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Document 62021TJ0486

Urteil des Gerichts (Vierte Kammer) vom 7. September 2022.
OE gegen Europäische Kommission.
Öffentlicher Dienst – Beamte – Telearbeit – Antrag auf Erstattung von Kosten für Telefon und Internetverbindung – Ablehnung des Antrags – Einrede der Rechtswidrigkeit – Teilweise Zulässigkeit – Art. 71 und Anhang VII des Statuts – Fürsorgepflicht – Gleichheitssatz und Diskriminierungsverbot – Recht auf Achtung des Privatlebens.
Rechtssache T-486/21.

Court reports – general

ECLI identifier: ECLI:EU:T:2022:517

 URTEIL DES GERICHTS (Vierte Kammer)

7. September 2022 ( *1 )

„Öffentlicher Dienst – Beamte – Telearbeit – Antrag auf Erstattung von Kosten für Telefon und Internetverbindung – Ablehnung des Antrags – Einrede der Rechtswidrigkeit – Teilweise Zulässigkeit – Art. 71 und Anhang VII des Statuts – Fürsorgepflicht – Gleichheitssatz und Diskriminierungsverbot – Recht auf Achtung des Privatlebens“

In der Rechtssache T‑486/21,

OE, vertreten durch Rechtsanwalt G. Hervet,

Klägerin,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch I. Melo Sampaio und L. Vernier als Bevollmächtigte,

Beklagte,

unterstützt durch

Europäisches Parlament, vertreten durch M. Windisch, S. Bukšek Tomac und J. Van Pottelberge als Bevollmächtigte,

und durch

Rat der Europäischen Union, vertreten durch M. Bauer als Bevollmächtigten,

Streithelfer,

erlässt

DAS GERICHT (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten S. Gervasoni, des Richters L. Madise und der Richterin R. Frendo (Berichterstatterin),

Kanzler: E. Coulon,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens, insbesondere

der am 3. August 2021 bei der Kanzlei des Gerichts eingereichten Klageschrift,

der Anträge des Rates der Europäischen Union und des Europäischen Parlaments auf Zulassung zur Streithilfe vom 27. September und vom 17. November 2021, denen der Präsident der Vierten Kammer des Gerichts am 12. November und am 15. Dezember 2021 stattgegeben hat,

aufgrund des Umstands, dass keine der Parteien innerhalb von drei Wochen nach Bekanntgabe des Abschlusses des schriftlichen Verfahrens die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt hat, und des darauf gemäß Art. 106 Abs. 3 der Verfahrensordnung des Gerichts ergangenen Beschlusses, ohne mündliches Verfahren zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1

Mit ihrer Klage nach Art. 270 AEUV beantragt die Klägerin, OE, im Wesentlichen zum einen, die Entscheidung des Amtes für Gebäude, Anlagen und Logistik – Brüssel (OIB) der Europäischen Kommission vom 18. Dezember 2020 aufzuheben, mit der ihr Antrag auf Erstattung dienstlich veranlasster Kosten im Zusammenhang mit der für sie verpflichtenden Telearbeit und auf Erhalt eines 4G–USB–Sticks abgelehnt wurde, und zum anderen, die Kommission dazu zu verurteilen, ihr erstens diese Kosten zu erstatten, zweitens den Internetzugang zu gewähren und drittens eine Entschädigung in Höhe von 10000 Euro als Ersatz des ihr entstandenen Schadens zu zahlen.

I. Vorgeschichte des Rechtsstreits

2

Die Klägerin war zur maßgeblichen Zeit Beamtin bei der Kommission.

3

Am 17. März 2020 wurde aufgrund der Covid‑19-Pandemie gegenüber den in Belgien lebenden Personen ein Lockdown verhängt. Infolgedessen war die Klägerin, wie fast das gesamte Personal der Kommission, ab diesem Tag gezwungen, ihre Aufgaben in Telearbeit auszuüben.

4

Für die Klägerin werden Telefonie-Dienste und der Zugang zum Internet auf der Grundlage eines Abonnementvertrags mit der Gesellschaft VOO bereitgestellt, der insbesondere ein monatliches Internetdatenvolumen von 100 Gigabyte (GB) zu einer monatlichen Pauschalgebühr von 37,46 Euro umfasst. Wird diese Obergrenze überschritten, hat die Klägerin eine zusätzliche Gebühr zu zahlen.

5

Für Anrufe beim IT‑Helpdesk und bei der Generaldirektion (GD) Informatik der Kommission im September 2020 berechnete VOO der Klägerin 1,89 Euro. Im November 2020 stellte VOO ihr darüber hinaus 50 Euro in Rechnung, da sie im Oktober 2020 137,434 GB über ihre Internet-Pauschale hinaus verbraucht hatte.

6

Die Klägerin war der Auffassung, dass die oben in Rn. 5 genannten Kosten nach der von der Kommission erlassenen Telearbeitsregelung zu erstatten seien, und stellte daher am 2. Dezember 2020 einen Antrag gemäß Art. 90 Abs. 1 des Statuts der Beamten der Europäischen Union (im Folgenden: Statut) auf Erstattung von 51,89 Euro.

7

Am 7. Dezember 2020 ergänzte die Klägerin ihren Antrag, indem sie vorschlug, die Kommission solle ihr – wie allen anderen sich in einer ähnlichen Situation der Telearbeit befindlichen Beamten – einen 4G‑USB‑Stick zur Verfügung stellen, mit dem sie das Internet außerhalb der Räumlichkeiten der Kommission für dienstliche Zwecke nutzen könne.

8

Mit Entscheidung vom 18. Dezember 2020 lehnte das OIB der Kommission den Antrag der Klägerin auf Erstattung ihrer Ausgaben „hinsichtlich der ihr entstandenen Kosten und/oder der von ihr gekauften Ausrüstung“ ab. Insbesondere wurde die Klägerin darauf hingewiesen, dass sie unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf Erstattung der Ausgaben für den Kauf eines Bürostuhls und eines Computerbildschirms (im Folgenden: Büroausstattung) für ihre Wohnung habe. Ferner wurde ihr mitgeteilt, dass ihrem Antrag nicht stattgegeben werden könne, da die Erstattung der Kosten einer Home-Office-Ausstattung geregelt worden sei und diese Regelung Kosten für Internet und Telefonanrufe nicht erfasse.

9

Am 8. Januar 2021 legte die Klägerin eine Beschwerde ein, die die Erstattung der oben in Rn. 6 genannten Kosten und die Bereitstellung eines Internetzugangs für dienstliche Zwecke zum Gegenstand hatte.

10

Am 5. Mai 2021 wies die Anstellungsbehörde die Beschwerde der Klägerin im Wesentlichen mit der Begründung zurück, dass weder Art. 71 des Statuts noch der Beschluss der Kommission vom 17. Dezember 2015 über die Einführung von Telearbeit in ihren Dienststellen oder die Leitlinien der Kommission zur Telearbeit während der Covid‑19-Pandemie (im Folgenden: Leitlinien zur Telearbeit) in der am 18. Dezember 2020 (dem Zeitpunkt, zu dem die oben in Rn. 8 genannte Entscheidung ergangen war) geltenden Fassung eine Rechtsgrundlage enthalte, die es erlaube, ihren Anträgen stattzugeben (im Folgenden: Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde).

11

Die Anstellungsbehörde wies darauf hin, dass der Telearbeiter insbesondere nach Art. 9 Abs. 3 des Beschlusses der Kommission vom 17. Dezember 2015 über die Einführung von Telearbeit in ihren Dienststellen die im Rahmen der Telearbeit anfallenden Kosten für den Internetanschluss und die Kommunikation trage und dass der Anspruch auf Erstattung dienstlich veranlasster Kosten gemäß Art. 71 des Statuts nach den in Anhang VII des Statuts festgelegten Regelungen erfolge, wo diese Kosten aber nicht genannt seien. Ferner erhielten bestimmte Beamte der Organe der Europäischen Union eine finanzielle Unterstützung bezüglich der in Rede stehenden Kosten, weil sie nach Art. 3 Abs. 4 der Verordnung (EWG, Euratom, EGKS) Nr. 260/68 des Rates vom 29. Februar 1968 zur Festlegung der Bestimmungen und des Verfahrens für die Erhebung der Steuer zugunsten der Europäischen Gemeinschaften (ABl. 1968, L 56, S. 8) von der steuerlichen Berechnungsgrundlage 10 % für Werbungskosten absetzen könnten. Diese Möglichkeit stehe auch der Klägerin offen. Nach Ansicht der Anstellungsbehörde führt die Ablehnung der Erstattung des verlangten Betrags weder zu einem Verstoß gegen die Gleichbehandlung der Beamten hinsichtlich ihrer hierarchischen Stellung oder der Voraussetzungen für den Internetzugang noch zu einem Verstoß durch die Klägerin gegen eine vorgebliche vertragliche Verpflichtung zur Nutzung ihres Internetanschlusses zu ausschließlich privaten Zwecken.

