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Document 61991TJ0015

Urteil des Gerichts erster Instanz (Fünfte Kammer) vom 10. April 1992.
Josée Bollendorff gegen Europäisches Parlament.
Zulässigkeit - Rechtsschutzinteresse - Antrag auf Höherbewertung eines Dienstpostens - Grundsätze der ordnungsgemäßen Verwaltung und der Gleichbehandlung.
Rechtssache T-15/91.

Sammlung der Rechtsprechung 1992 II-01679

ECLI identifier: ECLI:EU:T:1992:58

61991A0015

URTEIL DES GERICHTS ERSTER INSTANZ (FUENFTE KAMMER) VOM 10. APRIL 1992. - JOSEE BOLLENDORFF GEGEN EUROPAEISCHES PARLAMENT. - ZULAESSIGKEIT - RECHTSSCHUTZINTERESSE - ANTRAG AUF NEUBEWERTUNG EINER PLANSTELLE - GRUNDSAETZE DER ORDNUNGSGEMAESSEN VERWALTUNG UND DER GLEICHBEHANDLUNG. - RECHTSSACHE T-15/91.

Sammlung der Rechtsprechung 1992 Seite II-01679


Leitsätze
Entscheidungsgründe
Kostenentscheidung
Tenor

Schlüsselwörter


++++

1. Beamte - Klage - Vorherige Verwaltungsbeschwerde - Fristen - Zwingendes Recht

(Beamtenstatut, Artikel 90 und 91)

2. Beamte - Klage - Vorherige Verwaltungsbeschwerde - Nicht fristgerecht angefochtene stillschweigende Ablehnung eines Antrags - Spätere ausdrückliche Entscheidung - Bestätigende Maßnahme - Ausschlußwirkung

(Beamtenstatut, Artikel 90 Absatz 1 und 91)

Leitsätze


1. Die in den Artikeln 90 und 91 des Statuts vorgesehenen Fristen für die Einlegung einer Beschwerde und die Klageerhebung sind zur Gewährleistung der Klarheit und Sicherheit der Rechtsverhältnisse eingeführt worden; sie sind zwingendes Recht und stehen nicht zur Disposition der Parteien oder des Gerichts.

Der Umstand, daß ein Organ die Verspätung der Beschwerde nicht gerügt hat, befreit das Gericht nicht von seiner Verpflichtung, die Einhaltung der Fristen des Statuts zu prüfen.

2. Die ausdrückliche Ablehnung eines Antrags, die nach einer stillschweigenden Ablehnung dieses Antrags erfolgt, hat nur bestätigenden Charakter; in Ermangelung einer entsprechenden Bestimmung des Statuts eröffnet sie daher einem Beamten, der die stillschweigende Ablehnung seines Antrags nicht fristgerecht angefochten hat, keine neue Frist für die Einlegung einer Beschwerde, die es ihm ermöglicht, das vorgerichtliche Verfahren weiterzubetreiben, da sonst die Rechtssicherheit gefährdet würde, die verlangt, daß die Rechtsbehelfe der Beamten und sonstigen Bediensten durch genaue und eng auszulegende Vorschriften geregelt werden.

Entscheidungsgründe


Sachverhalt und Verfahren

1 Die Klägerin trat am 24. Oktober 1977 als Hilfskraft in der Generaldirektion Information und Öffentlichkeitsarbeit in den Dienst des Europäischen Parlaments. Nachdem sie das interne Auswahlverfahren C/246 bestanden hatte, wurde sie am 1. April 1980 zur Beamtin auf Lebenszeit in Besoldungsgruppe C 3 ernannt und in den Dienststellen des Parlaments in Luxemburg beschäftigt. Am 1. April 1982 wurde sie in Besoldungsgruppe C 2 befördert.

2 In der Ausschreibung des internen Auswahlverfahrens C/246 vom 7. Januar 1980 wurde die Art der Tätigkeit wie folgt beschrieben:

"Ausführung von Verwaltungsarbeiten, die insbesondere umfassen:

- den Empfang von Besuchern, insbesondere von lateinamerikanischen Besuchern;

- Büroarbeiten, u. a. Maschinenschreibarbeiten.

