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Document 3be0b9c8-322b-4ad2-a8b4-c631639066fe

Consolidated text: Uredba Komisije (ES) št. 440/2008 z dne 30. maja 2008 o določitvi testnih metod v skladu z Uredbo (ES) št. 1907/2006 Evropskega parlamenta in Sveta o registraciji, evalvaciji, avtorizaciji in omejevanju kemikalij (REACH) (Besedilo velja za EGP)

02008R0440 — DE — 18.05.2017 — 007.001


Dieser Text dient lediglich zu Informationszwecken und hat keine Rechtswirkung. Die EU-Organe übernehmen keine Haftung für seinen Inhalt. Verbindliche Fassungen der betreffenden Rechtsakte einschließlich ihrer Präambeln sind nur die im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlichten und auf EUR-Lex verfügbaren Texte. Diese amtlichen Texte sind über die Links in diesem Dokument unmittelbar zugänglich

►B

VERORDNUNG (EG) Nr. 440/2008 DER KOMMISSION

vom 30. Mai 2008

zur Festlegung von Prüfmethoden gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH)

(Text von Bedeutung für den EWR)

(ABl. L 142 vom 31.5.2008, S. 1)

Geändert durch:

 

 

Amtsblatt

  Nr.

Seite

Datum

►M1

VERORDNUNG (EG) Nr. 761/2009 DER KOMMISSION vom 23. Juli 2009

  L 220

1

24.8.2009

 M2

VERORDNUNG (EU) Nr. 1152/2010 DER KOMMISSION vom 8. Dezember 2010

  L 324

13

9.12.2010

►M3

VERORDNUNG (EU) Nr. 640/2012 DER KOMMISSION vom 6. Juli 2012

  L 193

1

20.7.2012

►M4

VERORDNUNG (EU) Nr. 260/2014 DER KOMMISSION vom 24. Januar 2014

  L 81

1

19.3.2014

►M5

VERORDNUNG (EU) Nr. 900/2014 DER KOMMISSION vom 15. Juli 2014

  L 247

1

21.8.2014

►M6

VERORDNUNG (EU) 2016/266 DER KOMMISSION vom 7. Dezember 2015

  L 54

1

1.3.2016

►M7

VERORDNUNG (EU) 2017/735 DER KOMMISSION vom 14. Februar 2017

  L 112

1

28.4.2017




▼B

VERORDNUNG (EG) Nr. 440/2008 DER KOMMISSION

vom 30. Mai 2008

zur Festlegung von Prüfmethoden gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH)

(Text von Bedeutung für den EWR)



Artikel 1

Die im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 anzuwendenden Prüfmethoden sind im Anhang der vorliegenden Verordnung aufgeführt.

Artikel 2

Die Kommission nimmt gegebenenfalls eine Überprüfung der in der vorliegenden Verordnung enthaltenen Prüfmethoden im Hinblick auf eine Ersetzung, Verringerung oder Verfeinerung von Versuchen an Wirbeltieren vor.

Artikel 3

Alle Bezugnahmen auf Anhang V der Richtlinie 67/548/EWG gelten als Bezugnahmen auf diese Verordnung.

Artikel 4

Diese Verordnung tritt am Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Sie gilt ab dem 1. Juni 2008.




ANHANG

▼M6

Hinweis:

Bevor eine der folgenden Methoden zur Prüfung eines mehrkomponentigen Stoffes (multi-constituent substance, MCS), eines Stoffes mit unbekannter oder variabler Zusammensetzung, komplexer Reaktionsprodukte oder biologischer Materialien (UVCB-Stoffe) oder eines Gemischs angewendet wird und soweit in der jeweiligen Methode deren Anwendbarkeit zur Prüfung von MCS, UVCB oder Gemischen nicht vorgesehen ist, sollte überlegt werden, ob die Prüfmethode für den vorgesehenen aufsichtsrechtlichen Zweck geeignet ist.

Wenn die Methode zur Prüfung eines MCS, UVCB oder Gemischs verwendet wird, sind in größtmöglichem Umfang hinreichende Informationen zur Zusammensetzung des Gemischs bereitzustellen (z. B. durch Angabe der chemischen Zusammensetzung, zu den jeweiligen Mengenanteilen und zu ihren relevanten Merkmalen der Komponenten).

▼B




TEIL A: METHODEN ZUR BESTIMMUNG DER PHYSIKALISCH-CHEMISCHEN EIGENSCHAFTEN

INHALTSVERZEICHNIS

A.1.

SCHMELZ-/GEFRIERTEMPERATUR

A.2.

SIEDETEMPERATUR

A.3.

RELATIVE DICHTE

A.4.

DAMPFDRUCK

A.5.

OBERFLÄCHENSPANNUNG

A.6.

WASSERLÖSLICHKEIT

A.8.

VERTEILUNGSKOEFFIZIENT

A.9.

FLAMMPUNKT

A.10.

ENTZÜNDLICHKEIT (FESTE STOFFE)

A.11.

ENTZÜNDLICHKEIT (GASE)

A.12.

ENTZÜNDLICHKEIT (BERÜHRUNG MIT WASSER)

A.13.

PYROPHORE EIGENSCHAFTEN VON FESTEN UND FLÜSSIGEN STOFFEN

A.14.

EXPLOSIONSGEFAHR

A.15.

ZÜNDTEMPERATUR (FLÜSSIGKEITEN UND GASE)

A.16.

RELATIVE SELBSTENTZÜNDUNGSTEMPERATUR FÜR FESTSTOFFE

A.17.

BRANDFÖRDERNDE EIGENSCHAFTEN (FESTSTOFFE)

A.18.

ZAHLENGEMITTELTE MOLMASSE UND MOLMASSENVERTEILUNG VON POLYMEREN

A.19.

NIEDERMOLEKULARER ANTEIL VON POLYMEREN

A.20.

LÖSUNGS-/EXTRAKTIONSVERHALTEN VON POLYMEREN IN WASSER

A.21.

BRANDFÖRDERNDE EIGENSCHAFTEN (FLÜSSIGE STOFFE)

A.22.

LÄNGENGEWICHTETER MITTLERER GEOMETRISCHER DURCHMESSER VON FASERN

A.23.

1-OCTANOL/WASSER-VERTEILUNGSKOEFFIZIENT: METHODE ZUR PRÜFUNG UNTER LANGSAMEM RÜHREN

A.24.

VERTEILUNGSKOEFFIZIENT (N-OCTANOL/WASSER), HOCHLEISTUNGS-FLÜSSIGKEITSCHROMATOGRAPHIE (HPLC-METHODE)

A.25.

DISSOZIATIONSKONSTANTEN IN WASSER (TITRATIONSVERFAHREN — SPEKTROFOTOMETRISCHES VERFAHREN — KONDUKTOMETRISCHES VERFAHREN)

A.1.   SCHMELZ-/GEFRIERTEMPERATUR

1.   METHODEN

Den meisten der hier beschriebenen Methoden liegt die OECD-Prüfrichtlinie (1) zugrunde. Die Grundprinzipien sind in (2) und (3) angegeben.

1.1.   EINLEITUNG

Die hier beschriebenen Methoden und Geräte sind zur Bestimmung der Schmelztemperatur der Substanzen ohne jede Einschränkung in Bezug auf ihren Reinheitsgrad anzuwenden.

Die Wahl der bestgeeigneten Methode hängt von der Natur der Prüfsubstanz ab. Die Anwendbarkeit ist davon abhängig, ob sich der betreffende Stoff leicht, schwierig oder überhaupt nicht pulverisieren lässt.

Für bestimmte Stoffe bietet sich eher eine Bestimmung der Gefrier- oder Erstarrungstemperatur an: Folglich wurden Vorschriften für diese Bestimmungen gleichfalls in diese Methodik aufgenommen.

Wo sich aufgrund der besonderen Eigenschaften des Stoffes keiner der oben genannten Parameter ohne weiteres messen lässt, kann die Messung eines Stockpunktes angebracht sein.

1.2.   DEFINITIONEN UND EINHEITEN

Als Schmelztemperatur bezeichnet man diejenige Temperatur, bei der unter atmosphärischem Druck der Übergang zwischen fester und flüssiger Phase stattfindet; unter idealen Bedingungen entspricht diese Temperatur der Gefriertemperatur.

Da bei vielen Stoffen der Phasenübergang in einem Temperaturbereich stattfindet, wird dieser Übergang auch oft als Schmelzbereich bezeichnet.

Umrechnung der Einheiten (K in oC):

t = T - 273,15

t

:

Celsius-Temperatur, in Grad Celsius ( oC)

T

:

thermodynamische Temperatur, in Kelvin (K)

1.3.   REFERENZSUBSTANZEN

Referenzsubstanzen müssen nicht in allen Fällen verwendet werden, in denen eine neue Prüfsubstanz untersucht wird. Die Referenzsubstanzen sollten in erster Linie dazu dienen, die Methode von Zeit zu Zeit zu überprüfen und einen Vergleich mit den Ergebnissen aus anderen Methoden zu ermöglichen.

Einige der Eichsubstanzen sind in der Literatur (4) zu finden.

1.4.   PRINZIP DER PRÜFMETHODE

Man bestimmt die Temperatur (den Temperaturbereich) der Phasenumwandlung vom festen in den flüssigen Zustand oder vom flüssigen in den festen Zustand. In der Praxis wird eine Probe der zu untersuchenden Substanz bei Atmosphärendruck erhitzt/abgekühlt, und dabei werden die Temperaturen des Schmelz-/Gefrierbeginns sowie des vollständigen Schmelzens/Gefrierens bestimmt. Fünf Typen von Methoden werden beschrieben: Kapillarmethode, Heiztischmethoden, Gefriertemperaturbestimmungen, Methoden der thermischen Analyse und Bestimmung des Stockpunktes (entwickelt für Erdöl).

In einigen Fällen kann es von Nutzen sein, statt der Schmelztemperatur die Gefriertemperatur zu messen.

1.4.1.   Die Kapillarmethode

1.4.1.1.   Schmelztemperaturgeräte mit Flüssigkeitsbad

Eine geringe Menge der fein zerriebenen Substanz wird in ein Kapillarröhrchen gegeben und durch Klopfen verdichtet. Das Röhrchen wird zusammen mit einem Thermometer erhitzt, und dabei wird der Temperaturanstieg so eingestellt, dass er während des eigentlichen Schmelzvorgangs weniger als 1 K pro Minute beträgt. Man notiert die Temperaturen bei Schmelzbeginn und bei Schmelzende.

1.4.1.2.   Schmelztemperaturgeräte mit Metallblock

Wie in 1.4.1.1, jedoch mit dem Unterschied, dass das Kapillarröhrchen und das Thermometer in einem erwärmten Metallblock befestigt sind und sich durch Öffnungen in dem Block beobachten lassen.

1.4.1.3.   Bestimmung mit Fotozelle

Die in dem Kapillarröhrchen befindliche Substanzprobe wird in einem Metallzylinder automatisch erwärmt. In dem Zylinder befindet sich eine Öffnung, und ein gebündelter Lichtstrahl wird auf diesem Wege durch die Probe auf eine genauestens geeichte Fotozelle gerichtet. Die optischen Eigenschaften der meisten Substanzen ändern sich beim Schmelzen von opak nach durchsichtig. In diesem Augenblick steigt also die Lichtintensität in der Fotozelle, und ein Stoppsignal wird zur Digitalanzeige übertragen, die die Temperatur des in der Heizkammer befindlichen Platin-Widerstandsthermometers anzeigt. Allerdings eignet sich diese Methode nicht für einige stark gefärbte Substanzen.

