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Document 62020TJ0165
Judgment of the General Court (Seventh Chamber) of 13 July 2022 (Extracts).#JC v EUCAP Somalia.#Case T-165/20.
Urteil des Gerichts (Siebte Kammer) vom 13. Juli 2022 (Auszüge).
JC gegen EUCAP Somalia.
Schiedsklausel – Internationaler Vertragsbediensteter von EUCAP Somalia – Mission im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik – Kündigung des befristeten Arbeitsvertrags innerhalb der Probezeit – Mitteilung der Kündigung per Einschreiben mit Rückschein – Versendung an eine unvollständige Adresse – Beginn der Frist für eine interne, einer gerichtlichen Klage vorgeschaltete Beschwerde – Bestimmung des anwendbaren Rechts – Zwingende Bestimmungen des nationalen Arbeitsrechts – Nichtigkeit der Klausel über die Probezeit – Unwirksame Mitteilung der Kündigung – Kündigungsentschädigung – Rückwirkende Zahlung der Vergütung – Widerklage.
Rechtssache T-165/20.
Urteil des Gerichts (Siebte Kammer) vom 13. Juli 2022 (Auszüge).
JC gegen EUCAP Somalia.
Schiedsklausel – Internationaler Vertragsbediensteter von EUCAP Somalia – Mission im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik – Kündigung des befristeten Arbeitsvertrags innerhalb der Probezeit – Mitteilung der Kündigung per Einschreiben mit Rückschein – Versendung an eine unvollständige Adresse – Beginn der Frist für eine interne, einer gerichtlichen Klage vorgeschaltete Beschwerde – Bestimmung des anwendbaren Rechts – Zwingende Bestimmungen des nationalen Arbeitsrechts – Nichtigkeit der Klausel über die Probezeit – Unwirksame Mitteilung der Kündigung – Kündigungsentschädigung – Rückwirkende Zahlung der Vergütung – Widerklage.
Rechtssache T-165/20.
ECLI identifier: ECLI:EU:T:2022:453
URTEIL DES GERICHTS (Siebte Kammer)
13. Juli 2022 ( *1 )
„Schiedsklausel – Internationaler Vertragsbediensteter von EUCAP Somalia – Mission im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik – Kündigung des befristeten Arbeitsvertrags innerhalb der Probezeit – Mitteilung der Kündigung per Einschreiben mit Rückschein – Versendung an eine unvollständige Adresse – Beginn der Frist für eine interne, einer gerichtlichen Klage vorgeschaltete Beschwerde – Bestimmung des anwendbaren Rechts – Zwingende Bestimmungen des nationalen Arbeitsrechts – Nichtigkeit der Klausel über die Probezeit – Unwirksame Mitteilung der Kündigung – Kündigungsentschädigung – Rückwirkende Zahlung der Vergütung – Widerklage“
In der Rechtssache T‑165/20,
JC, vertreten durch Rechtsanwältin A. Van Himst,
Kläger,
gegen
EUCAP Somalia, vertreten durch Rechtsanwältin E. Raoult,
Beklagte,
erlässt
DAS GERICHT (Siebte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten R. da Silva Passos (Berichterstatter) sowie der Richter L. Truchot und M. Sampol Pucurull,
Kanzler: H. Eriksson, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
auf die mündliche Verhandlung vom 19. Januar 2022,
folgendes
Urteil ( 1 )
1 |
Mit seiner Klage nach Art. 272 AEUV begehrt der Kläger, JC, zum einen die Feststellung der Nichtigkeit des Schreibens vom 4. November 2019 (im Folgenden: Schreiben vom 4. November 2019) und des Schreibens vom 3. Dezember 2019 (im Folgenden: Schreiben vom 3. Dezember 2019) (im Folgenden gemeinsam: Handlungen zur Mitteilung der Kündigung), mit denen die EUCAP Somalia ihm ihre Entscheidung mitgeteilt hatte, seinen Arbeitsvertrag zu kündigen, sowie erforderlichenfalls der Entscheidung vom 24. Januar 2020 (im Folgenden: Entscheidung vom 24. Januar 2020), mit der sie seine interne, nicht disziplinarische Beschwerde gegen die Entscheidung, seinen Arbeitsvertrag, wie mit dem Schreiben vom 3. Dezember 2019 mitgeteilt, zu kündigen, zurückgewiesen hatte, sowie zum anderen die Verurteilung der EUCAP Somalia, ihm rückwirkend seine Vergütung bis zu dem Zeitpunkt zu zahlen, zu dem ihr Vertragsverhältnis endgültig, ordnungsgemäß und rechtmäßig endet. |
I. Vorgeschichte des Rechtsstreites
2 |
Die EUCAP Somalia, vormals EUCAP NESTOR, ist eine Mission der Europäischen Union im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP), die durch den Beschluss 2012/389/GASP des Rates vom 16. Juli 2012 über die Mission der Europäischen Union zum Ausbau der regionalen maritimen Kapazitäten [in Somalia (EUCAP Somalia)] (ABl. 2012, L 187, S. 40) gemäß Titel V Kapitel 2 EU-Vertrag über die GASP eingerichtet wurde. Nach Art. 2 des Beschlusses 2012/389 in der durch den Beschluss (GASP) 2020/663 des Rates vom 18. Mai 2020 (ABl. 2020, L 157, S. 1) geänderten Fassung ist es das Ziel der EUCAP Somalia, Somalia beim Ausbau seiner maritimen Sicherheitskapazitäten zu unterstützen, um das Land in die Lage zu versetzen, das Seerecht wirksamer durchzusetzen. |
3 |
Aufgrund eines am 25. Juli 2019 an den Kläger gerichteten Einstellungsangebots der Personalabteilung der EUCAP Somalia wurde dieser durch einen vom Missionsleiter der EUCAP Somalia (im Folgenden: Missionsleiter) am 20. August 2019 und vom Kläger am 21. August 2019 unterzeichneten befristeten Arbeitsvertrag (im Folgenden: Vertrag) als Leiter der Verwaltungs- und Finanzabteilung eingestellt. |
4 |
Art. 17.1 des Vertrags legte den Dienstantritt des Klägers mit 8. September 2019 fest und sah eine Dauer von zwölf Monaten sowie die Möglichkeit einer stillschweigenden Verlängerung vor. Zudem enthielt Art. 17.2 des Vertrags eine Probezeitklausel, die wie folgt lautete: „Die Probezeit beträgt drei (3) Monate. Während oder nach Ablauf der Probezeit wird der Arbeitnehmer entlassen, wenn er keine ausreichenden beruflichen Fähigkeiten nachgewiesen hat. Wenn der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Unterzeichnung des Vertrags dieselbe Stelle innehatte, entfällt die Probezeit.“ |
5 |
Art. 18.1 des Vertrags sah vor, dass „[d]er Vertrag … entweder vom Arbeitgeber oder vom Arbeitnehmer unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von einem Monat unter Angabe des Kündigungsgrundes schriftlich gekündigt werden [kann]. Der Arbeitnehmer ist vom stellvertretenden Missionsleiter anzuhören, bevor eine solche Entscheidung getroffen wird, wobei der Missionsleiter stets auf dem Laufenden zu halten ist“. |
6 |
Art. 21.1 des Vertrags bestimmte, dass „[d]er Arbeitnehmer … beim Arbeitgeber gegen eine Handlung, die seine Interessen beeinträchtigt, innerhalb eines Monats ab den Zeitpunkt dieser Handlung beim Arbeitgeber eine Beschwerde einlegen [kann]. … Der Arbeitnehmer ist vom stellvertretenden Missionsleiter anzuhören, bevor eine Entscheidung getroffen wird, wobei der Missionsleiter stets auf dem Laufenden zu halten ist“. |
7 |
Art. 22.1 des Vertrags sah vor, dass „Streitigkeiten aus oder im Zusammenhang mit dem Vertrag … gemäß Art. 272 [AEUV] der Zuständigkeit des Gerichtshofs der Europäischen Union [unterliegen]“. Zudem bestimmte Art. 22.2 des Vertrags, dass „das in Art. [21] des Vertrags vorgesehene Verfahren der internen, nicht disziplinarischen Beschwerde … auszuschöpfen [ist], bevor beim Gerichtshof der Europäischen Union Klage erhoben wird“. |
8 |
In der Phase vor dem Einsatz des Klägers übermittelte dieser der EUCAP Somalia am 9. August 2019 ein Attest seines behandelnden Arztes vom 31. Juli 2019, in dem ein „guter Gesundheitszustand“ und seine „Fähigkeit, an jedem Ort der Welt zu arbeiten,“ festgestellt wurde. Zudem übermittelte er der EUCAP Somalia am 10. August 2019 verschiedene von ihm ausgefüllte Verwaltungsformulare, von denen zwei zum einen seine persönlichen Kontaktdaten und zum anderen seinen Gesundheitszustand betrafen. |
9 |
Was das Formular über seinen Gesundheitszustand angeht, gab der Kläger u. a. auf dem diesem Formular beigefügten Fragebogen an, dass er sich 2016 einer Nierentransplantation unterzogen habe und regelmäßig vierteljährlich ärztlich untersucht werde. Außerdem wies er darauf hin, dass sein medizinisches Gutachten sehr gut sei und dass er fünf Medikamente einnehme. Sodann bestätigte er, dass er an einer Nierenkrankheit weder gelitten habe noch leide und einen sekundären Diabetes habe, der medizinisch behandelt werde. Der Kläger bestätigte, die Fragen des medizinischen Fragebogens vollständig, wahrheitsgemäß und nach bestem Wissen und Gewissen ausgefüllt zu haben. Er verpflichtete sich, die medizinische Abteilung unverzüglich über etwaige Änderungen seiner auf diese Weise übermittelten medizinischen Daten zu unterrichten. |
10 |
Am 6. September 2019 richtete die Leiterin der Abteilung „Missionsunterstützung“ eine E‑Mail an den Kläger, um ihn über die Aussetzung des Zeitpunkts seines tatsächlichen Einsatzes aufgrund unvorhergesehener Umstände zu unterrichten. Darin hieß es, dass die Zahlung des Entgelts in Höhe der vertraglich vereinbarten Leistung gewährleistet sei. |
11 |
