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Document 62015CC0240
Opinion of Advocate General Campos Sánchez-Bordona delivered on 28 April 2016.
Schlussanträge des Generalanwalts M. Campos Sánchez-Bordona vom 28. April 2016.
Schlussanträge des Generalanwalts M. Campos Sánchez-Bordona vom 28. April 2016.
Court reports – general
ECLI identifier: ECLI:EU:C:2016:308
SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS
MANUEL CAMPOS SÁNCHEZ-BORDONA
vom 28. April 2016 ( *1 )
Rechtssache C‑240/15
Autorità per le Garanzie nelle Comunicazioni
gegen
Istituto Nazionale di Statistica – ISTAT,
Presidenza del Consiglio dei Ministri,
Ministero dell'Economia e delle Finanze
(Vorabentscheidungsersuchen des Consiglio di Stato [Staatsrat, Italien])
„Elektronische Kommunikationsnetze und ‑dienste — Beeinträchtigung der Unparteilichkeit und Unabhängigkeit der nationalen Regulierungsbehörden — Anwendung von Bestimmungen über die Senkung und Begrenzung der öffentlichen Ausgaben auf die nationalen Regulierungsbehörden“
1. |
Kann das Parlament eines Mitgliedstaats legislative Maßnahmen zur Senkung und Begrenzung der Ausgaben, die für die staatlichen Stellen erlassen worden sind, auf die sogenannten „nationalen Regulierungsbehörden“ ( *2 ) erstrecken? Zusammengefasst ist dies die Frage, die der Consiglio di Stato (Staatsrat, Italien) im Rahmen eines Rechtsstreits über die Auswirkungen, die die Gesetze zur Kürzung der öffentlichen Ausgaben auf die Unabhängigkeit der Autorità per le Garanzie nelle Comunicazioni (Regulierungsbehörde für das Kommunikationswesen, Italien, im Folgenden: AGCOM) haben können, dem Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorlegt. |
I – Rechtlicher Rahmen
A – Unionsrecht
2. |
Der elfte Erwägungsgrund der Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und ‑dienste (im Folgenden: Rahmenrichtlinie) ( *3 ), geändert durch die Richtlinie 2009/140/EG ( *4 ), lautet: „Nach dem Grundsatz der Trennung hoheitlicher und betrieblicher Funktionen sollten die Mitgliedstaaten die Unabhängigkeit ihrer Regulierungsbehörde(n) garantieren, um die Unparteilichkeit ihrer Beschlüsse sicherzustellen. Die Anforderung der Unabhängigkeit berührt weder die institutionelle Autonomie und die verfassungsmäßigen Verpflichtungen der Mitgliedstaaten noch den Grundsatz der Neutralität im Hinblick auf die Eigentumsordnung in den verschiedenen Mitgliedstaaten nach Artikel [345 AEUV]. Die nationalen Regulierungsbehörden sollten in Bezug auf Personal, Fachwissen und finanzielle Ausstattung über die zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben notwendigen Mittel verfügen.“ |
3. |
Im 13. Erwägungsgrund der Richtlinie 2009/140, mit der die Rahmenrichtlinie geändert wurde, heißt es: „Die Unabhängigkeit der nationalen Regulierungsbehörden sollte gestärkt werden, um eine wirksamere Anwendung des Rechtsrahmens zu gewährleisten und sowohl ihre Amtsgewalt zu stärken als auch ihre Entscheidungen vorhersehbarer zu machen. Hierfür sollten ausdrückliche Bestimmungen des nationalen Rechts gewährleisten, dass die für die Vorabregulierung des Markts oder für die Beilegung von Streitigkeiten zwischen Unternehmen zuständigen nationalen Regulierungsbehörden bei der Durchführung ihrer Aufgaben vor äußerer Einflussnahme und politischem Druck geschützt werden, die sie an der unabhängigen Beurteilung der von ihnen bearbeiteten Angelegenheiten hindern könnten. Wegen einer derartigen äußeren Einflussnahme eignen sich nationale rechtssetzende Organe nicht dazu, als nationale Regulierungsbehörde nach dem Rechtsrahmen zu fungieren. … Wichtig ist, dass die für die Vorabregulierung des Markts zuständigen nationalen Regulierungsbehörden über einen eigenen Haushaltsplan verfügen, der es ihnen insbesondere gestattet, qualifiziertes Personal in ausreichender Zahl einzustellen. Dieser Haushaltsplan sollte jährlich veröffentlicht werden, um Transparenz zu gewährleisten.“ |
4. |
Art. 3 der Rahmenrichtlinie in der durch die Richtlinie 2009/140 geänderten Fassung sieht vor: „(1) Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass alle den nationalen Regulierungsbehörden mit dieser Richtlinie und den Einzelrichtlinien übertragenen Aufgaben von einer zuständigen Stelle wahrgenommen werden. (2) Die Mitgliedstaaten gewährleisten die Unabhängigkeit der nationalen Regulierungsbehörden, indem sie dafür sorgen, dass sie rechtlich und funktional von allen Unternehmen unabhängig sind, die elektronische Kommunikationsnetze, ‑geräte oder ‑dienste anbieten. Wenn Mitgliedstaaten weiterhin an Unternehmen beteiligt sind, die elektronische Kommunikationsnetze und/oder ‑dienste bereitstellen, oder diese kontrollieren, müssen sie eine wirksame strukturelle Trennung der hoheitlichen Funktion von Tätigkeiten im Zusammenhang mit dem Eigentum oder der Kontrolle sicherstellen. (3) Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass die nationalen Regulierungsbehörden ihre Befugnisse unparteiisch, transparent und innerhalb eines angemessenen Zeitraums ausüben. Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass den nationalen Regulierungsbehörden angemessene finanzielle und personelle Ressourcen zur Verfügung stehen, damit sie die ihnen übertragenen Aufgaben erfüllen können. (3a) Unbeschadet der Absätze 4 und 5 handeln die für die Vorabregulierung des Markts oder für die Beilegung von Streitigkeiten zwischen Unternehmen nach den Artikeln 20 [und] 21 zuständigen nationalen Regulierungsbehörden unabhängig und holen im Zusammenhang mit der laufenden Erfüllung der ihnen nach den nationalen Rechtsvorschriften zur Umsetzung des Gemeinschaftsrechts übertragenen Aufgaben weder Weisungen einer anderen Stelle ein noch nehmen sie solche entgegen. Dies steht einer Aufsicht im Einklang mit dem nationalen Verfassungsrecht nicht entgegen. Ausschließlich Beschwerdestellen nach Artikel 4 sind befugt, Entscheidungen der nationalen Regulierungsbehörden auszusetzen oder aufzuheben. … Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die nationalen Regulierungsbehörden nach Unterabsatz 1 über einen eigenen jährlichen Haushaltsplan verfügen. Die Haushaltspläne werden veröffentlicht. Ferner stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass die nationalen Regulierungsbehörden über ausreichende finanzielle und personelle Ressourcen verfügen, so dass sie in der Lage sind, sich aktiv am Gremium Europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation (GEREK)[ ( *5 )] zu beteiligen und einen Beitrag dazu zu leisten. …“ |
5. |
