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Document 61993CC0437

    Schlussanträge des Generalanwalts Tesauro vom 23. Februar 1995.
    Hauptzollamt Heilbronn gegen Temic Telefunken microelectronic GmbH.
    Ersuchen um Vorabentscheidung: Bundesfinanzhof - Deutschland.
    Aktiver Veredelungsverkehr - Beendigung durch das Verfahren der Umwandlung unter zollamtlicher Überwachung - Mengenmäßige Beschränkungen.
    Rechtssache C-437/93.

    Sammlung der Rechtsprechung 1995 I-01687

    ECLI identifier: ECLI:EU:C:1995:55

    61993C0437

    Schlussanträge des Generalanwalts Tesauro vom 23. Februar 1995. - HAUPTZOLLAMT HEILBRONN GEGEN TEMIC TELEFUNKEN MICROELECTRONIC GMBH. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: BUNDESFINANZHOF - DEUTSCHLAND. - AKTIVER VEREDELUNGSVERKEHR - BEENDIGUNG DURCH DAS VERFAHREN DER UMWANDLUNG UNTER ZOLLAMTLICHER UEBERWACHUNG - MENGENMAESSIGE BESCHRAENKUNGEN. - RECHTSSACHE C-437/93.

    Sammlung der Rechtsprechung 1995 Seite I-01687


    Schlußanträge des Generalanwalts


    ++++

    1. Das vorliegende Verfahren betrifft die Regelung des aktiven Veredelungsverkehrs, insbesondere die Bestimmungen, die die Beendigung des aktiven Veredelungsverkehrs durch Überführung der Veredelungserzeugnisse in das Verfahren der Umwandlung unter zollamtlicher Überwachung regeln.

    Genauer gesagt, betreffen die Vorlagefragen die Auslegung des Artikels 18 Absätze 2 Buchstabe d und 3 Unterabsatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1999/85 des Rates vom 16. Juli 1985 über den aktiven Veredelungsverkehr(1) (nachstehend: die Grundverordnung), der die Überführung der Waren aus dem aktiven Veredelungsverkehr in das Verfahren der Umwandlung unter zollamtlicher Überwachung von einer Zulassung durch die zuständige Zollbehörde abhängig macht. Der Bundesfinanzhof befragt den Gerichtshof zu der Tragweite dieser Zulassung, um feststellen zu können, ob diese gemäß der Gemeinschaftsbestimmung mengenmässig beschränkt werden müsse oder könne.

    2. Parteien des Ausgangsrechtsstreits sind die Temic Telefunken Micrölectronic GmbH (nachstehend: Temic), ein deutsches Unternehmen, das elektronische Bauteile einführt und herstellt, und das Hauptzollamt Heilbronn (nachstehend: Hauptzollamt). Letzteres hatte der Temic im Januar 1991 die aktive Eigenveredelung von aus Fernost eingeführten ungemessenen integrierten Schaltungen bewilligt. Die von der Temic vorgenommene Veredelung besteht in einer Prüfung ("Messen"), durch die festgestellt wird, welche Schaltungen funktionsfähig sind und welche nicht, und bei der die nicht funktionsfähigen Schaltungen ausgesondert werden. Die funktionsfähigen Schaltungen (nachstehend: A-Waren) sind zur Wiederausfuhr ausserhalb des Zollgebiets der Gemeinschaft bestimmt. Für die nicht funktionsfähigen Schaltungen (nachstehend: B-Waren) hatte die Temic im August 1991 die Zulassung zum Verfahren der Umwandlung unter zollamtlicher Überwachung zur Wiedergewinnung der in den Bauteilen enthaltenen Edelmetalle beantragt und erhalten. Diese zweite Bewilligung wurde vom Hauptzollamt jedoch nur für eine Menge von B-Waren gewährt, der eine entsprechende Menge von tatsächlich ausgeführten A-Waren gegenüberstand. Gegen diese Einschränkung erhob die Temic Klage, wobei sie geltend machte, sie habe einen Anspruch auf eine Bewilligung ohne mengenmässige Beschränkungen.

