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Document 62022CC0758

    Schlussanträge des Generalanwalts M. Campos Sánchez-Bordona vom 29. Februar 2024.


    ECLI identifier: ECLI:EU:C:2024:191

    SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

    MANUEL CAMPOS SÁNCHEZ-BORDONA

    vom 29. Februar 2024(1)

    Verbundene Rechtssachen C758/22 und C759/22

    Bayerische Ärzteversorgung,

    Bayerische Architektenversorgung,

    Bayerische Apothekerversorgung,

    Bayerische Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung,

    Bayerische Ingenieurversorgung-Bau m. Psychotherapeutenversorgung (C758/22),

    Sächsische Ärzteversorgung (C759/22)

    gegen

    Deutsche Bundesbank

    (Vorabentscheidungsersuchen des Bundesverwaltungsgerichts, Deutschland)

    „Vorlage zur Vorabentscheidung – Wirtschafts- und Währungspolitik – Verordnung (EU) 2018/231 – Statistische Berichtspflichten gegenüber der Europäischen Zentralbank (EZB) – Berufsständische Versorgungseinrichtungen – Verordnung (EU) Nr. 549/2013 – Europäisches System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen auf nationaler und regionaler Ebene in der Europäischen Union (ESVG) – Statistische Berichtspflichten der Altersvorsorgeeinrichtungen – Besondere Alterssicherungssysteme für freie Berufe – Pflichtmitgliedschaft und Pflichtbeiträge – Finanzielle Mittlertätigkeit durch Altersvorsorgeeinrichtungen“






    1.        Die zwei vorliegenden Vorabentscheidungsersuchen geben dem Gerichtshof Gelegenheit, die Verordnung (EU) 2018/231(2) auszulegen, mit der der Europäischen Zentralbank (im Folgenden: EZB) u. a. die Befugnis übertragen wird, von den Altersvorsorgeeinrichtungen detaillierte statistische Daten über deren finanzielle Mittlertätigkeit zu erheben.

    2.        Berufsständische Versorgungseinrichtungen(3) sind in Deutschland weit verbreitet. Sechs Einrichtungen dieser Art(4) wenden sich gegen die Deutsche Bundesbank, die von ihnen die Übermittlung von Finanzdaten verlangt, da sie der Ansicht ist, dass sie als Altersvorsorgeeinrichtungen unter die Verordnung 2018/231 fielen. Die Klägerinnen hingegen vertreten den Standpunkt, dass sie zur Sozialversicherung gehörten und daher von der Berichtspflicht befreit seien.

    3.        Die Debatte konzentriert sich auf die Auslegung der Systematik des Europäischen Systems Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen auf nationaler und regionaler Ebene in der Europäischen Union (im Folgenden: ESVG 2010), verabschiedet durch die Verordnung (EU) Nr. 549/2013(5), auf die sich die Verordnung 2018/231 bezieht. Die Auslegung des ESVG 2010 ist besonders schwierig, weil es eine statistische Klassifikation der Gesamtwirtschaft auf der Grundlage von Konzepten enthält, deren rechtliche Bedeutung nicht immer leicht zu bestimmen ist. Der Gerichtshof hat sich in jüngeren Urteilen(6) bereits mit einigen der durch das ESVG 2010 aufgeworfenen Fragen befasst.

    I.      Rechtlicher Rahmen

    A.      Unionsrecht

    1.      Verordnung 2018/231

    4.        In Art. 1 („Begriffsbestimmungen“) heißt es:

    „Im Sinne dieser Verordnung sind die nachfolgenden Begriffe wie folgt zu verstehen:

    1.      Unter einer ‚Altersvorsorgeeinrichtung‘ (Teilsektor S.129 des ESVG 2010) ist eine finanzielle Kapitalgesellschaft oder Quasi-Kapitalgesellschaft zu verstehen, die in ihrer Hauptfunktion als Folge der Zusammenfassung sozialer Risiken und Bedürfnisse der Versicherten finanzielle Mittlertätigkeiten ausübt (soziale Sicherung). Eine Altersvorsorgeeinrichtung stellt als System der sozialen Sicherung Einkommen im Ruhestand und häufig Leistungen bei Tod und Erwerbsunfähigkeit bereit.

    Von der Begriffsbestimmung nicht erfasst werden:

    f)      der Teilsektor Sozialversicherung im Sinne von Nummer 2.117 des ESVG 2010.

    …“

    5.        Art. 2 („Tatsächlicher Kreis der Berichtspflichtigen“) bestimmt:

    „(1)      Der tatsächliche Kreis der Berichtspflichtigen besteht aus den in den Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets gebietsansässigen Altersvorsorgeeinrichtungen.

    (2)      Die dem tatsächlichen Kreis der Berichtspflichtigen angehörenden Altersvorsorgeeinrichtungen unterliegen den Berichtspflichten in vollem Umfang, soweit keine Ausnahmeregelung gemäß Artikel 7 gilt.

    …“

    2.      Verordnung Nr. 549/2013

    6.        Art. 1 („Gegenstand“) bestimmt:

    „(1)      Mit dieser Verordnung wird das Europäische System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen 2010 (im Folgenden ,ESVG 2010‘ oder ,ESVG‘) eingeführt.

    (2)      Das ESVG 2010 legt Folgendes fest:

    a)      eine Methodik (Anhang A) für die gemeinsamen Normen, Definitionen, Klassifikationen und Buchungsregeln, die zur Erstellung von Konten und Tabellen auf vergleichbaren Grundlagen für die Zwecke der Union sowie der Ergebnisse nach Artikel 3 verwendet wird;

    …“

    7.        Kapitel 1 („Allgemeine Merkmale und Grundprinzipien“) in Anhang A des ESVG 2010 enthält folgende Nummern:

    „…

    1.37      Für die Unterscheidung zwischen Markt und Nichtmarkt und die Zuordnung von Einheiten des öffentlichen Sektors zum Sektor Staat oder zum Sektor Kapitalgesellschaften ist folgende Regel maßgeblich:

    Eine Tätigkeit gilt als marktbestimmte Tätigkeit, wenn die entsprechenden Waren und Dienstleistungen unter den folgenden Bedingungen gehandelt werden, d. h. sofern

    1)      die Verkäufer tätig werden, um langfristig die größtmöglichen Gewinne zu erzielen, und Waren und Dienstleistungen frei auf dem Markt an jede Person verkaufen, die bereit ist, den verlangten Preis zu bezahlen;

    2)      die Käufer tätig werden, um gemessen an ihren beschränkten Mitteln den größtmöglichen Nutzen zu erzielen, indem sie ihren Kauf danach richten, welche Güter ihren Bedarf zum verlangten Preis am besten decken;

    3)      funktionierende Märkte existieren, zu denen Verkäufer und Käufer Zugang haben und über die sie informiert sind. Ein funktionierender Markt kann auch dann vorliegen, wenn diese Bedingungen nicht vollständig erfüllt werden.

    1.57      Institutionelle Einheiten sind wirtschaftliche Einheiten, die Eigentümer von Waren und Vermögenswerten sein können und eigenständig Verbindlichkeiten eingehen, wirtschaftliche Tätigkeiten ausüben und Transaktionen mit anderen Einheiten vornehmen können. Im ESVG 2010 sind die institutionellen Einheiten zu den fünf inländischen institutionellen Sektoren zusammengefasst:

    a)      nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften,

    b)      finanzielle Kapitalgesellschaften,

    c)      Staat,

    d)      private Haushalte,

    e)      private Organisationen ohne Erwerbszweck.

    Die fünf Sektoren bilden zusammen die inländische Volkswirtschaft. Jeder Sektor ist in Teilsektoren untergliedert. Das ESVG 2010 ermöglicht es, dass für jeden Sektor (und Teilsektor) sowie für die Volkswirtschaft ein vollständiger Satz von Transaktionskonten und Vermögensbilanzen erstellt wird. Gebietsfremde Einheiten können mit diesen fünf inländischen Sektoren in Beziehung treten, wobei diese Interaktionen zwischen den fünf inländischen Sektoren und einem sechsten institutionellen Sektor ausgewiesen werden: dem Sektor übrige Welt.

    …“

    8.        Kapitel 2 („Einheiten und ihre Zusammenfassungen“) in Anhang A des ESVG 2010 enthält folgende Nummern:

    „…

    DIE INSTITUTIONELLEN EINHEITEN

    2.12      Definition: Eine institutionelle Einheit ist eine wirtschaftliche Einheit, die durch Entscheidungsfreiheit in der Ausübung ihrer Hauptfunktion gekennzeichnet ist. Eine gebietsansässige Einheit gilt als institutionelle Einheit in dem Wirtschaftsgebiet, in dem ihr Schwerpunkt des wirtschaftlichen Hauptinteresses liegt, wenn sie neben der Entscheidungsfreiheit entweder über eine vollständige Rechnungsführung verfügt oder in der Lage ist, eine vollständige Rechnungsführung zu erstellen.

    DIE INSTITUTIONELLEN SEKTOREN

    2.34 Aus Abbildung 2.1 geht hervor, wie die Einheiten den Hauptsektoren zugewiesen werden. Um die Sektorzugehörigkeit einer Einheit zu bestimmen, die gebietsansässig und kein privater Haushalt ist, muss nach diesem Schema festgestellt werden, ob die Einheit vom Staat kontrolliert wird und ob es sich bei ihr um einen Markt- oder einen Nichtmarktproduzenten handelt.

    Finanzielle Kapitalgesellschaften (S.12)

    Finanzielle Mittler

    2.59      Die Funktion von Versicherungsgesellschaften und Altersvorsorgeeinrichtungen besteht in der Zusammenfassung von Versicherungsrisiken. Die Verbindlichkeiten dieser institutionellen Einheiten sind die Versicherungs‑, Alterssicherungs- und Standardgarantie-Systeme (AF.6). Die entsprechenden Gegenposten bilden Kapitalanlagen der Versicherungsgesellschaften und Altersvorsorgeeinrichtungen, die als finanzielle Mittler fungieren.

    Staat (S.13)

    2.111       Definition: Der Sektor Staat (S.13) umfasst institutionelle Einheiten, die zu den Nichtmarktproduzenten zählen, deren Produktionswert für den Individual- und den Kollektivkonsum bestimmt ist, und die sich mit Zwangsabgaben von Einheiten anderer Sektoren finanzieren, sowie institutionelle Einheiten, die hauptsächlich Einkommen und Vermögen umverteilen.

    Sozialversicherung (S.1314)

    2.117      Definition: Der Teilsektor Sozialversicherung umfasst institutionelle Einheiten des Bundes (Zentralstaates), der Länder und der Gemeinden, deren Haupttätigkeit in der Gewährung von Sozialleistungen besteht und die folgende zwei Kriterien erfüllen:

    a)      Bestimmte Bevölkerungsgruppen sind aufgrund gesetzlicher Regelungen zur Teilnahme an dem System oder zu Beitragszahlung verpflichtet, und

    b)      der Staat legt die Beiträge und Leistungen fest und übernimmt insofern, unabhängig von seiner Aufsichtsfunktion, einen Teil der Leitung.

    Normalerweise gibt es zwischen der Höhe der Beiträge und dem Einzelrisiko des Versicherten keinen unmittelbaren Zusammenhang.“

    9.        In Kapitel 3 („Gütertransaktionen und Transaktionen mit nichtproduzierten Vermögensgütern“) in Anhang A des ESVG 2010 sind folgende Nummern aufgeführt:

    „…

    Produktionswert (P.1)

    3.17      Definition: Marktproduktion ist die Herstellung von Gütern, die auf dem Markt verkauft werden oder verkauft werden sollen.

    3.18      Zur Marktproduktion zählen:

    a)      zu wirtschaftlich signifikanten Preisen verkaufte Güter;

    3.19      Definition: Preise sind wirtschaftlich signifikant, wenn sie die von den Produzenten angebotenen und von den Käufern nachgefragten Warenmengen wesentlich beeinflussen. Diese Preise ergeben sich, wenn folgende Bedingungen gegeben sind:

    a)      Der Produzent hat einen Anreiz, das Angebot zu regulieren, um langfristig einen Gewinn zu machen oder zumindest Kapital- und andere Kosten abzudecken, und

    b)      die Verbraucher können sich für oder gegen einen Kauf entscheiden und treffen ihre Entscheidung auf der Grundlage der geforderten Preise.

