EUR-Lex Access to European Union law

Back to EUR-Lex homepage

This document is an excerpt from the EUR-Lex website

Document 62017CO0540

Beschluss des Gerichtshofs (Zehnte Kammer) vom 13. November 2019.
Bundesrepublik Deutschland gegen Adel Hamed und Amar Omar.
Vorabentscheidungsersuchen des Bundesverwaltungsgerichts.
Vorlage zur Vorabentscheidung – Art. 99 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs – Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts – Gemeinsame Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes – Richtlinie 2013/32/EU – Art. 33 Abs. 2 Buchst. a – Ablehnung eines Asylantrags durch die Behörden eines Mitgliedstaats als unzulässig wegen vorheriger Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in einem anderen Mitgliedstaat – Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union – Tatsächliche und erwiesene Gefahr, unmenschlich oder erniedrigend behandelt zu werden – Lebensbedingungen der Personen, denen im letzteren Mitgliedstaat der Flüchtlingsstatus zuerkannt wurde.
Verbundene Rechtssachen C-540/17 und C-541/17.

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2019:964

BESCHLUSS DES GERICHTSHOFS (Zehnte Kammer)

13. November 2019(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Art. 99 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs – Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts – Gemeinsame Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes – Richtlinie 2013/32/EU – Art. 33 Abs. 2 Buchst. a – Ablehnung eines Asylantrags durch die Behörden eines Mitgliedstaats als unzulässig wegen vorheriger Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in einem anderen Mitgliedstaat – Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union – Tatsächliche und erwiesene Gefahr, unmenschlich oder erniedrigend behandelt zu werden – Lebensbedingungen der Personen, denen im letzteren Mitgliedstaat der Flüchtlingsstatus zuerkannt wurde“

In den verbundenen Rechtssachen C-540/17 und C-541/17

betreffend Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesverwaltungsgericht (Deutschland) mit Entscheidungen vom 2. August 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 15. September 2017, in den Verfahren

Bundesrepublik Deutschland

gegen

Adel Hamed (C‑540/17),

Amar Omar (C‑541/17)

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zehnte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten I. Jarukaitis sowie der Richter M. Ilešič (Berichterstatter) und C. Lycourgos,

Generalanwalt: G. Hogan,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        von Herrn Omar, vertreten durch Rechtsanwältin M. Gajczyk,

–        der deutschen Regierung, zunächst vertreten durch T. Henze und R. Kanitz, dann durch R. Kanitz als Bevollmächtigte,

–        der belgischen Regierung, vertreten durch M. Jacobs und C. Van Lul als Bevollmächtigte,

–        der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek, J. Vláčil und A. Brabcová als Bevollmächtigte,

–        der französischen Regierung, vertreten durch D. Colas, E. de Moustier und E. Armoët als Bevollmächtigte,

–        der ungarischen Regierung, vertreten durch M. Z. Fehér, G. Tornyai und M. M. Tátrai als Bevollmächtigte,

–        der niederländischen Regierung, vertreten durch M. K. Bulterman und C. S. Schillemans als Bevollmächtigte,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch C. Ladenburger und M. Condou-Durande als Bevollmächtigte,

aufgrund der nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Entscheidung, gemäß Art. 99 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden,

folgenden

Beschluss

1        Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung von Art. 25 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 1. Dezember 2005 über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft (ABl. 2005, L 326, S. 13), von Art. 33 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (ABl. 2013, L 180, S. 60, im Folgenden: Verfahrensrichtlinie) und von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta).

2        Sie ergehen im Rahmen zweier Rechtsstreitigkeiten zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Herrn Adel Hamed zum einen (Rechtssache C‑540/17) und Herrn Amar Omar zum anderen (Rechtssache C‑541/17) wegen Bescheiden des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Deutschland) (im Folgenden: BAMF), mit denen ihnen das Asylrecht versagt wurde.