1.4.2.   Heiztische

1.4.2.1.   Kofler-Heizbank

Die Wirkungsweise der Kofler-Heizbank beruht auf zwei elektrisch beheizten Metallblöcken unterschiedlicher Wärmeleitfähigkeit, wobei die Bank selbst so ausgelegt ist, dass auf ihrer gesamten Länge ein fast linearer Temperaturgradient herrscht. Der Temperaturbereich der Heizbank liegt im Allgemeinen zwischen 283 K und 573 K. Die Bank verfügt über eine spezielle Temperaturableseeinrichtung, bestehend aus einem Zeiger und einer für die jeweilige Heizbank ausgelegten Skala. Zur Schmelztemperaturbestimmung wird die betreffende Substanz in einer dünnen Schicht direkt auf die Oberfläche der Heizbank aufgebracht. In wenigen Sekunden zeichnet sich eine scharfe Trennlinie zwischen der flüssigen und der festen Phase ab. Zur Ablesung der Temperatur wird der Zeiger auf die Trennlinie eingestellt.

1.4.2.2.   Das Schmelzmikroskop

Zur Schmelztemperaturbestimmung mit sehr kleinen Stoffmengen sind verschiedene Heiztische mit Mikroskop im Gebrauch. Die meisten Heiztische bedienen sich zur Temperaturablesung empfindlicher Thermoelemente, doch werden gelegentlich auch Quecksilberthermometer verwendet. Das typische Schmelztemperaturbestimmungsgerät mit Heiztisch besitzt eine Heizkammer mit einer Metallplatte, auf welcher die auf einem Objektträger befindliche Probe angebracht wird. Durch eine Öffnung im Mittelpunkt der Metallplatte wird über den Beleuchtungsspiegel des Mikroskops ein Lichtbündel gerichtet. Bei Messungen wird die Heizkammer durch eine Glasplatte abgedeckt, damit der Probenbereich vor Lufteinflüssen geschützt wird.

Das Aufheizen der Probe wird durch einen Regelwiderstand kontrolliert. Für sehr genaue Messungen an optisch anisotropen Substanzen kann polarisiertes Licht verwendet werden.

1.4.2.3.   Die Meniskusmethode

Diese Methode wird vor allem für Polyamide angewandt.

Die Temperatur, bei der sich ein zwischen dem Heiztisch und einem durch die Polyamidprobe getragenen Deckglas eingeschlossener Silikonölmeniskus verlagert, wird visuell bestimmt.

1.4.3.   Methode zur Bestimmung der Gefriertemperatur

Die Probe wird in ein dazu bestimmtes Reagenzglas gefüllt und in ein Gerät zur Bestimmung der Gefriertemperatur gestellt. Während des Abkühlens wird die Probe langsam und kontinuierlich gerührt und die Temperatur in geeigneten Zeitabständen gemessen. Diejenige Temperatur, korrigiert um den Thermometerfehler, bei der der Temperaturverlauf während einiger Ablesungen konstant bleibt, wird als Gefriertemperatur notiert.

Eine Unterkühlung ist durch Erhalt des Gleichgewichts zwischen der festen und der flüssigen Phase zu vermeiden.

1.4.4.   Thermische Analyse

1.4.4.1.   Differentialthermoanalyse (DTA)

Mit diesem Verfahren wird der Temperaturunterschied zwischen der Substanz und einem Referenzmaterial in Abhängigkeit von der Temperatur aufgezeichnet, während die Substanz und das Referenzmaterial demselben kontrollierten Temperaturprogramm ausgesetzt werden. Wenn die Probe eine Phasenumwandlung mit Änderung der Enthalpie durchläuft, dann wird diese Änderung durch ein endothermes (Schmelzen) oder exothermes (Gefrieren) Abweichen vom Ausgangsniveau der Temperaturaufzeichnung angezeigt.

1.4.4.2.   Differentialscanningkalorimetrie (DSK)

Mit diesem Verfahren wird der Unterschied in der Energieaufnahme zwischen einer Substanz und einem Referenzmaterial in Abhängigkeit von der Temperatur aufgezeichnet, während die Substanz und das Referenzmaterial demselben kontrollierten Temperaturprogramm ausgesetzt werden. Bei der Energie handelt es sich um diejenige Energie, die notwendig ist, um einen Temperaturabgleich zwischen der Substanz und dem Referenzmaterial zu erreichen. Wenn die Probe eine Phasenumwandlung mit Änderung der Enthalpie durchläuft, dann wird diese Änderung durch ein endothermes (Schmelzen) oder exothermes (Gefrieren) Abweichen vom Ausgangsniveau des Wärmeflussbildes angezeigt.

1.4.5.   Stockpunkt

Dieses Verfahren wurde zur Verwendung bei Erdölen entwickelt; es eignet sich für ölige Substanzen mit einer niedrigen Schmelztemperatur.

Die Probe wird nach vorherigem Aufheizen mit einer bestimmten Geschwindigkeit abgekühlt und in Abständen von 3 K auf ihre Fließeigenschaften untersucht. Die niedrigste Temperatur, bei der noch eine Bewegung der Substanz beobachtet wird, wird als Stockpunkt notiert.

1.5.   QUALITÄTSKRITERIEN

Der Anwendungsbereich und die Genauigkeit der verschiedenen Methoden zur Bestimmung von Schmelztemperatur/Schmelzbereich sind nachstehender Tabelle zu entnehmen:

TABELLE: ANWENDBARKEIT DER BESCHRIEBENEN METHODEN



A.  Kapillarmethoden

Messmethode

Pulverisierbare Substanzen

Nicht ohne weiteres pulverisierbare Substanzen

Temperaturbereich

Geschätzte Genauigkeit (1)

Existierende Methode oder Norm

Schmelztemperaturgeräte mit Flüssigkeitsbad

ja

nur wenige

273 K bis 573 K

± 0,3 K

JIS K 0064

Schmelztemperaturgeräte mit Metallblock

ja

nur wenige

293 K bis > 573 K

± 0,5 K

ISO 1218 (E)

Fotozellengeräte

ja

verschiedene, unter Verwendung verschiedener Zusatzgeräte

253 K bis 573 K

± 0,5 K

 

(1)   Je nach dem verwendeten Gerätetyp und dem Reinheitsgrad des verwendeten Stoffes.



B.  Heiztische und Gefriertemperaturbestimmungen

Messmethode

Pulverisierbare Substanzen

Nicht ohne weiteres pulverisierbare Substanzen

Temperaturbereich

Geschätzte Genauigkeit (1)

Existierende Methode oder Norm

Kofler-Heizbank

ja

nein

283 K bis >573 K

± 1,0 K

ANSI/ASTM D 3451-76

Schmelzmikroskop

ja

nur wenige

273 K bis >573 K

± 0,5 K

DIN 53736

Meniskusmethode

nein

speziell für Polyamide

293 K bis >573 K

± 0,5 K

ISO 1218 (E)

Gefriertemperaturmethoden

ja

ja

223 K bis 573 K

± 0,5 K

zum Beispiel BS 4695

(1)   Je nach dem verwendeten Gerätetyp und dem Reinheitsgrad des verwendeten Stoffes.



C.  Thermische Analyse

Messmethode

Pulverisierbare Substanzen

Nicht ohne weiteres pulverisierbare Substanzen

Temperaturbereich

Geschätzte Genauigkeit (1)

Existierende Methode oder Norm

Differentialthermoanalyse

ja

ja

173 K bis 1 273 K

bis 600 K: ± 0,5 K bis 1 273 K: ± 2,0 K

ASTM E 537-76

Differentialscanningkalorimetrie

ja

ja

173 K bis 1 273 K

bis 600 K: ± 0,5 K bis 1 273 K: ± 2,0 K

ASTM E 537-76

(1)   Je nach dem verwendeten Gerätetyp und dem Reinheitsgrad des verwendeten Stoffes.



D.  Stockpunkt

Messmethode

Pulverisierbare Substanzen

Nicht ohne weiteres pulverisierbare Substanzen

Temperaturbereich

Geschätzte Genauigkeit (1)

Existierende Methode oder Norm

Stockpunkt

für Erdöl und ölige Substanzen

für Erdöl und ölige Substanzen

223 K bis 323 K

± 3,0 K

ASTM D 97-66

(1)   Je nach dem verwendeten Gerätetyp und dem Reinheitsgrad des verwendeten Stoffes.

1.6.   BESCHREIBUNG DER METHODEN

Die Durchführung fast aller hier aufgeführten Prüfmethoden ist in nationalen und internationalen Normen beschrieben (siehe Anlage).

1.6.1.   Methoden mit Kapillarrohr

Fein pulverisierte Substanzen lassen im Verlauf eines langsamen Temperaturanstiegs im Allgemeinen die in Abbildung 1 dargestellten Schmelzstadien erkennen.

Abbildung 1

image

Während der Bestimmung der Schmelztemperatur werden die Temperaturen zu Beginn und zu Ende des Schmelzvorgangs registriert.

1.6.1.1.   Schmelztemperaturbestimmungsgeräte mit Flüssigkeitsbad

Abbildung 2 zeigt eine genormte Glasapparatur zur Bestimmung der Schmelztemperatur (JIS K 0064). Alle Dimensionsangaben in mm.

image

Es sollte eine geeignete Flüssigkeit gewählt werden. Die Wahl der Flüssigkeit hängt von der zu bestimmenden Schmelztemperatur ab, z. B. flüssiges Paraffin für Schmelztemperaturen nicht über 473 K, Silikonöl für Schmelztemperaturen nicht über 573 K.

Für Schmelztemperaturen über 523 K kann eine Mischung aus drei Gewichtsteilen Schwefelsäure und zwei Gewichtsteilen Kaliumsulfat benutzt werden. Bei Verwendung einer solchen Mischung sollten geeignete Vorsichtsmaßnahmen getroffen werden.

Es sollten nur solche Thermometer verwendet werden, die den Anforderungen der nachstehenden oder anderer gleichwertiger Normen entsprechen:

ASTM E 1-71, DIN 12770, JIS K 8001.

Die getrocknete Substanz wird in einem Mörser fein zerrieben und anschließend in ein an einem Ende zugeschmolzenes Kapillarröhrchen gefüllt. Nach Verdichten durch Klopfen sollte die Füllhöhe etwa 3 mm betragen. Zu diesem Zweck lässt man das Kapillarröhrchen aus ca. 700 mm Höhe durch ein Glasrohr auf ein Uhrglas fallen.

Das gefüllte Kapillarröhrchen wird derart in das Bad eingebracht, dass der mittlere Teil der Quecksilberkugel des Thermometers das Kapillarröhrchen an der Stelle berührt, an der sich die Probe befindet. Gewöhnlich führt man das Kapillarröhrchen etwa 10 K vor Erreichen der Schmelztemperatur in das Gerät ein.

Das Flüssigkeitsbad wird so beheizt, dass der Temperaturanstieg etwa 3 K pro Minute beträgt. Dabei soll die Flüssigkeit gerührt werden. Etwa 10 K vor Erreichen der erwarteten Schmelztemperatur wird der Temperaturanstieg auf maximal 1 K pro Minute reduziert.

Die Berechnung der Schmelztemperatur wird folgendermaßen durchgeführt:

T = TD + 0,00016 (TD - TE) n

Darin bedeuten:

T

=

korrigierte Schmelztemperatur in K

TD

=

Temperaturablesung am Thermometer D in K

TE

=

Temperaturablesung am Thermometer E in K

n

=

Anzahl der Grade, die der Quecksilberfaden des Thermometers D aus der Flüssigkeit herausragt

1.6.1.2.   Schmelztemperaturbestimmungsgeräte mit Metallblock

Das Gerät besteht aus:

 einem zylindrischen Metallblock, dessen oberer Teil hohl ist und eine Heizkammer bildet (vgl. Abbildung 3),

 einer Abdeckplatte aus Metall mit zwei oder mehreren Öffnungen, durch welche die Schmelzpunktröhrchen in den Metallblock eingebracht werden können,

 einem Heizsystem für den Metallblock, beispielsweise mit einem in den Metallblock eingeschlossenen elektrischen Heizwiderstand,

 einem Regelwiderstand zur Regulierung der Leistungsaufnahme bei elektrischer Heizung,

 vier Fenstern aus hitzebeständigem Glas, die sich an den Seitenwänden der Heizkammer rechtwinklig gegenüberliegen. Vor einem dieser Fenster befindet sich ein Okular zur Beobachtung des Kapillarröhrchens. Die drei anderen Fenster dienen zur Beleuchtung des Innenraumes mittels Lampen, und

 einem an einem Ende zugeschmolzenen Kapillarröhrchen aus hitzebeständigem Glas (siehe 1.6.1.1).

