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Document 61991TJ0040

Urteil des Gerichts erster Instanz (Fünfte Kammer) vom 10. April 1992.
Agostino Ventura gegen Europäisches Parlament.
Voraussetzungen für die Ernennung zum Beamten auf Probe.
Rechtssache T-40/91.

European Court Reports 1992 II-01697

ECLI identifier: ECLI:EU:T:1992:59

61991A0040

URTEIL DES GERICHTS ERSTER INSTANZ (FUENFTE KAMMER) VOM 10. APRIL 1992. - AGOSTINO VENTURA GEGEN EUROPAEISCHES PARLAMENT. - VORAUSSETZUNGEN DER ERNENNUNG ZUM BEAMTEN AUF PROBE. - RECHTSSACHE T-40/91.

Sammlung der Rechtsprechung 1992 Seite II-01697


Leitsätze
Entscheidungsgründe
Kostenentscheidung
Tenor

Schlüsselwörter


++++

Beamte - Beamteneigenschaft - Voraussetzungen für den Erwerb mangels ordnungsgemässer Ernennung nicht erfuellt - Unanwendbarkeit der Bestimmungen des Statuts über die Probezeit

Leitsätze


Da die Rechtsbeziehung zwischen dem Beamten und der Verwaltung dienstrechtlicher und nicht vertraglicher Art ist, ist die Ernennung zum Beamten und zum Beamten auf Lebenszeit nur unter Wahrung der Formvorschriften und Voraussetzungen des Statuts zulässig.

Nach Artikel 3 des Statuts beruht die Ernennung eines Beamten notwendigerweise auf einer einseitigen Verfügung der Anstellungsbehörde, in der der Zeitpunkt, zu dem die Ernennung wirksam wird, und die Planstelle bestimmt ist, in die der Beamte eingewiesen wird.

In Ermangelung einer ordnungsgemässen Ernennung zum Beamten auf Probe durch die zuständige Anstellungsbehörde kann sich der Betroffene nicht auf die Bestimmungen des Statuts über die Probezeit berufen.

Entscheidungsgründe


Der der Klage zugrunde liegende Sachverhalt und der Ablauf des Verwaltungsverfahrens

1 Der Kläger wurde, nachdem er erfolgreich an den Prüfungen des vom Europäischen Parlament veranstalteten allgemeinen Auswahlverfahrens EP/2/D teilgenommen hatte, in die nach Abschluß dieses Auswahlverfahrens zum Zweck der Einstellung von "Hauptamtsmeistern und technischen Hauptamtsmeistern" (Wahlmöglichkeit Nr. 6 - mit verschiedenen Lagerarbeiten beschäftigte Bedienstete) aufgestellte Reserveliste aufgenommen. Die Gültigkeit dieser Reserveliste wurde in bezug auf die Wahlmöglichkeit, für die sich der Kläger entschied, mehrfach bis zum 30. Juni 1989 verlängert.

2 Nach der Veröffentlichung der Stellenbekanntgabe Nr. 6143 am 8. Januar 1990, Dienstposten eines Hauptamtsmeisters (m/w) (Laufbahn D 3/2) in der Generaldirektion III, Information und Öffentlichkeitsarbeit, des Parlaments (nachstehend: GD III) mit Dienstort Paris, reichte der Kläger am 9. Januar 1990 seine Bewerbung ein.

3 Nach dem Vorbringen des Parlaments nahm der Generaldirektor der GD III die Bewerbung des Klägers an und schlug am 18. Februar 1990 dessen Ernennung zum Beamten auf Probe auf dem mit der oben genannten Stellenbekanntgabe ausgeschriebenen Dienstposten mit Wirkung vom 1. April 1990 vor.

4 Am 13. März 1990 beschloß der Generalsekretär des Parlaments mit einstimmiger Zustimmung des Paritätischen Ausschusses, die Gültigkeit der aufgrund des Auswahlverfahrens EP/2/D erstellte Reserveliste rückwirkend für die Zeit vom 1. Juli 1989 bis 30. Juni 1990 zu verlängern.

5 Am 20. März 1990 unterzog sich der Kläger der in Artikel 33 des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften (nachstehend: Statut) vorgesehenen ärztlichen Untersuchung. Er nahm seine neue Tätigkeit am 1. April 1990 auf.

