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Document 62015CC0256

    Schlussanträge des Generalanwalts M. Bobek vom 28. Juli 2016.
    Drago Nemec gegen Republika Slovenija.
    Vorabentscheidungsersuchen des Vrhovno sodišče Republike Slovenije.
    Vorlage zur Vorabentscheidung – Richtlinie 2000/35/EG – Bekämpfung von Zahlungsverzug – Zuständigkeit des Gerichtshofs – Rechtsgeschäft, das vor dem Beitritt der Republik Slowenien zur Europäischen Union abgeschlossen wurde – Anwendungsbereich – Begriff ‚Geschäftsverkehr‘ – Begriff ‚Unternehmen‘ – Obergrenze für Verzugszinsen.
    Rechtssache C-256/15.

    Court reports – general

    ECLI identifier: ECLI:EU:C:2016:619

    SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

    MICHAL BOBEK

    vom 28. Juli 2016 ( 1 )

    Rechtssache C‑256/15

    Drago Nemec

    gegen

    Republik Slowenien

    (Vorabentscheidungsersuchen des Vrhovno sodišče Republike Slovenije [Oberstes Gericht der Republik Slowenien])

    „Unionsrecht — Zeitlicher Anwendungsbereich — Richtlinie 2000/35 — Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr — Begriff ‚Geschäftsverkehr‘ — Begriff ‚Unternehmen‘ — Nationale Regelung einer Obergrenze für Verzugszinsen“

    I – Einleitung

    1.

    Im Juni 1993 schloss Herr Nemec mit der Freiwilligen Feuerwehr Murska Sobota einen Vertrag über die Vermietung eines Tankwagens für Wassertransporte in Dürrezeiten (im Folgenden: Mietvertrag). Seit 1996 ist Herr Nemec in Verfahren vor slowenischen Gerichten verwickelt, um das nach dem Mietvertrag geschuldete Entgelt und Verzugszinsen zu erhalten. Die Zinsen sammelten sich mit der Zeit an, sie wurden aber schließlich mit der entsprechenden nationalen Gesetzgebung auf einen Höchstbetrag begrenzt.

    2.

    Bei der dem Gerichtshof vorgelegten Rechtsfrage geht es im Wesentlichen darum, ob eine nationale Regelung, die die Höhe der Verzugszinsen auf die Höhe der Hauptforderung begrenzt (Grundsatz ne ultra alterum tantum), gegen die Richtlinie 2000/35/EG zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr ( 2 ) verstößt.

    3.

    Mit dieser Hauptfrage sind zudem zwei Nebenfragen verbunden. Erstens ist zu prüfen, ob der vorliegende Fall vom zeitlichen Anwendungsbereich des Unionsrechts erfasst wird. Zweitens stellt sich die Frage, ob im vorliegenden Fall Herr Nemec als ein „Unternehmen“ und der Abschluss des Mietvertrags als „Geschäftsverkehr“ im Sinne der Richtlinie 2000/35 anzusehen ist.

    II – Rechtlicher Rahmen

    A – Unionsrecht

    4.

    Die Richtlinie 2000/35 ist nach ihrem Art. 1 „auf alle Zahlungen, die als Entgelt im Geschäftsverkehr zu leisten sind, anzuwenden“.

    5.

    Art. 2 Nr. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2000/35 definiert den Begriff „Geschäftsverkehr“ als „Geschäftsvorgänge zwischen Unternehmen oder zwischen Unternehmen und öffentlichen Stellen, die zu einer Lieferung von Gütern oder Erbringung von Dienstleistungen gegen Entgelt führen“.

    6.

    Art. 2 Nr. 1 Abs. 2 definiert den Begriff „öffentliche Stelle“ als „jeden öffentlichen Auftraggeber oder Auftraggeber im Sinne der Richtlinien über das öffentliche Auftragswesen …“.

    7.

    Nach Art. 2 Nr. 1 Abs. 3 ist ein „‚Unternehmen‘ jede im Rahmen ihrer unabhängigen wirtschaftlichen oder beruflichen Tätigkeit handelnde Organisation, auch wenn die Tätigkeit von einer einzelnen Person ausgeübt wird“.

    8.

    Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2000/35 bestimmt, dass die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass „[d]er Gläubiger … berechtigt [ist], bei Zahlungsverzug Zinsen insoweit geltend zu machen, als er i) seine vertraglichen und gesetzlichen Verpflichtungen erfüllt hat und ii) den fälligen Betrag nicht rechtzeitig erhalten hat, es sei denn, dass der Schuldner für die Verzögerung nicht verantwortlich ist“.

    9.

    Bei der Umsetzung der Richtlinie 2000/35 können „[d]ie Mitgliedstaaten [gemäß Art. 6 Abs. 3] Folgendes ausnehmen: … b) Verträge, die vor dem 8. August 2002 geschlossen worden sind“.

    B – Nationales Recht

    10.

    Seit dem 1. Januar 2002 regeln sich die Rechtsfolgen eines Zahlungsverzugs nach dem Obligacijski zakonik (Schuldrechtsgesetzbuch, im Folgenden: OZ). Nach Art. 376 OZ gilt der Grundsatz, der als ne ultra alterum tantum bezeichnet wird. Diese Regelung, die es im früheren Recht nicht gegeben hatte, begrenzt die Höhe der Verzugszinsen auf den Betrag der Hauptforderung.

    11.

    Als der Mietvertrag abgeschlossen wurde, galt für die wirtschaftliche Tätigkeit natürlicher Personen der Obrtni zakon (Gewerbegesetz, im Folgenden: ObrZ/88). Danach konnten natürliche Personen eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit nur aufnehmen, wenn sie eine Genehmigung für die betreffende in der Genehmigung genannte Tätigkeit erhalten hatten.

    12.

    Durch spätere Gesetzgebung wurde der ObrZ/88 dahin gehend abgeändert, dass die Ausübung einer selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit von einer Anmeldung bei der betreffenden Behörde und der Eintragung in das Gewerberegister abhängig gemacht wurde.

    III – Sachverhalt, nationales Verfahren und Vorlagefragen

    13.

    Im Juni 1993 schlossen Herr Drago Nemec (der Kläger) als Vermieter und das Gasilsko društvo Murska Sobota (Freiwillige Feuerwehr Murska Sobota, im Folgenden: Feuerwehr) als Mieter einen Mietvertrag über einen Tankwagen. Bei Abschluss des Mietvertrags besaß der Kläger eine slowenische Gewerbeerlaubnis für „Drehen von Maschinenteilen und Schweißen“.

    14.

    Das nach dem Mietvertrag zu zahlende Entgelt wurde von der Feuerwehr nicht bezahlt. Der Kläger erhob im Jahr 1996 Klage auf Zahlung eines Betrags von 17669,51 Euro. Nach einem längeren Gerichtsverfahren entschied das Višje sodišče Maribor (Berufungsgericht Maribor/Marburg, Slowenien) am 17. Februar 2010, dass die Feuerwehr dem Kläger einen Betrag von 15061,44 Euro nebst gesetzlichen Verzugszinsen für die Zeit vom 25. März 1996 bis zum 31. Dezember 2001 zu zahlen habe. In Bezug auf die Zahlung gesetzlicher Verzugszinsen für die Zeit ab dem 1. Januar 2002 bis zur Zahlung des geschuldeten Betrags (die dann am 18. Mai 2010 erfolgte) wurde die Klage jedoch vom Višje sodišče Maribor (Berufungsgericht Maribor) abgewiesen. Der Grund für die Abweisung dieses Klageanspruchs war der, dass am 1. Januar 2002 das OZ, das den Grundsatz ne ultra alterum tantum aufstellt, in Kraft getreten war. Die bis zum 31. Dezember 2001 angefallenen Verzugszinsen hatten nämlich bereits einen Betrag in Höhe des Hauptzahlungsanspruchs erreicht, so dass keine weiteren Verzugszinsen anfallen konnten.

    15.

    Auf das Urteil des Višje sodišče Maribor (Berufungsgericht Maribor) reagierte der Kläger mit einer Klage gegen die Republik Slowenien (die Beklagte) auf Schadensersatz in Höhe von 84614,02 Euro nebst gesetzlichen Verzugszinsen und Erstattung der Verfahrenskosten. Der Kläger machte geltend, dass der Grundsatz ne ultra alterum tantum mit der Richtlinie 2000/35 nicht vereinbar sei und dass er wegen des Schadens, den er durch die seinem Vorbringen nach fehlerhafte Umsetzung der Richtlinie in slowenisches Recht erlitten habe, einen Anspruch auf Schadensersatz habe.

    16.

    Das erstinstanzliche Gericht wies die Klage mit Urteil vom 18. Mai 2011 ab. Die Berufung des Klägers wurde vom zweitinstanzlichen Gericht mit Urteil vom 24. Januar 2012 zurückgewiesen. Beiden Gerichtsentscheidungen lag die Beurteilung zugrunde, dass der Mietvertrag nicht in den Bereich des von dem Kläger angemeldeten Gewerbes falle. Er habe daher nicht als „Unternehmen“ im Sinne der Richtlinie 2000/35 gehandelt, die daher im Fall des Klägers nicht anwendbar sei.