Diese Arbeiten erfordern Erfahrung und Urteilsvermögen sowie Sinn für Öffentlichkeitsarbeit und Kontaktfähigkeit.

Dieser Dienstposten kann einige Dienstreisen, insbesondere nach Straßburg und Brüssel, erfordern."

3 Aus dem Vergleich dieser Beschreibung mit der Beschreibung in ihren verschiedenen Beurteilungen, die seit ihrer Ernennung zur Beamtin auf Lebenszeit 1980 erstellt wurden, leitet die Klägerin die ständig wachsende Bedeutung der ihr anvertrauten Aufgaben ab. Diese Feststellung werde dadurch bestätigt, daß in der Stellenausschreibung Nr. 5363 vom 21. September 1987, die einen Dienstposten in derselben Abteilung, jedoch mit Dienstort Brüssel, betreffe, der freie Dienstposten in Besoldungsgruppe B 3/2 eingestuft worden sei, wobei die mit diesem Dienstposten verbundene Tätigkeit mit der von der Klägerin versehenen Tätigkeit vergleichbar oder ihr sogar gleich sei, während diese damals immer noch in Besoldungsgruppe C 2 eingestuft gewesen sei.

4 Der Abschnitt der Stellenausschreibung Nr. 5363, der sich auf die Art der Tätigkeit bezieht, lautet wie folgt:

"Beamter, der im Rahmen allgemeiner Anweisungen und unter der Aufsicht des Leiters des Sekretariats mit schwierigen und komplexen Verwaltungs- und Prüfungsaufgaben im Zusammenhang mit der Verwirklichung eines für Bürger bestimmter Drittländer bestimmten gemeinsamen Einladungsprogramms des Parlaments und der Kommission betraut ist, insbesondere:

- Vorbereitung individueller Programme für die Besucher (Reiserouten, Reservierung von Fahr- und Flugscheinen, Verbindung mit externen Informationsbüros usw.);

- Buchhaltung und Finanztätigkeiten (Voranschläge, Zahlungen, monatliche Abrechnungen usw.);

- Verwaltungsarbeiten (Vorbereitung der Sitzungen des Leitungsausschusses, Jahresbericht, Statistiken und Abfassung dienstlicher und sonstiger Schreiben usw.);

- Sekretariatsarbeiten (Maschinenschreibarbeiten, Ablage usw.).

Diese Arbeiten erfordern Bereitschaft zu Öffentlichkeitsarbeit, Sinn für Verantwortung und Initiative sowie die Befähigung zu Ordnung und Methode, die für das harmonische Funktionieren einer kleinen Arbeitsgruppe unerläßlich sind."

5 Davon ausgehend begehrte die Klägerin mit einem ersten Antrag im Sinne von Artikel 90 Absatz 1 des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften (nachstehend: Statut) vom 10. November 1987 "die Höherbewertung des Dienstpostens, den ich zur Zeit in Luxemburg bekleide und der auf das interne Auswahlverfahren C/246 hin in Besoldungsgruppe C 3/2 eingestuft wurde, in Besoldungsgruppe B 3/2". Sie fuhr fort: "In Ermangelung einer positiven Antwort der Verwaltung werde ich mich gezwungen sehen, eine Verwaltungsbeschwerde im Sinne von Artikel 90 Absatz 2 des Beamtenstatuts einzureichen."

6 Am 5. Januar 1988 lehnte das Generalsekretariat des Parlaments diesen Antrag mit der Begründung ab, daß die Höherbewertung eines Dienstpostens nicht automatisch und notwendigerweise die Beförderung des Beamten umfasse, der den fraglichen Dienstposten bekleide. Jedenfalls könne die Höherbewertung des fraglichen Dienstpostens nicht erfolgen, und der Übergang von einer Laufbahngruppe in eine andere sei nur im Wege eines Auswahlverfahrens möglich.

7 Später stellte die Klägerin fest, daß ihre Beurteilung für den Zeitraum 1985 bis 1986, die am 22. Februar 1988 in endgültiger Form erstellt worden sei, und ihre Beurteilung für den Zeitraum 1987 bis 1988, die am 16. November 1989 erstellt worden sei, den wachsenden Umfang ihrer Tätigkeit bestätigten.