6 Im Zeitpunkt der Aufnahme seiner Tätigkeit in Paris war der Kläger Hilfskraft (freier Mitarbeiter) des Parlaments in Luxemburg. Sein am 15. Januar 1990 geschlossener Dienstvertrag wäre am 30. April 1990, also einen Monat nach dem Dienstantritt an seinem neuen Dienstort, abgelaufen.

7 Mit Schreiben vom 30. Juli 1990 teilte der Generaldirektor für Personal, Haushalt und Finanzen, Van den Berge, dem Kläger mit, daß er nicht zum Beamten ernannt werde und daß seine Anstellung beendet werde. Dieses Schreiben lautete wie folgt:

"Unter Berücksichtigung der Einwände der Finanzkontrolle einerseits und der ungünstigen Stellungnahmen in den an mich gerichteten dienstlichen Schreiben Ihrer Dienstvorgesetzten der GD III, die Ihr dienstliches Verhalten betreffen, andererseits, hat der Generalsekretär beschlossen, dem Präsidenten nicht vorzuschlagen, sich über die Verweigerung des Sichtvermerks durch die Finanzkontrolle hinwegzusetzen. Ihre Ernennung zum Beamten kann daher nicht erfolgen.

Da Sie jedoch seit dem 1. April 1990 tatsächlich das Amt ausgeuebt haben, für das Ihre Ernennung zum Beamten vorgesehen war, wird diese Dienstzeit durch einen Vertrag für Hilfskräfte bis zum 31. August 1990 in Verlängerung Ihres vorherigen Vertrages gedeckt."

8 Aus den vom Parlament zu den Akten gereichten Unterlagen geht hervor, daß der Finanzkontrolleur am 28. Mai 1990 seinen Sichtvermerk auf dem Vorhaben zur Ernennung des Klägers als Hauptamtsmeister (D 3, 3. Dienstaltersstufe) auf Probe mit der Begründung verweigert hatte, daß zum einen die rückwirkende Verlängerung der im Anschluß an das Auswahlverfahren EP/2/D erstellten Reserveliste rechtswidrig gewesen sei und zum anderen, daß der Kläger keinen angemessenen Platz auf dieser Liste eingenommen habe, denn er habe sich auf dem 110. Platz von 125 erfolgreichen Bewerbern dieses Auswahlverfahrens befunden.

9 Entsprechend der Entscheidung vom 30. Juli 1990 leitete das Parlament dem Kläger einen vom Vertreter des Parlaments unterzeichneten und mit dem Sichtvermerk der Finanzkontrolle versehenen Vertragsentwurf für Hilfskräfte vom 11. Juli 1990 für den Zeitraum vom 1. Mai 1990, dem Ende der vorherigen Anstellungen des Klägers, bis zum 31. August 1990 zu. In einem Vertragszusatz ebenfalls vom 11. Juli 1990 war festgelegt, daß der Kläger mit Wirkung vom 1. April 1990 der Generaldirektion Information und Öffentlichkeitsarbeit, Informationsbüro Paris, zugewiesen sei, daß jedoch keine weitere Ausnahme von den Klauseln und Bedingungen des Vertrags für Hilfskräfte vom 15. Januar 1990 vorgenommen werde.

10 Zwischen den Parteien ist unstreitig, daß der Kläger diese beiden Entwürfe nicht unterzeichnet hat. Aus den vom Kläger nach der mündlichen Verhandlung vorgelegten Unterlagen geht hervor, daß er in der Zeit vom 1. Mai 1990 bis 31. August 1990 monatliche Vorschüsse erhielt, deren Betrag den Dienstbezuegen einer Hilfskraft entsprach. Diese Vorschüsse wurden unter Vorbehalt einer späteren Endabrechnung gewährt.

11 Am 29. Oktober 1990 legte der Kläger bei der Anstellungsbehörde eine Beschwerde gemäß Artikel 90 Absatz 2 des Statuts gegen die Entscheidung vom 30. Juli 1990 vor. Mit Schreiben vom 19. April 1991 an den Generalsekretär des Parlaments, Vinci, wiederholte der Kläger die Begründung dieser Beschwerde und beantragte die "Fortsetzung [seiner] Probezeit als Beamter".

12 Am 22. April 1991 wies der Generalsekretär des Parlaments, Vinci, die Beschwerde des Klägers zurück und bestätigte auf diese Weise die Entscheidung vom 30. Juli 1990.