    17.

    Der Kläger geht nunmehr beim Vrhovno sodišče Republike Slovenije (Oberstes Gericht der Republik Slowenien) gegen die Entscheidung des Višje sodišče Maribor (Berufungsgericht Maribor) vor. Er macht geltend, der Mietvertrag habe sich nicht nur auf die Vermietung des Tankwagens bezogen, sondern es habe sich um ein „komplexes Rechtsgeschäft“ gehandelt, um die Trinkwasserversorgung der lokalen Bevölkerung in Dürrezeiten sicherzustellen. Darüber hinaus trägt er vor, dass er eine Rechnung ausgestellt habe, was zeige, dass er als „Unternehmen“ im Sinne der Richtlinie 2000/35 gehandelt habe.

    18.

    Die Beklagte macht geltend, dass die Richtlinie 2000/35 im vorliegenden Fall nicht anwendbar sei, weil bei der Umsetzung dieser Richtlinie in slowenisches Recht ihre Anwendbarkeit auf vor dem Beitritt von Slowenien zur Union abgeschlossene Verträge ausgeschlossen worden sei. Im Übrigen handele es sich bei dem Mietvertrag nicht um „Geschäftsverkehr“ im Sinne der Richtlinie 2000/35. Der Kläger habe den Mietvertrag außerhalb des Bereichs seiner wirtschaftlichen Tätigkeit abgeschlossen und daher nicht als „Unternehmen“ im Sinne dieser Richtlinie gehandelt.

    19.

    Unter diesen Umständen hat das Vrhovno sodišče Republike Slovenije (Oberstes Gericht der Republik Slowenien) das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof die folgenden Fragen vorgelegt:

    1.

    Ist Art. 2 Nr. 1 Abs. 3 der Richtlinie 2000/35 dahin auszulegen, dass es sich in einem System, in dem einer Person zur Ausführung von wirtschaftlichen Tätigkeiten eine Genehmigung erteilt wird, in der die unter diese Genehmigung fallenden Tätigkeiten angegeben sind, nicht um ein Unternehmen und infolgedessen auch nicht um einen Geschäftsvorgang im Sinne dieser Bestimmung handelt, wenn das Rechtsgeschäft, aus dem der Zahlungsverzug entstanden ist, eine Tätigkeit betrifft, die nicht unter die Genehmigung fällt?

    Wenn die vorherige Frage verneint wird:

    2.

    Ist Art. 2 Nr. 1 Abs. 3 der Richtlinie 2000/35 dahin auszulegen, dass eine natürliche Person als ein Unternehmen und das Rechtsgeschäft, aus dem der Zahlungsverzug entstanden ist, als ein Geschäftsvorgang im Sinne dieser Bestimmung anzusehen ist, wenn es sich um ein Rechtsgeschäft handelt, das zwar nicht unter die registrierte Tätigkeit dieser natürlichen Person fällt, jedoch seiner Art nach eine wirtschaftliche Tätigkeit sein kann und hierfür auch eine Rechnung ausgestellt wurde?

    3.

    Steht der Grundsatz, dass der Lauf der Verzugszinsen gestoppt wird, wenn die Summe der fälligen und nicht gezahlten Zinsen den Betrag der Hauptforderung erreicht (Grundsatz ne ultra alterum tantum), im Gegensatz zu den Bestimmungen der Richtlinie 2000/35?

    20.

    Die slowenische und die lettische Regierung sowie die Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht. In der mündlichen Verhandlung am 4. Mai 2016 haben die slowenische Regierung und die Kommission mündliche Erklärungen abgegeben.

    IV – Würdigung

    21.

    Da der Sachverhalt dieses Verfahrens in die Zeit vor dem Beitritt Sloweniens zur Europäischen Union fällt, werde ich zunächst die Frage prüfen, ob das Unionsrecht im Allgemeinen und die Richtlinie 2000/35 im Besonderen in zeitlicher Hinsicht auf diesen Fall Anwendung finden (A).

    22.

    Hinsichtlich der materiellen Prüfung der Vorlagefragen vertrete ich die Ansicht, dass der Grundsatz ne ultra alterum tantum als solcher nicht gegen die Richtlinie 2000/35 verstößt. Ich halte es daher für zweckmäßig, zunächst die dritte Vorlagefrage zu behandeln (B). Wenn der Gerichtshof meiner Beurteilung dieser Frage zustimmt, besteht tatsächlich kein Bedarf, die ersten beiden Fragen des vorlegenden Gerichts zu beantworten. Der Vollständigkeit halber – und um den Gerichtshof in vollem Umfang zu unterstützen – werde ich indessen auch prüfen, ob die Rechtsbeziehungen, die sich aus dem Mietvertrag ergeben, in den sachlichen Anwendungsbereich der Richtlinie 2000/35 fallen (C).

    A – Die zeitliche Anwendbarkeit des Unionsrechts

    23.

    Die zeitliche Anwendbarkeit des Unionsrechts ist in zwei Schritten zu prüfen. Im ersten Schritt geht es um die allgemeine zeitliche Anwendbarkeit des Unionsrechts, die sich nach dem Primärrecht bestimmt. Die Beantwortung dieser Frage entscheidet auch darüber, ob der Gerichtshof zuständig ist. Im zweiten Schritt ist das spezielle Rechtsinstrument zu untersuchen, das in dem betreffenden Fall zur Anwendung kommt: Wenn festzustellen ist, dass das Unionsrecht allgemein auf den Fall angewandt werden kann, stellt sich als Nächstes die Frage, ob die spezifische Maßnahme des Sekundärrechts diese allgemeine Regelung in irgendeiner Weise nuanciert.

    24.

    Ein solcher Ansatz ist verfassungsrechtlich bedeutsam, weil eine Vorschrift des Sekundärrechts (einschließlich der Richtlinie 2000/35) erst geprüft werden kann, wenn festgestellt worden ist, dass das Unionsrecht im Allgemeinen auf den Sachverhalt eines Falles angewandt werden kann. Auszugehen ist von einem allgemeinen Ansatz, der angesichts des betreffenden Rechtsinstruments des Sekundärrechts, wenn dies dort vorgesehen ist, nuanciert werden kann.

    1. Zuständigkeit des Gerichtshofs

    25.

    Slowenien ist der Europäischen Union am 1. Mai 2004 beigetreten. Nach den Art. 2 und 54 der Beitrittsakte (im Folgenden: Beitrittsakte) ( 3 ) ist das Unionsrecht in Slowenien am Tag des Beitritts mit sofortiger Wirkung verbindlich geworden, soweit nicht nach der Beitrittsakte oder ihren Anhängen eine andere Frist gilt. Es ist daher offensichtlich, dass die allgemeine verfassungsrechtliche Regel der sofortigen Verbindlichkeit und der sofortigen Wirksamkeit des Unionsrechts gilt, sofern die Beitrittsakte nichts anderes bestimmt.

    26.

    Im vorliegenden Fall wurde der Mietvertrag im Jahr 1993 abgeschlossen. Mitte der 1990er Jahre wurde er zu einem Teil erfüllt ( 4 ). Im Jahr 1996 erhob Herr Nemec dann Klage gegen die Feuerwehr wegen Nichterfüllung ihrer vertraglichen Verpflichtung zur Zahlung der Miete. Dies alles geschah vor dem 1. Mai 2004. Es stellt sich daher die Frage, ob das Unionsrecht in zeitlicher Hinsicht auf die zu prüfende Rechtslage anwendbar ist.

    27.

    Es ist zugegebenermaßen nicht ganz einfach, die Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Frage der zeitlichen Anwendbarkeit des Unionsrechts auf Beitrittsstaaten nachzuverfolgen.

    28.

    In der von der Großen Kammer entschiedenen Rechtssache Ynos ( 5 ) hat sich der Gerichtshof für unzuständig erklärt, über ein Vorabentscheidungsersuchen zu entscheiden, weil der Sachverhalt des betreffenden Ausgangsverfahrens in die Zeit vor dem Beitritt der Republik Ungarn zur Europäischen Union fiel. Wendet man das Urteil Ynos und die ihm folgende Rechtsprechung auf die vorliegende Rechtssache an, so ist der Schluss zu ziehen, dass das Unionsrecht in zeitlicher Hinsicht im vorliegenden Fall nicht anwendbar ist.

    29.

    Abgesehen von dem recht kategorischen Ansatz des Gerichtshofs im Urteil Ynos gibt es aber auch eine umfangreiche Rechtsprechung vor und nach diesem Urteil mit einem differenzierteren Ansatz zur Frage des zeitlichen Anwendungsbereichs des Unionsrechts. Für diese Fälle lässt sich sagen, dass zwischen einem vor dem Beitritt liegenden Sachverhalt und seinen nach dem Beitritt fortdauernden Rechtswirkungen unterschieden wird. Ich schlage vor, das Urteil Ynos in diesem umfassenderen Rechtsprechungskontext zu betrachten. Sollte der Gerichtshof diesem Ansatz folgen, dann ließe sich das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen in zeitlicher Hinsicht als zulässig ansehen.

    a) Das Urteil Ynos

    30.