Siehe die Normen in 1.6.1.1. Es können ebenfalls thermoelektrische Messgeräte mit vergleichbarer Genauigkeit verwendet werden.

image

1.6.1.3.   Bestimmung mit Fotozelle (automatisch)

Gerät und Verfahren

Das Gerät besteht aus einer Metallkammer mit automatischer Heizvorrichtung. Drei Kapillarröhrchen werden nach 1.6.1.1 gefüllt und in die Heizkammer gestellt.

Zur Kalibrierung des Gerätes stehen mehrere lineare Temperaturanstiegsraten zur Verfügung; der geeignete Temperaturanstieg wird elektrisch auf eine im Voraus festgelegte lineare Anstiegsrate gebracht. Die jeweilige Temperatur der Heizkammer und die Temperatur des in den Kapillarröhrchen enthaltenen Stoffes werden mit Registriergeräten aufgezeichnet.

1.6.2.   Heiztische

1.6.2.1.   Kofler-Heizbank

Siehe Anlage.

1.6.2.2.   Schmelzmikroskop

Siehe Anlage.

1.6.2.3.   Meniskusmethode (Polyamide)

Siehe Anlage.

Im Bereich der Schmelztemperatur sollte die Heizgeschwindigkeit weniger als 1 K/min betragen.

1.6.3.   Methoden zur Bestimmung der Gefriertemperatur

Siehe Anlage.

1.6.4.   Thermoanalyse

1.6.4.1.   Differentialthermoanalyse

Siehe Anlage.

1.6.4.2.   Differentialscanningkalorimetrie

Siehe Anlage.

1.6.5.   Stockpunktbestimmung

Siehe Anlage.

2.   DATEN

In bestimmten Fällen ist eine Thermometeranpassung erforderlich.

3.   ABSCHLUSSBERICHT

Im Prüfbericht ist, wenn möglich, Folgendes anzugeben:

 verwendetes Verfahren,

 genaue Angaben über die Prüfsubstanz (Identität und Verunreinigungen), ggf. Vorreinigung,

 eine ungefähre Angabe zur Genauigkeit.

Der Mittelwert mindestens zweier Messungen, deren Werte im Bereich der ungefähren Genauigkeit (siehe Tabellen) liegen, ist als Schmelztemperatur anzugeben.

Liegt der Temperaturunterschied zwischen der Anfangs- und der Endphase des Schmelzens innerhalb der Genauigkeitsgrenzen der Methode, so ist die Anfangstemperatur als Schmelztemperatur anzugeben; andernfalls sind beide Temperaturen anzugeben.

Wenn sich der Stoff vor Erreichen der Schmelztemperatur zersetzt oder sublimiert, ist die Temperatur anzugeben, bei der dies beobachtet wird.

Alle zur Bewertung der Ergebnisse notwendigen Informationen und Bemerkungen sind zu notieren, insbesondere diejenigen über Verunreinigungen und den Aggregatzustand des Stoffes.

4.   LITERATUR

(1) OECD, Paris, 1981, Test Guideline 102, Decision of the Council C(81) 30 final.

(2) IUP AC, B. Le Neindre, B. Vodar (Hrsg.): Experimental thermodynamics, Butterworths, London, 1975, vol. II, 803-834.

(3) R. Weissberger (Hrsg.): Technique of organic Chemistry, Physical Methods of Organic Chemistry, 3rd ed., Interscience Publ., New York, 1959, vol. I, Part I, Chapter VII.

(4) IUPAC, Physicochemical measurements: Catalogue of reference materials from national laboratories, Pure and applied chemistry, 1976, vol. 48, 505-515.

Anlage

Weitere technische Einzelheiten können z. B. den folgenden Normen entnommen werden:

1.   Kapillarmethoden

1.1.   Schmelztemperaturbestimmungsgeräte mit Flüssigkeitsbad



ASTM E 324-69

Standard test method for relative initial and final melting points and the melting range of organic chemicals

BS 4634

Method for the determination of melting point and/or melting range

DIN 53181

Bestimmung des Schmelzintervalls von Harzen nach Kapillarverfahren

JIS K 00-64

Testing methods for melting point of chemical products

1.2.   Schmelztemperaturbestimmungsgeräte mit Metallblock



DEN 53736

Visuelle Bestimmung der Schmelztemperatur von teilkristallinen Kunststoffen

ISO 1218 (E)

Plastics — polyamides — determination of „melting point“

2.   Heiztische

2.1.   Kofler-Heizbank



ANSI/ASTM D 3451-76

Standard recommended practices for testing polymeric powder coatings

2.2.   Schmelzmikroskop



DIN 53736

Visuelle Bestimmung der Schmelztemperatur von teilkristallinen Kunststoffen

2.3.   Meniskusmethode (Polyamide)



ISO 1218 (E)

Plastics — polyamides — determination of „melting point“

ANSI/ASTM D 2133-66

Standard specification for acetal resin injection moulding and extrusion materials

NT T 51 050

Résines de polyamides. Détermination du „point de fusion“. Méthode du ménisque

3.   Methoden zur Gefriertemperaturbestimmung



BS 4633

Method for the determination of crystallizing point

BS 4695

Method for Determination of Melting Point of Petroleum Wax (Cooling Curve)

DIN S1421

Bestimmung des Gefrierpunktes von Flugkraftstoffen, Ottokraftstoffen und Motorenbenzolen

ISO 2207

Cires de pétrole: détermination de la température de figeage

DIN 53175

Bestimmung des Erstarrungspunktes von Fettsäuren

NF T 60-114

Point de fusion des paraffines

NF T 20-051

Méthode de détermination du point de cristallisation (point de congélation)

ISO 1392

Method for the determination of the freezing point

4.   Thermoanalyse

4.1.   Differentialthermoanalyse



ASTM E 537-76

Standard method for assessing the thermal stability of chemicals by methods of differential thermal analysis

ASTM E 473-85

Standard definitions of terms relating to thermal analysis

ASTM E 472-86

Standard practice for reporting thermoanalytical data

DIN 51005

Thermische Analyse, Begriffe

4.2.   Differentialscanningkalorimetrie



ASTM E 537-76

Standard method for assessing the thermal stability of chemicals by methods of differential thermal analysis

ASTM E 473-85

Standard definitions of terms relating to thermal analysis

ASTM E 472-86

Standard practice for reporting thermoanalytical data

DIN 51005

Thermische Analyse, Begriffe

5.   Stockpunktbestimmung



NBN 52014

Échantillonnage et analyse des produits du pétrole: Point de trouble et point d'écoulement limite — Monsterneming en ontleding van aardolieproducten: Troebelingspunt en vloeipunt

ASTM D 97-66

Standard test method for pour point of petroleum oils

ISO 3016

Petroleum oils — Determination of pour point

A.2.   SIEDETEMPERATUR

1.   METHODEN

Den meisten der hier beschriebenen Methoden liegt die OECD-Prüfrichtlinie (1) zugrunde. Die Grundprinzipien sind in (2) und (3) angegeben.

1.1.   EINLEITUNG

Die hier beschriebenen Methoden und Geräte können für flüssige und niedrig schmelzende Substanzen verwendet werden, wenn diese nicht unterhalb der Siedetemperatur chemisch reagieren (z. B. Autooxidation, Umlagerung, Zersetzung usw.). Die Methoden können auf reine und unreine Flüssigkeiten angewendet werden.

Bevorzugt werden die Methoden mit Fotozellendetektion und Thermoanalyse, da diese sowohl die Bestimmung der Schmelz- als auch der Siedetemperatur ermöglichen. Darüber hinaus können die Messungen automatisch durchgeführt werden.

Die „dynamische Methode“ hat den Vorteil, dass sie auch zur Bestimmung des Dampfdrucks verwendet werden kann; dabei ist es nicht erforderlich, die Siedetemperatur auf den Normaldruck (101,325 kPa) zu berichtigen, da der Normdruck während der Messung durch einen Manostaten eingestellt werden kann.

Bemerkungen

Der Einfluss von Verunreinigungen auf die Bestimmung der Siedetemperatur hängt weitgehend von der Art der Verunreinigung ab. Wenn hochflüchtige Verunreinigungen in der Probe vertreten sind, die die Ergebnisse beeinträchtigen könnten, kann der Stoff gereinigt werden.

1.2.   DEFINITIONEN UND EINHEITEN

Als Standardsiedetemperatur wird diejenige Temperatur definiert, bei der der Dampfdruck einer Flüssigkeit 101,325 kPa beträgt.

Wenn die Siedetemperatur nicht bei normalem Atmosphärendruck gemessen wird, kann die Temperaturabhängigkeit des Dampfdrucks durch die Clausius-Clapeyron-Gleichung beschrieben werden:

image

Darin bedeuten:

p

=

Dampfdruck des Stoffes in Pascal

ΔHv

=

Verdampfungswärme in J mol-1

R

=

universelle molare Gaskonstante = 8,314 J mol-1 K-1

T

=

thermodynamische Temperatur in K

Die Siedetemperatur wird entsprechend dem Umgebungsdruck bei der Messung eingesetzt.

Umrechnungen

Druck (Einheit: kPa)

100 kPa

=

1 bar = 0,1 MPa

(„bar“ ist weiterhin zulässig, wird aber nicht empfohlen.)

133 Pa

=

1 mm Hg = 1 Torr

(Die Einheiten „mm Hg“ und „Torr“ sind nicht zugelassen.)

1 atm

=

Standard-Atmosphäre = 101 325 Pa

(Die Einheit „atm“ ist nicht zugelassen.)

Temperatur (Einheit: K)

t = T - 273,15

t

:

Celsius-Temperatur, in Grad Celsius ( oC)

T

:

thermodynamische Temperatur, in Kelvin (K)

1.3.   REFERENZSUBSTANZEN

Referenzsubstanzen müssen nicht in allen Fällen verwendet werden, in denen eine neue Prüfsubstanz untersucht wird. Die Referenzsubstanzen sollten in erster Linie dazu dienen, die Methode von Zeit zu Zeit zu überprüfen und einen Vergleich mit den Ergebnissen aus anderen Methoden zu ermöglichen.

Einige der Eichsubstanzen sind in den in der Anlage aufgeführten Methoden zu finden.

1.4.   PRINZIP DER PRÜFMETHODE

Fünf Methoden zur Bestimmung der Siedetemperatur (Siedebereich) beruhen auf der Messung der Siedetemperatur, zwei weitere auf der Thermoanalyse.

1.4.1.   Bestimmung mit dem Ebulliometer

Ebulliometer wurden ursprünglich zur Bestimmung des Molekulargewichtes durch Erhöhung der Siedetemperatur entwickelt, eignen sich aber auch für genaue Messungen der Siedetemperatur. In ASTM D 1120-72 wird ein sehr einfaches Gerät beschrieben (siehe Anlage). Die Flüssigkeit wird in diesem Gerät unter Gleichgewichtsbedingungen bei atmosphärischem Druck erhitzt, bis sie siedet.

1.4.2.   Dynamische Methode

Messung der Rekondensationstemperatur des Dampfes mit Hilfe eines geeigneten Thermometers im Rückfluss während des Siedeprozesses. Bei dieser Methode kann der Druck geändert werden.

1.4.3.   Destillationsmethode für die Siedetemperatur

Destillation der Flüssigkeit und Messung der Rekondensationstemperatur des Dampfes sowie Bestimmung der Destillatmenge.

1.4.4.   Verfahren nach Siwoloboff

Erhitzung einer Probe in einem Probenröhrchen, das in ein Wärmebad eingetaucht wird. Ein zugeschmolzenes Kapillarröhrchen, in dessen unterem Teil ein Luftbläschen enthalten ist, wird in das Probenröhrchen getaucht.

