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Document 61994TJ0012(01)

Leitsätze des Urteils

URTEIL DES GERICHTS (Dritte Kammer)

18. Dezember 1997

Rechtssache T-12/94

Frédéric Daffix

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften

„Beamte — Entfernung aus dem Dienst — Rechtsmittel — Zurückverweisung an das Gericht — Vorliegen von Tatsachen — Beweislast — Ermessensmißbrauch — Offensichtlicher Beurteilungsfehler — Verteidigungsrechte — Artikel 7 des Anhangs IX des Statuts“

Vollständiger wortlaut in französischer Sprache   II-1197

Gegenstand:

Klage auf Aufhebung der Entscheidung der Kommission vom 18. März 1993 über die Entfernung des Klägers aus dem Dienst und, soweit erforderlich, der stillschweigenden Zurückweisung seiner Beschwerde

Ergebnis:

Abweisung

Zusammenfassung des Urteils

Der Kläger war zur maßgeblichen Zeit Beamter der Kommission in der Besoldungsgruppe B 3. Er nahm die Aufgaben eines Produktionsbeauftragten bei der Generaldirektion Information, Kommunikation, Kultur, Audiovisuelle Medien (GD X) wahr.

Am 28. November 1990 verlangte die SA Newscom, eine Auftragnehmerin der Kommission, von dieser die Bezahlung von drei Rechnungen mit einem Gesamtbetrag von 450000 BFR.

Die Rechnungen bezogen sich auf drei Auftragsscheine vom 1. Juni, 15. Juni und 2. Juli 1990. Der erste Auftragsschein war vom Kläger „im Auftrag“, der zweite und der dritte Auftragsschein waren von Herrn M., dem damaligen stellvertretenden Leiter eines Referats der GD X, unterzeichnet. Die beiden letztgenannten Auftragsscheine trugen den handschriftlichen Vermerk des Klägers „erhalten am 20/06/1990“ und „erhalten am 4 07 1990“.

Am 3. Dezember 1990 richtete Herr M. eine Note an seinen damaligen Vorgesetzten, in der er daraufhinwies, daß seine Unterschrift auf dem zweiten und dem dritten Auftragsschein gefälscht sei. Die drei Auftragsscheine betrafen keine Dienstleistung, die von Newscom verlangt worden wäre.

Am 10. April 1991 nahm Herr V., Leiter der Generaldirektion Personal und Verwaltung (GD IX), gemäß Artikel 87 des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften eine Anhörung des Klägers vor. Dieser erklärte, er habe die drei Auftragsscheine ausgefüllt. Den ersten Auftragsschein habe er persönlich „im Auftrag“ unterzeichnet und die beiden anderen Auftragsscheine an das Sekretariat von Herrn M. weitergeleitet, der sie unterzeichnet habe. Ferner habe er den Betrag von 450000 BFR von Newscom erhalten und ihn Frau Lombaerts, die für „Haute definition TV“ gearbeitet habe, gegen Aushändigung von drei Quittungen übergeben, die noch in seinem Besitz seien. Das Wort „erhalten“ auf den drei Auftragsscheinen bedeute, daß er zu den angegebenen Zeitpunkten die erwähnten Beträge von Newscom erhalten habe.

Im Anschluß an die Anhörung händigte der Kläger den mit der Untersuchung der Angelegenheit betrauten Beamten der Kommission drei Kopien der erwähnten Quittungen aus. Diese Quittungen trugen die Unterschrift „Régine Lombaerts, Production HDTV“.

Am 7. Juni 1991 teilte Herr V. dem Kläger mit, daß Frau Lombaerts nicht habe gefunden werden können.

Am 18. Juli 1991 wurde der Kläger von Herrn J., Leiter eines Referats der GD IX, angehört, der ihm mitteilte, daß die Kommission nach Überprüfung festgestellt habe, daß keine Régine Lombaerts bei der französischen Produktionsgesellschaft in Paris arbeite. Der Kläger blieb gleichwohl bei seiner Darstellung. Herr J. erläuterte dem Kläger den Ernst der Situation, die der Kommission mangels überzeugender Gegenbeweise kaum einen anderen Schluß gestatte, als daß der Kläger den Betrag von 450000 BFR für sich behalten habe.