    Das Urteil Ynos betraf die Anwendung der Richtlinie 93/13/EWG über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen ( 6 ) auf einen Vermittlungsvertrag. Gestritten wurde über die Erfüllung dieses Vertrags und die Frage der Missbräuchlichkeit der Vertragsklausel über die Provision des Vermittlers. Ohne im Einzelnen auf die Frage der Vertragserfüllung einzugehen, stellte der Gerichtshof fest, dass sich der Sachverhalt des Ausgangsverfahrens vor dem Beitritt der Republik Ungarn zur Europäischen Union zugetragen hat und er daher für die Auslegung der Richtlinie nicht zuständig ist ( 7 ).

    31.

    Würde man die im Urteil Ynos entwickelten Kriterien ohne Weiteres anwenden, wäre zu entscheiden, dass die Vorlagefragen des nationalen Gerichts in zeitlicher Hinsicht nicht in die Zuständigkeit des Gerichtshofs fallen, wie dies von der slowenischen Regierung in der mündlichen Verhandlung vertreten worden ist. Wie in der Rechtssache Ynos erfolgte der Abschluss des Mietvertrags vor dem Beitritt Sloweniens zur Union. Die Tatsache, dass das nationale Gerichtsverfahren wegen Nichterfüllung des Vertrags nach dem Beitritt Sloweniens noch anhängig war, wäre unerheblich, weil in der Rechtssache Ynos das nationale Gerichtsverfahren wegen Vertragserfüllung nach dem Beitritt von Ungarn ebenfalls noch anhängig war ( 8 ).

    32.

    Ich würde dem Gerichtshof jedoch vorschlagen, das Urteil Ynos in einem umfassenderen Kontext zu betrachten und die gesamte Rechtsprechung vor und nach diesem Urteil sowie den besonderen tatsächlichen und rechtlichen Hintergrund des Urteils Ynos zu berücksichtigen. Anstelle einer binären Unterscheidung zwischen Sachverhalten vor oder nach dem Beitritt wird in dieser differenzierteren Rechtsprechung darauf abgestellt, ob ein in der Zeit vor dem Beitritt bestehendes Rechtsverhältnis in der Zeit nach dem Beitritt noch fortdauernde Rechtswirkungen entfaltet.

    b) Das Urteil Ynos in seinem umfassenderen Rechtsprechungskontext

    33.

    In seiner Rechtsprechung vor dem Urteil Ynos hat der Gerichtshof eine größere Bereitschaft zur Entscheidung über Vorabentscheidungsersuchen, bei denen relevante Tatsachen in die Zeit vor einem Beitritt fielen, gezeigt.

    34.

    Bei den in den Rechtssachen Data Delecta ( 9 ) und Saldanha ( 10 ) zur Vorabentscheidung vorgelegten Fragen ging es beispielsweise um die Vereinbarkeit von nationalen Rechtsvorschriften, die einen ausländischen Kläger verpflichteten, Sicherheit für Prozesskosten zu leisten. In beiden Rechtssachen ergingen vor dem Beitritt Schwedens und Österreichs zur Europäischen Union gerichtliche Anordnungen auf Sicherheitsleistung für Prozesskosten. Rechtsmittel gegen diese Anordnungen waren aber nach dem Beitritt anhängig. Im Urteil Data Delecta hat der Gerichtshof unmittelbar in der Sache entschieden, was bedeutet, dass er das Unionsrecht in zeitlicher Hinsicht für anwendbar gehalten hat. Im Urteil Saldanha hat er entschieden, dass Art. 6 EG (jetzt Art. 18 AEUV) vom Zeitpunkt des Beitritts an sofort verbindlich ist und der betreffenden nationalen Vorschrift entgegensteht. Der Gerichtshof führte aus, dass das Unionsrecht in zeitlicher Hinsicht „für zukünftige Auswirkungen vor dem Beitritt … entstandener Sachverhalte gilt“ ( 11 ).

    35.

    Diese beiden Rechtssachen ( 12 ) zeigen, dass der Gerichtshof, obwohl die Streitigkeiten zwischen den Parteien vor dem jeweiligen Beitritt entstanden waren, es für richtig angesehen hat, die fortdauernden Rechtswirkungen der Situationen aus der Zeit vor dem Beitritt dem Unionsrecht und damit seiner Zuständigkeit zu unterwerfen. Dieses Ergebnis war zugegebenermaßen dadurch bedingt, dass die Gerichtsverfahren in diesen Rechtssachen nach dem Beitritt fortgesetzt worden waren ( 13 ).

    36.

    Die Rechtsprechung nach dem Urteil Ynos ist komplexer. Der Ansatz des Gerichtshofs dürfte aber wieder differenzierter geworden sein, wobei der Schwerpunkt darauf gelegt wurde, ob die rechtliche Situation im Zeitpunkt des Beitritts abgeschlossen war oder nicht.

    37.

    In der Rechtssache Telefónica O2 erklärte sich der Gerichtshof für zuständig, obwohl sich der Sachverhalt dieser Rechtssache vor dem tschechischen Beitritt zur Union zugetragen hatte. Der Grund dafür war, dass die angegriffene Entscheidung von der Regulierungsbehörde nach dem Beitritt der Tschechischen Republik zur Europäischen Union erneut mit Wirkung für die Zukunft erlassen worden war ( 14 ).

    38.

    In ähnlicher Weise hat der Gerichtshof in der Rechtssache CIBA anerkannt, dass die Streitigkeit des Ausgangsverfahrens die Steuerjahre 2003 und 2004 betraf, während Ungarn erst am 1. Mai 2004 beigetreten ist. Er stellte aber weiter fest, dass, „[d]a die Tatsachen, die dem Ausgangsverfahren zugrunde liegen, teilweise nach diesem Zeitpunkt eingetreten sind, … der Gerichtshof für die Beantwortung der Vorlagefrage zuständig [ist]“ ( 15 ).

    39.

    Die Rechtssache Kuso betraf eine österreichische Arbeitnehmerin, die ihren Arbeitsvertrag im Jahr 1980 abgeschlossen hatte. Später klagte sie gegen den Zeitpunkt ihrer vorgeschriebenen Pensionierung aufgrund des gesetzlichen Antrittsalters von 60 Jahren und trug dazu vor, dass dies eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts gemäß der Richtlinie 76/207/EWG ( 16 ) darstelle. Der Gerichtshof entschied, dass er zur Entscheidung in der Sache zuständig ist, und führte dazu aus, dass „der Anwendungsbereich des Grundsatzes des Vertrauensschutzes nicht so weit erstreckt werden [darf], dass die Anwendung einer neuen Regelung auf die künftigen Auswirkungen von unter der Geltung der früheren Regelung entstandenen Sachverhalten schlechthin ausgeschlossen ist“ ( 17 ).

    40.

    Liest man somit das Urteil Ynos in seinem umfassenderen Rechtsprechungskontext, so ist der allgemeine Ansatz hinsichtlich des zeitlichen Anwendungsbereichs des Unionsrechts offensichtlich der, dass es auf fortdauernde Rechtswirkungen ankommt. Rechtsverhältnisse, die im Zeitpunkt des Beitritts eines Mitgliedstaats noch nicht abgeschlossen sind, haben sich an die neuen Rechtsvorschriften anzupassen. Diese Anpassung wirkt natürlich nur für die Zukunft: Die sofortige Wirksamkeit des Unionsrechts bedeutet, dass fortdauernde Rechtsverhältnisse, deren Wirkungen im Zeitpunkt des Beitritts noch nicht erschöpft sind, für die Zukunft Änderungen erfahren können. Umgekehrt sind echte rückwirkende Änderungen in Form einer Neubewertung vergangener Sachverhalte oder Gegebenheiten unzulässig.

    41.

    Nimmt man als Beispiel einen vor dem Beitritt eines Mitgliedstaats zur Europäischen Union abgeschlossenen Vertrag, so besteht die Kernfrage darin, ob der Vertrag und das dadurch begründete Rechtsverhältnis auch nach dem Beitritt Rechtswirkungen entfalten oder nicht. Wenn dies der Fall ist (wie z. B. bei einem Vertrag von unbestimmter Dauer und/oder bei einem Dauerschuldverhältnis), dann wird das Unionsrecht zum Zeitpunkt des Beitritts auf den Vertrag anwendbar, selbst wenn alle (rechtsbegründenden) Tatsachen vor dem Beitrittszeitpunkt liegen. Der künftige Inhalt des Rechtsverhältnisses wird durch das Unionsrecht für die Zukunft geändert.

    42.

    Im Übrigen ist allgemein anerkannt, dass für Verfahrensvorschriften die allgemeine Regel gilt, dass sie mit ihrem Inkrafttreten sofort anwendbar sind, und zwar auch auf anhängige Klagen und Streitigkeiten, soweit die betreffende spezielle Maßnahme keine anderweitige Regelung enthält ( 18 ).