12

Inzwischen hatte die Klägerin am 21. April 2021 einen weiteren Antrag gemäß Art. 90 Abs. 1 des Statuts gestellt, und zwar auf Gewährung eines „Home-Office‑Internetvolumens für dienstliche Zwecke“. Das Amt für die Feststellung und Abwicklung individueller Ansprüche (PMO) der Kommission wies diesen Antrag mit Entscheidung vom 14. Juli 2021 mit der Begründung zurück, dass der Gegenstand dieses Antrags derselbe sei wie jener der Beschwerde vom 8. Januar 2021, die mit der Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde bereits zurückgewiesen worden sei.

13

Des Weiteren teilte die Klägerin am 3. Mai 2021 ihrer Referatsleiterin in einer E‑Mail mit, dass sie zwar „mangels Internet“ keinen Zugang zum Server und zu IT‑Tools habe, dass sie sich aber in ihrer Wohnung bereithalte, um Anweisungen entgegenzunehmen, und telefonisch erreichbar sei. Auf diese E‑Mail teilte die GD Humanressourcen und Sicherheit der Klägerin am 19. Mai 2021 mit, dass davon ausgegangen werde, dass sie am 3. Mai 2021 unbefugterweise dem Dienst ferngeblieben sei, und dass ihr Jahresurlaub um einen Tag gekürzt werde. Dagegen legte die Klägerin am 16. Juli 2021 eine Beschwerde ein.

II. Anträge der Parteien

14

Die Klägerin beantragt,

festzustellen, dass Art. 71 des Statuts, auf den die Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde gestützt wurde, rechtswidrig ist;

hilfsweise, die Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde aufzuheben;

demzufolge die Kommission zu verurteilen, ihr

zur Erstattung dienstlich veranlasster Kosten 51,89 Euro zu zahlen;

im Rahmen der Telearbeit auf irgendeine Weise einen Internetzugang für dienstliche Zwecke bereitzustellen;

als Ersatz für verschiedene Schäden 10000 Euro zu zahlen;

der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

15

Die Kommission beantragt,

die Klage abzuweisen;

der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

16

Das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union beantragen, die Klage abzuweisen.

III. Rechtliche Würdigung

A. Zum ersten Klageantrag

17

Mit ihrem ersten Klageantrag beantragt die Klägerin, Art. 71 des Statuts für rechtswidrig zu erklären. Sie erhebt insoweit eine Einrede der Rechtswidrigkeit gegen diesen Artikel, der bestimmt, dass der Beamte nach den in Anhang VII dieses Statuts festgelegten Regelungen Anspruch auf Erstattung der Kosten hat, die ihm insbesondere anlässlich der Ausübung seines Amtes entstanden sind.

18

Dieser – gegenüber den anderen Klageanträgen eigenständige – Antrag ist wegen Unzuständigkeit zurückzuweisen, da weder Art. 270 AEUV noch die Art. 90 und 91 des Statuts dem Unionsrichter die Zuständigkeit zuweisen, rechtliche Feststellungen zu treffen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Januar 2018, SE/Rat, T‑231/17, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:3, Rn. 63 und die dort angeführte Rechtsprechung).

B. Zum zweiten Klageantrag

1.   Zum Gegenstand und zur Zulässigkeit des zweiten Klageantrags

19

Der zweite Klageantrag der Klägerin ist auf die Aufhebung der Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde gerichtet.

20

Nach ständiger Rechtsprechung ist jedoch, wie die Kommission geltend macht, festzustellen, dass ein Aufhebungsantrag, der formal gegen die Entscheidung über die Zurückweisung einer Beschwerde gerichtet ist, in dem Fall, dass diese Entscheidung keinen eigenständigen Gehalt hat, bewirkt, dass das Gericht mit der Maßnahme befasst wird, gegen die die Beschwerde gerichtet ist (vgl. Urteil vom 13. Januar 2021, ZR/EUIPO, T‑610/18, nicht veröffentlicht, EU:T:2021:5, Rn. 24 und die dort angeführte Rechtsprechung).

21

Im vorliegenden Fall hat die Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde tatsächlich keinen eigenständigen Gehalt, so dass über sie nicht gesondert entschieden werden muss. Denn die Anstellungsbehörde hat in dieser Entscheidung zwar über den Antrag der Klägerin auf Erstattung der über den Pauschalbetrag hinausgehenden Kosten und über die Bereitstellung einer Möglichkeit des Internetzugangs entschieden. Das OIB hatte jedoch selbst bereits in seiner Entscheidung vom 18. Dezember 2020 zu der in Rede stehenden Erstattung und zur Bereitstellung eines Geräts in Form eines 4G‑USB‑Sticks, die die Klägerin in ihrer E‑Mail vom 7. Dezember 2020 gefordert hatte, Stellung genommen (siehe oben, Rn. 8).

22

Deshalb ist davon auszugehen, dass die Klägerin mit ihrem zweiten Klageantrag die Aufhebung der Entscheidung des OIB vom 18. Dezember 2020 erwirken will, mit der ihr Antrag abgelehnt wurde, der zum einen auf die Erstattung von Kosten in Höhe von 51,89 Euro, die nach ihrem Vorbringen im Rahmen der für sie verpflichtenden Telearbeit dienstlich veranlasst waren, und zum anderen auf die Bereitstellung eines 4G‑USB‑Sticks gerichtet war (im Folgenden: angefochtene Entscheidung).

23

Die Kommission macht geltend, der zweite Klageantrag sei unzulässig, soweit er auf die Aufhebung der Entscheidung des PMO vom 14. Juli 2021 gerichtet sei, mit der der Antrag der Klägerin vom 21. April 2021 auf Bereitstellung eines bestimmten Internetvolumens für dienstliche Zwecke abgelehnt worden sei, da zuvor keine Beschwerde eingelegt worden sei.

24

Es ist jedoch festzustellen, dass die Klägerin, wie sich aus Rn. 21 oben ergibt, den Antrag auf Internetzugang im Wesentlichen bereits gestellt hatte und dieser Antrag vom OIB in der angefochtenen Entscheidung und danach von der Anstellungsbehörde in der Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde verbeschieden wurde. Die Entscheidung des PMO vom 14. Juli 2021 (siehe oben, Rn. 12) war im Übrigen darauf gestützt, dass der Antrag vom 21. April 2021 überflüssig sei.

25

Unter diesen Umständen ist der zweite Klageantrag dahin auszulegen, dass er auf die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung gerichtet ist, und zwar auch soweit es mit dieser Entscheidung abgelehnt wird, der Klägerin einen dienstlichen Zugang zum Internet bereitzustellen. Daher ist dieser Klageantrag zulässig.

2.   Zu den zur Stützung des zweiten Klageantrags geltend gemachten Klagegründen

26

Zur Stützung ihres auf die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung gerichteten Klageantrags macht die Klägerin fünf Klagegründe geltend. Erstens erhebt sie eine gegen Art. 71 und Anhang VII des Statuts gerichtete Einrede der Rechtswidrigkeit. Zweitens macht sie hilfsweise einen Verstoß gegen diesen Artikel geltend, drittens einen Verstoß gegen die Fürsorgepflicht und das Recht auf eine gute Verwaltung, viertens einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot und fünftens einen Verstoß gegen Art. 7 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta).

a)   Zum ersten Klagegrund: gegen Art. 71 und Anhang VII des Statuts gerichtete Rechtswidrigkeitseinrede

1) Zur Zulässigkeit des ersten Klagegrundes

27

Das Parlament erhebt gegen die gegen Art. 71 und Anhang VII des Statuts gerichtete Rechtswidrigkeitseinrede zwei Unzulässigkeitseinreden. Mit der ersten wird beanstandet, dass der erste Klagegrund ungenau sei, und mit der zweiten, dass der Inzidentcharakter von Rechtswidrigkeitseinreden verkannt worden sei.