    Rechtlicher Rahmen

    3. Auf die dem Ausgangsrechtsstreit zugrunde liegenden Vorgänge, die vor Inkrafttreten des Zollkodex der Gemeinschaften(2) liegen, sind die Bestimmungen der Grundverordnung, ergänzt durch diejenigen der Verordnung (EWG) Nr. 3677/86 des Rates vom 24. November 1986(3) mit Durchführungsvorschriften zu der Grundverordnung (nachstehend: die Ergänzungsverordnung), sowie die Bestimmungen der Verordnung (EWG) Nr. 2228/91 der Kommission vom 26. Juni 1991(4) mit weiteren Durchführungsvorschriften zu der Grundverordnung (nachstehend: die Durchführungsverordnung) anwendbar.

    Gemäß Artikel 1 Absatz 2 der Grundverordnung können im aktiven Veredelungsverkehr aufgrund entsprechender Bewilligungen folgende Waren innerhalb des Zollgebiets der Gemeinschaft einem oder mehreren Veredelungsvorgängen unterzogen werden: a) Nichtgemeinschaftswaren, die zur Wiederausfuhr aus dem Zollgebiet der Gemeinschaft in Form von Veredelungserzeugnissen bestimmt sind, und zwar ohne daß für diese Waren Eingangsabgaben erhoben werden (Nichterhebungsverfahren); b) in den zollrechtlich freien Verkehr übergeführte Waren, für die die Eingangsabgaben erstattet oder erlassen werden, wenn diese Waren in Form von Veredelungserzeugnissen aus dem Zollgebiet der Gemeinschaft wieder ausgeführt werden (Verfahren der Zollrückvergütung).

    4. Artikel 1 Absatz 3 Buchstabe i der Grundverordnung definiert als Veredelungserzeugnisse alle Erzeugnisse, die aus Veredelungsvorgängen entstanden sind, während gemäß Artikel 1 Absätze 2 und 3 der Ergänzungsverordnung und Artikel 1 Absätze 2 und 3 der Durchführungsverordnung die Veredelungserzeugnisse in "Hauptveredelungserzeugnisse", also solche, für deren Herstellung der aktive Veredelungsverkehr bewilligt worden ist, und "Nebenveredelungserzeugnisse", nämlich andere als die Hauptveredelungserzeugnisse, "die bei dem Veredelungsvorgang zwangsläufig anfallen", unterschieden sind.

    Die in Artikel 1 Absatz 3 Buchstabe h der Grundverordnung aufgezählten Veredelungsvorgänge umfassen die Bearbeitung(5), die Verarbeitung und die Ausbesserung von Waren sowie die Verwendung bestimmter Waren, die die Herstellung von Veredelungserzeugnissen ermöglichen oder erleichtern, selbst wenn sie hierbei vollständig verbraucht werden. Hinzu kommt, daß es sich gemäß Artikel 6 Absatz 3 Buchstabe b der Grundverordnung und Artikel 25 Absatz 1 Buchstabe b der Durchführungsverordnung bei Veredelungsvorgängen auch handeln kann um "übliche Behandlungen, denen die Waren aufgrund der Gemeinschaftsvorschriften über Zollager und Freizonen unterzogen werden können". Nach diesen Vorschriften(6) ist Veredelung auch "[j]eder von Hand oder auf andere Weise an im Zollagerverfahren befindlichen Waren durchgeführte Vorgang, der ihrer Erhaltung, der Verbesserung ihrer Aufmachung oder Handelsgüte oder der Vorbereitung ihres Vertriebs oder Weiterverkaufs dient".

    5. Artikel 18 der Grundverordnung regelt die Beendigung des aktiven Veredelungsverkehrs. Neben der Wiederausfuhr der Veredelungserzeugnisse (Artikel 18 Absatz 1) sind andere Möglichkeiten für die Beendigung vorgesehen, u. a. die Überführung der Veredelungserzeugnisse in das Verfahren der Umwandlung unter zollamtlicher Überwachung (Artikel 18 Absatz 2 Buchstabe d). Voraussetzung für die letztgenannte Art der Beendigung ist die Zulassung durch die Zollbehörde, die "erteilt [wird], wenn die Umstände dies rechtfertigen" (Artikel 18 Absatz 3).