Am 7. September 2019 antwortete ihr der Kläger per E‑Mail und betonte, dass diese Aussetzung nicht durch medizinische Gründe gerechtfertigt sei. Er gab an, dass er am selben Tag eine Mitteilung des Vertrauensarztes der EUCAP Somalia erhalten habe, in der er aufgefordert worden sei, die für die medizinische Vorbereitung seines Einsatzes erforderlichen obligatorischen Angaben zu machen, und dass er darauf geantwortet habe. Er wies darauf hin, dass er bereits am 10. August 2019 den ordnungsgemäß ausgefüllten medizinischen Fragebogen vorgelegt habe, der dem Formular über seinen Gesundheitszustand beigefügt gewesen sei. Er habe im Laufe des Einstellungsverfahrens, das im März 2019 begonnen habe, sämtliche von der EUCAP Somalia verlangten Angaben übermittelt. |
12 |
Mit E‑Mail vom 15. September 2019 teilte die Leiterin der Abteilung „Missionsunterstützung“ dem Kläger mit, dass sie ihm keine genaueren Erklärungen geben könne, und wies gleichzeitig darauf hin, dass der Missionsleiter erwäge, seinen Einsatz zu überdenken, um seiner Sorgfaltspflicht gegenüber dem Personal der EUCAP Somalia nachzukommen. |
13 |
Am 17. September 2019 sandte die Anwältin des Klägers eine E‑Mail an die EUCAP Somalia, mit der Letztere um Bestätigung ersucht wurde, dass sie sein Gehalt und die entsprechenden Tagegelder zahlen werde, bis eine endgültige Entscheidung über seinen Einsatz getroffen sei. |
14 |
Am 24. September 2019 gab ein medizinischer Sachverständiger beim Vertrauensarzt der EUCAP Somalia eine Stellungnahme zu den hygienischen Bedingungen und zum eingeschränkten Zugang zu medizinischen Ressourcen in Somalia ab, in der es hieß, dass es medizinisch kontraindiziert sei, eine Person, die sich lebenslang einer schweren medikamentösen Behandlung unterziehen müsse, u. a. mit Immunsuppressiva und täglichen Insulininjektionen aufgrund von Diabetes oder einer anderen chronischen Erkrankung, die regelmäßige Arztbesuche erfordere, in somalisches Hoheitsgebiet und insbesondere nach Garowe (Somalia) zu entsenden. |
15 |
Am 25. September 2019 teilte der stellvertretende Missionschef dem Kläger per E‑Mail im Wesentlichen mit, dass der Missionschef in Anbetracht der Informationen über die allgemeine medizinische Situation in Somalia und seiner Sorgfaltspflicht gegenüber dem Personal der EUCAP Somalia angesichts der körperlichen Verfassung des Klägers, die in den von ihm ausgefüllten medizinischen Fragebögen beschrieben seien, und der stark eingeschränkten Verfügbarkeit medizinischer Hilfe im Norden Somalias erhebliche Bedenken hinsichtlich der Durchführung des Vertrags habe. Er forderte den Kläger auf, in einem Gespräch die Bedingungen des geplanten Einsatzes zu erörtern, der eine tatsächliche und erhebliche Gefahr für seine Gesundheit darstellen könne. |
16 |
Am selben Tag übermittelte der Kläger der Personalabteilung der EUCAP Somalia ein Formular mit seinen Bankdaten, um die Zahlung seiner Bezüge zu ermöglichen, wobei dieses Formular seine Adresse mit der Straßennummer enthielt. |
17 |
Am 14. Oktober 2019 fand ein Gespräch zwischen dem Kläger, der Anwältin des Klägers, dem stellvertretenden Missionsleiter, dem Vertrauensarzt des Zivilen Planungs- und Durchführungsstabs (im Folgenden: CPCC), dem Juristischen Dienst des CPCC und dem Rechtsbeistand der EUCAP Somalia statt, um dem Kläger die Lage der medizinischen Infrastruktur in Somalia sowie die Sorgfaltspflicht der Mission darzulegen und die möglichen Gründe für eine eventuelle Beendigung des Vertrags zu erläutern. Am Ende des Gesprächs wurde dem Kläger mitgeteilt, dass sich die EUCAP Somalia mit ihm innerhalb einer Woche in Verbindung setzen werde. |
18 |
Mit Schreiben vom 4. November 2019, das am 8. November 2019 per Einschreiben mit Rückschein versandt wurde, teilte der Missionsleiter dem Kläger die Entscheidung mit, den Vertrag unter Einhaltung einer einwöchigen Kündigungsfrist, die am Montag, dem 18. November 2019 beginnt, zu kündigen. Dieses Schreiben wurde dem Kläger an die Adresse geschickt, die er am 10. August 2019 auf dem Formular mit seinen persönlichen Kontaktdaten angegeben hatte. Diese Adresse enthielt keine Straßennummer. |
19 |
Am 19. November 2019 schrieb der Kläger per E‑Mail an den stellvertretenden Missionsleiter, die Leiterin der Abteilung „Missionsunterstützung“ und die Personalabteilung der EUCAP Somalia, man möge ihm einen Beschäftigungsnachweis und die Gehaltsabrechnungen für die beiden vorangegangenen Monate übermitteln. |
20 |
Am 26. November 2019 teilte der Kläger dem Rechtsbeistand der EUCAP Somalia über seine Anwältin mit, er habe der EUCAP Somalia seine Adresse bereits vollständig auf dem Formular mit seinen Bankdaten mitgeteilt, das er am 25. September 2019 übermittelt habe. |
21 |
Mit Schreiben vom 3. Dezember 2019, das am selben Tag per Einschreiben mit Rückschein versandt wurde und dem Kläger am 5. Dezember 2019 zuging, teilt der Missionsleiter Letzterem die Entscheidung der EUCAP Somalia mit, den Vertrag zu kündigen. Darin hieß es: „Um die Rechte und Interessen der [EUCAP Somalia] zu wahren und falls Sie beabsichtigen sollten, die Ungültigkeit des [Kündigungsschreibens] vom 8. November 2019 geltend zu machen, teilen wir Ihnen hiermit – vorbehaltlich aller Rechte und ohne Anerkennung einer Rechtspflicht – unsere Entscheidung mit, das Arbeitsverhältnis zwischen der EUCAP Somalia und Ihnen unter Einhaltung einer einwöchigen Kündigungsfrist, die am Montag, dem 9. Dezember 2019 beginnt, zu kündigen.“ |
22 |
Am 10. Dezember 2019 antwortete der Rechtsbeistand der EUCAP Somalia auf die E‑Mail der Anwältin des Klägers vom 26. November 2019. In dieser Antwort wurde klargestellt, dass für die Zwecke der Korrespondenz zwischen der Mission und ihren Arbeitnehmern nur die Angaben auf dem Formular mit den persönlichen Kontaktdaten maßgeblich seien. So wurde dem Kläger mitgeteilt, dass die EUCAP Somalia berechtigt gewesen sei, das Schreiben vom 4. November 2019 am 8. November 2019 allein auf der Grundlage dieser Angaben zu übermitteln, ohne das spätere Bankformular zu diesem Zweck berücksichtigen zu müssen. In dieser E‑Mail fügte der Rechtsbeistand der EUCAP Somalia hinzu, der Kläger hätte, wenn er seine Angaben auf dem Formular mit seinen Kontaktdaten hätte vervollständigen wollen, der Mission dieses geänderte Formular schicken müssen. Folglich wurde nach dem Wortlaut dieser E‑Mail die Unvollständigkeit der genannten Kontaktdaten als Folge eines dem Kläger zuzurechnenden Fehlers angesehen. |
23 |
Am 16. Dezember 2019 übermittelte die Personalabteilung der EUCAP Somalia dem Kläger einen Beschäftigungsnachweis, aus dem zum einen hervorging, dass vom 8. September bis zum 25. November 2019 ein Vertragsverhältnis bestanden habe, und zum anderen, dass der Vertrag nicht erfüllt worden sei. |
24 |
Am 23. Dezember 2019 bestritt der Kläger über seine Anwältin den in diesem Nachweis genannten Beschäftigungszeitraum und wies darauf hin, dass er nur ein mit 3. Dezember 2019 datiertes Schreiben erhalten habe, in dem eine einwöchige Kündigungsfrist beginnend mit 9. Dezember 2019 festgelegt worden sei. Er unterstrich die Wichtigkeit dieser Information im Hinblick auf ihren Nutzen für die Meldung eines genauen Beschäftigungszeitraums bei der belgischen Arbeitslosenversicherung. Außerdem ersuchte er um Übermittlung einer Kopie des Schreibens vom 4. November 2019, das er nicht erhalten habe. |
25 |
Am 2. Januar 2020 stellte der Kläger über seine Anwältin in einer E‑Mail, die u. a. an den als stellvertretenden Missionsleiter der EUCAP Somalia handelnden Personalleiter gesendet wurde, einen Antrag nach Art. 21 des Vertrags betreffend das Verfahren über eine interne, nicht disziplinarische Beschwerde (im Folgenden: interne Beschwerde) gegen die mit Schreiben vom 3. Dezember 2019 mitgeteilte Entscheidung der EUCAP Somalia, den Vertrag zu kündigen. |
26 |
Mit Schreiben vom 24. Januar 2020, das der Kläger am 31. Januar 2020 erhielt, lehnte der Personalleiter der EUCAP Somalia den Antrag des Klägers vom 2. Januar 2020 ab und weigerte sich insbesondere, ihn als interne Beschwerde einzustufen, da diese nicht innerhalb der in Art. 21.1 des Vertrags vorgesehenen Frist von einem Monat ab der angefochtenen Handlung eingelegt worden sei. Gleichwohl erklärte er sich unter Berufung auf „das Bemühen um eine gute Verwaltungspraxis“ bereit, auf den Antrag des Klägers einzugehen. So erläuterte er, dass seine Sorgfaltspflicht die Kündigung des Vertrags erfordert habe, da der Kläger angesichts seiner medizinischen Situation und des Zustands der medizinischen Infrastruktur in Somalia für die Stelle körperlich ungeeignet sei. |
II. Anträge der Parteien
27 |
Der Kläger beantragt,
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28 |
Die EUCAP Somalia beantragt,
