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Document 62016TJ0001

Urteil des Gerichts (Fünfte Kammer) vom 12. Juli 2019 (Auszüge).
Hitachi-LG Data Storage, Inc. und Hitachi-LG Data Storage Korea, Inc. gegen Europäische Kommission.
Wettbewerb – Kartelle – Markt für optische Laufwerke – Beschluss, mit dem eine Zuwiderhandlung gegen Art. 101 AEUV und Art. 53 des EWR-Abkommens festgestellt wird – Kollusive Vereinbarungen im Zusammenhang mit Ausschreibungen von zwei Computerherstellern – Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung – Verstoß gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung – Begründungspflicht – Ziff. 37 der Leitlinien von 2006 für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen – Besondere Umstände – Rechtsfehler.
Rechtssache T-1/16.

ECLI identifier: ECLI:EU:T:2019:514

URTEIL DES GERICHTS (Fünfte Kammer)

12. Juli 2019 ( *1 )

„Wettbewerb – Kartelle – Markt für optische Laufwerke – Beschluss, mit dem eine Zuwiderhandlung gegen Art. 101 AEUV und Art. 53 des EWR-Abkommens festgestellt wird – Kollusive Vereinbarungen im Zusammenhang mit Ausschreibungen von zwei Computerherstellern – Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung – Verstoß gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung – Begründungspflicht – Ziff. 37 der Leitlinien von 2006 für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen – Besondere Umstände – Rechtsfehler“

In der Rechtssache T‑1/16

Hitachi-LG Data Storage, Inc. mit Sitz in Tokyo (Japan),

Hitachi-LG Data Storage Korea, Inc. mit Sitz in Seoul (Südkorea),

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte L. Gyselen und N. Ersbøll,

Klägerinnen,

gegen

Europäische Kommission, zunächst vertreten durch A. Biolan, M. Farley, C. Giolito und F. van Schaik, dann durch A. Biolan, M. Farley und F. van Schaik als Bevollmächtigte,

Beklagte,

wegen einer Klage nach Art. 263 AEUV auf Herabsetzung der von der Europäischen Kommission mit dem Beschluss C(2015) 7135 final vom 21. Oktober 2015 in einem Verfahren nach Artikel 101 AEUV und Artikel 53 des EWR-Abkommens (Sache AT.39639 – Optische Laufwerke) gegen die Klägerinnen verhängten Geldbuße

erlässt

DAS GERICHT (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten D. Gratsias sowie der Richterin I. Labucka und des Richters I. Ulloa Rubio (Berichterstatter),

Kanzler: N. Schall, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 3. Mai 2018

folgendes

Urteil ( 1 )

I. Sachverhalt

A. Klägerinnen und betroffener Markt

1

Die Klägerinnen, die Hitachi-LG Data Storage, Inc. und ihre Tochtergesellschaft Hitachi‑LG Data Storage Korea, Inc. sind Hersteller und Lieferanten optischer Laufwerke. Im Besonderen ist Hitachi‑LG Data Storage ein Joint Venture zwischen dem japanischen Unternehmen Hitachi, Ltd. und dem südkoreanischen Unternehmen LG Electronics, Inc. Sie ist seit dem 1. Juli 2001 auf dem Markt tätig.

2

Die fragliche Zuwiderhandlung betrifft optische Laufwerke, die in von der Dell, Inc. (im Folgenden: Dell) und von Hewlett Packard (im Folgenden: HP) hergestellten Personal Computern (Desktops und Laptops) (im Folgenden: PCs) verwendet werden. Optische Laufwerke werden auch in vielen anderen Verbrauchergeräten verwendet, wie z. B. Compact Disc (CD)‑Spielern oder Digital Versatile Disc (DVD)-Spielern, Spielkonsolen und anderen elektronischen Peripheriegeräten (28. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

3

Die in PCs verwendeten optischen Laufwerke unterscheiden sich je nach Größe, Lademechanismen (Schacht oder Schublade) und Arten von Discs, die sie lesen oder beschreiben können. Optische Laufwerke lassen sich in zwei Gruppen unterteilen: Laufwerke halber Bauhöhe (half-height) für Desktop-Computer und flache (SlimLine) Laufwerke für Laptops. Die SlimLine-Gruppe umfasst Laufwerke unterschiedlicher Größe. Es gibt verschiedene Arten von Laufwerken halber Bauhöhe und flachen Laufwerken, entsprechend ihrer technischen Funktionalität (29. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

4

Dell und HP sind die beiden führenden Originalgerätehersteller auf dem globalen PC‑Markt. Beide Unternehmen verwenden globale Standardbeschaffungsverfahren, die u. a. vierteljährliche Verhandlungen über einen globalen Preis und das gesamte Einkaufsvolumen mit einer kleinen Anzahl ausgewählter Lieferanten optischer Laufwerke vorsehen. Im Allgemeinen spielten regionale Fragen bei den Ausschreibungen für optische Laufwerke keine Rolle, abgesehen von denen, die sich auf die erwartete Nachfrage für Regionen bezogen, die das gesamte Beschaffungsvolumen beeinflussten (32. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

5

Die Beschaffungsverfahren umfassten Aufforderungen zur Abgabe von Preisangeboten, elektronische Aufforderungen zur Abgabe von Preisangeboten, Online-Verhandlungen, elektronische Auktionen und bilaterale (Offline‑)Verhandlungen. Zum Abschluss einer Ausschreibung teilten die Kunden den teilnehmenden Lieferanten optischer Laufwerke (allen oder zumindest den meisten von ihnen, sofern kein Ausschlussmechanismus vorgesehen war) auf der Grundlage der von diesen angebotenen Preise Mengen zu. So erhielt das beste Angebot beispielsweise 35 % bis 45 % der gesamten Auftragsvergabe für das betreffende Quartal, das zweitbeste Angebot 25 % bis 30 %, das drittbeste 20 % usw. Diese Standardbeschaffungsverfahren wurden von den Beschaffungsteams der Kunden genutzt, um eine effiziente Beschaffung zu wettbewerbsfähigen Preisen zu gewährleisten. Zu diesem Zweck nutzten sie alle möglichen Praktiken, um den Preiswettbewerb zwischen den Anbietern optischer Laufwerke zu stimulieren (33. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