 Rechtlicher Rahmen

 Völkerrecht

3        Art. 3 („Verbot der Folter“) der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) bestimmt:

„Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.“

 Unionsrecht

 Charta

4        Art. 1 („Würde des Menschen“) der Charta lautet:

„Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie ist zu achten und zu schützen.“


5        Art. 4 („Verbot der Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung“) der Charta lautet:

„Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.“

 Anerkennungsrichtlinie

6        In Art. 2 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. 2011, L 337, S. 9, im Folgenden: Anerkennungsrichtlinie) heißt es:

„Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck:

a)      ‚internationaler Schutz‘ die Flüchtlingseigenschaft und den subsidiären Schutzstatus …

...

d)      ‚Flüchtling‘ einen Drittstaatsangehörigen, der aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will, oder einen Staatenlosen, der sich aus denselben vorgenannten Gründen außerhalb des Landes seines vorherigen gewöhnlichen Aufenthalts befindet und nicht dorthin zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht dorthin zurückkehren will und auf den Artikel 12 keine Anwendung findet;

e)      ‚Flüchtlingseigenschaft‘ die Anerkennung eines Drittstaatsangehörigen oder eines Staatenlosen als Flüchtling durch einen Mitgliedstaat;

f)      ‚Person mit Anspruch auf subsidiären Schutz‘ einen Drittstaatsangehörigen oder einen Staatenlosen, der die Voraussetzungen für die Anerkennung als Flüchtling nicht erfüllt, der aber stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass er bei einer Rückkehr in sein Herkunftsland oder, bei einem Staatenlosen, in das Land seines vorherigen gewöhnlichen Aufenthalts tatsächlich Gefahr liefe, einen ernsthaften Schaden im Sinne des Artikel[s] 15 zu erleiden, und auf den Artikel 17 Absätze 1 und 2 keine Anwendung findet und der den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Gefahr nicht in Anspruch nehmen will;

g)      ‚subsidiärer Schutzstatus‘ die Anerkennung eines Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen durch einen Mitgliedstaat als Person, die Anspruch auf subsidiären Schutz hat;

h)      ‚Antrag auf internationalen Schutz‘ das Ersuchen eines Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen um Schutz durch einen Mitgliedstaat, wenn davon ausgegangen werden kann, dass der Antragsteller die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder die Gewährung des subsidiären Schutzstatus anstrebt, und wenn er nicht ausdrücklich um eine andere, gesondert zu beantragende Form des Schutzes außerhalb des Anwendungsbereichs dieser Richtlinie ersucht;

...“

7        In Kapitel III der Anerkennungsrichtlinie sind die Voraussetzungen für die Anerkennung als Flüchtling festgelegt. In diesem Rahmen sehen die Art. 9 („Verfolgungshandlungen“) und 10 („Verfolgungsgründe“) der Richtlinie die Anhaltspunkte vor, die bei der Prüfung zu berücksichtigen sind, ob die Person, die internationalen Schutz beantragt, verfolgt worden ist bzw. verfolgt werden könnte.

8        Kapitel IV („Flüchtlingseigenschaft“) der Anerkennungsrichtlinie enthält deren Art. 13 („Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft“), der lautet:

„Die Mitgliedstaaten erkennen einem Drittstaatsangehörigen oder einem Staatenlosen, der die Voraussetzungen der Kapitel II und III erfüllt, die Flüchtlingseigenschaft zu.“

9        In Kapitel VII der Anerkennungsrichtlinie, der deren Art. 20 bis 35 enthält, ist der Inhalt des internationalen Schutzes festgelegt.

 Richtlinie 2005/85 und Verfahrensrichtlinie

10      Die Richtlinie 2005/85 hatte nach ihrem Art. 1 den Zweck, Mindestnormen für die Verfahren zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft festzulegen. Art. 2 Buchst. b der Richtlinie bestimmte den Begriff „Asylantrag“ als den von einem Drittstaatsangehörigen oder einem Staatenlosen gestellten Antrag, der als Ersuchen um internationalen Schutz eines Mitgliedstaats im Sinne des am 28. Juli 1951 in Genf unterzeichneten Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (United Nations Treaty Series, Bd. 189, S. 150, Nr. 2545 [1954]) betrachtet werden konnte.

11      Art. 25 („Unzulässige Anträge“) der Richtlinie 2005/85 bestimmte:

„(1)      Zusätzlich zu den Fällen, in denen ein Asylantrag nach Maßgabe der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 [des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (ABl. 2003, L 50, S. 1)] nicht geprüft wird, müssen die Mitgliedstaaten nicht prüfen, ob der Antragsteller als Flüchtling … anzuerkennen ist, wenn ein Antrag gemäß dem vorliegenden Artikel als unzulässig betrachtet wird.