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III. Rechtliche Würdigung
29 |
Vor der Analyse der Klage und der Widerklage der EUCAP Somalia ist die Zuständigkeit des Gerichts für die Entscheidung über den vorliegenden Rechtsstreit zu prüfen und das anwendbare Recht zu bestimmen. [nicht wiedergegeben] |
A. Zum anwendbaren Recht
33 |
In seinen Schriftsätzen und in Beantwortung einer entsprechenden schriftlichen Frage des Gerichts führt der Kläger aus, wenn eine Klage in Anwendung einer Schiedsklausel erhoben werde, auf diese das durch den Vertrag oder die Parteien bestimmte nationale Recht anwendbar sei. Außerdem müsse sein Antrag, soweit er eine Entscheidung über die Kündigung eines Arbeitsvertrags betreffe, dem anwendbaren materiellen Arbeitsrecht unterliegen. Insoweit weist er darauf hin, dass die EUCAP Somalia in der Entscheidung vom 24. Januar 2020 auf belgisches Recht Bezug genommen habe. Er fügt hinzu, keine Einwände gegen die Anwendung dieses Rechts auf das in Rede stehende Vertragsverhältnis nach Art. 3 Abs. 1 und Art. 8 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I) (ABl. 2008, L 177, S. 6, im Folgenden: Rom‑I-Verordnung) und zumindest nach Art. 3 Abs. 2 und Art. 8 Abs. 4 dieser Verordnung zu haben. Somit beruft sich der Kläger in erster Linie auf die Anwendung der Vertragsbestimmungen und des Unionsrechts und ergänzend auf die Anwendung des belgischen Rechts und insbesondere des Gesetzes über die Arbeitsverträge vom 3. Juli 1978 (Moniteur belge vom 22. August 1978, S. 9277) (im Folgenden: Gesetz über die Arbeitsverträge). Zudem behauptet der Kläger, dass die zwingenden Vorschriften des belgischen Rechts Vorrang vor entgegenstehenden Vertragsbestimmungen haben müssten. |
34 |
Die EUCAP Somalia macht geltend, es sei nach Art. 1.1 des Vertrags in erster Linie das autonome Recht der zivilen Missionen der Union im Rahmen der GASP, nämlich der Vertrag, der Verhaltens- und Disziplinarkodex und die Standardarbeitsanweisungen anzuwenden. Sie beruft sich auch auf die Anwendung des Unionsrechts und ergänzend des auf den Vertrag anwendbaren materiellen nationalen Rechts, nämlich im vorliegenden Fall des belgischen Rechts, das nach der Rom‑I-Verordnung und insbesondere Art. 8 Abs. 4 dieser Verordnung das Recht des [Ortes des] ständigen Wohnsitzes des Klägers sei. Zudem trug die EUCAP Somalia im Wesentlichen vor, die Anwendung des Vertrags müsse in einer in diesem vorgesehenen Situation Vorrang haben, so dass das Gericht, wenn seine Zuständigkeit auf Art. 272 AEUV beruhe, nicht berechtigt sei, eine Vertragsklausel unangewendet zu lassen, selbst wenn diese Klausel gegen zwingende Vorschriften des auf den Vertrag anzuwendenden nationalen Rechts verstoße. |
35 |
Die Parteien bestätigten, dass es sich bei dem auf den Vertrag anwendbaren nationalen materiellen Recht um belgisches Recht handle und dass für die Prüfung der etwaigen vertraglichen Haftung der EUCAP Somalia in erster Linie die Bestimmungen des Vertrags und seiner Anhänge und ergänzend das belgische Recht in Bezug auf die im Vertrag nicht behandelten Fragen anzuwenden seien. Die Parteien bekräftigten jedoch erneut ihre Uneinigkeit über den Vorrang der Anwendung der zwingenden Vorschriften des auf den Vertrag anzuwendenden nationalen Rechts vor den ihnen entgegenstehenden Vertragsbestimmungen. |
36 |
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass sich die vertragliche Haftung der Union gemäß Art. 340 Abs. 1 AEUV nach dem Recht, das auf den betreffenden Vertrag anzuwenden ist, bestimmt. |
37 |
Streitigkeiten, die sich aus der Erfüllung eines Vertrags ergeben, sind grundsätzlich auf der Grundlage der Vertragsklauseln zu entscheiden (vgl. Urteil vom 18. November 2015, Synergy Hellas/Kommission, T‑106/13, EU:T:2015:860, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung). Die Auslegung eines Vertrags im Lichte der Bestimmungen des auf ihn anwendbaren nationalen Rechts ist nur bei Zweifeln über den Inhalt des Vertrags oder die Bedeutung bestimmter Vertragsklauseln gerechtfertigt oder wenn der Vertrag allein nicht die Klärung aller Aspekte des Rechtsstreits ermöglicht. Daher ist die Begründetheit der Klage allein anhand der Vertragsbestimmungen zu beurteilen und nur dann auf das auf den Vertrag anwendbare nationale Recht zurückzugreifen, wenn diese Bestimmungen es nicht ermöglichen, den Rechtsstreit zu entscheiden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. Juli 2017, Talanton/Kommission, T‑65/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:491, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
38 |
Dieser Grundsatz kann jedoch nicht dazu führen, dass die Parteien durch die Anwendung von Vertragsklauseln die zwingenden Vorschriften des anwendbaren materiellen nationalen Rechts, von denen nicht abgewichen werden darf und nach denen die Verpflichtungen aus dem Vertrag zu erfüllen sind oder erfüllt worden sind, umgehen können. |
39 |
Im Übrigen unterliegen die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union bei der Durchführung eines Vertrags weiterhin ihren Verpflichtungen aus der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) und den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Juli 2020, ADR Center/Kommission, C‑584/17 P, EU:C:2020:576, Rn. 86). Wenn sich die Parteien in ihrem Vertrag mittels einer Schiedsklausel entschließen, dem Unionsrichter die Zuständigkeit zur Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit diesem Vertrag zu übertragen, ist dieser Richter somit unabhängig von dem in diesem Vertrag vereinbarten anwendbaren Recht für die Prüfung etwaiger Verstöße gegen die Charta und gegen allgemeine Grundsätze des Unionsrechts zuständig (Urteil vom 16. Juli 2020, Inclusion Alliance for Europe/Kommission, C‑378/16 P, EU:C:2020:575, Rn. 81). |
40 |
Schweigt der Vertrag, hat der Unionsrichter das anzuwendende Recht gegebenenfalls unter Heranziehung der in der Rom‑I-Verordnung vorgesehenen Vorschriften zu bestimmen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Februar 2016, Calberson GE/Kommission, T‑164/14, EU:T:2016:85, Rn. 25). |
41 |
Insoweit sieht Art. 3 Abs. 1 und 2 der Rom‑I-Verordnung Folgendes vor: „(1) Der Vertrag unterliegt dem von den Parteien gewählten Recht. Die Rechtswahl muss ausdrücklich erfolgen oder sich eindeutig aus den Bestimmungen des Vertrags oder aus den Umständen des Falles ergeben. Die Parteien können die Rechtswahl für ihren ganzen Vertrag oder nur für einen Teil desselben treffen (2) Die Parteien können jederzeit vereinbaren, dass der Vertrag nach einem anderen Recht zu beurteilen ist als dem, das zuvor entweder aufgrund einer früheren Rechtswahl nach diesem Artikel oder aufgrund anderer Vorschriften dieser Verordnung für ihn maßgebend war. Die Formgültigkeit des Vertrags im Sinne des Artikels 11 und Rechte Dritter werden durch eine nach Vertragsschluss erfolgende Änderung der Bestimmung des anzuwendenden Rechts nicht berührt.“ |
42 |
Art. 8 der Rom‑I-Verordnung, der für Individualarbeitsverträge gilt, lautet: „(1) Individualarbeitsverträge unterliegen dem von den Parteien nach Artikel 3 gewählten Recht. Die Rechtswahl der Parteien darf jedoch nicht dazu führen, dass dem Arbeitnehmer der Schutz entzogen wird, der ihm durch Bestimmungen gewährt wird, von denen nach dem Recht, das nach den Absätzen 2, 3 und 4 des vorliegenden Artikels mangels einer Rechtswahl anzuwenden wäre, nicht durch Vereinbarung abgewichen werden darf. (2) Soweit das auf den Arbeitsvertrag anzuwendende Recht nicht durch Rechtswahl bestimmt ist, unterliegt der Arbeitsvertrag dem Recht des Staates, in dem oder andernfalls von dem aus der Arbeitnehmer in Erfüllung des Vertrags gewöhnlich seine Arbeit verrichtet. Der Staat, in dem die Arbeit gewöhnlich verrichtet wird, wechselt nicht, wenn der Arbeitnehmer seine Arbeit vorübergehend in einem anderen Staat verrichtet. (3) Kann das anzuwendende Recht nicht nach Absatz 2 bestimmt werden, so unterliegt der Vertrag dem Recht des Staates, in dem sich die Niederlassung befindet, die den Arbeitnehmer eingestellt hat. (4) Ergibt sich aus der Gesamtheit der Umstände, dass der Vertrag eine engere Verbindung zu einem anderen als dem in Absatz 2 oder 3 bezeichneten Staat aufweist, ist das Recht dieses anderen Staates anzuwenden.“ |
43 |
Im vorliegenden Fall wird im Vertrag nicht angegeben, welches Recht auf ihn anzuwenden ist. Die Parteien sind sich jedoch darüber einig, dass belgisches Recht als das auf den Vertrag anzuwendende nationale Recht gewählt ist. Daher ist nach den Grundsätzen, die sich aus Art. 3 der Rom‑I-Verordnung ergeben, auf den Art. 8 Abs. 1 dieser Verordnung verweist, das belgische Recht das auf den Vertrag anzuwendende nationale Recht. |
44 |