6

Was Dell betrifft, führte sie Ausschreibungen hauptsächlich im Wege der Online-Verhandlung durch. Diese konnte eine bestimmte Zeit andauern oder nach einem festgelegten Zeitraum enden, z. B. zehn Minuten nach dem letzten Angebot, wenn kein Lieferant optischer Laufwerke ein neues Angebot abgab. In manchen Fällen konnte die Online-Verhandlung mehrere Stunden dauern, wenn die Angebotsabgabe lebhafter verlief oder wenn die Dauer der Online-Verhandlung verlängert wurde, um die Lieferanten optischer Laufwerke zu ermuntern, weiterhin Angebote zu unterbreiten. Umgekehrt konnte Dell, selbst wenn die Dauer einer Online-Verhandlung unbestimmt war und vom endgültigen Angebot abhing, zu gegebener Zeit den Abschluss der Online-Verhandlung bekannt geben. Dell konnte sich entscheiden, von einem „reinen Rankingverfahren“ zu einem „Blindverfahren“ überzugehen. Sie konnte die Online-Verhandlung abbrechen, wenn die Ausschreibung oder deren Ergebnis als unbefriedigend angesehen wurde, und stattdessen bilaterale Verhandlungen führen. Die Online-Verhandlung wurde von den bei Dell für diese Transaktionen verantwortlichen globalen Beschaffungsmanagern überwacht (Erwägungsgründe 34 und 37 des angefochtenen Beschlusses).

7

Was HP betrifft, wurden hauptsächlich Aufforderungen zur Abgabe von Preisangeboten und elektronische Aufforderungen zur Abgabe von Preisangeboten verwendet. Beide Verfahren wurden online auf derselben Plattform durchgeführt. Was die Aufforderungen zur Abgabe von Preisangeboten angeht, so erfolgten diese vierteljährlich. Sie kombinierten bilaterale Online- und Offline-Verhandlungen über einen bestimmten Zeitraum, in der Regel zwei Wochen. Die Lieferanten optischer Laufwerke wurden für einen bestimmten Zeitraum zu einer offenen Ausschreibungsrunde eingeladen, um ihre Angebote auf einer Online-Plattform oder per E‑Mail abzugeben. Nach Abschluss der ersten Angebotsrunde traf sich HP mit jedem Teilnehmer und nahm auf der Grundlage des Angebots des Lieferanten optischer Laufwerke Verhandlungen auf, um das beste Angebot von jedem Lieferanten zu erhalten, ohne die Identität oder das Angebot der anderen Lieferanten optischer Laufwerke offen zu legen. Was sodann die elektronischen Aufforderungen zur Abgabe von Preisangeboten angeht, so wurden diese in der Regel in der Form einer Rückwärtsauktion organisiert. Hierzu loggten sich die Bieter zum angegebenen Zeitpunkt auf der Online-Plattform ein, und die Auktion begann zu dem von HP festgesetzten Preis. Bieter, die schrittweise geringere Angebote abgaben, wurden bei jeder Abgabe eines neuen Angebots über ihr eigenes Ranking informiert. Am Ende der gesetzten Frist gewann der Lieferant optischer Laufwerke die Auktion, der das niedrigste Angebot abgegeben hatte, und die anderen Lieferanten belegten entsprechend ihren Angeboten den zweiten und den dritten Platz (Erwägungsgründe 41 bis 44 des angefochtenen Beschlusses).

B. Verwaltungsverfahren

8

Am 14. Januar 2009 stellte die Koninklijke Philips NV (im Folgenden: Philips), gestützt auf die Mitteilung der Kommission über den Erlass von Geldbußen und die Ermäßigung von Geldbußen in Kartellsachen (ABl. 2006, C 298, S. 17, im Folgenden: Kronzeugenregelung), bei dieser einen Erlassantrag. Am 29. Januar und am 2. März 2009 wurde dieser Antrag dahin ergänzt, dass er neben Philips die Lite‑On IT Corporation und ihr Joint Venture Philips & Lite‑On Digital Solutions Corporation (im Folgenden: PLDS) umfasste.

9

Am 29. Juni 2009 richtete die Kommission ein Auskunftsersuchen an im Sektor optische Laufwerke tätige Unternehmen.

10

Am 30. Juni 2009 gewährte die Kommission Philips, Lite-On IT und PLDS einen bedingten Erlass.

11

Am 4. und am 6. August 2009 stellten die Klägerinnen bei der Kommission einen Antrag auf Ermäßigung der Geldbuße gemäß der Kronzeugenregelung.

12

Am 18. Juli 2012 leitete die Kommission ein Verfahren ein und nahm eine Mitteilung der Beschwerdepunkte gegen 13 Lieferanten optischer Laufwerke, darunter die Klägerinnen, an. In dieser Mitteilung führte die Kommission im Wesentlichen aus, diese Unternehmen hätten dadurch gegen Art. 101 AEUV und Art. 53 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) verstoßen, dass sie sich vom 5. Februar 2004 bis zum 29. Juni 2009 an einem Kartell betreffend optische Laufwerke in der Form beteiligt hätten, dass sie ihr Verhalten im Zusammenhang mit Ausschreibungen von zwei Computerherstellern, nämlich Dell und HP, koordiniert hätten.