1.4.5.   Fotozellendetektion

Entsprechend dem Prinzip nach Siwoloboff wird unter Verwendung der aufsteigenden Bläschen eine automatische fotoelektrische Messung durchgeführt.

1.4.6.   Differentialthermoanalyse

Mit diesem Verfahren wird der Temperaturunterschied zwischen der Substanz und einem Referenzmaterial in Abhängigkeit von der Temperatur aufgezeichnet, während die Substanz und das Referenzmaterial demselben kontrollierten Temperaturprogramm ausgesetzt werden. Wenn die Probe eine Phasenumwandlung mit Änderung der Enthalpie durchläuft, dann wird diese Änderung durch ein endothermes Abweichen (Sieden) von der Basis der Temperaturaufzeichnung angezeigt.

1.4.7.   Differentialscanningkalorimetrie

Mit diesem Verfahren wird der Unterschied in der Energieaufnahme zwischen einer Substanz und einem Referenzmaterial in Abhängigkeit von der Temperatur aufgezeichnet, während die Substanz und das Referenzmaterial demselben kontrollierten Temperaturprogramm ausgesetzt werden. Bei der Energie handelt es sich um diejenige Energie, die notwendig ist, um einen Temperaturabgleich zwischen der Substanz und dem Referenzmaterial zu erreichen. Wenn die Probe eine Phasenumwandlung mit Änderung der Enthalpie durchläuft, dann wird diese Änderung durch ein endothermes Abweichen (Sieden) von der Basis des Wärmeflussbildes angezeigt.

1.5.   QUALITÄTSKRITERIEN

Der Anwendungsbereich und die Genauigkeit der Methoden zur Bestimmung von Siedetemperatur/Siedebereich sind Tabelle 1 zu entnehmen:



Tabelle 1

Vergleich der Methoden

Messmethode

Geschätzte Genauigkeit

Existierende Methoden oder Normen

Ebulliometer

± 1,4 K (bis 373 K) (1) (2)

± 2,5 K (bis 600 K) (1) (2)

ASTM D 1120-72 (1)

Dynamische Methode

± 0,5 K (bis 600 K) (2)

 

Destillationsmethode (Siedebereich)

± 0,5 K (bis 600 K)

ISO/R 918, DIN 53171, BS 4591/71

nach Siwoloboff

± 2 K (bis 600 K) (2)

 

Fotozellendetektion

± 0,3 K (bei 373 K) (2)

 

Differentialthermoanalyse

± 0,5 K (bis 600 K)

± 2,0 K (bis 1 273 K)

ASTM E 537-76

Differentialscanningkalorimetrie

± 0,5 K (bis 600 K)

± 2,0 K (bis 1 273 K)

ASTM E 537-76

(1)   Diese Genauigkeit gilt nur für das einfache Gerät, wie es z. B. in ASTM D 1120-72 beschrieben wird; sie kann durch verfeinerte Ebulliometergeräte verbessert werden.

(2)   Gilt nur für reine Substanzen. Die Verwendung in anderen Fällen ist zu begründen.

1.6.   BESCHREIBUNG DER METHODEN

Die Durchführung einiger der hier aufgeführten Prüfmethoden ist in nationalen und internationalen Normen beschrieben (siehe Anlage).

1.6.1.   Ebulliometer

Siehe Anlage.

1.6.2.   Dynamische Methode

Siehe Prüfmethode A.4 für die Bestimmung des Dampfdrucks.

Die bei einem Druck von 101,325 kPa beobachtete Siedetemperatur wird notiert.

1.6.3.   Destillationsverfahren (Siedebereich)

Siehe Anlage.

1.6.4.   Verfahren nach Siwoloboff

Die Probe wird in einem Probenröhrchen — Durchmesser etwa 5 mm — in einer Apparatur zur Bestimmung der Schmelztemperatur erhitzt (Abbildung 1).

Abbildung 1 zeigt einen Typ einer genormten Apparatur zur Bestimmung der Schmelz- und Siedetemperatur (JIS K 0064); (Glas, alle Dimensionsangaben in mm).

Abbildung 1

image

Ein etwa 1 cm über dem unteren Ende zugeschmolzenes Kapillarröhrchen (Siedekapillare) wird in das Probenröhrchen gegeben. Der Pegel, bis zu dem die Prüfsubstanz aufgefüllt wird, ist so zu wählen, dass der zugeschmolzene Abschnitt der Kapillare unter der Flüssigkeitsoberfläche liegt. Das die Siedekapillare enthaltende Probenröhrchen wird entweder mit einem Gummiband am Thermometer oder an einer seitlichen Halterung befestigt (siehe Abbildung 2).



Abbildung 2

Prinzip nach Siwoloboff

Abbildung 3

Modifiziertes Prinzip

image

image

Die Badflüssigkeit wird entsprechend der Siedetemperatur ausgewählt. Bei Temperaturen bis zu 573 K kann Silikonöl verwendet werden. Paraffinöl darf nur bis 473 K verwendet werden. Die Erhitzung der Badflüssigkeit sollte zunächst mit einer Temperaturrate von 3 K/min erfolgen. Die Badflüssigkeit muss gerührt werden. Ca. 10 K unterhalb der erwarteten Siedetemperatur wird die Erhitzung verlangsamt, so dass die Temperaturerhöhung bei weniger als 1 K/min liegt. Beim Erreichen der Siedetemperatur beginnen Bläschen schnell aus der Siedekapillare aufzusteigen.

Als Siedetemperatur ist diejenige anzugeben, bei welcher die Bläschenkette unter Kühlung abbricht und die Flüssigkeit plötzlich in der Kapillare aufzusteigen beginnt. Der entsprechende Thermometerstand ist gleich der Siedetemperatur der Substanz.

Beim modifizierten Prinzip (Abbildung 3) wird die Siedetemperatur in einem Schmelztemperaturröhrchen bestimmt. Es ist bis auf eine etwa 2 cm lange feine Spitze ausgezogen (a): Eine geringe Menge der Probe wird angesaugt. Das offene Ende des freien Röhrchens wird zugeschmolzen, so dass sich am Ende ein feines Luftbläschen befindet. Bei der Erhitzung in der Apparatur zur Bestimmung der Schmelztemperatur (b) dehnt sich das Luftbläschen aus. Die Siedetemperatur entspricht der Temperatur, bei der der Pfropfen der Substanz den Oberflächenpegel der Badflüssigkeit erreicht (c).

1.6.5.   Fotozellendetektion

Die Probe wird in einem Kapillarröhrchen in einem Metallblock erhitzt.

Durch entsprechende Öffnungen im Block wird ein Lichtstrahl durch die Substanz auf eine genau kalibrierte Fotozelle ausgerichtet.

Bei der Erhöhung der Temperatur der Probe steigen einzelne Luftbläschen aus der Siedekapillare auf. Wenn die Siedetemperatur erreicht ist, nimmt die Zahl der Bläschen stark zu. Dies führt zu einer von einer Fotozelle aufgezeichneten Änderung in der Lichtintensität und löst ein Signal im Messgerät aus, das die Temperatur eines im Block gelegenen Platin-Widerstandsthermometers anzeigt.

Dieses Verfahren ist besonders nützlich, da es Bestimmungen unterhalb der Raumtemperatur bis zu 253,15 K (– 20 oC) ohne jede apparative Änderung ermöglicht. Das Instrument muss lediglich in ein Kühlbad gestellt werden.

1.6.6.   Thermoanalyse

1.6.6.1.   Differentialthermoanalyse

Siehe Anlage.

1.6.6.2.   Differentialscanningkalorimeter

Siehe Anlage.

2.   DATEN

Bei geringfügigen Abweichungen vom Normaldruck (maximal ± 5 kPa) werden die Siedetemperaturen mit Hilfe der nachstehenden Sidney-Young-Zahlen-Wert-Gleichung auf Tn umgerechnet:

Tn = T + (fT × Δp)

Darin bedeuten:

Δp

=

(101,325 - p) [Vorzeichen beachten]

p

=

Barometermessung in kPa

fT

=

Korrekturfaktor für die Änderung der Siedetemperatur in Abhängigkeit vom Druck in K/kPa

T

=

gemessene Siedetemperatur in K

Tn

=

Siedetemperatur, berichtigt auf Normaldruck in K

Die Temperatur-Korrekturfaktoren fT und die Gleichungen für ihre Näherung sind für zahlreiche Stoffe in den erwähnten internationalen und nationalen Normen (Anlage) aufgeführt.

So gibt beispielsweise die Vorschrift nach DIN 53171 die folgenden ungefähren Korrekturen für Lösungsmittel in Anstrichstoffen.



Tabelle 2

Temperatur-Korrekturfaktoren fT

Temperatur T (K)

Korrekturfaktor fT (K/kPa)

323,15

0,26

348,15

0,28

373,15

0,31

398,15

0,33

423,15

0,35

448,15

0,37

473,15

0,39

498,15

0,41

523,15

0,44

548,15

0,45

573,15

0,47

3.   ABSCHLUSSBERICHT

Im Prüfbericht ist, wenn möglich, Folgendes anzugeben:

 verwendetes Verfahren,

 genaue Angaben über die Prüfsubstanz (Identität und Verunreinigungen), ggf. Vorreinigung,

 eine ungefähre Angabe zur Genauigkeit.

Der Mittelwert mindestens zweier Messungen, deren Werte im Bereich der ungefähren Genauigkeit (siehe Tabelle 1 oben) liegen, ist als Siedetemperatur anzugeben.

Die gemessenen Siedetemperaturen und ihr Mittelwert sowie der Druck (die Drücke) in kPa, bei dem (bei denen) die Messungen durchgeführt wurden, sind anzugeben. Der Druck sollte möglichst nahe beim Normaldruck liegen.

Alle zur Bewertung der Ergebnisse notwendigen Informationen und Bemerkungen sind zu notieren, insbesondere diejenigen über Verunreinigungen und den Aggregatzustand des Stoffes.

4.   LITERATUR

(1) OECD, Paris, 1981, Test Guideline 103, Decision of the Council C(81) 30 final.

(2) IUPAC, B. Le Neindre, B. Vodar (Hrsg.): Experimental thermodynamics, Butterworths, London, 1975, vol. II.

(3) R. Weissberger (Hrsg.): Technique of organic Chemistry, Physical Methods of Organic Chemistry, 3rd ed., Interscience Publ., New York, 1959, vol. I, Part I, Chapter VIII.

Anlage

Zu weiteren technischen Einzelheiten können beispielsweise folgende Normen herangezogen werden:

1.   Ebulliometer

1.1. Schmelztemperaturbestimmungsgeräte mit Flüssigkeitsbad



ASTM D 1120-72

Standard test method for boiling point of engine anti-freezes

2.   Destillationsverfahren (Siedebereich)



ISO/R 918

Test Method for Distillation (Distillation Yield and Distillation Range)

BS 4349/68

Method for determination of distillation of petroleum products

BS 4591/71

Method for the determination of distillation characteristics

DIN 53171

Lösungsmittel für Anstrichstoffe, Bestimmung des Siedeverlaufs

NF T 20-608

Distillation: détermination du rendement et de l'intervalle de distillation

3.   Differentialthermoanalyse und Differentialscanningkalorimetrie



ASTM E 537-76

Standard method for assessing the thermal stability of chemicals by methods of differential thermal analysis

ASTM E 473-85

Standard definitions of terms relating to thermal analysis

ASTM E 472-86

Standard practice for reporting thermoanalytical data

DIN 51005

Thermische Analyse: Begriffe

A.3.   RELATIVE DICHTE

1.   METHODEN

Den hier beschriebenen Methoden liegt die OECD-Prüfrichtlinie (1) zugrunde. Die Grundprinzipien sind in (2) angegeben.