    43.

    Die übergreifenden Grundsätze der Wahrung erworbener Rechte und des Vertrauensschutzes sowie das Verbot einer echten Rückwirkung wirken im jeweiligen Einzelfall als Korrektiv der sofortigen Wirksamkeit des Unionsrechts.

    44.

    Betrachtet man das vom Gerichtshof im Urteil Ynos gefundene Ergebnis aus diesem Blickwinkel, so ist es nicht überraschend: Die Rechtssache Ynos betraf die Frage, ob eine vor dem Beitritt Ungarns zur Union verhandelte und vereinbarte Vertragsklausel missbräuchlich war. Eine Beantwortung der dem Gerichtshof vorgelegten Frage hätte eine echte rückwirkende Überprüfung einer lange vor dem Beitritt vereinbarten und in einem Vertrag niedergelegten Klausel bedeutet.

    c) Anwendung des umfassenderen Ansatzes auf die vorliegende Rechtssache

    45.

    Meiner Ansicht nach hat der Mietvertrag im Zeitpunkt des Beitritts von Slowenien noch in zweierlei Hinsicht Rechtswirkungen entfaltet.

    46.

    Erstens: Der Mietvertrag wurde im Juni 1993 geschlossen. Aus dem Vorlagebeschluss ergibt sich, dass der Kläger seine Verpflichtungen vor dem Beitritt Sloweniens zur Union erfüllt hatte, dass aber die Feuerwehr ihrer Verpflichtung zur Zahlung der vertraglichen Miete erst im Mai 2010, also lange nach dem Beitritt Sloweniens, nachgekommen ist. Der Mietvertrag entfaltete demnach im Zeitpunkt des Beitritts von Slowenien weiterhin Rechtswirkungen, und die sich daraus ergebenden Rechte und Pflichten der Parteien mussten noch erfüllt werden.

    47.

    Zweitens: Noch wichtiger dürfte sein, dass die vorliegende Rechtssache im Gegensatz zur Rechtssache Ynos keine Überprüfung von in der Vergangenheit vereinbarten Vertragsklauseln betrifft. Der Inhalt des Vertrags und die Gültigkeit der Vertragsbestimmungen werden nicht in Frage gestellt. Die vorliegende Rechtssache betrifft die Durchsetzung eines Vertrags und insbesondere der Zinsen, die wegen verspäteter Erfüllung (d. h. Zahlung) nach dem Vertrag angefallen sind. Diese Situation ist vor dem Beitritt Sloweniens zur Europäischen Union entstanden und auch nach dem Beitritt noch nicht endgültig gelöst.

    48.

    Dass neue Rechtsvorschriften über Verzugszinsen von dem Zeitpunkt des Beitritts eines Mitgliedstaats zur Europäischen Union auf anhängige Rechtssachen mit Wirkung für die Zukunft angewandt werden, steht somit im Einklang mit der sofortigen Wirksamkeit des Unionsrechts in Beitrittsstaaten.

    2. Anwendbarkeit der Richtlinie 2000/35 auf den Mietvertrag

    49.

    Nachdem geklärt ist, dass der Gerichtshof allgemein zuständig ist, ist im vorliegenden Fall als Nächstes zu untersuchen, ob die Richtlinie 2000/35 im Besonderen angesichts ihrer besonderen Bestimmungen zu ihrem zeitlichen Anwendungsbereich auf den Mietvertrag Anwendung finden kann.

    50.

    Nach Art. 6 Abs. 3 Buchst. b findet die Richtlinie 2000/35 grundsätzlich auf Verträge Anwendung, die vor dem Ablauf der Umsetzungsfrist geschlossen wurden, sofern ihre Anwendung auf solche Verträge von einem Mitgliedstaat nicht ausgeschlossen wird. Mit anderen Worten: Soweit ein Mitgliedstaat nicht ausdrücklich tätig geworden ist, gilt die Richtlinie auch für bestehende Verträge.

    51.

    Wie der Vertreter Sloweniens in der Sitzung anerkannt hat, enthalten die einschlägigen Beitrittsdokumente keinen derartigen Ausschluss der Anwendbarkeit der Richtlinie 2000/35 ( 19 ). Gemäß den Art. 2 und 54 der Beitrittsakte lief die Frist für die Umsetzung der Richtlinie 2000/35 in Bezug auf Slowenien somit am 1. Mai 2004 ab, und es gab keine Ausnahmebestimmung in Bezug auf diese Richtlinie.

    52.

    Die Regelung in Art. 6 Abs. 3 Buchst. b ist auch von Bedeutung, um den Unterschied zum in der Rechtssache Ynos in Rede stehenden Sekundärrecht herauszuarbeiten. Die in der Rechtssache Ynos in Rede stehende Richtlinie 93/13 bestimmte in Art. 10 Abs. 1, dass sie nur für die Zukunft für Verträge gilt, die nach dem Ablauf der Umsetzungsfrist (was für einen neuen Mitgliedstaat der Zeitpunkt des Beitritts, also der 1. Mai 2004, war) abgeschlossen werden. Diese Regelung ist tatsächlich das Gegenteil zu der von Art. 6 Abs. 3 Buchst. b der Richtlinie 2000/35, da diese auf Verträge anwendbar ist, die vor dem Ablauf der Frist für die Umsetzung dieser Richtlinie abgeschlossen wurden ( 20 ).

    53.

    Aus Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 3 Buchst. b der Richtlinie 2000/35 und der Beitrittsakte ergibt sich somit, dass die Richtlinie 2000/35 mit dem Beitritt Sloweniens zur Union mit sofortiger Wirkung auf bestehende, vor diesem Zeitpunkt geschlossene Verträge wie den hier in Rede stehenden Mietvertrag anwendbar wurde. Ich komme daher zu dem Ergebnis, dass die Richtlinie 2000/35 vom 1. Mai 2004 an in zeitlicher Hinsicht auf den vorliegenden Fall anwendbar geworden ist.

    54.

    Nach alledem bin ich der Auffassung, dass der Gerichtshof zur Beantwortung der ihm von dem nationalen Gericht vorgelegten Fragen zuständig ist.

    B – Dritte Vorlagefrage

    55.

    Mit der dritten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob der Grundsatz ne ultra alterum tantum mit der Richtlinie 2000/35 vereinbar ist. Entsprechend dem Standpunkt, den die slowenische und die lettische Regierung in ihren schriftlichen Erklärungen und die slowenische Regierung und die Kommission in der mündlichen Verhandlung vertreten haben, halte ich diesen Grundsatz für mit der Richtlinie 2000/35 vereinbar.

    56.

    Wie der Gerichtshof bereits in der Vergangenheit festgestellt hat ( 21 ) und wie die Kommission in der vorliegenden Rechtssache in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich anerkannt hat, handelt es sich bei der Richtlinie um ein Instrument der Mindestharmonisierung.

    57.

    Demgemäß regelt die Richtlinie nur bestimmte und somit begrenzte Aspekte des Verzugs im Geschäftsverkehr, insbesondere betreffend i) Verzugszinsen, ii) Eigentumsvorbehalt und iii) Beitreibungsverfahren für unbestrittene Forderungen.

    58.

    Was die Regelung über Verzugszinsen betrifft, ist Art. 3 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 2000/35 eine recht ausführliche Bestimmung über das Mindestmaß an derartigen Zinsen und die Art und Weise ihrer Berechnung. Die Richtlinie 2000/35 enthält jedoch keine Bestimmung, die es verbieten würde, eine Obergrenze für die Ansammlung von Zinsen festzulegen.

    59.

    Für die Entscheidung, eine solche Obergrenze festzulegen oder nicht festzulegen, bleiben daher meiner Ansicht nach die Mitgliedstaaten zuständig, die dabei die beiden Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität zu beachten haben ( 22 ).

    60.

    Der Grundsatz der Äquivalenz verbietet es, Ansprüche aufgrund des nationalen Rechts und entsprechende Ansprüche aufgrund des Unionsrechts ungleich zu behandeln. Oder anders ausgedrückt: Rechte aufgrund des Unionsrechts dürfen keine schlechtere Behandlung erfahren als entsprechende Rechte aufgrund des nationalen Rechts.

    61.

    Auf der Grundlage des vorliegenden Sachverhalts ergeben sich keine Zweifel daran, dass der Grundsatz ne ultra alterum tantum mit dem Grundsatz der Äquivalenz vereinbar ist. Keine der Parteien hat in dieser Beziehung Einwände erhoben.

    62.

    Nach dem Grundsatz der Effektivität dürfen die Mitgliedstaaten die Ausübung der durch das Unionsrecht gewährten Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren.

    63.

    Es ließe sich sicher die Meinung vertreten, dass das Gesamtziel, den Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr wirksam zu bekämpfen, besser erreicht würde, wenn für anfallende Verzugszinsen keine Obergrenze festgesetzt würde. Sobald die Obergrenze erreicht ist, gibt es nämlich, das ist klar, für den Schuldner kaum einen zusätzlichen Zahlungsanreiz. Es fallen einfach keine weiteren Verzugszinsen mehr an.