    Wirtschaftlich nicht signifikante Preise dürften verlangt werden, um gewisse Einnahmen zu erzielen oder einen sehr großen Nachfrageüberschuss, wie er bei einem völlig kostenlosen Angebot von Dienstleistungen auftreten könnte, zu vermeiden.

    Der wirtschaftlich signifikante Preis eines Gutes wird in Abhängigkeit von der institutionellen Einheit bzw. der örtlichen FE definiert, die das Gut produziert hat. Beispielsweise gilt, dass die von Unternehmen ohne eigene Rechtspersönlichkeit im Sektor privater Haushalte für Dritte produzierten Güter stets zu wirtschaftlich signifikanten Preisen verkauft werden und folglich immer Marktproduktion sind. Für den Produktionswert anderer institutioneller Einheiten wird die Möglichkeit einer Marktproduktion zu wirtschaftlich signifikanten Preisen anhand eines quantitativen Kriteriums (des 50 %-Kriteriums) geprüft, bei dem das Verhältnis von Verkäufen zu Produktionskosten verwendet wird. Als Marktproduzent sollte die Einheit über einen mehrjährigen Zeitraum hinweg mindestens 50 % ihrer Kosten durch ihre Verkäufe decken.

    3.24      Definition: Marktproduzenten sind örtliche FE oder institutionelle Einheiten, deren Produktion zum größten Teil aus Marktproduktion besteht.

    Wenn eine örtliche FE oder institutionelle Einheit ein Marktproduzent ist, muss ihre Haupttätigkeit per definitionem Marktproduktion sein, da das Konzept der Marktproduktion festgelegt wird, nachdem die Unterscheidung in Markt, für die Eigenverwendung und Nichtmarktproduktion auf den Produktionswert der örtlichen FE und der institutionellen Einheit angewendet wird, die die Güter hergestellt haben.

    3.26      Definition: Nichtmarktproduzenten sind örtliche FE oder institutionelle Einheiten, deren Produktionswert zum größten Teil unentgeltlich oder zu wirtschaftlich nicht signifikanten Preisen Dritten zur Verfügung gestellt wird.“

    10.      Kapitel 17 („Sozialschutzsysteme einschließlich Alterssicherung“) in Anhang A des ESVG 2010 enthält die folgende Nummer:

    „…

    ALTERSSICHERUNGSLEISTUNGEN

    Altersvorsorgeeinrichtungen der Sozialversicherung

    17.43      Definition: Altersvorsorgeeinrichtungen der Sozialversicherung sehen vor, dass den Versorgungsberechtigten in ihrer Eigenschaft als Versicherte eines Sozialschutzsystems vom Staat die Pflicht zur Alterssicherung und zur Absicherung weiterer altersbedingter Risiken wie Erwerbsunfähigkeit, Krankheit usw. auferlegt wird. Alterssicherungsleistungen der Sozialversicherung werden für die Versorgungsberechtigten durch den Staat erbracht.

    …“

    11.      In Kapitel 20 („Die Konten des Sektors Staat“) in Anhang A des ESVG 2010 heißt es:

    „…

    Staatliche Einheiten

    20.10      Zusätzlich zu dieser Primäreinheit bestehen staatliche Einheiten mit eigener Rechtspersönlichkeit und erheblicher Autonomie einschließlich der Verfügungsfreiheit über die Höhe und Zusammensetzung ihrer Ausgaben und über eine direkte Einnahmequelle wie zweckgebundene Steuern. Solche Einheiten werden oft gebildet, um bestimmte Aufgaben auszuführen, beispielsweise Straßenbau oder die Nichtmarktproduktion von Gesundheits‑, Bildungs- oder Forschungsdienstleistungen. Diese Körperschaften werden als gesonderte staatliche Einheiten angesehen, wenn sie über vollständige Kontensätze verfügen, aus eigenem Recht Waren oder Aktiva besitzen, nichtmarktbestimmte Tätigkeiten ausüben, für die sie haftbar sind, und Verbindlichkeiten eingehen und Verträge abschließen können. Solche Einheiten (zusammen mit dem Sektor Staat zugeordneten Organisationen ohne Erwerbszweck) werden als ,außerbudgetäre Einheiten‘ bezeichnet, weil sie über eigene Budgets verfügen, erhebliche Transferzahlungen aus dem zentralen Haushalt erhalten und ihre Hauptfinanzierungsquellen durch eigene Einnahmequellen außerhalb des zentralen Haushalts ergänzt werden. Diese außerbudgetären Einheiten zählen zum Sektor Staat, sofern sie nicht überwiegend von einer anderen staatlichen Einheit kontrollierte Marktproduzenten sind.

    20.12      Die Sozialversicherung umfasst staatliche Einheiten, die Sozialversicherungssysteme betreiben. Sozialversicherungssysteme sind Systeme der sozialen Sicherung, in die die gesamte Bevölkerung oder weite Kreise der Bevölkerung einbezogen sind und die von staatlichen Einheiten vorgeschrieben und kontrolliert werden. Eine Sozialversicherung bildet eine institutionelle Einheit, wenn sie von den anderen Tätigkeiten staatlicher Einheiten getrennt organisiert ist, ihre Aktiva und Passiva getrennt davon hält und finanzielle Transaktionen in eigenem Namen durchführt.

    Pensionseinrichtungen

    20.38      Pensionseinrichtungen der Arbeitgeber sind Regelungen zur Bereitstellung von Alterssicherungsleistungen für die Teilnehmer auf der Grundlage einer vertraglichen Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Beziehung. Zu diesen Systemen gehören kapitalgedeckte, nicht kapitalgedeckte und teilweise kapitalgedeckte Pensionseinrichtungen.

    20.39      Ein System mit im Voraus festgelegten Beiträgen, das von einer staatlichen Einheit verwaltet wird, wird nicht als Sozialversicherungssystem behandelt, wenn es ohne staatliche Garantie für die Höhe der zu zahlenden Leistungen der Alterssicherung [arbeitet] und wenn die Höhe der Leistungen der Alterssicherung ungewiss ist, da sie von der Ertragskraft der Vermögenswerte abhängt. Deshalb wird die Einheit, die das System – sowie die Leistungen selbst, wenn es sich dabei um eine gesonderte institutionelle Einheit handelt – verwaltet, als finanzielle Kapitalgesellschaft betrachtet und dem Teilsektor Versicherungsgesellschaften und Altersvorsorgeeinrichtungen zugeordnet.

    …“

    B.      Nationales Recht

    12.      Im Freistaat Bayern gilt das Gesetz über das öffentliche Versorgungswesen(7). Dieses legt für die berufsständischen Versorgungseinrichtungen Folgendes fest:

    –      Es handelt sich um rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts.

    –      Die Versorgungsanstalten haben die Voraussetzungen für eine Befreiung ihrer Mitglieder von der Versicherungspflicht bei der gesetzlichen Rentenversicherung zu erfüllen (Art. 28 Satz 3 VersoG).

    –      Sie dürfen ausschließlich gemeinnützig tätig sein und ihre Mittel sowie ihr Vermögen nur zur Erfüllung ihres Versorgungsauftrags verwenden (Art. 9 Abs. 1 und 3 VersoG).

    –      Ihren Verwaltungsaufwand einschließlich der Bezüge der Beschäftigten und Versorgungsberechtigten müssen sie aus eigenen Mitteln bestreiten (Art. 9 Abs. 2 Satz 1 VersoG).

    –      Die weitaus meisten Mitglieder sind, weil sie ihren Beruf im Freistaat Bayern ausüben, gesetzlich zur Mitgliedschaft verpflichtet(8). Eine Befreiung von der Pflichtmitgliedschaft ist nur in Ausnahmefällen möglich(9).

    –      Ausgeschiedene Pflichtmitglieder können nach Maßgabe der Satzung der Versorgungsanstalt freiwillige Mitglieder bleiben(10), um Versorgungsanwartschaften zu gleichen Beiträgen wie Pflichtmitglieder zu erwerben.

    –      Die Versorgungsanstalten regeln durch Satzung im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben die Erhebung von Beiträgen oder Umlagen zur Finanzierung ihrer Aufgabenerfüllung sowie die Voraussetzungen, Art und Höhe sowie Erlöschen der Versorgungsansprüche(11).

    –      Die Satzung kann zulassen, dass die Mitglieder zur Erhöhung der Versorgungsanwartschaft freiwillige Mehrzahlungen leisten, sofern die Summe von Mehrzahlungen und Pflichtbeitrag die gesetzliche Höchstgrenze für Beiträge nicht übersteigt(12).

    13.      Im Freistaat Sachsen gelten das Sächsische Heilberufekammergesetz(13) und die Satzung der Sächsischen Ärzteversorgung(14). Wie aus dem Vorlagebeschluss in der Rechtssache C‑759/22 hervorgeht, unterscheidet sich der Inhalt dieser Vorschriften, soweit sie die berufsständischen Versorgungseinrichtungen betreffen, im Wesentlichen nicht von den in der Rechtssache C‑758/22 einschlägigen Vorschriften.

    14.      Das vorlegende Gericht hebt folgende Merkmale der Sächsischen Ärzteversorgung hervor:

    –      Es handelt sich um eine teilrechtsfähige Einrichtung der Sächsischen Landesärztekammer zur Versorgung der Mitglieder dieser Kammer und der Mitglieder der Landestierärztekammer(15).

    –      Die Pflichtmitglieder der sächsischen Landesärzte- und der sächsischen Landestierärztekammer gehören der Sächsischen Ärzteversorgung kraft Gesetzes als Pflichtmitglieder an(16).

    –      Zu den Pflichtmitgliedern zählen grundsätzlich alle zur Berufsausübung im Freistaat Sachsen berechtigten und dort praktizierenden oder mit Hauptwohnsitz wohnhaften Ärzte und Tierärzte.

    –      Sie übt in ihrer Hauptfunktion als Folge der in Art. 1 Nr. 1 Sätze 1 und 2 der Verordnung 2018/231 beschriebenen Tätigkeiten finanzielle Mittlertätigkeiten aus, indem sie ihren Mitgliedern beitragsfinanzierte Alters‑, Hinterbliebenen- und Erwerbsunfähigkeitsrenten gewährt.

    –      Die Versorgungskammer verfügt über eine vollständige Rechnungsführung (§ 8 der Satzung). Sie hat zwar keine eigene Rechtspersönlichkeit, ist aber organisatorisch und wirtschaftlich gegenüber der Ärztekammer verselbständigt und mit weitgehender Autonomie ausgestattet. Sie erfüllt ihre Aufgaben nach Gesetz und Satzung mit eigenen Organen eigenverantwortlich und aus eigenen, vom Kammervermögen getrennten Mitteln. Dabei wird sie wirtschaftlich tätig, kann Trägerin von Rechten und Pflichten sein, am Rechtsverkehr teilnehmen und Verbindlichkeiten begründen, für die sie mit ihrem Vermögen haftet.

    II.    Sachverhalte, Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

    A.      Rechtssache C758/22

    15.      Mit Schreiben vom 7. September 2018 und vom 25. März 2019 teilte die Deutsche Bundesbank vier bayrischen Einheiten jeweils mit, dass sie nach den Art. 1 und 2 der Verordnung 2018/231 als Altersvorsorgeeinrichtungen der statistischen Berichtspflicht unterlägen und der Deutschen Bundesbank, beginnend mit dem Stichtag 30. September 2019, vierteljährlich näher bezeichnete Daten über ihre finanziellen Verhältnisse zu übermitteln hätten.

    16.      Eine andere klagende Einheit forderte sie mit nahezu gleichlautenden Schreiben vom 12. November 2018 und vom 17. Juli 2019 auf, jährlich Daten geringeren Umfangs zu übermitteln.

    17.      Die Einheiten erhoben jeweils eine verwaltungsrechtliche Klage, mit der sie die Aufhebung der sie betreffenden Mitteilungen und hilfsweise die Feststellung begehren, dass sie nicht berichtspflichtig seien.