13

Am selben Tag gewährte die Kommission den Klägerinnen einen bedingten Erlass.

14

Am 29. und am 30. November 2012 nahmen alle Adressaten der Mitteilung der Beschwerdepunkte an einer Verwaltungsanhörung vor der Kommission teil.

15

Am 14. Dezember 2012 forderte die Kommission alle Beteiligten auf, die relevanten Dokumente vorzulegen, die sie von Dell und HP während des Zuwiderhandlungszeitraums erhalten hatten. Alle Beteiligten antworteten auf diese Aufforderungen und hatten jeweils Zugang zur nicht vertraulichen Fassung der Antworten der anderen Lieferanten optischer Laufwerke.

16

Am 18. Februar 2014 verabschiedete die Kommission zwei ergänzende Mitteilungen von Beschwerdepunkten, um die an einige Adressaten der Mitteilung der Beschwerdepunkte gerichteten Beschwerdepunkte bezüglich ihrer Verantwortlichkeit für die geltend gemachte Zuwiderhandlung zu vervollständigen, zu ändern und klarzustellen.

17

Am 26. Februar 2015 beantragten die Klägerinnen bei der Kommission eine Ermäßigung der Geldbuße wegen „besonderer Umstände“ im Sinne von Ziff. 37 der Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen gemäß Art. 23 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 (ABl. 2006, C 210, S. 2, im Folgenden: Leitlinien zur Festsetzung von Geldbußen).

18

Am 5. März 2015 trafen sich die Klägerinnen und ihr externer Rechtsberater mit der Kommission, um ihren Antrag auf Ermäßigung der Geldbuße zu erläutern.

19

Am 1. Juni 2015 verabschiedete die Kommission eine weitere ergänzende Mitteilung von Beschwerdepunkten. Ziel dieser neuen Mitteilung war es, die bisherigen Mitteilungen zu ergänzen, indem die in diesen enthaltenen Beschwerdepunkte an weitere juristische Personen gerichtet wurden, die zu den Unternehmensgruppen gehörten (Muttergesellschaften oder übernommene Rechtssubjekte), die bereits Adressaten der ersten Mitteilung der Beschwerdepunkte gewesen waren.

20

Die Adressaten der Mitteilungen der Beschwerdepunkte vom 18. Februar 2014 und vom 1. Juni 2015 nahmen bei der Kommission schriftlich Stellung, beantragten aber keine Anhörung.

21

Am 3. Juni 2015 übermittelte die Kommission allen Beteiligten eine Sachverhaltsdarstellung. Die Adressaten der Sachverhaltsdarstellung nahmen bei der Kommission schriftlich Stellung.

22

Am 14. September 2015 stellten die Klägerinnen bei der Kommission einen zweiten Antrag auf Ermäßigung der Geldbuße. Dieser Antrag hatte die Aktualisierung bestimmter in ihrem Antrag vom 26. Februar 2015 enthaltener Angaben zum Gegenstand.

23

Am 18. September 2015 nahmen die Klägerinnen und ihr externer Rechtsberater an einer zweiten Sitzung mit der Kommission betreffend den Stand des Verfahrens teil.

24

Am 5. und am 15. Oktober 2015 wurde der Beratende Ausschuss für Kartell- und Monopolfragen (im Folgenden: Beratender Ausschuss) von der Kommission konsultiert.

25

Am 21. Oktober 2015 erließ die Kommission den Beschluss C(2015) 7135 final in einem Verfahren nach Artikel 101 AEUV und Artikel 53 des EWR-Abkommens (Sache AT.39639 – Optische Laufwerke) (im Folgenden: angefochtener Beschluss).

C. Angefochtener Beschluss

1.   In Rede stehende Zuwiderhandlung

26

In dem angefochtenen Beschluss kam die Kommission zu dem Schluss, dass die Kartellteilnehmer ihr Wettbewerbsverhalten mindestens vom 23. Juni 2004 bis zum 25. November 2008 koordiniert hätten. Sie wies darauf hin, dass diese Koordinierung über ein Netzwerk paralleler bilateraler Kontakte stattgefunden habe. Die Kartellteilnehmer seien bestrebt gewesen, ihre Marktvolumen anzupassen und sicherzustellen, dass die Preise auf einem höheren Niveau blieben, als sie es ohne diese bilateralen Kontakte gewesen wären (67. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

27

Die Kommission stellte in dem angefochtenen Beschluss ferner fest, dass die Koordinierung zwischen den Kartellteilnehmern die Kundenkonten von Dell und HP, den beiden größten Originalgeräteherstellern auf dem globalen PC‑Markt, betroffen habe. Dell und HP hätten neben den bilateralen Verhandlungen mit ihren Lieferanten optischer Laufwerke standardisierte Beschaffungsverfahren angewandt, die mindestens vierteljährlich stattgefunden hätten. Die Kartellteilnehmer hätten ihr Netz bilateraler Kontakte genutzt, um diese Beschaffungsverfahren zu manipulieren und damit den Versuchen ihrer Kunden, den Preiswettbewerb zu stimulieren, entgegenzuwirken (68. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

28

Nach Ansicht der Kommission ermöglichte der regelmäßige Informationsaustausch den Kartellteilnehmern insbesondere bereits vor ihrer Teilnahme am Beschaffungsverfahren eine sehr genaue Kenntnis der Absichten ihrer Wettbewerber und damit die Planung ihrer Wettbewerbsstrategie (69. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