Verfahren und Anträge der Parteien

13 Der Kläger hat mit Klageschrift, die am 29. Mai 1991 in das Register der Kanzlei des Gerichts eingetragen worden ist, Klage gegen die Entscheidung des Generalsekretärs des Parlaments vom 22. April 1991 erhoben, mit der seine Beschwerde gegen die Entscheidung des Generaldirektors für Personal, Haushalt und Finanzen vom 30. Juli 1990 zurückgewiesen wurde, mit der es dieser abgelehnt hatte, den Kläger, der auf dem Dienstposten einer Hilskraft beschäftigt wurde, zum Beamten auf Probe zu ernennen.

14 Das schriftliche Verfahren ist ordnungsgemäß abgelaufen und am 13. Dezember 1991 abgeschlossen worden.

15 Das Gericht hat das Parlament auf Bericht des Berichterstatters am 12. Februar 1992 aufgefordert, in bezug auf die nach Abschluß des allgemeinen Auswahlverfahrens EP/2/D erstellte Reserveliste die Anzahl der bestehenden Wahlmöglichkeiten und den jeweiligen Zeitpunkt ihres Ablaufs anzugeben. Das Parlament ist dieser Aufforderung mit Schriftsatz vom 28. Februar 1992 nachgekommen.

16 Das Gericht hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, das mündliche Verfahren ohne vorherige Beweisaufnahme zu eröffnen.

17 Auf eine Aufforderung des Gerichts in der mündlichen Verhandlung vom 12. März 1992 hat der Kläger am 13. März 1992 fünf Unterlagen über das Verfahren vorgelegt, nach dem ihm seine Dienstbezuege für die Zeit vom 1. April 1990 bis zum 1. August 1990 gezahlt wurden.

18 Der Kläger beantragt,

- festzustellen, daß die vorliegende Klage zulässig ist;

- festzustellen, daß Artikel 34 des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften verletzt worden ist;

- festzustellen, daß durch die unerlaubte Umwandlung eines Dienstvertrags für Beamte auf Probe in einen Dienstvertrag für Hilfskräfte eine Umgehung des Beamtenstatuts versucht worden ist;

- infolgedessen den Kläger in seinem Amt als Beamter auf Probe als Hauptamtsgehilfe der Laufbahn D 3/2 wieder einzustellen;

- dem Europäischen Parlament alle Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

19 Das Parlament beantragt,

- die Klage mit allen Anträgen als unbegründet abzuweisen;

- über die Kosten nach Rechtslage zu entscheiden.

Die Anträge auf Aufhebung der angefochtenen Maßnahme

20 Der Kläger begründet seine Klage auf Aufhebung mit zwei Rügen, nämlich einer Verletzung von Artikel 34 des Statuts und einer Umgehung der Grundsätze für Dienstverträge, die für die Organe und ihre Bediensteten verbindlich seien.

Die erste Rüge, Verletzung des Artikels 34 des Statuts

21 Der Kläger vertritt die Ansicht, daß er nach der Annahme seiner Bewerbung um den mit Stellenbekanntgabe Nr. 6143 ausgeschriebenen Dienstposten am 1. April 1990 seine Probezeit nach Artikel 34 des Statuts ordnungsgemäß begonnen habe. Der Abschluß der Probezeit hätte normalerweise zu seiner Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit führen müssen.

22 Artikel 34 des Statuts sei erstens dadurch verletzt worden, daß seine Probezeit am 31. August 1990, vier Monate nach ihrem Beginn, unterbrochen worden sei, obwohl Artikel 34 Absatz 1 des Statuts für Beamte der Laufbahngruppe D eine Probezeit von sechs Monaten vorsehe, und zweitens dadurch, daß das Verfahren des Artikels 34 Absatz 2 nicht beachtet worden sei, da kein Probezeitbericht erstellt oder ihm mitgeteilt worden sei.

23 Zweitens könnten die "ungünstigen Stellungnahmen in den dienstlichen Schreiben [seiner] Dienstvorgesetzten" an den Generalsekretär des Parlaments, die in der Entscheidung vom 30. Juli 1990 erwähnt seien, nicht einem ordnungsgemäß erstellten und dem Betroffenen zur Stellungnahme mitgeteilten Probezeitbericht gleichgestellt werden. Diese rechtswidrige Handlungsweise habe die Rechte des Klägers als Beamter auf Probe verletzt.