    64.

    Bei Anwendung dieser Logik könnte man aber jegliche nationale Regelung in Zweifel ziehen oder die Schaffung einer neuen Regelung verlangen. Um ein Beispiel anzuführen: Würde man die praktische Wirksamkeit einer Richtlinie zur Bekämpfung des Zahlungsverzuges nicht auch dadurch stärken, dass man Gefängnisse für Schuldner ( 23 ) wieder einführte und ein Schuldner bei Zahlungsverzug automatisch inhaftiert wird? Das wäre recht effektiv, um den Betreffenden und/oder seine Verwandten zu zwingen, schnellstens Zahlung zu leisten.

    65.

    Mit absurden Beispielen lässt sich die Notwendigkeit einer angemessenen Eingrenzung des potenziell uferlosen Erfordernisses der Effektivität verdeutlichen. Nach meiner Auffassung sollte das Erfordernis der Effektivität auf zwei Fälle begrenzt sein: Unmöglichkeit und wirklich übermäßige Schwierigkeiten. Ich meine, dass der Grundsatz ne ultra alterum tantum nicht das Maß erreicht, um unter einen dieser Fälle zu fallen. Zwei Gesichtspunkte sind für diese Feststellung von besonderer Bedeutung.

    66.

    Erstens: Innerhalb des nationalen Regelungsbereichs, der von der Mindestharmonisierung nach der Richtlinie 2000/35 nicht berührt wird, bringt der Grundsatz ne ultra alterum tantum eine bestimmte gesetzgeberische Wahl in Bezug auf die Aufteilung der Verzugskosten zwischen dem Gläubiger und dem Schuldner zum Ausdruck. Der Grundsatz spiegelt eine gesellschaftliche Vorstellung der Lastenteilung bei der Durchsetzung von Verbindlichkeiten wider. Die Wahl als solche erscheint nicht willkürlich oder beispiellos. Tatsächlich lassen sich bestimmte Formen der Begrenzung der Zinsen auf die Höhe der Hauptforderung schon bis in das römische Recht zurückverfolgen ( 24 ).

    67.

    Man kann den Grundsatz ne ultra alterum tantum auch als eine Regel ansehen, mit der ein gewisser Ausgleich zwischen der Gewährleistung einer zügigen Zahlung mit anderen Interessen und Werten hergestellt wird. Eine verspätete Zahlung beruht grundsätzlich stets auf Zahlungsunmöglichkeit oder ‑unwilligkeit seitens des Schuldners. Untätigkeit auf Seiten des Gläubigers kann jedoch dafür verantwortlich sein, dass sich der Umfang der angefallenen Schuld vergrößert. Eine Regelung wie ne ultra alterum tantum veranlasst den Gläubiger daher, seine Rechte unverzüglich geltend zu machen. Tatsächlich gibt es für verschiedene Konstellationen in anderen Rechtssystemen ähnliche Regelungen. So begrenzen das österreichische und das tschechische Bürgerliche Gesetzbuch das Recht des Gläubigers, für die Zeit vor einem Rechtsstreit Verzugszinsen in einer die Hauptforderung übersteigenden Höhe zu erhalten, wenn der Gläubiger die Forderung nicht rechtzeitig durchzusetzen sucht ( 25 ).

    68.

    Zweitens: Wie die slowenische Regierung ausgeführt hat, darf eine Regelung wie ne ultra alterum tantum nicht isoliert betrachtet werden, sondern muss im Zusammenhang mit anderen einschlägigen nationalen Instrumenten, die mit der Festlegung des Höchstbetrags im Zusammenhang stehen, gesehen werden.

    69.

    Zu diesen Instrumenten gehört die Möglichkeit, den tatsächlich erlittenen Verlust gegenüber dem Schuldner geltend zu machen, soweit der Verlust den Betrag der zu zahlenden Verzugszinsen übersteigt. Denn der Anspruch auf Verzugszinsen wird zwar allgemein „als eine einfache Möglichkeit angesehen, um dem Gläubiger die Möglichkeit der Wiedergutmachung des Schadens zu geben, den er typischerweise erlitten hat, ohne dass er diesen Schaden besonders nachweisen muss“ ( 26 ), doch bedeutet dies nicht unbedingt, dass der Gläubiger daran gehindert wäre, einen über die aufgelaufenen Zinsen hinausgehenden Schaden geltend zu machen. Ob es eine solche Möglichkeit gibt, hängt von dem anwendbaren nationalen Recht ab und ist von dem nationalen Gericht zu prüfen. Allerdings besteht nach slowenischem Recht, wie die slowenische Regierung in der mündlichen Verhandlung dargelegt hat, tatsächlich die Möglichkeit, dass der Gläubiger den vollen und tatsächlichen Schadensersatz geltend machen kann.

    70.

    Sollte der Verlust des Gläubigers auf Schwächen des Gerichtswesens beruhen, etwa auf einer unangemessenen Verzögerung oder einer übermäßigen Dauer des Gerichtsverfahrens, kommt außerdem eine Schadensersatzklage gegen den Staat als weiterer Rechtsbehelf in Betracht ( 27 ).

    71.

    Aus diesen Gründen schlage ich dem Gerichtshof vor, die dritte von dem vorlegenden Gericht gestellte Frage dahin gehend zu beantworten, dass die Richtlinie 2000/35 einer nationalen rechtlichen Regelung nicht entgegensteht, wonach für zu zahlende Verzugszinsen eine Obergrenze in Höhe des Betrags der Hauptforderung gilt.

    C – Erste und zweite Vorlagefrage

    72.

    Wenn der Gerichtshof die dritte Frage des vorlegenden Gerichts verneint, bedarf es, wie oben dargestellt, keiner Antwort auf die erste und die zweite Frage. Der Kläger kann mit seiner Klage keinen Erfolg haben, selbst wenn festgestellt würde, dass das durch den Mietvertrag begründete Rechtsverhältnis in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2000/35 fällt, weil die Richtlinie 2000/35 dem Grundsatz ne ultra alterum tantum nicht entgegensteht. Sollte der Gerichtshof aber der Ansicht sein, dass der in Rede stehende Grundsatz mit der Richtlinie nicht vereinbar ist, stellen sich die ersten beiden Fragen.

    73.

    In diesem Abschnitt werde ich die erste und die zweite Vorlagefrage zusammen behandeln. In beiden Fragen geht es darum, zu klären, ob der Kläger beim Abschluss des Mietvertrags als „Unternehmen“ im Sinne der Richtlinie 2000/35 handelte, und zwar angesichts dessen, dass der Mietvertrag nicht in den Bereich seiner nationalen Gewerbeerlaubnis fällt. In diesem Zusammenhang ersucht das vorlegende Gericht den Gerichtshof insbesondere, bei der Beantwortung der zweiten Vorlagefrage den Umstand zu berücksichtigen, dass das betreffende Geschäft wirtschaftlicher Natur war und dass der Kläger dafür eine Rechnung ausgestellt hat.

    74.

    Gemäß ihrem Art. 1 ist die Richtlinie 2000/35 „auf alle Zahlungen, die als Entgelt im Geschäftsverkehr zu leisten sind, anzuwenden“. Zur Beantwortung der Frage, ob der Mietvertrag in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2000/35 fällt, ist es daher notwendig, den Begriff „Geschäftsverkehr“ zu klären, der seinerseits auf den Begriff „Unternehmen“ abstellt.

    75.

    Beide Begriffe werden im Folgenden erörtert (Abschnitte a und b), bevor zu klären ist, ob eine nationale Gewerbeerlaubnis für eine bestimmte Tätigkeit für die Definition eines Unternehmens von Bedeutung ist (Abschnitt c). Außerdem werde ich einige Abschlussbemerkungen zum rechtlichen Status der anderen Partei des Mietvertrags, der Feuerwehr, machen (Abschnitt d).

    a) Der Begriff „Geschäftsverkehr“

    76.

    Nach Art. 2 Nr. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2000/35 bezeichnet der Ausdruck „Geschäftsverkehr“„Geschäftsvorgänge zwischen Unternehmen oder zwischen Unternehmen und öffentlichen Stellen, die zu einer Lieferung von Gütern oder Erbringung von Dienstleistungen gegen Entgelt führen“.

    77.

    Diese Definition setzt sich aus folgenden Bestandteilen zusammen: i) Bei den Vertragsparteien muss es sich um Unternehmen oder um ein Unternehmen und eine öffentliche Stelle handeln, ii) es muss eine Lieferung von Gütern oder eine Erbringung von Dienstleistungen vorliegen, und iii) für diese Güter oder Dienstleistungen muss ein Entgelt gezahlt werden.

    78.