1.1.   EINLEITUNG

Die hier beschriebenen Methoden zur Bestimmung der relativen Dichte gelten für Feststoffe und Flüssigkeiten ohne jede Einschränkung in Bezug auf ihren Reinheitsgrad. Die verschiedenen zu verwendenden Methoden sind in Tabelle 1 aufgeführt.

1.2.   DEFINITIONEN UND EINHEITEN

Die relative Dichte von Feststoffen oder Flüssigkeiten ist das Verhältnis zwischen der Masse eines bestimmten Volumens der Prüfsubstanz, gemessen bei 20 oC, und der Masse des gleichen Volumens Wasser, bestimmt bei 4 oC. Die relative Dichte hat keine Einheit.

Die Dichte ρ eines Stoffes ist gleich dem Quotienten aus seiner Masse m und seinem Volumen v.

Die Dichte ρ wird in SI-Einheiten (kg/m3) angegeben.

1.3.   REFERENZSUBSTANZEN (1) (3)

Bei der Messung der relativen Dichte von Prüfsubstanzen brauchen im Allgemeinen Referenzsubstanzen nicht verwendet zu werden. Die Referenzsubstanzen sollten in erster Linie dazu dienen, die Methode von Zeit zu Zeit zu überprüfen und einen Vergleich mit den Ergebnissen aus anderen Methoden zu ermöglichen.

1.4.   PRINZIP DER METHODEN

Es werden vier Messprinzipien verwendet.

1.4.1.   Auftriebsmethoden

1.4.1.1.   Aräometer (für Flüssigkeiten)

Hinreichend genaue und schnelle Bestimmungen der Dichte können mit Aräometern erreicht werden, bei denen die Dichte einer Flüssigkeit durch Ablesen der Eintauchtiefe des Schwimmkörpers an einer graduierten Skala ermittelt werden kann.

1.4.1.2.   Hydrostatische Waage (für Flüssigkeiten und Feststoffe)

Der Unterschied zwischen dem Gewicht eines in Luft und in einer geeigneten Flüssigkeit (z. B. Wasser) gemessenen Prüfkörpers kann zur Bestimmung seiner Dichte verwendet werden.

Bei Feststoffen ist die gemessene Dichte nur für die verwendete Probe repräsentativ. Zur Bestimmung der Dichte von Flüssigkeiten wird ein Körper eines bekannten Volumens v zunächst in der Luft und dann in der Flüssigkeit gewogen.

1.4.1.3.   Tauchkörpermethode (für Flüssigkeiten) (4)

Bei dieser Methode wird die Dichte einer Flüssigkeit aus der Differenz zwischen den Ergebnissen der Wägung des Tauchkörpers bekannten Volumens vor und nach dem Eintauchen dieses Körpers in die Prüfflüssigkeit ermittelt.

1.4.2.   Pyknometer-Methoden

Für Feststoffe oder Flüssigkeiten können Pyknometer verschiedener Formen mit bekannten Volumina verwendet werden. Die Dichte wird aus der Differenz zwischen der Wägung des vollen und des leeren Pyknometers und seinem bekannten Volumen errechnet.

1.4.3.   Luftvergleichspyknometer (für Feststoffe)

Die Dichte eines Feststoffes beliebiger Form kann bei Raumtemperatur mit dem Gasvergleichspyknometer gemessen werden. Das Volumen einer Substanz wird in der Luft oder in einem Inertgas in einem Zylinder mit veränderbarem kalibrierten Volumen gemessen. Zur Berechnung der Dichte wird nach Abschluss der Volumenmessung eine Wägung durchgeführt.

1.4.4.   Schwingungsdichtemesser (5) (6) (7)

Die Dichte einer Flüssigkeit kann mit einem Schwingungsdichtemesser gemessen werden. Ein in Form eines U-Rohres gebauter mechanischer Oszillator wird in Schwingungen versetzt; die Resonanzfrequenz des Oszillators hängt von dessen Masse ab. Bei Einführung einer Probe in das U-Rohr ändert sich die Resonanzfrequenz des Oszillators. Das Gerät muss mit Hilfe von zwei Flüssigkeiten bekannter Dichte kalibriert werden. Diese Flüssigkeiten sollten möglichst so gewählt werden, dass ihre Dichte den zu messenden Bereich einschließt.

1.5.   QUALITÄTSKRITERIEN

Der Anwendungsbereich der verschiedenen zur Bestimmung der relativen Dichte verwendeten Methoden ist der nachstehenden Tabelle zu entnehmen.

1.6.   BESCHREIBUNG DER METHODEN

Die als Beispiel aufgeführten Normen, die im Hinblick auf weitere technische Einzelheiten herangezogen werden müssen, sind als Anlage beigefügt.

Die Prüfungen sind bei 20 oC durchzuführen, wobei mindestens zwei Messungen vorzunehmen sind.

2.   DATEN

Siehe Normen.

3.   ABSCHLUSSBERICHT

Im Prüfbericht ist, wenn möglich, Folgendes anzugeben:

 verwendetes Verfahren,

 genaue Angaben über die Prüfsubstanz (Identität und Verunreinigungen), ggf. Vorreinigung.

Die relative Dichte

image

soll gemäß 1.2 zusammen mit dem Aggregatzustand des gemessenen Stoffes angegeben werden.

Alle zur Bewertung der Ergebnisse notwendigen Informationen und Bemerkungen sind zu notieren, insbesondere diejenigen über Verunreinigungen des Stoffes.



Tabelle

Anwendbarkeit der Methoden

Messmethode

Dichte

Möglicher Höchstwert der dynamischen Viskosität

Existierende Normen

Feststoffe

Flüssigkeit

1.4.1.1.  Aräometer

 

ja

5 Pa s

ISO 387,

ISO 649-2,

NF T 20-050

1.4.1.2.  Hydrostatische Waage

 

 

 

 

a)  Feststoffe

ja

 

 

ISO 1183 (A)

b)  Flüssigkeit

 

ja

5 Pa s

ISO 901 und 758

1.4.1.3.  Tauchkörpermethode

 

ja

20 Pa s

DIN 53217

1.4.2.  Pyknometer

 

 

 

ISO 3507,

a)  Feststoffe

ja

 

 

ISO 1183 (B),

NF T 20-053,

b)  Flüssigkeit

 

ja

500 Pa s

ISO 758

1.4.3.  Luftvergleichspyknometer

ja

 

 

DIN 55990 Teil 3,

DIN 53243

1.4.4.  Schwingungsdichtemesser

 

ja

5 Pa s

 

4.   LITERATUR

(1) OECD, Paris, 1981, Test Guideline 109, Decision of the Council C(81) 30 final.

(2) R. Weissberger (Hrsg.), Technique of organic Chemistry, Physical Methods of Organic Chemistry, 3rd ed., Interscience Publ., New York, 1959, vol. I, Part 1.

(3) IUPAC, Recommended reference materials for realization of physico-chemical properties, Pure and applied chemistry, 1976, vol. 48, 508,

(4) Wagenbreth, H., Die Tauchkugel zur Bestimmung der Dichte von Flüssigkeiten, Technisches Messen (tm), 1979, vol. 11, 427-430.

(5) Leopold, H., Die digitale Messung von Flüssigkeiten, Elektronik, 1970, vol. 19, 297-302.

(6) Baumgarten, D., Füllmengenkontrolle bei vorgepackten Erzeugnissen — Verfahren zur Dichtebestimmung bei flüssigen Produkten und ihre praktische Anwendung, Die Pharmazeutische Industrie, 1975, vol. 37, 717-726.

(7) Riemann, J., Der Einsatz der digitalen Dichtemessung im Brauereilaboratorium, Brauwissenschaft, 1976, vol. 9, 253-255.

Anlage

Für weitere technische Einzelheiten können beispielsweise folgende Normen herangezogen werden:

1.   Auftriebsmethoden

1.1.   Aräometer



DIN 12790, ISO 387

Aräometer; allgemeine Bestimmungen

DIN 12791

Teil 1: Dichte-Aräometer; Grundserien, Ausführung, Justierung und Anwendung

Teil 2: Dichte-Aräometer; Normgrößen, Bezeichnungen

Teil 3: Anwendung und Prüfung

ISO 649-2

Laboratory glassware: Density hydrometers for general purpose

NF T 20-050

Chemical products for industrial use — Determination of density of liquids — Areometric method

DIN 12793

Laborgeräte aus Glas: Sucharäometer für Vormessung und rohe Betriebsmessung

1.2.   Hydrostatische Waage

Für Feststoffe:



ISO 1183

Method A: Methods for determining the density and relative density of plastics excluding cellular plastics

NF T 20-049

Chemical products for industrial use — Determination of the density of solids other than powders and cellular products — Hydrostatic balance method

ASTM-D-792

Specific gravity and density of plastics by displacement

DIN 53479

Prüfung von Kunststoffen und Elastomeren; Bestimmung der Dichte

Für Flüssigkeiten:



ISO 901

ISO 758

DIN 51757

Prüfung von Mineralölen und verwandten Stoffen; Bestimmung der Dichte

ASTM D 941-55, ASTM D 1296-67 und ASTM D 1481-62

ASTM D 1298

Density, specific gravity or API gravity of crude petroleum and liquid petroleum products by hydrometer method

BS 4714

Density, specific gravity or API gravity of crude petroleum and liquid petroleum products by hydrometer method

1.3.   Tauchkörpermethode



DIN 53217

Prüfung von Anstrichstoffen; Bestimmung der Dichte; Tauchkörpermethode

2.   Pyknometer-Methoden

2.1.   Für Flüssigkeiten:



ISO 3507

Pycnometers

ISO 758

Liquid chemical products; determination of density at 20 oC

DIN 12797

Pyknometer nach Gay-Lussac (für nicht besonders viskose, nicht flüchtige Flüssigkeiten)

DIN 12798

Pyknometer nach Lipkin (für Flüssigkeiten mit einer kinematischen Viskosität von weniger als 100, 10-6 m2 s-1 bei 15 oC)

DIN 12800

Pyknometer nach Sprengel (für Flüssigkeiten wie in DIN 12798)

DIN 12801

Pyknometer nach Reischauer (für Flüssigkeiten mit einer kinematischen Viskosität von weniger als 100, 10-6 m2 s-1 bei 20 oC; kann insbesondere auf Kohlenwasserstoffe sowie auf Flüssigkeiten mit hohem Dampfdruck — etwa 1 bar bei 90 oC — angewendet werden)

DIN 12806

Pyknometer nach Hubbard (für viskose Flüssigkeiten aller Arten, die keinen zu hohen Dampfdruck aufweisen, insbesondere auch für Anstrichstoffe und Bitumen)

DIN 12807

Pyknometer nach Bingham (für Flüssigkeiten wie in DIN 12801)

DIN 12808

Pyknometer nach Jaulmes (insbesondere für Ethanol-Wasser-Gemisch)

DIN 12809

Pyknometer mit eingeschliffenem Thermometer und Seitenkapillaren (für nicht besonders viskose Flüssigkeiten)

DIN 53217

Prüfung von Anstrichstoffen; Bestimmung der Dichte mit dem Pyknometer

DIN 51757

Punkt 7: Prüfung von Mineralölen und verwandten Stoffen; Bestimmung der Dichte

ASTM D 297

(Section 15: Rubber products — chemical analysis)

ASTM D 2111

(Method C: Halogenated organic compounds)

BS 4699

Method for determination of specific gravity and density of petroleum products (graduated bicapillary pycnometer method)

BS 5903

Method for determination of relative density and density of petroleum products by the capillary-stoppered pycnometer method

NF T 20-053

Chemical products for industrial use — Determination of density of solids in powder and liquids — Pycnometric method

2.2.   Für Feststoffe:



ISO 1183

Method B: Methods for determining the density and relative density of plastics excluding cellular plastics

NF T 20-053

Chemical products for industrial use — Determination of density of solids in powder and liquids — Pycnometric method

DIN 19683

Bestimmung der Dichte von Böden

3.   Luftvergleichspyknometer



DIN 55990

Teil 3: Prüfung von Anstrichstoffen und ähnlichen Beschichtungsstoffen; Pulverlack; Bestimmung der Dichte

DIN 53243

Anstrichstoffe; chlorhaltige Polymere; Prüfung

▼M1

A.4.   DAMPFDRUCK

1.   METHODE

Diese Methode entspricht der Prüfrichtlinie OECD TG 104 (2004).