24 Jedenfalls werde im Schreiben des Generalsekretärs des Parlaments vom 22. April 1991, mit dem seine Beschwerde vom 29. Oktober 1990 zurückgewiesen worden sei, nicht mehr auf diese ungünstigen dienstlichen Schreiben Bezug genommen. Später räumt der Kläger ein, daß dieses Vorbringen nur in dem Bestreben um einen erschöpfenden Vortrag erfolgt sei.

25 Drittens macht der Kläger geltend, daß sich das Parlament nicht auf den "Einwand der Finanzkontrolle", der in der Entscheidung vom 30. Juli 1990 erwähnt sei, berufen könne, um damit die Weigerung, ihn zum Beamten zu ernennen, zu rechtfertigen, da weder Artikel 34 noch eine andere Bestimmung des Titels III des Statuts einem Organ der Finanzkontrolle bei der Einstellung von Beamten irgendeine Befugnis einräumten. Auch sei es nicht Sache des Finanzkontrolleurs als eines Organs zur Kontrolle der formal rechtmässigen Durchführung der Ausgaben der Gemeinschaft, die tatsächliche oder politische Angemessenheit der Gemeinschaftshandlungen zu beurteilen. Jede gegenteilige Auffasung nehme im Ergebnis dem Beamten auf Probe und in weiterem Sinne allen Beamten den durch das Statut garantierten institutionellen Schutz.

26 Viertens müsse selbst dann, wenn dem Finanzkontrolleur ein Mitspracherecht bei der Ernennung von Beamten auf Probe zuzubilligen wäre, dessen Stellungnahme in unmittelbarem Zusammenhang mit einem von dem Beamten auf Probe persönlich zu vertretenden Grund und nicht, wie im vorliegenden Fall, mit einem Problem im Zusammenhang mit der Einhaltung der Haushaltsvorschriften stehen. Eine solche Auslegung sei durch Artikel 34 des Statuts geboten, der eine persönliche Beurteilung der Befähigung des Beamten auf Probe vorsehe.

27 Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung ferner die Ansicht vertreten, daß entgegen dem Vorbringen des Parlaments die nach Abschluß des allgemeinen Auswahlverfahrens EP/2/D erstellte Reserveliste im Zeitpunkt der Annahme seiner Bewerbung noch gegolten habe. In diesem Zusammenhang weist er darauf hin, daß ein anderer erfolgreicher Bewerber, der aufgrund seiner Teilnahme am Auswahlverfahren EP/2/D in die gleiche Reserveliste aufgenommen worden sei, am 19. Juli 1991 eingestellt worden sei. In diesem Fall sei die Ernennung, die vom Generalsekretär des Parlaments unterzeichnet worden sei, ordnungsgemäß mit dem Sichtvermerk des Finanzkontrolleurs versehen worden.

28 Weiter macht der Kläger geltend, daß das Parlament nicht willkürlich eine Reserveliste in verschiedene Rubriken mit verschiedenen Ablaufdaten aufteilen könne, da der Grundsatz der ordnungsgemässen Verwaltung verlange, daß alle Personen, die in ein und dieselbe Liste aufgenommen worden seien, gleich behandelt würden.

29 Das Parlament vertritt die Ansicht, daß sich der Kläger nicht auf Artikel 34 des Statuts berufen könne, denn er sei gar nicht von der zuständigen Anstellungsbehörde zum Beamten auf Probe ernannt worden.

30 Unter Berufung auf die Artikel 1, 2 und 3 des Statuts, wie sie in der Rechtsprechung des Gerichtshofes und des Gerichts, insbesondere im Urteil des Gerichtshofes vom 2. Dezember 1976 in der Rechtssache 102/75 (Petersen/Kommission, Slg. 1976, 1777) wie auch im Urteil des Gerichts vom 7. Februar 1991 in den verbundenen Rechtssachen T-18/89 und T-24/89 (Tagaras/Gerichtshof, Slg. 1991, II-53) ausgelegt worden seien, weist das Parlament darauf hin, daß die Ernennung eines Beamten das Vorliegen einer schriftlichen Ernennungsverfügung voraussetze, die von der zuständigen Anstellungsbehörde getroffen worden sei und den Zeitpunkt, zu dem die Ernennung wirksam werde, sowie die Planstelle bestimmen müsse, in die der Beamte eingewiesen werde. Eine solche Verfügung gebe es im vorliegenden Fall nicht.