    Artikel 20 der Grundverordnung enthält den Grundsatz, daß bei Entstehen einer Zollschuld die Höhe dieser Zollschuld anhand der Bemessungsgrundlagen berechnet wird, die für die Einfuhrwaren in dem Zeitpunkt maßgebend waren, in dem die Anmeldung für die Überführung dieser Waren in den aktiven Veredelungsverkehr angenommen wurde. Dieser Grundsatz wird jedoch durch einige Ausnahmen eingeschränkt, insbesondere: a) Anwendung der für sie geltenden Eingangsabgaben auf die Veredelungserzeugnisse, die in den zollrechtlich freien Verkehr übergeführt werden und von einer in einem besonderen Verfahren aufgestellten Liste erfasst sind(7), jedoch nur, "sofern eine entsprechende Menge der nicht von dieser Liste erfassten Veredelungserzeugnisse ausgeführt wird" (Artikel 21 Absatz 1 Buchstabe a erster Gedankenstrich)(8); b) Anwendung von Eingangsabgaben, die nach den einschlägigen Vorschriften über Freizonen oder im Rahmen des betreffenden Zollverfahrens bestimmt werden, auf die Veredelungserzeugnisse, die in ein anderes Zollverfahren übergeführt worden sind (Artikel 21 Absatz 1 Buchstabe b)(9).

    6. Schließlich sind hinsichtlich der in das Verfahren der Umwandlung unter zollamtlicher Überwachung übergeführten Waren einige Bestimmungen der dieses Verfahren regelnden Verordnungen erheblich(10). Insbesondere ist zu bemerken, daß es gemäß der Regelung über die Umwandlung unter zollamtlicher Überwachung möglich ist, an Nichtgemeinschaftswaren nach entsprechender Bewilligung im Gemeinschaftsgebiet zollfrei Verarbeitungen vorzunehmen; die aufgrund der Verarbeitungen entstandenen Waren können dann in den freien Verkehr übergeführt und den für sie geltenden Zöllen unterworfen werden.

    Die Vorlagefragen

    7. Die Vorlagefragen des Bundesfinanzhofs gehen alle dahin, festzustellen, ob die der Temic im August 1991 vom Hauptzollamt erteilte Bewilligung, die B-Waren in das Verfahren der Umwandlung unter zollamtlicher Überwachung überzuführen, rechtmässigerweise auf eine der Menge der wieder ausgeführten A-Waren entsprechende Menge beschränkt wurde.

    Im einzelnen ersucht das vorlegende Gericht den Gerichtshof, festzustellen, a) ob Artikel 18 Absätze 2 Buchstabe d und 3 Unterabsatz 1 der Grundverordnung dahin auszulegen ist, daß die Beendigung des Verfahrens durch Zulassung der Umwandlung unter zollamtlicher Überwachung mengenmässigen Beschränkungen unterworfen werden kann; b) ob der Begriff der die Zulassung rechtfertigenden Umstände (Artikel 18 Absatz 3) dahin zu verstehen ist, daß es geboten ist, diese Zulassung auf eine der Menge der wieder ausgeführten Erzeugnisse entsprechende Menge zu beschränken (im Sinne des Artikels 21 Absatz 1 Buchstabe a erster Gedankenstrich der Grundverordnung); c) ob eine solche Beschränkung, wenn nicht geboten, so doch gestattet ist.

    Es ist somit festzustellen, ob eine mengenmässige Beschränkung wie die der Temic auferlegte im Lichte einer zutreffenden Auslegung der dargestellten Regelung des Gemeinschaftsrechts geboten oder, hilfsweise, rechtmässig ist. Ich halte es für zweckmässig, die drei Vorlagefragen zusammen zu behandeln.