Am 22. Juli 1991 wurde der Kläger von Herrn R., Direktor in der GD IX, angehört. Der Kläger gestand, den Geldbetrag behalten zu haben, verpflichtete sich aber, ihn zurückzuzahlen. Nach dieser Anhörung teilte er Herrn J. mit, daß er das Protokoll der Anhörung nicht unterzeichnen werde, weil das dem Eingeständnis einer Fälschung gleichkomme.

Am 20. Februar 1992 befaßte die Anstellungsbehörde den Disziplinarrat. In dem Bericht an den Ausschuß warf sie dem Kläger vor, er habe „drei Auftragsscheine für einen Auftragnehmer der Kommission, die Firma Newscom, gefälscht, die durch diese Auftragsscheine dazu veranlaßt wurde, ihm einen Betrag von 450000 BFR in bar auszuhändigen, den er für sich behalten hat“.

Am 14. Mai 1992 hielt der Disziplinarrat zwei Sitzungen ab. In der zweiten Sitzung wurde der Kläger angehört. Er erklärte, er habe auf Vorschlag von Herrn M. den ersten Auftragsschein selbst ausgefüllt. Die Ausstellung der Auftragsscheine und die Übergabe des Geldes an Frau Lombaerts seien zwei aufeinanderfolgende Vorgänge gewesen, wobei er nach Abschluß jedes Vorgangs Quittungen von Frau Lombaerts verlangt habe.

Am 20. November 1992 hielt der Disziplinarrat eine dritte Sitzung ab. Herr M. erklärte, die Unterschrift unter den letzten beiden Auftragsscheinen stamme nicht von ihm. Er wies außerdem darauf hin, daß die Numerierung der Auftragsscheine nicht der von der Kommission verwendeten entspreche.

In der gleichen Sitzung hörte der Disziplinarrat den Kläger an, der von einem Anwalt unterstützt wurde. Er erklärte, er habe den Geldbetrag Frau Lombaerts ausgehändigt. Er sei davon ausgegangen, daß er die Anweisung erhalten habe, den Geldbetrag Frau Lombaerts zu übergeben.

Am 18. Februar 1993 trat der Disziplinarrat zu einer vierten Sitzung zusammen. In ihr wurde zunächst Frau C. angehört, die erklärte, die Ausfüllung der betreffenden Auftragsscheine entspreche der Übung, ihre Numerierung sei aber bereits für andere Aufträge verwendet worden.

In dieser vierten Sitzung wurde auch Herr R. angehört. Er versicherte, daß der Kläger bei der Anhörung vom 22. Juli 1991 gestanden habe, der Kommission gehörende Geldbeträge für sich behalten zu haben.

Aus Anlaß der Zeugenaussage von Herrn R. räumte der Kläger im Beistand eines Anwalts ein, er habe bei seiner Anhörung am 22. Juli 1991 gestanden, den betreffenden Geldbetrag für sich behalten zu haben. Dieses Geständnis entspreche aber nicht der Wahrheit, weil er in Wirklichkeit diesen Geldbetrag nicht behalten habe.

Der Disziplinarrat gab noch am Tag der vierten Sitzung seine Stellungnahme ab. Er gelangte zu dem Ergebnis, daß eine Fälschung der Auftragsscheine durch den Kläger nicht bewiesen sei und daß er die Möglichkeit nicht ausschließen könne, daß der betreffende Betrag an die vom Kläger angegebene Dienstleistungserbringerin weitergegeben worden sei. Dennoch war der Disziplinarrat der Ansicht, daß der Kläger dadurch, daß er die Identität dieser Dienstleistungserbringerin nicht vorher überprüft und sich nicht ihrer Berechtigung vergewissert habe, in schwerwiegender Weise gegen seine Pflichten als Beamter der Europäischen Gemeinschaften verstoßen habe. Er empfahl daher der Anstellungsbehörde, gegen den Kläger die Disziplinarstrafe der Einstufung in eine niedrigere Besoldungsgruppe, also in die Besoldungsgruppe B 5, Dienstaltersstufe 1, zu verhängen.

Am 4. März 1993 richtete der Kläger ein Schreiben an die Anstellungsbehörde, in dem er insbesondere geltend machte, die vom Disziplinarrat vorgeschlagene Strafe sei schwer und ungerecht. Er bekräftigte, Frau Lombaerts im Büro von Herrn M. im Beisein des Herstellers Dewalcke gesehen zu haben.