29

Zudem hätten die Kartellteilnehmer in regelmäßigen Abständen Preisinformationen über einzelne Kundenkonten sowie nicht preisbezogene Informationen wie bestehende Produktions- und Lieferkapazitäten, Lagersituation, Qualifikationsstatus, Zeitpunkt der Einführung neuer Produkte oder von Verbesserungen ausgetauscht. Die Lieferanten optischer Laufwerke hätten darüber hinaus die Endergebnisse der abgeschlossenen Beschaffungsverfahren, d. h. Ranking, Preis und Menge, überwacht (70. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

30

Ferner hätten die Lieferanten unter Berücksichtigung dessen, dass die Kartellteilnehmer ihre Kontakte gegenüber den Kunden geheim halten mussten, die Mittel zur gegenseitigen Kontaktaufnahme eingesetzt, die sie für hinreichend gehalten hätten, um das gewünschte Ergebnis zu erzielen. Im Übrigen sei der Versuch, eine Auftaktsitzung zur Organisation regelmäßiger multilateraler Treffen zwischen den Lieferanten optischer Laufwerke einzuberufen, im Jahr 2003 gescheitert, nachdem er einem Kunden offenbart worden sei. Stattdessen habe es bilaterale Kontakte gegeben, hauptsächlich in Form von Telefonaten und manchmal per E‑Mail, auch an private E‑Mail-Adressen (Hotmail) und über Instant-Messaging-Dienste, oder bei Treffen, vor allem auf der Ebene der Global Account Manager (71. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

31

Die Kommission stellte fest, dass die Kartellteilnehmer regelmäßig miteinander in Kontakt gestanden hätten und dass die Kontakte, vor allem per Telefon, zu Zeiten von Beschaffungsverfahren häufiger geworden seien und sich auf mehrere Anrufe pro Tag zwischen manchen Paaren von Kartellteilnehmern belaufen hätten. Sie wies darauf hin, dass die Kontakte zwischen einigen Paaren von Kartellteilnehmern im Allgemeinen deutlich höher gewesen seien als zwischen einigen anderen (72. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

2.   Verantwortlichkeit der Klägerinnen

32

Die Verantwortlichkeit der Klägerinnen wurde aufgrund ihrer unmittelbaren Teilnahme am Kartell vom 23. Juni 2004 bis zum 25. November 2008 angenommen, insbesondere wegen der Abstimmung mit anderen Wettbewerbern gegenüber Dell und HP (494. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

3.   Gegen die Klägerinnen verhängte Geldbuße

33

Hinsichtlich der Berechnung der gegen die Klägerinnen verhängten Geldbuße stützte sich die Kommission auf die Leitlinien zur Festsetzung von Geldbußen.

34

Um zunächst den Grundbetrag der Geldbuße festzusetzen, hielt sie es angesichts der erheblichen Unterschiede in der Dauer der Teilnahme der Lieferanten und zur besseren Berücksichtigung der tatsächlichen Auswirkungen des Kartells für angebracht, einen auf der Grundlage des tatsächlichen Wertes der von den Unternehmen während der vollen Kalendermonate ihrer jeweiligen Teilnahme an der Zuwiderhandlung getätigten Verkäufe berechneten Jahresdurchschnitt zu verwenden (527. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

35

Daher berechnete sie den Wert der Verkäufe auf der Grundlage der den im EWR ansässigen HP‑ und Dell-Niederlassungen in Rechnung gestellten Verkäufe optischer Laufwerke für Laptops und Desktops (528. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

36

Im Übrigen vertrat die Kommission in Anbetracht dessen, dass das wettbewerbswidrige Verhalten gegenüber HP erst später begonnen habe und der Entwicklung des Kartells Rechnung getragen werden solle, die Auffassung, dass der entsprechende Verkaufswert für HP und Dell separat zu berechnen sei und dass zwei zeitabhängige Multiplikatoren heranzuziehen seien (530. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

37

Ferner entschied die Kommission, dass in diesem Fall für alle Adressaten des angefochtenen Beschlusses aufgrund der Schwere ein Prozentsatz von 16 % anzuwenden sei, da Preiskoordinierungsvereinbarungen ihrer Art nach zu den schwerwiegendsten Zuwiderhandlungen gegen Art. 101 AEUV und Art. 53 des EWR-Abkommens gehörten und sich das Kartell mindestens auf den EWR erstrecke (544. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

38

Darüber hinaus sei angesichts der Umstände des Falles zur Abschreckung ein Aufschlag von 16 % vorzunehmen (Erwägungsgründe 554 und 555 des angefochtenen Beschlusses).

39

Da im Übrigen der angepasste Grundbetrag der gegen die Klägerinnen verhängten Geldbuße die Obergrenze von 10 % ihres Umsatzes nicht erreicht habe, habe die Kommission keine neue Anpassung gemäß Art. 23 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln [101] und [102 AEUV] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) vornehmen müssen. Der nach der vorstehend beschriebenen Methode berechnete angepasste Grundbetrag der gegen die Klägerinnen verhängten Geldbuße habe sich nämlich auf 8,45 % ihres im Jahr 2014, dem Jahr vor dem Erlass des angefochtenen Beschlusses, erzielten Gesamtumsatzes belaufen (Erwägungsgründe 570 bis 572 des angefochtenen Beschlusses).

40

Schließlich wurde den Klägerinnen eine Ermäßigung ihrer Geldbuße in Höhe von 50 % für ihre Zusammenarbeit bei der Untersuchung im Rahmen des Kronzeugenprogramms der Kommission gewährt sowie ein teilweiser Erlass, weil sie der Kommission die Feststellung einer längeren Dauer des Kartells ermöglicht hätten (Erwägungsgründe 575 und 582 bis 592 des angefochtenen Beschlusses).