28

Insoweit ist festzustellen, dass die Streithilfe nach Art. 142 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts nur die völlige oder teilweise Unterstützung der Anträge einer Hauptpartei zum Gegenstand haben kann. Außerdem muss der Streithelfer gemäß Art. 142 Abs. 3 der Verfahrensordnung den Rechtsstreit in der Lage annehmen, in der dieser sich zum Zeitpunkt des Streitbeitritts befindet.

29

Aus diesen Bestimmungen folgt, dass eine zur Unterstützung des Beklagten als Streithelfer zugelassene Partei nicht zur Erhebung einer Einrede der Unzulässigkeit befugt ist, die der Beklagte in seinen Anträgen nicht geltend gemacht hat (vgl. Urteil vom 1. Juli 2008, Chronopost und La Poste/UFEX u. a., C‑341/06 P und C‑342/06 P, EU:C:2008:375, Rn. 67 und die dort angeführte Rechtsprechung).

30

Demnach ist das Parlament nicht zur Erhebung der beiden oben in Rn. 27 genannten Unzulässigkeitseinreden befugt, so dass sich das Gericht dazu nicht explizit in der Sache äußern muss.

31

Da das Gericht jedoch gemäß Art. 129 der Verfahrensordnung nach Anhörung der Hauptparteien jederzeit von Amts wegen über unverzichtbare Prozessvoraussetzungen entscheiden kann, ist im vorliegenden Fall im Interesse einer geordneten Rechtspflege eine Prüfung dieser Prozessvoraussetzungen vorzunehmen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 24. März 1993, CIRFS u. a./Kommission, C‑313/90, EU:C:1993:111, Rn. 23, und vom 19. September 2018, HH Ferries u. a./Kommission, T‑68/15, EU:T:2018:563, Rn. 41 [nicht veröffentlicht]).

i) Zur ersten Unzulässigkeitseinrede: Ungenauigkeit des ersten Klagegrundes

32

In seinem Streithilfeschriftsatz macht das Parlament geltend, die Rechtswidrigkeitseinrede der Klägerin sei ungenau, da nur vorgetragen werde, dass Art. 71 in Verbindung mit Anhang VII des Statuts „in besonderem Maß problematisch“ sei, weil darin im Hinblick auf eine mögliche Kostenerstattung die Modalität der Wahrnehmung der Aufgaben im Rahmen der Telearbeit nicht geregelt sei. Es sei nicht ersichtlich, worin dieses Problem und die von der Klägerin gerügte Rechtswidrigkeit bestünden.

33

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Klageschrift nach Art. 21 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union und Art. 76 Buchst. d der Verfahrensordnung den Streitgegenstand angeben sowie eine kurze Darstellung der Klagegründe enthalten muss.

34

Denn zur Gewährleistung der Rechtssicherheit und einer geordneten Rechtspflege muss diese kurze Darstellung der Klagegründe so klar und deutlich sein, dass dem Beklagten die Vorbereitung seiner Verteidigung und dem zuständigen Gericht die Entscheidung über die Klage ermöglicht wird (Urteil vom 11. September 2014, MasterCard u. a./Kommission, C‑382/12 P, EU:C:2014:2201, Rn. 41).

35

Im vorliegenden Fall beanstandet die Klägerin mit ihrer Rechtwidrigkeitseinrede Art. 71 und Anhang VII des Statuts, da diese Bestimmungen keine Regelung der Erstattung dienstlich veranlasster Kosten enthielten, die die Bediensteten im Rahmen der Telearbeit verauslagen müssten. Die Klägerin folgert daraus erstens, dass diese Bestimmungen nicht an die sich aus der Covid‑19-Pandemie ergebende wirtschaftliche und gesundheitliche Situation angepasst seien, und zweitens, dass diese Regelungslücke dazu führe, dass einer bestimmten Kategorie von Beamten ein finanzieller Vorteil gewährt werde.

36

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass bei der Darlegung der Klagegründe von der Terminologie und der Aufzählung in der Verfahrensordnung, insbesondere in Art. 76 Buchst. d der Verfahrensordnung, abgewichen werden kann. Deshalb reicht es aus, wenn das Vorbringen des Klägers seinem Inhalt nach die Klagegründe erkennen lässt, ohne diese rechtlich einzuordnen, sofern die Klagegründe mit hinreichender Deutlichkeit aus der Klageschrift hervorgehen (vgl. Urteil vom 29. September 2021, Enosi Mastichoparagogon Chiou/EUIPO [MASTIHACARE], T‑60/20, nicht veröffentlicht, EU:T:2021:629, Rn. 50 und die dort angeführte Rechtsprechung).

37

In Anbetracht dieser Rechtsprechung ist festzustellen, dass der erste, auf die Rechtswidrigkeit von Art. 71 und Anhang VII des Statuts gestützte Klagegrund insoweit hinreichend genau ist, als damit inhaltlich mit dem ersten Argument die fehlende Anpassung dieser Bestimmungen an die mit der Krise der Covid‑19-Pandemie zusammenhängenden Umstände beanstandet wird. Im Übrigen waren die Kommission, der Rat und auch das Parlament in der Lage, zu der Rechtswidrigkeitseinrede in der Sache Stellung zu nehmen.

38

Dagegen fehlt es dem ersten Klagegrund hinsichtlich des zweiten, auf eine Ungleichbehandlung der Beamten gestützten Arguments der Klägerin an Genauigkeit.

39

Denn in der Klageschrift ist darzulegen, worin der Klagegrund besteht, auf den die Klage gestützt wird, so dass seine bloß abstrakte Nennung den Erfordernissen der Verfahrensordnung nicht entspricht (vgl. Urteil vom 11. September 2014, Gold East Paper und Gold Huasheng Paper/Rat, T‑444/11, EU:T:2014:773, Rn. 93 und die dort angeführte Rechtsprechung).

40

Hinsichtlich eines Klagegrundes, der auf die Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes gestützt wird, ergibt sich aus ständiger Rechtsprechung, dass nach diesem Grundsatz vergleichbare Situationen nicht unterschiedlich und unterschiedliche Situationen nicht gleich behandelt werden dürfen, es sei denn, dass eine solche Behandlung objektiv gerechtfertigt ist (vgl. Urteil vom 8. März 2022, Bezirkshauptmannschaft Hartberg-Fürstenfeld [Unmittelbare Wirkung], C‑205/20, EU:C:2022:168, Rn. 54 und 55 und die dort angeführte Rechtsprechung).

41

Ferner verstößt der Unionsgesetzgeber, wenn es um Vorschriften des Statuts wie die hier in Rede stehenden geht, angesichts des ihm – wie im vorliegenden Fall – zustehenden weiten Ermessens nur dann gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung, wenn er eine willkürliche oder im Hinblick auf das Ziel der fraglichen Regelung offensichtlich unangemessene Differenzierung vornimmt (vgl. Beschluss vom 29. November 2021, Bergallou/Rat, T‑521/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2021:854, Rn. 80 und die dort angeführte Rechtsprechung).

42

Daher ist es bei einem auf den Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz gestützten Klagegrund gemäß den allgemeinen Beweislastregeln und der für Handlungen der Union geltenden Vermutung der Rechtmäßigkeit grundsätzlich Sache des Klägers, die Umstände vorzutragen, mit denen nachgewiesen werden soll, dass er anders behandelt wurde als Personen, die sich in einer vergleichbaren Situation befinden (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 30. Mai 2013, Morte Navarro/Parlament, T‑280/09, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:279, Rn. 48, und vom 10. Juni 2020, Spliethoff’s Bevrachtingskantoor/Kommission, T‑564/15 RENV, nicht veröffentlicht, EU:T:2020:252, Rn. 97), und, da der Gesetzgeber über ein weites Ermessen verfügt, dass diese Differenzierung willkürlich oder offensichtlich unangemessen ist.

43

Im vorliegenden Fall hat die Klägerin in ihrem ersten Klagegrund, wie er in der Klageschrift formuliert ist, weder ausgeführt, um welche finanziellen Vorteile es gehen soll, noch, welche Kategorien von Beamten verglichen werden sollen, und erst recht nicht, aus welchen Umständen sich ergeben soll, dass diese angebliche Differenzierung willkürlich oder offensichtlich unangemessen ist, um auf diese Weise im Rahmen eines Klagegrundes, mit dem geltend gemacht wird, dass Art. 71 und Anhang VII des Statuts den Gleichbehandlungsgrundsatz verletzen, den Anforderungen von Art. 76 Buchst. d der Verfahrensordnung zu entsprechen.