Auf dieses Schreiben hin wurde Herr M. erneut befragt. Er erklärte, weder Frau Lombaerts noch Herrn Dewalcke je getroffen zu haben.

Am 18. März 1993 traf die Anstellungsbehörde die streitige Entscheidung mit folgendem Inhalt:

„Herrn Daffix wird vorgeworfen, drei für die Firma Newscom, eine Auftragnehmerin der Kommission im Sektor ‚Kultur‘, bestimmte Auftragsscheine gefälscht und sie dazu verwendet zu haben, die Firma Newscom zu veranlassen, ihm im Juni und Juli 1990 im Namen und für Rechnung der Kommission einen hohen Barbetrag in drei Teilzahlungen auszuhändigen.

Herr Daffix hat bei der Anhörung vom 10. April 1991 eingeräumt, die drei Auftragsscheine ausgestellt und einen dieser Scheine persönlich ‚im Auftrag‘ seines Vorgesetzten unterzeichnet zu haben, ohne daß dieser eine entsprechende Weisung erteilt hatte.

Herr Daffix hat bei derselben Anhörung bestritten, die Unterschrift seines Vorgesetzten auf den beiden anderen Auftragsscheinen gefälscht zu haben.

Herr Daffix hat sich der drei Auftragsscheine bedient, um von der Firma Newscom eine Barzahlung in Höhe des erwähnten Betrages zu erhalten, ohne hierzu entsprechende Weisungen empfangen zu haben.

Die Angaben von Herrn Daffix zur Weitergabe des von der Firma Newscom erhaltenen Betrages an eine außerhalb der Kommission tätige Person und zur Identität dieser Person wichen voneinander ab und wiesen zahlreiche Widersprüche auf, so daß ihnen insbesondere auch angesichts der im Disziplinarverfahren eingeholten Zeugenaussagen nicht Rechnung getragen werden kann.

Daher ist der Schluß berechtigt, daß Herr Daffix den von der Firma Newscom erhaltenen Barbetrag von 450000 BFR für sich behalten hat.

Diese Schlußfolgerung wird im übrigen durch die Erklärung bestätigt, die Herr Daffix bei der Anhörung vom 22. Juli 1991 selbst abgegeben hat.

Herr Daffix hat vor dem Disziplinare selbst eingeräumt, daß er diese Erklärung tatsächlich am 22. Juli 1991 abgegeben habe, auch wenn er anschließend die Unterzeichnung des betreffenden Anhörungsprotokolls verweigert hat.

Die Herrn Daffix zur Last gelegten Handlungen stellen eine äußerst schwerwiegende Verletzung seiner Pflichten dar, die die Grundlagen für das Vertrauensverhältnis, das zwischen dem Gemeinschaftsorgan und jedem seiner Mitarbeiter bestehen muß, in Frage stellt; ein solches Verhalten rechtfertigt die Verhängung einer Disziplinarstrafe, die über die vom Disziplinarrat empfohlene Maßnahme hinausgeht.

Die Kommission beschließt dalier:

Artikel 1: Gegen Herrn Daffix wird die Disziplinarstrafe nach Artikel 86 Absatz 2 Buchstabe f des Statuts, d. h. die Entfernung aus dem Dienst ohne Kürzung oder Aberkennung des Anspruchs auf das nach dem Dienstalter bemessene Ruhegehalt, verhängt.

Artikel 2: Diese Entscheidung wird am 1. April 1993 wirksam.“

Nach Bekanntgabe der Entscheidung an den Kläger am 29. März 1993 wurde Artikel 2 des Tenors dahin abgeändert, daß die Entscheidung am 1. Juli 1993 wirksam wurde.

Am 18. Juni 1993 legte der Kläger gegen diese Entscheidung eine Beschwerde gemäß Artikel 90 Absatz 2 des Status ein.

Am 18. Oktober 1993 wurde diese Beschwerde stillschweigend zurückgewiesen.

Verfahren

Mit Klageschrift, die am 18. Januar 1994 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat der Kläger Klage auf Aufhebung der streitigen Entscheidung der Anstellungsbehörde vom 18. März 1993 erhoben.

Mit Urteil vom 28. März 1995 in der Rechtssache T-12/94 (Daffix/Kommission, Slg. ÖD 1995, II-233) hat das Gericht die streitige Entscheidung wegen unzureichender Begründung aufgehoben.

Die Kommission hat gegen dieses Urteil mit Schriftsatz, der am 30. Mai 1995 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, Rechtsmittel eingelegt.

