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Document 61992CC0045

    Schlussanträge des Generalanwalts Gulmann vom 16. Februar 1993.
    Vito Canio Lepore und Nicolantonio Scamuffa gegen Office national des pensions.
    Ersuchen um Vorabentscheidung: Tribunal du travail de Bruxelles - Belgien.
    Soziale Sicherheit - Berechnung der Altersrente.
    Verbundene Rechtssachen C-45/92 und C-46/92.

    Sammlung der Rechtsprechung 1993 I-06497

    ECLI identifier: ECLI:EU:C:1993:60

    SCHLUßANTRÄGE DES GENERALANWALTS

    CLAUS GULMANN

    vom 16. Februar 1993 ( *1 )

    Herr Präsident,

    meine Herren Richter!

    1. 

    Nach den belgischen Rechtsvorschriften über Altersrenten ist der Betrag der Rente von der Dauer der Zeit abhängig, in der der Betreffende in Belgien beschäftigt war. Eine 45 Jahre dauernde Beschäftigung in Belgien verleiht den Anspruch auf eine Altersrente zum vollen Satz. Bei der Berechnung der Dauer der Beschäftigungszeit gestattet die belgische Regelung die Gleichstellung von Zeiten, in denen ein Arbeitnehmer wegen Invalidität arbeitsunfähig war, mit Beschäftigungszeiten. Eine solche Gleichstellung setzt jedoch voraus, daß der Betreffende zum Zeitpunkt der Arbeitsunterbrechung Arbeitnehmer in Belgien war.

    In den vorliegenden Rechtssachen hat das Tribunal du travail Brüssel den Gerichtshof um Auslegung der Vorschriften der Ratsverordnungen zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit der Mitgliedstaatcn ( 1 ) ersucht, insbesondere um Klarheit in der Frage zu gewinnen, inwieweit diese Voraussetzung mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist.

    Kurze Hinweise zum Sachverhalt der Ausgangsverfahren

    2.

    Die Kläger der Ausgangsverfahren (im folgenden: Herr Lepore und Herr Scamuffa), sind italienische Staatsangehörige, die eine Zeitlang, nämlich von 1951 bis 1954 und von 1951 bis 1959, in Belgien gearbeitet haben. Herr Lepore hat außerdem in Italien, Luxemburg und Deutschland, Herr Scamuffa außer in Belgien auch in Italien gearbeitet.

    Herr Lepore wurde 1986, als er in Luxemburg beschäftigt war, wegen Invalidität arbeitsunfähig. Er bezieht seither luxemburgische und deutsche Leistungen bei Invalidität, die seit seinem 65. Lebensjahr in Form von Altersrenten gezahlt werden, ohne erneut berechnet worden zu sein. Herr Lepore bezieht außerdem seit seinem 60. Lebensjahr eine italienische Altersrente. Seit Juni 1987 erhält Herr Lepore eine anteilige belgische Invaliditätsrente, die 1990 in eine Altersrente umgewandelt wurde.

    Herr Scamuffa wurde 1978, während er in Italien beschäftigt war, wegen Invalidität arbeitsunfähig. Seither bezieht er eine italienische Invaliditätsrcnte, die nach den belgischen Rechtsvorschriften weiterhin als solche gezahlt wird, obwohl Herr Scamuffa das gesetzliche Rentenalter erreicht hat. Seit Dezember 1980 erhält Herr Scamuffa eine anteilige belgische Invaliditätsrente, die 1990 in eine Altersrente umgewandelt wurde.

    Nach belgischem Recht endet eine Invaliditätsrente mit dem 65. Lebensjahr und ist ein Antrag auf Altersrente zu stellen. Diese wird anhand verschiedener Kriterien berechnet, die sich von denen, die für die Berechnung der Invaliditätsrente maßgebend waren, unterscheiden.

    Bei der Berechnung der Altersrenten von Herrn Lepore und Herrn Scamuffa weigerte sich das Office national des pensions (im folgenden: ONP), die Zeiten anzurechnen, in denen die beiden belgische Leistungen bei Invalidität bezogen hatten, weil die Voraussetzungen für die Gleichstellung dieser Zeiten mit Beschäftigungszeiten nicht erfüllt seien. Um diese Entscheidungen geht es in den Ausgangsverfahren.

    Die belgischen Rechtsvorschriften und deren Auslegung durch das ONP

    3.

    Die Voraussetzungen, von denen das belgische Recht die Gleichstellung von Zeiten der Arbeitsunfähigkeit mit Beschäftigungszeiten abhängig macht, sind zum einen die, daß der Betreffende Leistungen nach den belgischen Rechtsvorschriften über die Kranken-und Invaliditätsversicherung bezogen hat, und zum anderen die, daß eins der beiden folgenden Erfordernisse gegeben ist, nämlich entweder daß die betreffende Person dem belgischen System der sozialen Sicherheit für Arbeitnehmer unterliegt oder daß sie zum Zeitpunkt der Arbeitsunterbrechung die Arbeitnehmereigenschaft besessen hat, und außerdem die Arbeitsunfähigkeit mindestens 66 % beträgt ( 2 ).

    Das ONP legt die Voraussetzung, daß der Betreffende die Arbeitnehmereigenschaft zum Zeitpunkt der Arbeitsunterbrechung besessen haben muß, dahin aus, daß diese Person zu diesem Zeitpunkt Arbeitnehmer in Belgien war ( 3 ). Ist diese Voraussetzung gegeben, wird die Invaliditätszeit voll als Beschäftigungszeit angerechnet, gleichgültig, wie lange sie gedauert hat und wie kurz die effektive Beschäftigungszeit in Belgien war.

    In diesem Zusammenhang weigerte sich das ONP, die streitigen Invaliditätszeiten als Beschäftigungszeiten anzurechnen, weil Herr Lepore und Herr Scamuffa zum Zeitpunkt der Arbeitsunterbrechung wegen Invalidität nicht mehr Arbeitnehmer in Belgien, sondern in Luxemburg und in Italien gewesen seien.

    Zur ersten Frage

    4.

    Das Hauptproblem im vorliegenden Fall ist die Frage, ob es nach Gemeinschaftsrecht zulässig ist, als Voraussetzung für die Gleichstellung von Invaliditätszeiten mit Beschäftigungszeiten bei der Berechnung der Altersrente eine vergütete Arbeitstätigkeit in Belgien zum Zeitpunkt des Eintritts der Invalidität zu fordern ( 4 ).