    8. Der aktive Veredelungsverkehr wurde im wesentlichen zu dem Zweck eingeführt, den möglichen Unausgewogenheiten zu begegnen, mit denen sich die Unternehmen, die Erzeugnisse aus dem Gemeinsamen Markt ausführen, aufgrund der Anwendung von Zöllen und anderen Maßnahmen der Handelspolitik auf die aus Drittländern stammenden Ausgangserzeugnisse konfrontiert sehen könnten. Er ermöglicht die zollfreie vorübergehende Einfuhr von zur Verarbeitung bestimmten Waren, die anschließend wieder ausgeführt werden, oder die spätere Erstattung der Eingangsabgaben.

    Der Veredelungsverkehr ist also dazu bestimmt und wird üblicherweise eingesetzt, um innerhalb der Gemeinschaft Ausgangserzeugnisse verarbeiten zu lassen, die anschließend in Form von Hauptveredelungserzeugnissen wieder ausgeführt (oder einer anderen zugelassenen zollrechtlichen Bestimmung zugeführt) werden. Diese Veredelungserzeugnisse sind durch einen Handelsmehrwert gekennzeichnet und befinden sich nach der Veredelung in einem nachfolgenden und weitergehenden (manchmal endgültigen) Stadium des Produktionsprozesses. Der Mehrwert ist unmittelbare Folge der körperlichen Verarbeitung, der die Erzeugnisse bei dem Veredelungsvorgang unterzogen worden sind. Bei Durchführung der Veredelung fallen normalerweise Restmaterialien, Ausschuß und Abfälle mit beschränktem Handelswert an; dies sind die Nebenveredelungserzeugnisse, für die u. a. die Überführung in den freien Verkehr unter Zahlung der für die Resterzeugnisse geltenden Eingangsabgaben zulässig ist, was fast immer vorteilhafter ist als die Wiederausfuhr.

    Der typische Fall ist also die Anwendung des aktiven Veredelungsverkehrs bei der Verarbeitung eines Ausgangserzeugnisses mittels Vorgängen (Bearbeitung, Verarbeitung, Ausbesserung, Behandlung u. a.), bei denen sie zu einem Erzeugnis mit höherem Handelswert (Hauptveredelungserzeugnis) verarbeitet werden und bei denen zwangsläufig Ausschußmaterialien (Nebenveredelungserzeugnisse) anfallen. Beide Arten von Erzeugnissen sind jedoch normalerweise in dem der Veredelung vorausgehenden Stadium im Ausgangserzeugnis enthalten(11).

    9. Der uns vorliegende Fall scheint sich jedoch von dem gerade dargestellten zu unterscheiden. Es ist hier nämlich unbestritten, daß es sich bei dem zu veredelnden Erzeugnis um ein elektronisches Bauteil handelt, das schon im Herkunftsland zusammengesetzt wird; die Veredelung besteht in einer Prüfung (im Vorlagebeschluß als "Messen" bezeichnet), bei der keinerlei körperliche Veränderung oder Verarbeitung des Erzeugnisses erfolgt. Bei der Prüfung kann nur festgestellt werden, welche Schaltungen (schon) funktionsfähig sind (A-Waren) und welche (schon) nicht funktionsfähig sind (B-Waren). Bei diesem Vorgang fallen keine Restmaterialien an, und die B-Waren dürften, streng genommen, auch nicht als solche angesehen werden, da sie nicht bei der Veredelung anfallen, auch wenn ihre Aussonderung durch die Veredelung erfolgt.

    Die Zulassung der integrierten Schaltungen der Temic zum aktiven Veredelungsverkehr wird jedoch von keiner der Parteien des Ausgangsverfahrens bestritten, und sie wird durch die Kommission bestätigt. Die durchgeführte Prüfung der Waren ist demgemäß aufgrund einer wirklich weiten Auslegung der schon genannten Bestimmungen, auf die die Artikel 6 Absatz 3 Buchstabe b der Grundverordnung und 25 Absatz 1 Buchstabe b der Durchführungsverordnung verweisen, als ein Veredelungsvorgang anzusehen, nämlich als eine "übliche Behandlung" oder "jeder ... an ... Waren durchgeführte Vorgang, der ... der Vorbereitung ihres Vertriebs oder Weiterverkaufs dient".