(2)      Die Mitgliedstaaten können einen Asylantrag gemäß diesem Artikel als unzulässig betrachten, wenn

a)      ein anderer Mitgliedstaat die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt hat;

…“


12      Nach Art. 1 der Verfahrensrichtlinie, die die Richtlinie 2005/85 neu gefasst hat, werden mit ihr gemeinsame Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes gemäß der Anerkennungsrichtlinie eingeführt.

13      Art. 2 Buchst. b der Verfahrensrichtlinie bestimmt den Begriff „Antrag auf internationalen Schutz“ als das Ersuchen eines Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen um Schutz durch einen Mitgliedstaat, bei dem davon ausgegangen werden kann, dass er die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder die Gewährung des subsidiären Schutzstatus anstrebt, und der nicht ausdrücklich um eine andere, gesondert zu beantragende Form des Schutzes außerhalb des Anwendungsbereichs der Anerkennungsrichtlinie ersucht.

14      Art. 33 („Unzulässige Anträge“) der Verfahrensrichtlinie bestimmt:

„(1)      Zusätzlich zu den Fällen, in denen nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. 2013, L 180, S. 31)] ein Antrag nicht geprüft wird, müssen die Mitgliedstaaten nicht prüfen, ob dem Antragsteller der internationale Schutz im Sinne der [Anerkennungsrichtlinie] zuzuerkennen ist, wenn ein Antrag auf der Grundlage des vorliegenden Artikels als unzulässig betrachtet wird.

(2)      Die Mitgliedstaaten können einen Antrag auf internationalen Schutz nur dann als unzulässig betrachten, wenn

a)      ein anderer Mitgliedstaat internationalen Schutz gewährt hat;

…“

15      Art. 51 Abs. 1 der Verfahrensrichtlinie lautet:

„Die Mitgliedstaaten setzen die Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft, die erforderlich sind, um den Artikeln 1 bis 30, Artikel 31 Absätze 1, 2 und 6 bis 9, den Artikeln 32 bis 46, den Artikeln 49 und 50 sowie dem Anhang I bis spätestens 20. Juli 2015 nachzukommen. Sie teilen der Kommission unverzüglich den Wortlaut dieser Vorschriften mit.“

16      Art. 52 Abs. 1 der Verfahrensrichtlinie lautet:

„Die Mitgliedstaaten wenden die Rechts- und Verwaltungsvorschriften nach Artikel 51 Absatz 1 auf förmlich gestellte Anträge auf internationalen Schutz sowie auf eingeleitete Verfahren zur Aberkennung des internationalen Schutzes nach dem 20. Juli 2015 oder früher an. Für vor diesem Datum förmlich gestellte Anträge und vor diesem Datum eingeleitete Verfahren zur Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft gelten die Rechts- und Verwaltungsvorschriften nach Maßgabe der Richtlinie 2005/85… .“

17      Art. 53 Abs. 1 der Verfahrensrichtlinie bestimmt:

„Die Richtlinie 2005/85… wird im Verhältnis zu den Mitgliedstaaten, die durch diese Richtlinie gebunden sind, unbeschadet der Verpflichtungen dieser Mitgliedstaaten hinsichtlich der in Anhang II Teil B genannten Frist für die Umsetzung [dieser] Richtlinie in nationales Recht mit Wirkung vom 21. Juli 2015 aufgehoben.“

18      Nach Art. 54 Abs. 1 der Verfahrensrichtlinie ist diese „am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft“ getreten; dies war der 29. Juni 2013.

 Deutsches Recht

19      § 29 Abs. 1 („Unzulässige Anträge“) des Asylgesetzes (im Folgenden: AsylG) in der mit Wirkung vom 6. August 2016 geänderten Fassung des Integrationsgesetzes vom 31. Juli 2016 (BGBI. 2016 I, S. 1939) sieht vor:

„Ein Asylantrag ist unzulässig, wenn

2.      ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz … gewährt hat,

…“

20      § 77 Abs. 1 AsylG bestimmt:

„In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. …“

21      § 60 Abs. 1 des Gesetzes über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz) vom 30. Juli 2004 (BGBl. 2004 I, S. 1950) bestimmt in seiner auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbaren Fassung:

„[E]in Ausländer [darf] nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das [BAMF] außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des [BAMF] kann nur nach den Vorschriften des [AsylG] angefochten werden.“

 Ausgangsrechtsstreitigkeiten und Vorlagefragen

22      Die Beklagten der Ausgangsverfahren sind syrische Staatsangehörige, die nach Anerkennung als Flüchtlinge in Bulgarien im Lauf des Jahres 2014 nach Deutschland einreisten und dort einen weiteren Asylantrag stellten.