Der Gerichtshof hat mit Urteil vom 20. Februar 1997 in der Rechtssache C-166/95 P (Kommission/Daffix, Slg. 1997, I-983) das Urteil des Gerichts, soweit mit ihm die streitige Entscheidung wegen unzureichender Begründung aufgehoben wurde, aufgehoben, die Rechtssache zur Entscheidung über die anderen vom Kläger im ersten Rechtszug geltend gemachten Klagegründe an das Gericht zurückverwiesen und die Kostenentscheidung vorbehalten.

Zur Begründetheit

Der Kläger stützt seine Klage auf vier Klagegründe, mit denen erstens die Rechtswidrigkeit der verhängten Disziplinarstrafe, zweitens ein Ermessensmißbrauch und ein offensichtlicher Beurteilungsfehler, drittens eine Verletzung der Verteidigungsrechte und viertens ein Verstoß gegen Artikel 7 des Anhangs IX des Statuts geltend gemacht werden.

Zum ersten Klagegrund: Rechtswidrigkeit der verhängten Disziplinarstrafe

Ist das Vorliegen der Tatsachen, die einem Beamten zur Last gelegt werden, bewiesen, so ist es Sache der Anstellungsbehörde, die angemessene Disziplinarstrafe zu wählen. Der Gemeinschaftsrichter kann nicht die Beurteilung der Behörde durch seine eigene ersetzen, es sei denn, es läge ein offensichtlicher Irrtum oder ein Ermessensmißbrauch vor (Randnr. 63).

Verweisung auf: Gerichtshof, 29. Januar 1985, F./Kommission, 228/83, Slg. 1985, 275, Randnr. 34; Gericht, 15. Mai 1997, N/Kommission, T-273/94, Slg. ÖD 1997, II-289, Randnr. 147

Nach dieser Rechtsprechung setzt jede Disziplinarstrafe voraus, daß das Vorliegen der dem Beamten zur Last gelegten Tatsachen bewiesen ist (Randnr. 64).

Die streitige Entscheidung ist dahin zu verstehen, daß die Anstellungsbehörde es als bewiesen angesehen hat, erstens daß der Kläger einen für die Firma Newscom bestimmten Auftragsschein gefälscht hatte, die durch diesen und zwei weitere Scheine veranlaßt wurde, ihm einen Betrag von 450000 BFR auszuhändigen, und zweitens daß er diesen Betrag für sich behalten hatte (Randnr. 65).

Es ist zu prüfen, ob die Anstellungsbehörde zum Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Entscheidung diese Tatsachen als bewiesen betrachten komite (Randnr. 66).

Zum Nachweis der Fälschung eines Auftragsscheins für Newscom durch den Kläger, die durch diesen sowie zwei weitere Scheine veranlaßt wurde, ihm einen Barbetrag von 450000 BFR auszuhändigen

Der Kläger hat die drei Auftragsscheine ausgestellt. Er hat dies nämlich mehrfach, insbesondere bei seiner Anhörung am 10. April 1991, erklärt, ohne es in der Folge in Abrede zu stellen (Randnr. 67).

Er hat den ersten dieser Scheine selbst unterzeichnet und unter Verwendung der drei Scheine von Newscom die Zahlung eines Barbetrags von 450000 BFR erhalten (Randnr. 68).

Was die Frage betrifft, ob der Kläger Anweisungen erhalten hatte, die Barzahlung von 450000 BFR durch Newscom entgegenzunehmen, ist festzustellen, daß die Aussagen des Klägers nicht widerspruchsfrei sind. Herr M. und Frau C, Vorgesetzte des Klägers, haben stets bestritten, ihm die von ihm behaupteten Anweisungen erteilt zu haben (Randnr. 69).

Unter diesen Umständen durfte die Anstellungsbehörde davon ausgehen, daß der Kläger keine Anweisungen erhalten hatte, den betreffenden Geldbetrag entgegenzunehmen (Randnr. 70).

Im übrigen ist festzustellen, daß sowohl Herr M. als auch Frau C. darauf hingewiesen haben, daß die Numerierung der Auftragsscheine, die verwendet wurden, um eine Auszahlung von 450000 BFR durch Newscom herbeizuführen, nicht korrekt war (Randnr. 71).

