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Document 62021TJ0054
Judgment of the General Court (Sixth Chamber) of 26 April 2023 (Extracts).#OHB System AG v European Commission.#Public supply contracts – Tendering procedure – Competitive dialogue – Procurement of Galileo transition satellites – Rejection of a tenderer’s tender – Exclusion criteria – Serious professional misconduct on the part of a tenderer – No final judgment or final administrative decision – Referral to the panel referred to in Article 143 of the Financial Regulation – Equal treatment – Abnormally low tender – Manifest error of assessment.#Case T-54/21.
Urteil des Gerichts (Sechste Kammer) vom 26. April 2023 (Auszüge).
OHB System AG gegen Europäische Kommission.
Öffentliche Dienstleistungsaufträge – Ausschreibungsverfahren – Wettbewerblicher Dialog – Beschaffung von Galileo-Übergangssatelliten – Ablehnung des Angebots eines Bieters – Ausschlusskriterien – Schwere Verfehlung eines Bieters im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit – Fehlen einer rechtskräftigen Gerichts- oder einer bestandskräftigen Verwaltungsentscheidung – Befassung des in Art. 143 der Haushaltsordnung genannten Gremiums – Gleichbehandlung – Ungewöhnlich niedriges Angebot – Offensichtlicher Beurteilungsfehler.
Rechtssache T-54/21.
Urteil des Gerichts (Sechste Kammer) vom 26. April 2023 (Auszüge).
OHB System AG gegen Europäische Kommission.
Öffentliche Dienstleistungsaufträge – Ausschreibungsverfahren – Wettbewerblicher Dialog – Beschaffung von Galileo-Übergangssatelliten – Ablehnung des Angebots eines Bieters – Ausschlusskriterien – Schwere Verfehlung eines Bieters im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit – Fehlen einer rechtskräftigen Gerichts- oder einer bestandskräftigen Verwaltungsentscheidung – Befassung des in Art. 143 der Haushaltsordnung genannten Gremiums – Gleichbehandlung – Ungewöhnlich niedriges Angebot – Offensichtlicher Beurteilungsfehler.
Rechtssache T-54/21.
Court reports – general – 'Information on unpublished decisions' section
ECLI identifier: ECLI:EU:T:2023:210
URTEIL DES GERICHTS (Sechste Kammer)
26. April 2023 ( *1 )
„Öffentliche Dienstleistungsaufträge – Ausschreibungsverfahren – Wettbewerblicher Dialog – Beschaffung von Galileo-Übergangssatelliten – Ablehnung des Angebots eines Bieters – Ausschlusskriterien – Schwere Verfehlung eines Bieters im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit – Fehlen einer rechtskräftigen Gerichts- oder einer bestandskräftigen Verwaltungsentscheidung – Befassung des in Art. 143 der Haushaltsordnung genannten Gremiums – Gleichbehandlung – Ungewöhnlich niedriges Angebot – Offensichtlicher Beurteilungsfehler“
In der Rechtssache T‑54/21,
OHB System AG mit Sitz in Bremen (Deutschland), vertreten durch die Rechtsanwälte W. Würfel und F. Hausmann,
Klägerin,
gegen
Europäische Kommission, vertreten durch G. Wilms, L. André, J. Estrada de Solà und L. Mantl als Bevollmächtigte,
Beklagte,
unterstützt durch
Italienische Republik, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von P. Gentili und G. Santini, Avvocati dello stato,
und durch
Airbus Defence and Space GmbH mit Sitz in Taufkirchen (Deutschland), vertreten durch die Rechtsanwälte P.‑E. Partsch, F. Dewald und C.‑E. Seestädt,
Streithelferinnen,
erlässt
DAS GERICHT (Sechste Kammer)
unter Mitwirkung der Präsidentin M. J. Costeira (Berichterstatterin), der Richterin M. Kancheva und des Richters P. Zilgalvis,
Kanzler: P. Cullen, Verwaltungsrat,
aufgrund des Beschlusses vom 26. Mai 2021, OHB System/Kommission (T‑54/21 R, nicht veröffentlicht, EU:T:2021:292),
aufgrund des schriftlichen Verfahrens, insbesondere
– |
des Beschlusses vom 30. Juni 2021, OHB System/Kommission (T‑54/21, nicht veröffentlicht), |
– |
des Beschlusses vom 2. Dezember 2021, OHB System/Kommission (T‑54/21, nicht veröffentlicht, EU:T:2021:878), |
– |
der prozessleitenden Maßnahmen vom 17. Oktober 2022 und der am 29. Oktober 2022 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Antwort der Kommission, |
auf die mündliche Verhandlung vom 17. November 2022
folgendes
Urteil ( 1 )
1 |
Mit ihrer Klage nach Art. 263 AEUV begehrt die Klägerin, die OHB System AG, die Nichtigerklärung der ihr mit Schreiben vom 19. Januar 2021 und mit Fax vom 22. Januar 2021 mitgeteilten Beschlüsse, ihrem Angebot im Rahmen des in Form des wettbewerblichen Dialogs eingeleiteten Vergabeverfahrens 2018/S 091-206089 betreffend die Beschaffung von Galileo-Übergangssatelliten nicht den Zuschlag zu erteilen und den Auftrag an zwei andere Bieter zu vergeben (im Folgenden: angefochtene Beschlüsse). |
Vorgeschichte des Rechtsstreits
2 |
Die Klägerin ist eine Gesellschaft deutschen Rechts, die sich mit der Entwicklung und Umsetzung innovativer Raumfahrtsysteme und ‑projekte sowie der Vermarktung spezifischer Luftfahrt‑, Raumfahrt- und Telematikprodukte einschließlich geostationärer und erdnaher Satelliten befasst. |
3 |
Nach den Angaben im zweiten Erwägungsgrund und in Art. 2 Abs. 1 und 2 der Verordnung (EU) Nr. 1285/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2013 betreffend den Aufbau und den Betrieb der europäischen Satellitennavigationssysteme und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 876/2002 des Rates und der Verordnung (EG) Nr. 683/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. 2013, L 347, S. 1) soll mit dem Galileo-Programm ein europäisches System für die satellitengestützte Navigation und Positionsbestimmung aufgebaut und betrieben werden, das speziell für zivile Zwecke konzipiert ist und eine Satellitenkonstellation sowie ein weltweites Netz von Bodenstationen umfasst. |
4 |
Die Kommission trägt nach Art. 12 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1285/2013 die Gesamtverantwortung für das Galileo-Programm und hat gemäß ihrem Art. 15 Abs. 1 für die Errichtungsphase dieses Programms mit der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) eine Übertragungsvereinbarung zu schließen, in der die Aufgaben der ESA insbesondere in Bezug auf die das System betreffenden Beschaffungen im Einzelnen aufgeführt sind. |
5 |
Im Rahmen der Übertragungsvereinbarung zwischen der Kommission und der ESA für die Errichtungsphase des Galileo-Programms ist die ESA mit der Durchführung der Verfahren zur Vergabe der dieses Programm betreffenden öffentlichen Aufträge betraut; die Kommission bleibt der öffentliche Auftraggeber. |
6 |
Mit Auftragsbekanntmachung vom 15. Mai 2018, die in der Beilage zum Amtsblatt der Europäischen Union vom 15. Mai 2018 (ABl. 2018/S 091-206089) und auf der Webseite „emits.esa.int“ veröffentlicht wurde, leitete die im Namen und im Auftrag der Kommission handelnde ESA für die Beschaffung von Galileo-Übergangssatelliten ein Vergabeverfahren in der Form des wettbewerblichen Dialogs (im Folgenden: streitiger wettbewerblicher Dialog) ein. Das Verfahren wurde in dieser Form eingeleitet, da die Kommission bereits ihren Bedarf ermittelt und festgelegt hatte, aber noch nicht die genauen zu dessen Deckung am besten geeigneten Mittel. |
7 |
Der streitige wettbewerbliche Dialog betraf die Beschaffung von zunächst vier (von bis zu zwölf) Galileo-Übergangssatelliten mit weiterentwickelten Spezifikationen, um den Übergang von der ersten Generation der Galileo-Satelliten zur zweiten Generation einzuleiten. Es wurde beschlossen, im Einklang mit Art. 19 Buchst. d der Verordnung Nr. 1285/2013, wonach für die parallele Beschaffung von voraussichtlich jeweils zwei Satelliten zwei Auftragnehmer ausgewählt und zwei Verträge unterzeichnet werden konnten, mehrere Bezugsquellen zu erschließen. |
8 |