23      Mit Bescheiden vom 24. November 2014 und vom 6. Mai 2015 lehnte das BAMF diese Asylanträge mit der Begründung als unzulässig ab, dass die Beklagten der Ausgangsverfahren bereits als Flüchtlinge anerkannt worden seien, ordnete an, einen von ihnen nach Bulgarien abzuschieben und drohte dem anderen eine solche Abschiebung an.

24      Mit Urteilen vom 21. Juli 2015 und vom 9. Februar 2016 wiesen die Verwaltungsgerichte Wiesbaden (Deutschland) und Gießen (Deutschland) die Klagen gegen diese Bescheide ab.

25      Mit Urteilen vom 4. November 2016 hob der Hessische Verwaltungsgerichtshof (Deutschland) diese Urteile auf und verpflichtete das BAMF, Asylverfahren einzuleiten. Er war der Auffassung, dass das Asylsystem in Bulgarien hinsichtlich anerkannter Flüchtlinge unter systemischen Mängeln leide und dass unter diesen Umständen § 60 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes und § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG unions- und menschenrechtskonform ausgelegt werden sollten. Es wäre systemwidrig, einem Asylbewerber, der wegen solcher Mängel nicht in den Mitgliedstaat, in dem er als Flüchtling anerkannt worden sei, zurückgeführt werden könne, die Eröffnung eines weiteren Asylverfahrens in einem anderen Mitgliedstaat zu verweigern und ihn damit von den mit der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft verbundenen Vorteilen auszuschließen.

26      Die Bundesrepublik Deutschland legte beim Bundesverwaltungsgericht (Deutschland) Revision gegen diese Urteile ein. Sie macht u. a. geltend, die zu den Lebensverhältnissen anerkannter Flüchtlinge in Bulgarien und zur Nichterfüllung der im Unionsrecht insoweit vorgesehenen Mindeststandards durch diesen Mitgliedstaat vorgebrachten Argumente seien von den deutschen Behörden lediglich im Rahmen der Prüfung von Abschiebungsverboten zu berücksichtigen und begründeten keine Pflicht zur Durchführung weiterer Asylverfahren in Deutschland.

27      Das Bundesverwaltungsgericht (Deutschland) führt aus, nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts würde die Rückführung von Flüchtlingen nach Bulgarien möglicherweise gegen Art. 4 der Charta und Art. 3 EMRK verstoßen. In Bulgarien anerkannte Flüchtlinge hätten dort nämlich weder Anrecht auf Unterbringung in einer Unterkunft noch eine reelle Chance, sich ein Existenzminimum aufzubauen. Sie erfüllten nicht die Voraussetzungen für eine Unterkunft in einer kommunalen Obdachlosenunterkunft oder Sozialwohnung. Ohne Wohnsitz erhielten sie keine Meldebestätigung, was die Ausstellung eines bulgarischen Ausweisdokuments erschwere. Außerdem hätten sie keinen Zugang zu staatlichen oder medizinischen Leistungen und könnten ihre Rechte nicht wahrnehmen. Da das Berufungsgericht allerdings hinsichtlich einer Verletzung von Art. 4 der Charta und Art. 3 EMRK im Fall einer Abschiebung der Beklagten der Ausgangsverfahren nach Bulgarien keine abschließende tatrichterliche Würdigung vorgenommen habe, müsste der Rechtsstreit an dieses zurückverwiesen werden, falls es für die Zulässigkeit des weiteren Asylantrags auf diese Vorschriften ankommen sollte.

28      Unter diesen Umständen hat das Bundesverwaltungsgericht beschlossen, die Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof in den Rechtssachen C‑540/17 und C‑541/17 folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Ist ein Mitgliedstaat (hier: Bundesrepublik Deutschland) unionsrechtlich gehindert, einen Antrag auf internationalen Schutz wegen der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in einem anderen Mitgliedstaat (hier: Bulgarien) in Umsetzung der Ermächtigung in Art. 33 Abs. 2 Buchst. a der Verfahrensrichtlinie bzw. der Vorgängerregelung in Art. 25 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2005/85 als unzulässig abzulehnen, wenn die Ausgestaltung des internationalen Schutzes, namentlich die Lebensbedingungen für anerkannte Flüchtlinge, in dem anderen Mitgliedstaat, der dem Antragsteller bereits internationalen Schutz gewährt hat (hier: Bulgarien), gegen Art. 4 der Charta bzw. Art. 3 EMRK verstößt?