1.1.   EINLEITUNG

Diese geänderte Fassung von Methode A.4 (1) beinhaltet als zusätzliche Methode die „Effusionsmethode: isotherme Thermogravimetrie“; diese Methode wurde entwickelt für Substanzen mit sehr niedrigen Drücken (bis zu einem Mindestdruck von 10–10 Pa). Angesichts der Verfahrenserfordernisse, insbesondere bei der Ermittlung des Dampfdrucks für Substanzen mit niedrigem Dampfdruck, werden auch andere Verfahren zur Anwendung dieser Methode im Hinblick auf sonstige Einsatzbereiche neu bewertet.

Bei thermodynamischem Gleichgewicht hängt der Dampfdruck einer reinen Substanz ausschließlich von der Temperatur ab. Die zugrunde liegenden Prinzipien werden an anderer Stelle erläutert (2)(3).

Kein einzelnes Messverfahren ist für sämtliche Dampfdrucke von unter 10–10 Pa bis zu 105 Pa geeignet. Entsprechend umfasst diese Beschreibung acht Methoden zur Messung des Dampfdrucks, die in verschiedenen Dampfdruckbereichen eingesetzt werden können. Die vorgesehenen Einsatzmöglichkeiten und Messbereiche der einzelnen Methoden sind in Tabelle 1 zusammengestellt. Die Methoden können nur im Zusammenhang mit Verbindungen eingesetzt werden, bei denen unter den Testbedingungen kein Abbau erfolgt. In Fällen, in denen die Versuchsmethoden aus technischen Gründen nicht eingesetzt werden können, kann der Dampfdruck auch geschätzt werden; eine empfohlene Schätzmethode wird in der Anlage beschrieben.

1.2.   BEGRIFFSBESTIMMUNGEN UND EINHEITEN

Als Dampfdruck einer Substanz wird der Sättigungsdruck über einer festen oder flüssigen Substanz bezeichnet.

In den Messungen sollte die Einheit Pascal (Pa) als SI-Einheit für Druckwerte verwendet werden. Im Folgenden sind weitere, früher verwendete Einheiten jeweils mit den entsprechenden Umrechnungsfaktoren zusammengestellt:



1 Torr

=

1 mm Hg

=

1,333 × 102 Pa

1 Atmosphäre

=

1,013 × 105 Pa

 

 

1 bar

=

105 Pa

 

 

Die SI-Einheit der Temperatur ist Kelvin (K). Angaben in Grad Celsius werden mit folgender Formel in Kelvin umgerechnet:

T = t + 273,15

wobei T = Kelvin oder thermodynamische Temperatur und t = Temperatur in Grad Celsius



Tabelle 1

Messmethode

Substanzen

Geschätzte Wiederholbarkeit

Geschätzte Reproduzierbarkeit

Empfohlener Bereich

Fest

Flüssig

Dynamische Methode

niedriger Schmelzpunkt

ja

bis zu 25 %

1 bis 5 %

bis zu 25 %

1 bis 5 %

103 Pa bis 2 × 103 Pa

2 × 103 Pa bis 105 Pa

Statische Methode

ja

ja

5 bis 10 %

5 bis 10 %

10 Pa bis 105 Pa

10–2 Pa bis 105 Pa (1)

Isoteniskopmethode

ja

ja

5 bis 10 %

5 bis 10 %

102 Pa bis 105 Pa

Effusionsmethode: Dampfdruckgleichgewicht

ja

ja

5 bis 20 %

bis zu 50 %

10–3 bis 1 Pa

Effusionsmethode: Knudsen-Zelle

ja

ja

10 bis 30 %

10–10 bis 1 Pa

Effusionsmethode: isotherme Thermogravimetrie

ja

ja

5 bis 30 %

bis zu 50 %

10–10 bis 1 Pa

Gassättigungsmethode

ja

ja

10 bis 30 %

bis zu 50 %

10–10 bis 103 Pa

Rotationsmethode

ja

ja

10 bis 20 %

10–4 bis 0,5 Pa

(1)   In Verbindung mit einem Kapazitätsmanometer.

1.3.   PRINZIP DER PRÜFMETHODE

Im Allgemeinen wird der Dampfdruck bei verschiedenen Temperaturen gemessen. In einem begrenzten Temperaturbereich ist der Logarithmus des Dampfdrucks einer reinen Substanz eine lineare Umkehrfunktion der thermodynamischen Temperatur gemäß der vereinfachten Clapeyron-Clausius-Gleichung:

image

wobei

p

=

Dampfdruck in Pascal

ΔHv

=

Verdampfungswärme in J mol–1

R

=

universale Gaskonstante, 8,314 J mol–1 K–1

T

=

Temperatur in K

1.4.   REFERENZSUBSTANZEN

Referenzsubstanzen brauchen nicht unbedingt verwendet zu werden. Sie dienen in erster Linie zur gelegentlichen Überprüfung der Leistungsfähigkeit einer Methode und sollen Vergleiche der mit unterschiedlichen Methoden erzielten Ergebnisse ermöglichen.

1.5.   BESCHREIBUNG DER METHODE

1.5.1.   Dynamische Methode (Cottrell-Verfahren)

1.5.1.1.   Prinzip

Der Dampfdruck wird durch die Messung der Siedetemperatur einer Substanz bei verschiedenen vorgegebenen Drücken zwischen etwa 103 und 105 Pa gemessen. Diese Methode wird auch für die Bestimmung der Siedetemperatur empfohlen. Für diesen Zweck kann die Methode bei Temperaturen bis zu 600 K eingesetzt werden. Wegen des hydrostatischen Drucks der Flüssigkeitssäule liegen die Siedetemperaturen von Flüssigkeiten bei einer Tiefe von 3 bis 4 cm etwa 0,1 °C höher als an der Oberfläche. Beim Cottrell-Verfahren (4) wird das Thermometer über der Flüssigkeit in den Dampf gebracht und die siedende Flüssigkeit kontinuierlich über die Thermometerkugel gepumpt. Eine dünne Flüssigkeitsschicht, die sich bei Atmosphärendruck im Gleichgewicht mit dem Dampf befindet, bedeckt die Kugel. Das Thermometer gibt dann den echten Siedepunkt an; Fehler durch Überhitzung oder hydrostatischen Druck werden ausgeschlossen. Die ursprünglich von Cottrell verwendete Pumpe ist in Abbildung 1 dargestellt. Rohr A enthält die siedende Flüssigkeit. Ein Platindraht B, der in den Boden eingesiegelt wurde, begünstigt ein gleichmäßiges Siedeverhalten. Das seitliche Rohr C führt zu einem Kondensator, und der Spritzschutz D verhindert, dass das kalte Kondensat in das Thermometer E gelangt. Wenn die Flüssigkeit in A siedet, werden die entstehenden Blasen und die Flüssigkeit mit dem Trichter abgetrennt und über die beiden Arme der Pumpe F über die Thermometerkugel gegossen.



Abbildung 1 image

Abbildung 2 image

Cottrell-Pumpe (4)

A: Thermoelement

B: Vakuum-Puffervolumen

C: Druckmesser

D: Unterdruck

E: Messpunkt

F: Heizelement ca. 150 W

1.5.1.2.   Apparatur

In Abbildung 2 ist eine sehr genaue Apparatur dargestellt, die auf dem Cottrell-Prinzip beruht. Die Apparatur besteht aus einem Rohr mit einem Siedebereich im unteren Teil, einem Kühler im mittleren Bereich und einem Auslass und einem Flansch im oberen Bereich. Die Cottrell-Pumpe befindet sich im Siedebereich, der mit einer elektrischen Patrone beheizt wird. Die Temperatur wird mit einem ummantelten Thermoelement oder einem Widerstandsthermomenter gemessen, das über den oben befindlichen Flansch in das Gerät geführt wird. Der Auslass ist mit einem Druckregelsystem verbunden. Letzteres besteht aus einer Vakuumpumpe, einem Puffervolumen, einem Druckwächter zur Druckregulierung unter Stickstoffeinleitung und einem Druckmesser.

1.5.1.3.   Verfahren

Die Substanz wird in den Siedebereich gebracht. Bei nicht pulverigen Feststoffen können Probleme auftreten, die sich gelegentlich aber durch Beheizung des Kühlmantels beheben lassen. Die Apparatur ist am Flansch versiegelt, und die Prüfsubstanz wird entgast. Schäumende Substanzen können mit dieser Methode nicht gemessen werden.

In der Apparatur wird der niedrigste gewünschte Druck eingestellt und die Heizung eingeschaltet. Dann wird der Temperatursensor mit einem Aufzeichnungsgerät verbunden.

Das Gleichgewicht ist dann erreicht, wenn eine gleichbleibende Siedetemperatur bei konstantem Druck aufgezeichnet wird. Insbesondere ist darauf zu achten, dass während des Siedevorgangs nicht gegen die Apparatur gestoßen wird. Außerdem muss auf dem Kühler eine vollständige Kondensation erfolgen. Bei der Bestimmung des Dampfdrucks von niedrigschmelzenden Feststoffen ist darauf zu achten, dass der Kondensator nicht verblockt.

Nach der Aufzeichnung dieses Gleichgewichtspunkts wird ein höherer Druck eingestellt. Der Prozess wird auf diese Weise fortgesetzt, bis ein Druck von 105 Pa erreicht ist (insgesamt etwa 5 bis 10 Messpunkte). Zur Kontrolle sind die Gleichgewichtspunkte bei abnehmenden Drücken zu reproduzieren.

1.5.2.   Statische Methode

1.5.2.1.   Prinzip

Bei der statischen Methode (5) wird der Dampfdruck bei thermodynamischem Gleichgewicht und einer gegebenen Temperatur bestimmt. Diese Methode eignet sich für Substanzen und für aus mehreren Bestandteilen bestehende Flüssigkeiten und Feststoffe im Druckbereich von 10–1 bis 105 Pa sowie bei entsprechend sorgfältiger Vorgehensweise auch im Bereich von 1 bis 10 Pa.

1.5.2.2.   Apparatur

Die Apparatur besteht aus einem Bad mit konstanter Temperatur (Genauigkeit ± 0,2 K), einem mit einer Unterdruckleitung verbundenen Probenbehälter, einem Druckmesser und einem System zur Druckregelung. Die Probenkammer (Abbildung 3a) ist über ein Ventil und einen Differenzdruckmesser (ein U-Rohr mit einer geeigneten Manometerflüssigkeit) verbunden, das als Nullpunktanzeige dient. Im Differenzdruckmesser können Quecksilber, Silikone und Phthalate verwendet werden; maßgeblich sind der jeweilige Druckbereich und das chemische Verhalten der Prüfsubstanz. Aus Gründen des Umweltschutzes sollte nach Möglichkeit jedoch auf Quecksilber verzichtet werden. Die Prüfsubstanz darf sich nicht merklich in der im U-Rohr enthaltenen Flüssigkeit auflösen oder mit dieser reagieren. Statt eines U-Rohrs kann auch ein Druckmesser verwendet werden (Abbildung 3b). Für den Druckmesser kann Quecksilber im Bereich des Atmosphärendrucks bis zu einem Mindestdruck von 102 Pa eingesetzt werden; Silikon-Flüssigkeiten und Phthalate sind für Drücke unter 102 Pa bis zu 10 Pa geeignet. Unter 102 Pa können sonstige Druckmesser eingesetzt werden; Kapazitätsmanometer mit Heizmembran können sogar bei Drücken unter 10–1 Pa verwendet werden. Die Temperatur wird an der Außenwand des Probenbehälters oder im Behälter selbst gemessen.

