeihilfen".
5 Nach Artikel 4 Absatz 4 der Verordnung Nr. 1408/71 ist die Verordnung u. a. nicht auf die Sozialhilfe" anzuwenden.
6 Artikel 14 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung Nr. 1408/71 bestimmt: Eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedstaats von einem Unternehmen, dem sie gewöhnlich angehört, abhängig beschäftigt wird und die von diesem Unternehmen zur Ausführung einer Arbeit für dessen Rechnung in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaats entsandt wird, unterliegt weiterhin den Rechtsvorschriften des ersten Mitgliedstaats, sofern die voraussichtliche Dauer dieser Arbeit zwölf Monate nicht überschreitet ..."
7 Artikel 73 der Verordnung Nr. 1408/71 sieht vor:
Ein Arbeitnehmer oder ein Selbständiger, der den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats unterliegt, hat ... für seine Familienangehörigen, die im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnen, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des ersten Staates, als ob diese Familienangehörigen im Gebiet dieses Staates wohnten."
8 Nach Artikel 75 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1408/71 werden Familienleistungen in dem in Artikel 73 dieser Verordnung genannten Fall vom zuständigen Träger des Staates gewährt, dessen Rechtsvorschriften für den Arbeitnehmer oder den Selbständigen gelten. Nach Satz 2 dieses Absatzes werden sie nach den für diese Träger geltenden Bestimmungen unabhängig davon gezahlt, ob die natürliche oder juristische Person, an die sie zu zahlen sind, im Gebiet des zuständigen Staates oder in dem eines anderen Mitgliedstaats wohnt oder sich dort aufhält.
9 Nach Artikel 4 Absatz 2a Buchstabe a der Verordnung Nr. 1408/71 gilt diese für beitragsunabhängige Sonderleistungen, die unter andere als die in Absatz 1 dieses Artikels erfassten Rechtsvorschriften oder Systeme fallen, sofern sie in Versicherungsfällen, die den in Absatz 1 aufgeführten Zweigen entsprechen, ersatzweise, ergänzend oder zusätzlich gewährt werden. Nach Artikel 10a Absatz 1 der Verordnung Nr. 1408/71 erhalten jedoch Personen, für die diese Verordnung gilt, die in Artikel 4 Absatz 2a der Verordnung aufgeführten beitragsunabhängigen Sonderleistungen in bar ausschließlich in dem Wohnmitgliedstaat gemäß dessen Rechtsvorschriften, sofern diese Leistungen in Anhang IIa der Verordnung aufgeführt sind. Die Republik Finnland hat die Beihilfe für häusliche Kinderbetreuung nicht in diesen Anhang aufnehmen lassen.
Nationale Rechtsvorschriften
10 In Finnland haben nach dem Laki (36/1973) lasten päivähoidosta (Gesetz über Kindertagesstätten, im Folgenden: Kindertagesstättengesetz) Eltern oder sonstige Erziehungsberechtigte von dem Zeitpunkt an, zu dem die Zahlung des Erziehungsgelds endet, bis zu dem Zeitpunkt, zu dem das Kind schulpflichtig wird, Anspruch auf einen Platz in einer Kindertagesstätte der Gemeinde. Nach § 11a Absatz 1 dieses Gesetzes hat die Gemeinde für die Berechtigten einen solchen Kindertagesstättenplatz bereitzustellen. Nach Absatz 2 dieses Artikels haben Eltern, die einen Tagesplatz nicht in Anspruch nehmen wollen, Anspruch auf eine Beihilfe nach dem Kinderbetreuungsgesetz.
11 Das Kinderbetreuungsgesetz regelt nach seinem Artikel 1 den Anspruch auf finanzielle Beihilfe für andere Arten der Kinderbetreuung als die Betreuung in einer Tagesstätte gemäß dem Kindertagesstättengesetz. Nach § 3 Absatz 1 des Kinderbetreuungsgesetzes werden Beihilfen im Sinne dieses Gesetzes ... nur gewährt, wenn die Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten des Kindes keinen Platz in einer Kindertagesstätte gemäß § 11a Absatz 1 des Kindertagesstättengesetzes in Anspruch nehmen und wenn das Kind tatsächlich in Finnland wohnt".