 Verfahren vor dem Gerichtshof

29      Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 26. September 2017 sind die Rechtssachen C‑540/17 und C‑541/17 zu gemeinsamem schriftlichen und mündlichen Verfahren und zu gemeinsamem Urteil verbunden worden, da die Vorlagefragen in diesen beiden Rechtssachen identisch sind. Außerdem wurden diese Rechtssachen in demselben Beschluss zunächst mit der Rechtssache C‑517/17, Addis, verbunden, die von demselben vorlegenden Gericht stammte; diese Verbindung wurde jedoch später durch Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 14. Mai 2019 aufgehoben, da die Fragen, die diese Verbindung rechtfertigten, von dem vorlegenden Gericht im Anschluss an die Verkündung des Urteils vom 19. März 2019, Ibrahim u. a. (C‑297/17, C‑318/17, C‑319/17 und C‑438/17, EU:C:2019:219), in Erwartung dessen die vorliegenden Rechtssachen ausgesetzt worden waren, zurückgezogen worden sind.

 Zur Vorlagefrage

30      Vorab ist festzustellen, dass das vorlegende Gericht, wie sich aus den Vorabentscheidungsersuchen ergibt, in Anwendung von § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG für seine Entscheidung in den Ausgangsverfahren auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor diesem Gericht oder, in Ermangelung einer mündlichen Verhandlung, im Zeitpunkt seiner Entscheidung abstellen muss und damit auf § 29 AsylG in der damals geltenden Fassung, mit der Art. 33 Abs. 2 Buchst. a der Verfahrensrichtlinie in das deutsche Recht umgesetzt wurde. Da die Rechtsstellung von Personen, die internationalen Schutz beantragen und denen bereits von einem anderen Mitgliedstaat die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, im Rahmen der letzteren Vorschrift dieselbe ist, wie sie nach dem durch sie ersetzten Art. 25 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2005/85 vorgesehen war, spricht nichts gegen ihre Anwendung in den Ausgangsverfahren.

31      Unter diesen Umständen ist die Vorlagefrage dahin zu verstehen, dass das vorlegende Gericht wissen möchte, ob Art. 33 Abs. 2 Buchst. a der Verfahrensrichtlinie dahin auszulegen ist, dass er es einem Mitgliedstaat verbietet, von der durch diese Vorschrift eingeräumten Befugnis Gebrauch zu machen, einen Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig abzulehnen, weil dem Antragsteller bereits von einem anderen Mitgliedstaat die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, wenn die Lebensverhältnisse, die ihn in dem anderen Mitgliedstaat als anerkannter Flüchtling erwarten würden, ihn der ernsthaften Gefahr aussetzen würden, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta zu erfahren.

32      Nach Art. 99 seiner Verfahrensordnung kann der Gerichtshof, u. a. wenn die Antwort auf eine zur Vorabentscheidung vorgelegte Frage klar aus der Rechtsprechung abgeleitet werden kann, auf Vorschlag des Berichterstatters und nach Anhörung des Generalanwalts jederzeit die Entscheidung treffen, durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden.

33      Diese Bestimmung ist in den vorliegenden Rechtssachen anzuwenden.

34      Im Urteil vom 19. März 2019, Ibrahim u. a. (C‑297/17, C‑318/17, C‑319/17 und C‑438/17, EU:C:2019:219, Rn. 101), hat der Gerichtshof u. a. entschieden, dass Art. 33 Abs. 2 Buchst. a der Verfahrensrichtlinie dahin auszulegen ist, dass er es einem Mitgliedstaat nicht verbietet, die durch diese Bestimmung eingeräumte Befugnis auszuüben, einen Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als unzulässig abzulehnen, weil dem Antragsteller in einem anderen Mitgliedstaat bereits subsidiärer Schutz gewährt worden ist, wenn der Antragsteller keiner ernsthaften Gefahr ausgesetzt wäre, aufgrund der Lebensumstände, die ihn in dem anderen Mitgliedstaat als subsidiär Schutzberechtigten erwarten würden, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta zu erfahren.