Jedenfalls ergibt sich aus der Gesamtheit der Umstände, wie die EUCAP Somalia zu Recht geltend macht, ohne dass der Kläger dies bestreitet, dass der Vertrag eine engere Verbindung zu Belgien aufweist. Zwar war der in Art. 5.1 des Vertrags vorgesehene Erfüllungsort die Stadt Garowe. Es steht jedoch fest, dass der Vertrag nicht am Ort seines tatsächlichen Einsatzes in Somalia erfüllt wurde, dass der Kläger während des Beschäftigungszeitraums in Belgien geblieben ist, dass er belgischer Staatsangehöriger ist und seinen ständigen Wohnsitz in Belgien hat, dass das Einstellungsverfahren und die Unterzeichnung des Vertrags in Belgien stattfanden und schließlich, dass das Kriterium des ständigen Wohnsitzes für die Bestimmung des auf die Sozialversicherungspflichten nach Art. 13 des Vertrags anzuwendenden Rechts die Bestimmung Belgiens impliziert. Selbst wenn Art. 8 Abs. 4 der Rom‑I-Verordnung anstatt der oben in Rn. 43 genannten Vorschriften dieser Verordnung anzuwenden wäre, bliebe daher das belgische Recht das auf den Vertrag anwendbare Recht. |
45 |
Unter diesen Umständen ist der vorliegende Rechtsstreit gemäß der oben in Rn. 37 angeführten Rechtsprechung in erster Linie auf der Grundlage des Vertrags und ergänzend auf der Grundlage des belgischen Rechts zu prüfen, wenn Zweifel über den Inhalt des Vertrags oder die Bedeutung bestimmter Vertragsklauseln bestehen oder wenn der Vertrag allein nicht die Klärung aller Aspekte des Rechtsstreits ermöglicht. Außerdem können die Parteien durch die Anwendung von Vertragsklauseln nicht die zwingenden Vorschriften des anwendbaren materiellen nationalen Rechts umgehen, von denen nicht abgewichen werden darf und nach denen die Verpflichtungen aus dem Vertrag zu erfüllen sind oder erfüllt worden sind. |
B. Zur Klage
46 |
Die Anträge des Klägers umfassen zum einen einen Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit der Handlungen zur Mitteilung der Kündigung und erforderlichenfalls der Entscheidung vom 24. Januar 2020 und zum anderen einen Antrag auf Schadensersatz. |
1. Zur Zulässigkeit der Klage
47 |
Die EUCAP Somalia erhebt zwei Unzulässigkeitseinreden, mit denen sie erstens die mangelnde Klarheit und Genauigkeit der Klage und zweitens die fehlende Wahrnehmung des im Vertrag vorgesehenen internen Beschwerdeverfahrens rügt. [nicht wiedergegeben] |
a) Zur Einrede der Unzulässigkeit wegen fehlender Wahrnehmung des internen Beschwerdeverfahrens
58 |
Die EUCAP Somalia macht die Unzulässigkeit der vorliegenden Klage mit der Begründung geltend, dass der Kläger nicht vorab innerhalb der in Art. 21.1 des Vertrags vorgesehenen Frist von einem Monat ab Versendung des Schreibens vom 4. November 2019 am 8. November 2019 eine interne Beschwerde eingelegt habe. Folglich habe der Kläger das in Art. 22.2 des Vertrags vorgesehene interne vertragliche Beschwerdeverfahren nicht ausgeschöpft. |
59 |
Es ist darauf hinzuweisen, dass Art. 22.2 des Vertrags die Anrufung des Unionsrichters von der Wahrnehmung des in Art. 21 vorgesehenen internen Beschwerdeverfahrens abhängig macht, das zwingend innerhalb einer Frist von einem Monat ab dem Zeitpunkt der die Interessen des Klägers beeinträchtigenden Handlung einzuleiten ist. |
60 |
Daher ist die Zulässigkeit der vorliegenden Klage anhand einer Zusammenschau von Art. 21.1 und 22 des Vertrags zu beurteilen. Es ist Sache des Gerichts, in Anwendung dieser Vertragsbestimmungen zu prüfen, ob der Kläger die Wahrnehmung des internen vertraglichen Beschwerdeverfahrens beachtet hat. Insbesondere ist zu klären, ob der Kläger diese Beschwerde innerhalb eines Monats ab dem Zeitpunkt der seine Interessen beeinträchtigenden Entscheidung eingelegt hat. |
61 |
Wie oben in Rn. 39 ausgeführt, unterliegt die Unionsverwaltung bei der Erfüllung eines Vertrags den Verpflichtungen aus der Charta. |
62 |
Insoweit muss gewährleistet werden, dass sämtliche für den Rechtsstreit relevanten tatsächlichen und rechtlichen Fragen geprüft werden, um einen wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz im Sinne von Art. 47 der Charta sicherzustellen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Juli 2020, Inclusion Alliance for Europe/Kommission, C‑378/16 P, EU:C:2020:575, Rn. 79), wonach „[j]ede Person … ein Recht darauf [hat], dass ihre Sache von einem unabhängigen, unparteiischen … durch Gesetz errichteten Gericht … verhandelt wird“. |
63 |
Daraus folgt, dass dann, wenn ein Vertrag mit einer Schiedsklausel zugunsten des Unionsgerichts nach Art. 272 AEUV eine Bestimmung enthält, wonach eine Partei vor der Anrufung des Gerichts einen internen Rechtsbehelf wahrnehmen muss, sichergestellt sein muss, dass dieser Rechtsbehelf unter Bedingungen eingelegt werden kann, die dem Betroffenen nicht sein Recht auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz nehmen. |
64 |
Zudem gibt es nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ein grundlegendes Prinzip der Unionsrechtsordnung, wonach ein hoheitlicher Rechtsakt den Bürgern nicht entgegengehalten werden darf, bevor sie die Möglichkeit haben, von diesem Rechtsakt Kenntnis zu nehmen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Januar 1979, Racke, 98/78, EU:C:1979:14, Rn. 15). |
65 |
Daher ist die Bezugnahme in Art. 21.1 des Vertrags auf den Zeitpunkt der betreffenden Handlung, der den Beginn der Frist von einem Monat darstellt, von der die ordnungsgemäße Einlegung einer internen Beschwerde im Sinne des Vertrags abhängt, dahin auszulegen, dass damit der Zeitpunkt gemeint ist, zu dem der Kläger in die Lage versetzt wurde, vom Inhalt dieser Handlung in zweckdienlicher Weise Kenntnis zu nehmen. |
66 |
Für die Zwecke der Bestimmung des Zeitpunkts, zu dem der Kläger von der Entscheidung, den Vertrag zu kündigen, Kenntnis erlangt hat, ist darauf hinzuweisen, dass es der Partei, die sich auf die Verspätung einer Beschwerde beruft, obliegt, den Beweis des Zeitpunkts zu erbringen, zu dem die angefochtene Entscheidung mitgeteilt worden ist, und jedenfalls des Zeitpunkts, zu dem der Betroffene davon Kenntnis erlangt hat, wenn es sich um eine Einzelmaßnahme handelt (vgl. entsprechend Urteil vom 29. November 2018, WL/ERCEA, T‑493/17, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:852, Rn. 59). Im vorliegenden Fall obliegt dieser Nachweis daher der EUCAP Somalia. |
67 |
Mit Schreiben vom 2. Januar 2020 legte der Kläger auf der Grundlage von Art. 21.1 des Vertrags eine interne Beschwerde gegen das Schreiben vom 3. Dezember 2019 ein, das als Mitteilung der Entscheidung, den Vertrag zu kündigen, galt und ihm tatsächlich am 5. Dezember 2019 zur Kenntnis gebracht wurde. |
68 |
Die EUCAP Somalia macht jedoch geltend, der Kläger habe von der Entscheidung, den Vertrag zu kündigen, bereits seit ihrer Mitteilung durch Übersendung des Schreibens vom 4. November 2019 an seinen Wohnsitz per Einschreiben mit Rückschein am 8. November 2019 Kenntnis gehabt. Somit hätte der Kläger nach den Art. 21.1 und 22.2 des Vertrags gegen diese Entscheidung spätestens am 8. Dezember 2019 Beschwerde einlegen müssen und sein Schreiben vom 2. Januar 2020 könne nicht als eine Handlung erachtet werden, mit der eine ordnungsgemäße interne Beschwerde eingelegt worden sei. |
69 |
Dazu führt die EUCAP Somalia aus, die Akte zu dem Antrag auf Prozesskostenhilfe, den der Kläger vor Einreichung der vorliegenden Klage gestellt habe und der vom Präsidenten des Gerichts mit Beschluss vom 9. September 2020 zurückgewiesen worden sei, enthalte mehrere inkohärente Angaben. Daraus lasse sich ableiten, dass dieser von der Entscheidung, den Vertrag zu kündigen, seit den Monaten November und Dezember 2019 Kenntnis gehabt habe. Insbesondere habe der Kläger seit dem 1. Dezember 2019 Arbeitslosengeld erhalten, nachdem er am 19. November 2019 bei der EUCAP Somalia einen Antrag auf Ausstellung eines Beschäftigungsnachweises gestellt habe. Nach Ansicht der EUCAP Somalia muss die Meldung bei den für Fragen der Arbeitslosigkeit zuständigen belgischen Behörden grundsätzlich innerhalb von acht Tagen nach dem ersten Tag der Arbeitslosigkeit erfolgen und ist diesen Behörden der Nachweis über die Entscheidung, den Vertrag zu kündigen, vorzulegen, was die Kenntnis dieser Entscheidung voraussetze. |
70 |
Zudem bestreitet die EUCAP Somalia, dass sich der Kläger darauf berufen könne, er habe das Schreiben vom 4. November 2019 nicht erhalten, weil dieses an eine unvollständige Adresse geschickt worden sei. Dieses Schreiben sei an die Adresse geschickt worden, die vom Kläger auf dem Formular mit seinen persönlichen Kontaktdaten angegeben worden sei, dem einzigen Formular, das für den Postverkehr zwischen den Parteien zu berücksichtigen sei. Die mögliche Versendung an eine unvollständige Adresse sei die Folge eines unentschuldbaren Fehlers des Klägers, der nicht der EUCAP Somalia zugerechnet werden könne. |