Der 30. Erwägungsgrund der Richtlinie 2002/20/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über die Genehmigung elektronischer Kommunikationsnetze und ‑dienste (im Folgenden: Genehmigungsrichtlinie) ( *6 ) bestimmt, dass „[v]on Anbietern elektronischer Kommunikationsdienste … Verwaltungsabgaben erhoben werden [können], um die Arbeit der nationalen Regulierungsbehörde bei der Abwicklung des Genehmigungsverfahrens und der Einräumung von Nutzungsrechten zu finanzieren. Diese Abgaben sollten sich auf das beschränken, was zur Deckung der tatsächlichen Verwaltungskosten für diese Arbeit notwendig ist. Zu diesem Zweck sollte bei den Einnahmen und Ausgaben der nationalen Regulierungsbehörden dadurch für Transparenz gesorgt werden, dass die insgesamt eingenommenen Abgaben und die angefallenen Verwaltungskosten jährlich offengelegt werden. So können die Unternehmen prüfen, ob die Abgaben den Verwaltungskosten entsprechen.“ Im 31. Erwägungsgrund heißt es ergänzend, dass „[d]ie Regelungen zur Erhebung von Verwaltungsabgaben … den Wettbewerb nicht verzerren und keine Schranken für den Marktzugang errichten [sollten]“. |
6. |
Art. 12 der Genehmigungsrichtlinie sieht vor: „(1) Verwaltungsabgaben, die von Unternehmen verlangt werden, die aufgrund einer Allgemeingenehmigung einen Dienst oder ein Netz bereitstellen oder denen ein Nutzungsrecht gewährt wurde,
(2) Erheben die nationalen Regulierungsbehörden Verwaltungsabgaben, so veröffentlichen sie einen jährlichen Überblick über ihre Verwaltungskosten und die insgesamt eingenommenen Abgaben. Entsprechend der Differenz der Gesamtsumme der Abgaben und der Verwaltungskosten werden entsprechende Berichtigungen vorgenommen.“ |
B – Nationales Recht
7. |
Mit dem Gesetz Nr. 249 vom 31. Juli 1997 ( *7 ) wurde die AGCOM geschaffen. Durch Art. 1 Abs. 9 wird ihr ein hohes Maß an organisatorischer Eigenständigkeit verliehen und festgelegt, dass sie „eine Regelung über die Organisation und die Arbeitsweise, die Haushaltspläne, die Finanzberichte und die Ausgabenverwaltung – auch soweit sie von den Bestimmungen über die allgemeine Rechnungslegung des Staates abweichen – sowie die rechtliche und finanzielle Behandlung ihres Personals [erlässt]“. |
8. |
Mit dem Decreto legislativo Nr. 259 vom 1. August 2003 wurde das Gesetzbuch über die elektronische Kommunikation ( *8 ) verabschiedet, dessen Art. 7 Abs. 2 der AGCOM die in Art. 3 der Rahmenrichtlinie genannten Aufgaben der NRB überträgt. |
9. |
Das Gesetz Nr. 311 vom 30. Dezember 2004 über den Staatshaushalt für das Jahr 2005 ( *9 ) führte eine Obergrenze für die Erhöhung der Ausgaben der öffentlichen Verwaltung ein. Art. 1 Abs. 5 dieses Gesetzes bestimmt: „Um sicherzustellen, dass die von der Europäischen Union … für den Dreijahreszeitraum 2005-2007 gesetzten Ziele für die öffentlichen Haushalte erreicht werden, dürfen die Gesamtausgaben der von der konsolidierten Gewinn- und Verlustrechnung erfassten Verwaltungsbehörden, die für das Jahr 2005 in der diesem Gesetz als Anhang beigefügten Liste 1 aufgeführt sind und für die Folgejahre vom Istituto Nazionale di Statistica (im Folgenden: ISTAT) mit eigener, spätestens am 31. Juli eines jeden Jahres im Amtsblatt veröffentlichter Verordnung bestimmt werden, im Einklang mit dem Jahresabschluss höchstens 2 % über den entsprechenden aktualisierten Schätzungen des Vorjahrs liegen.“ |
10. |
Das Gesetz Nr. 266 vom 23. Dezember 2005 über den Staatshaushalt für das Jahr 2006 ( *10 ) gewährte den unabhängigen öffentlichen Behörden wie der AGCOM Haushaltsautonomie. Art. 1 Abs. 65 dieses Gesetzes sieht vor: „Ab dem Jahr 2007 werden die Betriebskosten der [AGCOM], soweit sie nicht aus Mitteln des Staatshaushalts gedeckt sind, von den ihrer Zuständigkeit unterliegenden Marktteilnehmern nach den in der geltenden Regelung vorgesehenen Modalitäten finanziert, wobei die Höhe des unmittelbar an die Behörden entrichteten Beitrags durch Beschluss der jeweiligen Behörde unter Berücksichtigung der gesetzlich vorgesehenen Höchstgrenzen festgelegt wird.“ |
11. |
Das Decreto-legge Nr. 223 vom 4. Juli 2006, nach Änderung umgewandelt in das Gesetz Nr. 248 vom 4. August 2006 ( *11 ), sah eine Senkung der Betriebskosten der nicht gebietsgebundenen öffentlichen Körperschaften und Einrichtungen vor. Art. 22 Abs. 1 bestimmt insoweit: „Die Haushaltsmittel für das Jahr 2006 für Vorleistungen nicht gebietsgebundener öffentlicher Körperschaften und Einrichtungen … gemäß Art. 1 Abs. 5 und 6 des Gesetzes Nr. 311 vom 30. Dezember 2004 werden [mit einigen Ausnahmen] um 10 % reduziert …“ Diese Senkung betraf alle in der Liste des ISTAT aufgeführten Verwaltungsbehörden einschließlich der AGCOM. |
12. |
Das Gesetz Nr. 196 vom 31. Dezember 2009 über die neue allgemeine Regelung des öffentlichen Rechnungswesens und der öffentlichen Haushalte ( *12 ) führte in diesem Bereich eine Neuregelung ein. Konkret bestimmt Art. 1 Abs. 2 dieses Gesetzes (ersetzt durch Art. 5 Abs. 7 des Decreto-legge Nr. 16 vom 2. März 2012) ( *13 ): „Für die Anwendung der Bestimmungen über die öffentlichen Haushalte gelten als Verwaltungsbehörden: für das Jahr 2011 die Körperschaften und Rechtssubjekte, die für statistische Zwecke auf der Liste in der Mitteilung des Istituto nazionale di statistica (ISTAT) vom 24. Juli 2010 (am selben Tag in der Gazzetta Ufficiale della Repubblica italiana Nr. 171 veröffentlicht) aufgeführt sind, bzw. ab dem Jahr 2012 die Körperschaften und Rechtssubjekte, die für statistische Zwecke auf der Liste in der Mitteilung des ISTAT vom 30. September 2011 (am selben Tag in der Gazzetta Ufficiale della Repubblica italiana Nr. 228 veröffentlicht) – einschließlich der nachfolgenden Aktualisierungen dieser Liste gemäß Art. 1 Abs. 3, die aufgrund der Definitionen in den besonderen Verordnungen der Europäischen Union vorgenommen werden – aufgeführt sind, die unabhängigen Behörden[ ( *14 )] sowie die Behörden nach Art. 1 Abs. 2 des Decreto legislativo Nr. 165 vom 30. März 2001, einschließlich der nachfolgenden Änderungen.“ |
13. |
Am 28. September 2012 veröffentlichte das ISTAT in der GURI die Liste der Verwaltungsbehörden, die von der konsolidierten Gewinn- und Verlustrechnung der öffentlichen Behörden im Sinne des Gesetzes Nr. 196 aus 2009 ( *15 ) erfasst waren. Zu ihnen gehörte auch die AGCOM. |
II – Ausgangsverfahren und Vorlagefrage
14. |
Die AGCOM klagte vor dem Tribunale amministrativo regionale del Lazio (Verwaltungsgericht der Region Latium, im Folgenden: TAR) gegen die vom ISTAT im Jahr 2012 erstellte Liste. Sie beanstandete sowohl den Umstand, dass sie in dieser Liste aufgeführt war, als auch die Entscheidung des italienischen Gesetzgebers, auf sie die Bestimmungen über die öffentlichen Haushalte anzuwenden, insbesondere jene, die auf die Senkung und Begrenzung der öffentlichen Ausgaben abzielen. |
15. |