12 Nach § 2 des Kinderbetreuungsgesetzes ist die Beihilfe für die Kinderbetreuung zu Hause" eine Hilfe, die Eltern oder anderen Erziehungsberechtigten für die Betreuung gewährt wird, und umfasst das Betreuungsgeld (hoitoraha) und gegebenenfalls eine Betreuungszulage (hoitolisä). Das Betreuungsgeld wird für jedes Kind in der Familie gezahlt und ist nach Alter und Zahl der Kinder gestaffelt. Die Betreuungszulage, die in § 5 des Kinderbetreuungsgesetzes definiert ist, wird in voller Höhe nur für ein Kind je Familie gezahlt, wenn das monatliche Familieneinkommen eine nach Maßgabe der Zahl der Familienmitglieder festgesetzte Einkommenshöchstgrenze nicht überschreitet.
13 Nach § 20 dieses Gesetzes kann darüber hinaus eine kommunale Zulage (kunnallinen lisä) gewährt werden. Nach dieser Bestimmung kann unbeschadet der Vorschriften dieses Gesetzes über das Betreuungsgeld und die Betreuungszulage die Gemeinde eine Zulage zum Betreuungsgeld und zur Betreuungszulage (kommunale Zulage) gewähren". Diese Zulage ist jedoch nicht Gegenstand der Vorlagefragen.
14 Die Organisation der Betreuung wird von den Gemeinden finanziert. Nach § 8 des Kinderbetreuungsgesetzes erbringt jedoch die staatliche Rentenanstalt die nach diesem Gesetz vorgesehenen Leistungen. Zur Finanzierung der häuslichen Kinderbetreuung bestimmt § 9 dieses Gesetzes, dass die Gemeinde der staatlichen Rentenanstalt die durch die Zahlung der Beihilfen entstehenden Kosten erstattet.
Ausgangsrechtsstreit
15 Frau Maaheimo, die Rechtsmittelführerin des Ausgangsverfahrens, besitzt ebenso wie ihr Ehemann und ihre Kinder die finnische Staatsangehörigkeit. Nachdem ihr Erziehungsurlaub bewilligt worden war, betreute sie ihre Kinder zu Hause. Vom 8. Januar 1998 an erhielt sie die Beihilfe für häusliche Kinderbetreuung. Vom 1. Mai 1998 bis zum 30. April 1999 war ihr Ehemann als entsandter Arbeitnehmer in Deutschland beschäftigt. Vom 10. Juli 1998 bis zum 31. März 1999 wohnte Frau Maaheimo mit ihren Kindern bei ihrem Ehemann in Deutschland. Nach ihren Angaben blieb Helsinki ihr Hauptwohnsitz. Während dieser Zeit war die ganze Familie in Finnland gesetzlich sozialversichert.
16 Mit Bescheid vom 27. August 1998 stellte die staatliche Rentenanstalt die Zahlung der Kinderbetreuungsbeihilfe an Frau Maaheimo mit Wirkung vom 10. August 1998 ein. Dieser Bescheid erging gemäß § 3 Absatz 1 des Kinderbetreuungsgesetzes, da die Kinder von Frau Maaheimo tatsächlich nicht in Finnland wohnten.
17 Die Beschwerde, die Frau Maaheimo hiergegen beim Krankenversicherungsausschuss einlegte, wurde mit Entscheidung vom 1. März 1999 zurückgewiesen. Am 31. März 1999 legte Frau Maaheimo Rechtsmittel beim Tarkastuslautakunta ein und beantragte, die Entscheidung des Krankenversicherungsausschusses für nichtig zu erklären und die staatliche Rentenversicherungsanstalt zu verpflichten, die Beihilfe weiterhin zu zahlen.
18 Der Tarkastuslautakunta, der in Verfahren, die die Beihilfe für häusliche Kinderbetreuung betreffen, letzte Rechtsmittelinstanz ist, hat das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Fällt die Beihilfe für häusliche Kinderbetreuung gemäß dem Laki lasten kotihoidon ja yksityisen hoidon tuesta (Gesetz über die häusliche und private Kinderbetreuung) als Familienleistung im Sinne von Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe h der durch die Verordnung (EWG) Nr. 2001/83 vom 2. Juni 1983 geänderten und aktualisierten Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 3427/89 vom 30. Oktober 1989 in den sachlichen Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts?