35      Im umgekehrten Fall, in dem der Antragsteller als Person, die internationalen Schutz genießt, in dem Mitgliedstaat, der ihm diesen Schutz gewährt hat, der ernsthaften Gefahr ausgesetzt wäre, aufgrund der Lebensumstände, die ihn dort erwarten würden, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta zu erfahren, kann sich folglich der Mitgliedstaat, in dem der neue Antrag auf internationalen Schutz gestellt worden ist, nicht auf Art. 33 Abs. 2 Buchst. a der Verfahrensrichtlinie berufen, um diesen als unzulässig abzulehnen.

36      Zwar kann nämlich, wie der Gerichtshof in den Rn. 83 bis 94 des Urteils vom 19. März 2019, Ibrahim u. a. (C‑297/17, C‑318/17, C‑319/17 und C‑438/17, EU:C:2019:219), festgestellt hat, der bloße Umstand, dass die Lebensverhältnisse in dem Mitgliedstaat, der internationalen Schutz gewährt hat, nicht den Bestimmungen des Kapitels VII der Anerkennungsrichtlinie gerecht werden, angesichts der fundamentalen Bedeutung des Grundsatzes des gegenseitigen Vertrauens nicht dazu führen, dass die Ausübung der in Art. 33 Abs. 2 Buchst. a der Verfahrensrichtlinie vorgesehenen Befugnis eingeschränkt wird, wenn die Schwelle der Erheblichkeit des Art. 4 der Charta nicht erreicht ist, doch verhält es sich anders, wenn das gemeinsame europäische Asylsystem in der Praxis in diesem Mitgliedstaat auf größere Funktionsstörungen stößt, die so schwerwiegend sind, dass sie diese Schwelle übersteigen und den Antragsteller tatsächlich der ernsthaften Gefahr aussetzen, dort eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu erfahren.

37      In diesem Kontext ist in Anbetracht des allgemeinen und absoluten Charakters des Verbots in Art. 4 der Charta, das eng mit der Achtung der Würde des Menschen verbunden ist und ausnahmslos jede Form unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung verbietet, festzustellen, dass es für die Anwendung von Art. 4 der Charta gleichgültig ist, ob es zum Zeitpunkt der Überstellung, während des Asylverfahrens oder nach dessen Abschluss dazu kommt, dass die betreffende Person einer ernsthaften Gefahr ausgesetzt wäre, eine solche Behandlung zu erfahren (Urteil vom 19. März 2019, Ibrahim u. a., C‑297/17, C‑318/17, C‑319/17 und C‑438/17, EU:C:2019:219, Rn. 87).

38      Daher ist das Gericht, das mit einem Rechtsbehelf gegen eine Entscheidung befasst ist, mit der ein neuer Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig abgelehnt wurde, in dem Fall, dass es über Angaben verfügt, die der Antragsteller vorgelegt hat, um das Vorliegen eines solchen Risikos in dem bereits solchen Schutz gewährenden Mitgliedstaat nachzuweisen, verpflichtet, auf der Grundlage objektiver, zuverlässiger, genauer und gebührend aktualisierter Angaben und im Hinblick auf den durch das Unionsrecht gewährleisteten Schutzstandard der Grundrechte zu würdigen, ob entweder systemische oder allgemeine oder aber bestimmte Personengruppen betreffende Schwachstellen vorliegen (Urteil vom 19. März 2019, Ibrahim u. a., C‑297/17, C‑318/17, C‑319/17 und C‑438/17, EU:C:2019:219, Rn. 88).

39      Insoweit ist auch festzustellen, dass die in der vorstehenden Randnummer des vorliegenden Urteils genannten Schwachstellen nur dann unter Art. 4 der Charta fallen, der Art. 3 EMRK entspricht und nach Art. 52 Abs. 3 der Charta die gleiche Bedeutung und Tragweite hat, wie sie ihm in der EMRK verliehen wird, wenn sie eine besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit erreichen, die von sämtlichen Umständen des Falles abhängt und die dann erreicht wäre, wenn die Gleichgültigkeit der Behörden eines Mitgliedstaats zur Folge hätte, dass eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befände, die es ihr nicht erlaubte, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere, sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigte oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzte, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre. Diese Schwelle ist daher selbst in durch große Armut oder eine starke Verschlechterung der Lebensverhältnisse der betreffenden Person gekennzeichneten Situationen nicht erreicht, sofern diese nicht mit extremer materieller Not verbunden sind, aufgrund deren die betreffende Person sich in einer solch schwerwiegenden Situation befindet, dass sie einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung gleichgestellt werden kann (Urteil vom 19. März 2019, Ibrahim u. a., C‑297/17, C‑318/17, C‑319/17 und C‑438/17, EU:C:2019:219, Rn. 89 bis 91).