Unter diesen Umständen durfte die Anstellungsbehörde davon ausgehen, daß der Kläger einen für die Firma Newscom bestimmten Auftragsschein gefälscht hatte (Randnr. 73).

Zum Nachweis, daß der Kläger den von Newscom erhaltenen Betrag für sich behalten hat Bei seiner Anhörung am 10. April 1991 hat der Kläger eingeräumt, von Newscom „im Namen und für Rechnung der Kommission“ einen Betrag von 450000 BFR erhalten zu haben. Dieser Betrag führte nicht zu einer Dienstleistung für die Kommission (Randnr. 74).

Da diese Tatsachen bewiesen waren, konnte die Anstellungsbehörde angesichts des Fehlens einer angemessenen Rechtfertigung davon ausgehen, daß der Kläger das Geld der Kommission für sich behalten hatte (Randnr. 75).

Mit dieser Begründung hat die Anstellungsbehörde nicht den Grundsatz der Unschuldsvermutung mißachtet.

Zwar mußte sie zu Beginn des Disziplinarverfahrens vermuten, daß der Kläger unschuldig sei; sie durfte diese Vermutung aber außer acht lassen, als die erwähnten Tatsachen bewiesen waren (Randnr. 76).

Um den Nachweis zu führen, daß er den Geldbetrag nicht für sich behalten hatte, konnte sich der Kläger nicht auf die Behauptung beschränken, daß er ihn einer dritten Person weitergegeben habe (Randnr. 77).

Zunächst ist festzustellen, daß seine Erklärungen in diesem Punkt voneinander abwichen und häufig widersprüchlich waren, insbesondere was die Tätigkeit von Frau Lombaerts, die Belegenheit ihres Büros und des Ortes, an dem er ihr den Geldbetrag übergeben haben will, angeht (Randnr. 78).

Sodann ist daraufhinzuweisen, daß mehrere Nachforschungen der Kommission, um Frau Lombaerts ausfindig zu machen, ohne Ergebnis geblieben sind (Randnr. 79).

Der Kläger kann auch nicht geltend machen, die Anstellungsbehörde könne ihm nicht anlasten, den in den drei Quittungen angeführten Betrag für sich behalten zu haben und zugleich deren Echtheit anerkennen (Randnr. 80).

Die Quittungen konnten auf jeden Fall nicht als beweiskräftig angesehen werden, weil sie nicht auf Kopfbogen einer Firma oder einer Frau Lombaerts und auch nicht auf Kopfbogen der Kommission erteilt waren, außerdem nicht numeriert waren und sich auch nicht auf eine Rechnung oder Zahlungsaufforderung bezogen (Randnr. 81).

Unter diesen Umständen konnte die Kommission zu Recht die Auffassung vertreten, daß die mit „Régine Lombaerts“ unterzeichneten Quittungen kein entlastendes Beweismaterial darstellten (Randnr. 82).

Nach alledem durfte die Anstellungsbehörde davon ausgehen, daß der Kläger den von Newscom erhaltenen Geldbetrag für sich behalten hatte (Randnr. 83).

Zum zweiten Klagegrund: Ermessensnußbrauch und offensichtlicher Beurteilungsfehler

Es ist darauf hinzuweisen, daß die Disziplinarordnung des Statuts keine feste Zuordnung von Disziplinarstrafe und Disziplinarvergehen kennt (Randnr. 89).

Verweisung auf: Gericht, 26. Januar 1995, D/Kommission, T-549/93, Slg. ÖD 1995, II-43; Gericht, 7. März 1996, Williams/Rechnungshof.T-146/94. Slg. ÖD 1996, II-329, Randnr. 107

Im vorliegenden Fall ist die von der Anstellungsbehörde gegen den Kläger verhängte Disziplinarstrafe angesichts der Schwere der festgestellten Tatsachen nicht unverhältnismäßig und kann auch nicht als Beleg dafür herangezogen werden, daß die Anstellungsbehörde ihr Ermessen mißbraucht oder einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hätte (Randnr. 90).

Zwar muß die Anstellungsbehörde bei der Festlegung der Disziplinarstrafe die Dienstzeit des Beamten bei der Kommission und seine dienstliche Stellung berücksichtigen, doch läßt sich den Akten nicht entnehmen, daß die Anstellungsbehörde im vorliegenden Fall bei der Verhängung der Disziplinarstrafe der Entfernung des Klägers aus dem Dienst einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hätte (Randnr. 93).