    Ohne Zweifel erfüllt der Mietvertrag die Kriterien ii und iii. Es wurde eine Dienstleistung erbracht: die Vermietung des Tankwagens. Für diese Dienstleistung wurde ein Entgelt vereinbart und schließlich auch gezahlt. Es bleibt daher die Frage, ob das Kriterium i ebenfalls erfüllt ist. Der Kläger ist sicherlich keine öffentliche Stelle. Kann er als „Unternehmen“ angesehen werden?

    b) Der Begriff „Unternehmen“

    79.

    Der Begriff „Unternehmen“ wird in Art. 2 Nr. 1 Abs. 3 definiert als „jede im Rahmen ihrer unabhängigen wirtschaftlichen oder beruflichen Tätigkeit handelnde Organisation, auch wenn die Tätigkeit von einer einzelnen Person ausgeübt wird“ ( 28 ).

    80.

    Um als „Unternehmen“ im Sinne der Richtlinie 2000/35 zu gelten, muss i) die fragliche Person als eine Organisation anzusehen sein und ii) die Tätigkeit eine unabhängige wirtschaftliche oder berufliche Natur haben.

    81.

    Ich weise darauf hin, dass Art. 2 Nr. 1 Abs. 3 der Richtlinie 2000/35 ausdrücklich von einer „jede[n] … Organisation“, einschließlich einer solchen, die nur aus einer einzelnen Person besteht, spricht, die im Rahmen ihrer unabhängigen wirtschaftlichen oder beruflichen Tätigkeit handelt.

    82.

    Der Wortlaut dieser Bestimmung macht also deutlich, dass der Begriff „Organisation“ nicht im Sinne einer bestimmten Rechtsform zu verstehen ist, sondern vielmehr im Sinne einer strukturierten und dauerhaften Tätigkeit. Das bedeutet, dass sich die fragliche Person in einer Weise organisiert hat, die auf eine wiederholte und langdauernde Ausübung der wirtschaftlichen Tätigkeit gerichtet ist.

    83.

    Die Struktur einer solchen Organisation kann – entsprechend den Ausführungen, die der Gerichtshof in einem anderen Kontext gemacht hat – sehr einfach sein, da es in bestimmten Bereichen „im Wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft an[kommen kann]“ ( 29 ).

    84.

    Dass der Kläger für die von ihm aufgrund des Mietvertrags geleisteten Dienste eine Rechnung ausstellte, stellt meines Erachtens einen wichtigen Anhaltspunkt dafür dar, dass er im Rahmen einer organisierten wirtschaftlichen Tätigkeit handelte.

    85.

    Was die Natur des mit dem Mietvertrag vereinbarten Geschäfts betrifft, so war dieses offensichtlich wirtschaftlicher Natur, da der Tankwagen der Feuerwehr gegen Entgelt zur Verfügung gestellt wurde. Eine Geldzahlung hatte zu erfolgen, bzw. davon wurde ausgegangen.

    86.

    Auf den ersten Blick sind die in Art. 2 Nr. 1 Abs. 3 der Richtlinie 2000/35 genannten Bestandteile der Definition von „Geschäftsverkehr“ somit erfüllt.

    c) Erheblichkeit der nationalen Gewerbeerlaubnis

    87.

    Das vorlegende Gericht hat dennoch Zweifel, weil der Gegenstand des Mietvertrags nicht in den Bereich der nationalen Gewerbeerlaubnis des Klägers fiel. Die slowenische Regierung und die Kommission leiten daraus ab, dass der Kläger nicht als „Unternehmen“ im Sinne der Richtlinie 2000/35 angesehen werden könne. Sie vertreten im Wesentlichen die Ansicht, dass der genaue Umfang der nationalen Gewerbeerlaubnis für die Klassifizierung als „Unternehmen“ im Sinne der Richtlinie 2000/35 maßgebend sein müsse.

    88.

    Aus zwei Gründen stimme ich dieser Ansicht nicht zu.

    89.

    Erstens: Die oben dargestellte Definition des Begriffs „Unternehmen“ verweist in keiner Weise auf das nationale Recht der Mitgliedstaaten. Es handelt sich daher um einen autonomen Begriff des Unionsrechts. Er muss unabhängig von nationalen Erlaubnis‑ oder Registrierungssystemen verstanden werden ( 30 ).

    90.

    Zweitens: Die vorliegend in Rede stehende autonome unionsrechtliche Definition dient einem zusätzlichen und recht wichtigen Zweck: Es soll vorhersehbar sein, welcher Geschäftsverkehr in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fällt. Würde man die Bedeutung des Begriffs „Unternehmen“ im Sinne der Richtlinie davon abhängig machen, was von einer nach nationalem Recht für bestimmte wirtschaftliche Tätigkeiten erteilten Erlaubnis umfasst wird, müssten die Parteien eines Vertrags nämlich jeweils prüfen, ob die andere Vertragspartei den Vertrag innerhalb ihres vom nationalen Recht festgelegten Tätigkeitsbereichs abschließt oder nicht. Die dadurch entstehende Zersplitterung wäre nicht nur als solche nicht wünschenswert. Sie wäre auch in der Geschäftspraxis, insbesondere im grenzüberschreitenden Geschäftsverkehr, äußerst hinderlich.

    91.

    Ich bin daher der Ansicht, dass der Umfang der nationalen Erlaubnis für die Definition von „Unternehmen“ im Sinne der Richtlinie 2000/35 nicht ausschlaggebend ist. Das heißt indessen nicht, dass ein nationales Registrierungs‑ oder Genehmigungssystem keinerlei Bedeutung hätte. Es kann aber nicht mehr als die Vermutung begründen, dass die Vertragspartei innerhalb ihrer wirtschaftlichen oder beruflichen Tätigkeit gehandelt hat.

    92.

    Oder anders gesagt: Wäre der Mietvertrag von der nationalen Gewerbeerlaubnis umfasst gewesen, hätte dies die Vermutung begründet, dass der Kläger im Rahmen einer unabhängigen wirtschaftlichen Tätigkeit gehandelt hat. Andererseits wird durch die Tatsache, dass der Mietvertrag von der Gewerbeerlaubnis des Klägers nicht erfasst wird, aber auch nicht ausgeschlossen, dass der Kläger als Unternehmen anzusehen ist, soweit die oben dargestellten autonomen Kriterien von Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 2000/35 erfüllt sind.

    93.

    Der Vollständigkeit halber möchte ich ergänzen, dass es sich bei den Fällen, die meines Erachtens von dem Begriff „Unternehmen“ im Sinne der Richtlinie 2000/35 nicht erfasst werden, um Fälle handelt, in denen eine Person in isolierten Einzelfällen eine Tätigkeit vornimmt, die als „wirtschaftlich“ angesehen werden könnte. Solche Fälle können, auch wenn die wirtschaftliche Natur zu bejahen ist, nicht als eine strukturierte oder dauerhafte Geschäftstätigkeit angesehen werden.

    94.

    Im vorliegenden Fall kann die Vermietung des Tankwagens als Teil der allgemeinen und dauerhaften Geschäftstätigkeit des Klägers angesehen werden. Würde der Kläger dagegen beispielsweise Kindern auf einem Sonntagsmarkt beim jährlichen Schulfest Kuchen verkaufen, könnte dies kaum so beurteilt werden. Auch die von einem anderweitig tätigen Unternehmer einem Nachbarn geleistete Hilfe bei der Gartenarbeit im Hinblick auf eine Einladung zu einer Tasse Tee und möglicherweise sogar ein Stück Kuchen ließe sich kaum als Teil seiner strukturierten und dauerhaften Geschäftstätigkeit ansehen.

    95.

    Mit anderen Worten: Menschen üben die verschiedenartigsten wirtschaftlichen Tätigkeiten aus, aber nur einige dieser Tätigkeiten sind Teil der strukturierten und dauerhaften Geschäftstätigkeit einer Person. Bei der Prüfung, ob eine Tätigkeit Teil dieser strukturierten und dauerhaften Geschäftstätigkeit ist, hat das vorlegende Gericht alle relevanten Anhaltspunkte dafür und dagegen zu berücksichtigen.

    96.

    Es ist Sache des vorlegenden Gericht, diese allgemeinen Grundsätze auf den Sachverhalt der vorliegenden Rechtssache anzuwenden. Auf der Grundlage des dem Gerichtshof übermittelten Sachverhalts, nämlich der Tatsache, dass das in Rede stehende Geschäft vernünftigerweise als Teil einer umfassenderen, strukturierten und dauerhaften unabhängigen wirtschaftlichen Tätigkeit angesehen werden kann, für die eine Rechnung erstellt wurde, komme ich allerdings zu dem Ergebnis, dass man davon ausgehen kann, dass der Kläger beim Abschluss des Mietvertrags als „Unternehmen“ im Sinne der Richtlinie 2000/35 gehandelt hat.

    97.