Der Zuschlag für den Auftrag sollte auf der Grundlage von zwei Kriterien, und zwar dem Preis mit einer Gewichtung von 35 % und der Qualität mit einer Gewichtung von insgesamt 65 %, dem wirtschaftlich günstigsten Angebot erteilt werden. Das Qualitätskriterium bestand aus fünf Unterkriterien. Das mit 10 % gewichtete erste Unterkriterium betraf die Angemessenheit und Eignung der vom Bieter vorgeschlagenen personellen und technischen Ressourcen und Anlagen in Bezug auf die im Vorschlag beschriebene technische und programmatische Lösung. Das mit 25 % gewichtete zweite Unterkriterium betraf das Verständnis der Anforderungen und Ziele – einschließlich im Bereich der Sicherheit –, die Qualifikation und den Reifegrad des vorgeschlagenen Projekts, die Eignung, Qualität und Robustheit des vorgeschlagenen Projekts sowie die Übereinstimmung mit den technischen Bedingungen. Das mit 30 % gewichtete dritte Unterkriterium betraf die Qualität und Eignung des Arbeitsprogramms, die Einhaltung des Lastenhefts, die Geeignetheit der technischen Planung sowie die Vorgehensweise bei Tests und Versuchen, die Risikoermittlung und die Vorschläge zur Risikominderung einschließlich der technologischen Diversifizierung. Das mit 25 % gewichtete vierte Unterkriterium betraf die Angemessenheit der Verwaltung, der Kostenberechnung und der Planung der Ausführung der Arbeiten. Das mit 10 % gewichtete fünfte Unterkriterium betraf die Einhaltung der Ausschreibungsbedingungen und des Vertrags. |
9 |
Der streitige wettbewerbliche Dialog verlief in drei Phasen. Der Ablauf der ersten beiden Phasen richtete sich nach den Bestimmungen der Verordnung Nr. 1285/2013 sowie der Verordnung (EU, Euratom) Nr. 966/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Union und zur Aufhebung der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1605/2002 des Rates (ABl. 2012, L 298, S. 1) und der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 1268/2012 der Kommission vom 29. Oktober 2012 über die Anwendungsbestimmungen für die Verordnung Nr. 966/2012 (ABl. 2012, L 362, S. 1). Die dritte Phase lief nach den Bestimmungen der Verordnung Nr. 1285/2013 sowie der Verordnung (EU, Euratom) 2018/1046 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juli 2018 über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Union, zur Änderung der Verordnungen (EU) Nr. 1296/2013, (EU) Nr. 1301/2013, (EU) Nr. 1303/2013, (EU) Nr. 1304/2013, (EU) Nr. 1309/2013, (EU) Nr. 1316/2013, (EU) Nr. 223/2014, (EU) Nr. 283/2014 und des Beschlusses Nr. 541/2014/EU sowie zur Aufhebung der Verordnung Nr. 966/2012 (ABl. 2018, L 193, S. 1, im Folgenden: Haushaltsordnung) ab. |
10 |
Die erste Phase des streitigen wettbewerblichen Dialogs begann im Mai 2018 mit der Veröffentlichung einer „Aufforderung zur Einreichung eines Teilnahmeantrags“ durch die ESA. |
11 |
Unter den bei ihr eingegangenen Teilnahmeanträgen wählte die ESA drei Bieter aus, und zwar die Klägerin, die Airbus Defence and Space GmbH (im Folgenden: ADS) und die Thales Alenia Space Italia (im Folgenden: TASI) (im Folgenden zusammen: Bieter). |
12 |
Die zweite Phase, die im Juli 2018 begann, diente zur Ermittlung und Festlegung der Mittel, mit denen der Bedarf des öffentlichen Auftraggebers am besten erfüllt werden kann. Zunächst forderte die ESA die Bieter zur Einreichung eines „Preliminary Proposal“ (vorläufiges Angebot) auf und übersandte ihnen u. a. die „Special Conditions of Tender for Invitation to Submit a Preliminary Proposal“ (Besondere Vergabebedingungen für die Aufforderung zur Einreichung eines vorläufigen Angebots). Sodann forderte die ESA nach einer Dialogphase die Bieter zur Einreichung eines „Refined Proposal“ (überarbeitetes Angebot) auf und übersandte ihnen die „Conditions of Tender for Invitation to Submit a Refined Proposal“ (Vergabebedingungen für die Aufforderung zur Einreichung eines überarbeiteten Angebots). Die Klägerin reichte am 26. September 2018 ihr vorläufiges Angebot und am 11. Oktober 2019 ihr überarbeitetes Angebot ein. |
13 |
Die dritte Phase begann im August 2020, und nach einer weiteren Dialogphase forderte die ESA die Bieter auf, ihr „Best and Final Offer“ (endgültiges Angebot) abzugeben und übersandte ihnen u. a. die „Conditions of Tender for Invitation to Submit a Best and Final Offer“ (Vergabebedingungen für die Aufforderung zur Einreichung eines endgültigen Angebots). Am 11. Oktober 2020 reichte die Klägerin ihr endgültiges Angebot ein. |
14 |
Zwischen Oktober und Dezember 2020 wurden die endgültigen Angebote der Bieter von einem Evaluierungsausschuss – bestehend aus Vertretern der ESA, der Agentur für das europäische globale Satellitennavigationssystem (GSA) und der Kommission – evaluiert, der die Ergebnisse der Evaluierung in einem Evaluierungsbericht (im Folgenden: Evaluierungsbericht) darlegte. |
15 |
Mit Schreiben vom 23. Dezember 2020 an die Kommission, von dem u. a. die ESA eine Kopie erhielt (im Folgenden: Schreiben vom 23. Dezember 2020), beantragte die Klägerin bei der Kommission im Wesentlichen, den streitigen wettbewerblichen Dialog wegen des „Verdachts auf Verletzung [ihrer] Geschäftsgeheimnisse durch einen Mitarbeiter von [ADS]“ auszusetzen, eine Untersuchung durchzuführen und ADS gegebenenfalls von dem streitigen wettbewerblichen Dialog auszuschließen. |
16 |
In dem genannten Schreiben unterrichtete die Klägerin die Kommission im Wesentlichen über Folgendes: Erstens sei Herr [vertraulich] ( 2 ) (im Folgenden: ehemaliger Mitarbeiter) vom 22. Dezember 2016 bis Ende November 2019 für sie tätig gewesen, habe als Chief Operating Officer (Manager für das operative Geschäft) weitreichenden Zugang zu den Projektdaten gehabt und sei an der Vorbereitung des Angebots beteiligt gewesen, das sie im Rahmen des streitigen wettbewerblichen Dialogs eingereicht habe. Insbesondere sei er in die den technischen Teil ihres Angebots betreffende „Strategie“ sowie in die beim Preis und bei der Preisberechnung verfolgte „Strategie“ einbezogen gewesen. Zweitens hätten der ehemalige Mitarbeiter und die Klägerin auf seinen Wunsch am 11. November 2019 die vorzeitige Auflösung seines Arbeitsvertrags unterzeichnet. Drittens habe ADS im Dezember 2019 den ehemaligen Mitarbeiter eingestellt, der im Jahr 2020 bei ADS eine Stelle an der Spitze der Abteilung bekleidet habe, die für das von ADS im Rahmen des streitigen wettbewerblichen Dialogs eingereichte Angebot zuständig gewesen sei. Ferner gebe es Anhaltspunkte dafür, dass der ehemalige Mitarbeiter sensible Informationen der Klägerin erlangt habe, die geeignet gewesen seien, ADS im Rahmen des streitigen wettbewerblichen Dialogs einen unzulässigen Vorteil zu verschaffen. Viertens habe die Klägerin eine Untersuchung des Computers in Auftrag gegeben, den ihr ehemaliger Mitarbeiter bei ihr benutzt habe; dabei seien Belege dafür gefunden worden, dass er seit Juni 2019 die Absicht gehabt habe, den Arbeitgeber zu wechseln, und dass er im Rahmen der Verhandlungen über seine Einstellung ADS u. a. darauf hingewiesen habe, dass ihr durch seine Einstellung bei Projekten, bei denen sie im Wettbewerb mit der Klägerin stehe, Vorteile entstünden, sowie Anhaltspunkte dafür, dass der ehemalige Mitarbeiter vertrauliche Dateien der Klägerin kopiert habe. Fünftens seien die vorstehend beschriebenen Umstände Gegenstand eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gewesen, das die zuständige Staatsanwaltschaft in Deutschland aufgrund einer von der Klägerin im März 2020 gegen den ehemaligen Mitarbeiter erstatteten Strafanzeige eingeleitet habe. |
17 |
Die Kommission beschloss auf der Grundlage des Evaluierungsberichts, den Zuschlag nicht dem Angebot der Klägerin, sondern den Angeboten von TASI und ADS zu erteilen. Die angefochtenen Beschlüsse wurden der Klägerin von der ESA mit Schreiben vom 19. Januar 2021 und mit Fax vom 22. Januar 2021 übermittelt. |
18 |
Mit Schreiben vom 19. Januar 2021 teilte die ESA der Klägerin mit, dass sie ihrem Angebot nicht den Zuschlag erteilen werde, da es nicht das wirtschaftlich günstigste Angebot sei. Als Anlage zu diesem Schreiben übersandte sie ihr einen Auszug aus der vom Evaluierungsausschuss anhand der fünf Unterkriterien des Qualitätskriteriums vorgenommenen Evaluierung ihres endgültigen Angebots. |
19 |
In der Folge forderte die Klägerin die ESA mit Fax vom 20. Januar 2021 auf, ihr Informationen über die erfolgreichen Bieter, die Merkmale und Vorteile ihrer Angebote und den zur Festlegung der Rangfolge herangezogenen Gesamtpreis sowie die detaillierte Evaluierung ihres eigenen Angebots zu übermitteln. |
20 |