    18.      Das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main (Deutschland) hat die Klagen mit Urteil vom 4. November 2021 abgewiesen und ausgeführt, die Klägerinnen seien Altersvorsorgeeinrichtungen im Sinne von Art. 1 Nr. 1 der Verordnung 2018/231 und nach Art. 2 Abs. 1 dieser Verordnung berichtspflichtig.

    19.      Gegen das erstinstanzliche Urteil haben die klagenden Versorgungseinrichtungen Sprungrevision beim Bundesverwaltungsgericht (Deutschland) eingelegt.

    20.      Mit ihrem Rechtsmittel machen sie geltend, sie seien keine Marktproduzentinnen und ihre Pflichtleistungen stellten den größten Teil ihrer Produktion dar und würden nicht zu wirtschaftlich signifikanten Preisen veräußert. Insoweit könnten die Pflichtmitglieder nicht die in Anhang A Nr. 3.19 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 549/2013 geforderte freie Entscheidung über den Erwerb der Versorgungsleistungen auf der Grundlage der geforderten Beiträge treffen. Die 50%-Regel aus Anhang A Nr. 3.19 Abs. 3 sei nicht einschlägig; sie diene nur der Produktionswertbestimmung. Jedenfalls gehörten sie als Versorgungseinrichtungen zur Sozialversicherung.

    B.      Rechtssache C759/22

    21.      Der Sachverhalt und das Ausgangsverfahren entsprechen im Wesentlichen und mit Ausnahme der Besonderheiten des jeweiligen Falles denen der Rechtssache C‑758/22.

    C.      Vorlagefragen

    22.      Vor diesem Hintergrund legt das Bundesverwaltungsgericht dem Gerichtshof die folgenden, in beiden Verfahren identischen Fragen zur Vorabentscheidung vor:

    1.      a)      Verlangt Anhang A Nr. 3.19 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 549/2013, dass alle Verbraucher der von dem Produzenten angebotenen Güter sich für oder gegen deren Erwerb entscheiden können und diese Entscheidung auf der Grundlage der geforderten Preise treffen?

    Falls das verneint wird:

    b)      Genügt den Anforderungen der Bestimmung in Fällen, in denen die große Mehrheit dieser Verbraucher, ohne eine solche Entscheidungsfreiheit zu haben, von dem Produzenten Güter im Umfang von mehr als der Hälfte seines Produktionswerts aufgrund gesetzlicher Pflichtmitgliedschaft bei ihm erhält und Pflichtbeiträge in der von ihm festgesetzten Höhe zahlen muss, dass eine Minderheit die Möglichkeit hatte, dem Produzenten freiwillig beizutreten, und davon Gebrauch gemacht hat, um die Güter bei gleichen Beiträgen wie die Pflichtmitglieder zu erhalten?

    2.      Liegt eine Marktproduktion zu wirtschaftlich signifikanten Preisen im Sinne von Anhang A Nrn. 3.17 bis 3.19 der Verordnung Nr. 549/2013 immer schon dann vor, wenn das in Anhang A Nr. 3.19 Abs. 3 Sätze 3 und 4 definierte „50%-Kriterium“ mehrjährig mindestens hälftiger Kostendeckung durch Verkäufe erfüllt wird, oder ist dieses Kriterium nicht als hinreichende (selbstgenügende), sondern als notwendige Bedingung zu verstehen, die zu den beiden in Anhang A Nr. 3.19 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a und b normierten Voraussetzungen hinzutritt?

    3.      Sind bei der Prüfung, ob institutionelle Einheiten Marktproduzenten gemäß Anhang A Nr. 3.24 der Verordnung Nr. 549/2013 sind, neben Anhang A Nrn. 3.17, 3.19 und 3.26 auch die in Anhang A Nr. 1.37 Abs. 2 normierten zusätzlichen Anforderungen heranzuziehen?

    4.      a)      Setzt Anhang A Nr. 2.107 der Verordnung Nr. 549/2013 für die Zuordnung einer institutionellen Einheit zu Teilsektor S.129 zwingend voraus, dass all ihre Leistungen an sämtliche Teilnehmer aufgrund vertraglicher Vereinbarung erfolgen?

    Falls das zutrifft:

    b)      Ist das Erfordernis einer vertraglichen Leistungsgrundlage in diesem Sinne bereits erfüllt, wenn zwar Pflichtmitgliedschaft, Pflichtbeiträge und Pflichtleistungen der institutionellen Einheit hoheitlich durch Satzung geregelt sind, auch Pflichtmitglieder aber durch freiwillige Zusatzbeiträge Ansprüche auf Zusatzleistungen begründen können?

    5.      Ist Art. 1 Nr. 1 Satz 3 Buchst. f der Verordnung 2018/231 dahin auszulegen, dass er von dem Begriff der Altersvorsorgeeinrichtung in Satz 1 dieser Vorschrift nur diejenigen institutionellen Einheiten ausnimmt, die beide in Anhang A Nr. 2.117 der Verordnung Nr. 549/2013 genannten Kriterien erfüllen, oder erfasst diese Ausnahme auch weitere institutionelle Einheiten, die nach Anhang A Nr. 17.43 als Altersvorsorgeeinrichtungen der Sozialversicherung anzusehen sind, ohne allen Anforderungen von Anhang A Nr. 2.117 zu genügen?

    6.      a)      Bezeichnet der Begriff des Staates in Anhang A Nr. 2.117 Buchst. b und Nr. 17.43 der Verordnung Nr. 549/2013 nur die jeweilige Primäreinheit, oder gehören dazu jeweils auch auf gesetzlicher Grundlage errichtete, rechtlich verselbständigte, pflichtmitgliedschaftlich organisierte und beitragsfinanzierte Versorgungseinrichtungen mit dem Recht zur Selbstverwaltung und eigener Rechnungslegung?

    Falls Letzteres zutrifft:

    b)      Meint das Festlegen von Beiträgen und Leistungen in Anhang A Nr. 2.117 Buchst. b der Verordnung Nr. 549/2013 eine betragsmäßige Festlegung, oder genügt es, wenn ein Gesetz die mindestens zu sichernden Risiken und das Mindestniveau der Sicherung vorschreibt sowie Grundsätze und Grenzen der Beitragserhebung regelt, die Beitrags- und Leistungsbemessung in diesem Rahmen aber der Versorgungseinrichtung überlässt?

    c)      Umfasst der Begriff der staatlichen Einheit im Sinne von Anhang A Nr. 20.39 der Verordnung Nr. 549/2013 nur institutionelle Einheiten, die sämtliche Anforderungen von Anhang A Nrn. 20.10 und 20.12 erfüllen?

    III. Verfahren vor dem Gerichtshof

    23.      Die Vorabentscheidungsersuchen sind am 15. Dezember 2022 beim Gerichtshof eingegangen. Aufgrund ihrer Ähnlichkeit wurden die beiden Rechtssachen verbunden.

    24.      Die EZB, die Deutsche Bundesbank, die Bayerische Ärzteversorgung in Vertretung der fünf bayerischen Versorgungsanstalten, die Sächsische Ärzteversorgung sowie die Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht. Sie alle haben an der mündlichen Verhandlung vom 13. Dezember 2023 teilgenommen.

    IV.    Würdigung

    25.      Bevor ich die Vorlagefragen konkret beantworte, halte ich es für angebracht, zu erläutern, warum Altersvorsorgeeinrichtungen aufgrund ihrer Bedeutung für die Wirtschafts- und Währungspolitik der Mitgliedstaaten bestimmten Berichtspflichten unterliegen. Ebenfalls als einleitende Erwägung werde ich die Merkmale des in Deutschland bestehenden Alterssicherungssystems, soweit sie für die vorliegenden Vorabentscheidungsersuchen von Bedeutung sind, sowie die wesentlichen Merkmale des ESVG 2010 erörtern.

    A.      Wirtschaftliche Bedeutung der Altersvorsorgeeinrichtungen

    26.      Altersvorsorgeeinrichtungen spielen eine wichtige Rolle für die Wirtschaft des Euro-Währungsgebiets und der Europäischen Union insgesamt, da sie den Haushalten die Möglichkeit bieten, für den Ruhestand zu sparen, und gleichzeitig zu einem langfristig effizienten Kapitaleinsatz beitragen.

    27.      Seit der Finanzkrise von 2008 haben sich die Aktiva der Altersvorsorgeeinrichtungen vervielfacht und belaufen sich Schätzungen zufolge auf mehr als 3 Bio. Euro. Diese Schätzungen deuten darauf hin, dass sich der Anteil der Altersvorsorgeeinrichtungen am BIP des Euro-Währungsgebiets fast verdoppelt hat – von 13 % im Jahr 2008 auf aktuell mehr als 25 %(17).

    28.      Zu den Aktiva, in die Altersvorsorgeeinrichtungen am meisten investieren, zählen Investmentfondsanteile und Schuldverschreibungen. Geringer fallen die Investitionen in Aktien und Anteile, Finanzderivate, Bargeld und Kredite aus(18).

    29.      Aufgrund der Lücken in den verfügbaren Daten und der mangelnden Vergleichbarkeit zwischen den Ländern konnten die Auswirkungen der Altersvorsorgeeinrichtungen auf die Transmission der Geldpolitik sowie die Risiken im Zusammenhang mit dem Investitionsverhalten der Altersvorsorgeeinrichtungen selbst und ihrer Verflechtung mit dem übrigen Finanzsystem und der Realwirtschaft nur schwer beurteilt werden.

    30.      Aus diesem Grund hielt es die EZB für erforderlich, über harmonisierte und qualitativ hochwertige Statistiken über die Altersvorsorgeeinrichtungen im Euro-Währungsgebiet zu verfügen, und dies erklärt die Entstehungsgeschichte der Vorschriften über die statistischen Berichtspflichten.

    31.      Ursprünglich wurden in Art. 2 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 2533/98(19) Altersvorsorgeeinrichtungen (bzw. Pensionskassen) aus dem sogenannten „Referenzkreis der Berichtspflichtigen“(20) ausgenommen. Die EZB empfahl jedoch ihre Aufnahme(21), was in der Verordnung (EG) Nr. 951/2009 umgesetzt wurde(22).

    32.      Für diese Änderung wurden folgende Argumente angeführt:

    –      Der Referenzkreis der Berichtspflichtigen müsse den Sektor finanzielle Kapitalgesellschaften insgesamt und insbesondere Versicherungsgesellschaften und Altersvorsorgeeinrichtungen umfassen, die im Hinblick auf das Finanzanlagevermögen den zweitgrößten Teilsektor der finanziellen Kapitalgesellschaften darstellten.

    –      Es sei wahrscheinlich, dass das wachsende Bewusstsein über die finanziellen Auswirkungen der höheren Lebenserwartung sowie die Tendenz zu privat finanzierter Altersvorsorge die Bedeutung dieses Teilsektors für die geldpolitischen Entscheidungen der EZB erhöht hätten.

    –      Die Einheiten dieses Teilsektors betrieben das Portfolio-Management viel aktiver als früher, was ihre Bedeutung für die Geldpolitik weiter vergrößert habe.

    33.      Nach ihrer Aufnahme in den Referenzkreis der Berichtspflichtigen wurden die Altersvorsorgeeinrichtungen mit der Verordnung 2018/231 verpflichtet, statistische Daten an die Zentralbanken des Euro-Währungsgebiets zu übermitteln(23). Auf diese Weise erhält die EZB genaue Informationen über die Rolle der Altersvorsorgeeinrichtungen im Mechanismus zur Transmission der Geldpolitik.

    34.      In der mündlichen Verhandlung hat die EZB erklärt, dass die Verordnung 2018/231 ihr nun die Erhebung der für ihre Entscheidungsfindung erforderlichen detaillierten vierteljährlichen Statistiken über die Finanzgeschäfte der Altersvorsorgeeinrichtungen ermögliche. Zuvor habe sie diese nur indirekt, jährlich und in Bezug auf die Aktiva, nicht aber in Bezug auf die Passiva erhalten.