    Nach alledem bin ich der Auffassung, dass die autonome Definition des Begriffs „Unternehmen“ in Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 2000/35 Personen einschließt, die eine strukturierte und dauerhafte unabhängige wirtschaftliche oder berufliche Tätigkeit ausüben. Ob eine einzelne Handlung einer derartigen Tätigkeit, wie etwa ein einzelner Vertrag, von dem genauen Anwendungsbereich der nationalen Registrierungs‑ oder Erlaubnisregelung erfasst wurde, ist für diese Definition nicht entscheidend. Die Tatsache, dass eine solche Person in einem von der nationalen Registrierung oder Erlaubnis erfassten Bereich handelte, begründet allerdings eine Vermutung dafür, dass diese Person im Rahmen ihrer wirtschaftlichen oder beruflichen Tätigkeit handelte. Die Ausstellung einer Rechnung ist ebenfalls ein Anhaltspunkt dafür, dass eine solche Person im Rahmen einer strukturierten und dauerhaften wirtschaftlichen Tätigkeit gehandelt hat.

    d) Der Status der Feuerwehr Murska Sobota

    98.

    Als Nachbemerkung möchte ich darauf hinweisen, dass die erste und die zweite Vorlagefrage die Definition des Begriffs „Unternehmen“ im Sinne der Richtlinie 2000/35 lediglich in Bezug auf den Kläger zum Gegenstand haben. Ob das durch den Mietvertrag begründete Rechtsverhältnis als „Geschäftsverkehr“ im Sinne dieser Richtlinie eingestuft werden kann, hängt aber letztlich auch vom Status der Feuerwehr als der anderen Vertragspartei ab.

    99.

    Wie oben dargelegt, sind unter „Geschäftsverkehr“ im Sinne der Richtlinie 2000/35 Geschäftsvorgänge „zwischen Unternehmen oder zwischen Unternehmen und öffentlichen Stellen“ zu verstehen. Hinsichtlich der Definition des letzteren Begriffs verweist die Richtlinie 2000/35 auf die „öffentlichen Auftraggeber oder Auftraggeber im Sinne der Richtlinien über das öffentliche Auftragswesen“.

    100.

    Nach den in Bezug genommenen Richtlinien über das öffentliche Auftragswesen sind „öffentliche Auftraggeber“„der Staat, Gebietskörperschaften, Einrichtungen des öffentlichen Rechts und Verbände, die aus einer oder mehreren dieser Körperschaften oder Einrichtungen bestehen“. Eine „Einrichtung des öffentlichen Rechts“ wird für die Zwecke der anwendbaren Richtlinien als eine Einrichtung definiert, „die zu dem besonderen Zweck gegründet wurde, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben zu erfüllen, die nicht gewerblicher Art sind, und die Rechtspersönlichkeit besitzt und die überwiegend vom Staat, von Gebietskörperschaften oder von anderen Einrichtungen des öffentlichen Rechts finanziert wird oder die hinsichtlich ihrer Leitung der Aufsicht durch Letztere unterliegt oder deren Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgan mehrheitlich aus Mitgliedern besteht, die vom Staat, von Gebietskörperschaften oder von anderen Einrichtungen des öffentlichen Rechts ernannt worden sind“ ( 31 ).

    101.

    Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, anhand dieser Kriterien zu prüfen, welchen genauen Rechtsstatus die Feuerwehr Murska Sobota nach nationalem Recht zur maßgebenden Zeit hatte, um festzustellen, ob es sich um „Geschäftsverkehr“ im Sinne von Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 2000/35 handelte oder nicht.

    V – Ergebnis

    102.

    Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, die vom Vrhovno sodišče Republike Slovenije (Oberstes Gericht der Republik Slowenien) vorgelegten Fragen wie folgt zu beantworten:

    Fragen 1 und 2:

    Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 2000/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. Juni 2000 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr ist dahin gehend auszulegen, dass er eine autonome Definition des Begriffs „Unternehmen“ enthält, die Personen einschließt, die eine strukturierte und dauerhafte unabhängige wirtschaftliche oder berufliche Tätigkeit ausüben. Ob eine einzelne Handlung einer derartigen Tätigkeit, wie etwa ein einzelner Vertrag, von dem genauen Anwendungsbereich der nationalen Registrierungs‑ oder Erlaubnisregelung erfasst wurde, ist für diese autonome Definition nicht entscheidend. Die Tatsache, dass eine solche Person in einem von der nationalen Registrierung oder Erlaubnis erfassten Bereich handelte, begründet allerdings eine Vermutung dafür, dass diese Person im Rahmen ihrer wirtschaftlichen oder beruflichen Tätigkeit handelte. Die Ausstellung einer Rechnung ist ebenfalls ein Anhaltspunkt dafür, dass eine solche Person im Rahmen einer strukturierten und dauerhaften wirtschaftlichen Tätigkeit gehandelt hat.

    Frage 3:

    Die Richtlinie 2000/35 ist dahin auszulegen, dass sie einer nationalen rechtlichen Regelung nicht entgegensteht, wonach für zu zahlende Verzugszinsen eine Obergrenze in Höhe des Betrags der Hauptforderung gilt.


    ( 1 ) Originalsprache: Englisch.

    ( 2 ) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. Juni 2000 (ABl. 2000, L 200, S. 35). Diese Richtlinie wurde mit Wirkung vom 16. März 2013 aufgehoben und durch ihre Neufassung ersetzt: Richtlinie 2011/7/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 (ABl. 2011, L 48, S. 1).

    ( 3 ) ABl. 2003, L 236, S. 33.

    ( 4 ) Wenn ich sage, dass der Mietvertrag zu einem Teil erfüllt wurde, so meine ich, dass der Kläger seinen Teil des Vertrags erfüllt hat, indem er der Feuerwehr den Tankwagen zur Verfügung stellte, während die Feuerwehr ihren Teil des Rechtsgeschäfts noch nicht durch Zahlung der Miete für den Tankwagen erfüllt hatte.

    ( 5 ) Urteil vom 10. Januar 2006, Ynos (C‑302/04, EU:C:2006:9).

    ( 6 ) Richtlinie des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. 1993, L 95, S. 29).

    ( 7 ) Urteil vom 10. Januar 2006, Ynos (C‑302/04, EU:C:2006:9, Rn. 36 bis 38).

    ( 8 ) Vgl. auch Beschlüsse vom 5. November 2014, VG Vodoopskrba (C‑254/14, EU:C:2014:2354, Rn. 10 bis 11), vom 3. April 2014, Pohotovosť (C‑153/13, EU:C:2014:1854, Rn. 23 bis 25), vom 8. November 2012, SKP (C‑433/11, EU:C:2012:702, Rn. 35 bis 37), vom 6. März 2007, Ceramika Paradyż (C‑168/06, EU:C:2007:139, Rn. 20 bis 25), und vom 9. Februar 2006, Lakép u. a. (C‑261/05, EU:C:2006:98, Rn. 17 bis 20).

    ( 9 ) Urteil vom 26. September 1996, Data Delecta und Forsberg (C‑43/95, EU:C:1996:357).

    ( 10 ) Urteil vom 2. Oktober 1997, Saldanha und MTS (C‑122/96, EU:C:1997:458).

    ( 11 ) Urteil vom 2. Oktober 1997, Saldanha und MTS (C‑122/96, EU:C:1997:458, Rn. 14). Vgl. auch Urteil vom 13. September 2001, Schieving-Nijstad u. a. (C‑89/99, EU:C:2001:438, Rn. 49 bis 50). Vgl. auch Schlussanträge des Generalanwalts Cosmas in der Rechtssache Andersson und Wåkerås-Andersson (C‑321/97, EU:C:1999:9, insbesondere Nrn. 61 ff.), in denen er für die zeitliche Anwendbarkeit des Unionsrechts darauf abstellt, ob die betreffende Situation vor dem Beitritt endgültig zum Abschluss gekommen ist.

    ( 12 ) Vgl. auch die folgenden Rechtssachen, die in den vorliegenden Schlussanträgen nicht eingehend erörtert werden: Urteile vom 30. November 2000, Österreichischer Gewerkschaftsbund (C‑195/98, EU:C:2000:655, Rn. 55), vom 7. Februar 2002, Kauer (C‑28/00, EU:C:2002:82, Rn. 42 bis 59), und vom 18. April 2002, Duchon (C‑290/00, EU:C:2002:234, Rn. 44 bis 46). Vgl. auch Urteil vom 29. Januar 2002, Pokrzeptowicz-Meyer (C‑162/00, EU:C:2002:57, Rn. 50 bis 57 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    ( 13 ) Vgl. auch Kaleda, S. L., „Immediate Effect of Community Law in the New Member States: Is there a Place for a Consistent Doctrine?“, (2004) 10 ELJ 102 oder Półtorak, N., „Ratione Temporis Application of the Preliminary Rulings Procedure“, 2008, Nr. 45 (CMLRev), S. 1357.

    ( 14 ) Urteil vom 14. Juni 2007, Telefónica O2 Czech Republic (C‑64/06, EU:C:2007:348). Vgl. auch Schlussanträge des Generalanwalts Ruiz-Jarabo Colomer in jener Rechtssache (Nr. 32) und Urteil vom 22. Dezember 2010, Bezpečnostní softwarová asociace (C‑393/09, EU:C:2010:816, Rn. 22 bis 27).