    5.

    Sowohl die Kommission als auch die Kläger der Ausgangsverfahren machen geltend, eine solche Voraussetzung verstoße gegen das Gemeinschaftsrecht. Ihrer Meinung nach sind die belgischen Träger verpflichtet, eine Tätigkeit in anderen Mitgliedstaaten zu dem betreffenden Zeitpunkt einer Tätigkeit in Belgien gleichzustellen.

    6.

    Dieser Standpunkt wird, wenn man ihm folgt, erhebliche praktische Auswirkungen haben. Er wird z. B. dazu führen, daß ein Arbeitnehmer, der ein Jahr in Belgien und dann 19 Jahre in einem anderen Mitgliedstaat gearbeitet hat, wo er für invalide erklärt wurde und 29 Jahre lang verblieben ist, ohne arbeitsfähig zu sein, bis er im Alter von 65 Jahren Anspruch auf eine Altersrente erheben konnte, eine belgische Altersrente auf der Grundlage einer Zeit von 30 Jahren beanspruchen kann. Auch wenn sich Herr Lepore und Herr Scamuffa nicht in dieser extremen Lage befinden, ist doch darauf hinzuweisen, daß sie zu Belgien keine andere Verbindung als die wenigen Tätigkeitsjahre haben — nämlich vier beziehungsweise neun Jahre, die selbstverständlich für sich genommen Anspruch auf eine anteilige belgische Altersrente geben —, während sie in den anderen zu berücksichtigenden Zeiten außerhalb Belgiens gearbeitet und gewohnt haben.

    7.

    Mit seiner ersten Frage möchte das Tribunal du travail Brüssel wissen, inwieweit sich aus Artikel 43 Absatz 1 oder Artikel 45 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1408/71 ergibt, daß die streitige Voraussetzung als erfüllt anzusehen ist, „[weil] der die Altersrente Beantragende ... in einem anderen Mitglicdstaat der Europäischen Gemeinschaften zu diesem Zeitpunkt immer noch die Arbeitnehmereigenschaft besaß“.

    8.

    Artikel 43 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1408/71 bestimmt, daß die Leistungen bei Invalidität nach Maßgabe der Rechtsvorschriften des oder der Staaten, nach denen sie gewährt worden sind, gemäß Kapitel 3 in Leistungen bei Alter umgewandelt werden, d. h. nach den Vorschriften der Verordnung über Alter und Tod (Renten).

    Das vorlegende Gericht erwähnt in seinen Urteilen, daß Herr Lepore und Herr Scamuffa Anspruch auf belgische Leistungen bei Invalidität aufgrund der Zusammenrechnung der in den einzelnen Mitgliedstaaten zurückgelegten Versicherungszeiten hatten und die Leistungen anteilig für den belgischen Teil dieser Zeiten berechnet worden waren. Nach Auffassung des vorlegenden Gerichts muß man sich in diesem Zusammenhang die Frage stellen, ob sich nicht aus Artikel 43 ergibt, daß die gleichen Grundsätze der Zusammenrechnung, wie sie für die Gewährung von Leistungen bei Invalidität herangezogen wurden, auch für die Gewährung der Altersrente anzuwenden sind.

    Meines Erachtens läßt sich diese Auslegung schon durch den Hinweis auf den Wortlaut des Artikels 43 widerlegen, der ausdrücklich bestimmt, daß die Leistungen bei Alter an die Stelle der Leistungen bei Invalidität „nach Maßgabe der Rechtsvorschriften des oder der Staaten, nach denen sie gewährt worden sind ...“, treten.

    Artikel 45 Absatz 1, der Teil des Kapitels über Renten bei Alter und Tod ist, bestimmt:

    „Der zuständige Träger eines Mitgliedstaats, nach dessen Rechtsvorschriften der Erwerb, die Aufrechterhaltung oder das Wiederaufleben des Leistungsanspruchs von der Zurücklegung von Versicherungs-oder Wohnzeiten abhängig ist, berücksichtigt, soweit erforderlich, die Versicherungs-oder Wohnzeiten, die nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats zurückgelegt wurden, als handelte es sich um Zeiten, die nach den für diesen Träger geltenden Rechtsvorschriften zurückgelegt worden sind.“

    Das vorlegende Gericht weist ausdrücklich darauf hin, daß das belgische Recht den Erwerb des Rentenanspruchs nicht von einer Mindestbeschäftigungszeit abhängig macht. Es bezweifelt daher nicht, daß Artikel 45 nicht unmittelbar anwendbar ist, meint allerdings, man müsse sich die Frage stellen, ob die streitige Voraussetzung nicht eine Vorbedingung im Sinne des Artikels 45 sei, so daß im vorliegenden Fall die streitige Zeit in analoger Anwendung des Grundsatzes der Zusammenrechnung im belgischen System der Altersrenten gleichgestellt werden müsse.

    Meines Erachtens ist hier dem Standpunkt der Kommission zu folgen, wonach Artikel 45 Absatz 1 weder unmittelbar noch analog auf den vorliegenden Fall angewandt werden kann. Artikel 45 Absatz 1 betrifft die Zusammenrechnung von Zeiten zwecks Erwerbs von Ansprüchen, und eine solche Zusammenrechnung ist, wie ich ausgeführt habe, nicht erforderlich, um in Belgien einen Anspruch auf Altersrente zu erwerben. Hinzu kommt, daß Artikel 45 Absatz 1 die Zusammenrechnung von Zeiten betrifft, während es hier um die Frage geht, ob eine Arbeitnehmertätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat zu einem gegebenen Zeitpunkt einer Arbeitnehmertätigkeit in Belgien zum maßgebenden Zeitpunkt gleichgestellt werden kann.

    9.

    Allerdings kann man, worauf die Kommission hingewiesen hat, die Frage aufwerfen, ob andere Gemeinschaftsvorschriften im Rahmen der Beantwortung der Vorlagefrage zu berücksichtigen sind.