71 |
Was erstens die angebliche Kenntnis des Klägers vom Inhalt des Schreibens vom 4. November 2019 im November 2019 betrifft, so ist darauf hinzuweisen, dass die EUCAP Somalia, obwohl sie beschlossen hatte, das Schreiben vom 4. November 2019 durch die Versendung per Einschreiben am 8. November 2019 zuzustellen, keinen Beweis für diese Zustellung erbringt, beispielsweise durch die Vorlage des vom Kläger ordnungsgemäß unterzeichneten Rückscheins des Einschreibens oder durch die Hinterlegung einer Benachrichtigung bei der zuletzt von diesem angegebenen Adresse. Also kann nicht nachgewiesen werden, dass das Schreiben vom 4. November 2019 dem Kläger im November 2019 zugegangen ist und dass er somit zu diesem Zeitpunkt von der Entscheidung, den Vertrag zu kündigen, in zweckdienlicher Weise Kenntnis nehmen konnte. |
72 |
Überdies untermauert der Umstand, dass der Kläger am 23. Dezember 2019 den Beschäftigungszeitraum bestritten hat, der im Beschäftigungsnachweis vom 16. Dezember 2019 angegeben war (vgl. Rn. 24 oben), da der Zeitpunkt der Beendigung des Vertrags, der dort genannt sei, nämlich der 25. November 2019, nicht dem im Schreiben vom 3. Dezember 2019 angegebenen Zeitpunkt des Ablaufs der Kündigungsfrist entspreche, und dass er bei dieser Gelegenheit beantragt hat, ihm eine Kopie des Schreibens vom 4. November 2019 zu übermitteln, auf das im Schreiben vom 3. Dezember 2019 Bezug genommen worden war, die Tatsache, dass er im Dezember 2019 keine Kenntnis vom Inhalt dieses ersten Schreibens hatte. |
73 |
Zwar hat die EUCAP Somalia dieses Schreiben an die vom Kläger im Formular mit seinen persönlichen Kontaktdaten angegebene Adresse geschickt und ist zwischen den Parteien unstreitig, dass diese Adresse unvollständig war, weil der Kläger die Straßennummer nicht angegeben hatte. |
74 |
Zum einen ergibt sich jedoch aus der Akte, dass der Kläger vor der streitigen Versendung der EUCAP Somalia auf zwei anderen Formularen die vollständige Adresse mit der Straßennummer übermittelt hatte, und zwar in einem Formular, das die Identität eines Rechtsnachfolgers im Todesfall betraf und gleichzeitig mit dem Formular mit seinen persönlichen Kontaktdaten übermittelt wurde, und in einem anderen mit seinen Bankdaten, das am 25. September 2019 per E‑Mail übermittelt wurde. |
75 |
Somit hätte die EUCAP Somalia durch ein sorgfältiges Vorgehen den Kläger in die Lage versetzen können, vom Inhalt des Schreibens vom 4. November 2019 in zweckdienlicher Weise Kenntnis zu nehmen, wenn sie nach seiner vollständigen Adresse gesucht hätte, die auf den von ihm erteilen Auskünften angegeben war. Folglich kann sich die EUCAP Somalia unter den besonderen Umständen des vorliegenden Falles nicht darauf berufen, dass ihr der Kläger im Formular mit seinen persönlichen Kontaktdaten eine Adresse übermittelte, die keine Straßennummer enthielt. |
76 |
Was im Übrigen das Vorbringen der EUCAP Somalia zur Prozesskostenhilfeakte des Klägers angeht, so trifft es zwar zu, dass aus dieser Akte hervorgeht, dass der Kläger von den zuständigen belgischen Behörden für den gesamten Monat Dezember Arbeitslosengeld erhalten hat. Das Dokument, das diese Zahlung belegt, ist jedoch mit 16. Januar 2020 datiert. Außerdem ergibt sich aus der vom Kläger am 2. Januar 2020 erhobenen internen Beschwerde, dass er zu diesem Zeitpunkt angab, kein Arbeitslosengeld zu erhalten, da seine Verwaltungsakte unvollständig sei. Folglich kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Arbeitslosengeld ab einem Zeitpunkt nach dem 2. Januar 2020 rückwirkend und auf der Grundlage des Beschäftigungsnachweises gezahlt wurde, der dem Kläger am 16. Dezember 2019 von der EUCAP Somalia übermittelt wurde und in dem ein Zeitpunkt der Beendigung des Beschäftigungszeitraums angegeben war, der mit dem im Schreiben vom 4. November 2019 genannten Ende der Kündigungsfrist identisch war. Aus dieser rückwirkenden Zahlung kann daher nicht mit hinreichender Sicherheit geschlossen werden, dass der Kläger die belgischen Behörden vor dem 16. oder 23. Dezember 2019 oder auch vor dem 2. Januar 2020 von der im Schreiben vom 4. November 2019 mitgeteilten Entscheidung, den Vertrag zu kündigen, in Kenntnis setzen konnte. |
77 |
Auch die Übermittlung seiner vollständigen Daten durch den Kläger an EUCAP Somalia am 26. November 2019 lässt nicht den Schluss zu, dass er zu diesem Zeitpunkt Kenntnis vom Schreiben vom 4. November 2019 hatte. Dieser erneute Hinweis des Klägers gegenüber der EUCAP Somalia, mit dem er sichergehen wollte, dass alle Benachrichtigungen an die richtige Adresse geschickt worden waren oder geschickt werden, kann durch den Inhalt der Informationen erklärt werden, die er während des Gesprächs am 14. Oktober 2019 erhalten hatte, wonach zu erwarten war, dass ihm eine Entscheidung der EUCAP Somalia an seinen Wohnort zugestellt wird. Bei diesem Gespräch teilte die EUCAP Somalia dem Kläger nämlich mit, dass diese Phase nicht dazu diene, eine unmittelbare Entscheidung über den Vertrag zu treffen, sondern vielmehr dazu, ihm die Gelegenheit zu geben, Erläuterungen zu den Lebensverhältnissen am Arbeitsplatz zu erhalten, seine Anmerkungen und Fragen zu sammeln und ihm mitzuteilen, dass die EUCAP Somalia bezüglich der folgenden Schritte wieder in einer Woche Kontakt mit ihm aufnehmen werde. Somit ist diese Mitteilung als solche nicht für den Nachweis geeignet, dass der Kläger am 26. November 2019 Kenntnis vom Schreiben vom 4. November 2019 hatte. |
78 |
Nach alledem ist der Schluss zu ziehen, dass die EUCAP Somalia keinen Beweis dafür vorlegt, dass der Kläger im November 2019 in zweckdienlicher Weise Kenntnis vom Inhalt des Schreibens vom 4. November 2019 erlangt hat. Im Übrigen geht aus der Akte hervor, dass der Kläger am 31. Januar 2020 in die Lage versetzt wurde, davon in zweckdienlicher Weise Kenntnis zu nehmen, als ihm dieses Schreiben tatsächlich von der EUCAP Somalia als Anlage zur Entscheidung vom 24. Januar 2020 übermittelt wurde. |
79 |
Zweitens ist hinsichtlich des Zeitpunkts der tatsächlichen Kenntnisnahme des Klägers vom Inhalt des Schreibens vom 3. Dezember 2019 zwischen den Parteien unstreitig, dass die Entscheidung, den Vertrag zu kündigen, dem Kläger durch die Versendung dieses Schreibens an seine vollständige Adresse mitgeteilt wurde und dass dieses Schreiben am 5. Dezember 2019 ordnungsgemäß zuging und ihm zur Kenntnis gebracht wurde. |
80 |
Da die mit Schreiben vom 3. Dezember 2019 mitgeteilte Entscheidung, den Vertrag zu kündigen, eine für den Kläger nachteilige individuelle Maßnahme war, war der Kläger daher berechtigt, sich auf Art. 21.1 des Vertrags zu berufen und mit Schreiben vom 2. Januar 2020 Beschwerde einzulegen, die als interne Beschwerde gegen diese Entscheidung anzusehen ist. |
81 |
Da diese interne Beschwerde vom Kläger gemäß Art. 21.1 des Vertrags in dem Monat, in dem er von dem ihn beschwerenden Schreiben vom 3. Dezember 2019 Kenntnis genommen hatte, eingelegt wurde, ist die vorliegende, nach Art. 22.2 des Vertrags erhobene Klage zulässig. Folglich ist die von der EUCAP Somalia insoweit erhobene Einrede der Unzulässigkeit zurückzuweisen. |
2. Zu den Verstößen, die sich auf die Handlungen zur Mitteilung der Kündigung und die Entscheidung vom 24. Januar 2020 auswirken
82 |
Im Rahmen seiner Klage bestreitet der Kläger nicht die Entscheidung, den Vertrag zu kündigen, als solche bzw. mit anderen Worten bestreitet er nicht das Recht der EUCAP Somalia, das Arbeitsverhältnis zu beenden. |
83 |
Er beantragt hingegen, die Handlungen zur Mitteilung der Kündigung und, soweit erforderlich, die Entscheidung vom 24. Januar 2020 für nichtig zu erklären, da sie mehrere Bestimmungen des Vertrags sowie das Unionsrecht und gegebenenfalls das anzuwendende nationale Recht verletzten. |
a) Zu den Handlungen zur Mitteilung der Kündigung
84 |
Zur Stützung seines Antrags, die Handlungen zur Mitteilung der Kündigung für nichtig zu erklären, rügt der Kläger im Wesentlichen erstens einen Verstoß gegen die Begründungspflicht, zweitens, was insbesondere das Schreiben vom 4. November 2019 betrifft, die „fehlende Wirkung und Gültigkeit“ dieses Schreibens sowie einen Verstoß gegen Art. 21 des Vertrags und gegen das Recht auf Anhörung im internen Beschwerdeverfahren, drittens einen Verstoß gegen Art. 18.1 und Art. 17.2 des Vertrags und viertens einen Verstoß gegen das Gesetz über die Arbeitsverträge, falls belgisches Recht anwendbar sein sollte. |
85 |
Das Gericht wird die ersten drei Rügen des Klägers nacheinander prüfen. Was die vierte Rüge betrifft, so wurde sie im Wesentlichen zur Stützung der zweiten und der dritten Rüge erhoben und wird in diesem Rahmen geprüft. [nicht wiedergegeben] |