40      Im Hinblick auf die Fragen des vorlegenden Gerichts ist noch darauf hinzuweisen, dass der bloße Umstand, dass das deutsche Recht es offenbar verbietet, einen Antragsteller in den Mitgliedstaat abzuschieben, der internationalen Schutz gewährt hat, falls er dort Gefahr liefe, eine gegen Art. 4 der Charta verstoßende Behandlung zu erfahren, und dieses Recht die Ausstellung einer humanitären Aufenthaltserlaubnis und die zumindest teilweise oder vorläufige Gewährung von Rechten und Vorteilen zur Deckung seiner Grundbedürfnisse vorsieht, keine Auslegung rechtfertigen kann, die im Gegensatz zu der steht, die im Urteil vom 19. März 2019, Ibrahim u. a. (C‑297/17, C‑318/17, C‑319/17 und C‑438/17, EU:C:2019:219), vorgenommen wurde und in den Rn. 34 und 35 des vorliegenden Beschlusses wiedergegeben ist.

41      Da nämlich die in Art. 33 Abs. 2 Buchst. a der Verfahrensrichtlinie vorgesehene Befugnis im Rahmen des durch diese Richtlinie errichteten gemeinsamen Asylverfahrens eine Ausprägung des Grundsatzes des gegenseitigen Vertrauens darstellt, der die Mitgliedstaaten im Kontext des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems zu der Vermutung berechtigt und verpflichtet, dass die Behandlung der Personen, die internationalen Schutz beantragen, in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Charta steht, insbesondere ihren Art. 1 und 4, in denen einer der Grundwerte der Union und ihrer Mitgliedstaaten verankert ist, wären diese Vermutung und die Ausübung der daraus folgenden Befugnis nicht gerechtfertigt, wenn erwiesen wäre, dass dies in Wirklichkeit in einem bestimmten Mitgliedstaat nicht der Fall ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. März 2019, Ibrahim u. a., C‑297/17, C‑318/17, C‑319/17 und C‑438/17, EU:C:2019:219, Rn. 83 bis 86).

42      Wie sich außerdem aus dem Vorabentscheidungsersuchen ergibt, bietet das deutsche Recht zwar einen gewissen Schutz für einen Antragsteller, der aufgrund der ernsthaften Gefahr, in dem Mitgliedstaat, der ihm bereits die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt hat, eine gegen Art. 4 der Charta verstoßende unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu erfahren, nicht dorthin zurückgeführt werden kann; es sieht jedoch ohne ein neues Asylverfahren nicht die Anerkennung dieser Eigenschaft und die Gewährung der damit verbundenen Rechte auch in Deutschland vor.

43      Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 33 Abs. 2 Buchst. a der Verfahrensrichtlinie dahin auszulegen ist, dass er es einem Mitgliedstaat verbietet, von der durch diese Vorschrift eingeräumten Befugnis Gebrauch zu machen, einen Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig abzulehnen, weil dem Antragsteller bereits von einem anderen Mitgliedstaat die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, wenn die Lebensverhältnisse, die ihn in dem anderen Mitgliedstaat als anerkannter Flüchtling erwarten würden, ihn der ernsthaften Gefahr aussetzen würden, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta zu erfahren.

 Kosten

44      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zehnte Kammer) für Recht erkannt:

Art. 33 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes ist dahin auszulegen, dass er es einem Mitgliedstaat verbietet, von der durch diese Vorschrift eingeräumten Befugnis Gebrauch zu machen, einen Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig abzulehnen, weil dem Antragsteller bereits von einem anderen Mitgliedstaat die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, wenn die Lebensverhältnisse, die ihn in dem anderen Mitgliedstaat als anerkannter Flüchtling erwarten würden, ihn der ernsthaften Gefahr aussetzen würden, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union zu erfahren.

Luxemburg, den 13. November 2019

Der Kanzler

 

Der Präsident der Zehnten Kammer

A. Calot Escobar

 

I. Jarukaitis


*      Verfahrenssprache: Deutsch.

Top