    Die Frage, in welchem Umfang Invaliditätszeiten gleichzustellen sind, ist eine Frage, die die Berechnung des Betrages der betreffenden Altersrente betrifft, und folglich ist von Artikel 46 der Verordnung Nr. 1408/71 auszugehen, der die Feststellung der Leistungen betrifft. Absatz 1 Satz 1 dieses Artikels sieht vor, daß der zuständige Träger

    „... nach den für ihn geltenden Rechtsvorschriften den Leistungsbetrag unter Zugrundelegung aller nach diesen Rechtsvorschriften zu berücksichtigenden Versicherungsoder Wohnzelten [bestimmt]“.

    10.

    Artikel 46 Absatz 1 legt nicht fest, was unter Versicherungszeiten zu verstehen ist. Eine solche Definition findet sich indessen in Artikel 1 Buchstabe r der Verordnung, der für die Anwendung der Verordnung bestimmt:

    ‚„Versicherungszeiten‘: die Beitrags-, Beschäftigungszeiten oder Zeiten einer Selbständigentätigkeit, die nach den Rechtsvorschriften, nach denen sie zurückgelegt worden sind oder als zurückgelegt gelten, als Versicherungszeiten bestimmt oder anerkannt sind, sowie alle gleichgestellten Zeiten, soweit sie nach diesen Rechtsvorschriften als den Versicherungszeiten gleichwertig anerkannt sind ...“

    Der Gerichtshof hat in seiner Rechtsprechung anerkannt, daß die Frage, was als gleichgestellte Zeiten anzusehen ist, lediglich nach Maßgabe der Kriterien der nationalen Rechtsvorschriften zu beantworten ist, falls diese nicht den Vorschriften der Artikel 48 bis 51 EWG-Vertrag zuwiderlaufen ( 5 ).

    11.

    Bevor ich mich weiter mit der Tragweite der Artikel 48 bis 51 EWG-Vertrag befasse, dürften einige Ausführungen zu dem Verhältnis zwischen einem Erfordernis wie dem in den Ausgangsverfahren streitigen und dem System der Verordnung sinnvoll sein.

    Das Gemeinschaftsrecht begründet keine Verpflichtung, bei der Berechnung von Altersrenten die in anderen Mitgliedstaaten zurückgelegten Beschäftigungszeiten den Beschäftigungszeiten gleichzustellen, die in dem Mitgliedstaat zurückgelegt wurden, in dem die Rente beantragt wird. Nach dem System der Verordnung begründen daher bei der Berechnung des Leistungsbetrags Versicherungszeiten eindeutig Ansprüche in dem Mitgliedstaat, nach dessen Rechtsvorschriften diese Zeiten zurückgelegt wurden. In seinem Urteil vom 7. Februar 1991 in der Rechtssache C-227/89, Rönfeldt, hat der Gerichtshof ausgeführt:

    „Die Verordnung Nr. 1408/71 schreibt somit nicht vor, daß die in einem oder mehreren anderen Mitgliedstaaten zurückgelegten Beitragszeiten zum Zwecke einer Erhöhung der Rente den Beitragszeiten hinzugerechnet werden müssen, die in dem Mitgliedstaat zurückgelegt wurden, in dem die Rente beantragt wird. Nur für den Erwerb des Rentenanspruchs werden die in mehreren Mitgliedstaaten zurückgelegten Versicherungszeiten zusammengerechnet.“ ( 6 )

    Wie ich bereits ausgeführt habe, ergibt sich aus Artikel 1 Buchstabe r der Verordnung, daß der Begriff der Versicherungszeiten sowohl die Beschäftigungszeiten als die diesen gleichgestellten Zeiten umfaßt; in diesem Zusammenhang ist daher der Hinweis wichtig, daß der Ort, an dem eine Person zuletzt Arbeitnehmer war, entscheidend für die Frage sein kann, nach welchen Rechtsvorschriften eine Zeit, die als solche keine Beschäftigungszeit ist, als zurückgelegt zu betrachten ist ( 7 ).

    Herr Lepore und Herr Scamuffa waren zuletzt in Luxemburg und in Italien beschäf-. tigt und wohnen ausweislich der Akten immer noch in diesen Mitgliedstaaten; es unterliegt daher keinem Zweifel, daß sie während der für sie maßgeblichen Invaliditätszeiten den Rechtsvorschriften Luxemburgs und Italiens unterlagen.

    12.

    Im gleichen gedanklichen Zusammenhang ließe sich sagen, daß die Voraussetzung des belgischen Rechts, wonach die Betreffenden zum Zeitpunkt des Eintritts der Invalidität Arbeitnehmer in Belgien gewesen sein müssen, Ausdruck des Erfordernisses ist, daß die Betreffenden während der Invaliditätszeit den belgischen Rechtsvorschriften unterlegen haben müssen, oder, anders gewendet, daß die Invaliditätszeit nach den belgischen Rechtsvorschriften zurückgelegt worden sein muß.

    13.

    Weiter ließe sich in diesem Zusammenhang sagen, daß

    Herr Lepore und Herr Scamuffa keine Ansprüche verlieren, die sie in Belgien erworben hatten oder zu erwerben im Begriff waren, und daß

    der Umstand, daß ihre Lage sich von der unterscheidet, in der sie gewesen wären, wenn sie in Belgien geblieben wären, eine einfache Folge des Umstands ist, daß sie zuletzt nach den Rechtsvorschriften von Mitgliedstaaten beschäftigt waren und ihre jeweiligen Invaliditätszeiten zurückgelegt haben, die Arbeitnehmer, die infolge Invalidität arbeitsunfähig geworden sind, bei der Berechnung der Altersrente anders, wenn auch nicht notwendig ungünstiger, behandeln, als dies in Belgien der Fall wäre.

    Wie der Gerichtshof mehrfach festgestellt hat, läßt Artikel 51 Unterschiede zwischen den Systemen der sozialen Sicherheit jedes Mitgliedstaats und folglich auch bei den Ansprüchen der dort arbeitenden Personen weiterbestehen. Die materiell-und verfahrensrechtlichen Unterschiede zwischen den Systemen der sozialen Sicherheit der Mitgliedstaaten werden daher durch Artikel 51 EWG-Vertrag nicht berührt ( 8 ).

    14.

    Hinzu kommt, daß nichts in den vorliegenden Rechtssachen darauf hindeutet, daß die streitige Regel nicht jede Person berühren würde, auf die sie nach objektiven Kriterien und ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit anzuwenden wäre ( 9 ).

    15.