    Wenn es sich also bei der Prüfung um einen Veredelungsvorgang handelt, ist das Ergebnis dieses Vorgangs die Ermittlung von zwei Gruppen von Erzeugnissen, die der funktionsfähigen Erzeugnisse (A-Waren), die die Hauptveredelungserzeugnisse darstellen, und die der nicht funktionsfähigen Erzeugnisse (B-Waren), die die Nebenveredelungserzeugnisse darstellen.

    10. Dies vorausgeschickt, komme ich nun zu der wesentlichen Frage des Rechtsstreits, die die Tragweite der Zulassung im Sinne des Artikels 18 der Grundverordnung betrifft.

    Diese Bestimmung, die als mögliche alternative Art der Beendigung des aktiven Veredelungsverkehrs u. a. die Überführung der Veredelungserzeugnisse in das Verfahren der Umwandlung unter zollamtlicher Überwachung vorsieht, verlangt in diesem Fall die entsprechende Zulassung durch die zuständige Zollbehörde. In der Bestimmung wird ausserdem präzisiert, daß die Zulassung "erteilt [wird], wenn die Umstände dies rechtfertigen".

    11. Es ist nun unstreitig, daß die Bestimmung die Zollbehörde nicht verpflichtet, die betreffende Genehmigung nur für eine der Menge der wieder ausgeführten Waren entsprechende Menge zu gewähren. Noch weniger sieht die Bestimmung ausdrücklich eine solche Befugnis der Behörde vor.

    Die eher zu weite Formulierung des letzten Satzes des Absatzes 3 ("die Zulassung wird erteilt, wenn die Umstände dies rechtfertigen") betrifft nämlich die Bedingungen für die Erteilung der Zulassung, sie enthält jedoch keine ausdrückliche Verpflichtung oder Befugnis, diese anhand eines bestimmten Maßstabs mengenmässig zu beschränken. Die Zulassung ist demgemäß, zumindest bei Vorliegen der aufgestellten Voraussetzungen, als Maßnahme anzusehen, auf die ein Rechtsanspruch besteht.

    12. Angesichts des Fehlens einer ausdrücklichen Bestimmung stellt sich also die Vorfrage, um welche Voraussetzungen es sich hierbei handelt. Mit anderen Worten, wir müssen uns fragen, welches die Umstände sind, deren Vorliegen die zuständige Behörde festzustellen hat, um die Zulassung zu erteilen.

    Es scheint mir vernünftig, in diesem Zusammenhang anzunehmen, daß die Umstände dieselben sind, die im allgemeinen vorliegen müssen, damit Waren zum Zollverfahren der Umwandlung unter zollamtlicher Überwachung zugelassen werden können, also die in Artikel 4 der Verordnung Nr. 2763/83(12) niedergelegten. Es handelt sich um eine Reihe von persönlichen und sachlichen Voraussetzungen, die vorgesehen wurden, um zu vermeiden, daß sich aus der Anwendung des Verfahrens ein ungerechtfertigter Vorteil für den Begünstigten zum Nachteil der Hersteller konkurrierender Waren in der Gemeinschaft und der Finanzen der Gemeinschaft ergibt. Es besteht kein Grund, anzunehmen, daß diese Voraussetzungen nicht notwendigerweise ° um die Nichtzulassung zu vermeiden ° auch dann vorliegen müssen, wenn sich die Waren, für die dieses Verfahren beantragt wird, zuvor im aktiven Veredelungsverkehr befanden.

    Wenn diese Voraussetzungen jedoch vorliegen, stellt die Erteilung der Zulassung meines Erachtens eine Maßnahme dar, auf die ein Rechtsanspruch besteht. Es wäre nämlich undenkbar, wenn man die Behörde, bei der der Antrag auf Erteilung der Zulassung gestellt wird, ermächtigen würde, Ermessenserwägungen anzustellen. Dies würde die Antragsteller der Gefahr einer potentiellen Ungleichbehandlung aussetzen, die mit dem Grundgedanken und der Anwendungsweise des Systems sowie mit einem der wesentlichen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts unvereinbar wäre.