8 Der Umstand, daß sie während eines Krankheitsurlaubs von einer Beamtin derselben Abteilung, jedoch der Laufbahngruppe B vertreten worden sei, bestätigte die Klägerin in dieser Überzeugung.

9 Die Klägerin reichte daher am 28. November 1989 einen neuen Antrag auf "Höherbewertung des Dienstpostens 2337 (mindestens in Besoldungsgruppe C 1) und gegebenenfalls (Eröffnung des) internen B-Auswahlverfahrens" ein. Diesen Antrag reichte die Klägerin in Form einer Beschwerde im Sinne von Artikel 90 Absatz 2 des Statuts ein.

10 Am 17. Mai 1990 lehnte das Generalsekretariat des Parlaments diesen Antrag, den die Klägerin nach seiner Ansicht in Ermangelung einer beschwerenden Verwaltungsmaßnahme fälschlich als Beschwerde bezeichnet hatte, mit der Begründung ab: "Das Beamtenstatut sieht weder die Höherbewertung von Dienstposten noch die Einleitung von Auswahlverfahren auf Antrag der Betroffenen vor."

11 Es fügte hinzu: "Derartige Entscheidungen können gegebenenfalls nach objektiver Würdigung des fachlichen Anspruchs getroffen werden, den der Dienstposten stellt. Eine eingehende Untersuchung Ihres Falles hat gezeigt, daß die Tätigkeit, die Sie versehen müssen, keiner höheren Laufbahngruppe als derjenigen entspricht, in der Sie zur Zeit einen Dienstposten bekleiden."

12 Am 10. August 1990 legte die Klägerin gegen diese Entscheidung Beschwerde ein.

13 Am 13. Februar 1991 lehnte das Generalsekretariat des Parlaments es ausdrücklich ab, den Dienstposten der Klägerin höherzubewerten, und wies ihre Beschwerde zurück. Eine stillschweigende Zurückweisung war am 10. Dezember 1990 erfolgt.

14 Mit Klageschrift, die am 8. März 1991 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin gegen die stillschweigende Zurückweisung ihrer Beschwerde vom 10. August 1990 Klage erhoben.

15 Das schriftliche Verfahren ist ordnungsgemäß abgelaufen und am 12. August 1991 abgeschlossen worden.

16 Das Gericht hat auf Bericht des Berichterstatters das Parlament am 28. November 1991 aufgefordert, verschiedene Erläuterungen in bezug auf die Organisation und die Verwaltung des Etats des Besuchsprogramms der Europäischen Gemeinschaft (nachstehend: BPEG) abzugeben und den Organisationsplan der Abteilung "Besuchergruppen und Seminare" in der Generaldirektion Information und Öffentlichkeitsarbeit vorzulegen. Das Parlament hat diese Fragen mit Schriftsatz vom 16. Dezember 1991 beantwortet und den angeforderten Organisationsplan vorgelegt.

17 Das Gericht hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung ohne vorherige Beweisaufnahme zu eröffnen.

Anträge der Parteien

18 Die Klägerin beantragt,

- die Klage für form- und fristgerecht und damit zulässig zu erklären;

- die stillschweigende Entscheidung der Anstellungsbehörde vom 10. Dezember 1990 aufzuheben, mit der sie die von der Klägerin am 10. August 1990 gemäß Artikel 90 Absatz 2 des Statuts eingereichte Beschwerde zurückgewiesen hat;

- festzustellen, daß die Klägerin wegen der von ihr beim Beklagten übernommenen Aufgaben einen Anspruch auf Einstufung in die Besoldungsgruppe C 1 rückwirkend zum 28. November 1989, dem Tag der Einreichung des Antrags auf Neubewertung, oder zu jedem anderen vom Gericht zu bestimmenden Tag hat; hilfsweise, zugunsten der Klägerin die Eröffnung eines internen Auswahlverfahrens für die Laufbahngruppe "B" anzuordnen;