44

Die Klägerin beruft sich zwar auf Art. 1d Abs. 5 des Statuts, der eine Regelung der Beweislast dahin enthält, dass dem Organ der Nachweis obliegt, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt worden ist, wenn ein Beamter, der sich für benachteiligt hält, weil ihm gegenüber dieser Grundsatz nicht eingehalten wurde, Tatsachen anführt, die eine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung vermuten lassen.

45

Der Rat weist jedoch zu Recht darauf hin, dass diese Bestimmung keine Anwendung findet, wenn ein angeblicher Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz durch das Statut selbst in Rede steht, weil nach Art. 1d Abs. 1, auf den Abs. 5 verweist, die Nichteinhaltung des Gleichheitsgrundsatzes im Rahmen der „Anwendung“ des Statuts erfolgen muss.

46

Zwar ist festzustellen, dass die Klägerin in ihrer Klageschrift einen weiteren Klagegrund, nämlich den vierten, ebenfalls auf einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot stützt und dass sie damit die Ungleichbehandlung beanstandet, die daraus folgen soll, dass Beamte, die die Kosten für den Kauf von Büroausstattung, die nach den Leitlinien zur Telearbeit erstattungsfähig seien, nicht verauslagen könnten, gegenüber anderen Beamten benachteiligt würden, obwohl Letzteren ebenfalls dienstliche Kosten entstünden.

47

Das Gericht kann jedoch nicht wegen mangelnder Prägnanz des Klägers dazu verpflichtet werden, die rechtliche Argumentation, die zur Stützung eines Klagegrundes gedacht ist, unter Bündelung verschiedener über die Klageschrift verteilter Gesichtspunkte zusammenzusuchen, was die Gefahr mit sich brächte, den Klagegrund in einer Weise zu rekonstruieren, der ihm eine Tragweite verliehe, die er in der Vorstellung des Klägers nicht hatte. Ein anderes Ergebnis widerspräche sowohl einer geordneten Rechtspflege als auch dem Beibringungsgrundsatz und den Verteidigungsrechten des Beklagten (Urteil vom 2. April 2019, Fleig/SEAE, T‑492/17, EU:T:2019:211, Rn. 44 [nicht veröffentlicht]).

48

Schließlich hat die Klägerin in ihrer Erwiderung und ihrer Stellungnahme zum Streithilfeschriftsatz des Parlaments die von diesem Organ und dem Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) zugunsten ihrer jeweiligen Beamten erlassenen Maßnahmen sowie die Vorteile angeführt, die den Beamten der Kommission, die über ein Diensttelefon verfügten, zugutekämen.

49

Jedoch ist bei der Prüfung, ob die Klageschrift den Anforderungen von Art. 76 der Verfahrensordnung entspricht, das Vorbringen in der Erwiderung oder in anderen nachfolgenden schriftlichen Äußerungen unerheblich. Insbesondere kann die von der Rechtsprechung bejahte Zulässigkeit in der Erwiderung vorgebrachter Klagegründe und Argumente, die nur eine Erweiterung eines in der Klageschrift vorgetragenen Angriffsmittels darstellen, nicht geltend gemacht werden, um einen bei Erhebung der Klage begangenen Verstoß gegen die Anforderungen von Art. 76 der Verfahrensordnung auszugleichen, soll diese Vorschrift nicht völlig bedeutungslos werden (Urteil vom 12. Dezember 2018, Deutsche Umwelthilfe/Kommission, T‑498/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:913, Rn. 49). Deshalb sind die in diesem Kontext angeführten Klagegründe und Argumente verspätet und, weil sie, wie im vorliegenden Fall, nicht begründet sind, unzulässig.

50

Es ist daher festzustellen, dass der erste Klagegrund der Klageschrift es der Kommission und den zu ihrer Unterstützung dem Rechtsstreit beigetretenen Streithelfern ermöglicht hat, sich zu verteidigen, und dem Gericht, über ihn zu entscheiden, dass dies aber nur insoweit gilt, als die Klägerin damit die fehlende Anpassung von Art. 71 und Anhang VII des Statuts an die sich aus der Covid‑19-Pandemie ergebenden Umstände beanstandet.

ii) Zur zweiten Unzulässigkeitseinrede: Verkennung des Inzidentcharakters von Rechtwidrigkeitseinreden

51

Das Parlament macht geltend, dass die Klagegründe, die nicht auf die Einrede der Rechtswidrigkeit von Art. 71 und Anhang VII des Statuts gestützt seien, nur hilfsweise geltend gemacht würden, was gegen den Inzidentcharakter einer Rechtwidrigkeitseinrede verstoße.

52

Insoweit ist jedoch darauf hinzuweisen, dass der Inzidentcharakter einer Rechtwidrigkeitseinrede bedeutet, dass die Möglichkeit, nach Art. 277 AEUV die Unanwendbarkeit eines Rechtsakts mit allgemeiner Geltung geltend zu machen, keinen selbständigen Klageweg begründet und nicht ausgeübt werden kann, wenn in der Hauptsache kein Klageweg eröffnet ist (vgl. Beschluss vom 16. Mai 2019, ITSA/Kommission, T‑396/18, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:342, Rn. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung). Dagegen enthält Art. 277 AEUV nichts, was es verböte, die Rechtswidrigkeitseinrede in erster Linie und die anderen Klagegründe nur hilfsweise geltend zu machen.

iii) Ergebnis betreffend die Zulässigkeit des ersten Klagegrundes

53

Nach alledem ist der erste Klagegrund unzulässig, soweit die Klägerin damit geltend macht, Art. 71 und Anhang VII des Statuts seien diskriminierend. Dagegen ist er zulässig, soweit sie damit rügt, dass diese Bestimmungen nicht an die sich aus der Covid‑19-Pandemie ergebenden Umstände angepasst seien.

2) Zur Begründetheit des ersten Klagegrundes

54

Wie oben in Rn. 35 ausgeführt, macht die Klägerin geltend, dass Art. 71 und Anhang VII des Statuts nicht an die sich aus der Covid‑19-Pandemie ergebende weltweite wirtschaftliche und gesundheitliche Situation angepasst seien, da diese Bestimmungen keine Erstattung dienstlich veranlasster Kosten vorsähen, die die Beamten im Rahmen der Telearbeit verauslagen müssten.

55

Es ist jedoch festzustellen, dass der Gesetzgeber, als er das Statut durch die Verordnung (EU, Euratom) Nr. 1023/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2013 (ABl. 2013, L 287, S. 15) zuletzt inhaltlich geändert hat, die Covid‑19-Pandemie und die Notwendigkeit, eine Telearbeitsregelung einzuführen, um diese Krise zu bewältigen, nicht voraussehen konnte. Auch die Klägerin räumt dies in ihrer Erwiderung ein.

56

Gleichwohl hatte die Kommission auf S. 5 ihrer Mitteilung KOM(2010) 543 endgültig vom 8. Oktober 2010 an das Europäische Parlament, den Rat, den Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen „Intelligente Regulierung in der Europäischen Union“ u. a. die Vorteile einer Ex-post-Evaluierung von Rechtsvorschriften als Teil einer „intelligenten Regulierung“ hervorgehoben. Anhand von „Eignungstests“ solle bewertet werden, ob der ordnungspolitische Rahmen eines Politikbereichs zweckmäßig sei und, falls nicht, was geändert werden sollte. Dabei solle insbesondere festgestellt werden, ob übermäßiger Verwaltungsaufwand, Unvereinbarkeiten und veraltete oder unwirksame Maßnahmen vorlägen.

57

Außerdem hat die Kommission auf den S. 10 und 12 ihrer Mitteilung COM(2019) 178 final vom 15. April 2019 an das Europäische Parlament, den Rat, den Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen „Bessere Rechtsetzung: Wir ziehen Bilanz und erneuern unser Engagement“ darauf hingewiesen, dass die Ex-post-Evaluierung eine der Hauptsäulen einer besseren Rechtsetzung bilde, da sich anhand dieser Evaluierung prüfen lasse, ob diese Rechtsvorschriften weiterhin relevant und zweckdienlich seien und zu den vom Gesetzgeber beabsichtigten und von der Öffentlichkeit erwarteten Ergebnissen führten.