    13. Nachdem nun der Grundsatz feststeht, daß die Zulassung zu erteilen ist, wenn die Voraussetzungen für sie vorliegen, und sie zu verweigern ist, wenn diese Voraussetzungen fehlen, ist schwer vorstellbar, wie die Behörde, bei der die Erteilung beantragt wird, die Möglichkeit haben könnte, diese Zulassung in quantitativer Hinsicht zu beschränken.

    Eine solche Möglichkeit kann meines Erachtens nicht im Wege der Auslegung angenommen werden, insbesondere nicht einer vermeintlichen systematischen Auslegung der Grundverordnung, die erfordere, Artikel 18 im Sinne des nachstehenden Artikels 21 Buchstabe a zu verstehen. Zwar ist es wahr, daß diese Bestimmung den Begriff der zwingenden Proportionalität zwischen wieder ausgeführten Veredelungserzeugnissen und im Zollgebiet verbleibenden Veredelungserzeugnissen enthält, sie regelt jedoch einen ganz anderen Bereich (woraus sich im übrigen ihr Sinn und Zweck ergibt): eben die Bemessung des Betrags der Zollschuld, die durch Überführung von Veredelungserzeugnissen (meist Nebenveredelungserzeugnissen) in den freien Verkehr innerhalb des Zollgebiets entsteht.

    In Artikel 21 der Grundverordnung selbst ist im übrigen in Buchstabe b ausdrücklich vorgesehen, daß die Veredelungserzeugnisse, die nach der Veredelung in ein anderes Zollverfahren übergeführt worden sind, den Eingangsabgaben, die nach den einschlägigen Vorschriften im Rahmen des betreffenden Zollverfahrens bestimmt werden, unterliegen. Es ist also offensichtlich, daß die Regelung im Bereich der bei der Umwandlung unter zollamtlicher Überwachung anwendbaren Zölle eine andere ist: Sie berücksichtigt den Vorgang, dem das Erzeugnis unterworfen wurde, die Kosten dieses Vorgangs und vor allem den Umstand, daß das verarbeitete Erzeugnis definitionsgemäß ein anderes Erzeugnis ist als das zum aktiven Veredelungsverkehr zugelassene. Es liegen also nicht die geringsten Voraussetzungen für eine analoge Auslegung der beiden Bestimmungen vor.

    14. Ausserdem wäre die Regel der zwingenden Proportionalität zwischen wieder ausgeführten und nicht wieder ausgeführten Veredelungserzeugnissen, wenn eine solche analoge Auslegung zutreffend wäre, auf jeden Fall einer Beendigung des aktiven Veredelungsverkehrs, bei dem es sich nicht um die Wiederausfuhr handelte, anzuwenden. Es bestuende nämlich kein Grund, sie nur auf die Beendigungsvariante der Überführung der Nebenveredelungserzeugnisse in das Verfahren der Umwandlung unter zollamtlicher Überwachung zu beschränken.

    Darüber hinaus wäre eine solche analoge Auslegung, wenn sie begründet wäre, nicht nur zulässig, sondern auch obligatorisch, da sie erforderlich wäre, um das vermutliche ordnungsgemässe Funktionieren der Gemeinschaftsregelung sicherzustellen. Ich halte es für offensichtlich, daß der Gemeinschaftsgesetzgeber, wenn dies seine Absicht gewesen wäre, eine ausdrückliche Bestimmung in diesem Sinne vorgesehen hätte, anstatt das Proportionalitätserfordernis ausdrücklich allein auf den Fall der Überführung der Nebenveredelungserzeugnisse in den freien Verkehr zu beschränken.

    15. Schließlich halte ich es für völlig unerheblich, daß die zuständige Zollbehörde immer dann, wenn sie feststellt, daß die ausdrücklich geforderten wirtschaftlichen Voraussetzungen nicht vorliegen, berechtigt ist, die Erteilung der Zulassung zu verweigern.