- festzustellen, daß die Klägerin jedenfalls einen Anspruch auf Zahlung der Differenz zwischen dem von ihr seit dem 28. November 1989, dem Tag der Einreichung des Antrags auf Höherbewertung, tatsächlich bezogenen Gehalt und dem ihrer Einstufung in die Besoldungsgruppe C 1 entsprechenden Gehalt rückwirkend zum 28. November 1989 oder zu jedem anderen vom Gericht zu bestimmenden Tag hat;

- das Europäische Parlament zur Zahlung von Verzugszinsen in Höhe von 8 % jährlich aus den Beträgen zu verurteilen, die den Gehaltsunterschiedsbeträgen entsprechen, die für den Zeitraum vom 28. November 1989 oder von jedem anderen vom Gericht zu bestimmenden Tag zu zahlen sind;

- das Europäische Parlament zu verurteilen, an die Klägerin 50 000 BFR als Ersatz ihres immateriellen Schadens zu zahlen;

- der Klägerin nachzulassen, im schriftlichen Verfahren jeden Beweis anzubieten.

19 Das Parlament beantragt,

- die vorliegende Klage als unzulässig abzuweisen;

- erforderlichenfalls die Klage mit allen Anträgen als unbegründet abzuweisen;

- über die Kosten nach Rechtslage zu entscheiden.

Die Anträge auf Aufhebung der angefochtenen Entscheidung

Die Zulässigkeit

Die Klagefristen

20 Gemäß Artikel 113 seiner Verfahrensordnung prüft das Gericht als erstes unabhängig vom Parteivorbringen, ob bei der Einreichung der vorliegenden Klage eine unverzichtbare Prozeßvoraussetzung fehlt.

21 Im vorliegenden Fall ist zu prüfen, ob die Fristen der Artikel 90 und 91 des Statuts tatsächlich eingehalten worden sind.

22 Diese Fristen sind nach ständiger Rechtsprechung zwingendes Recht und stehen nicht zur Disposition der Parteien oder des Gerichts, denn sie sind zur Gewährleistung der Klarheit und Sicherheit der Rechtsverhältnisse eingeführt worden (siehe insbesondere Urteile des Gerichtshofes vom 13. November 1986 in der Rechtssache 232/85, Becker/Kommission, Slg. 1986, 3401, und vom 14. Juni 1988 in der Rechtssache 161/87, Muysers u. a./Rechnungshof, Slg. 1988, 3037, sowie die Urteile des Gerichts vom 7. Februar 1991 in der Rechtssache T-58/89, Williams/Rechnungshof, Slg. 1991, II-77, und vom 17. Oktober 1991 in der Rechtssache T-129/89, Offermann/Parlament, Slg. 1991, II-855).

23 Im vorliegenden Fall wurde der Antrag der Klägerin vom 28. November 1989, den diese fälschlich als Beschwerde bezeichnet hatte, gemäß Artikel 90 Absatz 1 des Statuts am 28. März 1990 stillschweigend abgelehnt, da keine Antwort des Parlaments erfolgte.

24 Nach Artikel 90 Absatz 2 des Statuts verfügte die Klägerin danach über eine Frist von drei Monaten, um gegen diese stillschweigende ablehnende Entscheidung Beschwerde einzulegen.

25 Es ist jedoch eindeutig erwiesen, daß die Beschwerde der Klägerin das Datum des 10. August 1990 trägt und daher nicht vor dem 28. Juni 1990, dem Ablauf der Beschwerdefrist, eingereicht worden ist.

26 Die Antwort des Generalsekretärs des Parlaments vom 17. Mai 1990, mit dem dieser den Antrag der Klägerin vom 28. November 1989 ausdrücklich ablehnte, stellt eine blosse Bestätigung der zuvor erfolgten stillschweigenden Ablehnung dar. Als solche hat diese Bestätigung die Beschwerdefrist, die vorher abgelaufen war (siehe insbesondere Urteil des Gerichts vom 17. Oktober 1991 in der Rechtssache T-129/89, Offermann, a. a. O.), nicht wieder in Gang gesetzt.