    Sollte der Gerichtshof den vorstehenden Erwägungen folgen können, so ließe sich allein auf der Grundlage dieser Gründe auf die Vorlagefrage dahin antworten, daß eine Voraussetzung wie die im vorliegenden Fall streitige nicht gegen das Gemeinschaftsrecht verstößt, weil sich dem Gemeinschaftsrecht nicht die Verpflichtung entnehmen läßt, nach den Rechtsvorschriften anderer Mitgliedstaaten zurückgelegte Zeiten den Invaliditätszeiten gleichzustellen, die nach den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dem die Rente beantragt wird, zurückgelegt wurden.

    16.

    Diese Überlegungen sind, obwohl sie Gewicht haben, nicht notwendig ausschlaggebend, wenn es um Invaliditätszeiten geht, die nach den Rechtsvorschriften eines Landes Beschäftigungszeiten gleichgestellt werden. Der Gerichtshof hat in einer beträchtlichen Anzahl von Rechtssachen, die die Systeme der sozialen Sicherheit der Mitgliedstaaten betrafen, hierzu festgestellt,

    daß es zwar grundsätzlich „Sache jedes Mitglicdstaats [ist], durch den Erlaß von Rechtsvorschriften die Voraussetzungen festzulegen, unter denen eine Person einem System der sozialen Sicherheit beitreten kann oder muß, solange es dabei nicht zu einer diskriminierenden Unterscheidung zwischen Inländern und Angehörigen der übrigen Mitgliedstaaten kommt“ ( 10 ), daß es aber in einer Reihe von Fällen nicht weniger notwendig ist, den folgenden Umständen Rechnung zu tragen:

    „Die aufgrund von Artikel 51 EWG-Vertrag ergangene Verordnung Nr. 1408/71 ist im Lichte des Zwecks dieses Artikels auszulegen; dieser besteht in der Herstellung größtmöglicher Freizügigkeit der Wanderarbeitnehmer die eine der Grundlagen der Gemeinschaft darstellt“ ( 11 );

    „Die Artikel 48 bis 51 EWG-Vertrag sowie die zu ihrer Durchführung erlassenen gcmeinschaftsrechtlichen Vorschriften, insbesondere die Verordnung Nr. 1408/71, bezwecken, zu verhindern, daß ein Arbeitnehmer, der von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht hat und in mehr als einem Mitglicdstaat beschäftigt war, schlechter gestellt wird als ein Arbeitnehmer, der seine gesamte berufliche Laufbahn in einem einzigen Mitgliedstaat zurückgelegt hat“ ( 12 );

    „Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes [läßt] Artikel 51 EWG-Vertrag zwar Unterschiede zwischen den Systemen der sozialen Sicherheit der Mitgliedstaaten und folglich auch bezüglich der Ansprüche der dort Beschäftigten bestehen ..., der Zweck der Artikel 48 bis 51 EWG-Vertrag [würde] jedoch unleugbar verfehlt, wenn Wanderarbeitnehmer, die von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht haben, Vergünstigungen der sozialen Sicherheit verlören, die ihnen die Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats sichern; ein solcher Verlust könnte EG-Arbeitnehmer davon abhalten, von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch zu machen, und würde somit die Freizügigkeit beeinträchtigen“ ( 13 ).

    17.

    Insoweit kann man sich unschwer Fälle vorstellen, in denen die im vorliegenden Fall streitige Voraussetzung Arbeitnehmer von der Ausübung ihres Rechts auf Freizügigkeit abhalten könnte, wenn sie auf sie anwendbar wäre.

    Es wäre nicht unvernünftig, anzunehmen, daß ein Arbeitnehmer, der während langer Jahre in Belgien beschäftigt war und möglicherweise Gesundheitsprobleme hat, sein Recht auf Arbeitsaufnahme in einem anderen Mitgliedstaat nach dem EWG-Vertrag nicht ausüben wird, weil dies zu einem Verlust seines Anspruchs auf Anrechnung einer etwaigen Invaliditätszeit für die belgische Altersrente führen könnte.

    Die streitige Voraussetzung knüpft sehr wichtige Rechtsfolgen — vollständige Anrechnung oder Nichtanrechnung von Invaliditätszeiten — an ein Erfordernis, das nur von demjenigen erfüllt werden kann, der weiterhin bis zum Zeitpunkt des Eintritts der Arbeitsunfähigkeit als Arbeitnehmer in Belgien tätig bleibt.

    18.

    Gleichwohl ist nicht sicher, daß die streitige Voraussetzung gegen das Gemeinschaftsrecht verstößt. Man darf nicht außer acht lassen, daß die Feststellung der Unvereinbarkeit dieser Voraussetzung mit dem Gemeinschaftsrecht bedeuten würde, daß jede Tätigkeit in Belgien, so kurz sie immer sei, dem betreffenden Arbeitnehmer einen Anspruch auf Gleichstellung von Invaliditätszeiten ohne Rücksicht auf den Ort, an dem diese tatsächlich zurückgelegt worden wären, bei der Berechnung der belgischen Altersrente verschaffen würde.

    19.

    In ihren beim Gerichtshof eingereichten Erklärungen hat die Kommission sich auf eine Reihe von Urteilen gestützt, um ihren Standpunkt zu belegen, dem zufolge die streitige Voraussetzung gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung im Sinne des Artikels 48 EWG-Vertrag und des Artikels 3 der Verordnung verstoße und dem zufolge die Nichtgleichstellung der Tätigkeit in anderen Mitgliedstaaten zu dem betreffenden Zeitpunkt mit einer Tätigkeit in Belgien eine mittelbare und gegen den EWG-Vertrag verstoßende Diskriminierung darstelle ( 14 ). Ich glaube indessen nicht, daß diese Urteile den Gedanken tragen, daß es mit den Artikeln 48 bis 51 EWG-Vertrag nicht vereinbar ist, wenn die belgischen Behörden eine Voraussetzung der streitigen Art festlegen und anwenden, und ebenso bin ich nicht der Meinung, daß es in der übrigen Rechtsprechung des Gerichtshofes zur Anwendung des in den Artikeln 48 bis 51 EWG-Vertrag verankerten Grundsatzes Urteile gibt, die aufgrund ihres Sachverhalts unmittelbar mit den vorliegenden Rechtssachen vergleichbar wären ( 15 ).

    20.

    Meines Erachtens ist hier die Frage zu stellen, ob die Anwendung des Artikels 46 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1408/71 eine angemessene Lösung für die Probleme des vorliegenden Falles bieten kann.