58

Vor allem ist jeder Gesetzgeber nach der Rechtsprechung verpflichtet, fortlaufend oder zumindest in regelmäßigen Abständen die von ihm gesetzten Rechtssätze darauf zu überprüfen, ob sie den Bedürfnissen, für die sie erlassen wurden, noch entsprechen, und jene Rechtssätze zu ändern oder aufzuheben, die jede Rechtfertigung verloren haben und dem neuen Kontext, in dem sie ihre Rechtswirkungen entfalten sollen, nicht mehr angemessen sind (vgl. Urteil vom 5. Dezember 2012, Lebedef u. a./Kommission, F‑110/11, EU:F:2012:174, Rn. 40 und die dort angeführten Schlussanträge; vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 6. Oktober 2015, Schrems, C‑362/14, EU:C:2015:650, Rn. 76).

59

Allerdings verfügt der Gesetzgeber über ein großes Ermessen bei der Prüfung der Frage, ob Rechtsvorschriften an die jeweiligen Bedürfnisse angepasst sind, und gegebenenfalls auch bei der Anpassung des Statuts und der Änderung der Rechte und Pflichten der Beamten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Juli 2007, Wils/Parlament, F‑105/05, EU:F:2007:128, Rn. 126).

60

Indes trägt die Klägerin nichts vor und liefert erst recht keine hinreichenden Beweise, anhand deren sich unter Berücksichtigung dieses weiten Ermessens des Gesetzgebers eindeutig feststellen ließe, dass Art. 71 und Anhang VII des Statuts, wie von ihr beanstandet, tatsächlich nicht geeignet sind und dass der Gesetzgeber deshalb zu einer Änderung dieser Bestimmungen verpflichtet war.

61

Überdies ist, selbst wenn die Erstattung der im Zusammenhang mit der Telearbeitsregelung dienstlich veranlassten Kosten tatsächlich geboten sein sollte, zu berücksichtigen, dass eine Änderung des Statuts nach Art. 336 AEUV den Erlass einer Verordnung durch das Parlament und den Rat gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren im Sinne von Art. 294 AEUV nach Anhörung der anderen betroffenen Organe voraussetzt. Darüber hinaus wird dieses Gesetzgebungsverfahren nach Art. 294 Abs. 2 AEUV durch die Unterbreitung eines Vorschlags der Kommission eingeleitet. Dabei sind zur Ausarbeitung eines solchen Vorschlags – unabhängig von den oben genannten Anhörungen – selbst mehrere Etappen zu durchlaufen.

62

In Anbetracht der Komplexität dieses Verfahrens, der langen Zeit, die nötig ist, um die darauf folgenden Verfahren zur Verbesserung der Rechtsetzung durchzuführen, und des Kontexts der zur Bekämpfung der Covid‑19-Pandemie erforderlichen Notfallbeschränkungen zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung, auf den bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Entscheidung abzustellen ist, kann den Unionsorganen nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass sie das Statut während der Pandemie nicht geändert haben.

63

Ein solcher Vorwurf kann dem Gesetzgeber schon deshalb nicht gemacht werden, weil zu berücksichtigen ist, dass die Organe und sonstigen Stellen der Union Dringlichkeitsmaßnahmen erlassen haben. So hat die Kommission unverzüglich die Leitlinien zur Telearbeit erlassen, nach denen ihrem Personal die Kosten für den Kauf von Büroausstattung zu erstatten sind.

64

Zwar macht die Klägerin mit ihrem vierten Klagegrund geltend, dass diese Leitlinien diskriminierend seien. Dieser Klagegrund ist jedoch, wie aus den Rn. 99 bis 108 unten folgt, zurückzuweisen.

65

Unter diesen Umständen ist der erste Klagegrund, mit dem eine gegen Art. 71 und Anhang VII des Statuts gerichtete Rechtswidrigkeitseinrede erhoben wird, zurückzuweisen.

b)   Zum zweiten, hilfsweise geltend gemachten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 71 des Statuts

66

Die Klägerin macht geltend, die Anstellungsbehörde habe, indem sie die Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde damit begründet habe, dass Art. 71 und Anhang VII des Statuts keine Erstattung der Kosten für Internet und Telefonie vorsähen, zum einen den Zweck dieser Bestimmungen verkannt, der darin bestehe, dass vermieden werden solle, dass Beamte die dienstlich veranlassten Kosten allein trügen, und zum anderen außer Acht gelassen, dass diese Bestimmungen nicht abschließend seien, was sich an der Entscheidung des Generalsekretärs des EWSA vom 9. Juni 2021 zeige, wonach dem Personal dieses Ausschusses eine monatliche Entschädigung zur Deckung der durch die Telearbeit entstandenen Kosten gewährt werde (im Folgenden: Entscheidung des EWSA vom 9. Juni 2021).

67

Es ist jedoch festzustellen, dass, auch wenn mit Art. 71 des Statuts in der Tat vermieden werden soll, dass die Beamten die im Zusammenhang mit der Ausübung ihres Amtes entstandenen Kosten allein tragen (Urteil vom 18. November 2015, FH/Parlament, F‑26/15, EU:F:2015:137, Rn. 32), diese Kosten gemäß dem Wortlaut dieses Artikels nach den in Anhang VII des Statuts festgelegten Regelungen zu erstatten sind. In diesem Anhang sind die erstattungsfähigen finanziellen Leistungen aber abschließend aufgeführt. Daher durfte die Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde u. a. darauf gestützt werden, dass nach Art. 71 des Statuts den Anträgen der Klägerin nicht stattgegeben werden könne.

68

Darüber hinaus sind Art. 71 und Anhang VII des Statuts wie alle unionsrechtlichen Bestimmungen, die einen Anspruch auf finanzielle Leistungen gewähren, eng auszulegen (vgl. Urteil vom 18. Juli 2017, Kommission/RN, T‑695/16 P, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:520, Rn. 54 und die dort angeführte Rechtsprechung).

69

Insbesondere steht die nach Auffassung der Klägerin vorzunehmende „telelogische Auslegung“ von Art. 71 in Widerspruch zum Willen des Gesetzgebers. Denn mit der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 723/2004 des Rates vom 22. März 2004 zur Änderung des Statuts und der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der Union (ABl. 2004, L 124, S. 1) wollte der Rat, wie im 26. Erwägungsgrund der Verordnung ausgeführt und von ihm vorgetragen, die verschiedenen, damals bestehenden Zulagen rationalisieren.

70

Ferner sprechen, anders als von der Klägerin geltend gemacht, weder die Entscheidung des EWSA vom 9. Juni 2021 noch im Übrigen die von der Kommission erlassenen Leitlinien zur Telearbeit gegen den abschließenden Charakter von Art. 71 und Anhang VII des Statuts.

71

Denn der Grundsatz eines einheitlichen öffentlichen Dienstes, wie er in Art. 9 Abs. 3 des Vertrags von Amsterdam zum Ausdruck kommt, besagt zwar, dass alle Beamten aller Unionsorgane einem einheitlichen Statut unterliegen. Er bedeutet aber nicht, dass die Organe das ihnen durch das Statut eingeräumte Ermessen auf dieselbe Weise ausüben müssten. Vielmehr gilt für sie als Arbeitgeber bei der Personalverwaltung der Grundsatz der Autonomie (Urteile vom 18. September 2013, Scheidemann/Kommission, F‑76/12, EU:F:2013:132, Rn. 26, und vom 21. Januar 2014, Van Asbroeck/Parlament, F‑102/12, EU:F:2014:4, Rn. 29).

72

Daraus folgt, dass der Grundsatz der Autonomie, auch wenn Art. 71 und Anhang VII des Statuts für die Beamten und sonstigen Bediensteten der Union in gleicher Weise gelten müssen, Unterschiede bei einzelnen begrenzten Maßnahmen rechtfertigen kann, die Organe, Einrichtungen und sonstige Stellen der Union erlassen haben, um zu vermeiden, dass ihre Mitarbeiter die Kosten allein tragen, die ihnen entstehen, wenn sie ihre Aufgaben in Telearbeit ausüben. Dies gilt umso mehr, als diese Maßnahmen dringlich unter außergewöhnlichen Umständen erlassen werden mussten, nämlich im Zusammenhang mit dem generellen und obligatorischen Übergang zur Telearbeit, der von den Mitgliedstaaten zur Bekämpfung der Covid‑19-Pandemie vorgeschrieben wurde.