Mit Schreiben vom 20. Januar 2021 teilte die Kommission der Klägerin unter Bezugnahme auf das Schreiben vom 23. Dezember 2020 mit, dass erstens derzeit keine ausreichenden Gründe für eine Aussetzung des streitigen wettbewerblichen Dialogs vorlägen, zweitens das Vorbringen einer rechtswidrigen Aneignung von Geschäftsgeheimnissen der Klägerin bereits Gegenstand einer Untersuchung durch die nationalen Behörden sei, gestützt auf deren Ergebnisse die Kommission gegebenenfalls zusätzliche Maßnahmen ergreifen könne, und drittens dieses Vorbringen nicht durch eine rechtskräftige Gerichts- oder eine bestandskräftige Verwaltungsentscheidung im Sinne von Art. 136 Abs. 1 der Haushaltsordnung bestätigt worden sei, so dass kein Anlass bestehe, ADS von dem streitigen wettbewerblichen Dialog auszuschließen. |
21 |
Mit Fax vom 22. Januar 2021 teilte die ESA der Klägerin die Namen der erfolgreichen Bieter, nämlich TASI und ADS, den Gesamtpreis und die endgültige Rangfolge ihrer Angebote sowie deren Rangfolge bei den fünf Unterkriterien des Qualitätskriteriums mit. Als Anlage zu diesem Schreiben übersandte die ESA der Klägerin die detaillierten Ergebnisse der Evaluierung ihres Angebots anhand der fünf Unterkriterien des Qualitätskriteriums. |
22 |
Die Angebote der Bieter nahmen folgenden Rang ein: Das Angebot von TASI befand sich an erster Stelle, das Angebot von ADS an zweiter Stelle und das Angebot der Klägerin an dritter Stelle. Ihre Angebote wurden anhand der beiden oben in Rn. 8 genannten Vergabekriterien bewertet. Beim Qualitätskriterium befand sich das Angebot von TASI an erster Stelle, das Angebot von ADS an zweiter Stelle und das Angebot der Klägerin an dritter Stelle. Beim Preiskriterium nahm das Angebot von ADS mit einem Gesamtpreis von 707679174,75 Euro die erste Stelle, das Angebot von TASI mit einem Gesamtpreis von 804127000,00 Euro die zweite Stelle und das Angebot der Klägerin mit einem Gesamtpreis von 822786000,00 Euro die dritte Stelle ein. |
23 |
Mit Schreiben vom 28. Januar 2021 beantragte die Klägerin bei der Kommission erstens, ADS von dem streitigen wettbewerblichen Dialog auszuschließen, zweitens, die angefochtenen Beschlüsse dahin abzuändern, dass der Auftrag an sie vergeben werde, drittens, ihr umfassende Einsicht in die Akte des streitigen wettbewerblichen Dialogs und in den Evaluierungsbericht zu gewähren, und viertens, die Verträge nicht zu unterzeichnen, bis über ihre Beanstandungen entschieden worden sei. In ihrem Schreiben trug die Klägerin vor, ADS sei auszuschließen, da sie durch die Einbeziehung des ehemaligen Mitarbeiters in die Ausarbeitung ihres Angebots gegen den Grundsatz des geheimen Wettbewerbs verstoßen habe und da ihr Angebot ungewöhnlich niedrig sei. |
Anträge der Parteien
24 |
Die Klägerin beantragt,
|
25 |
Die Kommission beantragt,
|
26 |
Die Italienische Republik und ADS beantragen, die Klage abzuweisen. |
Rechtliche Würdigung
[nicht wiedergegeben]
Zur Begründetheit
[nicht wiedergegeben]
Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen die in Art. 136 der Haushaltsordnung vorgesehenen Ausschlusskriterien und gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung und des „geheimen Wettbewerbs“
[nicht wiedergegeben]
– Zum ersten Teil des ersten Klagegrundes: Verstoß gegen die in Art. 136 der Haushaltsordnung vorgesehenen Ausschlusskriterien
53 |
Die Klägerin trägt erstens vor, die Entscheidung, einen Teil des Auftrags an ADS zu vergeben, verstoße gegen Art. 136 und Art. 167 Abs. 1 Buchst. b der Haushaltsordnung, da ADS von dem streitigen wettbewerblichen Dialog hätte ausgeschlossen werden müssen. |
54 |
Zunächst trägt die Klägerin vor, ADS hätte auf der Grundlage von Art. 136 Abs. 1 Buchst. c Ziff. ii und v der Haushaltsordnung von dem streitigen wettbewerblichen Dialog ausgeschlossen werden müssen, weil es mutmaßlich eine wettbewerbswidrige Absprache oder eine stillschweigende Vereinbarung zwischen ADS und dem ehemaligen Mitarbeiter gegeben habe, um im Rahmen des streitigen wettbewerblichen Dialogs den Wettbewerb mit der Klägerin zu verzerren, und weil ADS durch die Einstellung des ehemaligen Mitarbeiters mutmaßlich versucht habe, vertrauliche Informationen über die Klägerin zu erhalten, die ihr bei dem streitigen wettbewerblichen Dialog einen unzulässigen Vorteil hätten verschaffen können. |
55 |
Sodann macht die Klägerin geltend, in Ermangelung einer rechtskräftigen Gerichts- oder einer bestandskräftigen Verwaltungsentscheidung hätte ADS auf der Grundlage einer vorläufigen rechtlichen Bewertung gemäß Art. 136 Abs. 2 der Haushaltsordnung ausgeschlossen werden müssen. Zudem hätte die Kommission den Sachverhalt untersuchen und von ADS Informationen einholen müssen. |
56 |
Schließlich trägt die Klägerin vor, ADS hätte auf der Grundlage von Art. 136 Abs. 4 Buchst. a der Haushaltsordnung ausgeschlossen werden müssen, da der ehemalige Mitarbeiter bei ADS eine leitende Stelle bekleide und sich in einer der in Art. 136 Abs. 1 Buchst. c der Haushaltsordnung genannten Situationen befinde. |
57 |
Die Kommission und die Streithelferinnen treten diesem Vorbringen entgegen. |
58 |
Vorab ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 167 Abs. 1 Buchst. b der Haushaltsordnung Aufträge auf der Grundlage von Zuschlagskriterien vergeben werden, sofern der öffentliche Auftraggeber geprüft hat, ob der Bewerber oder Bieter nicht nach ihrem Art. 136 ausgeschlossen oder nach ihrem Art. 141 abgelehnt worden ist. |
59 |
In Bezug auf die Ausschlusskriterien heißt es in Art. 136 Abs. 1 der Haushaltsordnung: „Der zuständige Anweisungsbefugte schließt eine in Artikel 135 Absatz 2 genannte Person oder Stelle von der Teilnahme an Gewährungsverfahren nach dieser Verordnung … aus, wenn diese Person oder Stelle sich in einer oder mehrerer der [in Artikel 136 Absatz 1 Buchstaben a bis h vorgesehenen] Ausschlusssituationen befindet.“ Insbesondere schließt nach Art. 136 Abs. 1 Buchst. c Ziff. ii und v der Haushaltsordnung der zuständige Anweisungsbefugte eine in Art. 135 Abs. 2 genannte Person oder Stelle von der Teilnahme an Gewährungsverfahren nach der Haushaltsordnung aus, wenn „durch eine rechtskräftige Gerichts- oder eine bestandskräftige Verwaltungsentscheidung festgestellt wurde, dass die Person oder Stelle im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit eine schwere Verfehlung begangen hat …; dazu zählen insbesondere … ii) Absprachen mit anderen Personen oder Stellen mit dem Ziel einer Wettbewerbsverzerrung [oder] v) [der] Versuch, vertrauliche Informationen über das Verfahren zu erhalten, durch die unzulässige Vorteile beim Gewährungsverfahren erlangt werden könnten“. |
60 |
Zudem schließt der zuständige Anweisungsbefugte nach Art. 136 Abs. 4 Buchst. a der Haushaltsordnung eine in Art. 135 Abs. 2 genannte Person oder Stelle aus, wenn „sich eine natürliche oder juristische Person, die Mitglied des Verwaltungs‑, Leitungs- oder Aufsichtsorgans einer in Artikel 135 Absatz 2 genannten Person oder Stelle ist oder bezüglich dieser Person oder Stelle Vertretungs‑, Beschluss- oder Kontrollbefugnisse hat, in einer oder mehreren der in Absatz 1 Buchstaben c bis h [des Artikels 136] genannten Situationen befindet“. |
61 |
Darüber hinaus sieht Art. 136 Abs. 2 Unterabs. 1 der Haushaltsordnung Folgendes vor: „In Ermangelung einer rechtskräftigen Gerichts- bzw. bestandskräftige[n] Verwaltungsentscheidung in den Fällen nach Absatz 1 Buchstaben c, d, f, g und h dieses Artikels legt der zuständige Anweisungsbefugte bei [einem den in den Buchstaben c, d, f, g und h genannten Fällen] entsprechende[n] Verhalten einer in Artikel 135 Absatz 2 genannten Person oder Stelle eine vorläufige rechtliche Bewertung für deren Ausschluss zugrunde, wobei er sich auf die festgestellten Sachverhalte oder sonstigen Erkenntnisse aus der Empfehlung des in Artikel 143 [der Haushaltsordnung] genannten Gremiums stützt.“ |
62 |
Aus den oben genannten Bestimmungen ergibt sich u. a., dass ein öffentlicher Auftraggeber einen Bieter von der Teilnahme an einem Vergabeverfahren ausschließt, wenn sich dieser Bieter in einer oder mehreren der Situationen befindet, die den oben in den Rn. 59 bis 61 genannten drei Ausschlusskriterien entsprechen. |
63 |
Dabei entspricht das erste, in Art. 136 Abs. 1 Buchst. c Ziff. ii und v in Verbindung mit Art. 135 Abs. 2 Buchst. a der Haushaltsordnung vorgesehene Ausschlusskriterium den Situationen, in denen durch eine rechtskräftige Gerichts- oder eine bestandskräftige Verwaltungsentscheidung festgestellt wurde, dass der Bieter im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit eine schwere Verfehlung in Form einer der in Art. 136 Abs. 1 Buchst. c Ziff. ii und v der Haushaltsordnung genannten Verhaltensweisen – Absprachen mit anderen Personen oder Stellen mit dem Ziel einer Wettbewerbsverzerrung oder der Versuch, vertrauliche Informationen über das Verfahren zu erhalten, durch die unzulässige Vorteile bei dem Vergabeverfahren erlangt werden könnten – begangen hat. |