Mit Urteil vom 12. Juni 2013 wies das TAR die Anträge der AGCOM zurück und begründete dies u. a. damit, dass der Consiglio di Stato (Staatsrat) es in einem anderen, mit diesem in Zusammenhang stehenden Fall in seinem Urteil Nr. 6014/2012 für rechtmäßig erachtet habe, dass die AGCOM in der Liste des ISTAT aufgeführt sei. Die Unabhängigkeit und Autonomie der AGCOM bewirkten nicht, dass sie nicht mehr zur öffentlichen Verwaltung gehöre und deshalb die Bestimmungen über die öffentlichen Haushalte auf sie keine Anwendung fänden, und insoweit sei auch ihr Selbstfinanzierungssystem nicht von Bedeutung, weil die Abgabe, die sie von den Betreibern erhebe, nach italienischem Recht als Steuern anzusehen sei. |
16. |
Die AGCOM legte gegen das Urteil des TAR ein Rechtsmittel zum Consiglio di Stato (Staatsrat) ein und trug vor, die organisatorischen und finanziellen Beschränkungen, die sich aus der Anwendung der nationalen Bestimmungen über die öffentlichen Haushalte ( *16 ) und der Bestimmungen zur Senkung und Begrenzung der öffentlichen Ausgaben ( *17 ) auf sie ergäben, verringerten ihre Wirksamkeit als Regulierungsbehörde im Telekommunikationssektor. Der italienische Gesetzgeber müsse vorteilhaftere Bestimmungen auf sie anwenden, die denen entsprächen, die für die Banca d’Italia gälten, oder zumindest die Senkung der Ausgaben auf den Teil ihrer Mittel beschränken, der aus dem Staatshaushalt gespeist werde. Schließlich verletze die Anwendung der nationalen Rechtsvorschriften, mit denen ihre Ausgaben gekürzt würden, Art. 3 der Rahmenrichtlinie und Art. 12 der Genehmigungsrichtlinie. |
17. |
Der Auffassung der AGCOM sind der ISTAT, das Präsidium des Ministerrats und das Ministerium für Wirtschaft und Finanzen entgegengetreten. |
18. |
In seinem Vorlagebeschluss weist der Consiglio di Stato (Staatsrat) darauf hin, dass an der Rechtmäßigkeit der ISTAT‑Liste keine Zweifel bestünden, weil Art. 1 Abs. 2 des Gesetzes Nr. 196 vom 31. Dezember 2009 durch das Decreto-legge Nr. 16 vom 2. März 2012 dahin gehend geändert worden sei, dass ausdrücklich auch die unabhängigen Behörden (wie die AGCOM) zu den Verwaltungsbehörden und öffentlichen Einrichtungen zählten, die den Gesetzen über die öffentlichen Haushalte unterlägen. |
19. |
Der Consiglio di Stato (Staatsrat) legt in seinem Beschluss die Gründe dar, aus denen er den Gerichtshof um eine Entscheidung über die Vereinbarkeit der umstrittenen nationalen Maßnahmen mit der Rahmenrichtlinie und mit der Genehmigungsrichtlinie ersucht. Sollten diese Maßnahmen als unvereinbar mit den Grundsätzen der Unparteilichkeit, Unabhängigkeit und Selbstfinanzierung anzusehen sein, die die Mitgliedstaaten im Hinblick auf die NRB gewährleisten müssen, so dürften sie auf die AGCOM nicht angewendet werden, weil sie Unionsrecht verletzten. Der Consiglio di Stato (Staatsrat) ist allerdings der Ansicht, dass keine Unvereinbarkeit vorliege. |
20. |
Trotzdem hält er es, um seine Zweifel auszuräumen, für erforderlich, dem Gerichtshof die folgende Frage vorzulegen: Stehen die Grundsätze der den nationalen Regulierungsbehörden im Sinne von Art. 3 der Richtlinie 2002/21/EG zuzuerkennenden Unparteilichkeit und Unabhängigkeit auch in finanzieller und organisatorischer Hinsicht sowie der Grundsatz der wesentlichen Selbstfinanzierung im Sinne von Art. 12 der Richtlinie 2002/20/EG einer nationalen Regelung (wie jener des vorliegenden Verfahrens) entgegen, die auch solche Behörden allgemein den Bestimmungen über das öffentliche Finanzwesen, insbesondere spezifischen Bestimmungen zur Senkung und Begrenzung der Ausgaben der öffentlichen Verwaltung, unterwirft? |
21. |
Im Rahmen des schriftlichen Verfahrens vor dem Gerichtshof haben die AGCOM, die italienische und die niederländische Regierung sowie die Europäische Kommission Erklärungen vorgelegt. Der Gerichtshof hat entschieden, die Frage ohne mündliches Verfahren zu beantworten. |
III – Prüfung der Vorlagefrage
22. |
Mit seiner Frage möchte der Consiglio di Stato (Staatsrat) zusammengefasst wissen, ob es im Widerspruch zu Art. 3 der Rahmenrichtlinie und Art. 12 der Genehmigungsrichtlinie steht, dass eine NRB allgemein den italienischen Gesetzen im Bereich der öffentlichen Haushalte und insbesondere den vom Parlament verabschiedeten Gesetzen zur Senkung und Begrenzung der öffentlichen Ausgaben unterliegt. |
23. |
Bei der Beantwortung dieser Frage muss der Gerichtshof die tatsächlichen Feststellungen und die nationalen Rechtsvorschriften so berücksichtigen, wie sie vom vorlegenden Gericht angegeben worden sind, denn dieses ist für die genaue Bezeichnung des seiner Ansicht nach im Ausgangsverfahren anwendbaren nationalen Rechts zuständig ( *18 ). Dementsprechend sind von den vermeintlich die Unabhängigkeit der AGCOM beschränkenden Maßnahmen nur jene zu prüfen, die der Consiglio di Stato (Staatsrat) in seinem Vorlagebeschluss anführt ( *19 ). |
24. |
In ihren schriftlichen Erklärungen hat sich die AGCOM auch auf andere, später erlassene Maßnahmen des italienischen Gesetzgebers bezogen, die in dieselbe Richtung gehen und nach denen die allgemeinen Rechtsvorschriften zur Senkung und Begrenzung der Ausgaben, die für alle italienischen Verwaltungsbehörden gelten, auch auf sie anwendbar sind. Mir scheint es allerdings nicht zweckdienlich, bei der Beantwortung der Vorlagefrage Rechtsvorschriften zu berücksichtigen, die vom Consiglio di Stato (Staatsrat) in seinem Vorabentscheidungsersuchen nicht erwähnt worden sind, wenngleich die Lösung, die ich vorschlagen werde, wahrscheinlich auch unter Berücksichtigung dieser neueren Maßnahmen dieselbe wäre. |
A – Die Unabhängigkeit der NRB in der Rechtsprechung des Gerichtshofs
25. |
Bei der AGCOM handelt es sich um eine der „unabhängigen Behörden“ oder „unabhängigen Verwaltungsbehörden“, die in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union geschaffen worden sind, um die Umsetzung der Liberalisierungsvorschriften in bestimmten Wirtschaftssektoren zu gewährleisten ( *20 ). Sie fügen sich nicht in die klassische Verwaltungshierarchie ein, und damit sie unparteiisch sowohl ihre Regulierungsaufgaben als auch ihre fachliche Aufsicht wahrnehmen können ( *21 ), sind sie sowohl gegenüber den Wirtschaftsteilnehmern als auch gegebenenfalls gegenüber den politischen Stellen des Staats unabhängig ( *22 ). |
26. |
Die Unabhängigkeit besteht zuerst einmal gegenüber den Marktteilnehmern. Dies gilt gemäß Art. 3 Abs. 2 der Rahmenrichtlinie ( *23 ) auch im konkreten Fall der NRB für den Sektor der elektronischen Kommunikation. Diese Facette der Unabhängigkeit der NRB ist im abgeleiteten Unionsrecht weithin anerkannt, und im Fall der AGCOM ist dies auch während des gesamten Rechtsstreits zwischen ihr und der italienischen Regierung von niemandem in Abrede gestellt worden. |
27. |