41

Der verfügende Teil des angefochtenen Beschlusses, soweit er die Klägerinnen betrifft, hat folgenden Wortlaut:

„Artikel 1

Die folgenden Unternehmen haben eine Zuwiderhandlung gegen Artikel 101 AEUV und Artikel 53 des EWR-Abkommens begangen, indem sie sich in den jeweils genannten Zeiträumen an einer einheitlichen und fortgesetzten, aus mehreren gesonderten Zuwiderhandlungen bestehenden Zuwiderhandlung im Sektor optische Laufwerke für den gesamten EWR beteiligten, die aus Preiskoordinierungsvereinbarungen bestand:

d)

[die Klägerinnen] vom 23. Juni 2004 bis zum 25. November 2008 für ihre Koordinierung in Bezug auf Dell und HP.

Artikel 2

Für die in Artikel 1 genannten Zuwiderhandlungen werden folgende Geldbußen festgesetzt:

d)

[die Klägerinnen], gesamtschuldnerisch: 37121000 Euro.“

II. Verfahren und Anträge der Parteien

42

Mit Klageschrift, die am 4. Januar 2016 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben die Klägerinnen die vorliegende Klage erhoben.

43

Die Kommission hat die Klagebeantwortung am 29. April 2016 eingereicht.

44

Das Gericht (Fünfte Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen, und die Klägerinnen im Rahmen prozessleitender Maßnahmen nach Art. 89 seiner Verfahrensordnung aufgefordert, bestimmte Dokumente vorzulegen und schriftlich zu bestimmten Aspekten des Rechtsstreits Stellung zu nehmen. Die Klägerinnen sind dieser Aufforderung fristgemäß nachgekommen.

45

In der Sitzung vom 3. Mai 2018 haben die Parteien mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

46

Die Klägerinnen beantragen,

die gegen sie in Nr. 2 Buchst. d des angefochtenen Beschlusses verhängte Geldbuße herabzusetzen, um den Besonderheiten des Falles Rechnung zu tragen;

der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

47

Die Kommission beantragt,

die Klage abzuweisen;

den Klägerinnen die Kosten aufzuerlegen.

III. Rechtliche Würdigung

A. Zum Gegenstand des Rechtsstreits

48

Die Klägerinnen stützen ihre Klage auf zwei Klagegründe. Erstens machen sie geltend, die Kommission habe gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung verstoßen und ihre Begründungspflicht verletzt, indem sie nicht ihrem Antrag nach Ziff. 37 der Leitlinien zur Festsetzung von Geldbußen stattgegeben habe. Zweitens habe die Kommission einen Rechtsfehler begangen, indem sie nicht von der in den Leitlinien zur Festsetzung von Geldbußen festgelegten allgemeinen Methode abgewichen sei, um die gegen sie verhängte Geldbuße angesichts der besonderen Umstände des Falles und ihrer Rolle auf dem Markt für optische Laufwerke zu ermäßigen.

49

Mit ihrem ersten Antrag und gemäß den Nrn. 3, 7, 41 und 43 der Klageschrift sowie den Nrn. 11 bis 18 der Erwiderung begehren die Klägerinnen vom Gericht, seine Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung nach Art. 261 AEUV auszuüben, um die gegen sie verhängte Geldbuße herabzusetzen. Sie erklären ferner, dass sie nicht die Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses beantragten, falls das Gericht feststellen sollte, dass die Kommission die Begründungspflicht verletzt oder gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung verstoßen habe.

50

Das Gericht hat die Klägerinnen im Rahmen der prozessleitenden Maßnahmen nach Art. 89 der Verfahrensordnung aufgefordert, anzugeben, ob sie, wie offenbar aus der Klageschrift und der Klagebeantwortung hervorgehe, im Rahmen ihrer Klage keine Nichtigkeitsanträge, sondern lediglich Anträge auf Herabsetzung der Geldbuße stellen wollten.

51

In ihrer Antwort auf die prozessleitenden Maßnahmen des Gerichts haben die Klägerinnen erklärt, sie ersuchten das Gericht, seine Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung auszuüben, indem es die stillschweigende Entscheidung der Kommission über die Ablehnung ihres Antrags auf Ermäßigung der Geldbuße gemäß Ziff. 37 der Leitlinien zur Festsetzung von Geldbußen überprüfe und diesen Antrag in der Sache prüfe.

52

In dieser Antwort auf die prozessleitenden Maßnahmen haben die Klägerinnen jedoch auch erklärt, ihnen sei bekannt, dass der Antrag auf Ausübung der Befugnis des Gerichts zu unbeschränkter Nachprüfung in Bezug auf die Geldbuße nach Art. 261 AEUV „zwangsläufig einen Antrag auf vollständige oder teilweise Nichtigerklärung dieser Entscheidung beinhaltet oder einschließt“ und dass das Gericht, wenn es bei seiner Prüfung der Rechtmäßigkeit gemäß Art. 263 AEUV zu dem Schluss komme, dass die Kommission keinen Rechtsfehler begangen habe, eine vollständige Prüfung der Höhe der Geldbuße gemäß Art. 261 AEUV durchführen könne.

53

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der Vertrag die „Klage im Verfahren mit unbeschränkter Nachprüfung“ nicht als eigenständige Klageart vorsieht. Art. 261 AEUV bestimmt nämlich lediglich, dass aufgrund der Verträge erlassene Verordnungen hinsichtlich der darin vorgesehenen Zwangsmaßnahmen den Unionsgerichten eine Zuständigkeit übertragen können, die die Befugnis zu unbeschränkter Ermessensnachprüfung und zur Änderung oder Verhängung solcher Maßnahmen umfasst (Beschluss vom 9. November 2004, FNICGV/Kommission, T‑252/03, EU:T:2004:326, Rn. 22).