64 |
Das zweite, in Art. 136 Abs. 4 Buchst. a in Verbindung mit Art. 135 Abs. 2 Buchst. a und Art. 136 Abs. 1 Buchst. c Ziff. ii und v der Haushaltsordnung vorgesehene Ausschlusskriterium entspricht den Situationen, in denen durch eine rechtskräftige Gerichts- oder eine bestandskräftige Verwaltungsentscheidung festgestellt wurde, dass eine natürliche oder juristische Person, die Mitglied des Verwaltungs‑, Leitungs- oder Aufsichtsorgans des Bieters ist oder bezüglich dieses Bieters Vertretungs‑, Beschluss- oder Kontrollbefugnisse hat, im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit eine schwere Verfehlung in Form einer der in Art. 136 Abs. 1 Buchst. c Ziff. ii und v der Haushaltsordnung genannten Verhaltensweisen begangen hat. |
65 |
Das dritte, in Art. 136 Abs. 2 Unterabs. 1 in Verbindung mit Art. 135 Abs. 2 Buchst. a, Art. 136 Abs. 1 Buchst. c Ziff. ii und v sowie Art. 143 Abs. 6 Buchst. a der Haushaltsordnung vorgesehene Ausschlusskriterium entspricht den Situationen, in denen in Ermangelung einer rechtskräftigen Gerichts- oder einer bestandskräftigen Verwaltungsentscheidung durch eine in der Empfehlung des in Art. 143 der Haushaltsordnung genannten Gremiums (im Folgenden: Gremium) enthaltene vorläufige rechtliche Bewertung festgestellt worden ist, dass der Bieter im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit eine schwere Verfehlung in Form einer der in Art. 136 Abs. 1 Buchst. c Ziff. ii und v der Haushaltsordnung genannten Verhaltensweisen begangen hat. Nach Art. 135 Abs. 4 der Haushaltsordnung kann der öffentliche Auftraggeber eine Entscheidung über den Ausschluss eines Bieters auf der Grundlage einer vorläufigen rechtlichen Bewertung gemäß Art. 136 Abs. 2 nur dann treffen, wenn er zuvor eine Empfehlung des Gremiums eingeholt hat. |
66 |
Im vorliegenden Fall sind die oben in Rn. 63 genannten Voraussetzungen für die Anwendung des ersten Ausschlusskriteriums nicht erfüllt. Zwischen den Parteien ist nämlich unstreitig, dass es zum Zeitpunkt des streitigen wettbewerblichen Dialogs in Bezug auf ADS weder eine rechtskräftige Gerichts- noch eine bestandskräftige Verwaltungsentscheidung im Sinne von Art. 136 Abs. 1 Buchst. c der Haushaltsordnung gab. |
67 |
In Bezug auf das zweite Ausschlusskriterium ergibt sich aus den oben in Rn. 64 angeführten Bestimmungen der Haushaltsordnung, dass der Bieter nur dann ausgeschlossen werden kann, wenn die schwere Verfehlung im Rahmen der beruflichen Tätigkeit der natürlichen oder juristischen Person, die Mitglied seines Verwaltungs‑, Leitungs- oder Aufsichtsorgans ist, durch eine rechtskräftige Gerichts- oder eine bestandskräftige Verwaltungsentscheidung festgestellt wurde. |
68 |
Selbst wenn man davon ausgeht, dass der ehemalige Mitarbeiter als Mitglied des Verwaltungs‑, Leitungs- oder Aufsichtsorgans von ADS im Sinne von Art. 136 Abs. 4 Buchst. a der Haushaltsordnung angesehen werden könnte, ergibt sich aus der Akte aber keineswegs, dass in Bezug auf ihn eine rechtskräftige Gerichts- oder eine bestandskräftige Verwaltungsentscheidung vorliegt; die Klägerin hat dies im Übrigen nicht behauptet. Bezüglich des Verhaltens des ehemaligen Mitarbeiters geht aus der Akte nämlich hervor, dass das Verfahren, das durch die von der Klägerin bei der zuständigen Staatsanwaltschaft in Deutschland erstattete Strafanzeige eingeleitet worden war, mit Verfügung vom 10. Dezember 2020 eingestellt wurde und dass die von der Klägerin gegen diese Einstellungsentscheidung eingelegte Beschwerde am 1. März 2021 von der zuständigen Staatsanwaltschaft zurückgewiesen wurde. |
69 |
Folglich ist im vorliegenden Fall nicht dargetan worden, dass ein Verstoß gegen die oben in den Rn. 63 und 64 aufgeführten Ausschlusskriterien 1 und 2 vorliegt. |
70 |
In Bezug auf das dritte Ausschlusskriterium ist darauf hinzuweisen, dass der Ausschluss eines Bieters von einem Vergabeverfahren nur auf der Grundlage einer vorläufigen rechtlichen Bewertung seines Verhaltens erfolgen kann, die sich auf die festgestellten Sachverhalte oder Erkenntnisse aus der Empfehlung des Gremiums stützt (siehe oben, Rn. 65). |
71 |
Im vorliegenden Fall steht fest, dass die Kommission dieses Gremium nicht befasst hat. In Anbetracht dessen stellt sich die Frage, ob die Kommission aufgrund dessen unter Verstoß gegen das dritte Ausschlusskriterium ihre Pflichten aus Art. 136 Abs. 2 Unterabs. 1 und Art. 143 der Haushaltsordnung verletzt hat. |
72 |
Vorab bedarf es einiger Ausführungen zur Befassung des Gremiums und zur vorläufigen rechtlichen Bewertung, auf deren Grundlage ein Bieter von einem Ausschreibungsverfahren ausgeschlossen werden kann. |
73 |
Erstens besteht der Zweck einer Befassung des Gremiums, damit es eine Empfehlung abgibt, die gegebenenfalls eine vorläufige rechtliche Bewertung des Verhaltens eines Bieters enthält, auf deren Grundlage er von einem Ausschreibungsverfahren ausgeschlossen werden kann, im Schutz der finanziellen Interessen der Union vor Verhaltensweisen, die ein Risiko für diese Interessen darstellen. Insoweit bestimmt Art. 135 Abs. 1 Unterabs. 1 der Haushaltsordnung: „Zum Schutz der finanziellen Interessen der Union errichtet die Kommission ein Früherkennungs- und Ausschlusssystem und unterhält es.“ Gemäß Art. 135 Abs. 1 Unterabs. 2 der Haushaltsordnung soll dieses System u. a. Folgendes erleichtern: „a) die frühzeitige Erkennung von in Absatz 2 aufgeführten Personen oder Stellen, die ein Risiko für die finanziellen Interessen der Union darstellen“, und „b) den Ausschluss von in Absatz 2 aufgeführten Personen oder Stellen, auf die eine der in Artikel 136 Absatz 1 genannten Ausschlusssituationen zutrifft“. |
74 |
Zweitens ist die vorläufige rechtliche Bewertung gemäß Art. 135 Abs. 4 der Haushaltsordnung ausschließlich Sache des Gremiums, damit im Rahmen des Früherkennungs- und Ausschlusssystems „eine zentrale Bewertung solcher Situationen gewährleistet ist“. |
75 |
Drittens betrifft die vorläufige rechtliche Bewertung zwingend Verhaltensweisen der Bieter selbst. Sie kann, wie sich aus den oben in den Rn. 61 und 65 angeführten Bestimmungen ergibt, nur die in Art. 136 Abs. 1 Buchst. c, d, f, g und h der Haushaltsordnung genannten Sachverhalte oder Erkenntnisse und damit nur Verhaltensweisen der in ihrem Art. 135 Abs. 2 genannten Personen oder Stellen betreffen. |
76 |
Viertens betrifft die vorläufige rechtliche Bewertung Sachverhalte oder Erkenntnisse, die im Wesentlichen im Rahmen von Prüfungen oder Untersuchungen der zuständigen Behörden der Union oder gegebenenfalls der Mitgliedstaaten festgestellt wurden. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 142 Abs. 2 Buchst. b und c der Haushaltsordnung die Früherkennung drohender Gefahren für die finanziellen Interessen der Union auf der Grundlage der Übermittlung von Informationen an die Kommission insbesondere durch einen Anweisungsbefugten der Kommission, eines von ihr eingerichteten Europäischen Amtes oder einer Exekutivagentur (Art. 142 Abs. 2 Buchst. b der Haushaltsordnung) oder durch ein Unionsorgan, ein Europäisches Amt oder eine Agentur, die nicht in Art. 142 Abs. 2 Buchst. b der Haushaltsordnung genannt sind, erfolgt (Art. 142 Abs. 2 Buchst. c der Haushaltsordnung) (vgl. entsprechend Urteil vom 16. Mai 2019, Transtec/Kommission, T‑228/18, EU:T:2019:336, Rn. 52). |
77 |
Ferner bestimmt Art. 136 Abs. 2 Unterabs. 4 der Haushaltsordnung: „Die Sachverhalte und Erkenntnisse nach Unterabsatz 1 können insbesondere Folgendes umfassen:
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78 |