Schließlich hat der Kläger auch keine objektiven, schlüssigen und übereinstimmenden Indizien dafür angeführt, daß die streitige Entscheidung zu anderen Zwecken als der Ahndung seines Fehlverhaltens erlassen worden wäre, wie dies nach der Rechtsprechung erforderlich wäre, um in einem Fall wie dem vorliegenden einen Ermessensmißbrauch der Anstellungsbehörde darzutun (Randnr. 94).

Verweisung auf: Gericht, 12. Juli 1990, Scheuer/Kommission, T-108/89, Slg. 1990, II-411, Randnrn. 49 und 50; D/Kommission, a. a. O., Randnr. 88

Zum dritten Klagegrund: Verletzung der Verteidigungsrechte

Der dritte vom Kläger angeführte Klagegrund gliedert sich in zwei Teile, mit denen zum einen ein Verstoß gegen die Untersuchungspflicht der Kommission und zum anderen eine Verletzung des rechtlichen Gehörs gerügt wird (Randnr. 96).

Zum ersten Teil des Klagegrundes: Verstoß gegen die Untersuchungspflicht

Gemäß Artikel 4 des Anhangs IX des Statuts hat der beschuldigte Beamte in einem Disziplinarverfahren das Recht, vor dem Disziplinarrat Zeugen zu benennen. Der Disziplinarrat hat die Erheblichkeit der vorgeschlagenen Zeugenaussagen im Hinblick auf den Verfahrensgegenstand und die Erforderlichkeit der Vernehmung der benannten Zeugen zu würdigen (Randnr. 103).

Verweisung auf: Gerichtshof, 11. Juli 1968, Van Eick/Kommission, 35/67, Slg. 1968,481, 501; Gericht, 28. Juni 1996, Y/Gerichtshof, T-500/93, Slg. ÖD 1996, II-977, Randnr. 43

Allerdings hat der beschuldigte Beamte, wenn er sein Recht zur Benennung von Zeugen ausüben will, den Antrag zu stellen, daß die Person seiner Wahl als Zeuge vernommen wird. Beantragt er dies nicht, so kann er sich später nicht auf die unterbliebene Vernehmung einer Person berufen, auf deren Aussage er Wert gelegt hätte (Randnr. 104).

Verweisung auf: N/Kommission, a. a. O., Randnr. 88

Im vorliegenden Fall hat der Kläger nach Aktenlage nicht die Vernehmung von Herrn De Valck im Disziplinarverfahren und insbesondere vor dem Disziplinarrat beantragt (Randnr. 105).

Auf jeden Fall hat sich die Aussage von Herrn De Valck, als er schließlich nach Abschluß des Disziplinarverfahrens von der dienststellenübergreifenden Gruppe vernommen wurde, als belastend für den Kläger erwiesen (Randnr. 106).

Zu der Rüge, Herr M. sei bei den Sitzungen dieser Gruppe nicht anwesend gewesen, ist festzustellen, daß die Konsultation der Gruppe nicht zum Disziplinarverfahren gehört, das mit einer Disziplinarstrafe enden kann (vgl. Anhang IX des Statuts). Außerdem ist diese Gruppe erst nach Abschluß des Disziplinarverfahrens und nach Erlaß der Entscheidung über die angemessene Disziplinarstrafe eingeschaltet worden. Unter diesen Umständen kann eine etwaige Unregelmäßigkeit bezüglich ihrer Konsultation keinen Einfluß auf die Rechtmäßigkeit und die Wirksamkeit des Disziplinarverfahrens haben (Randnr. 109).

Zum zweiten Teil des Klagegrundes: Verletzung des rechtlichen Gehörs

Bei Beamten ist die Kenntnis des Statuts vorauszusetzen. Der Ablauf des Disziplinarverfahrens ist in Anhang IX des Status geregelt, der Bestandteil des Statuts ist. Bei Beamten ist daher ebenfalls vorauszusetzen, daß ihnen der Ablauf des Disziplinarverfahrens bekannt ist (Randnr. 116).

Verweisung auf: Gerichtshof, 17. Januar 1989, Stempels/Kommission, 310/87, Slg. 1989, 43, Randnr. 10; Gericht, 1. Februar 1996, Chabert/Kommission, T-122/95, Slg. ÖD 1996, II-63, Randnr. 32

Folglich durfte die Kommission davon ausgehen, daß der Kläger den Ablauf des Disziplinarverfahrens kannte. Mithin kann sich dieser nicht auf seine angebliche Unkenntnis in dieser Hinsicht berufen (Randnr. 117).