1.5.2.3.   Verfahren

In der in Abbildung 3a beschriebenen Apparatur wird das U-Rohr mit der gewählten Flüssigkeit gefüllt; vor Durchführung der Messungen ist die Flüssigkeit bei höherer Temperatur zu entgasen. Die Prüfsubstanz wird in die Apparatur gebracht und bei niedrigerer Temperatur entgast. Bei aus mehreren Bestandteilen bestehenden Proben sollte die Temperatur so niedrig sein, dass die Zusammensetzung des jeweiligen Materials erhalten bleibt. Durch Rühren kann das erforderliche Gleichgewicht schneller herbeigeführt werden. Die Probe kann dann mit flüssigem Stickstoff oder mit Trockeneis abgekühlt werden. Dabei ist allerdings sicherzustellen, dass die Luft oder die Pumpflüssigkeit nicht kondensieren. Bei geöffnetem Ventil über der Probe wird über mehrere Minuten ein Sog ausgeübt, um die eingeschlossene Luft zu entfernen. Wenn erforderlich, wird die Entgasung mehrmals wiederholt.



Abbildung 3a image

Abbildung 3b image

Wenn die Probe bei geschlossenem Ventil beheizt wird, erhöht sich der Dampfdruck. Dadurch ändert sich das Gleichgewicht der Flüssigkeit im U-Rohr. Um die Änderung auszugleichen, wird Stickstoff oder Luft in die Apparatur geleitet, bis die Differenzdruckanzeige wieder auf null steht. Der dazu erforderliche Druck kann an einem Druckmesser oder an einem genaueren Messgerät abgelesen werden. Dieser Druck entspricht dem Dampfdruck der Substanz bei der Messtemperatur. Bei der in Abbildung 3b dargestellten Apparatur wird der Dampfdruck direkt abgelesen.

Der Dampfdruck wird in geeigneten geringen Temperaturintervallen (insgesamt etwa 5 bis 10 Messpunkte) bis zur gewünschten Höchsttemperatur gemessen.

Zur Kontrolle sind Messungen bei niedrigen Temperaturen durchzuführen. Wenn die in den mehrfachen Messungen ermittelten Werte nicht auf der Kurve liegen, die sich bei den höheren Temperaturen ergibt, kann dies auf eine der folgenden Ursachen zurückzuführen sein:

i) Die Probe enthält noch Luft (z. B. bei hoch viskosen Materialien) oder Substanzen mit niedrigem Siedepunkt, die während der Erwärmung freigesetzt werden.

ii) Die Substanz durchläuft im untersuchten Temperaturbereich eine chemische Reaktion (z. B. eine Zersetzung oder eine Polymerisierung).

1.5.3.   Isoteniskopmethode

1.5.3.1.   Prinzip

Das Isoteniskop (6) beruht auf dem Prinzip der statischen Methode. Bei dieser Methode wird eine Probe in einen Kolben gebracht, in dem eine gleichbleibende Temperatur besteht, und der mit einem Druckmesser und einer Vakuumpumpe verbunden ist. Verunreinigungen mit höherer Flüchtigkeit als die Prüfsubstanz werden durch Entgasen bei reduziertem Druck entfernt. Der Dampfdruck der Probe bei bestimmten Temperaturen wird durch einen mit einem inerten Gas ausgeübten bekannten Druck ausgeglichen. Das Isoteniskop wurde entwickelt, um den Dampfdruck bestimmter flüssiger Kohlenwasserstoffe zu messen, kann aber auch zur Untersuchung von Feststoffen eingesetzt werden. Für Systeme mit mehreren Bestandteilen ist diese Methode im Allgemeinen nicht geeignet. Die Ergebnisse weisen nur leichte Fehler bei Proben mit nicht flüchtigen Verunreinigungen auf. Die Methode wird für den Bereich 102 bis 105 Pa empfohlen.

1.5.3.2.   Apparatur

In Abbildung 4 wird ein Messsystem dargestellt. Eine vollständige Beschreibung ist ASTM D 2879-86 (6) zu entnehmen.

1.5.3.3.   Verfahren

Bei Flüssigkeiten dient die Substanz selbst als Flüssigkeit im Differenzdruckmesser. In das Isoteniskop wird so viel Flüssigkeit eingebracht, dass der Kolben und der kurze Fuß des Druckmessers gefüllt sind. Das Isoteniskop wird mit einem Vakuumsystem verbunden und mit Hilfe des Vakuumsystems vollständig entleert. Anschließend wird das Isoteniskop mit Stickstoff gefüllt. Die Absaugung und die Reinigung des Systems wird zweimal wiederholt, um den verbliebenen Sauerstoff zu entfernen. Das befüllte Isoteniskop wird in horizontal ausgerichtet, damit sich die Probe in Kolben und Druckmesser als dünne Schicht ausbreitet. Der Systemdruck wird auf 133 Pa reduziert, und die Probe wird allmählich erwärmt, bis eben der Siedepunkt erreicht ist (Abtrennung gelöster Gase). Danach wird das Isoteniskop so ausgerichtet, dass die Probe wieder in den Kolben zurückfließt und den kurzen Fuß des Druckmessers ausfüllt. Dabei wird ein Druck von 133 Pa aufrechterhalten. Die vorgezogene Spitze des Probenkolbens wird mit kleiner Flamme erwärmt, bis sich der freigesetzte Probendampf hinreichend ausgedehnt hat, um einen Teil der Probe aus dem oberen Bereich des Kolbens und des Druckmesserarms in den Druckmesser hinein zu verdrängen und somit einen stickstofffreien Raum mit Dampf gefüllt hat. Darauf wird das Isoteniskop in ein Bad mit konstanter Temperatur gebracht, und Druck und Stickstoffzufuhr werden so eingestellt, dass sie mit dem Druck und dem Stickstoffanteil der Probe übereinstimmen. Wenn das erwünschte Gleichgewicht erreicht ist, entspricht der Stickstoffdruck dem Dampfdruck der Prüfsubstanz.

image

Bei Feststoffen sowie je nach Druck- und Temperaturbereich werden Manometerflüssigkeiten wie z. B. Silikon-Flüssigkeiten oder Phthalate verwendet. Die entgaste Manometerflüssigkeit wird in eine dafür vorgesehene Aufwölbung am langen Arm des Isoteniskops gebracht. Anschließend wird der zu prüfende Feststoff in den Probenkolben gegeben und bei einer höheren Temperatur entgast. Darauf wird das Isoteniskop so geneigt, dass die Manometerflüssigkeit in das U-Rohr fließen kann.

1.5.4.   Effusionsmethode: Dampfdruckgleichgewicht (7)

1.5.4.1.   Prinzip

Eine Probe der Prüfsubstanz wird in einem kleinen Ofen erhitzt und in eine Gasglocke gebracht, in der ein Unterdruck hergestellt wurde. Der Ofen wird mit einem Deckel verschlossen, in dem sich kleine Löcher mit einem bestimmten Durchmesser befinden. Der aus der Substanz erzeugte Dampf entweicht durch eines dieser Löcher und wird unmittelbar auf die Schale einer hoch empfindlichen Waage geleitet, die sich ebenfalls im Vakuum der Glasglocke befindet. Bei manchen Ausführungen ist die Waagschale von einem Kühlgefäß umgeben, über das die Wärme thermisch abgeleitet und unter Abstrahlung der Wärme so gekühlt wird, dass sich der entweichende Dampf darauf niederschlägt. Die Energie des Dampfstrahls wirkt als Kraft auf die Waage. Der Dampfdruck kann auf zweierlei Weise ermittelt werden: entweder direkt aus der auf die Waagschale wirkenden Kraft oder mit Hilfe der Hertz-Knudsen-Gleichung aufgrund der Verdampfungsgeschwindigkeit (2):

image

wobei

G

=

Verdampfungsgeschwindigkeit (kg s–1 m–2)

M

=

Molmasse (g mol–1)

T

=

Temperatur (K)

R

=

Universale Gaskonstante (J mol–1 K–1)

P

=

Dampfdruck (Pa)

Der empfohlene Bereich liegt zwischen 10–3 und 1 Pa.

1.5.4.2.   Apparatur

Abbildung 5 veranschaulicht das Grundprinzip der Apparatur:

image



A:

Bodenplatte

F:

Kühlgehäuse und Kühlschiene

B:

Bewegliches Kühlinstrument

G:

Verdampfungsofen

C:

Gasglocke

H:

Dewargefäß mit flüssigem Stickstoff

D:

Waage mit Waagschale

I:

Messung der Probentemperatur

E:

Vakuummessgerät

J:

Prüfsubstanz

1.5.5.   Effusionsmethode: Knudsen-Zelle

1.5.5.1.   Prinzip

Die Methode beruht auf der Schätzung der Masse der Prüfsubstanz, die im Ultravakuum pro Zeiteinheit aus einer Knudsen-Zelle (8) als Dampf durch eine Mikrobohrung strömt. Die Masse des ausströmenden Dampfs kann entweder aufgrund des Masseverlustes der Zelle oder durch Kondensation des Dampfs bei niedriger Temperatur und anschließende chromatographische Messung der Menge der verflüchtigten Substanz bestimmt werden. Der Dampfdruck wird mit Hilfe der Hertz-Knudsen-Gleichung (siehe Abschnitt 1.5.4.1) unter Berücksichtigung von Korrekturfaktoren berechnet, die von den Parametern der jeweiligen Apparatur abhängen (9). Empfohlen wird diese Methode für den Bereich 10–10 bis 1 Pa (10)(11)(12)(13)(14).

1.5.5.2.   Apparatur

Abbildung 6 veranschaulicht das Grundprinzip der Apparatur:

image



1:

Verbindung zum Vakuum

7:

Deckel mit Schraubgewinde

2:

Bohrungen des Platinwiderstand-Thermometers oder Temperaturmessung und Kontrolle

8:

Flügelmuttern

3:

Deckel Vakuumtank

9:

Schrauben

4:

O-Ring

10:

Edelstahl-Effusionszellen

5:

Aluminum-Vakuumtank

11:

Heizpatrone

6:

Vorrichtung zum Einsetzen und Abnehmen der Effusionszellen

 

 

1.5.6.   Effusionsmethode: isotherme Thermogravimetrie

1.5.6.1.   Prinzip

Die Methode beruht auf der Bestimmung der Geschwindigkeit einer beschleunigten Verdampfung der Prüfsubstanz bei höheren Temperaturen und bei Umgebungsdruck durch Thermogravimetrie (10)(15)(16)(17)(18)(19)(20). Die Verdampfungsgeschwindigkeiten vT ergeben sich daraus, dass die jeweils ausgewählte Verbindung einer Atmosphäre mit einem langsam strömenden inerten Gas ausgesetzt wird; bei gegebenen isothermen Temperaturen T (ausgedrückt in Kelvin) wird dann über bestimmte Zeitspannen der Gewichtsverlust überwacht. Die Dampfdrücke pT werden aus den Werten für vT aufgrund der linearen Beziehung zwischen dem Logarithmus des Dampfdrucks und dem Logarithmus der Verdampfungsgeschwindigkeit bestimmt. Wenn erforderlich, kann durch eine Regressionsanalyse von log pT bezogen auf 1/T eine Extrapolierung auf Temperaturen von 20 und 25 °C erfolgen. Diese Methode kommt für Substanzen mit Mindestdampfdrücken bis zu 10–10 Pa (10–12 mbar) in Betracht; um Fehlinterpretationen der gemessenen Gewichtsverluste zu vermeiden, sollte die Reinheit annähernd 100 % betragen.

1.5.6.2.   Apparatur

In Abbildung 7 wird das allgemeine Prinzip der Apparatur dargestellt:

image

Die in einer Kammer mit Temperaturüberwachung an einer Mikrowaage aufgehängte Probenträgerplatte wird von trockenem Stickstoffgas umströmt, in dem die verdampften Moleküle der Prüfsubstanz geführt werden. Nach dem Verlassen der Kammer wird der Gasstrom durch eine Sorptionseinheit gereinigt.