Der Gerichtshof ( *24 ) hat das Thema der Unabhängigkeit der NRB gegenüber den Marktteilnehmern angesprochen und sich dabei zur Trennung zwischen hoheitlichen und betrieblichen Funktionen geäußert. In verschiedenen Urteilen hat er festgestellt, dass gemäß Art. 3 der Rahmenrichtlinie die Mitgliedstaaten zwar bei der Organisation und Strukturierung ihrer NRB über institutionelle Autonomie verfügen, aber dafür zu sorgen haben, dass alle den NRB übertragenen Aufgaben von einer zuständigen Stelle wahrgenommen werden. Ebenso müssen sie die Unabhängigkeit dieser Behörden gewährleisten, indem sie dafür Sorge tragen, dass diese von allen Unternehmen, die elektronische Kommunikationsnetze, ‑geräte oder ‑dienste anbieten, rechtlich getrennt und funktional unabhängig sind und dass die NRB ihre Befugnisse unparteiisch und transparent und innerhalb eines angemessenen Zeitraums ausüben ( *25 ). |
28. |
Gleichwohl hat der Gerichtshof festgestellt, dass der nationale Gesetzgeber als NRB im Sinne der Rahmenrichtlinie tätig werden kann, sofern er bei der Erfüllung dieser Aufgabe die in den genannten Richtlinien vorgesehenen Voraussetzungen in Bezug auf Fachwissen, Unabhängigkeit, Unparteilichkeit und Transparenz erfüllt, gegen die Entscheidungen, die er im Rahmen dieser Aufgabe erlässt, wirksame Rechtsbehelfe bei einer unabhängigen Beschwerdestelle gegeben sind und er die Aufgaben, die durch die Richtlinien ausdrücklich den NRB übertragen wurden, weder begrenzt noch beseitigt ( *26 ). Außerdem hat der Gerichtshof festgestellt, dass die NRB bei der Ausübung ihrer Kompetenzen über eine weitreichende Befugnis verfügen, um die Regulierungsbedürftigkeit eines Marktes in jedem Einzelfall beurteilen zu können ( *27 ). |
29. |
Komplexer ist, dass diese Unabhängigkeit der NRB es ermöglicht, sie dem Einfluss der staatlichen Stellen, insbesondere der Regierung, zu entziehen. Dies ist ein Problem, dass in bestimmten Staaten verfassungsrechtliche Dimensionen erreichen kann, denn im Ergebnis wird den NRB eine unabhängige Stellung gegenüber den politischen Stellen eingeräumt ( *28 ), obgleich diese über die demokratische Legitimation verfügen. Die Reform von Art. 3 der Rahmenrichtlinie durch die Richtlinie 2009/140 führte genau dieses Modell einer NRB für den Sektor der elektronischen Kommunikation ein. |
30. |
Die Unabhängigkeit der NRB hat meines Erachtens nicht zur Folge, dass diese nicht den grundlegenden Bestimmungen über die Arbeitsweise der öffentlichen Verwaltung ebenso wie der Kontrolle und der Aufsicht durch das Parlament unterliegen können. Der Schutz, der ihnen durch Art. 3 der Rahmenrichtlinie eingeräumt wird, umfasst im Grundsatz die folgenden Elemente ( *29 ):
|
31. |
Der Gerichtshof hat sich bisher noch nicht zur politischen Unabhängigkeit der NRB im Kommunikationssektor geäußert, anders als zu jener der nationalen Kontrollstellen zum Schutz personenbezogener Daten. Die Urteile zu Letzteren (insbesondere Kommission/Deutschland, Kommission/Österreich und Kommission/Ungarn) bieten Anhaltspunkte, die mit gewissen Vorbehalten auch für die NRB für den Sektor der elektronischen Kommunikation herangezogen werden können. Die Datenschutzstellen handeln als Garanten für das Grundrecht auf Privatsphäre, ein Umstand, dem der Gerichtshof im Hinblick auf den Schutz ihrer Unabhängigkeit große Bedeutung beigemessen hat ( *30 ); dies trifft allerdings auf die NRB im Bereich der elektronischen Kommunikation nicht zu. |
32. |
Nach Auffassung des Gerichtshofs müssen die zuständigen Kontrollstellen zur Überwachung der Verarbeitung personenbezogener Daten über ein Maß an Unabhängigkeit verfügen, das es ihnen ermöglicht, ihre Aufgaben ohne äußere Einflussnahme wahrzunehmen. Diese Unabhängigkeit schließt jede Anordnung und jede sonstige äußere Einflussnahme, sei sie unmittelbar oder mittelbar, aus, durch die in Frage gestellt werden könnte, dass die genannten Kontrollstellen ihre Aufgabe, den Schutz des Rechts auf Privatsphäre und den freien Verkehr personenbezogener Daten ins Gleichgewicht zu bringen, erfüllen ( *31 ). Die funktionelle Unabhängigkeit der Kontrollstellen ist eine notwendige Voraussetzung dafür, dass sie das Kriterium der Unabhängigkeit im Sinne von Art. 28 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 95/46 erfüllen können, auch wenn sie allein nicht ausreicht, um die Kontrollstelle vor jeder äußeren Einflussnahme zu bewahren ( *32 ). |
33. |
Außerdem hat der Gerichtshof festgestellt, dass die bloße Möglichkeit einer politischen Einflussnahme der staatlichen Aufsichtsbehörden auf die Entscheidungen der Kontrollstellen ausreicht, um einer unabhängigen Wahrnehmung ihrer Aufgaben im Wege zu stehen, weil dies zu „vorauseilendem Gehorsam“ der Kontrollstellen unter Berücksichtigung der Entscheidungspraxis der Aufsichtsbehörde führen könnte. Gehorsam gegenüber politischen Stellen ist mit dem Erfordernis der Unabhängigkeit nicht vereinbar ( *33 ). |
34. |
Allerdings hat der Gerichtshof selbst im Hinblick auf die nationalen Kontrollstellen für Datenschutz festgestellt, dass ihre Unabhängigkeit nicht grenzenlos ist, so dass ein Fehlen jeglichen parlamentarischen Einflusses auf sie nicht in Betracht kommt ( *34 ). Das Parlament oder die Regierung kann das Leitungspersonal der Kontrollstellen bestellen, und der Gesetzgeber kann die Kompetenzen dieser Stellen festlegen und sie verpflichten, dem Parlament Rechenschaft über ihre Tätigkeiten abzulegen ( *35 ). |
35. |
Im Ergebnis muss man, um die Reichweite der politischen Unabhängigkeit der NRB, so wie sie im Unionsrecht ausgestaltet ist, auszuloten, den schwierigen Versuch unternehmen, zwei Dinge miteinander ins Gleichgewicht zu bringen: einerseits die Befugnisse, die ihnen eingeräumt werden müssen, um ihre Handlungsfreiheit zu gewährleisten, und andererseits die Notwendigkeit, sie den dem Rechtsstaat eigenen demokratischen Kontrollen und den allgemeinen Bestimmungen über die Arbeitsweise der Verwaltung zu unterwerfen. |
B – Zu einer möglichen Beschränkung der finanziellen Unabhängigkeit der AGCOM
36. |
Der Consiglio di Stato (Staatsrat) ersucht den Gerichtshof, sich zur Frage einer möglichen Beeinträchtigung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der AGCOM, die in Art. 3 der Rahmenrichtlinie gewährleistet sind, durch die nationalen Maßnahmen zur Begrenzung der öffentlichen Ausgaben zu äußern. Er möchte letztlich wissen, ob die finanzielle Unabhängigkeit einer NRB (die zu den Kernelementen ihrer politischen Unabhängigkeit gehört) in einer mit Art. 3 der Rahmenrichtlinie unvereinbaren Weise eingeschränkt wird, wenn ein Mitgliedstaat die jährliche Erhöhung des Haushaltsplans einer NRB gesetzlich (im konkreten Fall auf 2 %) beschränkt, sie den Regelungen im Bereich der öffentlichen Haushalte unterwirft, denen auch alle anderen Verwaltungsbehörden unterliegen, und ihre Betriebskosten um 10 % kürzt. Dabei handelt es sich um allgemeine Beschränkungen, d. h., sie gelten für alle Verwaltungsbehörden in Italien und sind nicht lediglich mit Bezug auf die AGCOM beschlossen worden. |