    21.

    Aus Artikel 46 Absatz 1 ergibt sich nämlich, daß sich der zuständige Träger nicht auf die Berechnung der Altersrente allein auf der Grundlage der nach seinen Rechtsvorschriften zu berücksichtigenden Zeiten beschränken darf, sondern auch eine Berechnung der Altersrente nach den in Absatz 2 des Artikels 46 festgelegten Grundsätzen der anteiligen Berechnung vorzunehmen hat. Der Empfänger der Leistungen hat Anspruch auf den höheren der beiden Beträge.

    Gemäß Artikel 46 Absatz 2 Buchstabe a berechnet der zuständige Träge in diesem Zusammenhang den theoretischen Betrag, d. h. den Betrag der Leistung,

    „... auf die die betreffende Person Anspruch hätte, wenn alle nach den für den Arbeitnehmer ... geltenden Rechtsvorschriften der Mitglicdstaaten zurückgelegten Versicherungs-und Wohnzeiten nur in dem betreffenden Staat und nach den für diesen Träger zum Zeitpunkt der Feststellung der Leistung geltenden Rechtsvorschriften zurückgelegt worden wären ...“.

    Auf der Grundlage des theoretischen Betrages ermittelt der Träger sodann nach Artikel 46 Absatz 2 Buchstabe b den tatsächlich geschuldeten Betrag

    „... nach dem Verhältnis zwischen den nach seinen Rechtsvorschriften vor Eintritt des Versichcrungsfalls zurückgelegten Vcrsicherungs-oder Wohnzeiten und den gesamten nach den Rechtsvorschriften aller beteiligten Mitgliedstaaten vor Eintritt des Versicherungsfalls zurückgelegten Versicherungs-oder Wohnzeiten“ ( 16 ).

    22.

    Wenn Artikel 46 Absatz 2 Buchstabe a dahin ausgelegt werden könnte, daß die zuständigen belgischen Träger bei der Berechnung des theoretischen Betrages stets die Invaliditätszeiten als gleichgestellte Zeiten zu berücksichtigen hätten, auch wenn die streitige Voraussetzung nicht erfüllt wird, würde man meines Erachtens zu einer Lösung gelangen, die die Interessen der Wanderarbeitnehmer in ausreichender Weise berücksichtigen würden. In einem solchen Fall, glaube ich, wäre die streitige Voraussetzung keine gegen Artikel 48 bis 51 EWG-Vertrag verstoßende Einschränkung.

    23.

    Es scheint mir indessen kaum möglich zu sein, Artikel 46 Absatz 2 Buchstabe a in einer Weise auszulegen, die zu dieser Lösung führen würde.

    Aufgrund dieser Vorschrift sind nämlich „alle nach den für den Arbeitnehmer geltenden Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten zurückgelegten Versicherungs-und Wohnzeiten“ zusammenzurechnen. Aus dieser Vorschrift läßt sich keine Verpflichtung der belgischen Träger ableiten, Invaliditätszeiten nach belgischem Recht unmittelbar Beschäftigungszeiten gleichzustellen. Im übrigen ergibt sich aus Artikel 1 Buchstabe r der Verordnung, worauf die Kommission hingewiesen hat, daß die Frage, in welchem Umfang eine Zeit als gleichgestellt zu betrachten ist, nach den Rechtsvorschriften zu beantworten ist, nach denen diese Zeit zurückgelegt wurde ( 17 ).

    24.

    Da mir die vorstehend geschilderte Auslegung des Artikels 46 Absatz 2 Buchstabe a nicht möglich erscheint, muß ich feststellen, daß zumindest in einer Reihe von Situationen die Rechte, die die Wanderarbeitnehmer aus dem EWG-Vertrag ableiten, nicht ausreichend geschützt werden, wenn man der Rechtsauffassung der Kommission nicht folgt.

    Unter diesen Umständen scheint es mir mit der grundlegenden Ausrichtung der Rechtsprechung des Gerichtshofes übereinzustimmen, wenn ich zu dem Ergebnis gelange, daß sich aus den Vorschriften der Artikel 48 bis 51 EWG-Vertrag und des Artikels 3 der Verordnung Nr. 1408/71 ergibt, daß die belgischen Träger als Voraussetzung für die Gleichstellung von Invaliditätszeiten nicht verlangen können, daß die Wanderarbeitnehmer zum Zeitpunkt des Eintritts der Arbeitsunfähigkeit Arbeitnehmer in Belgien gewesen sind.

    25.

    Die Probleme, die dieses Ergebnis möglicherweise für die belgischen Träger mit sich bringt, können meines Erachtens von diesen mit Hilfe einer Abänderung der geltenden Regelung gelöst werden. Eine mögliche Lösung ist unten im Rahmen der Antwort auf die dritte Frage angedeutet.

    Zur zweiten Frage

    26.

    Mit seiner zweiten Frage ersucht das vorlegende Gericht um eine Auslegung des Artikels 15 der Verordnung Nr. 574/72. Artikel 15 enthält allgemeine Regeln über die Zusammenrechnung von Zeiten und insbesondere Regeln, die die Probleme des Zusammentreffens lösen sollen, die entstehen, wenn in zwei oder mehr Mitgliedstaaten zurückgelegte Versicherungszeiten sich überschneiden. Im Zusammenhang der vorliegenden Rechtssachen ist diese Vorschrift von Bedeutung bei der Berechnung des Betrages der Altersrente nach Artikel 46 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1408/71. Aus Artikel 46 der Verordnung Nr. 574/72 ergibt sich in der Tat, daß Artikel 15 Absatz 1 Buchstaben b, c und d auf diesen Sachverhalt anwendbar ist.

    27.

    Wie ich bereits ausgeführt habe, ergibt sich aus Artikel 46 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1408/71, daß die zuständigen Träger stets sowohl die „autonome Leistung“ nach Artikel 46 Absatz 2 als auch die anteilige Leistung nach Artikel 46 Absatz 2 zu berechnen haben, wobei der Betreffende Anspruch auf den höchsten der beiden Beträge hat.