2. Wenn dies bejaht wird: Verpflichtet Artikel 73 in Verbindung mit Artikel 75 der Verordnung Nr. 1408/71 unter Berücksichtigung des Artikels 10a dieser Verordnung und der Tatsache, dass das finnische Gesetz nicht im Anhang IIa der Verordnung genannt ist, zur Zahlung der Beihilfe für häusliche Kinderbetreuung für das Kind eines vorübergehend in einen anderen Mitgliedstaat entsandten Arbeitnehmers auch für den Fall, dass die nach den nationalen Rechtsvorschriften bestehende Voraussetzung des tatsächlichen Wohnsitzes für den Bezug der Leistung nicht erfuellt ist, so dass die im Gesetz vorgesehene Wahl zwischen einem von der Gemeinde eingerichteten Kindertagesstättenplatz und der Beihilfe für häusliche Kinderbetreuung nicht getroffen werden konnte oder tatsächlich nicht getroffen wurde?
3. Wenn die Beihilfe für häusliche Kinderbetreuung nicht unter das Gemeinschaftsrecht fällt, verpflichtet dann in dem in Frage 2 beschriebenen Fall das Gemeinschaftsrecht auf einer anderen Grundlage zur Überweisung der Beihilfe für häusliche Kinderbetreuung in einen anderen Mitgliedstaat?
Die Vorlagefragen
19 Im entscheidungserheblichen Zeitraum war offenbar die Verordnung Nr. 1408/71 in der geänderten und aktualisierten Fassung der Verordnung Nr. 118/97 anwendbar, so dass die letztgenannte Fassung auszulegen ist. Allerdings sind die einschlägigen Bestimmungen der Verordnung Nr. 1408/71 im Wesentlichen unverändert geblieben.
Zur ersten Frage
20 Mit der ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob eine Beihilfe wie die für häusliche Kinderbetreuung, um die es im Ausgangsverfahren geht, als eine Familienleistung im Sinne von Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe h der Verordnung Nr. 1408/71 angesehen werden kann.
21 Die finnische Regierung trägt erstens vor, dass sich die Beihilfe für häusliche Kinderbetreuung nicht auf eines der in Artikel 4 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1408/71 aufgezählten Risiken beziehe, sondern eine Sozialhilfe im Sinne von Artikel 4 Absatz 4 dieser Verordnung sei. Sie verweist dazu auf das Urteil vom 11. Juni 1998 in der Rechtssache C-275/96 (Kuusijärvi, Slg. 1998, I-3419, Randnr. 60), in dem der Gerichtshof festgestellt habe, dass eine Leistung, die einem Elternteil ermöglichen solle, sich in der ersten Lebensphase eines Kindes dessen Erziehung zu widmen, und die genauer betrachtet dazu diene, die Erziehung des Kindes zu vergüten, die anderen Betreuungs- und Erziehungskosten auszugleichen und gegebenenfalls die finanziellen Nachteile, die der Verzicht auf ein Erwerbseinkommen bedeute, abzumildern, einer Familienleistung gleichzustellen sei. Im vorliegenden Fall hänge die Gewährung der Beihilfe für häusliche Kinderbetreuung aber nicht davon ab, dass der betreffende Elternteil das Kind selbst zu Hause betreue oder dass er sich wegen der Betreuung des Kindes aus dem Berufsleben zurückziehe. Diese Beihilfe diene vielmehr dazu, die Betreuung des Kindes während des Tages zu organisieren. Sie sei daher nicht zur Deckung der Familienausgaben bestimmt, sondern sei Teil eines kommunalen Sozialdienstes.
22 Dazu ist festzustellen, dass nach ständiger Rechtsprechung eine Leistung nur dann als Leistung der sozialen Sicherheit anzusehen ist, wenn sie nicht aufgrund einer auf die persönliche Bedürftigkeit abstellenden Ermessensentscheidung, sondern aufgrund eines gesetzlichen Tatbestands gewährt wird (u. a. Urteile vom 16. Juli 1992 in der Rechtssache C-78/91, Hughes, Slg. 1992, I-4839, Randnr. 15, und vom 15. März 2001 in der Rechtssache C-85/99, Offermanns, Slg. 2001, I-2261, Randnr. 28).