    Es ist nämlich vernünftigerweise nicht denkbar, daß die Zulassung allein aus dem Grund verweigert werden könnte, weil der Wirtschaftsteilnehmer eine bestimmte Art der Beendigung des aktiven Veredelungsverkehrs gewählt hat, während ihm diese Wahlmöglichkeit durch die Grundverordnung ausdrücklich eröffnet ist.

    16. Im Lichte dieser Ausführungen schlage ich dem Gerichtshof demgemäß vor, die Fragen des Bundesfinanzhofs folgendermassen zu beantworten:

    Artikel 18 Absätze 2 Buchstabe d und 3 Unterabsatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1999/85 des Rates vom 16. Juli 1985 über den aktiven Veredelungsverkehr ist dahin auszulegen, daß er es verbietet, die Zulassung der Beendigung des aktiven Veredelungsverkehrs durch Überführung der Nebenveredelungserzeugnisse in das Verfahren der Umwandlung unter zollamtlicher Überwachung mengenmässig zu beschränken.

    (*) Originalsprache: Italienisch.

    (1) ° ABl. L 188, S. 1.

    (2) ° Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. L 302, S. 1).

    (3) ° ABl. L 351, S. 1.

    (4) ° ABl. L 210, S. 1.

    (5) ° Die französische Fassung der Grundverordnung enthält einen klaren Druckfehler: das Wort livraison ist natürlich als ouvraison zu lesen, was auch durch die anderen sprachlichen Fassungen derselben Verordnung und durch den Wortlaut ° auch in französisch ° im heute geltenden Zollkodex bestätigt wird.

    (6) ° Vgl. insbesondere Artikel 18 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2503/88 des Rates vom 25. Juli 1988 über Zollager (ABl. L 225, S. 1); Artikel 34 Absatz 1 und Anhang IV der Verordnung (EWG) Nr. 2561/90 der Kommission vom 30. Juli 1990 mit Durchführungsbestimmungen zu der Verordnung (EWG) Nr. 2503/88 des Rates über Zollager (ABl. L 246, S. 1); Artikel 8 Buchstabe a der Verordnung (EWG) Nr. 2504/88 des Rates vom 25. Juli 1988 über Freizonen und Freilager (ABl. L 225, S. 8); Artikel 20 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2562/90 der Kommission vom 30. Juli 1990 mit Durchführungsbestimmungen zu der Verordnung (EWG) Nr. 2504/88 des Rates über Freizonen und Freilager (ABl. L 246, S. 33).

    (7) ° Diese Liste wurde nach dem in Artikel 31 Absätze 2 und 3 der Grundverordnung vorgesehenen besonderen Verfahren erlassen und findet sich in Anhang VII der Ergänzungsverordnung; der Liste in ihrer gegenwärtigen Fassung, jedoch auch dem Zweck der Bestimmung ist zu entnehmen, daß es sich im wesentlichen um Nebenveredelungserzeugnisse handelt.

    (8) ° Der Inhaber der Bewilligung kann jedoch für diese Erzeugnisse die Abgabenerhebung nach den Bemessungsgrundlagen des Artikels 20 beantragen, falls dies günstiger ist.

    (9) ° Für den uns hier vorliegenden Fall handelt es sich um die in Fußnote 6 genannten Verordnungen.

    (10) ° Insbesondere die Verordnung (EWG) Nr. 2763/83 des Rates vom 26. September 1983 über das Zollverfahren der Umwandlung von Waren unter zollamtlicher Überwachung vor ihrer Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr (ABl. L 272, S. 1) und die Verordnung (EWG) Nr. 3548/84 der Kommission vom 17. Dezember 1984 mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung (EWG) Nr. 2763/83 über das Zollverfahren der Umwandlung von Waren unter zollamtlicher Überwachung vor ihrer Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr (ABl. L 331, S. 5).

    (11) ° Vgl. z. B. die Liste der Nebenveredelungserzeugnisse in Anhang VII der Ergänzungsverordnung, a. a. O., die 138 Eintragungen enthält.

    (12) ° A. a. O., vgl. Fußnote 10.

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