27 Zwar beginnt nach Artikel 91 Absatz 3 zweiter Gedankenstrich des Statuts die Frist für die Klage erneut zu laufen, wenn nach einer stillschweigenden Zurückweisung eine ausdrückliche Entscheidung über die Zurückweisung einer Beschwerde ergeht. In Ermangelung einer ausdrücklichen entsprechenden Bestimmung kann eine solche Wiedereröffnung der Frist jedoch nicht im Wege der Analogie auf das vorgerichtliche Antragsverfahren des Artikels 90 Absatz 1 des Statuts erstreckt werden, da sonst die Rechtssicherheit gefährdet würde, die verlangt, daß die Rechtsbehelfe der Beamten und sonstigen Bediensteten durch genaue und eng auszulegende Vorschriften geregelt werden.

28 Ebensowenig kann der Umstand, daß der Beklagte weder in seinen Schriftsätzen noch in der mündlichen Verhandlung die Verspätung der Beschwerde der Klägerin vom 10. August 1990 gerügt hat, das Gericht von seiner Verpflichtung befreien, die Einhaltung der Fristen des Statuts zu prüfen (siehe auch die Urteile des Gerichts vom 6. Dezember 1990 in den Rechtssachen T-130/89, B./Kommission, Slg. 1990, II-761, und T-6/90, Petrilli/Kommission, Slg. 1990, II-765; vom 11. Juli 1991 in der Rechtssache T-19/90, Von Hößle/Rechnungshof, Slg. 1991, II-615, und vom 25. September 1991 in der Rechtssache T-54/90, Lacroix/Kommission, Slg. 1991, II-749).

29 Im vorliegenden Fall wurden also die Fristen des Statuts nicht eingehalten.

30 Das Parlament bestreitet die Zulässigkeit der Klage mit der Begründung, daß die Klägerin am 10. November 1987 einen ersten Antrag auf Höherbewertung des von ihr bekleideten Dienstpostens gestellt hatte. Dieser erste Antrag war am 5. Januar 1988 ausdrücklich abgelehnt worden, ohne daß die Klägerin innerhalb der Frist von drei Monaten nach Artikel 90 Absatz 2 des Statuts gegen diese Ablehnung Beschwerde eingelegt hätte.

31 Nach Ansicht des Parlaments ist wegen dieser unterbliebenen Beschwerde das Klagerecht der Klägerin erloschen. Die Klägerin sei nicht mehr berechtigt gewesen, die Entscheidung vom 5. Januar 1988 mit ihrem zweiten Antrag vom 28. November 1989 anzufechten, denn dieser zweite Antrag sei mit dem ersten Antrag darin identisch, daß mit ihm ebenfalls die Höherbewertung des von ihr beklagten Dienstpostens oder gegebenenfalls die Einleitung eines internen Auswahlverfahrens begehrt worden sei.

32 Die Klägerin wendet sich mit dem Hinweis auf den Umstand gegen diese Überlegung, daß die beiden Anträge einen unterschiedlichen Gegenstand gehabt hätten, denn mit dem ersten Antrag habe sie ihre Einstufung in eine höhere Laufbahngruppe als diejenige begehrt, in die sie im Zeitpunkt der Antragstellung eingestuft gewesen sei, während sie mit dem zweiten Antrag im wesentlichen eine blosse Beförderung innerhalb ein und derselben Laufbahngruppe verfolgt habe.

33 Hilfsweise macht die Klägerin für die Zulässigkeit ihrer Klage geltend, daß ihr zweiter Antrag vom 28. November 1989 auf neue Tatsachen gestützt worden sei.

34 Zu diesem Zweck verweist sie zuerst auf die Beurteilungen für die Jahre 1985/86 und 1987/88, die ihre gewachsene Verantwortung im Vergleich zu derjenigen in den vorhergehenden Beurteilungen verdeutlichten. Diese gewachsene Verantwortung bestätige, daß sie jetzt das Arbeitsgebiet der Bürotätigkeiten im eigentlichen Sinn verlassen habe und mit der Ausarbeitung und der Verwaltung der Besuchsprogramme in Luxemburg und in Straßburg betraut worden sei.

35 Zweitens führt die Klägerin den Umstand an, daß Beamte höherer Besoldungsgruppen sie während ihrer krankheitsbedingten Abwesenheit vertreten hätten.