1) Zur fehlenden Gültigkeit und Wirkung der Mitteilung der Entscheidung, den Vertrag zu kündigen, mit Schreiben vom 4. November 2019 und zum Verstoß gegen das in Art. 21 des Vertrags vorgesehene Recht auf Anhörung
99 |
Der Kläger beantragt die Feststellung der Nichtigkeit des Schreibens vom 4. November 2019, da es ihm erst im Wege der Entscheidung über die Zurückweisung seiner internen Beschwerde mitgeteilt worden sei. Zur Stützung dieses Vorbringens macht er zum einen geltend, dieses Schreiben sei ihm nicht ordnungsgemäß zugestellt worden und erfülle die insoweit im belgischen Recht aufgestellten formalen Gültigkeitsvoraussetzungen nicht. Zum anderen macht er einen Verstoß der EUCAP Somalia gegen Art. 21 des Vertrags und sein Recht auf Anhörung im internen Beschwerdeverfahren geltend. |
100 |
Was die Ordnungsmäßigkeit der Zustellung des Schreibens vom 4. November 2019 angeht, so macht der Kläger geltend, die Übersendung dieses Schreibens sei nicht ordnungsgemäß erfolgt, da sie am 8. November 2019 mittels eines an eine unvollständige Adresse gerichteten Einschreibens erfolgt sei. Er fügt hinzu, der bloße Nachweis der Zahlung einer Einschreibegebühr reiche für den Nachweis der Übersendung nicht aus, vielmehr sei nach belgischem Recht die Empfangsbestätigung maßgeblich. Zudem könne die spätere Übermittlung des Schreibens vom 4. November 2019 im Januar 2020 durch die EUCAP Somalia nicht als Heilung der ursprünglichen Versendung dieses Schreibens an eine fehlerhafte Adresse gelten und daher nicht eine rückwirkende Anwendung der darin festgelegten Kündigungsfrist rechtfertigen. |
101 |
Folglich sei das Schreiben vom 4. November 2019 als nichtig anzusehen und die darin festgelegte Kündigungsfrist von einer Woche absolut nichtig, und könne daher nach Art. 37 Abs. 1 Unterabs. 4 des Gesetzes über die Arbeitsverträge zum vorgesehenen Zeitpunkt keine Wirkungen entfalten. Diese Nichtigkeit beziehe sich nur auf die Mitteilung der Kündigung unter Beachtung einer Kündigungsfrist, ohne dass dies jedoch das Vorliegen der Kündigung berühre, so dass ihm das Schreiben vom 4. November 2019 nicht entgegengehalten werden könne, um seinem Antrag auf Gewährung einer Kündigungsentschädigung entgegenzutreten. |
102 |
Die EUCAP Somalia ist der Ansicht, dass der Kläger von der Kündigung des Vertrags durch den wahrscheinlichen Erhalt des Schreibens vom 4. November 2019 nach der Versendung am 8. November 2019 förmlich in Kenntnis gesetzt worden sei. Zudem sei dieses Schreiben dem Kläger per Einschreiben mit Rückschein an die Adresse übermittelt worden, die er selbst in dem am 10. August 2019 ausgefüllten Formular mit den persönlichen Kontaktdaten angegeben habe. Daher sei die Zustellung dieses Schreibens nach belgischem Arbeitsrecht und insbesondere nach Art. 37 Abs. 1 des Gesetzes über die Arbeitsverträge gültig, da die Unvollständigkeit der darauf angebrachten Adresse auf einen unentschuldbaren Fehler des Klägers zurückzuführen sei. Jedenfalls macht EUCAP Somalia geltend, durch die Versendung des Schreibens vom 3. Dezember 2019 sei die Kündigung im Einklang mit dem belgischen Recht geheilt worden. |
103 |
Im vorliegenden Fall enthält der Vertrag keine Bestimmungen, die geeignet sind, den Teil des Rechtsstreits, der die Beachtung der formellen Gültigkeitsvorschriften betrifft, die für die Mitteilung der Entscheidung, den Vertrag zu kündigen, durch die EUCAP Somalia an den Kläger gelten, unmittelbar zu entscheiden. Folglich sind nach der oben in Rn. 37 angeführten Rechtsprechung die belgischen Rechtsvorschriften anzuwenden, um die Begründetheit des Vorbringens des Klägers im Rahmen der vorliegenden Rüge zu prüfen. |
104 |
Art. 40 Abs. 2 Unterabs. 2 des Gesetzes über die Arbeitsverträge in Verbindung mit Art. 37 Abs. 1 dieses Gesetzes bestimmt insbesondere, dass, wenn eine Kündigung durch den Arbeitgeber erfolgt, ihre Zustellung bei sonstiger Nichtigkeit nur per Einschreiben oder durch den Gerichtsvollzieher erfolgen darf, wobei das Einschreiben seine Wirkungen am dritten Werktag nach dem Zeitpunkt der Versendung entfaltet. |
105 |
Insoweit ist es zunächst Sache des Arbeitgebers, den Nachweis zu erbringen, dass das Einschreiben seinem Empfänger zugegangen ist. Wenn die Zustellung der Kündigungserklärung per Einschreiben erfolgt, muss der Brief an die genaue Adresse geschickt werden. Ein an eine falsche Adresse geschicktes Einschreiben kann keine Wirkung entfalten. Die Unwirksamkeit der Zustellung kann nicht durch die Übermittlung einer Kopie des Schreibens an den Arbeitnehmer geheilt werden. Somit ist die Zustellung einer Kündigungserklärung per Einschreiben nichtig, wenn die auf der Eingangsbestätigung angegebene Adresse ungenau ist (Arbeitsgerichtshof Brüssel, Urteil vom 7. November 2016, Nr. 2015/AB/742). Im Übrigen ist die bloße Vorlage einer Zahlungsbestätigung für ein Einschreiben durch den Arbeitgeber nicht ausreichend (vgl. in diesem Sinne Arbeitsgerichtshof Brüssel, Urteil vom 22. April 2016, Nr. 2014/AB/765). |
106 |
Sodann muss die Kündigung bei sonstiger Nichtigkeit an die letzte Adresse zugestellt werden, von der der Arbeitgeber Kenntnis hatte (Arbeidshof Brussel [Arbeitsgerichtshof Brüssel], Urteil vom 19. Oktober 2012, Nr. 2011/AB/1014). Mit anderen Worten ist die Zustellung der Kündigung, wenn sie an eine falsche Adresse erfolgte, obwohl der Arbeitgeber die neue Adresse kannte oder hätte kennen müssen, unwirksam und der Arbeitgeber zur Zahlung einer Kündigungsentschädigung verpflichtet (Arbeitsgerichtshof Gent, Urteil vom 14. November 2011, J.T.T. 2012, 1124, 1589). Es kann einem Arbeitgeber jedoch nicht vorgeworfen werden, seiner Verpflichtung, die Kündigung an die richtige Adresse zuzustellen, nicht nachgekommen zu sein, wenn die Versendung aufgrund eines Fehlers oder aufgrund von Fahrlässigkeit des Arbeitnehmers an eine falsche Adresse erfolgte (Arbeitsgerichtshof Lüttich, Urteil vom 2. März 2005, J.T.T. 2005, 926, 383). Insoweit ist der Arbeitnehmer verpflichtet, seinem Arbeitgeber eine Änderung seiner Adresse rechtzeitig bekannt zu geben. So ist entschieden worden, dass in einem Fall, in dem der Arbeitnehmer nicht den Beweis erbracht hatte, dass er seinem Arbeitgeber die Änderung seiner Adresse bekannt gegeben hatte, die Zustellung der Kündigung an die alte Adresse des Arbeitnehmers gültig war, so dass die Kündigungsfrist zu dem vom Arbeitgeber festgelegten Zeitpunkt hatte zu laufen beginnen können (Arbeitsgerichtshof Lüttich, Urteil vom 14. Januar 2004, Nr. 27.452-98). Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass der Arbeitgeber andere Anhaltspunkte oder vom Arbeitnehmer in einem anderen Zusammenhang vorgelegte Adressen berücksichtigen kann (vgl. in diesem Sinne Arbeitsgerichtshof Lüttich, Urteil vom 2. März 2005, J.T.T. 2005, 926, 383). |
107 |
Außerdem ist die Folge eines Fehlers des Arbeitgebers bei der Anbringung der Adresse des Arbeitnehmers im Rahmen der Versendung eines Schreibens über die Kündigung eines Arbeitsvertrags im belgischen Recht die absolute Nichtigkeit der in diesem Schreiben angegebenen Kündigungsfrist, die vom Arbeitnehmer nicht geheilt werden kann. Die Kündigung ist in diesem Fall fristlos, es sei denn, das Gericht geht nach einer angemessenen Frist davon aus, dass die Parteien auf ihr Recht, eine fristlose Kündigung geltend zu machen, verzichtet haben (Kassationshof, Urteil vom 28. Januar 2008, R.G. Nr. S.07.0056.N; vgl. auch Arbeitsgerichtshof Brüssel, Urteil vom 7. November 2016, Nr. 2015/AB/742). Mit anderen Worten berührt die Nichtigkeit der Kündigungsfrist nicht das Bestehen der Kündigung (Kassationshof, Urteil vom 6. Januar 1997, J.T.T. 1997, 119). Der Arbeitnehmer, dessen Kündigungsfrist nichtig ist, kann sich ab Kenntnis von der Nichtigkeit der Kündigungsfrist insbesondere auf die Kündigung berufen und die sofortige Zahlung einer Kündigungsentschädigung fordern oder auch die Erfüllung des Vertrags bis Ende der nicht wirksam mitgeteilten Kündigungsfrist fortsetzen und bei ihrem Ablauf das Recht auf eine Kündigungsentschädigung geltend machen (Arbeitsgerichtshof Lüttich, Urteil vom 15. Januar 2008, J.T.T. 2008, 1004, 160). |
108 |
Schließlich kann der Arbeitgeber, solange der Arbeitnehmer die Nichtigkeit der Kündigungsfrist nicht geltend gemacht hat, um sich auf eine fristlose Kündigung zu berufen, ihm eine den gesetzlichen Anforderungen entsprechende neue Kündigungserklärung zustellen (Arbeitsgerichtshof Lüttich, Urteile vom 15. Januar 2008, R.G. Nr. 8356/2007, und vom 17. Oktober 2013, Nr. 2012/AL/332). In einem solchen Fall beginnt die Kündigungsfrist nach Art. 37/1 des Gesetzes über die Arbeitsverträge ab dem Montag zu laufen, der auf die Woche folgt, in der die neue Kündigungserklärung zugestellt wurde. |
109 |