31 Im vorliegenden Fall sei zudem eine der in Artikel 28 des Statuts vorgesehenen Bedingungen für die Ernennung, nämlich, daß jeder Beamte auf Probe die Bedingungen eines Auswahlverfahrens aufgrund von Befähigungsnachweisen oder Prüfungen oder aufgrund von Befähigungsnachweisen und Prüfungen erfuellt habe, nicht erfuellt. Das gesamte Verwaltungsverfahren zur Auswahl, von der Veröffentlichung der Stellenbekanntgabe bis zum Vorschlag der Ernennung des ausgewählten Bewerbers durch die betroffene Generaldirektion, sei nämlich zu einer Zeit abgelaufen, zu der der Kläger nicht erfolgreicher Teilnehmer an einem Auswahlverfahren gewesen sei, denn die Reserveliste, in die er nach Abschluß des Auswahlverfahrens EP/2/D aufgenommen worden sei, habe für ihn bereits nicht mehr gegolten.

32 Die am 13. März 1990 beschlossene rückwirkende Verlängerung der fraglichen Reserveliste sei rechtswidrig gewesen; der Kläger könne sich auf diese rechtswidrige Handlung, die ein internes Verwaltungsproblem darstelle, nicht berufen, um daraus Rechte abzuleiten. Das Parlament verweist in diesem Zusammenhang auf das Urteil des Gerichtshofes vom 14. Dezember 1979 in der Rechtsache 257/78 (Devred/Kommission, Slg. 1979, 3767), in dessen Randnummer 22 es heisst, daß eine Behörde, die eine rechtswidrige Situation beseitige, weder fehlerhaft handele noch sich schadensersatzpflichtig mache.

33 Im vorliegenden Fall setze der Kläger seinen Dienstantritt in Paris zu Unrecht einer erfolgten Ernennung gleich. Der Kläger verkenne auf diese Weise die Befugnisse, über die die Anstellungsbehörde und die vorgeschalteten Einrichtungen wie der Finanzkontrolleur auf diesem Gebiet verfügten.

34 Im einzelnen ergebe sich im Umkehrschluß aus Artikel 3 des Statuts, daß der Zeitpunkt, zu dem eine Ernennung wirksam werde, nach dem Tage des Dienstantritts des Beamten liegen dürfe. Artikel 3 der französischen Fassung des Statuts verwende im Zusammenhang mit der Maßnahme zur Ernennung den Begriff "fonctionnaire", jedoch nur den Begriff "intéreßé", wenn es sich um den Zeitpunkt des Dienstantritts handele.

35 Was die nach Abschluß des Auswahlverfahrens EP/2/D erstellte Reserveliste angehe, habe das Parlament niemals schlicht erklärt, daß die Reserveliste am 30. Juni 1989 abgelaufen sei, sondern daß diese Liste in bezug auf die Bewerbung des Klägers um den Dienstposten, den er angestrebt habe, nicht mehr gültig sei.

36 Daher bestehe kein Widerspruch zwischen dem Vorbringen des Parlaments in der vorliegenden Rechtssache und dem Umstand, daß ein anderer erfolgreicher Teilnehmer, der in die nach Abschluß des Auswahlverfahrens EP/2/D erstellte Reserveliste aufgenommen worden sei, später habe zum Beamten ernannt werden können, da diese Liste in bezug auf die Wahlmöglichkeit 3 (Umzuege) - die der betreffende erfolgreiche Teilnehmer gewählt habe - noch gegolten habe, während sie in bezug auf alle anderen Wahlmöglichkeiten abgelaufen gewesen sei.

37 In der mündlichen Verhandlung hat das Parlament zudem noch erklärt, daß es die Reserveliste mit vollem Recht je nach den verschiedenen Fähigkeiten der in diese Liste aufgenommenen Personen habe aufteilen dürfen, ohne daß eine solche Verwaltungspraxis gegen den Grundsatz verstosse, den der Kläger anführe.

38 Zum Vorbringen des Klägers in bezug auf die Verweigerung des Sichtvermerks durch den Finanzkontrolleur verweist das Parlament auf Artikel 38 Absatz 1 Buchstabe c der Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Europäischen Gemeinschaften (ABl. 1991, C 80, S. 1), wonach mit der Erteilung des Sichtvermerks durch den Finanzkontrolleur "die Ordnungsmässigkeit und Übereinstimmung der Ausgabe im Hinblick auf die geltenden Bestimmungen" festgestellt werde. Daher habe sich das Parlament dadurch, daß es die Weigerung des Finanzkontrolleurs bestätigt und es unterlassen habe, bei der vorgesetzten Stelle zu beantragen, daß diese sich darüber hinwegsetze, die Argumentation des Finanzkontrolleurs zu eigen gemacht. Somit könne nicht mehr die Weigerung des Finanzkontrolleurs beanstandet werden, sondern nur die Entscheidung des beklagten Organs.