36 Drittens führt die Klägerin an, daß das Parlament das Vorhandensein solcher neuer Tatsachen stillschweigend anerkannt habe, als es ihr mit Entscheidung vom 17. Mai 1990 die Ablehnung ihres zweiten Antrags vom 28. November 1989 "nach eingehender Prüfung" bekanntgegeben habe. Eine solche eingehende Prüfung wäre nicht notwendig gewesen, wenn keine neuen Umstände vorgelegen hätten, denn in diesem Fall hätte sich die Entscheidung vom 17. Mai 1990 auf einen Hinweis auf die erste ablehnende Entscheidung vom 15. Januar 1988 beschränken können.

37 Das Parlament bleibt bei seiner Auffassung, daß die beiden Anträge der Klägerin den gleichen Gegenstand gehabt hätten und erwidert auf das Hilfsvorbringen der Klägerin erstens, daß sich der Antrag vom 10. November 1987 bereits auf die Stellenbekanntgabe Nr. 5363 vom 21. September 1987 bezogen habe, und zweitens, daß dieser erste Antrag bereits die wachsende Bedeutung ihrer Aufgaben seit ihrer Ernennung zur Beamtin auf Lebenszeit hervorgehoben habe, und zwar aufgrund eines Vergleichs zwischen der Ausschreibung des Auswahlverfahrens C/246 und der Beurteilung für 1983/84.

38 Insbesondere bestreitet das Parlament, daß die Beurteilungen für 1985/86 und 1987/88 gegenüber den zuvor angeführten Beurteilungen neue Tatsachen enthielten.

39 Ebenso weist das Parlament die Ansicht zurück, daß die Vertretung der Klägerin durch einen Beamten einer höheren Besoldungsgruppe eine neue Tatsache darstelle, denn sie sei während ihrer zahlreichen Krankheitszeiten durch Beamte der Besoldungsgruppe C 3/2, B 4, A 7 und sogar durch den Abteilungsleiter selbst vertreten worden. Diese Vertretungsmaßnahme, die im Rahmen der Organisation der Arbeiten einer Dienststelle erfolgt sei, dürfe nicht auf eine Änderung des Standpunkts gegenüber der Klägerin seit der Stellung ihres ersten Antrags schließen lassen.

40 Schließlich könne sich die Klägerin für ihre Ansicht, das Parlament habe das Vorliegen bestimmter neuer Tatsachen anerkannt, nicht darauf berufen, daß die Entscheidung vom 17. Mai 1990 die "eingehende Prüfung" ihres zweiten Antrags erwähne. Diese Erwähnung beziehe sich auf den Antrag auf Höherbewertung des Dienstpostens und gehöre daher in den Rahmen der loyalen Zusammenarbeit zwischen der Verwaltung und den ihr unterworfenen Personen, die verlangten, daß deren Wünsche ernsthaft geprüft würden.

41 Unter diesen rechtlichen und tatsächlichen Umständen weist das Gericht darauf hin, daß ein Beamter oder ein sonstiger Bediensteter, wenn er glaubt, durch eine Entscheidung im Sinne von Artikel 90 Absatz 1 des Statuts beschwert zu sein, diese Entscheidung mit einer Beschwerde anfechten muß, die innerhalb der Frist des Artikels 90 Absatz 2 des Statuts einzureichen ist.

42 Daher ist die Einreichung eines neuen Antrags nach Artikel 90 Absatz 1 des Statuts nach Ablauf der Beschwerdefrist nur dann zulässig, wenn eine neue Tatsache eingetreten ist, die eine Überprüfung der Situation veranlassen kann.

43 Die gegenteilige Ansicht, mit der im Ergebnis die wiederholte Stellung von Anträgen zugelassen würde, würde ebenso dazu führen, daß die Frist für die Klage, die gegen jede beschwerende Entscheidung offensteht, auf unbestimmte Zeit verlängert würde, was mit der Rechtsbehelfsregelung des Statuts unvereinbar wäre (vgl. insbesondere die Urteile des Gerichtshofes vom 11. März 1986 in der Rechtssache 294/84, Adams/Kommission, Slg. 1986, 977, 987, und vom 4. Februar 1987 in der Rechtssache 302/85, Preßler-Höft/Rechnungshof, Slg. 1987, 513, 526).