73

Deshalb ist der zweite Klagegrund eines Verstoßes gegen Art. 71 des Statuts zurückzuweisen.

c)   Zum dritten Klagegrund: Verstoß gegen die Fürsorgepflicht und das Recht auf eine gute Verwaltung

74

Die Klägerin macht geltend, die Anstellungsbehörde habe mit dem Erlass der Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde gegen ihre Fürsorgepflicht und das Recht auf eine gute Verwaltung verstoßen, da die Erhöhung ihres Internetdatenverbrauchs auf die Einrichtung verschiedener dienstlicher Programme und die Teilnahme an Online-Schulungen zurückzuführen gewesen sei und die Kommission die finanziellen Auswirkungen der Telearbeit auf ihre persönliche Situation verneint habe, mit der Folge, dass damit ihre Beziehungen zur Union aus dem Gleichgewicht gebracht worden seien.

75

Die Fürsorgepflicht erfordert insbesondere, dass die Behörde bei der Entscheidung über die Stellung eines Beamten alle Tatsachen berücksichtigt, die geeignet sind, sie in ihrer Entscheidung zu leiten, und dass sie dabei nicht nur das dienstliche Interesse, sondern auch dasjenige des betroffenen Beamten berücksichtigt (Urteile vom 28. Mai 1980, Kuhner/Kommission, 33/79 und 75/79, EU:C:1980:139, Rn. 22, und vom 7. November 2019, WN/Parlament, T‑431/18, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:781, Rn. 105). Sie ist damit eine besondere Ausprägung des Grundsatzes der guten Verwaltung und speziell der Verpflichtung der Behörde, in jedem Bereich die Situation umfassend und eingehend zu prüfen, bevor sie eine Entscheidung trifft (vgl. in diesem Sinne vom 25. Mai 2016, GW/Kommission, F‑111/15, EU:F:2016:122, Rn. 40).

76

Wie von der Klägerin vorgetragen, spiegelt die Fürsorgepflicht das Gleichgewicht zwischen den wechselseitigen Rechten und Pflichten wider, das mit dem Statut in den Beziehungen zwischen der Behörde und den Bediensteten des öffentlichen Dienstes geschaffen worden ist (Urteil vom 17. Januar 2017, LP/Europol, T‑719/15 P, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:7, Rn. 60). Als Ausdruck dieses Gleichgewichts verpflichtet die Fürsorgepflicht die Verwaltung aber in keinem Fall dazu, in Widerspruch zu den geltenden Bestimmungen zu handeln, und kann sie insbesondere nicht dazu veranlassen, einer unionsrechtlichen Bestimmung eine Wirkung zu verleihen, die dem klaren und eindeutigen Wortlaut dieser Bestimmung zuwiderläuft (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 2. März 2004, Di Marzio/Kommission, T‑14/03, EU:T:2004:59, Rn. 100, und vom 29. April 2020, CV u. a./Kommission, T‑496/19, nicht veröffentlicht, EU:T:2020:163, Rn. 50).

77

Da der abschließende Charakter von Art. 71 und Anhang VII des Statuts (siehe oben, Rn. 67) einer Verpflichtung zur Erstattung der Kosten des Internetdatenverbrauchs im Rahmen der Telearbeit entgegensteht, kann sich Klägerin für diese Erstattung nicht auf die Fürsorgepflicht berufen.

78

Im Übrigen hat der Unionsgesetzgeber die Situation bestimmter Beamter, zu denen auch die Klägerin gehört, bereits berücksichtigt, indem er ihnen gemäß Art. 3 Abs. 4 der Verordnung Nr. 260/68 einen steuerlichen Abzug in Höhe von 10 % für Werbungskosten gewährte.

79

Darüber hinaus hat die Kommission selbst ihre Fürsorge unter Beweis gestellt, indem sie in den Leitlinien zur Telearbeit vorsah, dass die Kosten für den Kauf von Büroausstattung unter bestimmten Voraussetzungen erstattet werden.

80

Vorbehaltlich der Frage, ob der im Rahmen des vierten Klagegrundes zu prüfende Gleichheitsgrundsatz gewahrt ist, lässt sich allein aus dem Umstand, dass diese Art von Maßnahmen die Klägerin nicht zufrieden stellt, nicht schlussfolgern, dass eine Verletzung der Fürsorgepflicht vorliegt.

81

Denn angesichts des weiten Ermessens, über das die Verwaltung bei der Personalführung verfügt, kann der Unionsrichter im Hinblick auf die Fürsorgepflicht nur prüfen, ob sich die Verwaltung innerhalb angemessener Grenzen gehalten hat und ihr Ermessen nicht offensichtlich fehlerhaft ausgeübt hat (vgl. entsprechend Urteil vom 4. Dezember 2013, ETF/Schuerings, T‑107/11 P, EU:T:2013:624, Rn. 102 und 103).

82

Aus den Leitlinien zur Telearbeit geht hervor, dass sich die Kommission für die Erstattung von Büroausstattung entschieden hat, damit für ihre Beamten und sonstigen Bediensteten Arbeitsbedingungen gelten, die angemessenen Gesundheits- und Sicherheitsnormen entsprechen, die denen eines Büros gleichwertig sind. Darin kommt ganz offensichtlich Fürsorge zum Ausdruck.

83

Nur ergänzend sei darauf hingewiesen, dass in Bezug auf eine Erstattung geltend gemachter Kosten entschieden wurde, dass es dann, wenn es an einer Bestimmung fehlt, nach der Kosten als entstanden gelten, nach den Grundsätzen der Beweislast dem Beamten obliegt, nachzuweisen, dass ihm tatsächlich Kosten entstanden sind, die unmittelbar mit seinem Amt zusammenhängen (vgl. entsprechend Urteil vom 11. Juli 2000, Skrzypek/Kommission, T‑134/99, EU:T:2000:184, Rn. 81).

84

Die Klägerin beschränkt sich allerdings auf das Vorbringen, dass die Erhöhung ihres Internetdatenverbrauchs im Monat Oktober 2020 und das Überschreiten der Obergrenze von 100 GB um 137,434 GB, das zu einer höheren Rechnung geführt habe, auf die dienstlich veranlasste Einrichtung und Nutzung von Programmen wie Skype for business, Webex oder Teams sowie die Teilnahme an Online-Schulungen zurückzuführen sei.

85

Der Umstand, dass der größte Teil des Internetdatenverbrauchs der Klägerin im Monat Oktober 2020 an vier Arbeitstagen anfiel, genügt als solcher jedoch nicht für den Nachweis, dass der über die Monatspauschale hinausgehende Teil auf eine dienstliche Nutzung zurückzuführen ist. Der Nachweis, dass die fraglichen Kosten dienstlich veranlasst sind, ist schon deshalb nicht erbracht, weil aus den von der Klägerin selbst vorgelegten Unterlagen hervorgeht, dass ihr Internetdatenverbrauch in der Zeit, als die Telearbeit die Regel war, zu keinem anderen Zeitpunkt die ihrer Pauschale entsprechende Obergrenze von 100 GB überschritt.

86

Daher ist anhand der von der Klägerin mitgeteilten Informationen nicht einmal als erwiesen anzusehen, dass das Überschreiten ihrer Pauschale für die Internetnutzung durch die Telearbeit verursacht wurde, und erst recht nicht, dass die Kommission, als sie eine Berücksichtigung ablehnte, gegen ihre Fürsorgepflicht und den Grundsatz der guten Verwaltung verstoßen konnte.

87

Schließlich hat der Betreiber der Klägerin ihr zwar unstreitig für zwei Telefonanrufe beim IT‑Helpdesk und bei der GD Informatik der Kommission im September 2020 1,89 Euro in Rechnung gestellt; die Weigerung, ihr diesen Betrag zu erstatten, kann jedoch wegen dessen Geringfügigkeit und unter Berücksichtigung der oben in den Rn. 78 und 79 beschriebenen Maßnahmen ebenfalls nicht als eine Verletzung der Fürsorgepflicht eingestuft werden.

88

Der dritte Klagegrund ist somit zurückzuweisen.

d)   Zum vierten Klagegrund: Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot

89

Die Klägerin macht geltend, dass die Anstellungsbehörde die Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde mit den Leitlinien zur Telearbeit gerechtfertigt habe. Diese beinhalteten aber eine erste Diskriminierung zwischen den Beamten der Kommission, die über hinreichend finanzielle Mittel verfügten, um die für die Büroausstattung anfallenden Kosten verauslagen zu können, und jenen, die nicht über diese Mittel verfügten und die keine Erstattung anderer dienstlich veranlasster Kosten erhalten könnten. Die Leitlinien führten in Anbetracht der Vorteile, der den Beamten und sonstigen Bediensteten des EWSA auf der Grundlage der Entscheidung des EWSA vom 9. Juni 2021 zuteilwürden, aber sogar zu einer weiteren Diskriminierung.