37. |
Die AGCOM ist der Ansicht, dass die seitens der italienischen Regierung getroffenen Maßnahmen ihre Haushaltsautonomie beschnitten und damit ihre Unabhängigkeit in einer nicht mit dem Unionsrecht vereinbaren Weise beeinträchtigten. Wegen ihrer Haushaltsautonomie komme es nicht in Betracht, auf sie allgemein die nationalen Rechtsvorschriften über die öffentlichen Haushalte einschließlich solcher Bestimmungen anzuwenden, die Obergrenzen für den Anstieg der Ausgaben und lineare Kostensenkungen vorschrieben, weil diese sie in ihrer Freiheit beschränkten, ihre finanziellen Mittel so angemessen wie möglich zur Deckung ihres funktionellen Bedarfs einzusetzen. |
38. |
Die AGCOM führt außerdem an, dass derartige Maßnahmen, die ihre Haushaltsautonomie beschränkten, durch den Zweck, die öffentlichen Ausgaben zu senken, nicht gerechtfertigt seien, weil ihre Betriebsmittel nicht aus dem Staatshaushalt gedeckt würden; diese stammten zu 100 % aus den Beiträgen der ihrer Zuständigkeit unterliegenden Marktteilnehmer. |
39. |
Die AGCOM trägt schließlich vor, Italien stünden im Hinblick auf ihre Haushaltsautonomie und ihre Unabhängigkeit weniger einschneidende Maßnahmen zur Verfügung, um unter Achtung der Autonomie der NRB eine Senkung der öffentlichen Ausgaben zu erreichen. Sie müsse vom italienischen Staat genauso behandelt werden wie die italienische Zentralbank, die den Maßnahmen zur Begrenzung der öffentlichen Ausgaben nicht ohne Weiteres unterliege. |
40. |
Die Kommission, Italien und die Niederlande vertreten den entgegengesetzten Standpunkt, der sich mit dem vom Consiglio di Stato (Staatsrat) im Vorlagebeschluss vertretenen Standpunkt deckt. |
41. |
Wie der Gerichtshof in Bezug auf öffentliche Stellen festgestellt hat, bezeichnet der Begriff „Unabhängigkeit“ in der Regel eine Stellung, in der gewährleistet ist, dass die betreffende Stelle völlig frei von Weisungen und Druck handeln kann ( *36 ). Diese Unabhängigkeit besteht sowohl gegenüber den Wirtschaftsteilnehmern des Marktes, in dem die NRB ihre Aufgaben wahrnimmt, als auch gegenüber den politischen Stellen der Staaten ( *37 ). |
42. |
Natürlich können die politischen Stellen eines Staats in der Theorie die Unabhängigkeit ihrer NRB beschränken und Einfluss auf sie nehmen, indem sie ihre finanziellen und personellen Mittel drastisch kürzen ( *38 ). Um dies zu verhindern und die Stellung der NRB für den Sektor der elektronischen Kommunikation zu stärken, wurden mit der Richtlinie 2009/140 verschiedene Änderungen an Art. 3 der Rahmenrichtlinie vorgenommen, mit denen die finanzielle Unabhängigkeit der NRB gesichert werden soll ( *39 ). Darüber hinaus wurden in Art. 3 Abs. 3a a. E. ausdrücklich zwei Anforderungen aufgenommen: Die NRB müssen über einen eigenen jährlichen Haushaltsplan verfügen, und sie müssen über ausreichende finanzielle und personelle Ressourcen verfügen, um sich aktiv am GEREK zu beteiligen und einen Beitrag dazu zu leisten. |
43. |
Allerdings ist die finanzielle Unabhängigkeit der NRB aus der Sicht der Rahmenrichtlinie nicht unbegrenzt, denn es heißt dort: „Dies steht einer Aufsicht im Einklang mit dem nationalen Verfassungsrecht nicht entgegen.“ Diese Aussage steht im Einklang mit dem Urteil Kommission/Deutschland ( *40 ), in dem der Gerichtshof die Ausübung bestimmter parlamentarischer Kontrollbefugnisse gegenüber den mit dem Schutz personenbezogener Daten betrauten nationalen Stellen gebilligt hat. Diese Rechtsprechung lässt sich auf die NRB für den Sektor der elektronischen Kommunikation übertragen, so dass es rechtmäßig ist, diese bestimmten Regelungen zu unterwerfen, die sich aus dem Vorrang der demokratischen Legitimation ableiten lassen ( *41 ). So fallen z. B. die Rechenschaftspflicht gegenüber dem nationalen Parlament und die Möglichkeit der Rechnungsprüfung durch den nationalen Rechnungshof in den Bereich dessen, was nach der Rahmenrichtlinie für den Bereich der elektronischen Kommunikation zulässig ist. |
44. |
Ich teile die von der niederländischen Regierung in ihren Erklärungen vertretene Ansicht, dass die vom nationalen Parlament ausgeübte Haushaltskontrolle (die, wie bereits dargelegt, mit der finanziellen Unabhängigkeit der NRB nach Art. 3 der Rahmenrichtlinie vereinbar ist) ermöglicht, auf diese – auch ex ante – Maßnahmen zur Begrenzung der öffentlichen Ausgaben anzuwenden. Derartige Maßnahmen würden ihre Unabhängigkeit in einer mit Art. 3 der Rahmenrichtlinie unvereinbaren Weise nur dann beeinträchtigen, wenn sie unverhältnismäßig wären und die NRB daran hinderten, ihre Aufgaben wahrzunehmen, oder wenn sie zum Wegfall des eigenen Haushaltsplans führten. |
45. |
Im Fall Italiens haben die auf die AGCOM angewendeten gesetzgeberischen Maßnahmen nicht dazu geführt, dass ihr eigener, getrennter und veröffentlichter jährlicher Haushaltsplan wegfällt, und nach den Angaben des Consiglio di Stato (Staatsrat) haben sie auch nicht ihre Fähigkeit beeinträchtigt, die zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben erforderlichen Ressourcen einzusetzen. Das vorlegende Gericht betont – und dies ist eine Tatsachenfeststellung, für die nur dieses Gericht zuständig ist –, dass die AGCOM keinen konkreten Beweis für das Vorliegen solcher negativer Auswirkungen vorgelegt, sondern sich auf die Rüge beschränkt habe, dass die fragliche Regelung ihre Haushaltsautonomie und ihre Unabhängigkeit verletze. |
46. |
Darüber hinaus beruhen die Gesetze über die öffentlichen Haushalte und zur Begrenzung der öffentlichen Ausgaben (Obergrenze für die Erhöhung der Ausgaben von 2 % im Haushaltsgesetz 2005 und Verringerung der Ausgaben für Vorleistungen um 10 % im Gesetz Nr. 248 vom 4. August 2006) auf einem rechtmäßigen Gesetzentwurf zur Haushaltsdisziplin, der mit allgemeiner Wirkung für den italienischen Staat verabschiedet wurde, und nicht auf einer Einzelfallentscheidung, die sich besonders gegen die AGCOM richtet. |
47. |
Wenn also die AGCOM vor dem vorlegenden Gericht weder nachgewiesen hat, dass die streitigen Maßnahmen einen faktischen Einfluss auf ihre Tätigkeiten gehabt haben, noch, dass die allgemeinen Haushaltsbeschränkungen konkret verhindert haben, dass sie „in Bezug auf Personal, Fachwissen und finanzielle Ausstattung über die zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben notwendigen Mittel verfüg[t]“ (elfter Erwägungsgrund der Rahmenrichtlinie), so wird man kaum annehmen können, dass diese Maßnahmen ihre Unabhängigkeit im zuvor dargelegten Sinne beeinträchtigt haben ( *42 ). |