44 Im vorliegenden Fall hat die Klägerin gegen die Entscheidung des Generalsekretärs des Parlaments vom 5. Januar 1988, mit der ihr erster Antrag vom 10. November 1987 abgelehnt wurde, keine Beschwerde eingelegt.

45 In Ermangelung einer solchen Beschwerde konnte der zweite Antrag vom 28. November 1989 nur dann zulässig sein, wenn neue Tatsachen vorlagen, die eine Überprüfung der Situation der Klägerin veranlassen konnten.

46 Die Klägerin hat jedoch weder in ihren Schriftsätzen noch in der mündlichen Verhandlung dargetan, daß sich ihre Aufgaben in der Zeit zwischen dem ersten und dem zweiten Antrag wesentlich geändert hätten.

47 Daher war der zweite Antrag vom 28. November 1989 wegen des Fehlens neuer Tatsachen verspätet, weil er nach Ablauf der Beschwerdefrist gegen die Entscheidung vom 5. Januar 1988 eingereicht wurde.

48 Nach allem ist die Klage unzulässig.

Begründetheit

49 Somit ist die Unzulässigkeit der Klage festgestellt. Das Gericht weist vorsorglich darauf hin, daß die Klägerin zur Begründetheit der Klage zwei Rügen geltend macht, nämlich einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz und einen Verstoß gegen den Grundsatz einer ordnungsgemässen Verwaltung.

50 Zur Begründung ihrer Rügen führt die Klägerin im Kern aus, daß sie in ein und demselben Organ und zudem in ein und derselben Abteilung in Luxemburg ähnliche oder sogar gleiche Tätigkeiten ausübe, wie sie in Brüssel von einem Beamten der Laufbahngruppe B versehen würden, während sie selbst, ohne daß ein objektiv gerechtfertigter Unterschied vorliege, der Laufbahngruppe C angehöre.

51 Das Parlament räumt ein, daß der Dienstposten, der Gegenstand der Stellenbekanntgabe Nr. 5363 gewesen sei, auf die sich die Klägerin beziehe, tatsächlich den gleichen Tätigkeitsbereich wie den der Klägerin abdecke, nämlich das BPEG-Programm. Jedoch bestuenden zwischen den beiden Dienstposten entscheidende Unterschiede in bezug auf das Rechnungswesen und die Tätigkeit im finanziellen Bereich (Voranschläge, Zahlungen, monatliche Abrechnungen usw.). Auch sei die Verwaltung und die zentrale Leitung der Buchhaltung des betreffenden Programms ausschließlich dem Dienstposten Nr. 5363 zugeordnet. In diesem Zusammenhang führten der interinstitutionelle Aspekt des BPEG-Programms, das vom Parlament und der Kommission gemeinsam durchgeführt werde, dazu, daß der Inhaber des Dienstpostens Nr. 5363 gemeinsam mit anderen in Brüssel beschäftigten Beamten umfangreiche Tätigkeiten im Zusammenhang mit der zentralen Organisation des Programms durchzuführen habe, während die Klägerin, deren Dienstort nur Luxemburg sei, im maßgebenden Zeitpunkt ausschließlich mit der Durchführung eines Teils dieses Programms bei Besuchen in Straßburg und gegebenenfalls Luxemburg betraut gewesen sei. Diese Umstände bewiesen einen erheblichen Unterschied der Tätigkeiten und schlössen eine Verletzung der von der Klägerin angeführten Grundsätze aus.

52 Zu diesem Punkt stellt das Gericht aufgrund der zu den Akten gereichten Unterlagen und der Antworten des Parlaments vom 16. Dezember 1991 auf die ihm am 28. November 1991 gestellten Fragen sowie nach Anhörung der Erläuterungen der Parteien in der mündlichen Verhandlung fest, daß die Ansicht der Klägerin nicht durch Tatsachen bestätigt wird.

53 So mögen die Tätigkeit der Klägerin und die Tätigkeit des Beamten, der den Dienstposten, der Gegenstand der Stellenbekanntgabe Nr. 5363 war, bekleidet, ähnlich erscheinen, da sie sich auf denselben Tätigkeitsbereich, nämlich die Durchführung des BPEG-Programms, beziehen. Das Parlament verweist jedoch zu Recht auf entscheidende Unterschiede beim Grad der Verantwortung, die der Klägerin und dem Beamten, der den Dienstposten Nr. 5363 bekleidet, im Rahmen dieses Programms übertragen ist.