1) Zur Zulässigkeit des vierten Klagegrundes

90

Die Kommission bringt vor, der vierte Klagegrund sei unzulässig, da diese Rüge in der Beschwerde nicht geltend gemacht worden sei.

91

Insoweit ist daran zu erinnern, dass die Art. 90 und 91 des Statuts die Zulässigkeit einer Klage, die von einem Beamten gegen ein Organ, dem er angehört, erhoben wird, davon abhängig machen, dass zuvor ein Verwaltungsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt worden ist.

92

In diesem Rahmen ist nach dem Grundsatz der Übereinstimmung zwischen der Beschwerde und der anschließenden Klage, auf den die Kommission verweist, ein vor dem Unionsgericht geltend gemachtes Angriffsmittel nur zulässig, wenn es bereits im Vorverfahren vorgebracht wurde, so dass die Anstellungsbehörde von den Rügen des Betroffenen gegen die angefochtene Entscheidung Kenntnis nehmen konnte (vgl. Urteil vom 25. Oktober 2013, Kommission/Moschonaki, T‑476/11 P, EU:T:2013:557, Rn. 71 und die dort angeführte Rechtsprechung).

93

Im vorliegenden Fall hat die Klägerin in ihrer Beschwerde einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz geltend gemacht. Sie hat darin zum einen, was Telefongespräche anbelangt, die „Führungsebene“, die über Diensttelefone verfüge, den übrigen Beamten gegenübergestellt, die für ihre Dienstgespräche bezahlen müssten, und zum anderen, was Internetdaten betrifft, diejenigen, denen nach den mit ihren Internetdienstanbietern geschlossenen Verträgen ein großes Datenvolumen und eine hohe Verarbeitungsgeschwindigkeit zur Verfügung gestellt würden, mit denjenigen verglichen, die solche Vorteile nicht hätten.

94

Damit wurde der Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz in der Beschwerde zwar geltend gemacht, aber aus einer Perspektive, die sich von jener unterscheidet, die dem vierten Klagegrund der Klageschrift zugrunde liegt.

95

Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass Art. 91 des Statuts den möglichen Rechtsstreit nicht streng und endgültig begrenzen soll, solange nur die Klage weder den Grund noch den Gegenstand der Beschwerde ändert. Insoweit können die Rügen vor dem Unionsrichter auf Klagegründe und Argumente gestützt werden, die nicht notwendigerweise in der Beschwerde enthalten sind, sich aber eng an diese anlehnen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 25. Oktober 2013, Kommission/Moschonaki, T‑476/11 P, EU:T:2013:557, Rn. 73 und 76, und vom 2. März 2017, DI/EASO, T‑730/15 P, EU:T:2017:138, Rn. 65 und 66).

96

Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass es weder den Grund noch den Gegenstand der Beschwerde verändert, wenn die Klägerin erstmals in ihrer Klageschrift explizit auf die Ungleichbehandlung von Personen, die über die finanziellen Mittel verfügten, um die Kosten einer Büroausstattung zu verauslagen, und anderen Personen hinweist.

97

Darüber hinaus kann der Klägerin nicht vorgeworfen werden, sie habe in ihrer Beschwerde die Diskriminierung zwischen ihr als Beamtin der Kommission und den Bediensteten des EWSA nicht geltend gemacht, da die Entscheidung des EWSA vom 9. Juni 2021 nach Beendigung des Vorverfahrens erging.

98

Daher ist der vierte Klagegrund zulässig.

2) Zur Begründetheit des vierten Klagegrundes

99

Wie oben in Rn. 40 dargestellt, verlangt der Gleichheitsgrundsatz, dass vergleichbare Situationen nicht unterschiedlich und unterschiedliche Situationen nicht gleich behandelt werden dürfen, es sei denn, dass eine solche Behandlung objektiv gerechtfertigt ist.

100

Im vorliegenden Fall macht die Klägerin erstens geltend, die Kommission hätte die Beamten, die nicht über die zum Erwerb einer Büroausstattung erforderlichen Mittel verfügten, insoweit unterschiedlich behandeln müssen, als sie ihnen eine Erstattung ihrer Telefonkosten und ihres Internetdatenverbrauchs hätte anbieten müssen.

101

Die Klägerin, die nicht für andere Beamten sprechen kann, die der Besoldungsgruppe AST 4 angehört und die, wie oben in Rn. 78 dargestellt, einen steuerlichen Abzug vornehmen konnte, trägt jedoch nichts vor, was belegen könnte, dass es ihr materiell nicht möglich war, die Kosten einer Büroausstattung zu verauslagen, und dass sie sich damit tatsächlich in der von ihr geltend gemachten nachteiligen Situation befand. Somit weist sie nicht nach, dass sie wie die Beamten, die zur Verauslagung dieser Kosten in der Lage waren, behandelt wurde, obwohl sie sich in einer anderen finanziellen Situation befand.

102

Darüber hinaus ist festzustellen, dass die Klägerin, selbst wenn eine solche Ungleichbehandlung nachgewiesen wäre, jedenfalls nicht dartut, dass es sich dabei um eine im Sinne der oben in Rn. 41 angeführten Rechtsprechung willkürliche oder offensichtlich unangemessene Differenzierung handelt.

103

Vielmehr war, wie in den Leitlinien zur Telearbeit ausgeführt, die Maßnahme, die eine Erstattung der Kosten für den Kauf von Büroausstattung ermöglichte, dadurch gerechtfertigt, dass die Telearbeiter in Fortführung von Art. 1e Abs. 2 des Statuts dabei unterstützt werden sollten, ihre Aufgaben unter Arbeitsbedingungen zu erfüllen, die angemessenen Gesundheits- und Sicherheitsnormen entsprechen. Ferner erklärt sich diese Maßnahme, wie von der Kommission vorgetragen, auch aus dem Bestreben, nur die Kosten zu erstatten, die objektiv mit der Ausübung des Amtes zusammenhängen.

104

Zweitens macht die Klägerin geltend, sie sei diskriminiert worden, da Beamte und sonstige Bedienstete des EWSA eine günstigere Behandlung erfahren hätten.

105

Es ist jedoch daran zu erinnern (siehe oben, Rn. 71), dass der Umstand, dass alle Beamten einem einheitlichen Statut unterliegen, nicht bedeutet, dass die Organe das ihnen durch das Statut eingeräumte Ermessen auf dieselbe Weise ausüben müssten; vielmehr gilt für sie als Arbeitgeber der Grundsatz der Autonomie (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 16. September 1997, Gimenez/Ausschuss der Regionen, T‑220/95, EU:T:1997:130, Rn. 72, und vom 21. Januar 2014, Van Asbroeck/Parlament, F‑102/12, EU:F:2014:4, Rn. 29).

106

Im vorliegenden Fall sind die von der Kommission erlassenen Leitlinien zur Telearbeit und die Entscheidung des EWSA vom 9. Juni 2021 Ausdruck des Grundsatzes der Autonomie bei der Behandlung ihrer Beamten in der durch die Covid‑19-Pandemie hervorgerufenen außergewöhnlichen Situation (siehe oben, Rn. 72).

107

Deshalb können diese Unterschiede zwischen den Maßnahmen der Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union jedenfalls nicht zur Stützung eines Klagegrundes angeführt werden, mit dem eine Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung geltend gemacht wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Februar 2017, Schönberger/Rechnungshof, T‑688/15 P, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:76, Rn. 187).

108

Aus alledem folgt, dass der vierte Klagegrund zurückzuweisen ist.

e)   Zum fünften Klagegrund: Verstoß gegen Art. 7 der Charta

109

Die Klägerin macht geltend, dass sie gezwungen gewesen sei, bei der Kommission die Bereitstellung eines Internetzugangs zu beantragen, um die durch die zwingend vorgeschriebene Telearbeit entstandenen Kosten zu mindern, und dass die Entscheidung des PMO vom 14. Juli 2021, mit der ihr Antrags auf Bereitstellung eines Internetzugangs abgelehnt worden sei, einen Eingriff in ihr Recht auf Achtung ihres Privatlebens und ihre Wohnung darstelle.