    Die Berechnung nach Absatz 2 dürfte allerdings im vorliegenden Fall keine praktische Bedeutung haben, wenn man dem Standpunkt der Kommission folgend davon ausgeht, daß die Kläger der Ausgangsverfahren Anspruch auf Anrechnung der Invaliditätszeiten bei der Berechnung der Altersrente haben, da die Voraussetzung der belgischen Rechtsvorschriften nicht mit den Artikeln 48 bis 51 EWG-Vertrag vereinbar ist.

    28.

    Im Rahmen ihrer Ausführungen zur zweiten Frage des vorlegenden Gerichts hat die Kommission erklärt, daß Artikel 15 Absatz 1 Buchstabe c der Verordnung Nr. 574/72 „eine Situation behandelt, in der eine nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats (im vorliegenden Fall den belgischen) gleichgestellte Zeit mit einer anderen als einer gleichgestellten Versicherungs-oder Wohnzeit zusammenfällt, die nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats (im vorliegenden Fall den italienischen bzw. den luxemburgischen) zurückgelegt wurde“, und daß „mithin festzustellen ist, ob die Zeiten der Zahlung der italienischen und der luxemburgischen Invaliditätsrenten als Versicherungszeiten zu betrachten sind oder nicht“. Nach Auffassung der Kommission stellt sich die Frage in ähnlicher Weise bei Artikel 15 Absatz 1 Buchstabe d, bei dem festzustellen sei, „ob die italienischen und die luxemburgischen Rechtsvorschriften die betreffenden Zeiten als gleichgestellte Zeiten behandeln“.

    Die Kommission hat sodann vorgeschlagen, die zweite Frage dahin zu beantworten, daß die Anwendung der einschlägigen Vorschriften der Verordnung Nr. 574/72 „von der Qualifikation der betreffenden Zeiten nach den betreffenden nationalen Rechtsvorschriften abhängt“.

    29.

    Ich möchte dem Gerichtshof vorschlagen, diese Frage so zu beantworten, wie die Kommission es angeregt hat.

    Zur dritten Frage

    Das vorlegende Gericht hat darauf hingewiesen, daß nach den belgischen Rechtsvorschriften bei der Berechnung der Altersrente eine fiktive Vergütung im Rahmen der Berücksichtigung gleichgestellter Zeiten zugrunde zu legen sei ( 18 ), und den Gerichtshof mit seiner dritten Frage gefragt, ob dann diese Vergütungen unter Zugrundelegung der gleichen Aufteilung zu berücksichtigen sind, wie sie bei der Gewährung der Leistungen bei Invalidität selbst zugrunde gelegt wurden.

    Aus dem Vorlageurteil ergibt sich insbesondere, daß das ONP sich hierzu dahin geäußert hat, daß „die mit der Vorlagefrage angeregte Auslegung zwar äußerst interessant ist und der Gerechtigkeit entspricht, jedoch nach belgischem Recht eher ‚de lege ferenda‘ zu vertreten als dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zur Vorabentscheidung vorzulegen ist“.

    Die Kommission hat folgende Antwort auf die dritte Frage vorgeschlagen:

    „Sehen bei der Berechnung einer Altersrente die Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats eine fiktive Vergütung für die Berücksichtigung gleichgestellter Zeiten vor, so schließt beim gegenwärtigen Stand des Gemeinschaftsrechts nichts aus — und verpflichtet andererseits auch nichts dazu —, diese fiktive Vergütung auf der gleichen Grundlage aufzuteilen, wie dies bei der Aufteilung der bis zum Zeitpunkt des Erwerbs des Altersrentenanspruchs gewährten Leistungen bei Invalidität geschehen ist.

    Ich teile den Standpunkt der Kommission, wonach es nicht möglich ist, die anwendbaren Gemeinschaftsvorschriften so auszulegen, daß sich daraus die in der Vorlagefragc umschriebene Aufteilung ergeben würde ( 19 ). Dieses Ziel muß gegebenenfalls durch eine Anpassung der einschlägigen nationalen Rechtsvorschriften erreicht werden.

    Ergebnis

    30.

    Mithin schlage ich dem Gerichtshof folgende Antworten auf die Vorlagefragen vor:

    Die Artikel 48 bis 51 EWG-Vertrag und Artikel 3 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörigen, die innerhalb der Gemeinschaft zu-und abwandern, in ihrer durch die Verordnung (EWG) Nr. 2001/83 des Rates vom 2. Juni 1983 kodifizierten Fassung sind dahin auszulegen, daß sie es nicht zulassen, daß ein Wanderarbeitnehmer bei der Berechnung seiner Altersrente sein nach den nationalen Rechtsvorschriften gegebenes Recht auf Gleichstellung von Invaliditätszeiten mit Beschäftigungszeiten nur deshalb verliert, weil er zum Zeitpunkt des Eintritts der Arbeitsunfähigkeit in dem betreffenden Mitgliedstaat nicht Arbeitnehmer war, obwohl er zu diesem Zeitpunkt Arbeitnehmer in einem anderen Mitgliedstaat war.

    Die Frage, in welchem Umfang solche Invaliditätszeiten bei der Berechnung des theoretischen Betrages nach Artikel 46 Absatz 2 Buchstabe a der Verordnung Nr. 1408/71 als Versicherungszeiten zu berücksichtigen sind, ist nach den Rechtsvorschriften zu beantworten, nach denen diese Zeiten zurückgelegt wurden oder als zurückgelegt gelten. Die Frage, ob Artikel 15 Absatz 1 Buchstaben b, c und d der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 vom 21. März 1972 über die Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 anzuwenden ist, hängt sodann von der Qualifikation der betreffenden Zeiten nach den verschiedenen nationalen Rechtsvorschriften ab.

    Ist bei der Berechnung einer Altersrente nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats eine fiktive Vergütung für die Berücksichtigung gleichgestellter Zeiten festgelegt, so schließt beim gegenwärtigen Stand des Gemeinschaftsrechts nichts aus — verpflichtet aber auch nicht dazu —, diese fiktive Vergütung auf der gleichen Grundlage aufzuteilen, wie sie bei der Aufteilung der bis zum Zeitpunkt des Erwerbs dieser Altersrente gewährten Leistungen bei Invalidität zugrunde gelegt wurde.


    ( *1 ) Originalsprache: Dänisch.

    ( 1 ) Es handelt sich um die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu-und abwandern, und die Verordnung (EWG) Nr. 574/72 des Rates vom 21. März 1972 über die Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71, jeweils in ihrer durch die Verordnung (EWG) Nr. 2001/83 des Rates vom 2. Juni 1983 (ABl. L 230, S. 6) kodifizierten Fassung.