54

Von dieser Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung können die Unionsgerichte im Übrigen nur im Rahmen der Kontrolle von Handlungen der Organe, insbesondere im Rahmen der Nichtigkeitsklage, Gebrauch machen. Art. 261 AEUV hat nämlich nur eine Erweiterung des Umfangs der Befugnisse des Unionsrichters in Verfahren nach Art. 263 AEUV zur Folge (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 9. November 2004, FNICGV/Kommission, T‑252/03, EU:T:2004:326, Rn. 24 und 25).

55

Demnach umfasst oder enthält eine Klage, die darauf abzielt, dass der Unionsrichter seine Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung in Bezug auf eine Sanktionsentscheidung ausübt, eine ihm durch Art. 261 AEUV eingeräumte, jedoch im Rahmen von Art. 263 AEUV ausgeübte Befugnis, zwangsläufig einen Antrag auf vollständige oder teilweise Nichtigerklärung dieser Entscheidung (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 9. November 2004, FNICGV/Kommission, T‑252/03, EU:T:2004:326, Rn. 25).

56

Erst nachdem der Unionsrichter anhand der ihm vorgetragenen Klagegründe wie auch der von ihm gegebenenfalls von Amts wegen berücksichtigten Gründe die Rechtmäßigkeit der ihm unterbreiteten Entscheidung überprüft hat, hat er somit, sofern diese Entscheidung nicht vollständig für nichtig erklärt wird, seine Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung auszuüben, um zum einen die Konsequenzen aus seiner Beurteilung der Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung zu ziehen und zum anderen anhand der ihm zur Prüfung vorgetragenen Umstände (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 8. Dezember 2011, KME Germany u. a./Kommission, C‑389/10 P, EU:C:2011:816, Rn. 131, und vom 10. Juli 2014, Telefónica und Telefónica de España/Kommission, C‑295/12 P, EU:C:2014:2062, Rn. 213) zu entscheiden, ob er zu dem Zeitpunkt, zu dem er seine Entscheidung erlässt (Urteile vom 11. Juli 2014, RWE und RWE Dea/Kommission, T‑543/08, EU:T:2014:627, Rn. 257, vom 11. Juli 2014, Sasol u. a./Kommission, T‑541/08, EU:T:2014:628, Rn. 438, und vom 11. Juli 2014, Esso u. a./Kommission, T‑540/08, EU:T:2014:630, Rn. 133), seine eigene Beurteilung an die Stelle der Beurteilung der Kommission zu setzen hat, damit die Höhe der Geldbuße angemessen ist.

57

Im vorliegenden Fall haben die Klägerinnen zwar in der Klageschrift nur Anträge auf Abänderung gestellt und erklärt, sie beantragten nicht die Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses, doch geht aus ihren späteren Erläuterungen hervor, dass sie nichts dagegen einzuwenden haben, dass das Gericht ihre Anträge gemäß der in den Rn. 53 bis 56 angeführten Rechtsprechung neu qualifiziert.

58

Daher ist davon auszugehen, dass die vorliegende Klage einerseits Anträge auf teilweise Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses enthält, da die Kommission den Antrag der Klägerinnen auf Ermäßigung der in Nr. 2 Buchst. d des angefochtenen Beschlusses gegen sie verhängten Geldbuße gemäß Ziff. 37 der Leitlinien zur Festsetzung von Geldbußen abgelehnt hat, und andererseits Anträge auf Abänderung dieses Beschlusses mit dem Begehren enthält, dass das Gericht selbst diesem Antrag stattgibt und die Geldbuße entsprechend herabsetzt.

B. Zu den Anträgen auf Nichtigerklärung

[nicht wiedergegeben]

1.   Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung und Verletzung der Begründungspflicht

[nicht wiedergegeben]

a)   Zum ersten Teil: Verletzung der Begründungspflicht

[nicht wiedergegeben]

2) Zur Verpflichtung der Kommission, Gründe anzugeben, warum die von den Klägerinnen geltend gemachten besonderen Umstände nicht berücksichtigt wurden

77

Zum Vorbringen der Klägerinnen, die Kommission habe gegen ihre Begründungspflicht verstoßen, indem sie in dem angefochtenen Beschluss nicht die Gründe angegeben habe, warum sie nicht auf deren Antrag hin gemäß Ziff. 37 der Leitlinien zur Festsetzung von Geldbußen von der allgemeinen Methode zur Berechnung der Geldbuße abgewichen sei, ist festzustellen, dass die Kommission, wie aus der oben in den Rn. 65 und 75 angeführten Rechtsprechung hervorgeht, nicht verpflichtet ist, in ihrer Entscheidung alle sachlichen und rechtlichen Aspekte hervorzuheben, die womöglich während des Verwaltungsverfahrens behandelt wurden, sowie diejenigen, die sie bei der Berechnung der verhängten Geldbuße nicht berücksichtigt hat.

78

Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission den geltenden Vorschriften zufolge unter zwei Umständen ausnahmsweise von der Anwendung der allgemeinen Berechnungsmethode für die Höhe der Geldbuße abweichen kann. Erstens kann die Kommission gemäß Ziff. 35 der Leitlinien zur Festsetzung von Geldbußen bei der Festsetzung der Geldbuße berücksichtigen, dass ein Unternehmen nicht zahlungsfähig ist. Im vorliegenden Fall hat die Kommission die Klägerinnen jedoch auf der informellen Sitzung vom 5. März 2015 ausdrücklich aufgefordert, zu bestätigen, dass sie sich nicht auf ihre mangelnde Fähigkeit zur Zahlung der Geldbuße gemäß Ziff. 35 der Leitlinien zur Festsetzung von Geldbußen beriefen, und dass die Klägerinnen bestätigten, dass sie nicht die Anwendung dieses Verfahrens beantragten. Zweitens können gemäß Ziff. 37 der Leitlinien zur Festsetzung von Geldbußen die besonderen Umstände eines Falles oder die Notwendigkeit einer ausreichend hohen Abschreckungswirkung ein Abweichen der Kommission von der in diesen Leitlinien beschriebenen Methode rechtfertigen.

