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Document 61989TJ0068

Leitsätze des Urteils

Schlüsselwörter
Leitsätze

Schlüsselwörter

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1. Wettbewerb - Verwaltungsverfahren - Mitteilung der Beschwerdepunkte - Übermittlung entstellter Schriftstücke an die Unternehmen - Auswirkungen - Besondere Aufmerksamkeit des Richters in bezug auf die zur Rechtfertigung der Entscheidung der Kommission herangezogenen Beweismittel

2. Wettbewerb - Kartelle - Abgestimmte Verhaltensweise - Fehlende Beweiskraft bestimmter Arten von Beziehungen zwischen Herstellern

(EWG-Vertrag, Artikel 85 Absatz 1)

3. Wettbewerb - Gemeinschaftsrechtliche Vorschriften - Entscheidung der Kommission, mit der eine Zuwiderhandlung festgestellt wird - Entscheidung, die auf Elemente gestützt ist, deren Vorliegen nicht in allen Fällen hinreichend dargetan ist - Abänderung durch den Richter - Ausschluß - Teilnichtigerklärung - Voraussetzungen

(EWG-Vertrag, Artikel 173; Verordnung Nr. 17 des Rates; Verordnung Nr. 99/63 der Kommission)

4. Wettbewerb - Beherrschende Stellung - Unternehmen - Kollektiv beherrschede Stellung - Begriff

(EWG-Vertrag, Artikel 85 und 86)

Leitsätze

1. Ergibt sich aus der vom Gericht im Rahmen einer Klage gegen eine Entscheidung der Kommission zur Anwendung der Wettbewerbsregeln des EWG-Vertrags durchgeführten Beweisaufnahme, daß die den Unternehmen im Verwaltungsverfahren übermittelten Schriftstücke ohne sachlichen Grund erstellt worden sind, so obliegt es dem Gericht, Natur und Bedeutung der von der Kommission in der Entscheidung herangezogenen Beweise genauestens zu prüfen.

2. Vertikale Verkäufer/Käufer-Beziehungen zwischen zwei Herstellern erbringen, wenn sie ein Produkt betreffen, das nur von einem dieser Hersteller produziert wird, allein noch nicht den Beweis für ein rechtswidriges horizontales Kartell.

Der Umstand, daß die Mitbetreiber einer gemeinsamen Produktionsanlage sich abstimmen, um zu verhindern, daß ihre jeweiligen Entnahmen aus der Produktion dieser Anlage zu einer Situation unlauteren Wettbewerbs führen, erbringt ebensowenig einen derartigen Beweis.

3. Zwar kann der Gemeinschaftsrichter im Rahmen der gerichtlichen Überprüfung der Handlungen der Gemeinschaftsverwaltung eine Entscheidung der Kommission im Bereich des Wettbewerbs teilweise für nichtig erklären, doch schließt dies nicht die Befugnis ein, die streitige Entscheidung abzuändern. Die Inanspruchnahme einer solchen Befugnis könnte zu einer Störung des im Vertrag vorgesehenen Gleichgewichts zwischen den Organen führen und die Gefahr einer Beeinträchtigung der Verteidigungsrechte heraufbeschwören, indem den Unternehmen die in den Verordnungen Nr. 17 und Nr. 99/63 vorgesehenen Verfahrensgarantien entzogen würden.

Die Teilnichtigerklärung selbst setzt voraus, daß bestimmte Voraussetzungen erfuellt sind. Will der Richter sie aussprechen, muß er nämlich feststellen, ob der verfügende Teil der Entscheidung im Lichte ihrer Begründung in seiner sachlichen, persönlichen oder zeitlichen Tragweite so eingeschränkt werden kann, daß seine Wirkungen begrenzt werden, ohne daß er dadurch in seinem Wesen verändert wird, ob sich der Nachweis einer solchermassen beschränkten Zuwiderhandlung auf eine ausreichende Beurteilung des Marktes in der Entscheidung stützen kann und ob dem oder den betroffenen Unternehmen Gelegenheit geboten worden ist, sich in angemessener Weise zu einem solchen Vorwurf zu äussern.

4. Ebenso wie in Artikel 85 EWG-Vertrag bezeichnet der Begriff des Unternehmens in Artikel 86 eine wirtschaftliche Einheit.

Zwei oder mehr Unternehmen können eine beherrschende Stellung im Sinne des Artikels 86 EWG-Vertrag einnehmen, wenn zwei oder mehr unabhängige wirtschaftliche Einheiten auf einem spezifischen Markt durch wirtschaftliche Bande so miteinander verknüpft sind, daß sie infolgedessen eine beherrschende Stellung im Verhältnis zu den anderen Marktteilnehmern einnehmen. Dies könnte beispielsweise der Fall sein, wenn zwei oder mehr unabhängige Unternehmen gemeinsam aufgrund Vereinbarung oder Lizenzvergabe über einen technologischen Vorsprung verfügten, der ihnen in spürbarem Masse die Möglichkeit zu unabhängigem Verhalten gegenüber ihren Wettbewerbern, Kunden und letztlich den Verbrauchern gäbe.

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