48. |
Die Forderung der AGCOM, der italienische Staat müsse sie anders behandeln, und zwar so wie die Banca d’Italia, die nur zweckgerichteten Verpflichtungen unterliege, scheint mir ebenfalls nicht gerechtfertigt; auch in diesem Punkt teile ich die Auffassung des vorlegenden Gerichts. |
49. |
Art. 3 der Rahmenrichtlinie setzt nicht voraus, dass die Mitgliedstaaten sich wegen der finanziellen Unabhängigkeit der NRB darauf beschränken müssen, ihnen im Bereich der Haushaltsmittel nur zweckgerichtete Verpflichtungen aufzuerlegen, wodurch bereichsübergreifende Mittel der Kostenbegrenzung und ‑senkung ausgeschlossen würden. Es gibt in der Rahmenrichtlinie auch keine Hinweise darauf, dass die Unabhängigkeit der NRB mit der der Zentralbank eines Mitgliedstaats gleichzusetzen wäre. |
50. |
Die Unabhängigkeit der nationalen Zentralbanken ergibt sich aus Bestimmungen des Primärrechts (Art. 130 AEUV und Art. 7 des Protokolls Nr. 4 über die Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank) und folgt aus ihrer besonderen Rolle – unter der Leitung der Europäischen Zentralbank – als Anwender der gemeinsamen Währungspolitik, deren Ziel es ist, Preisstabilität zu gewährleisten ( *43 ). Darüber hinaus dient diese Unabhängigkeit dazu, eine wirksame Umsetzung des in Art. 123 AEUV vorgesehenen Verbots der monetären Finanzierung nationaler Behörden der Mitgliedstaaten im Hinblick auf die Zentralbanken zu ermöglichen. Keiner dieser Zwecke lässt sich auf die Tätigkeiten der NRB für den Sektor der elektronischen Kommunikation übertragen, deren Stellung sich aus den entsprechenden Richtlinien ergibt. |
51. |
Die AGCOM trägt vor, ihre Mittel stammten aus dem italienischen Staatshaushalt und zum größeren Teil aus den Verwaltungsabgaben, die sie von den Marktteilnehmern des Sektors der elektronischen Kommunikation erhebe. Darüber hinaus habe sie sich in den letzten Geschäftsjahren vollständig selbst finanziert, weshalb ihre Kosten nicht zum Staatsdefizit beitrügen und die Anwendung der vom italienischen Staat in diesem Bereich erlassenen allgemeinen Maßnahmen auf sie Art. 12 der Genehmigungsrichtlinie verletze, denn diese Maßnahmen müssten sich gegebenenfalls auf den Teil der Finanzmittel der AGCOM beschränken, die aus dem Staatshaushalt gespeist würden. |
52. |
Dieses Argument halte ich ebenso wenig für zutreffend wie das vorlegende Gericht, die Kommission sowie die italienische und die niederländische Regierung. Die von den Unternehmen erhobenen Abgaben sind in Art. 12 der Genehmigungsrichtlinie geregelt und sollen nicht alle Arten von Verwaltungskosten der NRB decken, sondern gemäß Art. 12 Abs. 1 Buchst. a nur diejenigen, die für die Verwaltung, Kontrolle und Durchsetzung von Allgemeingenehmigungen und Nutzungsrechten sowie der in Art. 6 Abs. 2 genannten besonderen Verpflichtungen anfallen, die die Kosten für internationale Zusammenarbeit, Harmonisierung und Normung, Marktanalyse, Überwachung der Einhaltung und andere Marktkontrollmechanismen sowie für Regulierungstätigkeiten zur Ausarbeitung und Durchsetzung des abgeleiteten Rechts und von Verwaltungsbeschlüssen, beispielsweise von Beschlüssen über den Zugang und die Zusammenschaltung, einschließen können ( *44 ). |
53. |
Obgleich es den Mitgliedstaaten freisteht, diese Abgaben rechtsverbindlich festzulegen, ist dem Gerichtshof zufolge aus Art. 12 Abs. 2 der Genehmigungsrichtlinie abzuleiten, dass diese Abgaben die tatsächlichen Verwaltungskosten für die in dieser Richtlinie vorgesehenen Tätigkeiten decken und ihnen entsprechen sollen, so dass die Gesamtheit der Einnahmen, die die Mitgliedstaaten mit der fraglichen Abgabe erzielen, nicht die Gesamtheit der Kosten übersteigen, die für diese Tätigkeiten anfallen ( *45 ). Darüber hinaus verpflichtet Art. 12 Abs. 1 Buchst. b die Mitgliedstaaten, diese Verwaltungsabgaben den einzelnen Unternehmen in einer objektiven, verhältnismäßigen und transparenten Weise aufzuerlegen. |
54. |
Die Abgaben, mit denen sich die AGCOM finanziert, sind vom italienischen Staat beschlossene Steuern, und Art. 12 der Genehmigungsrichtlinie räumt den NRB kein unumschränktes Recht ein, ihre Höhe ( *46 ) unabhängig von den vom Staat verabschiedeten allgemeinen Regelungen zur Begrenzung und Senkung der öffentlichen Ausgaben festzulegen. Die Abgaben müssen den Kosten entsprechen, die der AGCOM durch vier Tätigkeiten entstehen (nämlich Ausstellung, Verwaltung, Kontrolle und Durchsetzung von Allgemeingenehmigungen), und die AGCOM darf diese Kosten weder ungeprüft erhöhen noch unabhängig von den allgemeinen Rechtsvorschriften über den Staatshaushalt senken. Diese Steuern machen zusammen mit den übrigen Belastungen der Unternehmen des Sektors der elektronischen Kommunikation einen Teil der Abgabenlast aus, die von den Abgabenpflichtigen zu tragen ist (die Unternehmen geben sie in der Regel an die Verbraucher weiter), und das Parlament darf, wenn die wirtschaftliche Notwendigkeit dies erfordert, dazu Regelungen verabschieden. Wenn, wie im vorliegenden Fall, die gesetzgeberischen Maßnahmen zur Begrenzung der Ausgaben die tatsächliche Fähigkeit der AGCOM, ihre Aufgaben wahrzunehmen, nicht beeinträchtigt haben, spricht unter dem Gesichtspunkt der finanziellen Unabhängigkeit nichts gegen sie. |
55. |
Im Ergebnis bin ich der Auffassung, dass die Grundsätze der den NRB im Sinne von Art. 3 der Rahmenrichtlinie zuzuerkennenden Unparteilichkeit und Unabhängigkeit sowie der Grundsatz der wesentlichen Selbstfinanzierung im Sinne von Art. 12 der Genehmigungsrichtlinie einer nationalen Regelung nicht entgegenstehen, die solche NRB allgemein den Bestimmungen über das öffentliche Finanzwesen, insbesondere spezifischen Bestimmungen zur Senkung und Begrenzung der Ausgaben der öffentlichen Verwaltung, unterwirft. |
IV – Ergebnis
56. |
Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, auf die vom Consiglio di Stato (Staatsrat, Italien)vorgelegte Frage wie folgt zu antworten: Die Grundsätze der den nationalen Regulierungsbehörden im Sinne von Art. 3 der Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und ‑dienste zuzuerkennenden Unparteilichkeit und Unabhängigkeit sowie der Grundsatz der wesentlichen Selbstfinanzierung im Sinne von Art. 12 der Richtlinie 2002/20/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über die Genehmigung elektronischer Kommunikationsnetze und ‑dienste stehen einer nationalen Regelung nicht entgegen, die auch solche Behörden allgemein den Bestimmungen über das öffentliche Finanzwesen, insbesondere spezifischen Bestimmungen zur Senkung und Begrenzung der Ausgaben der öffentlichen Verwaltung, unterwirft. |
( *1 ) Originalsprache: Spanisch.