79

Nach der Rechtsprechung ist jedoch zu berücksichtigen, dass sich das der Kommission durch die Leitlinien zur Festsetzung von Geldbußen eingeräumte Ermessen nicht so weit erstreckt, dass sie von der Verpflichtung befreit wäre, die Gründe für den Rückgriff auf diese Ausnahme anzugeben. Die Kommission muss nämlich die besonderen Umstände des Falles oder die Notwendigkeit einer ausreichend hohen Abschreckungswirkung, die den Rückgriff auf diese Ausnahme rechtfertigen, dartun (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. Februar 2014, AC‑Treuhand/Kommission, T‑27/10, EU:T:2014:59, Rn. 306).

80

Insbesondere wenn die Kommission beschließt, von der in den Leitlinien dargestellten allgemeinen Methode, durch die sie sich in der Ausübung ihres Ermessens bei der Festsetzung von Geldbußen selbst gebunden hat, abzuweichen, indem sie sich auf Ziff. 37 der Leitlinien stützt, sind diese Begründungserfordernisse umso strenger zu beachten. Insoweit ist auf die ständige Rechtsprechung zu verweisen, der zufolge diese Leitlinien eine Verhaltensnorm darstellen, die einen Hinweis auf die zu befolgende Verwaltungspraxis enthält und von der die Verwaltung im Einzelfall nicht ohne Angabe von Gründen, die mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung vereinbar sind, abweichen kann. Diese Begründung muss umso genauer sein, als Ziff. 37 der Leitlinien sich nur vage auf die „besonderen Umstände eines Falles“ bezieht und der Kommission daher einen weiten Ermessensspielraum einräumt, um ausnahmsweise eine Anpassung der Grundbeträge der Geldbußen der betroffenen Unternehmen vorzunehmen. In einem solchen Fall kommt der Beachtung der Garantien, die die Unionsrechtsordnung in Verwaltungsverfahren gewährt, wozu auch die Begründungspflicht gehört, eine umso größere Bedeutung zu (vgl. Urteil vom 13. Dezember 2016, Printeos u. a./Kommission, T‑95/15, EU:T:2016:722, Rn. 48 und die dort angeführte Rechtsprechung).

81

Im vorliegenden Fall war die Kommission indessen der Ansicht, die in Ziff. 37 der Leitlinien zur Festsetzung von Geldbußen vorgesehenen besonderen Umstände seien nicht erfüllt, und entschied sich daher für die Anwendung der allgemeinen Methode zur Berechnung der gegen die Klägerinnen verhängten Geldbuße. Unter diesen Umständen war sie, wie die oben in den Rn. 65 und 75 angeführte Rechtsprechung zeigt, nur verpflichtet, in dem angefochtenen Beschluss die Gründe für die angewandte Methode zur Berechnung der Geldbuße anzugeben, nicht aber die Elemente, die sie bei dieser Berechnung nicht berücksichtigte, insbesondere nicht die Gründe, aus denen sie keinen Gebrauch von der in Ziff. 37 der Leitlinien zur Festsetzung von Geldbußen vorgesehenen Ausnahme machte. Wie nämlich bereits erwähnt (siehe oben, Rn. 77), braucht die Kommission nicht auf alle von den Betroffenen vor ihr geltend gemachten Argumente einzugehen. Es reicht aus, wenn sie die Tatsachen und die rechtlichen Erwägungen anführt, denen nach dem Aufbau der Entscheidung eine wesentliche Bedeutung zukommt.

82

Unter diesen Umständen ist das Vorbringen der Klägerinnen, die Kommission sei ihrer Verpflichtung zur Begründung des angefochtenen Beschlusses nicht nachgekommen, weil sie in diesem Beschluss keine Gründe dafür angegeben habe, dass sie nicht ihrem Antrag entsprechend die in Ziff. 37 der Leitlinien zur Festsetzung von Geldbußen vorgesehene Ausnahme angewandt habe, zurückzuweisen. Der erste Teil des ersten Klagegrundes ist deshalb zurückzuweisen.

b)   Zum zweiten Teil: Verstoß gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung

[nicht wiedergegeben]

89

Im vorliegenden Fall geht aus den Akten hervor, dass der Beratende Ausschuss vor dem Erlass des angefochtenen Beschlusses am 5. und am 15. Oktober 2015 zweimal konsultiert wurde und dass den Mitgliedern dieses Ausschusses gemäß Art. 14 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 eine ganze Reihe von Dokumenten zur vorliegenden Rechtssache übermittelt wurde. Nach Angaben der Kommission hat sie folgende Dokumente vorgelegt: eine Zusammenfassung der Akten, ihre Sachverhaltsdarstellung vom 3. Juni 2015, die Antworten der von der Geldbuße betroffenen Unternehmen auf diese Darstellung, insbesondere die Antwort der Klägerinnen vom 26. Juni 2015, den Beschlussentwurf mit Anhängen, eine Übersichtstabelle der Geldbußen mit einem detaillierten Überblick über ihre Berechnung, die Mitteilung der Beschwerdepunkte und die Antworten darauf.

90

Erstens ist darauf hinzuweisen, dass der Beratende Ausschuss über die wesentlichen sachlichen und rechtlichen Aspekte des Verfahrens informiert wurde, namentlich über den Markt, die Adressaten, die Beschwerdepunkte, die Dauer der Zuwiderhandlung, die Methode und die Berechnung der Geldbußen sowie über die von den Adressaten in ihren Antworten auf die Beschwerdepunkte der Kommission vertretenen Standpunkte; diese Dokumentation kann somit als Angabe der „wichtigsten Schriftstücke“ im Sinne von Art. 14 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 angesehen werden.