    B.      Altersvorsorge in Deutschland

    35.      Die Altersvorsorge ist in Deutschland über verschiedene Systeme (Säulen) abgesichert. Das allgemeine System ist die Rentenversicherung als Zweig der Sozialversicherung, es gibt jedoch noch weitere Systeme(24), wie z. B. die Versorgungseinrichtungen für bestimmte Berufsgruppen(25).

    36.      Die berufsständischen Versorgungseinrichtungen unterliegen den in den einzelnen Bundesländern geltenden Vorschriften. Gemäß diesen Vorschriften können die Versorgungseinrichtungen in der Regel auf Antrag der Berufskammern entweder als autonome Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder als von den sie verwaltenden Berufskammern abhängige Einrichtungen gegründet werden. Die von ihnen erfassten Berufe sind nicht in allen Bundesländern identisch.

    37.      Die berufsständischen Versorgungseinrichtungen finanzieren sich aus den Beiträgen ihrer Mitglieder, die von den Beiträgen zum allgemeinen Sozialversicherungssystem befreit sind. Mit den durch diese Beiträge eingenommenen Mitteln erzielen sie zusätzliche Gewinne, indem sie sie wie jeder andere finanzielle Mittler auf den Kapitalmärkten anlegen.

    38.      Sobald in dem Bundesland, in dem die Angehörigen der Berufsgruppe tätig sind, eine berufsständische Versorgungseinrichtung gegründet wurde, sind sie verpflichtet, dieser beizutreten und einen Pflichtbeitrag zu zahlen, zu dem sie einen freiwilligen Beitrag hinzufügen können. Pflichtmitglieder, die ihre Berufstätigkeit einstellen, können freiwillige Mitglieder der Versorgungseinrichtung bleiben. Bei der Festlegung der Beiträge unterscheiden die Versorgungseinrichtungen nicht zwischen Pflichtmitgliedschaft und freiwilliger Mitgliedschaft.

    39.      Die berufsständischen Versorgungseinrichtungen finanzieren die Leistungen aus den Beiträgen ihrer Mitglieder. Sie handeln folglich nach dem Grundsatz der Verteilung der Risiken: Ihre Leitungsorgane entscheiden über die Höhe der Beiträge und die Parameter für die Berechnung der an die Mitglieder zu zahlenden Leistungen.

    40.      Die Verwaltungskosten werden von den berufsständischen Versorgungseinrichtungen selbst finanziert, die weder öffentliche Mittel noch Unterstützung erhalten. Dies unterscheidet sie u. a. vom allgemeinen Rentensystem der Sozialversicherung, dessen Defizite aus dem Staatshaushalt ausgeglichen werden.

    41.      Die deutschen berufsständischen Versorgungseinrichtungen spielen als Altersvorsorgeeinrichtungen eine bedeutende Rolle. Konkret wird das Anlagevolumen der fünf bayerischen Versorgungsanstalten (Rechtssache C‑758/22) auf 106,8 Mrd. Euro im Jahr 2022 geschätzt, und das der sächsischen Vorsorgeeinrichtung (Rechtssache C‑759/22) auf 4,7 Mrd. Euro(26).

    42.      In der mündlichen Verhandlung hat die Deutsche Bundesbank erklärt, die sechs klagenden Versorgungseinrichtungen seien die einzigen, die sich gegen die detaillierten vierteljährlichen statistischen Berichtspflichten gegenüber der EZB in Anwendung der Verordnung 2018/231 wendeten. Die anderen vergleichbaren deutschen Einrichtungen hätten die Einstufung als Altersvorsorgeeinrichtung akzeptiert und die geforderten Daten zur Verfügung gestellt.

    C.      Auslegung der Klassifikation des ESVG 2010

    43.      Für die Bestimmung, welche Altersvorsorgeeinrichtungen zur Übermittlung detaillierter statistischer Daten an die EZB verpflichtet sind, verweist die Verordnung 2018/231 auf die durch die Verordnung Nr. 549/2013 im ESVG 2010 festgelegten Konzepte.

    44.      Das ESVG 2010 ist eine statistische Systematik, die in Anhang A der Verordnung Nr. 549/2013 aufgeführt ist. Es handelt sich um „ein international vereinheitlichtes Rechnungssystem, das systematisch und detailliert eine Volkswirtschaft (Region, Land, Ländergruppe) mit ihren wesentlichen Merkmalen und den Beziehungen zu anderen Volkswirtschaften beschreibt“(27).

    45.      Der Gerichtshof hat in Bezug auf das ESVG 2010 Folgendes festgestellt:

    –      „… mit dem ESVG 2010 [wird] für die Zwecke der Union, insbesondere für die Festlegung und Überwachung der Wirtschafts- und Sozialpolitik der Union, ein Bezugsrahmen für die Erstellung der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen der Mitgliedstaaten geschaffen … Um vergleichbare Ergebnisse zu erzielen, sollten diese Gesamtrechnungen, wie es im dritten Erwägungsgrund dieser Verordnung heißt, nach einheitlichen Grundsätzen erstellt werden, die keine unterschiedlichen Auslegungen zulassen[(28)].“

    –      „Wie sich Art. 1 der Verordnung Nr. 549/2013 entnehmen lässt, legt das ESVG 2010 eine in Anhang A enthaltene Methodik insbesondere für die gemeinsamen Definitionen und Buchungsregeln fest, die zur Erstellung von Konten auf nationaler und regionaler Ebene sowie von Tabellen auf vergleichbaren Grundlagen für die Zwecke der Union verwendet wird. Diese Konten sind von den Mitgliedstaaten gemäß Art. 3 der Verordnung Nr. 549/2013 an die Kommission (Eurostat) zu übermitteln[(29)].“

    46.      Da es sich beim ESVG um ein statistisches Instrument handelt, ist bei seiner Auslegung zu berücksichtigen, dass die darin verwendeten Konzepte nicht immer mit den entsprechenden verwaltungsrechtlichen Begriffen übereinstimmen. Außerdem heißt es in der Verordnung Nr. 549/2013, dass „[sich d]ie ESVG-Konzepte … in der Regel von den entsprechenden administrativen Konzepten [unterscheiden], denn die administrativen Konzepte … d) sind für wirtschaftliche Analysen und die Bewertung der Wirtschaftspolitik in der Regel nicht optimal“(30).

    47.      Die Begriffe und Begrifflichkeiten des ESVG 2010 zeigen einen wirtschaftlichen Gesamtansatz und können nicht isoliert und am Wortlaut orientiert ausgelegt werden. Nur bei einer Auslegung nach systematischen und teleologischen Kriterien kann die ihnen zugrunde liegende Logik entschlüsselt werden(31). Des Weiteren ist zu beachten, dass die Definitionen des ESVG durch Indikatoren, mit deren Hilfe das Vorliegen ihrer Elemente geprüft werden kann, sowie durch Abbildungen ergänzt werden, die eine Verbindung zwischen den sich aus den einzelnen Definitionen ergebenden Prüfungsschritten herstellen.

    48.      Insbesondere ist, wenn die Nummern in verschiedenen Kapiteln dieselbe Frage behandeln und demselben Zweck dienen, davon auszugehen, dass sie trotz dieser redaktionellen Abweichungen „unter gegenseitigem Bezug auszulegen und als eine einheitliche Norm anzusehen sind“(32).

    49.      Nach dem ESVG 2010 ist jede institutionelle Einheit(33) einem der fünf, sich gegenseitig ausschließenden inländischen Sektoren zuzuordnen (nicht finanzielle Kapitalgesellschaften, finanzielle Kapitalgesellschaften, Staat, private Haushalte, private Organisationen ohne Erwerbszweck)(34).

    50.      Die zur Vorabentscheidung vorgelegten Fragen betreffen zwei dieser fünf in Anhang A aufgeführten Sektoren(35):

    –      den Sektor finanzielle Kapitalgesellschaften (S.12), zu dem die Teilsektoren Finanzinstitute wie Versicherungsgesellschaften (S.128) und Altersvorsorgeeinrichtungen (S.129) gehören, und

    –      den Sektor Staat (S.13), zu dem u. a. der Teilsektor Sozialversicherung (S.1314) gehört.

    D.      Vierte, fünfte und sechste Vorlagefrage

    51.      Meines Erachtens ist es für die Beantwortung der Fragen des vorlegenden Gerichts am zweckmäßigsten, zunächst auf die vierte, die fünfte und die sechste Vorlagefrage gemeinsam einzugehen, um zu klären, ob es sich bei den klagenden Versorgungseinrichtungen um Altersvorsorgeeinrichtungen handelt oder ob sie zur Sozialversicherung gehören. Die Debatte konzentriert sich auf die Frage, welche dieser beiden Optionen zutreffend ist; alle sonstigen Optionen sind ausgeschlossen(36).

    52.      Die Einstufung der institutionellen Einheiten im ESVG 2010 hat durch eine Gesamtbetrachtung ihrer Merkmale auf der Grundlage der von ihnen ausgeübten Wirtschaftstätigkeit zu erfolgen(37). Eine enge Auslegung der Definitionen und Kriterien des ESVG 2010, die die wirtschaftliche Haupttätigkeit der jeweiligen institutionellen Einheit nicht berücksichtigt, wäre nicht angemessen. Die sogenannten Entscheidungsbäume (wie z. B. Abbildung 2.1 des ESVG 2010) sind flexibel einzusetzen, ohne dass dabei zwingend eine strenge und unveränderliche Reihenfolge einzuhalten ist, die die wirtschaftliche Tätigkeit der institutionellen Einheit außer Acht lässt. Letzteres ist, wie ich wiederholen möchte, entscheidend für die Einstufung.

    53.      Das vorlegende Gericht fragt sich, wie der in der Verordnung 2018/231 enthaltene Begriff der Altersvorsorgeeinrichtungen mit den im ESVG 2010 verwendeten Definitionen und Kriterien zur Einstufung dieser Art von institutionellen Einheiten in Verbindung steht.

    54.      Nach Art. 2 Abs. 1 der Verordnung 2018/231 besteht der tatsächliche Kreis der Berichtspflichtigen, der den statistischen Berichtspflichten gegenüber der EZB in vollem Umfang unterliegt, aus den in den Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets gebietsansässigen Altersvorsorgeeinrichtungen.

    55.      Bei der Bestimmung des Begriffs „Altersvorsorgeeinrichtung“ verweist Art. 1 Nr. 1 der Verordnung 2018/231 zwar auf den Teilsektor S.129 des ESVG 2010, legt jedoch eine eigene Definition fest(38) und schließt aus dieser Begriffsbestimmung „de[n] Teilsektor Sozialversicherung im Sinne von Nummer 2.117 ESVG 2010“ aus. Der Begriff „Altersvorsorgeeinrichtung“ aus der Verordnung 2018/231 stimmt im Wesentlichen mit dem aus Nr. 2.105 des ESVG 2010 überein.

    56.      Grundsätzlich fallen die klagenden Versorgungseinrichtungen aufgrund ihres Zwecks unter die Definition der Altersvorsorgeeinrichtungen in der Verordnung 2018/231 und im ESVG 2010, da ihre Hauptfunktion in der finanziellen Mittlertätigkeit (im Sinne von Art. 1 Abs. 1 der Verordnung 2018/231) besteht und sie Einkommen im Ruhestand und Leistungen bei Erwerbsunfähigkeit und Tod bereitstellen.

    57.      Ich werde bei der Würdigung auf folgende Punkte eingehen: a) die Einstufung der klagenden Versorgungseinrichtungen als Altersvorsorgeeinrichtungen, b) die Gründe, warum sie nicht zum Sektor Sozialversicherung zu zählen sind, und c) ihre Beziehung zum Konzept „Staat“.

    1.      Erfüllen die klagenden Versorgungseinrichtungen die Kriterien des ESVG 2010 für Altersvorsorgeeinrichtungen?

    58.      Die Nrn. 2.107 bis 2.110 des ESVG 2010 enthalten Kriterien für die Bestimmung von Altersvorsorgeeinrichtungen, die ich mit Bezug zu den klagenden Versorgungseinrichtungen aufführen werde.