( *2 ) Diese Behörden werden im Spanischen üblicherweise undifferenziert als „autoridad nacional de regulación“ oder „autoridad nacional de reglamentación“ (im Deutschen für beides „nationale Regulierungsbehörde“) bezeichnet. Obwohl zwischen beiden Unterschiede bestehen können, lassen sie sich im Rahmen der vorliegenden Ausführungen gleichsetzen und werden im Folgenden abgekürzt als NRB bezeichnet.
( *3 ) ABl. 2002, L 108, S. 33.
( *4 ) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 zur Änderung der Richtlinie 2002/21/EG über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und ‑dienste, der Richtlinie 2002/19/EG über den Zugang zu elektronischen Kommunikationsnetzen und zugehörigen Einrichtungen sowie deren Zusammenschaltung und der Richtlinie 2002/20/EG über die Genehmigung elektronischer Kommunikationsnetze und ‑dienste (ABl. 2009, L 337, S. 37).
( *5 ) Verordnung (EG) Nr. 1211/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 zur Einrichtung des Gremiums Europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation (GEREK) und des Büros (ABl. 2009, L 337, S. 1).
( *6 ) ABl. 2002, L 108, S. 21.
( *7 ) Legge del 31 luglio 1997, n. 249, recante istituzione dell’Autorità per le Garanzie nelle Comunicazioni (GURI Nr. 177 vom 31. Juli 1997).
( *8 ) Decreto legislativo de 1 agosto 2003, n. 259, Codice delle comunicazioni elettroniche (GURI Nr. 214 vom 15. September 2003).
( *9 ) Legge del 30 dicembre 2004, n. 311, Disposizioni per la formazzione del bilancio annuale y pluriennale dello Stato (GURI Nr. 306 vom 31. Dezember 2004).
( *10 ) Legge del 23 dicembre 2005, n. 266, Disposizioni per la formazzione del bilancio annuale y pluriennale dello Stato (GURI Nr. 306 vom 29. Dezember 2005).
( *11 ) Decreto legge del 4 luglio 2006, n. 223 (GURI Nr. 153 vom 4. Juli 2006, S. 4), convertito, con modifiche, nella legge del 4 agosto 2006, n. 248 (GURI Nr. 186 vom 11. August 2006).
( *12 ) Legge del 31 dicembre 2009, n. 196, recante la nuova normativa generale in tema di contabilità e finanza pubblica (GURI Nr. 303 vom 31. Dezember 2009).
( *13 ) Decreto legge del 2 marzo 2012, n. 16 (GURI Nr. 52 vom 2. März 2012).
( *14 ) Hervorhebung nur hier.
( *15 ) Elenco delle amministrazioni pubbliche inserite nel conto economico consolidato individuate ai sensi dell’articolo 1, comma 3, della legge 31 dicembre 2009, n. 196 (GURI Nr. 227 vom 28. September 2012).
( *16 ) Sie bezieht sich dabei auf Art. 1 Abs. 2 des Gesetzes Nr. 196 vom 31. Dezember 2009.
( *17 ) Hier bezieht sie sich auf das Gesetz Nr. 311 vom 30. Dezember 2004, das Haushaltsgesetz 2005 und das Decreto-legge Nr. 223 vom 4. Juli 2006.
( *18 ) Urteile vom 26. Juni 2008, Burda (C‑284/06, EU:C:2008:365, Rn. 39), und vom 21. März 2013, Belgacom u. a. (C‑375/11, EU:C:2013:185, Rn. 30).
( *19 ) Der Consiglio di Stato (Staatsrat) bezieht sich zum einen auf die Bestimmungen, nach denen die Gesamtausgaben der von der konsolidierten Gewinn- und Verlustrechnung erfassten Verwaltungsbehörden, die für das Jahr 2005 in Anhang 1 des Gesetzes Nr. 311 vom 30. Dezember 2004 aufgeführt sind und für die Folgejahre vom ISTAT mit eigener, spätestens am 31. Juli eines jeden Jahres in der GURI veröffentlichter Verordnung bestimmt werden, im Einklang mit dem Jahresabschluss höchstens 2 % über den entsprechenden aktualisierten Schätzungen des Vorjahrs liegen dürfen (Art. 1 Abs. 5 des Gesetzes Nr. 311 vom 30. Dezember 2004). Zum anderen verweist der Consiglio di Stato (Staatsrat) auf das Decreto-legge Nr. 223 vom 4. Juli 2006, nach Änderung umgewandelt in das Gesetz Nr. 248 vom 4. August 2006, das Senkungen der Haushaltsmittel der nicht gebietsgebundenen Körperschaften und Einrichtungen festlegt. Der fragliche Art. 22 Abs. 1 sieht vor: „Die Haushaltsmittel für das Jahr 2006 für Vorleistungen nicht gebietsgebundener öffentlicher Körperschaften und Einrichtungen … gemäß Art. 1 Abs. 5 und 6 des Gesetzes Nr. 311 vom 30. Dezember 2004 werden [mit einigen Ausnahmen] um 10 % reduziert …“
( *20 ) Zu dieser Rechtsfigur, die im öffentlichen Recht der Union in den letzten Jahren so große Bedeutung erlangt hat, gibt es umfangreiche Literatur. Ich verweise auf die Arbeiten von Caranta, R., Andenas, M., Fairgrieve, D. (Hrsg.), Independent Administrative Authorities, British Institute of International and Comparative Law, London, 2005; García Álvarez, G., „La Unión Europea como estado regulador y las Administraciones independientes“, Revista de Adminsitración Pública, 2014, Nr. 1, S. 79 bis 111; Hanretty, C. J., Larouche, Pierre, Reindl, A., Independence, Accountability and Perceived Quality of Regulators, Center on Regulation in Europe, 2012; Ottow, A., „The different levels of protection of national supervisors’ independence in the European landscape“, in Comtois, S., de Graaf, K. (Hrsg.), On judicial and quasi-judicial Independence, Eleven International Publishing, Den Haag, 2013, S. 139 bis 166.
( *21 ) Zu den Aufgaben, die ihnen gewöhnlich übertragen werden, gehören hoheitliche Aufgaben und Regulierungsaufgaben sowie die Aufsicht, Überprüfung, Überwachung und schließlich die Sanktionierung. Natürlich sind nicht allen NRB im selben Maße Aufgaben übertragen.
( *22 ) Urteil vom 9. März 2010, Kommission/Deutschland (C‑518/07, EU:C:2010:125, Rn. 42).
( *23 ) In Nr. 4 angeführt.
( *24 ) Die Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Unabhängigkeit der Eisenbahninfrastrukturbetreiber trägt wenig zum Ausgangsverfahren bei, weil sie zum einen weniger in Vorschriften des abgeleiteten Rechts geregelt ist und zum anderen die entschiedenen Fälle die Unabhängigkeit des Eisenbahnbetreibers im Verhältnis zu den Unternehmen dieses Sektors betrafen. Vgl. die Urteile vom 25. Oktober 2012, Kommission/Portugal (C‑557/10, EU:C:2012:662), vom 28. Februar 2013, Kommission/Deutschland (C‑556/10, EU:C:2013:116), und vom 18. April 2013, Kommission/Frankreich (C‑625/10, EU:C:2013:243).
( *25 ) Urteile vom 6. März 2008, Comisión del Mercado de las Telecomunicaciones (C‑82/07, EU:C:2008:143, Rn. 24), vom 6. Oktober 2010, Base u. a. (C‑389/08, EU:C:2010:584, Rn. 29), und vom 17. September 2015, KPN (C‑85/14, EU:C:2015:610, Rn. 53 und 54).