Fünftens muss der öffentliche Auftraggeber das in Art. 143 der Haushaltsordnung genannte Gremium nur dann befassen, wenn die festgestellten Sachverhalte, die ihm vorliegen, ausreichende Anhaltspunkte für die Vermutung der Schuld des Bieters darstellen. Wie das Gericht bereits entschieden hat, ergibt sich aus der Gesamtheit der oben genannten Bestimmungen, dass der öffentliche Auftraggeber, wenn er über ausreichende Anhaltspunkte für die Vermutung verfügt, dass dieser Bieter insbesondere eine schwere Verfehlung im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit begangen hat, das Gremium befassen muss, damit es eine Empfehlung abgibt, die gegebenenfalls eine vorläufige rechtliche Bewertung des streitigen Sachverhalts enthält (vgl. entsprechend Urteil vom 16. Mai 2019, Transtec/Kommission, T‑228/18, EU:T:2019:336, Rn. 53). |
79 |
Überdies ist darauf hinzuweisen, dass das für die Befassung des Gremiums geltende Erfordernis ausreichender Anhaltspunkte den Zielen eines Systems entspricht, das u. a. zur Früherkennung und zum Ausschluss von Bietern dient, deren Verhalten ein Risiko für die finanziellen Interessen der Union darstellt (siehe oben, Rn. 73). Dieses Erfordernis ergibt sich aus dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung und der Leistungsorientierung (vgl. Titel II Kapitel 7 der Haushaltsordnung), da es verhindert, dass ein Vergabeverfahren ohne triftigen Grund verzögert wird. Zudem folgt dieses Erfordernis aus der Rolle des Gremiums, das nicht mit der Vornahme von Untersuchungen betraut ist, sondern eine Empfehlung abzugeben hat, die gegebenenfalls eine vorläufige rechtliche Bewertung von Sachverhalten oder Erkenntnissen enthält, die zuvor im Rahmen von Prüfungen oder Untersuchungen der zuständigen Behörden, insbesondere der Union, festgestellt wurden (siehe oben, Rn. 76). Schließlich ergibt sich das Erfordernis ausreichender Anhaltspunkte aus der Tragweite der vorläufigen rechtlichen Bewertung, da sie das Verhalten eines Bieters im Fall des Fehlens einer rechtskräftigen Gerichts- oder einer bestandskräftigen Verwaltungsentscheidung betrifft (siehe oben, Rn. 65) und sich folglich nicht auf einen bloßen Verdacht stützen kann. |
80 |
Angesichts all dessen ist zu prüfen, ob die Kommission im vorliegenden Fall verpflichtet war, das Gremium zu befassen, damit es eine Empfehlung abgibt, die gegebenenfalls eine vorläufige rechtliche Bewertung des Verhaltens von ADS enthält. Somit ist zu prüfen, ob die Kommission über ausreichende Anhaltspunkte dafür verfügte, dass ADS im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit eine schwere, die finanziellen Interessen der Union bedrohende Verfehlung begangen hatte, einschließlich insbesondere einer Absprache mit anderen Personen oder Stellen mit dem Ziel einer Wettbewerbsverzerrung oder des Versuchs, vertrauliche Informationen über das Verfahren zu erhalten, durch die sie bei dem streitigen wettbewerblichen Dialog unzulässige Vorteile hätte erlangen können. |
81 |
Im vorliegenden Fall ergibt sich aus der Akte und den mündlichen Ausführungen der Hauptparteien, dass der Kommission in Bezug auf ein mutmaßlich rechtswidriges Verhalten von ADS nur das Schreiben vom 23. Dezember 2020 vorlag. Darin beantragte die Klägerin bei der Kommission im Wesentlichen, den streitigen wettbewerblichen Dialog wegen eines „Verdachts auf Verletzung [ihrer] Geschäftsgeheimnisse durch einen Mitarbeiter von [ADS]“, der sich ihrer Ansicht nach aus den Tatsachen ergab, die sie der Kommission zur Kenntnis gebracht hatte, auszusetzen, eine Untersuchung durchzuführen und ADS gegebenenfalls von dem streitigen wettbewerblichen Dialog auszuschließen (siehe oben, Rn. 15). |
82 |
Insoweit ist zunächst zu beachten, dass das oben in Rn. 16 wiedergegebene Vorbringen der Klägerin im Schreiben vom 23. Dezember 2020 nicht unter die von Art. 136 Abs. 2 Unterabs. 4 Buchst. a bis e der Haushaltsordnung erfassten Sachverhalte und Erkenntnisse fällt. |
83 |
Sodann ist festzustellen, dass die Klägerin zwar ein bei den zuständigen nationalen Behörden laufendes Untersuchungsverfahren in Bezug auf den fraglichen Sachverhalt angeführt hat, doch war dieses Verfahren die Folge ihrer Strafanzeige wegen einer Verletzung von Rechtsvorschriften der Bundesrepublik Deutschland über Geschäftsgeheimnisse, die von ihrem ehemaligen Mitarbeiter und nicht von ADS begangen worden sein soll (siehe oben, Rn. 16). |
84 |
Die in Art. 136 Abs. 2 der Haushaltsordnung vorgesehene vorläufige rechtliche Bewertung und damit die Befassung des Gremiums kann aber nur Verhaltensweisen der Bieter selbst betreffen (siehe oben, Rn. 75). Folglich kann das im Schreiben vom 23. Dezember 2020 genannte, dem ehemaligen Mitarbeiter zugeschriebene Verhalten keinen für die Befassung des Gremiums ausreichenden Anhaltspunkt darstellen. |
85 |
Schließlich ist festzustellen, dass dem Schreiben vom 23. Dezember 2020 kein Beweisstück beigefügt war, mit dem sich das darin enthaltene Vorbringen substantiieren ließe. |
86 |
Infolgedessen konnten die Ausführungen im Schreiben vom 23. Dezember 2020 nicht als festgestellte Sachverhalte oder Erkenntnisse angesehen werden, die ausreichende, eine Befassung des Gremiums rechtfertigende Anhaltspunkte für eine Vermutung der Schuld von ADS darstellen könnten. |
87 |
In diesem Zusammenhang ist zu prüfen, ob die Kommission gleichwohl verpflichtet war, wegen des Vorbringens im Schreiben vom 23. Dezember 2020 Untersuchungen anzustellen. |
88 |
Insoweit ist zum einen festzustellen, dass die Klägerin im Schreiben vom 23. Dezember 2020 kein Verhalten von ADS selbst erwähnte, abgesehen davon, dass ADS ihren ehemaligen Mitarbeiter eingestellt hatte (siehe oben, Rn. 16). Im Prinzip stellt aber die Tatsache, dass ein Bieter während eines Ausschreibungsverfahrens den ehemaligen Mitarbeiter eines anderen Bieters eingestellt hat, für sich allein keinen Anhaltspunkt für ein Verhalten des erstgenannten Bieters dar, bei dem es sich um eine schwere Verfehlung im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit handeln könnte. Die Teilnahme an einem Ausschreibungsverfahren kann die Bieter (und ihre Angestellten oder ehemaligen Angestellten) vielmehr nicht daran hindern, während dieses Verfahrens ihre Rechte auszuüben, Arbeitsverträge abzuschließen oder arbeitsrechtlich relevante Handlungen vorzunehmen. |
89 |
Zum anderen ging es im Schreiben vom 23. Dezember 2020 um bestimmte Verhaltensweisen nicht von ADS, sondern des ehemaligen Mitarbeiters der Klägerin. Im Einzelnen führte die Klägerin an, dass auf dem Computer ihres ehemaligen Mitarbeiters ein an den Executive Vice-President (geschäftsführenden Vizepräsidenten) von ADS gerichtetes Bewerbungsschreiben vom 21. Juni 2019 gefunden worden sei, in dem der ehemalige Mitarbeiter u. a. darauf hingewiesen habe, dass sein Wechsel von ihr zu ADS „auch die Perspektiven und die Wettbewerbsposition [der Klägerin] gegenüber [ADS] bei künftigen Akquisitionszielen verändern [könnte]“. Die Klägerin machte in ihrem Schreiben vom 23. Dezember 2020 ferner geltend, die Untersuchung des Computers des ehemaligen Mitarbeiters habe gezeigt, dass er relevante Daten, die er im Rahmen der Vorbereitung ihres Angebots für den streitigen wettbewerblichen Dialog erhalten habe – technische Details und Konzepte, Angebotsstrategien, die Evaluierung der Wettbewerbsfähigkeit, Preisstrategien und Preisdetails –, kopiert haben könne. Die Klägerin fügte hinzu, ADS habe den ehemaligen Mitarbeiter schon im April 2020, wenige Monate nach seiner Einstellung, mit der Leitung der mit dem streitigen wettbewerblichen Dialog befassten Einheit „Head of Space Systems Germany“ betraut, wo er die gleichen Aufgaben wahrgenommen habe wie zuvor bei ihr. |
90 |
Mit diesem Vorbringen machte die Klägerin im Wesentlichen geltend, ihr ehemaliger Mitarbeiter habe ihr Geschäftsgeheimnis dadurch verletzt, dass er sich rechtswidrig sensible Informationen über sie beschafft habe, die geeignet gewesen seien, ADS im streitigen wettbewerblichen Dialog einen unzulässigen Vorteil zu verschaffen (siehe oben, Rn. 16). |
91 |
Ein solcher Verstoß – sein Vorliegen unterstellt – wäre aber jedenfalls kein Anhaltspunkt für ein Verhalten von ADS selbst und daher nicht geeignet, die Vermutung zu begründen, dass ADS sich schuldhaft verhalten hatte. |
92 |