    59.      Erstens werden als Beispiele für Teilnehmer an Altersvorsorgeeinrichtungen „Arbeitnehmer eines einzigen Unternehmens oder einer Gruppe von Unternehmen, Arbeitnehmer eines Produktionsbereichs oder eines Wirtschaftsbereichs sowie Personen, die der gleichen Berufsgruppe angehören“(39), genannt. Die Mitglieder der klagenden Versorgungseinrichtungen sind Personen, die reglementierte Berufe in zwei deutschen Bundesländern ausüben.

    60.      Zweitens kann es sich „[b]ei den vertraglich vereinbarten Leistungen … um folgende Leistungen handeln: Zahlungen nach dem Tod des Versicherten an seine Hinterbliebenen; Zahlungen nach dem Eintritt in den Ruhestand oder Leistungen, die nach der Invalidisierung des Versicherten gezahlt werden“(40). Die klagenden Versorgungseinrichtungen stellen Einkommen im Ruhestand und häufig Leistungen bei Tod und Erwerbsunfähigkeit bereit.

    61.      Drittens sind Altersvorsorgeeinrichtungen „[i]m Gegensatz zu Lebensversicherungsgesellschaften … von Gesetzes wegen auf spezifische Gruppen von Arbeitnehmern und Selbstständigen beschränkt“(41). Die Mitglieder der klagenden Versorgungseinrichtungen gehören ausschließlich zu einer Gruppe von Selbständigen, d. h. zu Selbständigen, die bestimmte reglementierte Berufe ausüben.

    62.      Viertens können „Altersvorsorgeeinrichtungen … von Arbeitgebern oder vom Staat organisiert werden. Sie können auch von Versicherungsgesellschaften im Namen von Arbeitnehmern organisiert werden; oder es können separate institutionelle Einheiten errichtet werden, die die Vermögenswerte halten und verwalten, auf die zur Deckung der Ansprüche gegenüber Altersvorsorgeeinrichtungen und zur Verteilung der Zahlungen aus Altersvorsorgeeinrichtungen zurückgegriffen wird.“(42) Im vorliegenden Fall veranlassen die deutschen Berufskammern, bei denen es sich um Einrichtungen des öffentlichen Rechts handelt, die Gründung der Versorgungseinrichtungen, die selbstverwaltet und autonom sind(43).

    2.      Gründe, warum die klagenden Versorgungseinrichtungen nicht zum Sektor Sozialversicherung zu zählen sind

    63.      Eine Einheit kann nicht als Altersvorsorgeeinrichtung eingestuft werden und gleichzeitig unter den Teilsektor S.1314 (Sozialversicherung) fallen, der zum Sektor 13 (Staat) des ESVG 2010 gehört. Es handelt sich um Kategorien, die sich gegenseitig ausschließen.

    64.      Nach Nr. 2.117 des ESVG 2010 umfasst der Teilsektor „Sozialversicherung“ die Einheiten: a) deren Haupttätigkeit in der Gewährung von Sozialleistungen zugunsten von Bevölkerungsgruppen besteht, die aufgrund gesetzlicher Regelungen zur Teilnahme an dem System oder zu Beitragszahlung verpflichtet sind, und b) für die der Staat die Beiträge und Leistungen festlegt und insofern einen Teil der Leitung übernimmt(44).

    65.      Die klagenden Versorgungseinrichtungen erfüllen zwar weitgehend das erste Kriterium (Pflichtmitgliedschaft)(45) für die Einstufung zur Sozialversicherung(46), jedoch scheint dies auf das zweite Kriterium (der Staat übernimmt die Leitung) nicht zuzutreffen.

    66.      Die klagenden Versorgungseinrichtungen müssen zwar die gesetzlich vorgeschriebenen Mindestanforderungen erfüllen(47), aber über die Festlegung von Beiträgen und Leistungen entscheidet, anders als bei der Sozialversicherung, nicht der Staat.

    67.      Nach den Angaben in den Vorlagebeschlüssen gilt für die klagenden Versorgungseinrichtungen Folgendes:

    –      Sie regeln durch die von ihren Vertretungsorganen verabschiedete Satzung die Erhebung von Beiträgen oder Umlagen zur Finanzierung ihrer Aufgabenerfüllung.

    –      Sie setzen die Voraussetzungen, die Art und Höhe sowie das Erlöschen der Versorgungsansprüche sowie der Leistungen bei Tod oder Erwerbsunfähigkeit fest.

    –      Sie üben die finanzielle Mittlertätigkeit auf eigene Rechnung und eigenes Risiko aus, indem sie die aus den Pflichtbeiträgen und freiwilligen Beiträgen ihrer Mitglieder erhaltenen Mittel anlegen, um Gewinne zu erwirtschaften, die sie zur Zahlung von Leistungen bei Eintritt in den Ruhestand, Tod und Erwerbsunfähigkeit an ihre Mitglieder und zur Deckung ihrer Verwaltungskosten verwenden.

    –      Sie sind selbstverwaltet, verfügen über eine eigene Rechnungslegung und sind von den Berufskammern, die sie gegründet haben, unabhängig.

    –      Sie sind für ihre Finanzverwaltung selbst verantwortlich und werden, anders als die Sozialversicherung, im Fall eines Defizits nicht vom deutschen Staat unterstützt: Dies stellt das vorlegende Gericht ausdrücklich fest(48). Das allgemeine System der Sozialversicherung hingegen ist als Institution der Sozialversicherung im Sinne von Nr. 2.117 des ESVG 2010 einzustufen, an die der Staat erhebliche finanzielle Beiträge zur Deckung ihrer Defizite leistet.

    68.      Nr. 20.39 des ESVG 2010 bestätigt meines Erachtens abschließend, dass Versorgungseinrichtungen wie die Klägerinnen nicht Teil des Sozialversicherungssystems sind. Gemäß dieser Nummer handelt es sich nicht um ein Sozialversicherungssystem, wenn es ohne staatliche Garantie für die Höhe der zu zahlenden Leistungen der Alterssicherung arbeitet und die Höhe der Leistungen von der Ertragskraft der Vermögenswerte der Versorgungseinrichtung abhängt.

    69.      Im vorliegenden Fall hängt die Höhe der von den klagenden Versorgungseinrichtungen zu zahlenden Leistungen der Alterssicherung von den Ergebnissen ihrer Mittlertätigkeit ab, d. h. von der Ertragskraft der Vermögenswerte der Versorgungseinrichtung. Erzielen sie hohe Gewinne, können sie höhere Leistungen auszahlen, und umgekehrt. Es gibt keine staatliche Garantie für die Höhe der zu zahlenden Leistungen der Alterssicherung.

    70.      Anders als es das vorlegende Gericht darstellt, steht Nr. 17.43 des ESVG 2010(49) den vorstehenden Ausführungen nicht entgegen. Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts ist die Definition der Altersvorsorgeeinrichtungen der Sozialversicherung in Nr. 17.43 des ESVG als eigenständig und abschließend anzusehen, so dass der Staatsbegriff auch juristische Personen des öffentlichen Rechts umfasse, die gegenüber der Primäreinheit verselbständigt seien. Dies sei bei den klagenden Versorgungseinrichtungen der Fall: Sie seien den Altersvorsorgeeinrichtungen der Sozialversicherung zuzuordnen, weil das Gesetz ihren Pflichtmitgliedern die Teilnahme an ihrer Alterssicherung aufgebe und weil sie ihre Leistungen als mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestattete institutionelle Einheiten eines Bundeslands gewährten.

    71.      Ich vertrete jedoch den Standpunkt, dass sich Nr. 2.117 und Nr. 17.43 des ESVG 2010 ergänzen und zusammen im Rahmen einer harmonisierten und kohärenten Auslegung anzuwenden sind(50).

    72.      Nr. 17.43 befindet sich in Kapitel 17 des ESVG 2010 und bezieht sich auf die soziale Sicherung, einschließlich der Alterssicherung, ist aber, wie ich wiederholen möchte, in Verbindung (und in Übereinstimmung) mit Nr. 2.117 zu lesen, die die institutionellen Einheiten bestimmt, die als Institutionen der Sozialversicherung einzustufen sind(51).

    73.      Die Voraussetzungen von Nr. 2.117 dürfen bei der Anwendung der Kriterien von Nr. 17.43 nicht außer Acht gelassen werden. Die Einstufung der institutionellen Einheiten kann nicht losgelöst von den Nummern in Kapitel 2 des ESVG 2010 erfolgen.

    74.      Nr. 2.117 des ESVG 2010 definiert den Teilsektor Sozialversicherung, während Nr. 17.43 eine speziellere Vorschrift zur Differenzierung innerhalb dieses Teilsektors ist. Nr. 17.43 setzt die Erfüllung aller Definitionsmerkmale von Nr. 2.117 voraus und ergänzt sie zur Abgrenzung der Altersvorsorgeeinrichtungen der Sozialversicherung um weitere Merkmale.

    75.      Folglich komme ich zu dem Schluss, dass solche Versorgungseinrichtungen, wie es die Klägerinnen sind, nicht als zum Teilsektor Sozialversicherung gehörend (bzw. Institution der Sozialversicherung) eingestuft werden können.

    3.      Staat und berufsständische Versorgungseinrichtungen

    76.      Mit der sechsten Vorlagefrage möchte das vorlegende Gericht klären, ob der Begriff „Staat“ in Nr. 2.117 Buchst. b und Nr. 17.43 des ESVG 2010 nur „die jeweilige Primäreinheit“ bezeichnet oder ob dazu jeweils auch „auf gesetzlicher Grundlage errichtete, rechtlich verselbstständigte, pflichtmitgliedschaftlich organisierte und beitragsfinanzierte Versorgungseinrichtungen mit dem Recht zur Selbstverwaltung und eigener Rechnungslegung“(52) gehören.

    77.      Meines Erachtens ermöglichen es die Nrn. 2.117 Buchst. b, 17.43 und 20.39 des ESVG 2010 nicht, die klagenden Versorgungseinrichtungen, die als Altersvorsorgeeinrichtungen verwaltende finanzielle Kapitalgesellschaften handeln, als staatliche Einheit einzustufen.

    78.      Ich stimme mit der Deutschen Bundesbank darin überein, dass zwar die Einheit, die den rechtlichen Rahmen der berufsständischen Versorgungseinrichtungen regelt, als Staat angesehen werden kann, nicht aber die Versorgungseinrichtung selbst, da für sie vollständige Autonomie und Verantwortlichkeit gegenüber ihren Mitgliedern gilt und sie bei der Verwaltung ihrer Altersvorsorgeeinrichtung als finanzieller Mittler auftritt.

    79.      Wie ich bereits dargestellt habe, wird außerdem in Nr. 20.39 des ESVG 2010 festgestellt, dass eine Versorgungseinrichtung, selbst wenn sie von einer staatlichen Einheit gegründet wird, nicht als Sozialversicherungssystem behandelt wird, wenn sie ohne staatliche Garantie für die Höhe der zu zahlenden Leistungen der Alterssicherung arbeitet.

    80.      Nr. 20.10 des ESVG 2010 steht der von mir vertretenen Antwort ebenfalls nicht entgegen, da die klagenden Versorgungseinrichtungen nach den dem Gerichtshof vorgelegten Informationen keine Transferzahlungen aus dem staatlichen Haushalt erhalten. Sie können daher nicht als außerbudgetäre Einheiten eingestuft werden.

    81.      Das Gleiche gilt für Nr. 20.12 des ESVG 2010, wonach „Sozialversicherungssysteme … Systeme der sozialen Sicherung [sind], in die die gesamte Bevölkerung oder weite Kreise der Bevölkerung einbezogen sind und die von staatlichen Einheiten vorgeschrieben und kontrolliert werden“(53). Die klagenden Versorgungseinrichtungen hingegen decken nur einen begrenzten Teil der Arbeitnehmer (freie Berufe) ab, und sie werden, wie ich wiederholen möchte, nicht staatlich kontrolliert.

    82.      Im Ergebnis vertrete ich den Standpunkt, dass diese Versorgungseinrichtungen als Altersvorsorgeeinrichtung im Sinne von Art. 1 Abs. 1 der Verordnung 2018/231 und Anhang A Nrn. 2.105 bis 2.110 der Verordnung Nr. 549/2013 und nicht als Sozialversicherung einzustufen sind.