23 Eine Leistung wie die Beihilfe für häusliche Kinderbetreuung, um die es im Ausgangsverfahren geht, erfuellt diese Voraussetzung: Die Vorschriften über die Gewährung dieser Beihilfe verleihen dem Begünstigten einen Anspruch aufgrund eines gesetzlichen Tatbestands, und sowohl das Betreuungsgeld als auch die Betreuungszulage werden den Personen, die bestimmte objektive Kriterien erfuellen, automatisch und nicht aufgrund einer auf die persönliche Bedürftigkeit abstellenden Ermessensentscheidung gewährt.
24 Eine Leistung wie die im Ausgangsverfahren streitige fällt daher unter die Definition der Familienleistungen und bezieht sich somit auf das in Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe h der Verordnung Nr. 1408/71 aufgeführte Risiko. Sie dient nämlich dazu, die Familienlasten im Sinne von Artikel 1 Buchstabe u Ziffer i dieser Verordnung auszugleichen.
25 Wie der Gerichtshof in Randnummer 41 des Urteils Offermanns festgestellt hat, ist der Ausdruck Ausgleich von Familienlasten" in Artikel 1 Buchstabe u Ziffer i der Verordnung Nr. 1408/71, durch den die Familienleistungen" definiert werden, dahin auszulegen, dass er u. a. einen staatlichen Beitrag zum Familienbudget erfassen soll, der die Kosten für den Unterhalt von Kindern verringert.
26 Zwar ist eines der Ziele des Kinderbetreuungsgesetzes die Organisation der Kinderbetreuung. Aus der Vorlageentscheidung ergibt sich jedoch, dass die Beihilfe für häusliche Kinderbetreuung auch die Kosten für die Betreuung und Erziehung ausgleichen und die finanzielle Belastung mildern soll. Somit besteht ein enger Zusammenhang zwischen den Familienlasten und der im Ausgangsverfahren streitigen Beihilfe, so dass eine Leistung wie die Beihilfe für häusliche Kinderbetreuung als eine Familienleistung im Sinne von Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe h der Verordnung Nr. 1408/71 anzusehen ist.
27 Die finnische Regierung macht zweitens geltend, es sei die Gemeinde, in deren Gebiet die Familie wohne, die die öffentlichen Tagesplätze zur Verfügung stellen und die Kosten der Beihilfe für häusliche Kinderbetreuung, die den Eltern gezahlt werde, tragen müsse. Da der Anspruch auf einen Platz in einer öffentlichen Tagesstätte davon abhängig sei, dass das Wohnerfordernis erfuellt sei, müsse die Gewährung der Beihilfe ebenfalls von dieser Voraussetzung abhängen.
28 Dazu genügt die Feststellung, dass der Anspruch auf Beihilfe für häusliche Kinderbetreuung nicht davon abhängt, dass in der öffentlichen Tagesstätte kein Platz vorhanden ist oder vorher ein Antrag auf Zuteilung eines solchen Platzes gestellt worden ist. Die finnische Regierung hat in der mündlichen Verhandlung selbst eingeräumt, dass es den Eltern freistehe, zwischen einem Platz in einer öffentlichen Tagesstätte und der Beihilfe für häusliche Kinderbetreuung frei zu wählen.
29 Somit ist auf die erste Frage zu antworten, dass eine Leistung wie die Beihilfe für häusliche Kinderbetreuung gemäß dem Kinderbetreuungsgesetz eine Familienleistung im Sinne von Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe h der Verordnung Nr. 1408/71 ist.
Zur zweiten Frage
30 Nach Artikel 14 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung Nr. 1408/71 unterliegt ein entsandter Arbeitnehmer weiterhin den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dem er und seine Familie normalerweise wohnen - im Ausgangsverfahren den finnischen Rechtsvorschriften -, sofern die voraussichtliche Dauer dieser Arbeit zwölf Monate nicht überschreitet.
31 Nach Artikel 73 der Verordnung Nr. 1408/71 hat ein Arbeitnehmer, der den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats unterliegt, für seine Familienangehörigen, die im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnen, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des ersten Staates, als ob diese Familienangehörigen im Gebiet dieses Staates wohnten.