54 Der interinstitutionelle Aspekt des BPEG-Programms, das vom Parlament und der Kommission gemeinsam verwirklicht wird, bedeutet, daß der Inhaber des Dienstpostens Nr. 5363 zusammen mit anderen in Brüssel beschäftigten Beamten umfangreiche Tätigkeiten im Zusammenhang mit der zentralen Organisation des Programms ausübt, während die Klägerin, die nur in Luxemburg beschäftigt ist, nur für die Durchführung eines Teils dieses Programms bei Besuchen in Straßburg und gegebenenfalls in Luxemburg zuständig ist.

55 Ausserdem überzeugen sich die für die zentrale Organisation dieses Programms in Brüssel Verantwortlichen, insbesondere der Inhaber des Dienstpostens Nr. 5363, stichprobenweise von der richtigen Durchführung dieses Programms in Straßburg und in Luxemburg; sie überwachen somit die Tätigkeit der Klägerin.

56 Aufgrund all dieser Erwägungen sind die Rügen eines Verstosses gegen den Gleichheitssatz und den Grundsatz einer ordnungsgemässen Verwaltung unbegründet und daher in jedem Fall zurückzuweisen.

Die Anträge auf Anordnung der Neueinstufung der Klägerin oder hilfsweise Einleitung eines internen Auswahlverfahrens zu ihren Gunsten

57 Hierzu genügt der Hinweis, daß das Gemeinschaftsgericht einem Gemeinschaftsorgan keine Anweisungen erteilen kann, ohne in dessen Zuständigkeitsbereich einzugreifen.

58 Wegen dieses Grundsatzes ist der erwähnte Antrag unzulässig.

Der Antrag auf Ersatz des angeblich erlittenen Schadens

59 Die Klägerin macht geltend, daß das Parlament durch seine unter Verstoß gegen die Grundsätze einer ordnungsgemässen Verwaltung und der Gleichbehandlung erfolgte Weigerung, ihrem Antrag auf Höherbewertung des Dienstpostens, den sie bekleide, stattzugeben, einen schweren Amtsfehler begangen habe, der seine Haftung auslöse.

60 Deshalb müsse das Parlament den Schaden ersetzen, der ihr durch diesen Amtsfehler entstanden sei. Dieser Schaden entspreche dem Unterschied zwischen den Dienstbezuegen, die sie bei einer Höherbewertung ihres Dienstpostens erhalten hätte, und denjenigen, die sie tatsächlich bezogen habe, wobei dieser Unterschied durch Verzugszinsen von 8 % pro Jahr ab den jeweiligen Fälligkeitszeitpunkten zu ergänzen sei. Sie verlangt auch die Zahlung von 50 000 BFR an sie als Ersatz des ihr entstandenen immateriellen Schadens.

61 Alle diese Klageanträge stehen in engem Zusammenhang mit dem Klageantrag auf Aufhebung, dessen Unzulässigkeit bereits festgestellt worden ist.

62 Das Gericht hat bereits vorsorglich festgestellt, daß die Klägerin nichts vorgetragen hat, was zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung führen könnte. Daher hat die Klägerin keine rechtswidrige Handlung dargetan, die einen Amtsfehler des Parlaments darstellen und die Zahlung von Schadensersatz rechtfertigen könnte.

63 Alle Anträge auf Ersatz des der Klägerin angeblich entstandenen materiellen und immateriellen Schadens sind daher zurückzuweisen, da sie sowohl unzulässig als auch unbegründet sind.

64 Nach allem ist die Klage abzuweisen.

Kostenentscheidung


Kosten

65 Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei zur Zahlung der Kosten zu verurteilen. Nach Artikel 88 der Verfahrensordnung tragen jedoch in den Streitsachen zwischen den Gemeinschaften und deren Bediensteten die Organe ihre Kosten selbst.

Tenor


Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Fünfte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1) Die Klage wird abgewiesen.

2) Jede Partei trägt ihre eigenen Kosten.

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