    E.      Erste, zweite und dritte Vorlagefrage

    83.      Die erste, die zweite und die dritte Vorlagefrage betreffen die Einstufung der institutionellen Einheiten danach, ob sie eine marktbestimmte Tätigkeit ausüben oder nicht.

    84.      Wenn angenommen wird, dass die klagenden Versorgungseinrichtungen nicht zum Teilsektor Sozialversicherung (S.1314) gehören, der dem Sektor Staat (S.13) zugeordnet wird, und dass sie als Altersvorsorgeeinrichtungen eine finanzielle Mittlertätigkeit ausüben, bedeutet dies implizit, dass sie eine marktbestimmte Tätigkeit ausüben.

    85.      Um die in den ersten drei Vorlagefragen dargestellten Zweifel zu klären, halte ich es gleichwohl für sinnvoll, darzulegen, warum diese Versorgungseinrichtungen nach der Terminologie des ESVG 2010 eine marktbestimmte Tätigkeit ausüben. Dies ist auch im Hinblick auf den Auslegungsansatz erforderlich, der für das ESVG 2010 heranzuziehen ist.

    86.      Die vom ESVG 2010 vorgegebene, auf zwei mögliche Lösungen begrenzte Prüfung (Markt-/Nichtmarktproduktion) ist auf die sogenannte „klassische“ Produktion von Waren und Dienstleistungen ohne größere Schwierigkeiten anwendbar. Für ihre Anwendung auf finanzielle Mittlertätigkeiten ist hingegen eine Gesamtbetrachtung der Indikatoren des ESVG 2010 erforderlich.

    87.      Nach Nr. 2.55 des ESVG 2010 „[umfasst d]er Sektor finanzielle Kapitalgesellschaften (S.12) … institutionelle Einheiten, die eine eigene Rechtspersönlichkeit besitzen und als Marktproduzenten in der Haupttätigkeit finanzielle Dienstleistungen produzieren“(54).

    88.      Nach Auffassung des vorlegenden Gerichts ist unstreitig, dass die klagenden Versorgungseinrichtungen die erste und die dritte der drei genannten Voraussetzungen erfüllen: Es handele sich um Einrichtungen des öffentlichen Rechts, und sie übten eine finanzielle Mittlertätigkeit aus, die Folge der Zusammenfassung sozialer Risiken und Bedürfnisse ihrer Versicherten sei(55).

    89.      Die Zweifel des vorlegenden Gerichts betreffen somit die zweite Voraussetzung, d. h. die Bedingung, dass es sich bei den klagenden Versorgungseinrichtungen um Marktproduzentinnen handeln muss. Für die Erläuterung seiner Fragen verweist das Gericht auf das Vorliegen bzw. Nichtvorliegen bestimmter quantitativer Indikatoren (erste und zweite Vorlagefrage) bzw. qualitativer Indikatoren (dritte Vorlagefrage) im ESVG 2010, nach denen eine Marktproduktion zu bestimmen sei.

    90.      Wie die EZB betont(56), ist dieser Ansatz allerdings unvollständig: Die genannten Indikatoren sind keine Voraussetzungen, um einzelne Einheiten als Marktproduzentinnen zu qualifizieren, vielmehr ist die Haupttätigkeit dieser Einheiten ausschlaggebend für diese Einstufung. Nur eine Gesamtbetrachtung ihrer Tätigkeit ermöglicht es, im Rahmen des ESVG 2010 zu akzeptablen Ergebnissen zu gelangen.

    1.      Marktproduktion im ESVG 2010

    91.      Die allgemeinen Kriterien für die Unterscheidung zwischen Markt- und Nichtmarktproduzenten bzw. ‑produktion sind in den Nrn. 3.16 bis 3.26 des ESVG 2010 enthalten. Das vorlegende Gericht konzentriert seine Fragen insbesondere auf die Auslegung von Nr. 3.19.

    92.      Nach Nr. 1.37 des ESVG 2010 gilt eine Tätigkeit als marktbestimmte Tätigkeit, wenn die entsprechenden Waren und Dienstleistungen unter den Bedingungen gehandelt werden, die dort für Verkäufer, Käufer und Märkte, auf denen diese zusammentreffen, genannt werden(57).

    93.      Zur Marktproduktion zählen insbesondere „zu wirtschaftlich signifikanten Preisen verkaufte Güter“, auf die sich Nr. 3.19 des ESVG 2010 bezieht(58). Preise gelten dann als wirtschaftlich signifikant, „wenn sie die von den Produzenten angebotenen und von den Käufern nachgefragten Warenmengen wesentlich beeinflussen“.

    94.      Wirtschaftlich signifikante Preise wiederum ergeben sich, wenn zwei Bedingungen gegeben sind: a) Der Produzent hat einen Anreiz, das Angebot zu regulieren, um langfristig einen Gewinn zu machen oder zumindest Kapital- und andere Kosten abzudecken, und b) die Verbraucher können sich für oder gegen einen Kauf entscheiden und treffen ihre Entscheidung auf der Grundlage der geforderten Preise.

    95.      Da es nicht immer möglich ist, die Erfüllung dieser beiden Bedingungen zu überprüfen, nennt Nr. 3.19 a. E. des ESVG 2010 ein quantitatives Kriterium, wonach mindestens 50 % der Kosten der jeweiligen institutionellen Einheit durch Verkäufe gedeckt werden sollten(59).

    96.      Nach Nr. 2.40 des ESVG 2010 hängt „[d]ie Unterscheidung zwischen markt- und nichtmarktbestimmt, und in diesem Zusammenhang bei Einheiten des öffentlichen Sektors die Zuordnung zum Staats- oder zum Unternehmenssektor … von den in Nummer 1.37 dargelegten Kriterien ab“.

    97.      Diese letztgenannte Nummer (Nr. 1.37) wiederum gehört zu Kapitel 1 in Anhang A, das einen Überblick über die Merkmale und Prinzipien des ESVG 2010 enthält. Daher sind die Voraussetzungen in Nr. 1.37 durch die in den speziellen Kapiteln des ESVG 2010 enthaltenen Indikatoren zu ergänzen.

    2.      Anwendung dieser Kriterien auf die klagenden Versorgungseinrichtungen

    98.      Ich räume ein, dass die in den Nrn. 3.16 bis 3.26 und 1.37 des ESVG 2010 genannten Kriterien für die Unterscheidung zwischen Markt- und Nichtmarktproduktion nicht ohne Schwierigkeiten auf finanzielle Kapitalgesellschaften wie die klagenden Versorgungseinrichtungen angewendet werden können.

    99.      Das vorlegende Gericht ist sich dieser Schwierigkeit bewusst(60) und verweist auf Nr. 3.19 des ESVG 2010. Es nimmt zwar an, dass im vorliegenden Fall die erste der Bedingungen erfüllt sei (der Produzent hat einen Anreiz, das Angebot zu regulieren, um zumindest die Kosten abzudecken), sieht dies jedoch für die zweite Bedingung nicht gegeben (die Verbraucher können sich für oder gegen einen Kauf entscheiden und treffen ihre Entscheidung auf der Grundlage der geforderten Preise).

    100. Nach seiner Auffassung setzt Nr. 3.19 des ESVG 2010 grundsätzlich voraus, dass sich alle Verbraucher für oder gegen einen Kauf aller ihnen angebotenen Produkte entscheiden und ihre Entscheidung auf der Grundlage der geforderten Preise treffen könnten. Dies sei bei den klagenden Versorgungseinrichtungen nicht der Fall, da deren Leistungen allein den Pflichtmitgliedern und denjenigen, die die engen Voraussetzungen einer freiwilligen Mitgliedschaft erfüllten, zur Verfügung stünden. Auch die von den freiwilligen Mitgliedern gezahlten Beiträge ergäben sich nicht aus einem Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage unter Marktbedingungen(61).

    101. Das vorlegende Gericht scheint daher (anders als das erstinstanzliche Gericht(62)) zu verneinen, dass das quantitative 50%-Kriterium (Nr. 3.19 a. E. des ESVG 2010) für eine Einstufung als Marktproduzent ausreiche. Eine solche Einstufung erfordere in jedem Fall das Vorliegen der beiden Elemente der Definition der wirtschaftlich signifikanten Preise (Nr. 3.19 Buchst. a und b des ESVG 2010)(63).

    102. Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts steht Nr. 1.37 im Einklang mit Nr. 3.19 Buchst. b des ESVG 2010, da sie die Bedingungen für den Handel zwischen Verkäufern und Käufern sowie das notwendige Vorhandensein funktionierender Märkte festlege, zu denen Verkäufer und Käufer Zugang hätten und über die sie informiert seien. Allerdings werde in Nr. 1.37 klargestellt, dass ein funktionierender Markt auch vorliegen könne, wenn diese Bedingungen nicht vollständig erfüllt seien, was das vorlegende Gericht zu zweifeln veranlasst, „[w]elcher Art und Intensität Zugangsbeschränkungen oder Abnahmeverpflichtungen sein müssen, um marktbestimmtes Handeln und wirtschaftlich signifikante Preise auszuschließen“(64).

    103. Ich bin der Ansicht, dass eine isolierte Auslegung der beiden in Rede stehenden Nummern (Nrn. 3.19 und 1.37 des ESVG 2010), so wie sie das vorlegende Gericht vornimmt, zwar richtig sein könnte, wenn die übrigen Regelungen des ESVG 2010 außer Acht gelassen werden. Diese Regelungen ermöglichen es, den scheinbaren Widerspruch zwischen diesen beiden Nummern und anderen, nicht weniger wichtigen Nummern des ESVG 2010 zu überwinden.

    104. Tatsächlich erscheint mir eine isolierte und strikte Anwendung des Faktors „wirtschaftlich signifikante Preise“ oder der Bedingungen in Nr. 1.37 des ESVG 2010 auf Einheiten, die finanzielle Mittlertätigkeiten ausüben, nicht angemessen. Entscheidend für die Einstufung dieser Einheiten als Marktproduzentinnen ist, wie ich betonen möchte, die Gesamtbetrachtung(65) ihrer Hauptfunktion, die als ausschlaggebend für ihr wirtschaftliches Verhalten angesehen wird.

    105. Ich habe bereits dargestellt, dass die klagenden Versorgungseinrichtungen institutionelle Einheiten sind, die nach Nr. 2.55 des ESVG 2010 dem Sektor „finanzielle Kapitalgesellschaften“ angehören und in der Haupttätigkeit finanzielle Dienstleistungen produzieren. In Nr. 2.69 des ESVG 2010 werden konkret Versicherungsgesellschaften und Altersvorsorgeeinrichtungen als finanzielle Mittler genannt.

    106. Für die abschließende Beurteilung, ob es sich bei den klagenden Versorgungseinrichtungen um Marktproduzentinnen handelt, sind somit, soweit dies möglich ist, die allgemeinen Kriterien in den Nrn. 3.16 bis 3.26 und 1.37 des ESVG 2010 mit den Nrn. 2.55 bis 2.62, 20.32 bis 20.34 und 20.38 des ESVG 2010 in Einklang zu bringen, die sich speziell auf die finanzielle Mittlertätigkeit und auf die Altersvorsorgeeinrichtungen als finanzielle Mittler beziehen.

    107. Um diese Beurteilung zu erleichtern, könnte der Gerichtshof dem vorlegenden Gericht eine Reihe von Auslegungsleitlinien vorgeben, die ich nachstehend aufzählen werde.

    108. Erstens ist das (freiwillige oder obligatorisch eingegangene) Rechtsverhältnis zwischen der institutionellen Einheit und den Versicherten nicht ausschlaggebend für die Entscheidung, ob es sich bei der finanziellen Mittlertätigkeit der klagenden Versorgungseinrichtungen um eine marktbestimmte Tätigkeit handelt. Entscheidend ist nicht der Umstand, dass die meisten ihrer Beitragszahler zum Beitritt zu diesen Versorgungseinrichtungen verpflichtet sind, sondern die von ihnen ausgeübte Haupttätigkeit, d. h. die finanzielle Mittlertätigkeit(66).