Dies gilt um so mehr, als der Kläger von der zweiten Anhörung vor dem Disziplinarrat an über den Beistand eines Anwalts verfügte. Es darf nämlich angenommnen werden, daß der Anwalt, den ein Beamter als Beistand während eines Disziplinarverfahrens wählt, das Statut oder jedenfalls die Bestimmungen über den Ablauf des Disziplinarverfahrens kennt (Randnr. 118).

Darüber hinaus ist festzustellen, daß der Kläger in der Lage war, seinen Standpunkt in angemessener Weise vorzutragen (Randnr. 119).

Zur Rüge einer Verletzung der Fürsorgepflicht ist festzustellen, daß die Anträge bei Beamtenklagen den gleichen Gegenstand wie die Beschwerde im Verwaltungsverfahren haben und die einzelnen Antragspunkte auf dem gleichen Rechtsgrund wie die der Beschwerde beruhen müssen (Randnr. 120).

Verweisung auf: Gericht, 29. März 1990, Alexandrakis/Kommission, T-57/89, Slg. 1990, II-143, Randnr. 9; Gericht, 11. Juni 1996, Anacoreta Correia/Kommission, Tl 18/95, Slg. ÖD 1996, II-835, Randnr. 43

Im vorliegenden Fall bezieht sich aber weder die Beschwerde noch die Klageschrift auf eine Verletzung der Fürsorgepflicht. Daher ist die Rüge einer Verletzung der Fürsorgepflicht für unzulässig zu erklären (Randnr. 121).

Zum vierten Klagegrund: Verstoß gegen Artikel 7 des Anhangs IX des Statuts

Gemäß Artikel 7 des Anhangs IX des Statuts leitet der Disziplinarrat seine Stellungnahme der Anstellungsbehörde innerhalb eines Monats zu; „die Frist beginnt mit dem Tage, an dem der Fall bei ihm anhängig geworden ist. Die Frist beträgt drei Monate, wenn der Disziplinarrat die Durchführung von Ermittlungen veranlaßt hat“ (Randnr. 129).

Die in Artikel 7 des Anhangs IX des Statuts vorgesehen Fristen, insbesondere die, innerhalb deren der Disziplinarrat seine Stellungnahme zu übermitteln hat, sind keine Ausschlußfristen, sondern stellen Regeln guter Verwaltungsführung dar, die im Interesse sowohl der Verwaltung als auch der Beamten eine unangemessene Verzögerung beim Erlaß der Entscheidung verhindern sollen, mit der das Disziplinarverfahren abgeschlossen wird. Die Disziplinarbehörden sind mithin verpflichtet, das Disziplinarverfahren umsichtig durchzuführen und so vorzugehen, daß jede Untersuchungshandlung in angemessenem zeitlichem Abstand zur vorangegangenen durchgeführt wird. Die Nichteinhaltung eines solchen Abstands — die nur aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls beurteilt werden kann — kann nicht nur zur Haftung des Organs, sondern auch zur Nichtigkeit der nicht fristgerecht vorgenommenen Handlung führen (Randnr. 130).

Verweisung auf: Gericht, 17. Oktober 1991, de Compte/Parlament, T-26/89, Slg. 1991, II-781, Randnr. 88

Der Disziplinarrat kann einen längeren als den in Artikel 7 vorgesehenen Zeitraum benötigen, um ausreichend vollständige Ermittlungen durchzuführen, die für den Betroffenen alle vom Statut gewollten Garantien bieten (Randnr. 131).

Verweisung auf: F./Kommission, a.a.O., Randnr. 30; Gericht, 26. November 1991, Williams/Rechnungshof, T-146/89, Slg. 1991, II-1293, Randnr. 49

Die zwischen den einzelnen Handlungen des Disziplinarrats verstrichenen Zeiträume waren nicht unangemessen lang. Der Disziplinarrat, der es insbesondere wegen der widersprüchlichen Einlassungen des Klägers mit einem tatsächlich schwierig gelagerten Fall zu tun hatte, hat die Angelegenheit eingehend und vollständig untersucht (Randnr. 133).

Die Klage ist daher insgesamt abzuweisen (Randnr. 135).

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

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