    ( 15 ) Urteil vom 15. April 2010, CIBA (C‑96/08, EU:C:2010:185, Rn. 13 bis 15). Vgl. auch Urteil vom 24. November 2011, Circul Globus Bucureşti (C‑283/10, EU:C:2011:772, Rn. 29).

    ( 16 ) Richtlinie des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen (ABl. 1976, L 39, S. 40).

    ( 17 ) Urteil vom 12. September 2013, Kuso (C‑614/11, EU:C:2013:544, Rn. 30). Vgl. auch Urteil vom 3. September 2014, X (C‑318/13, EU:C:2014:2133, Rn. 21 bis 24).

    ( 18 ) Vgl. beispielsweise Urteil vom 14. Februar 2012, Toshiba Corporation u. a. (C‑17/10, EU:C:2012:72, Rn. 47). Vgl. auch Urteil vom 12. November 1981, Meridionale Industria Salumi u. a. (212/80 bis 217/80, EU:C:1981:270, Rn. 9).

    ( 19 ) Die gegenteilige Erklärung der Beklagten im Ausgangsverfahren dürfte somit nicht begründet sein (siehe oben, Nr. 18).

    ( 20 ) Diese Vielfältigkeit der Regelungen über den zeitlichen Anwendungsbereich der einzelnen Sekundärrechtsakte zeigt, wie wichtig es ist, klar zwischen der Bestimmung des zeitlichen Anwendungsbereichs des Unionsrechts im Allgemeinen und einer etwaigen speziellen Regelung zu unterscheiden, die in einem konkreten Sekundärrechtsakt enthalten sein kann, wie ich oben in den Nrn. 23 und 24 der vorliegenden Schlussanträge dargelegt habe.

    ( 21 ) Urteil vom 11. September 2008, Caffaro (C‑265/07, EU:C:2008:496, Rn. 14 bis 16). Vgl. auch Urteile vom 26. Oktober 2006, Kommission/Italien (C‑302/05, EU:C:2006:683, Rn. 23), und vom 3. April 2008, 01051 Telecom (C‑306/06, EU:C:2008:187, Rn. 21), sowie Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston in der Rechtssache IOS Finance EFC (C‑555/14, EU:C:2016:341, Nr. 36).

    ( 22 ) Vgl. entsprechend Urteil vom 19. Juli 2012, Littlewoods Retail u. a. (C‑591/10, EU:C:2012:478, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung). Vgl. auch Beschluss vom 17. Juli 2014, Delphi Hungary Autóalkatrész Gyártó (C‑654/13, EU:C:2014:2127, Rn. 35), und Urteil vom 18. April 2013, Irimie (C‑565/11, EU:C:2013:250, Rn. 23).

    ( 23 ) Da es sich um ein nur zur Veranschaulichung angeführtes argumentum ad absurdum handelt, mögen die menschenrechtlichen Fragen, insbesondere im Hinblick auf Art. 1 des Protokolls Nr. 4 zur Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, einer Wiedereinführung von „Marshalsea(s)“ (Gefängnis[sen] u. a. für Schuldner) hier unerörtert bleiben. Für eine Parallele in der Literatur vgl. Charles Dickens, Little Dorrit (Penguin Classics, 2004).

    ( 24 ) Der Codex Justitianus bestimmt in CJ.1.2.17.3: „Wenn aber von dem oben Gesagten etwas missachtet worden ist, so sollen sowohl der Hingebende wie auch der Annehmende ihres Gegenstandes verlustig gehen, entweder des Darlehens oder des Kaufpreises. Der aber, welcher etwas durch Tausch empfangen hat, soll nicht nur das, was er gegeben, sondern auch das, was er erhalten hat, verlieren und wer etwas sogar auf Lebenszeit oder durch Schenkung oder andere verbotene Hingabe empfangen hat, soll das Erhaltene und noch einmal so viel, als ihm gegeben worden ist, zurückerstatten“ (Lateinisch: reddit quod accepit et alterum tantum eius, quanti est quod datum fuerit). Deutsche Übersetzung verfügbar unter http://www.opera-platonis.de/CI/CI_B1.pdf. Eine ältere Erwähnung eines ähnlichen Gedankens findet sich bei Ulpianus, Ulp. D. 12, 6, 26, 1., „Supra duplum autem usurae et usurarum usurae nec in stipulatum deduci, nec exigi possunt, et solutae repetuntur“, in: Zimmerman, The Law of Obligations: Roman Foundations of the Civilian Tradition (Oxford University Press, 1996), S. 169. Für eine Erörterung dieser Regel und ihrer Fortgeltung im Mittelalter vgl. beispielsweise: Jörs, P., Römisches Recht: Römisches Privatrecht. Abriss des Römischen Zivilprozessrechts, Springer-Verlag, 2013, S. 183, oder Honsell, H., Römisches Recht, Springer-Verlag, 2010, S. 95.

    ( 25 ) Vgl. § 1335 ABGB (Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch): „Hat der Gläubiger die Zinsen ohne gerichtliche Einmahnung bis auf den Betrag der Hauptschuld steigen lassen, so erlischt das Recht, vom Kapital weitere Zinsen zu fordern. Vom Tag der Streitanhängigkeit an können jedoch neuerdings Zinsen verlangt werden.“ Vgl. auch § 1805 Abs. 2 des Občanský zákoník (Gesetz Nr. 89/2012 Sb., Tschechisches Bürgerliches Gesetzbuch), wonach ein Gläubiger, der seine Ansprüche nicht unverzüglich geltend macht, das Recht verliert, für die Zeit vor Rechtshängigkeit Verzugszinsen in einer die Hauptforderung übersteigenden Höhe zu erhalten.

    ( 26 ) Zimmermann, R., „Interest for Delay in Payment for Money“, in: Gullifer, Vogenauer (Hrsg.), English and European Perspectives on Contract and Commercial law: Essays in Honour of Hugh Beale, Hart Publishing, Oxford and Portland, 2014, S. 329.

    ( 27 ) Bei einer Betrachtung in diesem umfassenderen Kontext sonstiger verfügbarer Rechtsbehelfe und des Funktionierens des Rechtswesens als solchen könnte die Begrenzung der Höhe der Zinsen auch einem anderen Ziel dienen: nicht etwa dem Schutz des Schuldners vor einer Untätigkeit des Gläubigers, sondern vielmehr dem Schutz des Schuldners vor einer „justiziellen Untätigkeit“ des Mitgliedstaats aufgrund struktureller Probleme der Gerichtsbarkeit, die zu einer übermäßigen Länge der Gerichtsverfahren führt. Interessant – aber sicher nicht von dem vorliegenden Vorabentscheidungsersuchen erfasst – ist die damit zusammenhängende Frage, inwieweit es gerecht sein kann, indirekt den Gläubiger mit einem Teil dieser „Kosten“ zu belasten.

    ( 28 ) Es ist darauf hinzuweisen, dass die Definitionen für „Geschäftsverkehr“ und „Unternehmen“ in der neugefassten Richtlinie 2011/7 dieselben geblieben sind, wobei dort nur zusätzlich darauf hingewiesen wird, dass „Unternehmen“ etwas anderes sind als „öffentliche Stellen“.

    ( 29 ) Vgl. entsprechend Urteil vom 10. Dezember 1998, Hernández Vidal u. a. (C‑127/96, C‑229/96 und C‑74/97, EU:C:1998:594, Rn. 27), vgl. auch Urteil vom 6. September 2011, Scattolon (C‑108/10, EU:C:2011:542, Rn. 49 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    ( 30 ) Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 3. Dezember 2015, Pfotenhilfe-Ungarn (C‑301/14, EU:C:2015:793, Rn. 24 und die dort angeführte Rechtsprechung), und vom 5. Dezember 2013, Vapenik (C‑508/12, EU:C:2013:790, Rn. 23 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    ( 31 ) Art. 1 Buchst. b der Richtlinie 92/50/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge (ABl. 1992, L 209, S. 1); Art. 1 Buchst. b der Richtlinie 93/36/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Lieferaufträge (ABl. 1993, L 199, S. 1); Art. 1 Buchst. b der Richtlinie 93/37/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 zur Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge (ABl. 1993, L 199, S. 54); entsprechend auch Art. 1 Nr. 1 der Richtlinie 93/38/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 zur Koordinierung der Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor (ABl. 1993, L 199, S. 84). Diese Richtlinien wurden aufgehoben durch die Richtlinie 2004/17/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Koordinierung der Zuschlagserteilung durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste (ABl. 2004, L 134, S. 1) und die Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge (ABl. 2004, L 134, S. 114). Siehe Art. 2 Abs. 1 Buchst. a bzw. Art. 1 Abs. 9 dieser Richtlinien. Diese Richtlinien wurden zwischenzeitlich aufgehoben durch die Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG (ABl. 2014, L 94, S. 65) und durch die Richtlinie 2014/25/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die Vergabe von Aufträgen durch Auftraggeber im Bereich der Wasser‑, Energie‑ und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/17/EG (ABl. 2014, L 94, S. 243).

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