110

Nach Art. 7 der Charta hat jede Person das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung sowie ihrer Kommunikation. Das in diesem Artikel verankerte Recht kann jedoch keine uneingeschränkte Geltung beanspruchen. Nach Art. 52 Abs. 1 der Charta kann es Einschränkungen unterliegen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Juli 2020, Facebook Ireland und Schrems, C‑311/18, EU:C:2020:559, Rn. 172 und 174 und die dort angeführte Rechtsprechung).

111

Handelt es sich, wie im vorliegenden Fall, um eine individuelle Maßnahme, ist die Frage, ob eine Einschränkung im Sinne von Art. 52 Abs. 1 der Charta vorliegt, anhand der tatsächlichen Auswirkungen dieser Maßnahme auf die betroffene Person zu beurteilen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Januar 2018, F, C‑473/16, EU:C:2018:36, Rn. 52 bis 54). Außerdem liegt kein Eingriff in die Ausübung eines Rechts vor, wenn der Bezug zwischen dem Recht und der streitigen Maßnahme zu mittelbar oder zu ungewiss ist, um berücksichtigt zu werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 4. Dezember 2018, Janoha u. a./Kommission, T‑517/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:874, Rn. 72 und 73).

112

Im vorliegenden Fall macht die Klägerin lediglich geltend, dass sie, um ihre Aufgaben mit Hilfe ihrer eigenen Internetverbindung in Telearbeit ausüben zu können, gezwungen gewesen sei, den privat mit VOO geschlossenen Vertrag zu verletzen, nach dem ihr Internetzugang auf die private und persönliche Nutzung beschränkt gewesen sei.

113

Die Klägerin trägt jedoch nichts vor, was den Schluss zuließe, dass VOO ihren Vertrag dahin ausgelegt hätte, dass es ihr untersagt war, ihre Verbindung persönlich in Ausübung ihres Amtes zu nutzen, und dass dieses Verbot unweigerlich Auswirkungen auf ihr Recht auf Achtung ihres Privatlebens und ihrer Wohnung gehabt hätte. Die Kommission weist insoweit darauf hin, dass ihr nicht bekannt sei, dass sich Internetzugangsanbieter darüber beschwert hätten, dass ihre Kunden die Internetverbindung im Rahmen der Telearbeit genutzt hätten, und die Klägerin legt keine Beweise für das Gegenteil vor.

114

Sie macht zwar geltend, dass ein anderer Internetzugangsanbieter ein Programm entwickelt habe, das es den Arbeitgebern ermögliche, sich finanziell an den Internetkosten ihres Personals zu beteiligen, um die Zeiten, in denen Telearbeit erfolge, abzudecken.

115

Die Kommission weist jedoch zu Recht darauf hin, dass dieses Programm nur als „Geschenk“ gedacht sei, das die Arbeitgeber ihrem Personal anbieten könnten. Es handelt sich dabei also um eine bloße Option und nicht um Instrument, das nach Ansicht dieses Anbieters im Hinblick auf die Erfüllung der Vertragspflichten seitens seiner Kunden unverzichtbar ist.

116

Unter diesen Umständen kann in der angefochtenen Entscheidung keine Einschränkung des Rechts der Klägerin auf Achtung ihres Privatlebens und ihrer Wohnung gesehen werden.

117

Somit sind der fünfte Klagegrund und damit der zweite Klageantrag insgesamt zurückzuweisen.

C. Zum dritten Klageantrag

118

Mit ihrem dritten Klageantrag beantragt die Klägerin, die Kommission zu verurteilen, ihr zur Erstattung ihrer dienstlich veranlassten Kosten 51,89 Euro zu zahlen, ihr im Rahmen der Telearbeit einen Internetzugang für dienstliche Zwecke bereitzustellen und ihr als Ersatz für verschiedene Schäden 10000 Euro zu zahlen.

119

Da die Klägerin diese Klageanträge als „Folge“-Anträge des Klageantrags auf Aufhebung der angefochtenen Entscheidung stellt, genügt die Feststellung, dass, da der zweite Klageantrag zurückgewiesen wurde, auch der dritte Klageantrag zurückzuweisen ist.

120

Im Übrigen ist auch der Antrag auf Ersatz des immateriellen Schadens zurückzuweisen, den die Klägerin dadurch erlitten haben will, dass ihre Anträge auf Gewährung eines Internetzugangs wiederholt abgelehnt wurden, dass sie befürchten musste, die dienstlich entstandenen Kosten wiederum allein tragen zu müssen, und dass sie die Kommission verlassen musste, um nicht bei ihrer Beurteilung und ihrem beruflichen Aufstieg benachteiligt zu werden.

121

Insoweit ist daran zu erinnern, dass nach ständiger Rechtsprechung ein Schaden tatsächlich und sicher sein muss und dass ein rein hypothetischer und unbestimmter Schaden kein Recht auf Schadensersatz begründet (Urteil vom 3. Dezember 2015, CN/Parlament, T‑343/13, EU:T:2015:926, Rn. 118). Es ist Sache der Partei, die die Haftung der Union geltend macht, Beweise für das Vorliegen und den Umfang des von ihr behaupteten Schadens zu erbringen. Dies gilt auch bei einem immateriellen Schaden. Eine bloße Behauptung, die durch keinen Beweis gestützt wird, ist unzureichend (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 3. Dezember 2015, CN/Parlament, T‑343/13, EU:T:2015:926, Rn. 119 und 121).

122

Im vorliegenden Fall legt die Klägerin zum Nachweis, dass ihr tatsächlich ein immaterieller Schaden entstanden ist, ein ärztliches Attest vor, mit dem bescheinigt wird, dass sie vom 22. Dezember 2020, 14.30 Uhr, bis zum 24. Dezember 2020 arbeitsunfähig war.

123

Dabei handelt es sich jedoch um ein isoliertes und knapp gefasstes ärztliches Attest, das insbesondere keine Anamnese enthält. Es wird überdies nicht durch Dokumente untermauert, die den Schluss zuließen, dass die kurzzeitige Krankschreibung der Klägerin auf den angeblichen „seelischen und körperlichen Schock [zurückzuführen war], der durch die Weigerung der Kommission, ihr das für die Ausführung ihrer dienstlichen Tätigkeit erforderliche Internetvolumen zur Verfügung zu stellen, verursacht wurde“.

124

Die Klägerin legt auch keine Beweise zur Stützung ihres Vorbringens vor, dass sie die Kommission habe verlassen müssen, um bei ihrer Beurteilung und bei ihrem beruflichem Aufstieg nicht benachteiligt zu werden. Insoweit ist in dem Umstand allein, dass die Kommission davon ausging, dass die Klägerin am 3. Mai 2021 unbefugterweise dem Dienst ferngeblieben sei, und deshalb ihren Jahresurlaub um einen Tag kürzte (siehe oben, Rn. 13), nicht einmal ein Anfangsbeweis zu sehen.

125

Schließlich beantragt die Klägerin erfolglos den Ersatz des immateriellen Schadens, den sie durch den Verlust dieses Urlaubstags wegen unbefugten Fernbleibens, als sie es ablehnte, ihren privaten Internetzugang für dienstliche Zwecke zu verwenden, erlitten haben will.

126

Wie von der Kommission geltend gemacht, ist dieser Antrag unzulässig. Denn er wurde – in einem Kontext, in dem die unmittelbare Ursache des behaupteten Schadens nicht auf die angefochtene Entscheidung, sondern auf die Entscheidung der GD Humanressourcen und Sicherheit vom 19. Mai 2021 zurückgeht – erstmals in der Klageschrift gestellt und war nicht Gegenstand eines vollständigen Vorverfahrens nach Art. 91 und 92 des Statuts.

127

Daher ist der dritte Klageantrag zurückzuweisen.

128

Nach alledem ist die Klage selbst insgesamt abzuweisen.

IV. Kosten

129

Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

130

Da die Klägerin im vorliegenden Fall unterlegen ist, sind ihr entsprechend dem Antrag der Kommission ihre eigenen Kosten und die Kosten der Kommission aufzuerlegen.

131

Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung tragen die Organe, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten. Daher tragen das Parlament und der Rat ihre eigenen Kosten.

 

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Vierte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

 

1.

Die Klage wird abgewiesen.

 

2.

OE trägt neben ihren eigenen Kosten die Kosten, die der Europäischen Kommission entstanden sind.

 

3.

Das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union tragen ihre eigenen Kosten.

 

Gervasoni

Madise

Frendo

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 7. September 2022.

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache Französisch.

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