Des Weiteren ist festzustellen, dass die Klägerin im Schreiben vom 23. Dezember 2020 kein konkretes Argument zum Nachweis dafür vorgetragen hat, dass ADS insbesondere von dem ehemaligen Mitarbeiter sensible Informationen erhalten und sie im Rahmen des streitigen wettbewerblichen Dialogs verwendet hatte. In ihrem Schreiben beschränkte sich die Klägerin vielmehr auf die Behauptung, dass ADS sensible Informationen über sie erhalten haben könnte, die ihr im Rahmen des streitigen wettbewerblichen Dialogs einen unzulässigen Vorteil hätten verschaffen können (siehe oben, Rn. 16). Diese vage und hypothetische Behauptung kann keinen ausreichenden Anhaltspunkt im Sinne der oben in Rn. 78 angeführten Rechtsprechung darstellen. |
93 |
Das Schreiben vom 23. Dezember 2020 enthielt nämlich keine konkreten Angaben, mit denen sich mutmaßlich sensible Informationen über die Klägerin identifizieren ließen, die der ehemalige Mitarbeiter erhalten und ADS übermittelt haben könnte und die von ADS im Rahmen des streitigen wettbewerblichen Dialogs hätten verwendet werden können, wodurch ihr ein unzulässiger Vorteil verschafft worden wäre. In dem Schreiben wies die Klägerin nur darauf hin, dass der ehemalige Mitarbeiter an der „Strategie“ des technischen Teils und der „Strategie“ in Bezug auf den Preis und die Preiskalkulation für ihr Angebot beteiligt gewesen sei. Dieses sehr allgemein gehaltene Vorbringen enthält keinen konkreten Anhaltspunkt, der es erlauben würde, etwaige mutmaßlich sensible Informationen zu identifizieren. |
94 |
Insbesondere erwähnt die Klägerin im Schreiben vom 23. Dezember 2020 keinen technischen Aspekt ihres Angebots, den ihr ehemaliger Mitarbeiter ADS übermittelt haben soll und der von ADS im streitigen wettbewerblichen Dialog in unzulässiger Weise verwendet worden wäre. Desgleichen wird die „Strategie“ hinsichtlich des Preises ihres Angebots, von der der ehemalige Mitarbeiter Kenntnis haben soll, in dem Schreiben nicht näher erläutert. |
95 |
Zudem ergibt sich aus dem Schreiben vom 23. Dezember 2020, dass der ehemalige Mitarbeiter bei der Klägerin kurze Zeit nach der Abgabe ihres überarbeiteten Angebots im Rahmen der zweiten Phase des streitigen wettbewerblichen Dialogs ausgeschieden war. Somit konnte der ehemalige Mitarbeiter jedenfalls weder Informationen über den Dialog zwischen der Klägerin und der ESA in der dritten Phase haben noch über den Inhalt des endgültigen Angebots der Klägerin, das im Oktober 2020 eingereicht wurde, also fast ein Jahr, nachdem der ehemalige Mitarbeiter die Klägerin verlassen hatte (siehe oben, Rn. 13 und 16). Ferner ergibt sich aus der Akte und den Antworten der Kommission auf Fragen des Gerichts in der mündlichen Verhandlung, dass die „Vergabebedingungen für die Aufforderung zur Einreichung eines endgültigen Angebots“, die den Bietern im August 2020 übersandt wurden (siehe oben, Rn. 13), Änderungen gegenüber den vorherigen „Vergabebedingungen für die Aufforderung zur Einreichung eines überarbeiteten Angebots“ enthielten. Insbesondere wurde die Lieferfrist für die Satelliten um fast ein Jahr verkürzt, die Frist für die Ausübung der Option für den Erwerb weiterer, über die ursprüngliche Zahl hinausgehender Satelliten durch den öffentlichen Auftraggeber (siehe oben, Rn. 7) um 14 Monate verlängert und die Eignung bestimmter Satelliten für einen Einzel- oder Doppelstart geändert. Solche Änderungen können ihrer Natur nach nicht ohne Auswirkungen auf die technischen und finanziellen Bedingungen bleiben, von denen die Bieter in ihren endgültigen Angeboten ausgehen. |
96 |
Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die Kommission nicht verpflichtet war, Untersuchungen zu dem im Schreiben vom 23. Dezember 2020 enthaltenen Vorbringen anzustellen, da dieses Vorbringen – seine Stichhaltigkeit unterstellt – keine ausreichenden Anhaltspunkte bot, um die Vermutung zu begründen, dass ADS sich schuldhaft verhalten hatte, was die Befassung des Gremiums gerechtfertigt hätte. |
97 |
Diese Beurteilung wird durch das Vorbringen der Klägerin, die ESA habe ADS erst am 29. Januar 2021, also nach Erlass der angefochtenen Beschlüsse, um Informationen über den ehemaligen Mitarbeiter ersucht, nicht in Frage gestellt. Abgesehen davon, dass sich dieses Ersuchen an ein zweites Schreiben der Klägerin vom 28. Januar 2021 (siehe oben, Rn. 23), das somit seinerseits jüngeren Datums ist als die angefochtenen Beschlüsse, anschloss, ändert dies nämlich nichts daran, dass der Umstand, dass ADS nach Erlass der angefochtenen Beschlüsse um Informationen ersucht wurde, keine Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit der Beschlüsse hat, da keine Pflicht zur Befassung des Gremiums bestand (siehe oben, Rn. 86) und da das Vorbringen der Klägerin keinen Bereich betraf, für den es Untersuchungsbefugnisse der Organe, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union gibt (siehe oben, Rn. 96). |
98 |
Ferner weist die Kommission zutreffend darauf hin, dass die Klägerin ihr ihren Verdacht erst im Schreiben vom 23. Dezember 2020 mitteilte, obwohl sie bereits im November 2019 die Untersuchung des Computers des ehemaligen Mitarbeiters angeordnet hatte, wie sie in der Klageschrift einräumt, und bereits im März 2020 bei den zuständigen deutschen Behörden Strafanzeige gegen den ehemaligen Mitarbeiter erstattet hatte (siehe oben, Rn. 16). In diesem Zeitraum (November 2019 bis Dezember 2020) ging der streitige wettbewerbliche Dialog von seiner zweiten Phase in seine dritte Phase über, die im August 2020 begann, und im Oktober 2020 reichte die Klägerin ihr endgültiges Angebot ein (siehe oben, Rn. 13). Dieses Verhalten der Klägerin zeigt, dass sie selbst – zumindest während eines längeren Zeitraums und auch bei der Einreichung ihres endgültigen Angebots – nicht davon ausging, dass das mutmaßliche Verhalten des ehemaligen Mitarbeiters ADS im Rahmen des streitigen wettbewerblichen Dialogs einen unzulässigen Vorteil verschaffen konnte. |
99 |
Nach alledem hat die Kommission nicht gegen ihre Pflicht zur Befassung des Gremiums verstoßen und erst recht nicht das oben in Rn. 65 genannte dritte Ausschlusskriterium verletzt. |
100 |
Mithin ist der erste Teil des ersten Klagegrundes als unbegründet zurückzuweisen. [nicht wiedergegeben] |
Zum zweiten Klagegrund: Verletzung der Pflicht zur Prüfung ungewöhnlich niedriger Angebote
113 |
Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, die Kommission habe gegen Anhang I Kapitel 1 Abschnitt 2 Nrn. 23.1 und 23.2 der Haushaltsordnung verstoßen, denn sie habe nicht die beiden darin vorgesehenen Schritte befolgt, um sich zu vergewissern, dass das endgültige Angebot von ADS nicht ungewöhnlich niedrig gewesen sei, obwohl hierfür Anhaltspunkte vorgelegen hätten. Das endgültige Angebot von ADS weise nämlich einen erheblich niedrigeren Preis auf als die endgültigen Angebote von TASI und ihr; daher hätte sich die Kommission nicht auf die Angabe beschränken dürfen, dass ihr dieses Angebot nicht ungewöhnlich niedrig erscheine. |
114 |
Die Kommission und die Streithelferinnen treten diesem Vorbringen entgegen. |
115 |
Nach Anhang I Kapitel 1 Abschnitt 2 Nr. 23.1 Abs. 1 der Haushaltsordnung verlangt der öffentliche Auftraggeber, wenn die bei einem bestimmten Vertrag im Angebot vorgeschlagenen Preise oder Kosten ungewöhnlich niedrig zu sein scheinen, schriftlich Aufklärung über die wesentlichen Bestandteile der Preise oder Kosten, die er für relevant hält, und gibt dem Bieter Gelegenheit zur Stellungnahme. Nach Anhang I Kapitel 1 Abschnitt 2 Nr. 23.2 der Haushaltsordnung lehnt der öffentliche Auftraggeber das Angebot nur dann ab, wenn die beigebrachten Nachweise das niedrige Niveau des vorgeschlagenen Preises bzw. der vorgeschlagenen Kosten nicht zufriedenstellend erklären. |
116 |
Aus den genannten Bestimmungen ergibt sich, dass das Vorliegen ungewöhnlich niedriger Angebote vom öffentlichen Auftraggeber in zwei Schritten geprüft wird (vgl. entsprechend Urteil vom 4. Juli 2017, European Dynamics Luxembourg u. a./Eisenbahnagentur der Europäischen Union, T‑392/15, EU:T:2017:462, Rn. 87). |
117 |
Im ersten Schritt muss der öffentliche Auftraggeber prüfen, ob die eingereichten Angebote ungewöhnlich niedrig zu sein „scheinen“ (vgl. Anhang I Kapitel 1 Abschnitt 2 Nr. 23.1 der Haushaltsordnung). Die Verwendung des Verbs „scheinen“ in der Haushaltsordnung bedeutet, dass der öffentliche Auftraggeber eine Prima-facie-Prüfung der Frage vornimmt, ob ein Angebot ungewöhnlich niedrig ist. Die Haushaltsordnung schreibt daher dem öffentlichen Auftraggeber nicht vor, von Amts wegen die Einzelpositionen jedes Angebots eingehend zu prüfen, um festzustellen, ob es nicht ungewöhnlich niedrig ist. Somit muss der öffentliche Auftraggeber im ersten Schritt nur feststellen, ob die eingereichten Angebote einen Hinweis enthalten, der den Verdacht erwecken kann, dass sie ungewöhnlich niedrig sein könnten (vgl. entsprechend Urteil vom 4. Juli 2017, European Dynamics Luxembourg u. a./Eisenbahnagentur der Europäischen Union, T‑392/15, EU:T:2017:462, Rn. 88). |