( *26 ) Urteil vom 6. Oktober 2010, Base u. a. (C‑389/08, EU:C:2010:584, Rn. 30), und Schlussanträge von Generalanwalt Bot in der Rechtssache KPN (C‑85/14, EU:C:2015:245, Nrn. 110 bis 117).
( *27 ) Urteile vom 24. April 2008, Arcor (C‑55/06, EU:C:2008:244, Rn. 153 bis 156), und vom 3. Dezember 2009, Kommission/Deutschland (C‑424/07, EU:C:2009:749, Rn. 61).
( *28 ) Ein Autor hat die Auffassung vertreten, dass eine Richtlinie, durch die einer unabhängigen NRB ausschließliche Befugnisse übertragen werden, in Wahrheit einen „Verwaltungsvorbehalt“ begründe, d. h. Rechtssetzungsmaßnahmen in diesem Bereich ausschließe. Vgl. Baño León, J. M., „Reserva de administración y Derecho comunitario“, Papeles de Derecho Europeo e Integración Regional, WP IDEIR, 2001, Nr. 7, S. 7.
( *29 ) Vgl. dazu Lavrijssen, S., Ottow, A., „Independent Supervisory Authorities: A Fragile Concept“, Legal Issues of Economic Integration, 2012, Nr. 4, S. 427 bis 428.
( *30 ) Art. 28 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (ABl. 1995, L 281, S. 31) verpflichtet die Mitgliedstaaten, eine oder mehrere öffentliche Kontrollstellen zu beauftragen, die die ihnen zugewiesenen Aufgaben in völliger Unabhängigkeit wahrnehmen. Der Gerichtshof stellte dazu fest: „Das Erfordernis, die Einhaltung der Unionsvorschriften über den Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch eine unabhängige Stelle zu überwachen, ergibt sich auch aus dem Primärrecht der Union, nämlich aus Art. 8 Abs. 3 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und aus Art. 16 Abs. 2 AEUV“ (Urteil vom 8. April 2014, Kommission/Ungarn, C‑288/12, EU:C:2014:237, Rn. 47). Außerdem kommt er zu dem Ergebnis, dass „[d]ie Einrichtung unabhängiger Kontrollstellen in den Mitgliedstaaten … somit ein wesentliches Element der Wahrung des Schutzes der Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten ist“ (Urteile vom 9. März 2010, Kommission/Deutschland, C‑518/07, EU:C:2010:125, Rn. 23, und vom 16. Oktober 2012, Kommission/Österreich, C‑614/10, EU:C:2012:631, Rn. 37).
( *31 ) Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 9. März 2010, Kommission/Deutschland (C‑518/07, EU:C:2010:125, Rn. 30), und vom 16. Oktober 2012, Kommission/Österreich (C‑614/10, EU:C:2012:631, Rn. 41 und 43).
( *32 ) Urteile vom 16. Oktober 2012, Kommission/Österreich (C‑614/10, EU:C:2012:631, Rn. 42), und vom 8. April 2014, Kommission/Ungarn (C‑288/12, EU:C:2014:237, Rn. 52).
( *33 ) Urteil vom 16. Oktober 2012, Kommission/Österreich (C‑614/10, EU:C:2012:631, Rn. 51).
( *34 ) Eine Analyse des Gleichgewichts zwischen Unabhängigkeit und Verantwortlichkeit der NRB findet sich bei Hanretty, C. J., Larouche, P., Reindl, A., Independence, Accountability and Perceived Quality of Regulators, Center on Regulation in Europe, 2012.
( *35 ) Urteil vom 9. März 2010, Kommission/Deutschland (C‑518/07, EU:C:2010:125, Rn. 43 bis 45).
( *36 ) Urteil vom 9. März 2010, Kommission/Deutschland (C‑518/07, EU:C:2010:125, Rn. 18).
( *37 ) Der Gerichtshof stellte dazu fest, dass „die Kontrollstellen bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben objektiv und unparteiisch vorgehen [müssen]. Hierzu müssen sie vor jeglicher Einflussnahme von außen einschließlich der unmittelbaren oder mittelbaren Einflussnahme des [Staats] sicher sein“ (Urteil vom 9. März 2010, Kommission/Deutschland, C‑518/07, EU:C:2010:125, Rn. 25).
( *38 ) Die Bedeutung der finanziellen Unabhängigkeit der NRB wurde von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) betont, The Governance of Regulators. OECD Best Practice Principles for Regulatory Policy, 2014, S. 99, ebenso wie vom Center on Regulation in Europe (CERRE), Code of Conduct and Best Practices for the setup, operations and procedure of regulatory authorities, 2014, S. 6, abrufbar unter: http://www.cerre.eu/content/cerre-code-conduct-and-best-practices-setup-operations-and-procedure-regulatory-authorities.
( *39 ) In Nr. 4 angeführt. Es sei daran erinnert, dass nach diesem Art. 3 Abs. 3 die NRB über „angemessene finanzielle und personelle Mittel für die Erfüllung der ihnen übertragenen Aufgaben“ verfügen müssen.
( *40 ) Urteil vom 9. März 2010 (C‑518/07, EU:C:2010:125, Rn. 43 bis 46).
( *41 ) Urteil vom 9. März 2010, Kommission/Deutschland (C‑518/07, EU:C:2010:125, Rn. 46).
( *42 ) Es hat auch nicht den Anschein, dass die Maßnahmen zur Begrenzung und Senkung der Ausgaben, die Italien auf die AGCOM anwendet, verhindern, dass sie über ausreichende finanzielle und personelle Ressourcen verfügen, um sich aktiv am GEREK zu beteiligen und einen Beitrag dazu zu leisten, wie in Art. 3 Abs. 3a a. E. der Rahmenrichtlinie vorgesehen. Jedenfalls obliegt es dem nationalen Gericht, die Möglichkeit einer solchen Verletzung anhand der im Verfahren vorgelegten Beweise zu prüfen.
( *43 ) Der Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 10. Juli 2003, Kommission/EZB (C‑11/00, EU:C:2003:395, Rn. 134 und 135), festgestellt: „Artikel 108 EG [soll] die EZB im Wesentlichen vor jedem politischen Druck bewahren, damit sie die für ihre Aufgaben gesetzten Ziele durch die unabhängige Ausübung der spezifischen Befugnisse, über die sie zu diesen Zwecken nach dem EG-Vertrag und der Satzung des ESZB verfügt, wirksam verfolgen kann. … Dagegen hat diese Zuerkennung einer solchen Unabhängigkeit … nicht zur Folge, dass die EZB völlig von der Europäischen Gemeinschaft gesondert und von jeder Bestimmung des Gemeinschaftsrechts ausgenommen wäre.“
( *44 ) Urteil vom 18. Juli 2013, Vodafone Omnitel u. a. (C‑228/12 bis C‑232/12 und C‑254/12 bis C‑258/12, EU:C:2013:495, Rn. 38 und 40).
( *45 ) Diese Feststellungen trifft der Gerichtshof (eben zu den in Italien von der AGCOM erhobenen Abgaben) in den Urteilen vom 18. Juli 2013, Vodafone Omnitel u. a. (C‑228/12 bis C‑232/12 und C‑254/12 bis C‑258/12, EU:C:2013:495, Rn. 41). In diesem Sinne auch Urteil vom 27. Juni 2013, Vodafone Malta und Mobisle Communications (C‑71/12, EU:C:2013:431, Rn. 23).
( *46 ) Darüber hinaus heißt es im 31. Erwägungsgrund der Genehmigungsrichtlinie, dass „[d]ie Regelungen zur Erhebung von Verwaltungsabgaben … den Wettbewerb nicht verzerren und keine Schranken für den Marktzugang errichten [sollten]“. Zu hohe Verwaltungskosten der AGCOM stünden diesem Zweck entgegen.