    Eine Reihe der im vorliegenden Fall anwendbaren Vorschriften wurde durch die Verordnung (EWG) Nr. 1248/92 des Rates vom 30. April 1992 (ABL. L 136, S. 71 geändert, die am 1. Juni 1992 in Kraft getreten ist; siehe die Übergangsvorschriften in Artikel 2 Nr. 6 der Verordnung. Wie die Kommission erläutert hat, sind diese Änderungen ohne Auswirkung auf die Beantwortung der im vorliegenden Fall gestellten Fragen.

    ( 2 ) Siehe Artikel 34 der belgischen Königlichen Verordnung vom 21. Dezember 1967 zur allgemeinen Regelung des Systems der Alters-und Hinterbliebenenrente für Arbeitnehmer.

    ( 3 ) Das ONP stützt diese Auslegung auf Artikel 1 der belgischen Königlichen Verordnung Nr. 50 vom 24. Oktober 1967, wonach das System der Altersrenten eingeführt wird zugunsten der „... Arbeitnehmer, die aufgrund irgendeines Arbeitsvertrags in Belgien beschäftigt waren ...“.

    ( 4 ) Aus der Formulierung dieser Vorlagefrage ergibt sich eindeutig, daß sie sich auf die Vereinbarkeit dieser Voraussetzung mit dem Gemeinschaftsrecht bezieht. Einer Äußerung dazu, ob die Begründung, mit der das ONP in erster Linie seine Weigerung gerechtfertigt hat, die Invaliditätszeit zu berücksichtigen, nach Gcmeinschaftsrccht rechtmäßig ist, bedarf es daher nicht. Diese Begründung beruhte darauf, daß aufgrund einer Verwaltungspraxis in Belgien kein Anspruch auf Gleichstellung bestand, wenn der Betreffende nach den belgischen Rechtsvorschriften Leistungen der Kranken-und Invaliditätsversicherung nur wegen der Anwendung der Gcmcinschaftsrcgclung bezog und gleichzeitig eine ausländische Invaliditätsrente erhielt.

    ( 5 ) Vgl. insbesondere Urteile des Gerichtshofes vom 5. Dezember 1967 in der Rechtssache 14/67 (Welchner, Slg. 1967, 444), vom 6. Juni 1972 in der Rechtssache 2/72 (Murru, Slg. 1972, 333, Randnr. 10), und vom 15. Oktober 1991 in der Rechtssache C-302/90 (Faux, Slg. 1991, I-4875, Randnrn. 25 bis 28).

    ( 6 ) Slg. 1991, I-323, Randnr. 19. Umgekehrt verbietet es die Verordnung nicht, daß ein Mitgliedstaat anderen Mitgliedstaaten zurückgelegte Zeiten den in seinem Hoheitsgebiet zurückgelegten Zeiten gleichstellt; siehe Urteil des Gerichtshofes vom 5. Juli 1988 in der Rechtssache 21/87 (Borowitz, Slg. 1988, 3715).

    ( 7 ) Aus Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe a der Verordnung Nr. 1408/71 ergibt sich, daß die Arbeitnehmer den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats der Beschäftigung oder des Mitgliedstaats der letzten Beschäftigung unterliegen, siehe Urteil des Gerichtshofes vom 12. Juni 1986 in der Rechtssache 302/84 (Ten Holder, 1986, 1821). Der Gerichtshof hat gleichwohl festgestellt, daß diese Vorschrift nicht auf Arbeitnehmer Anwendung findet, die jede Berufstätigkeit endgültig aufgegeben haben. In diesem Fall können die Mitglicdstaatcn die Zugehörigkeit zum inländischen System der sozialen Sicherheit von Wohnvoraussetzungen abhängig machen. Umgekehrt haben die nationalen Rechtsvorschriften festzulegen, ob der Umstand, daß eine Person eine mit der Beendigung der letzten Beschäftigung zusammenhängende Leistung erhält, zugleich bedeutet, daß sie als Versicherter in einem System der sozialen Sicherheit zu betrachten ist; siehe Urteil des Gerichtshofes vom 21. Februar 1991 in der Rechtssache C-245/88 (Daalmeijer, Slg. 1991, I-555). Siehe auch das jüngste Urteil des Gerichtshofes vom 6. Februar 1992 in der Rechtssache C-253/90 (Kommission/Belgien, Slg. 1992, I-531, Randnr. 11), wonach auf Personen wie etwa Arbeitnehmer, die eine Berufstätigkeit endgültig aufgegeben haben und bei denen keine der in Artikel 13 Absatz 2 und Artikel 14 bis 17 der Verordnung behandelten Fallgestaltungen vorliegt, gleichzeitig den Rechtsvorschriften mehrerer Mitglicdstaatcn unterworfen sein können. Die Frage ist im vorliegenden Fall nicht erheblich, da Herr Lepore und Herr Scamuffa immer noch in den Mitglicdstaatcn wohnen, in denen sie zuletzt beschäftigt waren.

    ( 8 ) Vgl. Urteile des Gerichtshofes vom 7. Februar 1991 in der Rechtssache C-227/89 (a. a. O.) und vom 4. Oktober 1991 in der Rechtssache C-349/87 (Paraschi, Slg. 1991,I-4501, Randnr. 22).

    ( 9 ) Siehe insoweit insbesondere Urteil des Gerichtshofes vom 28. Juni 1978 in der Rechtssache 1/78 (Kenny, Slg. 1978, 1489), in dem der Gerichtshof in Randnummer 18 ausgeführt hat:

    „Zwar verbieten die Artikel 7 und 48 EWG-Vertrag den Mitglicdstaatcn, ihr Recht im Anwendungsbereich des Vertrages je nach der Staatsangehörigkeit der Betroffenen unterschiedlich anzuwenden, sie erfassen jedoch nicht Unterschiede in der Behandlung, die sich für die dem Gemeinschaftsrecht unterstehenden Personen aus Unterschieden zwischen den Rechtsordnungen der einzelnen Mitglicdstaatcn ergeben, sofern diese Rechtsordnungen auf alle ihrer Herrschaft unterworfenen Personen nach objektiven Merkmalen und ohne Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit der Betroffenen anwendbar sind.“

    Diese Begründung findet sich im Urteil des Gerichtshofes vom 27. September 1988 in der Rechtssache 313/86 (Lenoir, Slg. 1988, 5391, Randnr. 15) wieder.