32 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes (in diesem Sinne Urteile vom 19. Februar 1981 in der Rechtssache 104/80, Beeck, Slg. 1981, 503, Randnrn. 7 und 8, vom 10. Oktober 1996 in den Rechtssachen C-245/94 und C-312/94, Hoever und Zachow, Slg. 1996, I-4895, Randnr. 38, und Kuusijärvi, Randnr. 69) ist diese Vorschrift auch auf einen Arbeitnehmer anwendbar, der mit seiner Familie in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen lebt, dessen Rechtsvorschriften er unterliegt.
33 In diesem Fall kann sich der Ehegatte des Arbeitnehmers ebenfalls auf diesen Artikel berufen (Urteil Hoever und Zachow, Randnr. 38).
34 Nach ständiger Rechtsprechung soll Artikel 73 der Verordnung Nr. 1408/71 insbesondere verhindern, dass ein Mitgliedstaat die Gewährung oder die Höhe von Familienleistungen davon abhängig macht, dass die Familienangehörigen des Erwerbstätigen im Mitgliedstaat der Leistung wohnen, und damit Erwerbstätige davon abhält, von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch zu machen (u. a. Urteil vom 12. Juni 1997 in der Rechtssache C-266/95, Merino García, Slg. 1997, I-3279, Randnr. 28). Folglich verstößt es erst recht gegen den Zweck dieses Artikels, wenn der tatsächliche Wohnort als Voraussetzung für die Leistung bestimmt wird.
35 Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass ein Elternteil wie Frau Maaheimo nicht mehr einen Platz in einer Tagesstätte der Gemeinde wählen kann. Wie nämlich in Randnummer 28 des vorliegenden Urteils festgestellt, steht es den Eltern frei, zwischen einem Platz in einer öffentlichen Tagesstätte und der Beihilfe für häusliche Kinderbetreuung frei zu wählen.
36 Dieses Ergebnis wird durch die vom vorlegenden Gericht in diesem Zusammenhang genannten Artikel 75 und 10a der Verordnung Nr. 1408/71 nicht in Frage gestellt. Artikel 75 weicht nämlich nicht von Artikel 73 der Verordnung ab. Artikel 10a betrifft seinerseits nur die beitragsunabhängigen Sonderleistungen des Anhangs IIa der Verordnung. Da die finnische Beihilfe für häusliche Kinderbetreuung in diesem Anhang nicht aufgeführt ist, ist Artikel 10a nicht anwendbar.
37 Infolgedessen kann sich eine Person, die sich in einer Lage wie der der Rechtsmittelführerin des Ausgangsverfahrens befindet, auf die Vorschriften des Artikels 73 der Verordnung Nr. 1408/71 berufen.
38 Nach alledem ist auf die zweite Frage zu antworten, dass Artikel 73 der Verordnung Nr. 1408/71 dahin auszulegen ist, dass die Voraussetzung für die Gewährung einer Leistung wie der im Ausgangsverfahren streitigen Beihilfe für häusliche Kinderbetreuung, nach der das Kind im Hoheitsgebiet des zuständigen Mitgliedstaats tatsächlich wohnen muss, als erfuellt anzusehen ist, wenn das Kind im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnt.
Zur dritten Frage
39 Angesichts der Antwort auf die erste Frage erübrigt sich eine Antwort auf die dritte Frage.
Kosten
40 Die Auslagen der finnischen Regierung und der Kommission, die Erklärungen vor dem Gerichtshof abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.
Aus diesen Gründen
hat
DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)
auf die ihm vom Tarkastuslautakunta mit Entscheidung vom 31. Mai 2000 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:
1. Eine Leistung wie die Beihilfe für häusliche Kinderbetreuung gemäß dem Laki (1128/1996) lasten kotihoidon ja yksityisen hoidon tuesta (finnisches Gesetz über die Beihilfen für häusliche und private Kinderbetreuung) ist eine Familienleistung im Sinne von Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe h der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996 geänderten und aktualisierten Fassung.
2. Artikel 73 der Verordnung Nr. 1408/71 in der durch die Verordnung Nr. 118/97 geänderten und aktualisierten Fassung ist dahin auszulegen, dass die Voraussetzung für die Gewährung einer Leistung wie der im Ausgangsverfahren streitigen Beihilfe für häusliche Kinderbetreuung, nach der das Kind im Hoheitsgebiet des zuständigen Mitgliedstaats tatsächlich wohnen muss, als erfuellt anzusehen ist, wenn das Kind im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnt.