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Document 61994TJ0161

Leitsätze des Urteils

Schlüsselwörter
Leitsätze

Schlüsselwörter

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1. Nichtigkeitsklage ° Parteifähigkeit ° Juristische Personen ° Begriff ° Rechtspersönlichkeit nach nationalem Recht oder Anerkennung als unabhängige rechtliche Einheit durch die Gemeinschaftsorgane

(EWG-Vertrag, Artikel 173; Verfahrensordnung des Gerichtshofes, Artikel 38 § 5 Buchstabe a; Verfahrensordnung des Gerichts, Artikel 44 § 5 Buchstabe a)

2. Nichtigkeitsklage ° Natürliche oder juristische Personen ° Handlungen, die sie unmittelbar und individuell betreffen ° Verordnung zur Einführung eines Antidumpingzolls ° Ausfuhrunternehmen eines von der Untersuchung betroffenen Drittlands, das als einziges an der Untersuchung teilgenommen hat

(EWG-Vertrag, Artikel 173 Absatz 2)

3. Gemeinsame Handelspolitik ° Schutz gegen Dumpingpraktiken ° Dumpingspanne ° Bestimmung des Ausfuhrpreises ° Berechnung auf der Grundlage der verfügbaren Informationen ° Auf das Fehlen von anderen wirklich verwendbaren Informationen zurückzuführende ausschließliche Verwendung der Informationen, die in dem der Untersuchung zugrunde liegenden Antrag enthalten sind ° Zulässigkeit

(Verordnung Nr. 2423/88 des Rates, Artikel 2 Absatz 8 Buchstabe a und Artikel 7 Absatz 7 Buchstabe b)

4. Gemeinschaftsrecht ° Grundsätze ° Verteidigungsrechte ° Wahrung im Rahmen von Verwaltungsverfahren ° Antidumpingverfahren ° Verpflichtung der Organe, den Anträgen der betroffenen Unternehmen auf Unterrichtung nachzukommen ° Grenzen ° Verspäteter Antrag

(Verordnung Nr. 2423/88 des Rates, Artikel 7 Absatz 4 Buchstabe c Ziffer i Unterabsatz cc; Verordnung Nr. 2833/91 des Rates, Artikel 3)

5. Gemeinsame Handelspolitik ° Schutz gegen Dumpingpraktiken ° Schädigung ° Betroffener Wirtschaftszweig der Gemeinschaft ° Begriff ° Bestimmung der Schädigung nur im Hinblick auf das antragstellende Gemeinschaftsunternehmen ° Zulässigkeit im Falle eines Unternehmens, dessen Anteil an der Gemeinschaftserzeugung mehr als 25 % beträgt

(Verordnung Nr. 2423/88 des Rates, Artikel 4 Absatz 1)

Leitsätze

1. Die Zulässigkeit einer Nichtigkeitsklage, die gemäß Artikel 173 des Vertrages von einer Einheit erhoben wird, hängt zunächst von deren Eigenschaft als juristische Person ab. Im Rechtsschutzsystem der Gemeinschaften hat ein Kläger die Eigenschaft einer juristischen Person, wenn er spätestens zum Zeitpunkt des Ablaufs der Klagefrist die Rechtspersönlichkeit gemäß dem auf seine Gründung anwendbaren Recht erlangt hat oder wenn er von den Gemeinschaftsorganen als unabhängige rechtliche Einheit behandelt worden ist.

Artikel 38 § 5 Buchstabe a der Verfahrensordnung des Gerichtshofes und Artikel 44 § 5 Buchstabe a der Verfahrensordnung des Gerichts bestimmen insoweit, daß juristische Personen des Privatrechts mit der Klageschrift ihre Satzung, einen neueren Auszug aus dem Handelsregister, einen neueren Auszug aus dem Vereinsregister oder einen anderen Nachweis ihrer Rechtspersönlichkeit einzureichen haben. Eine Lizenz, mit der die Eintragung einer Einheit als Unternehmen, das über ein Eigenkapital und ein unabhängiges Buchführungssystem verfügt, bestätigt wird, stellt einen Nachweis ihrer Rechtspersönlichkeit im Sinne dieser Vorschriften dar.

Jedenfalls kann einer Einheit die Eigenschaft als unabhängige juristische Person nicht abgesprochen werden, wenn sie von den Gemeinschaftsorganen in dem Verwaltungsverfahren, das dem Erlaß des angefochtenen Rechtsakts vorausgegangen ist, als solche behandelt worden ist.

2. Legt man die Kriterien des Artikels 173 Absatz 2 des Vertrages an, so haben die Verordnungen, mit denen Antidumpingzölle eingeführt werden, zwar aufgrund ihrer Rechtsnatur und ihrer Tragweite tatsächlich normativen Charakter, da sie für die Gesamtheit der betroffenen Wirtschaftsteilnehmer gelten, doch schließt dies nicht aus, daß ihre Bestimmungen bestimmte Wirtschaftsteilnehmer individuell betreffen können.

So können die Rechtsakte, durch die Antidumpingzölle eingeführt werden, diejenigen importierenden und exportierenden Unternehmen, die nachweisen können, daß sie in den Rechtsakten der Kommission oder des Rates namentlich genannt werden oder von den vorbereitenden Untersuchungen betroffen waren, und allgemein jeden Wirtschaftsteilnehmer unmittelbar und individuell betreffen, der das Vorliegen bestimmter persönlicher Eigenschaften nachweisen kann, die ihn im Hinblick auf die fragliche Maßnahme aus dem Kreis aller übrigen Wirtschaftsteilnehmer herausheben.

Dies ist der Fall bei einem Unternehmen, das sich intensiv an der vorbereitenden Untersuchung beteiligt hat und dessen Standpunkt von der Kommission im Rahmen des Verfahrens, das zur Einführung des Antidumpingzolls führte, geprüft wurde, auch wenn letztlich beschlossen wurde, die von ihm in der Sache erteilten Auskünfte nicht zu berücksichtigen. Ausserdem stellt die Tatsache, daß es das einzige Unternehmen seines Landes ist, das an der Untersuchung teilgenommen hat, einen Umstand dar, der es im Hinblick auf die Maßnahme, zu der die Untersuchung geführt hat, aus dem Kreis aller übrigen Wirtschaftsteilnehmer heraushebt.

3. Es ist nicht zu beanstanden, daß sich die Gemeinschaftsorgane dafür entscheiden, bei der Bestimmung des Ausfuhrpreises von Artikel 7 Absatz 7 Buchstabe b der Antidumping-Grundverordnung Nr. 2423/88 Gebrauch zu machen, und daß sie ihre Beurteilungen ausschließlich auf die Informationen des antragstellenden Unternehmens stützen, die sie als die einzigen wirklich verwendbaren verfügbaren Informationen ansehen, wenn die Informationen des einzigen Ausfuhrunternehmens des durch die Untersuchung betroffenen Drittlands, das sich zur Mitwirkung an dieser Untersuchung bereit erklärt hat, nicht repräsentativ sind und wenn die Auswertung von Informationen aus anderen Quellen wie Zollstatistiken und Auskünften von Unternehmen, die das betreffende Erzeugnis auf dem Gemeinschaftsmarkt weiterverkaufen, keine zuverlässigen Feststellungen ermöglicht.

4. Im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens, wie es der Einführung von Antidumpingzöllen vorausgeht, sind die Verteidigungsrechte gewahrt, wenn dem betroffenen Unternehmen im Laufe des Verfahrens Gelegenheit gegeben wird, zum Vorliegen und zur Erheblichkeit der behaupteten Tatsachen und Umstände sowie gegebenenfalls zu den herangezogenen Unterlagen Stellung zu nehmen. Ein Unternehmen kann in dieser Hinsicht keine Verletzung von Artikel 7 Absatz 4 Buchstabe c der Antidumping-Grundverordnung Nr. 2423/88 geltend machen, wenn es aufgefordert wurde, seinen Standpunkt schriftlich darzulegen und eine Anhörung zu beantragen, und wenn es einen Antrag auf Unterrichtung über die Berechnung der Dumpingspanne bei den vorläufigen Zöllen erst nach Ablauf der Frist gestellt hat, die in Artikel 3 der vorläufigen Verordnung Nr. 2833/91 für die Einreichung von Erklärungen vorgesehen war und innerhalb deren gemäß Artikel 7 Absatz 4 Buchstabe c Ziffer i Unterabsatz cc der Grundverordnung Anträge auf Unterrichtung einzureichen sind.

5. Den Gemeinschaftsorganen kann nicht vorgeworfen werden, daß sie Antidumpingzölle in Anbetracht einer Schädigung eines Wirtschaftszweigs der Gemeinschaft eingeführt haben, die nur im Hinblick auf das antragstellende Gemeinschaftsunternehmen festgestellt wurde, wenn dessen Anteil an der gesamten Gemeinschaftserzeugung des betreffenden Produktes im Untersuchungszeitraum 35 % betrug.

Unter dem in Artikel 4 Absatz 1 der Antidumping-Grundverordnung Nr. 2423/88 genannten Begriff "Wirtschaftszweig der Gemeinschaft" sind nämlich gemäß Absatz 5 dieser Vorschrift sämtliche Erzeuger in der Gemeinschaft oder diejenigen unter ihnen zu verstehen, deren Gesamterzeugung einen grösseren Anteil an der gesamten Gemeinschaftserzeugung ausmacht, wobei dieser Ausdruck dahin auszulegen ist, daß er keinen Anteil von 50 % oder mehr, sondern einen Anteil von 25 % oder mehr erfordert.

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