    ( 10 ) Vgl. zuletzt Urteil des Gerichtshofes vom 4. Oktober 1991 in der Rechtssache C-349/87 (a. a. O., Randnr. 15).

    ( 11 ) Urteil des Gerichtshofes vom 25. Februar 1986 in der Rechtssache 254/84 (De Jong, Sig. 1986, 671, Randnr. 14). Siehe auch Urteil des Gerichtshofes vom 7. März 1991 in der Rechtssache C-10/90 (Masgio, Slg. 1991, I-1119).

    ( 12 ) Randnr. 12 des Urteils des Gerichtshofes vom 7. März 1991 in der Rechtssache Masgio.

    ( 13 ) Urteil des Gerichtshofes vom 4. Oktober 1991 in der Rechtssache C-349/87 (a.a.O.) sowie Schlußanträgc des Gcncralanwalts Darmon vom 14. Januar 1993 in der Rechtssache C-165/91 (S. J. M. van Munster, insbesondere Nrn. 37 bis 40). Ein Urteil ist in dieser Rechtssache noch nicht ergangen. Siehe auch Randnr. 18 des Urteils des Gerichtshofes vom 7. März 1991 in der Rechtssache Masgio.

    In seinem Urteil vom 15. Oktober 1991 in der Rechtssache C-302/90 (Faux, Sig. 1991, I-4875, Randnr. 28) hat der Gerichtshof ferner ausgeführt, daß „._.. die Vorschriften der Verordnungen Nrn. 3 und 1408/71, die die Vcrsichcrungszcitcn definieren, nicht so ausgelegt werden können, daß sie darauf hinauslaufen, daß den Wandcrarbcitnelimcrn Vergünstigungen genommen werden, auf die sie aHein nach den Rechtsvorschriften eines Mitglicdstaats Anspruch gehabt hätten, und daß so die Erreichung des mit den Artikeln 48 bis 51 EWG-Vertrag verfolgten Zwecks verhindert wird ...“.

    ( 14 ) Die Kommission bezieht sich insoweit auf die Urteile des Gerichtshofes vom 15. Oktober 1969 in der Rechtssache 15/69 (Ugliola, Slg. 1969, 363), vom 15. Mai 1976 in der Rechtssache 184/73 (Kaufmann, Slg. 1976, 517), vom 30. Oktober 1975 in der Rechtssache 33/75 (Galati, Slg. 1975, 1323), vom 22. Februar 1990 in der Rechtssache C-228/88 (Bronzino, Slg. 1990, I-531) und in der Rechtssache C-12/89 (Gatto, Slg. 1990, I-557) sowie, bezüglich der Fälle, in denen eine solche Gleichstellung von Ereignissen in anderen Mitglicdstaaten nicht vorzunehmen war, auf die Urteile des Gerichtshofes vom 28. Juni 1978 in der Rechtssache 1/78 (Kenny, Slg. 1978, 1489) und vom 1. Dezember 1977 in der Rechtssache 66/77 (Kuykcn, Slg. 1977, 2311).

    ( 15 ) Vgl. insoweit die in den Fußnoten 10 bis 13 zitierten Urteile und insbesondere die jüngsten Schlußanträge des Gcncralanwalts Darmon vom 14. Januar 1991 in der Rechtssache C-165/91 (S. J. M. van Munster).

    Andererseits gibt es vielleicht ein Urteil, das die gegenteilige Lösung stützt. Es handelt sich um das Urteil des Gerichtshofes vom 5. Dezember 1967 in der Rechtssache 14/67 (Welchncr, Slg. 1967, 444). Diese Rechtssache betraf bestimmte deutsche Vorschriften über die Berechnung der Leistungen bei Invalidität, die als Voraussetzung für die Gleichstellung von Wehrdienstzeiten mit sogenannten Ersatzzeiten im Sinne der deutschen Vorschriften forderten, daß der Betreffende binnen einer bestimmten Frist nach Beendigung des Militärdienstes in Deutschland eine Tätigkeit aufgenommen hatte, die mit der Versichcrungspflicht in der Invalidenversicherung verbunden war.

    Der Kläger des Ausgangsverfahrens machte geltend, daß er in den Genuß der gewünschten Gleichstellung kommen müsse, weil er eine solche Tätigkeit in Frankreich aufgenommen habe.

    Der Gerichtshof entschied insbesondere aufgrund einer Auslegung der Vorschrift der seinerzeit anwendbaren Verordnung Nr. 3, die im wesentlichen Artikel 1 Buchstabe r der Verordnung Nr. 1408/71 entspricht, daß Deutschland nicht verpflichtet war, bei der gegebenen Sachlage eine Zeit, die nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats zurückgelegt worden war, zu berücksichtigen.

    Es verstieß daher nicht gegen Gemeinschaftsrecht, als Voraussetzung für die Gleichstellung einer Zeit die Forderung aufzustellen, daß der Betreffende im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats kurz nach der Zeit, deren Gleichstellung verlangt wurde, Arbeitnehmer gewesen sein mußte. Es sollte indessen darauf hingewiesen werden, daß die Begründung sich ebenfalls auf besondere Vorschriften eines Anhangs der Verordnung bezog und daß diese Vorschriften vielleicht entscheidende Bedeutung für die Lösung gehabt haben.

    ( 16 ) Vgl. zuletzt zur Anwendung dieser Bcrcchnungsrcgcln die Urteile des Gerichtshofes vom 18. Februar 1992 in der Rechtssache C-5/91 (Di Prinzio, Slg. 1992, I-897) und vom 11. Juni 1992 in den verbundenen Rechtssachen C-90/91 und C-91/91 (Casagrande, Slg. 1992, I-3851).

    ( 17 ) Vgl. insoweit Urteil des Gerichtshofes vom 6. Juni 1977 in der Rechtssache 2/72 (Murru, Slg. 1977, 333).

    ( 18 ) Siehe Artikel 24a der belgischen Königlichen Verordnung vom 21. Dezember 1967.

    ( 19 ) Vgl. insoweit Urteil des Gerichtshofes vom 25. November 1975 in der Rechtssache 50/75 (Massonet, Slg. 1975, 1473).

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