118 |
Im zweiten Schritt hat der öffentliche Auftraggeber, falls Hinweise vorliegen, die den Verdacht erwecken können, dass ein Angebot ungewöhnlich niedrig sein könnte, die Einzelpositionen des Angebots zu prüfen, um sich zu vergewissern, dass es nicht ungewöhnlich niedrig ist. Wenn der öffentliche Auftraggeber diese Prüfung vornimmt, muss er es dem Bieter, von dem das Angebot stammt, ermöglichen, die Gründe darzulegen, aus denen er der Ansicht ist, dass sein Angebot nicht ungewöhnlich niedrig ist. Sodann hat der öffentliche Auftraggeber die gegebenen Erläuterungen zu beurteilen und festzustellen, ob das in Rede stehende Angebot ungewöhnlich niedrig ist; trifft dies zu, muss er es ablehnen (vgl. entsprechend Urteil vom 4. Juli 2017, European Dynamics Luxembourg u. a./Eisenbahnagentur der Europäischen Union, T‑392/15, EU:T:2017:462, Rn. 89). |
119 |
Der Begriff „ungewöhnlich niedriges Angebot“ wird in der Haushaltsordnung nicht definiert. Nach der Rechtsprechung ist das Vorliegen eines ungewöhnlich niedrigen Angebots anhand der Einzelposten des Angebots und der betreffenden Leistung zu beurteilen (vgl. entsprechend Urteil vom 16. Mai 2019, Transtec/Kommission, T‑228/18, EU:T:2019:336, Rn. 69 [nicht veröffentlicht] und die dort angeführte Rechtsprechung). |
120 |
Ferner ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass Hinweise, die den Verdacht erwecken können, dass ein Angebot ungewöhnlich niedrig sein könnte, u. a. dann vorliegen können, wenn es ungewiss erscheint, ob ein Angebot die Rechtsvorschriften im Bereich der Vergütung des Personals, der Sozialversicherungsbeiträge, der Einhaltung der Bestimmungen über die Sicherheit und den Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz und des Verkaufs unter Selbstkosten des Landes beachtet, in dem die Leistungen erbracht werden müssten, und ob der angebotene Preis alle mit den technischen Aspekten des Angebots einhergehenden Kosten umfasst. Gleiches gilt, wenn der in einem eingereichten Angebot angeführte Preis erheblich niedriger ist als der Preis bei den anderen eingereichten Angeboten oder als der übliche Marktpreis (vgl. Urteil vom 16. Mai 2019, Transtec/Kommission, T‑228/18, EU:T:2019:336, Rn. 72 [nicht veröffentlicht] und die dort angeführte Rechtsprechung). |
121 |
Die Klägerin macht geltend, der Unterschied zwischen dem Preis des endgültigen Angebots von ADS und den Preisen der endgültigen Angebote der übrigen Bieter stelle einen Hinweis dar, der den Verdacht habe erwecken können, dass das Angebot von ADS ungewöhnlich niedrig sein könnte; dies hätte die Kommission dazu veranlassen müssen, die Einzelposten dieses Angebots zu überprüfen, um sich zu vergewissern, dass es nicht ungewöhnlich niedrig sei. |
122 |
Im vorliegenden Fall ergibt sich aus der Akte, dass die Kommission dem Angebot von ADS auf der Grundlage der vom Evaluierungsausschuss vorgenommenen Einstufung der Angebote den Zuschlag erteilt hat (siehe oben, Rn. 17). Aus der Erteilung des Zuschlags für das Angebot von ADS folgt implizit, aber zwangsläufig, dass die Kommission ebenso wie der Evaluierungsausschuss keine Hinweise dafür sah, dass dieses Angebot ungewöhnlich niedrig war, so dass kein Anlass bestand, Aufklärung über seine Einzelposten zu verlangen. Diese Beurteilung wird durch das Vorbringen der Klägerin nicht in Frage gestellt. |
123 |
Erstens trifft es zwar zu, dass zwischen den Preisen im Angebot von ADS (707679174,75 Euro) und in den Angeboten von TASI (804127000 Euro) und der Klägerin (822786000 Euro) ein Unterschied von 11,99 % bzw. 13,9 % besteht. Nach der Rechtsprechung kann jedoch der bloße Umstand, dass der Preis des Angebots des erfolgreichen Bieters niedriger ist als der des Angebots eines anderen Bieters, als solcher nicht belegen, dass das Angebot des erfolgreichen Bieters ungewöhnlich niedrig ist. Ein Angebot kann nämlich günstiger sein als ein anderes, ohne ungewöhnlich niedrig zu sein (vgl. Urteil vom 26. Januar 2017, TV1/Kommission, T‑700/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:35, Rn. 58 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
124 |
So verhält es sich hier. Der Unterschied zwischen dem Preis des endgültigen Angebots von ADS und dem der übrigen eingereichten Angebote kann für sich allein angesichts der Besonderheiten des betreffenden Auftrags kein Hinweis dafür sein, dass das Angebot von ADS ungewöhnlich niedrig ist. |
125 |
Zum einen ist nämlich darauf hinzuweisen, dass das Ausschreibungsverfahren in Form eines wettbewerblichen Dialogs eingeleitet wurde, da die Kommission bereits ihren Bedarf, nicht aber die genauen zu dessen Deckung am besten geeigneten Mittel ermittelt und festgelegt hatte (siehe oben, Rn. 6). Folglich hingen die Preise der Angebote weitgehend von den verschiedenen technischen Lösungen und Mitteln ab, die der jeweilige Bieter vorschlug, und damit von den jeweiligen Kosten. |
126 |
Zum anderen betraf der streitige wettbewerbliche Dialog den Erwerb von Produkten, für die es keinen Marktpreis gab. Wie die Hauptparteien in der mündlichen Verhandlung auf Frage des Gerichts anerkannt haben, ergibt sich aus den besonderen Merkmalen von Satelliten, dass es sich bei ihnen nicht um Güter handelt, für die ein Standardpreis oder ein Marktpreis gefunden werden kann. Zudem handelte es sich hier um die Beschaffung von Satelliten mit weiterentwickelten Spezifikationen, die für den Übergang von der ersten Generation der Galileo-Satelliten zur zweiten Generation sorgen sollen (siehe oben, Rn. 7), und somit um Satelliten, für die es noch keinen Marktpreis geben konnte. |
127 |
Zweitens bringt die Klägerin neben dem Preisunterschied nichts Konkretes zur Stützung ihrer Behauptung vor, dass das Angebot von ADS ungewöhnlich niedrig hätte erscheinen müssen. Insbesondere macht sie nicht geltend, dass die Rechtsvorschriften des Landes, in dem die Dienstleistungen erbracht werden sollten, nicht eingehalten worden seien oder dass in den von ADS angebotenen Preis nicht alle durch die technischen Aspekte ihres Angebots verursachten Kosten eingeflossen seien. Jedenfalls ist festzustellen, dass der Akteninhalt die Behauptung der Klägerin nicht stützt. |
128 |
Der Zuschlag für den Auftrag sollte nämlich dem wirtschaftlich günstigsten Angebot erteilt werden, wobei das Preiskriterium mit 35 % gewichtet wurde und das Qualitätskriterium mit 65 % (siehe oben, Rn. 8). Das endgültige Angebot von ADS nahm jedoch sowohl beim Preiskriterium als auch beim Qualitätskriterium einen höheren Rang ein als das der Klägerin (siehe oben, Rn. 22). |
129 |
Ferner geht aus den Unterlagen mit den Beschreibungen des streitigen wettbewerblichen Dialogs, in denen die für jede seiner drei Phasen (siehe oben, Rn. 10, 12 und 13) geltenden Bedingungen enthalten sind, hervor, dass die Angebote einen dem technischen Vorschlag entsprechenden finanziellen Vorschlag und detaillierte Finanzdaten, insbesondere getrennte Kostenvoranschläge, enthalten mussten. |
130 |
Insoweit geht aus der Akte hervor, dass im Evaluierungsausschuss in Bezug auf die Evaluierung des Angebots von ADS anhand des vierten Unterkriteriums des Qualitätskriteriums, das die Angemessenheit der Verwaltung, der Kostenberechnung und der Planung der Ausführung der Arbeiten betraf (siehe oben, Rn. 8), keine Bedenken geäußert wurden. Aus dem Schreiben vom 19. Januar 2021 und dem Fax vom 22. Januar 2021 (siehe oben, Rn. 18 und 21) ergibt sich vielmehr, dass das Angebot von ADS bei diesem Unterkriterium den zweiten Rang einnahm. |
131 |