    109. Zweitens ist es für die Einstufung ihrer finanziellen Mittlertätigkeit als marktbestimmte Tätigkeit unerheblich, dass die klagenden Versorgungseinrichtungen nicht zur Gewinnausschüttung berechtigt sind, sondern etwaige Gewinne für die Zahlung von Leistungen an ihre Mitglieder verwenden müssen. In Nr. 2.107 werden Altersvorsorgeeinrichtungen gerade als finanzielle Kapitalgesellschaften beschrieben, die auf Zahlungen nach dem Eintritt in den Ruhestand, nach dem Tod und nach der Erwerbsunfähigkeit an die Versicherten ausgerichtet sind.

    110. Drittens gilt die finanzielle Mittlertätigkeit als marktbestimmte Tätigkeit, wenn die Altersvorsorgeeinrichtungen tätig werden, um gemessen an ihren beschränkten Mitteln den größtmöglichen Nutzen zu erzielen, indem sie ihren Kauf danach richten, welche Güter ihren Bedarf zum verlangten Preis am besten decken (Nr. 2 von Nr. 1.37 des ESVG 2010). Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn ein finanzieller Mittler, wie die klagenden Versorgungseinrichtungen, durch das Eingehen von Verbindlichkeiten auf eigene Rechnung selbst Risiken eingeht (Nr. 20.33 des ESVG 2010) und dabei ohne staatliche Garantie für die Höhe der zu zahlenden Leistungen der Alterssicherung arbeitet, die von der Ertragskraft der Vermögenswerte abhängt (Nr. 20.39)(67).

    111. Viertens gilt nach Nr. 3 von Nr. 1.37 des ESVG 2010 die finanzielle Mittlertätigkeit als marktbestimmte Tätigkeit, sofern funktionierende Märkte existieren, zu denen Verkäufer und Käufer Zugang haben und über die sie informiert sind. Ein funktionierender Markt kann auch dann vorliegen, wenn diese Bedingungen nicht vollständig erfüllt werden

    112. Bei dieser Beurteilung ist, wie bereits dargestellt, unerheblich, dass der finanzielle Mittler nur eine begrenzte Gruppe von Kunden (im Fall der Versorgungseinrichtungen die Angehörigen der betreffenden Berufe) als Kunden für seine Leistungen gewinnen und diese nicht jedem Verbraucher anbieten kann, der bereit ist, die Beiträge zu zahlen. Außerdem nennt Nr. 2.107 des ESVG 2010 als Beispiele für Teilnehmer an Altersvorsorgeeinrichtungen Arbeitnehmer eines einzigen Unternehmens oder einer Gruppe von Unternehmen, Arbeitnehmer eines Produktionsbereichs oder eines Wirtschaftsbereichs sowie Personen, die der gleichen Berufsgruppe angehören.

    113. Das quantitative 50%-Kriterium (Nr. 3.19 a. E. des ESVG 2010) ist nicht ausschlaggebend dafür, ob die Altersvorsorgeeinrichtungen eine marktbestimmte Tätigkeit ausüben oder nicht. Dies geht aus Nr. 20.34 des ESVG 2010 hervor: „Die Anwendung des quantitativen Kriteriums des Markt-/Nichtmarkttests auf öffentliche Kapitalgesellschaften, die als finanzielle Mittler tätig sind oder Vermögen verwalten, ist im Allgemeinen nicht von Belang, da deren Einnahmen sowohl aus Vermögenseinkommen als auch aus Umbewertungsgewinnen stammen.“ Die 50%-Prüfung im Sinne von Nr. 3.19 a. E. des ESVG 2010 scheint vorliegend nicht zu überzeugen(68).

    114. Nach Nr. 2.55 a. E. des ESVG 2010 zählen zum Sektor finanzielle Kapitalgesellschaften (S.12) „auch institutionelle Einheiten, die Finanzdienstleistungen erbringen und bei denen entweder die Forderungen oder die Verbindlichkeiten meist nicht am freien Markt gehandelt werden“. Dies trifft auf die klagenden Versorgungseinrichtungen zu, die in der Regel auf rechtlich begrenzten Märkten tätig sind.

    115. Schließlich kann die von den klagenden Versorgungseinrichtungen erbrachte finanzielle Mittlertätigkeit nicht als Nichtmarktproduktion eingestuft werden, die unentgeltlich oder zu wirtschaftlich nicht signifikanten Preisen zur Verfügung gestellt wird.

    116. Wie in Nr. 3.23 des ESVG 2010 beschrieben, kann die Nichtmarktproduktion den Grund haben, dass es technisch unmöglich ist, Einzelpersonen für kollektive Dienste bezahlen zu lassen, weil der Verbrauch dieser Dienste nicht überwacht und kontrolliert werden kann. Die Produktion derartiger kollektiver Dienste wird von staatlichen Einheiten organisiert und aus Mitteln finanziert, die keine Einnahmen aus Verkäufen sind, nämlich Steuern oder anderen staatlichen Einnahmen. Die finanzielle Mittlertätigkeit der klagenden Versorgungseinrichtungen zielt hingegen darauf ab, die Zahlung der Leistungen (bei Eintritt in den Ruhestand, Tod oder Erwerbsunfähigkeit) an die Versicherten abzusichern, indem ihre Beiträge in Finanzanlagen investiert werden, um Gewinne zu erwirtschaften, mit denen diese Leistungen sowie die Verwaltungskosten gedeckt werden. Die Leistungen werden nicht aus Steuern und anderen staatlichen Einnahmen bezahlt.

    117. Zusammenfassend ist für die Feststellung, ob es sich bei Versorgungseinrichtungen wie den Klägerinnen um Markt- oder Nichtmarktproduzentinnen handelt, eine Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung der allgemeinen Kriterien in den Nrn. 3.16 bis 3.26 und 1.37 des ESVG 2010 sowie der Nrn. 2.55 bis 2.62, 20.32 bis 20.34 und 20.38 des ESVG 2010 über die finanzielle Mittlertätigkeit vorzunehmen.

    V.      Ergebnis

    118. Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, dem Bundesverwaltungsgericht (Deutschland) wie folgt zu antworten:

    Art. 1 Nr. 1 der Verordnung (EU) 2018/231 der Europäischen Zentralbank vom 26. Januar 2018 über die statistischen Berichtspflichten der Altersvorsorgeeinrichtungen und die Nummern in Anhang A der Verordnung (EU) Nr. 549/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2013 zum Europäischen System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen auf nationaler und regionaler Ebene in der Europäischen Union

    sind dahin auszulegen, dass

    es sich bei berufsständischen Versorgungseinrichtungen, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts im Rahmen eines Systems der Pflichtmitgliedschaft für Angehörige bestimmter freier Berufe gegründet wurden, um Altersvorsorgeeinrichtungen handelt, die der statistischen Berichtspflicht unterliegen, und nicht um Institutionen der Sozialversicherung, wenn diese Einheiten eine finanzielle Mittlertätigkeit ausüben, um an ihre Mitglieder Leistungen bei Eintritt in den Ruhestand, Tod oder Erwerbsunfähigkeit zu zahlen, ihre Verwaltungskosten mit den Beiträgen ihrer Mitglieder finanzieren, die von den Einheiten selbst festgelegt werden, sich selbst verwalten, für ihre Finanzverwaltung verantwortlich sind und bei der Zahlung der Leistungen an ihre Mitglieder nicht vom Staat unterstützt werden.


    1      Originalsprache: Spanisch.


    2      Verordnung der Europäischen Zentralbank vom 26. Januar 2018 über die statistischen Berichtspflichten der Altersvorsorgeeinrichtungen (EZB/2018/2) (ABl. 2018, L 45, S. 3; berichtigt in ABl. 2019, L 132, S. 47).


    3      Es handelt sich um Einheiten, die ihren Mitgliedern (bestimmten Berufsgruppen) Versorgungsleistungen bei Berufsunfähigkeit, Eintritt in den Ruhestand und Tod gewähren.


    4      Ich werde sie im Folgenden als „klagende Versorgungseinrichtungen“ bezeichnen.


    5      Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2013 zum Europäischen System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen auf nationaler und regionaler Ebene in der Europäischen Union (ABl. 2013 L 174, S. 1).


    6      Vgl. für alle: Urteile vom 11. September 2019, FIG und FISE (C‑612/17 und C‑613/17, EU:C:2019:705, im Folgenden: Urteil FIG und FISE), und vom 13. Juli 2023, Ferrovienord (C‑363/21 und C‑364/21, EU:C:2013:563, im Folgenden: Urteil Ferrovienord).


    7      Gesetz über das öffentliche Versorgungswesen des Freistaats Bayern (im Folgenden: VersoG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. Juni 2008 (BayGVBl. S. 371), zuletzt geändert durch Art. 32a Abs. 18 des Gesetzes vom 10. Mai 2022 (BayGVBl. S. 182).


    8      Art. 30 Abs. 1 in Verbindung mit den Art. 33 ff. VersoG.


    9      Festgelegt in Art. 30 Abs. 2 VersoG. Dies ist u. a. der Fall, wenn die Berufstätigkeit nur vorübergehend oder in geringem Umfang ausgeübt wird, oder bei Mitgliedschaft in einem anderen berufsständischen Versorgungswerk.


    10      Art. 30 Abs. 3 VersoG.


    11      Art. 10 Abs. 2 und 3 VersoG.


    12      Art. 31 Abs. 4 VersoG. Jede Einheit erbringt – unstreitig – mehr als 50 % ihrer Leistungen als Pflichtleistungen an ihre Pflichtmitglieder.


    13      Sächsisches Heilberufekammergesetz vom 24. Mai 1994 (SächsGVBl. S. 935), zuletzt geändert durch Art. 18 des Gesetzes vom 21. Mai 2021 (SächsGVBl. S. 578). Im Folgenden: SächsHKaG.


    14      Satzung der Sächsischen Ärzteversorgung in der Fassung vom 28. Juni 2008 (ÄBS 10/2008 S. 515), zuletzt geändert durch die 6. Änderungssatzung vom 19. Juni 2021 (ÄBS 09/2021 S. 18). Im Folgenden: Satzung.


    15      Vgl. § 6 Abs. 1 in Verbindung mit § 1 SächsHKaG und § 1 der Satzung.


    16      Vgl. § 6 Abs. 1 in Verbindung mit §§ 1 und 2 SächsHKaG in Verbindung mit § 1 und den §§ 9 ff. der Satzung.


    17      ECB, Assets and liabilities of pension funds, abrufbar unter https://data.ecb.europa.eu/publications/financial-corporations/3030657.


    18      Altersvorsorgeeinrichtungen gehören zu den bedeutendsten Investoren auf den internationalen Kapitalmärkten. Ihre Anlagen sind nach Finanzinstrumenten, Sektoren und geografischer Lage diversifiziert. Auch bei der Finanzierung des Staates und der nicht finanziellen Kapitalgesellschaften im Euro-Währungsgebiet über Investitionen in Schuldverschreibungen, Aktien und Anteile spielen Altersvorsorgeeinrichtungen eine wichtige Rolle.


    19      Verordnung des Rates vom 23. November 1998 über die Erfassung statistischer Daten durch die Europäische Zentralbank (ABl. 1998, L 318, S. 8).


    20      In der statistischen Fachsprache sind dies die Personen oder Einrichtungen, die verpflichtet sind, bestimmte Informationen zu liefern.


    21      Empfehlung für eine Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2533/98 über die Erfassung statistischer Daten durch die Europäische Zentralbank (EZB/2008/9) (ABl. 2008, C 251, S. 1).


    22      Verordnung des Rates vom 9. Oktober 2009 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2533/98 über die Erfassung statistischer Daten durch die Europäische Zentralbank (ABl. 2009, L 269, S. 1).


    23      Die gleichen Verpflichtungen waren zuvor durch die Verordnung (EU) Nr. 1374/2014 der Europäischen Zentralbank vom 28. November 2014 über die statistischen Berichtspflichten der Versicherungsgesellschaften (EZB/2014/50) (ABl. 2014, L 366, S. 36) den Versicherungsgesellschaften auferlegt worden.


    24      Zum Beispiel private Lebens- und Rentenversicherungen, das staatlich festgelegte Alterssicherungssystem für Beamte und vom Arbeitgeber verwaltete Alterssicherungssysteme.