Im vorliegenden Fall wurde erstens oben in den Rn. 67 bis 78 zum einen festgestellt, dass die EUCAP Somalia den Beweis für die tatsächlichen Folgen der Zustellung des Schreibens vom 4. November 2019 nicht erbracht hat, beispielsweise durch die Vorlage eines vom Kläger ordnungsgemäß unterzeichneten Rückscheins oder durch die Hinterlegung einer Benachrichtigung bei der zuletzt von diesem angegebenen Adresse, und zum anderen, dass nicht nachgewiesen werden kann, dass es dieses Schreiben dem Kläger ermöglicht hat, am 8. November 2019 von der Entscheidung, den Vertrag zu kündigen, und von der zu diesem Zweck festgelegten Kündigungsfrist in zweckdienlicher Weise Kenntnis zu nehmen. |
110 |
Unter diesen Umständen ist die Zustellung des an eine falsche Adresse geschickten Schreibens vom 4. November 2019, wie aus der Sendebestätigung hervorgeht, auf der eine unvollständige Adresse angegeben ist, gemäß der oben in Rn. 105 angeführten Rechtsprechung auf eine Weise fehlerhaft, die zur absoluten Nichtigkeit der in diesem Schreiben angegebenen Kündigungsfrist führt, die durch die spätere Übermittlung dieses Schreibens an den Kläger durch die EUCAP Somalia am 24. Januar 2020 nicht geheilt werden kann. |
111 |
Zweitens ergibt sich ebenfalls oben aus Rn. 73, dass die EUCAP Somalia das Schreiben vom 4. November 2019 an eine unvollständige Adresse geschickt hat, da es der Kläger schuldhaft unterlassen hat, auf dem Formular mit seinen persönlichen Kontaktdaten die Straßennummer anzugeben. |
112 |
Diese schuldhafte Unterlassung des Klägers könnte nach dem oben in Rn. 106 angeführten belgischen Recht zwar geeignet sein, die EUCAP Somalia von ihrer Haftung dafür zu befreien, dass sie ihrer Pflicht nicht nachgekommen ist, die Kündigung an die genaue Adresse des Klägers zuzustellen. Wie oben in Rn. 74 festgestellt, hatte der Kläger jedoch vor der streitigen Versendung der EUCAP Somalia seine vollständige Adresse auf einem Formular, das die Identität eines Rechtsnachfolgers im Todesfall betraf, das gleichzeitig mit dem Formular mit seinen persönlichen Kontaktdaten übermittelt wurde, und in einem Formular mit seinen Bankdaten mitgeteilt. Unter diesen Umständen hätte die EUCAP Somalia, die zu diesen Informationen Zugang hatte, die vollständige Adresse des Klägers unter den anderen von ihm zur Verfügung gestellten Auskünften heraussuchen können. Daher ist die Fahrlässigkeit des Klägers unter diesen Umständen nicht geeignet, die EUCAP Somalia von ihrer Haftung für die Fehlerhaftigkeit der Zustellung des Schreibens vom 4. November 2019 zu befreien und folglich der Nichtigkeit der in diesem Schreiben festgelegten Kündigungsfrist entgegenzustehen. |
113 |
Drittens ist darauf hinzuweisen, dass die EUCAP Somalia am 3. Dezember 2019 ein zweites Benachrichtigungsschreiben an den Kläger gerichtet hat, in dem er von der Entscheidung, den Vertrag „unter Einhaltung einer einwöchigen Kündigungsfrist, die am Montag, dem 9. Dezember 2019 beginnt,“ zu kündigen, in Kenntnis gesetzt wurde. Der Kläger bestreitet nicht, dieses Schreiben, das per Einschreiben an seine vollständige Adresse geschickt wurde, erhalten zu haben und von dessen Inhalt Kenntnis erlangt zu haben. Somit ist in Anwendung der oben in Rn. 108 angeführten Rechtsprechung davon auszugehen, dass das Schreiben vom 3. Dezember 2019 zum Zeitpunkt seines Eingangs beim Kläger am 5. Dezember 2019 die Berichtigung des Fehlers bewirkt, den die EUCAP Somalia bei der Mitteilung der Kündigung mit Schreiben vom 4. November 2019 begangen hat. |
114 |
Was das Vorbringen des Klägers im Rahmen seiner schriftlichen Antworten auf die Fragen des Gerichts betrifft, mit dem er die Ordnungsmäßigkeit der zweiten Kündigungserklärung aufgrund ihres bedingten Charakters bestreitet, ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 84 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts das Vorbringen neuer Klage- und Verteidigungsgründe im Laufe des Verfahrens unzulässig ist, es sei denn, dass sie auf rechtliche oder tatsächliche Gesichtspunkte gestützt werden, die erst während des Verfahrens zutage getreten sind. Nach der Rechtsprechung ist diese Vorschrift auch auf Rügen und Vorbringen anwendbar (vgl. Urteil vom 14. Juli 2021, AQ/eu-LISA, T‑164/19, nicht veröffentlicht, EU:T:2021:456, Rn. 59 und die dort angeführte Rechtsprechung). Ein Angriffsmittel oder ein Vorbringen, das eine Erweiterung eines bereits zuvor – unmittelbar oder implizit – in der Klageschrift vorgetragenen Angriffsmittels darstellt und einen engen Zusammenhang mit diesem aufweist, ist jedoch für zulässig zu erklären (vgl. Urteil vom 15. Dezember 2021, Oltchim/Kommission, T‑565/19, EU:T:2021:904, Rn. 87 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
115 |
Im vorliegenden Fall ist zum einen darauf hinzuweisen, dass das oben angeführte Vorbringen nicht auf Gesichtspunkte gestützt wird, die erst während des Verfahrens zutage getreten sind, und zum anderen, dass es keinen engen Zusammenhang mit der Klageschrift aufweist. Im Übrigen ist festzustellen, dass dieses Argument zwar im Rahmen der Antwort des Klägers auf eine Frage des Gerichts vorgebracht worden ist, dass es jedoch über die Tragweite dieser Frage hinausgeht (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 7. Februar 2019, RK/Rat, T‑11/17, EU:T:2019:65, Rn. 54). Daher ist dieses Vorbringen als unzulässig zurückzuweisen. |
116 |
Aus alledem ergibt sich, dass das Schreiben vom 4. November 2019 dem Kläger durch die EUCAP Somalia nicht ordnungsgemäß zugestellt wurde, da die insoweit im belgischen Recht festgelegten formalen Gültigkeitsvoraussetzungen nicht beachtet wurden, was die absolute Nichtigkeit der in diesem Schreiben festgelegten Kündigungsfrist nach sich zieht. Dagegen ergibt sich daraus auch, dass die EUCAP Somalia diesen Fehler mit der ordnungsgemäßen Zustellung des Schreibens vom 3. Dezember 2019 berichtigt hat, das daher gegenüber dem Kläger seine volle Wirkung entfaltet. |
117 |
Folglich ist der Rüge des Klägers, mit der er zur Stützung seines ersten Antrags geltend macht, die mit Schreiben vom 4. November 2019 erfolgte Mitteilung der Entscheidung, den Vertrag zu kündigen, sei ungültig und unwirksam, stattzugeben, ohne dass über das Vorbringen zum Verstoß gegen Art. 21 des Vertrags und sein vertragliches Recht auf Anhörung entschieden zu werden braucht. Dieses Argument war nämlich zur Stützung des ersten Antrags vorgebracht worden, dem stattgegeben wird. Im Übrigen wird an diesen behaupteten Verstoß keine Schadensersatzforderung geknüpft. |
2) Zum Verstoß gegen die Art. 17.2 und 18.1 des Vertrags
118 |
Zum einen ist der Kläger der Ansicht, dass seine Arbeitsleistung nicht als unzureichende Arbeitsleistung angesehen werden könne, da ihm keine Möglichkeit gegeben worden sei, tatsächlich zu arbeiten, und nicht der Schluss gezogen werden könne, dass er für die Stelle keine ausreichenden beruflichen Fähigkeiten im Sinne von Art. 17.2 des Vertrags nachgewiesen habe. Somit hätte die EUCAP Somalia nicht Art. 17.2 des Vertrags, sondern dessen Art. 18.1 anwenden müssen, der das Recht jeder Partei vorsehe, den Vertrag jederzeit unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von einem Monat zu kündigen. Dadurch, dass die EUCAP Somalia beschlossen habe, eine Kündigungsfrist von einer Woche anzuwenden, habe sie den Wortlaut sowohl von Art. 17.2 des Vertrags, der keine zwingende Kündigungsfrist vorsehe, als auch von Art. 18.1 des Vertrags verkannt, der eine Kündigungsfrist von einem Monat vorsehe. |
119 |
Zum anderen untersage es das belgische Recht bei sonstiger Nichtigkeit seit 1. Januar 2014, von der Abschaffung von Probezeitklauseln in Arbeitsverträgen abzuweichen. Auf den vorliegenden Fall angewandt, führe dieser Grundsatz zur Nichtigkeit von Art. 17.2 des Vertrags, auf den sich die EUCAP Somalia bei der Kündigung des Vertrags gestützt habe. Folglich müsse die in Art. 17.2 des Vertrags vorgesehene Probezeit unwirksam sein und hätte nur Art. 18.1 des Vertrags, der eine Kündigungsfrist von einem Monat vorsehe, angewandt werden dürfen. Zudem weist der Kläger darauf hin, dass die behauptete Fehlerhaftigkeit der Zustellung des Schreibens vom 4. November 2019 zur Folge habe, dass die darin festgelegte einwöchige Kündigungsfrist nach belgischem Recht nichtig sei. Gemäß diesen Rechtsvorschriften werde in einem solchen Fall nach belgischem Recht der Vertrag gegen Zahlung einer Kündigungsentschädigung sofort aufgelöst. |
120 |
Daher sei die durch die Schreiben vom 4. November und vom 3. Dezember 2019 mitgeteilte Entscheidung, den Vertrag zu kündigen, nichtig, weil sowohl die Vertragsklauseln als auch die Vorschriften des belgischen Rechts verletzt worden seien. |
121 |