Des Weiteren ergibt sich aus der schriftlichen Antwort der Kommission vom 29. Oktober 2022 auf eine Frage des Gerichts im Rahmen der prozessleitenden Maßnahmen vom 17. Oktober 2022 sowie aus dem dieser Antwort beigefügten Dokument, zu denen die Klägerin in der mündlichen Verhandlung Stellung genommen hat, dass die in den Angeboten der Bieter enthaltenen Finanzdaten von den Bietern in Form von Standarddateien vorgelegt wurden. Zunächst wurden diese Dateien im Evaluierungsausschuss mit Hilfe einer für die Gesamtbeurteilung der Preisbestandteile in den Angeboten entwickelten, als „ESA Costing Software (ECOS)“ bezeichneten Software geprüft. Sodann wurde u. a. für das endgültige Angebot von ADS auf der Grundlage der Analyse durch diese Software eine Übersichtstabelle erstellt, die 21 Unterkategorien von Preisbestandteilen enthält, u. a. die Kosten für Arbeitskräfte und verschiedene technische Elemente sowie eine Gewinnmarge. Schließlich wurden die in den eingereichten Angeboten enthaltenen Finanzdaten – einschließlich der Daten im endgültigen Angebot von ADS – von einem aus 14 Mitgliedern bestehenden Unterausschuss des Evaluierungsausschusses bewertet, der mit der Evaluierung des oben genannten vierten Unterkriteriums betraut war. |
132 |
Demnach ist im vorliegenden Fall nicht dargetan worden, dass Hinweise vorlagen, die bei der Kommission den Verdacht erwecken konnten, dass das Angebot von ADS ungewöhnlich niedrig sein könnte. Folglich war die Kommission nicht zu einer Überprüfung der Einzelposten des Angebots von ADS im Sinne der oben in Rn. 118 angeführten Rechtsprechung verpflichtet, um sich zu vergewissern, dass das Angebot nicht ungewöhnlich niedrig war. |
133 |
Somit hat die Kommission ihre Pflichten hinsichtlich der Prüfung ungewöhnlich niedriger Angebote entgegen dem Vorbringen der Klägerin nicht verletzt. |
134 |
Überdies hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, sie habe mit ihrem Vorbringen, die Kommission habe sich nicht auf die Angabe beschränken dürfen, dass ihr das Angebot von ADS nicht ungewöhnlich niedrig erscheine, einen Begründungsmangel geltend machen wollen. |
135 |
Die Klägerin trägt jedoch kein eigenständiges Argument zur Stützung dieser Rüge eines gerügten Begründungsmangels vor, sondern wirft der Kommission lediglich vor, nicht geprüft zu haben, ob ungewöhnlich niedrige Angebote vorliegen; dies stellt keine Rüge der Verletzung wesentlicher Formvorschriften – insbesondere eines Begründungsmangels der angefochtenen Beschlüsse – dar, sondern betrifft die Begründetheit dieser Beschlüsse. Wie sich oben aus Rn. 132 ergibt, kann diese Rüge, mit der ein Verstoß der Kommission gegen ihre Pflichten hinsichtlich der Prüfung ungewöhnlich niedriger Angebote geltend gemacht wird, aber keinen Erfolg haben. |
136 |
Der zweite Klagegrund ist daher als unbegründet zurückzuweisen. [nicht wiedergegeben] |
Zum vierten Klagegrund: Verletzung der Pflicht der Kommission zur eigenständigen Entscheidung über die Auftragsvergabe
216 |
Die Klägerin trägt im Wesentlichen vor, die Kommission habe ihre Pflicht zur eigenständigen Entscheidung über die Auftragsvergabe dadurch verletzt, dass sie die Ergebnisse des Evaluierungsberichts lediglich bestätigt habe. Aus der Verantwortung für das Galileo‑Programm, die die Kommission gemäß Art. 12 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1285/2013 trage, folge für sie die Pflicht, im Rahmen des streitigen wettbewerblichen Dialogs eine eigenständige Entscheidung über die Auftragsvergabe zu treffen. Die gemäß Art. 15 der Verordnung zwischen der Kommission und der ESA geschlossenen Übertragungsvereinbarungen könnten diese Verantwortung der Kommission weder einschränken noch modifizieren. Außerdem sei die Kommission nicht an den Vorschlag im Evaluierungsbericht gebunden und müsse die Angebote der Bieter selbst prüfen, zumal es im vorliegenden Fall Anzeichen für eine fehlerhafte Beurteilung durch den Evaluierungsausschuss gebe, was die Kommission zu einer sorgfältigen Prüfung des Berichts hätte veranlassen müssen. |
217 |
Die Kommission, unterstützt durch ADS, und die Italienische Republik treten diesem Vorbringen entgegen. |
218 |
Erstens ist das Vorbringen der Klägerin zur Verantwortung der Kommission im Rahmen des Galileo‑Programms zurückzuweisen. |
219 |
Es trifft zwar zu, dass die Kommission die Gesamtverantwortung für das Galileo‑Programm trägt und dass sie für dessen Errichtungsphase eine Übertragungsvereinbarung mit der ESA zu schließen hat, in der die Aufgaben der ESA, insbesondere in Bezug auf die Vergabe das System betreffender Aufträge, genau aufgeführt werden. Im Rahmen dieser zwischen der Kommission und der ESA geschlossenen Übertragungsvereinbarung war die ESA, die im Namen und Auftrag der Kommission handelte, mit der Durchführung des streitigen wettbewerblichen Dialogs betraut, während die Kommission der öffentliche Auftraggeber blieb (siehe oben, Rn. 4 und 5). |
220 |
Entgegen der von der Klägerin offenbar vertretenen Auffassung kann die Verantwortung für das Galileo‑Programm die Pflichten der Kommission als öffentlicher Auftraggeber jedoch weder ändern noch erweitern; es bleibt bei den allgemein in Titel VII der Haushaltsordnung und, insbesondere hinsichtlich der im Rahmen der Errichtung des Galileo‑Programms vergebenen öffentlichen Aufträge, in Kapitel V der Verordnung Nr. 1285/2013 vorgesehenen Pflichten. |
221 |
Zweitens ist das Vorbringen der Klägerin, mit dem sie die Verletzung einer Pflicht der Kommission zur eigenständigen Entscheidung über die Auftragsvergabe rügt, zurückzuweisen. |
222 |
Zunächst ist festzustellen, dass nach Art. 150 Abs. 1 und 2 der Haushaltsordnung die im Rahmen einer Ausschreibung eingereichten Angebote von einem Evaluierungsausschuss bewertet werden, der vom öffentlichen Auftraggeber benannt wird. Der öffentliche Auftraggeber kann nur in den in Art. 168 Abs. 5 der Haushaltsordnung vorgesehenen Fällen darauf verzichten, einen Evaluierungsausschuss einzusetzen. Sodann ergibt sich aus Anhang I Kapitel 1 Abschnitt 2 Nr. 30.1 der Haushaltsordnung, dass das Ergebnis der Evaluierung durch den Evaluierungsausschuss ein Evaluierungsbericht mit dem Vorschlag für die Auftragsvergabe ist. Schließlich trifft der öffentliche Auftraggeber gemäß Anhang I Kapitel 1 Abschnitt 2 Nr. 30.3 der Haushaltsordnung seine Entscheidung, indem er den Evaluierungsbericht genehmigt, indem er gegebenenfalls begründet, weshalb er der im Evaluierungsbericht abgegebenen Empfehlung nicht folgt, oder indem er gegebenenfalls eine Begründung für den Verzicht auf die Vergabe des Auftrags gibt. |
223 |
Daraus folgt zum einen, dass es in Fällen, in denen der öffentliche Auftraggeber einen Evaluierungsausschuss eingesetzt hat, diesem Ausschuss obliegt, die Evaluierung der eingereichten Angebote vorzunehmen. Zum anderen trifft es zwar zu, dass der öffentliche Auftraggeber nicht an den Evaluierungsbericht gebunden ist, doch darf er in den Fällen, in denen er beschließt, dem darin formulierten Vergabevorschlag zu folgen, seine Vergabeentscheidung auf den Bericht stützen. |
224 |
Im vorliegenden Fall wurden die endgültigen Angebote der Bieter von einem aus Vertretern der ESA, der GSA und der Kommission bestehenden Evaluierungsausschuss evaluiert, der die Ergebnisse seiner Evaluierung in einem Evaluierungsbericht darlegte, auf dessen Grundlage die Kommission die angefochtenen Beschlüsse erließ (siehe oben, Rn. 14 und 17). Ferner bestand dieser Ausschuss, wie die Kommission ausführt, ohne dass ihr die Klägerin widersprochen hätte, aus einer Gruppe von etwa 70 Personen, die über die im Hinblick auf den Gegenstand des Auftrags erforderliche Erfahrung und Kompetenz verfügten. |
225 |
Daher ändert der Umstand, dass die angefochtenen Beschlüsse unter Bezugnahme auf den Evaluierungsbericht begründet wurden, wobei sich die Kommission die Begutachtung des mit der Evaluierung der eingereichten Angebote betrauten Evaluierungsausschusses zu eigen machte, nichts daran, dass diese Beschlüsse von der Kommission in ihrer Eigenschaft als öffentlicher Auftraggeber eigenständig erlassen wurden. [nicht wiedergegeben] |
Aus diesen Gründen hat DAS GERICHT (Sechste Kammer) für Recht erkannt und entschieden: |
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Costeira Kancheva Zilgalvis Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 26. April 2023. Unterschriften |
( *1 ) Verfahrenssprache: Deutsch.
( 1 ) Es werden nur die Randnummern des vorliegenden Urteils wiedergegeben, deren Veröffentlichung das Gericht für zweckdienlich erachtet.
( 2 ) Nicht wiedergegebene vertrauliche Angaben.