39 Somit sei das Vorbringen des Klägers zur Beschränkung der Befugnisse des Finanzkontrolleurs nicht stichhaltig und sogar unzulässig. Nur um die rechtswidrigen Umstände zu verdeutlichen, unter denen der Kläger für die Besetzung des fraglichen Dienstpostens vorgeschlagen worden sei, habe das Parlament den Vorgang um die Verweigerung des Sichtvermerks seiner Klagebeantwortung als Beilage beigefügt.

40 Nach den Grundsätzen des Rechts des öffentlichen Dienstes der Gemeinschaft ist die Ernennung eines Bediensteten zum Beamten und zum Beamten auf Lebenszeit nur unter Wahrung der Formvorschriften und Voraussetzungen des Statuts zulässig (siehe insbesondere Urteil des Gerichtshofes vom 13. Mai 1970 in der Rechtssache 18/69, Fournier/Kommission, Slg. 1970, 249).

41 Die Rechtsbeziehung zwischen dem Beamten und der Verwaltung ist somit dienstrechtlicher und nicht vertraglicher Art. Nach Artikel 3 des Statuts beruht die Ernennung eines Beamten notwendigerweise auf einer einseitigen Verfügung der Anstellungsbehörde, in der der Zeitpunkt, zu dem die Ernennung wirksam wird, und die Planstelle bestimmt ist, in die der Beamte eingewiesen wird (siehe insbesondere Urteil des Gerichts vom 7. Februar 1991 in den verbundenen Rechtssachen T-8/89 und T-24/89, Tagaras, a. a. O.).

42 Im vorliegenden Fall fehlt es an einer solchen Verfügung; der Kläger hat dies im übrigen in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich eingeräumt.

43 Der "Aktenvermerk" der Personalabteilung des Parlaments, den der Kläger am 13. März 1992 nach der mündlichen Verhandlung bei der Kanzlei des Gerichts eingereicht hat, besagt zwar, daß der Kläger als Beamter auf Probe eingestellt worden sei. Ein solcher Vermerk kann jedoch nicht einer ordnungsgemässen Ernennung durch die zuständige Anstellungsbehörde gleichgestellt werden.

44 Somit kann sich der Kläger in Ermangelung einer Ernennung zum Beamten nicht auf Artikel 34 des Statuts berufen, der eine ordnungsgemässe Ernennung des Betroffenen zum Beamten auf Probe voraussetzt.

45 Daher braucht die Stichhaltigkeit der angeblichen Verletzungen des Artikels 34 des Statuts, auf die sich der Kläger beruft, nicht geprüft zu werden.

46 Somit ist diese Rüge zurückzuweisen.

Die zweite Rüge, Umgehung der Grundsätze zur Regelung der Dienstverträge zwischen den Organen und ihren Bediensteten

47 Hierzu macht der Kläger geltend, daß er, nachdem er das Schreiben von Herrn Van den Berge vom 30. Juli 1990 erhalten habe, am 16. August 1990 auch die Kopie eines Vertrags für Hilfskräfte vom 11. Juli 1990 erhalten habe, die vom Vertreter des Parlaments unterzeichnet und mit dem Sichtvermerk des Finanzkontrolleurs versehen gewesen sei und mit dem er für die Zeit vom 1. Mai 1990 bis zum 31. August 1990 als Hilfskraft eingestellt worden sei. Das Parlament habe auf diese Weise versucht, einseitig und rückwirkend die Probezeit, die er in Paris am 1. April 1990 begonnen habe, in ein blosses vertragliches Dienstverhältnis einer Hilfskraft umzuwandeln.

48 Das Parlament führt in seiner Klagebeantwortung aus, daß die Verlängerung des Vertrags für Hilfskräfte zwischen dem Kläger und dem Parlament das einzige Mittel dargestellt habe, um die Situation zu bereinigen, die sich aus der Weigerung, den Kläger zum Beamten zu ernennen, ergeben habe; damit habe verhindert werden sollen, daß dem Kläger aus der Rechtswidrigkeit des Verfahrens, aufgrund dessen er seinen Dienst in Paris angetreten habe, ein Schaden entstuende.