    25      Darunter Ärzte, Apotheker, Architekten, Notare, Rechtsanwälte, Steuerberater, Tierärzte, Buchhalter, Zahnärzte und Ingenieure.


    26      Jahresbericht der Bayerischen Versorgungskammer 2022, S. 12, abrufbar unter BVK_2022_JB_EN_www_240523.pdf und auf der Website der Sächsischen Ärzteversorgung https://www.saev.de/en/index.html. In ihren Erklärungen weist die EZB darauf hin, dass die Bilanzsumme aller Altersvorsorgeeinrichtungen im Euro-Währungsgebiet 3 123 Mrd. Euro betrage.


    27      Anhang A Nr. 1.01 der Verordnung Nr. 549/2013.


    28      Urteil Ferrovienord (Rn. 64).


    29      Urteil Ferrovienord (Rn. 65).


    30      Anhang A Nr. 1.25 der Verordnung Nr. 549/2013.


    31      Urteil FIG und FISE (Rn. 58 und 97).


    32      Urteile FIG und FISE (Rn. 37), und vom 28. April 2022, SeGec u. a. (C‑277/21, EU:C:2022:318, Rn. 28).


    33      Im Wesentlichen definiert in Anhang A Nrn. 1.57 und 2.12 der Verordnung Nr. 549/2013. Gemäß Anhang A Nr. 2.01 Satz 2 sind institutionelle Einheiten wirtschaftliche Einheiten, die Eigentümer von Vermögenswerten sein, Verbindlichkeiten eingehen, wirtschaftliche Tätigkeiten ausüben und Transaktionen mit anderen Einheiten vornehmen können. Eine institutionelle Einheit ist durch Entscheidungsfreiheit in der Ausübung ihrer Hauptfunktion gekennzeichnet und verfügt entweder über eine vollständige Rechnungsführung oder ist in der Lage, eine vollständige Rechnungsführung zu erstellen (Anhang A Nr. 2.12).


    34      Zu diesen Sektoren, die zusammen die inländische Volkswirtschaft bilden, kommt ein sechster institutioneller Sektor hinzu: der Sektor übrige Welt, der die Interaktion der gebietsfremden Einheiten zu den fünf inländischen Sektoren ausweist.


    35      Im Folgenden sind einzelne Verweise auf Positionen des ESVG 2010 als Verweise auf dessen Anhang A zu verstehen (den ich, um Wiederholungen zu vermeiden, nicht weiter anführen werde).


    36      In der mündlichen Verhandlung ist erörtert worden, ob die klagenden Versorgungseinrichtungen als private Organisationen ohne Erwerbszweck (S.15) eingestuft werden können, jedoch haben sie selbst (und die EZB) dies abgelehnt. Da sie eine finanzielle Mittlertätigkeit auf den Kapitalmärkten ausüben, um Gewinne zu erwirtschaften, die sie zur Zahlung von Leistungen an die Versicherten und zur Deckung ihrer Verwaltungskosten verwenden, passen sie nicht in den Sektor private Organisationen ohne Erwerbszweck. Zu diesem Sektor gehören Gewerkschaften, Fachverbände und wissenschaftliche Gesellschaften, Verbraucherverbände, politische Parteien, Kirchen und Religionsgemeinschaften sowie soziale und kulturelle Vereinigungen, Sport- und Freizeitvereine und Wohlfahrtsverbände sowie Hilfswerke und Entwicklungshilfeorganisationen, die sich aus freiwilligen Sach- oder Geldtransfers anderer institutioneller Einheiten finanzieren.


    37      Urteil FIG und FISE (Rn. 34).


    38      „[E]ine finanzielle Kapitalgesellschaft oder Quasi-Kapitalgesellschaft …, die in ihrer Hauptfunktion als Folge der Zusammenfassung sozialer Risiken und Bedürfnisse der Versicherten finanzielle Mittlertätigkeiten ausübt (soziale Sicherung). Eine Altersvorsorgeeinrichtung stellt als System der sozialen Sicherung Einkommen im Ruhestand und häufig Leistungen bei Tod und Erwerbsunfähigkeit bereit.“


    39      Nr. 2.107 Satz 1 des ESVG 2010.


    40      Nr. 2.107 Satz 2 des ESVG 2010.


    41      Nr. 2.108 des ESVG 2010.


    42      Nr. 2.109 des ESVG 2010.


    43      Der Umstand, dass es sich bei den berufsständischen Versorgungseinrichtungen um juristische Personen des öffentlichen Rechts handelt, steht ihrer Einstufung als Altersvorsorgeeinrichtungen nicht entgegen: Nr. 2.109 des ESVG 2010 bestätigt dies. Bei einer Altersvorsorgeeinrichtung muss es sich nicht um eine private Einheit handeln. Sie kann öffentlich-rechtlicher Natur sein, muss aber für die Ausführung der finanziellen Mittlertätigkeit über Organisationsfreiheit und eine autonome Leitung verfügen.


    44      Nr. 2.117 letzter Satz des ESVG 2010 fügt hinzu, dass es normalerweise zwischen der Höhe der Beiträge und dem Einzelrisiko des Versicherten keinen unmittelbaren Zusammenhang gibt.


    45      Die meisten Mitglieder der klagenden Versorgungseinrichtungen sind, weil sie ihren Beruf in den Bundesländern Bayern oder Sachsen ausüben, gesetzlich zur Mitgliedschaft verpflichtet.


    46      Für die Einstufung einer institutionellen Einheit als Altersvorsorgeeinrichtung in den Teilsektor S.129 ist es nicht erforderlich, dass alle Leistungen, die sie für ihre Mitglieder erbringt, auf einer vertraglichen Versicherungspflicht beruhen. Gemäß Nr. 2.117 des ESVG 2010 kann eine institutionelle Einheit eine Altersvorsorgeeinrichtung sein, obwohl ihre Mitglieder aufgrund einer gesetzlichen und nicht durch eine versicherungsvertragliche Regelung zur Teilnahme verpflichtet sind. Es kann auch zum Teil eine Pflichtmitgliedschaft und zum Teil eine freiwillige Mitgliedschaft vorliegen. Aus der berufsständischen Versorgungseinrichtung ausgeschiedene Pflichtmitglieder können nach Maßgabe der Satzung freiwillige Mitglieder bleiben, um Versorgungsanwartschaften zu gleichen Beiträgen wie Pflichtmitglieder zu erwerben.


    47      Insbesondere dürfen sie ausschließlich gemeinnützig tätig sein und ihre Mittel sowie ihr Vermögen nur zur Erfüllung ihres Versorgungsauftrags verwenden, und sie müssen ihren Verwaltungsaufwand einschließlich der Bezüge der Beschäftigten und Versorgungsberechtigten aus eigenen Mitteln bestreiten.


    48      Vorlagebeschluss, Rn. 30.


    49      Wiedergegeben in Nr. 10 der vorliegenden Schlussanträge.


    50      Vgl. entsprechend Urteil FIG und FISE (Rn. 37 und 38).


    51      Nr. 2.117 ist Teil von Kapitel 2 des ESVG 2010, in dem die bei der Messung der Volkswirtschaft verwendeten institutionellen Einheiten dargestellt werden und beschrieben wird, wie diese Einheiten zwecks Analyse zu Sektoren und anderen Gruppen zusammengefasst werden (Nr. 1.03 des ESVG 2010).


    52      Nach Auffassung des vorlegenden Gerichts kann der Begriff auch sonstige staatliche Einheiten einbeziehen oder sogar gegenüber der Primäreinheit als Träger der gesetzlichen Rentenversicherung verselbständigte Verwaltungsträger, die ihren Mitgliedern eine Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherung ermöglichten und eine an deren Beitrags- und Leistungsniveau orientierte selbstverwaltete Altersversorgung für bestimmte Berufsgruppen sicherstellen sollten, ohne staatlich kontrolliert zu sein. Dafür spreche Nr. 20.39 des ESVG 2010, die davon ausgehe, dass die Leistungen auch von einer „gesonderte[n] institutionelle[n] Einheit“ verwaltet werden könnten.


    53      Weiterhin heißt es, dass „[e]ine Sozialversicherung … eine institutionelle Einheit [bildet], wenn sie von den anderen Tätigkeiten staatlicher Einheiten getrennt organisiert ist, ihre Aktiva und Passiva getrennt davon hält und finanzielle Transaktionen in eigenem Namen durchführt“.


    54      Nr. 2.55 des ESVG 2010 fügt hinzu, dass „… institutionelle Einheiten … sämtliche Kapitalgesellschaften und Quasi-Kapitalgesellschaften [umfassen], die hauptsächlich in folgenden Bereichen tätig sind: a) finanzielle Mittlertätigkeit (finanzielle Mittler) und/oder b) Kredit- und Versicherungshilfstätigkeiten (Kredit- und Versicherungshilfsgewerbe). Hierzu zählen auch institutionelle Einheiten, die Finanzdienstleistungen erbringen und bei denen entweder die Forderungen oder die Verbindlichkeiten meist nicht am freien Markt gehandelt werden.“ Nach Nr. 2.56 des ESVG 2010 besteht die „[f]inanzielle Mittlertätigkeit einer institutionellen Einheit … darin, für eigene Rechnung auf dem Markt Forderungen zu erwerben und gleichzeitig Verbindlichkeiten einzugehen“.


    55      Vorlagebeschluss, Rn. 11 und 12.


    56      Rn. 33 ihrer schriftlichen Erklärungen.


    57      „[D]ie Verkäufer [werden] tätig …, um langfristig die größtmöglichen Gewinne zu erzielen, und [verkaufen] Waren und Dienstleistungen frei auf dem Markt an jede Person, die bereit ist, den verlangten Preis zu bezahlen; … Käufer [werden] tätig …, um gemessen an ihren beschränkten Mitteln den größtmöglichen Nutzen zu erzielen, indem sie ihren Kauf danach richten, welche Güter ihren Bedarf zum verlangten Preis am besten decken; funktionierende Märkte existieren, zu denen Verkäufer und Käufer Zugang haben und über die sie informiert sind. Ein funktionierender Markt kann auch dann vorliegen, wenn diese Bedingungen nicht vollständig erfüllt werden.“


    58      Nr. 3.18 Buchst. a des ESVG 2010.


    59      „… Als Marktproduzent sollte die Einheit über einen mehrjährigen Zeitraum hinweg mindestens 50 % ihrer Kosten durch ihre Verkäufe decken.“


    60      Vorlagebeschluss in der Rechtssache C‑758/22, Rn. 14.


    61      Vorlagebeschluss in der Rechtssache C‑758/22, Rn. 16.


    62      Das erstinstanzliche Gericht sah es als ausreichend an, dass die klagenden Versorgungseinrichtungen mindestens die Hälfte ihrer Kosten durch Beitragserhebung deckten, um wirtschaftlich signifikante Preise (und damit ihre Einstufung als Marktproduzentinnen) festzustellen, selbst wenn die in Nr. 3.19 Buchst. a und b des ESVG 2010 normierten Bedingungen nicht erfüllt sein sollten.


    63      Vorlagebeschluss in der Rechtssache C‑758/22, Rn. 17, 18 und 19.


    64      Vorlagebeschluss in der Rechtssache C‑758/22, Rn. 15.


    65      Urteile FIG und FISE (Rn. 34, 65 und 70), und vom 28. April 2022, SeGec u. a. (C‑227/21, EU:C:2022:318, Rn. 26).


    66      Nach Nr. 2.33 des ESVG 2010 werden „[d]ie institutionellen Einheiten … den Sektoren nach der Art der Produzenten, die sie sind, und nach ihrer Hauptfunktion zugeordnet, die als ausschlaggebend für ihr wirtschaftliches Verhalten angesehen werden“.


    67      Wenn eine öffentliche finanzielle Einheit Vermögen verwaltet, aber kein Risiko trägt, weil sie keine Verbindlichkeiten eingeht, wird sie nicht dem Sektor finanzielle Kapitalgesellschaften, sondern dem Sektor Staat zugerechnet (Nr. 20.33 des ESVG 2010).


    68      Vorlagebeschluss, Rn. 19.

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