Die EUCAP Somalia weist darauf hin, dass sich der Kläger zum Zeitpunkt der Entscheidung, den Vertrag zu kündigen, in einer Probezeit von drei Monaten befunden habe, die vom 8. September bis 8. Dezember 2019 gedauert habe. Folglich stelle Art. 17.2 des Vertrags die einzige vertragliche Grundlage für die Entscheidung, den Vertrag zu kündigen, dar. |
122 |
Insoweit räumt die EUCAP Somalia zwar ein, dass das belgische Arbeitsrecht keine Vorschriften zur Probezeit mehr enthalte, ist jedoch der Ansicht, dass das Gericht nicht berechtigt sei, eine Vertragsklausel unangewendet zu lassen, wenn seine Zuständigkeit auf Art. 272 AEUV beruhe, selbst wenn sich herausstelle, dass diese Klausel mit dem auf den Vertrag anzuwendenden nationalen Recht in Widerspruch stehe, da die Anwendung von frei zwischen ihr und dem Kläger vereinbarten Klauseln Vorrang haben müsse. So sei Art. 17.2 des Vertrags anzuwenden, obwohl belgisches Recht als auf den Vertrag anwendbares Recht bestimmt worden sei. |
123 |
Sodann vertritt die EUCAP Somalia die Ansicht, keinen Fehler begangen zu haben, als sie auf der Grundlage dieses Artikels davon ausgegangen sei, dass der Kläger aufgrund medizinischer Kontraindikationen nicht die erforderliche physische Eignung für die ordnungsgemäße Erfüllung des Vertrags besitze. |
124 |
Schließlich betont sie, sie habe gleichwohl belgisches Recht ergänzend angewandt und in diesem Zusammenhang gemäß Art. 37 Abs. 2 und Art. 40 Abs. 2 des Gesetzes über die Arbeitsverträge eine einwöchige Kündigungsfrist festgelegt, obwohl Art. 17.2 des Vertrags ihr dies nicht vorgeschrieben habe. Die EUCAP Somalia führt weiter aus, soweit der in Art. 17.2 des Vertrags eingeführte Mechanismus die Möglichkeit vorsehe, den Vertrag einseitig innerhalb der ersten drei Monate des Vertragsverhältnisses zu kündigen, nähere er sich dem belgischen Recht an, das die einseitige Auflösung eines befristeten Arbeitsvertrags in der ersten Hälfte der vereinbarten Vertragsdauer innerhalb der ersten sechs Monate erlaube. |
125 |
Was im vorliegenden Fall das auf den Vertrag anzuwendende belgische Recht betrifft (vgl. oben Rn. 45), so wurde zum einen durch das Gesetz über die Einführung eines einheitlichen Statuts zwischen Arbeitern und Angestellten in Bezug auf die Kündigungsfristen und den Karenztag sowie die Begleitmaßnahmen vom 26. Dezember 2013 (Moniteur belge vom 31. Dezember 2013, S. 104147) das Recht, eine Probezeitklausel in Arbeitsverträgen vorzusehen, ab 1. Januar 2014 abgeschafft. Dies gilt für alle entgegenstehenden Klauseln bei sonstiger relativer Nichtigkeit auf der Grundlage von Art. 6 des Gesetzes über die Arbeitsverträge, der vorsieht, dass alle dem Gesetz und seinen Durchführungsverordnungen entgegenstehenden Vorschriften nichtig sind, soweit sie darauf abzielen, die Rechte der Arbeitnehmer einzuschränken oder ihre Pflichten zu verschärfen. Zum anderen wurde damit sowohl für den Arbeitgeber als auch für den Arbeitnehmer die Möglichkeit eingeführt, während der ersten Hälfte der von einem befristeten Arbeitsvertrag vorgesehenen Dauer und innerhalb von höchstens sechs Monaten den Vertrag unter Einhaltung neuer Kündigungsfristen, die in Art. 37/2 Abs. 1 des Gesetzes über die Arbeitsverträge vorgesehen sind, zu beenden. |
126 |
Diese belgischen Rechtsvorschriften, die den Schutz der Arbeitnehmer regeln und gewährleisten, sind daher zwingend. |
127 |
Drittens trifft es zwar zu, dass sich die Parteien frei über das Vorliegen einer dreimonatigen Probezeit vom 8. September bis zum 8. Dezember 2019 und über den Wortlaut von Art. 17.2 des Vertrags geeinigt haben, der zu diesem Zweck eine Probezeitklausel enthält. |
128 |
Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass diese frei zwischen den Parteien vereinbarte Probezeitklausel keine Kündigungsfrist im Fall der Kündigung des Vertrags während der betreffenden Probezeit vorsieht, wodurch die Rechte des Klägers eingeschränkt und seine Pflichten unter Verstoß gegen Art. 6 und Art. 37/2 des Gesetzes über die Arbeitsverträge ausgeweitet werden. |
129 |
Wie sich oben aus Rn. 45 ergibt, kann diese Probezeitklausel die zwingenden Vorschriften des auf den Vertrag anzuwendenden materiellen belgischen Arbeitsrechts nicht außer Kraft setzen, ohne dass dies nichtig wäre. |
130 |
Wie vom Kläger im Wesentlichen beantragt, ist die zwischen den Parteien in Art. 17.2 des Vertrags vorgesehene Probezeitklausel daher für nichtig zu erklären und von ihrer Anwendung für die Zwecke der Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits abzusehen. |
131 |
Somit trifft es zwar zu, dass die Anwendung von Art. 40 Abs. 2 des Gesetzes über die Arbeitsverträge in Verbindung mit Art. 37 Abs. 1 und Art. 37/1 und 37/2 dieses Gesetzes auf den vorliegenden Fall die EUCAP Somalia zur Einhaltung einer einwöchigen Kündigungsfrist verpflichtete, da der Kläger zu einer Kategorie von Arbeitnehmern mit einer Betriebszugehörigkeit von weniger als drei Monaten gehörte. |
132 |
Aus einer Zusammenschau der Art. 6, 37/2 und 40 des Gesetzes über die Arbeitsverträge ergibt sich jedoch, dass die Vertragspartner eines befristeten Arbeitsvertrags eine Klausel vorsehen können, wonach die Kündigung dieses Vertrags einer abweichenden und längeren Kündigungsfrist als der nach Art. 37/2 dieses Gesetz vorgesehenen unterliegt, sofern eine solche Klausel die Rechte des Arbeitnehmers ausweiten und seine Pflichten verringern würde. |
133 |
Dies ist hier der Fall. Es ist darauf hinzuweisen, dass Art. 18.1 des Vertrags, dessen Wortlaut oben in Rn. 5 wiedergegeben wird, die Möglichkeit einer einseitigen Auflösung des Vertrags unter Einhaltung einer einmonatigen Kündigungsfrist vorsah. |
134 |
Folglich ist der Schluss zu ziehen, dass die EUCAP Somalia die in Art. 18.1 des Vertrags vorgesehene Kündigungsfrist hätte anwenden müssen, da diese Kündigungsfrist dem Arbeitnehmer mehr Schutz geboten hat als die einwöchige Frist, die gemäß den Vorschriften des Gesetzes über die Arbeitsverträge vorgesehen war. |
135 |
Daher ist der Rüge des Klägers stattzugeben, mit der er einen Verstoß gegen die Art. 17.2 und 18.1 des Vertrags geltend macht, ohne dass auf das ergänzende Vorbringen des Klägers hierzu einzugehen ist. |
136 |
Was die Auswirkungen dieses Verstoßes auf das Schreiben vom 3. Dezember 2019 angeht, ist darauf hinzuweisen, dass die EUCAP Somalia die Entscheidung, den Vertrag zu kündigen, durch die Versendung des Schreibens vom 3. Dezember 2019, das beim Kläger am 5. Dezember 2019 eingegangen ist, ordnungsgemäß mitgeteilt hat (vgl. oben Rn. 113). Somit ist die Entscheidung, den Vertrag zu kündigen, am 5. Dezember 2019 ordnungsgemäß und gültig geworden, kann dem Kläger entgegengehalten werden und ist mit Ablauf der anwendbaren Kündigungsfrist rechtskräftig geworden. Zudem ergibt sich aus Art. 40 Abs. 2 des Gesetzes über die Arbeitsverträge im Wesentlichen, dass nach belgischem Recht die Kündigungserklärung nicht nichtig ist, wenn eine Kündigung unter Einhaltung einer Kündigungsfrist durch ein Schreiben, in dem eine Kündigungsfrist genannt ist, rechtsgültig mitgeteilt wird, diese Frist jedoch unzureichend ist. Daher hat die Nichteinhaltung der vertraglichen Kündigungsfrist zur Folge, dass die in Art. 18.1 des Vertrags vertraglich festgelegte Kündigungsfrist von einem Monat anstatt der in diesem Schreiben festgelegten gesetzlichen Kündigungsfrist von einer Woche zur Anwendung kommt. [nicht wiedergegeben] |
IV. Schlussfolgerung zum gesamten Rechtsstreit
170 |
Nach alledem ist zum einen den Rügen des Klägers stattzugeben, mit denen er die fehlende Gültigkeit und Wirksamkeit der Mitteilung der Entscheidung, den Vertrag zu kündigen, mit Schreiben vom 4. November 2019 und einen Verstoß gegen die Art. 17.2 und 18.1 geltend macht. Es ist daher der Schluss zu ziehen, dass der Kläger einen Anspruch auf seine Vergütung für den Zeitraum vom 26. November bis zum 8. Dezember 2019 und auf eine Kündigungsentschädigung auf dieser Grundlage hat. Folglich wird der Klage stattgegeben, was den ersten und vierten Klageantrag betrifft, und sie wird im Übrigen abgewiesen. Zum anderen wird die hilfsweise eingereichte Widerklage der EUCAP Somalia abgewiesen. |
V. Kosten
171 |
Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die ECUAP Somalia im Wesentlichen unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag des Klägers die Kosten aufzuerlegen. |
Aus diesen Gründen hat DAS GERICHT (Siebte Kammer) für Recht erkannt und entschieden: |
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Da Silva Passos Truchot Sampol Pucurull Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 13. Juli 2022. |
( *1 ) Verfahrenssprache: Französisch
( 1 ) Es werden nur die Randnummern des vorliegenden Urteils wiedergegeben, deren Veröffentlichung das Gericht für zweckdienlich erachtet.