49 Zwar habe der Kläger in diese Verlängerung des Vertrags niemals ausdrücklich eingewilligt, jedoch sprächen zwei Umstände für eine stillschweigende Einwilligung.

50 So räume der Kläger selbst ein, daß ihm diese Verlängerung am 16. August 1990 mitgeteilt worden sei, daß er sie jedoch erst in seiner Beschwerde vom 29. Oktober 1990 abgelehnt habe.

51 Zweitens sei der Kläger während der gesamten fraglichen Zeit von April bis August 1990 als Hilfskraft besoldet worden (64 767 BFR bzw. 10 500 FF als Monatsgrundgehalt) und nicht als Beamter, und er habe diesen Umstand niemals angefochten.

52 Jedenfalls könne sich der Kläger nicht zu dem Zweck auf die mangelnde ausdrückliche Einwilligung in den ihm angebotenen Vertrag berufen, daß ihm ein Anspruch auf Ernennung als Beamter auf Probe zugebilligt werde.

53 Wie festgestellt, fehlt es an einer Ernennung des Klägers, die es ihm erlaubt hätte, die Probezeit nach Artikel 34 des Statuts zu beginnen; daher kann es dem Parlament nicht zur Last gelegt werden, daß es die Situation, die aus der fehlenden Ernennung des Klägers zum Beamten auf Probe entstand, dadurch bereinigt hat, daß es ihm die Verlängerung des bis dahin zwischen ihm und dem Parlament bestehenden zeitlich begrenzten Dienstvertrags anbot. Eine Behörde, die eine rechtswidrige Situation beseitigt, handelt nämlich weder fehlerhaft noch macht sie sich schadensersatzpflichtig (insbesondere Urteil des Gerichtshofes vom 14. Dezember 1979 in der Rechtssache 257/78, Devred, a. a. O.).

54 Selbst wenn der Kläger niemals ausdrücklich oder stillschweigend in den zeitlich begrenzten Dienstvertrag eingewilligt hat, den ihm das Parlament am 11. Juli 1990 übermittelte, war das Parlament in Ermangelung einer ordnungsgemässen Ernennung verpflichtet, den Kläger für die Dienste, die dieser ihm geleistet hat, zu entlohnen.

55 Daher sind alle Erwägungen, die der Kläger zur Begründung dieser Rüge anführt, in Ermangelung einer ordnungsgemässen Ernennung gegenstandslos.

56 Diese Rüge ist daher ebenfalls zurückzuweisen.

57 Somit ist die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Anträge auf Anordnung der Wiedereinstellung des Klägers als Beamter auf Probe

58 Hierzu braucht nur ausgeführt zu werden, daß das Gericht der Gemeinschaft einem Organ der Gemeinschaft keine Weisungen erteilen kann, ohne in die Befugnisse der Verwaltung einzugreifen.

59 Nach diesem Grundsatz sind die erwähnten Anträge im vorliegenden Fall unzulässig.

Kostenentscheidung


Kosten

60 Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Nach Artikel 88 der Verfahrensordnung tragen jedoch in den Streitsachen zwischen den Gemeinschaften und deren Bediensteten die Organe ihre Kosten selbst.

61 Ferner kann das Gericht nach Artikel 87 § 3 der Verfahrensordnung die Kosten teilen, wenn ein aussergewöhnlicher Grund gegeben ist.

62 Das Parlament hat in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, daß ihm bestimmte Fehler unterlaufen sind, die den Kläger zu der irrigen Annahme veranlassten, daß seine Ernennung zum Beamten auf Probe erfolgt sei.

63 Das Parlament erweckte beim Kläger den Eindruck, daß er "als Beamter auf Probe" eingestellt worden sei. Der Kläger hat nämlich offensichtlich alle Formalitäten wie die ärztliche Untersuchung nach Artikel 33 des Statuts erledigt, die gewöhnlich der Ernennung eines Beamten auf Probe vorausgehen. Unter diesen Umständen ist es billig, dem Parlament neben seinen eigenen Kosten drei Viertel der Kosten des Klägers aufzuerlegen. Der Kläger trägt das restliche Viertel seiner eigenen Kosten.

Tenor


Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Fünfte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1) Die Klage wird abgewiesen.

2) Das Parlament trägt neben seinen eigenen Kosten drei Viertel der Kosten des Klägers. Der Kläger trägt das restliche Viertel seiner eigenen Kosten.

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