91

Zweitens ist festzustellen, dass Art. 14 der Verordnung Nr. 1/2003 nicht vorschreibt, dass die Anträge der Kläger diesen Unterlagen beigefügt werden müssen. Gemäß Art. 14 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 ist der an den Beratenden Ausschuss übermittelten Einberufung nämlich „eine Darstellung des Sachverhalts unter Angabe der wichtigsten Schriftstücke sowie ein vorläufiger Entscheidungsvorschlag“ beizufügen. Der Ausdruck „Angabe der wichtigsten Schriftstücke“ kann jedoch nicht bedeuten, dass die Kommission dem Beratenden Ausschuss alle mit den betroffenen Unternehmen ausgetauschten Unterlagen übermitteln muss.

92

Drittens ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission dem Beratenden Ausschuss eine Sachverhaltsdarstellung vom 3. Juni 2015 und die Antwort der Klägerinnen auf dieses Schreiben vom 26. Juni 2015 übermittelt hat. Es ist daher festzustellen, dass den Klägerinnen die Möglichkeit gegeben wurde, sich einerseits über die wichtigsten Umstände zu informieren, die von der Kommission bei der Berechnung der Geldbuße zu berücksichtigen sind, und andererseits zu diesen von der Kommission dargelegten Umständen Stellung zu nehmen. Diese Stellungnahmen wurden auch an den Beratenden Ausschuss weitergeleitet.

93

Da der erste Antrag der Klägerinnen auf Ermäßigung der Geldbuße mit Rücksicht auf ihre eigenen „besonderen Umstände“ im Sinne von Ziff. 37 der Leitlinien zur Festsetzung von Geldbußen am 26. Februar 2015 gestellt wurde, d. h. lange vor dem Zeitpunkt, zu dem die Kommission den Klägerinnen die Sachverhaltsdarstellung übermittelte, können die Klägerinnen der Kommission nicht vorwerfen, diese Angaben nicht an den Beratenden Ausschuss weitergeleitet zu haben. Auch wenn die Kommission diese Angaben nicht in die Sachverhaltsdarstellung oder in die Angabe der wichtigsten Schriftstücke aufgenommen hat, hatten die Klägerinnen in ihren Stellungnahmen vom 26. Juni 2015 Gelegenheit, die Bedeutung dieser Informationen für die Berechnung der Geldbuße anzugeben.

94

Insofern, als die von den Klägerinnen in ihrem zweiten Antrag vom 14. September 2015 vorgelegten Angaben keine wesentlichen Änderungen gegenüber dem ersten Antrag enthalten, da es sich um eine Aktualisierung der bereits dargelegten Fakten handelt, war die Kommission, die nicht verpflichtet war, die Klägerinnen vor Erlass des angefochtenen Beschlusses erneut zu hören, ebenso wenig verpflichtet, den Beratenden Ausschuss erneut zu konsultieren (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. Oktober 2002, Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, C‑238/99 P, C‑244/99 P, C‑245/99 P, C‑247/99 P, C‑250/99 P bis C‑252/99 P und C‑254/99 P, EU:C:2002:582, Rn. 118). Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission am 18. September 2015 erneut eine informelle Sitzung mit den Klägerinnen abhielt, in der diese Gelegenheit hatten, zu den neuen Fakten Stellung zu nehmen, und dass der Beratende Ausschuss anschließend am 15. Oktober 2015 erneut konsultiert wurde. Die Kommission war jedoch der Ansicht, dass diese Fakten für die Berechnung der gegen die Klägerinnen verhängten Geldbuße nicht entscheidend seien, weshalb sie dem Beratenden Ausschuss nicht zur Kenntnis gebracht wurden.

95

Nach alledem hat die Kommission nicht gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung verstoßen, weil sie den Beratenden Ausschuss nicht zu den von den Klägerinnen dargelegten besonderen Umständen konsultiert hat. Die Kommission handelte nämlich während des Verwaltungsverfahrens insofern gewissenhaft, als sie erstens die Klägerinnen anhörte und ihre Stellungnahmen prüfte, bevor der Beratende Ausschuss eine schriftliche Stellungnahme zum Vorentwurf eines Beschlusses abgab, und zweitens dem Ausschuss die wichtigsten Informationen zur Berechnung der Geldbuße gemäß Art. 14 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 zur Verfügung stellte.

96

Ähnliche Überlegungen wie in den Rn. 89 bis 95 gelten für das Vorbringen der Klägerinnen hinsichtlich der Konsultation des Kollegiums der Kommissionsmitglieder. In diesem Zusammenhang geht aus den Akten hervor, dass vor dem Erlass des angefochtenen Beschlusses die wesentlichen Elemente des Beschlussentwurfs, nämlich dieser Entwurf mit seinen Anhängen, die Stellungnahme des Beratenden Ausschusses und der Abschlussbericht des Anhörungsbeauftragten, dem Kollegium der Kommissionsmitglieder zur endgültigen Genehmigung vorgelegt wurden.

[nicht wiedergegeben]

 

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Fünfte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

 

1.

Die Klage wird abgewiesen.

 

2.

Die Hitachi-LG Data Storage, Inc. und die Hitachi-LG Data Storage Korea, Inc. tragen ihre eigenen Kosten sowie die der Europäischen Kommission.

 

Gratsias

Labucka

Ulloa Rubio

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 12. Juli 2019.

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Englisch.

( 1 ) Es werden nur die Randnummern des Urteils wiedergegeben, deren Veröffentlichung das Gericht für zweckdienlich erachtet.

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