1.5.6.3.   Verfahren

Die Prüfsubstanz wird als homogene Schicht auf eine aufgeraute Glasplatte aufgebracht. Bei Feststoffen wird die Platte gleichförmig mit einer Lösung befeuchtet, in der die Prüfsubstanz in einem geeigneten Lösungsmittel gelöst wurde; anschließend wird die Lösung in einer inerten Atmosphäre getrocknet. Für die Messung wird die beschichtete Platte in den Thermogravimetrie-Analysator gehängt, dort wird der Gewichtsverlust kontinuierlich als zeitabhängige Funktion bestimmt.

Aus dem Gewichtsverlust Δm der Probenplatte wird die Verdampfungsgeschwindigkeit vT bei einer bestimmten Temperatur mit der folgenden Formel berechnet:

image

wobei F = Oberfläche der beschichteten Prüfsubstanzen (im Allgemeinen die Oberfläche der Probenplatte) und t = Dauer des Gewichtsverlusts Δm

Der Dampfdruck pT wird ausgehend von der Funktion der Verdampfungsgeschwindigkeit vT wie folgt berechnet:

Log pT = C + D log vT

wobei C und D spezifische Konstanten für die jeweilige Apparatur sind und vom Durchmesser der Messkammer sowie vom Gasstrom abhängen. Diese Konstanten sind einmal zu bestimmen, indem eine Reihe von Verbindungen mit bekanntem Dampfdruck gemessen und dann durch Regressionsanalyse log pT gegenüber log vT ermittelt wird (11)(21)(22).

Die Beziehung zwischen dem Dampfdruck pT und der Temperatur T in Kelvin wird wie folgt ausgedrückt:

Log pT = A + B 1/T

Dabei sind A und B Konstanten, die sich aus der Regressionsanalyse von log pT gegenüber 1/T ergeben. Mit dieser Formel kann der Dampfdruck für jede beliebige Temperatur extrapoliert werden.

1.5.7.   Gassättigungsmethode (23)

1.5.7.1.   Prinzip

Das inerte Gas wird bei Raumtemperatur und mit einer bekannten Durchflussgeschwindigkeit so langsam durch bzw. über eine Probe der Prüfsubstanz geleitet, dass eine Sättigung eintreten kann. Die Herbeiführung der Sättigung in der Gasphase ist von entscheidender Bedeutung. Die mitgeführte Substanz wird eingeschlossen (im Allgemeinen mit einem Sorptionsmittel); anschließend wird die Menge der abgetrennten Substanz bestimmt. Alternativ zum Dampfeinschluss mit anschließender Analyse kommen in den Gasstrom integrierte Analyseverfahren wie z. B. die Gaschromatographie zur quantitativen Bestimmung des mitgeführten Materials in Betracht. Der Dampfdruck wird ausgehend von der Annahme berechnet, dass sich der Gasstrom entsprechend dem idealen Gasgesetz verhält und dass der Gesamtdruck eines Gasgemischs mit der Summe der Drücke der einzelnen enthaltenen Gase übereinstimmt. Der Teildruck der Prüfsubstanz, d. h. der Dampfdruck, wird aus dem bekannten Volumen des gesamten Gasstroms und aus dem Gewicht des mitgeführten Materials berechnet.

Das Gassättigungsverfahren ist für feste und flüssige Substanzen geeignet. Es kann bei Mindestdampfdrücken bis zu 10–10 Pa genutzt werden (10)(11)(12)(13)(14). Bei Dampfdrücken unter 103 Pa ist diese Methode die zuverlässigste Methode. Über 103 Pa werden die Dampfdrücke im Allgemeinen überschätzt; dies ist wahrscheinlich auf die Bildung von Aerosolen zurückzuführen. Da die Dampfdruckmessungen bei Raumtemperatur erfolgen, brauchen keine Extrapolierungen hoher Temperaturen vorgenommen zu werden; entsprechend entfallen die häufig mit der Extrapolierung hoher Temperaturen verbundenen schwerwiegenden Fehler.

1.5.7.2.   Apparatur

Für das Verfahren wird ein Behälter mit konstanter Temperatur benötigt. In Abbildung 8 ist ein Behälter mit Haltern für jeweils drei feste und flüssige Proben skizziert, in dem jeweils drei wahlweise feste oder flüssige Proben analysiert werden können. Die Temperatur wird mit einer Genauigkeit von mindestens ± 0,5 °C überwacht.

image

Im Allgemeinen wird Stickstoff als inertes Trägergas verwendet; gelegentlich können aber auch sonstige Gase erforderlich sein (24). Das Trägergas muss trocken sein. Der Gasstrom wird in sechs Teilströme getrennt, die jeweils durch Kegelventile (mit Bohrungen von ca. 0,79 mm) geregelt und über ein Kupferrohr mit einem Innendurchmesser von 3,8 mm in den Behälter geleitet werden. Nach dem Temperaturausgleich strömt das Gas durch die Probe und verlässt den Behälter durch die Adsorptionsfalle.

Feste Proben werden in ein mit Glaswollestopfen verschlossenes Glasrohr mit einem Innendurchmesser von 5 mm gegeben (siehe Abbildung 9). In Abbildung 10 sind ein Halter für feste Proben und ein Sorptionssystem dargestellt. Die am besten reproduzierbare Methode zur Messung des Dampfdrucks von Flüssigkeiten besteht darin, die zu prüfende Flüssigkeit auf Glasperlen oder auf ein inertes Sorptionsmittel wie z. B. Kieselerde aufzubringen und den Halter mit diesen Perlen zu packen. Alternativ kann das Trägergas auch über eine grobe Fritte und eine Blase durch die Säule mit der flüssigen Prüfsubstanz geleitet werden.



Abbildung 9 image

Abbildung 10 image

Das Sorptionssystem enthält einen vorderen und einen hinteren Sorptionsabschnitt. Bei sehr niedrigen Dampfdrücken werden nur geringe Anteile vom Sorptionsmittel abgetrennt; dabei kann die Adsorption auf der Glaswolle und im Glasrohr zwischen der Probe und dem Sorptionsmittel ein ernsthaftes Problem sein.

Mit festem CO2 gekühlte Abscheider stellen eine weitere wirksame Möglichkeit zur Aufnahme des verdampften Materials dar. Diese Abscheider verursachen keinerlei Gegendruck auf die Sättigungssäule; außerdem lässt sich das abgetrennte Material leicht quantitativ bestimmen.

1.5.7.3.   Verfahren

Die Durchflussgeschwindigkeit des ausströmenden Trägergases wird bei Raumtemperatur gemessen. Während der Messung wird die Durchflussgeschwindigkeit häufig geprüft, um sicherzustellen, dass das Gesamtvolumen des Trägergases zuverlässig ermittelt wird. Vorzugsweise erfolgt eine kontinuierliche Überwachung mit einem Mengendurchflussmesser. Die Sättigung der Gasphase kann eine beträchtliche Kontaktzeit und entsprechend verhältnismäßig geringe Gasdurchflüsse erfordern (25).

Im Anschluss an die Messungen werden der vordere und der hintere Sorptionsabschnitt getrennt analysiert. Die Verbindungen in den einzelnen Abschnitten werden durch Zugabe eines Lösungsmittels desorbiert. Die entstehenden Lösungen werden einer quantitativen Analyse unterzogen, um die jeweils aus den Abschnitten desorbierten Gewichte zu bestimmen. Die Wahl der Analysemethode (sowie die Wahl des Sorptionsmittels und des desorbierenden Lösungsmittels) hängt von der Beschaffenheit des zu prüfenden Materials ab. Die Desorptionsleistung wird bestimmt, indem eine bekannte Probenmenge auf das Sorptionsmittel gespritzt, die Substanz desorbiert und anschließend die zurückgewonnene Menge analysiert wird. Die Desorptionsleistung muss mit der gleichen oder zumindest annähernd gleichen Probenkonzentration wie in der eigentlichen Prüfung bestimmt werden.

Um sicherzustellen, dass das Trägergas mit der Prüfsubstanz gesättigt ist, werden drei verschiedene Durchflussgeschwindigkeiten eingestellt. Wenn sich der berechnete Dampfdruck auch bei unterschiedlichen Durchflüssen nicht ändert, wird angenommen, dass das Gas gesättigt ist.

Der Dampfdruck wird mit folgender Gleichung berechnet:

image

wobei

p

=

Dampfdruck (Pa)

W

=

Gewicht der verdampften Prüfsubstanz (g)

V

=

Volumen des gesättigten Gases (m3)

R

=

universale Gaskonstante 8,314 (J mol–1 K–1)

T

=

Temperatur (K)

M

=

Molmasse der Prüfsubstanz (g mol–1)

Die gemessenen Volumina sind unter Berücksichtigung von Druck- und Temperaturunterschieden zwischen Durchflussmesser und Sättigungssäule zu korrigieren.

1.5.8.   Rotationsmethode

1.5.8.1.   Prinzip

Bei dieser Methode wird ein Rotationsviskosimeter eingesetzt, bei dem das Messelement aus einer kleinen Stahlkugel besteht, die in einem Magnetfeld aufgehängt durch Drehfelder in Drehungen versetzt wird (26)(27)(28). Aufnehmerspulen ermöglichen eine Messung der Drehzahl. Wenn die Kugel eine bestimmte Drehzahl erreicht hat (in der Regel etwa 400 Umdrehungen pro Sekunde), wird die Erregung unterbrochen, und infolge der Gasreibung erfolgt eine Verzögerung. Der Rückgang der Drehzahl wird zeitabhängig gemessen. Aus der druckabhängigen Verlangsamung der Stahlkugel wird der Dampfdruck abgeleitet. Diese Methode wird für den Bereich von 10–4 bis 0,5 Pa empfohlen.

1.5.8.2.   Apparatur

In Abbildung 11 ist die Apparatur schematisch dargestellt. Der Messfühler wird in ein Gehäuse mit konstanter Temperatur gebracht, in dem die Temperatur mit einer Genauigkeit von 0,1 °C geregelt wird. Der Probenbehälter wird in ein getrenntes Gehäuse gesetzt, dessen Temperatur ebenfalls mit einer Genauigkeit von 0,1 °C geregelt wird. Alle übrigen Teile der Apparatur werden auf einer höheren Temperatur gehalten, um eine Kondensatbildung auszuschließen. Die gesamte Apparatur ist mit einem Hochvakuumsystem verbunden.

image

2.   DATEN UND ABSCHLUSSBERICHT

2.1.   DATEN

Der Dampfdruck sollte mit den genannten Methoden jeweils bei mindestens zwei Temperaturen gemessen werden. Im Bereich 0 bis 50 °C werden Messungen vorzugsweise bei drei Temperaturen durchgeführt, um zu prüfen, ob die Dampfdruckkurve linear verläuft. Bei der Effusionsmethode (Knudsen-Zelle und isotherme Thermogravimetrie) und bei der Gassättigungsmethode wird statt des üblichen Bereichs von 0 bis 50 °C ein Temperaturbereich von 120 bis 150 °C empfohlen.

2.2.   PRÜFBERICHT

Der Prüfbericht muss folgende Informationen enthalten:

 eingesetzte Methode;

 genaue Spezifizierung der Substanz (Beschreibung und Verunreinigungen); ggf. ist eine vorläufige Reinigung zu protokollieren;

 mindestens zwei Dampfdruck- und Temperaturwerte — vorzugsweise drei oder mehr — im Temperaturbereich 0 bis 50 °C (bzw. 120 bis 150 °C);

 mindestens einer der Temperaturwerte sollte 25 °C oder weniger betragen, wenn bei der jeweils gewählten Methode technisch möglich;

 alle Originaldaten;

 eine Kurve log p vs. 1/T;

 eine Schätzung des Dampfdrucks bei 20 oder 25 °C.

Wenn ein Übergang (Änderung des Aggregatzustandes oder Zersetzung) beobachtet wird, sollten folgende Informationen vermerkt werden:

 Art der Änderung;

 Temperatur, bei der die Änderung bei Atmosphärendruck auftritt;

 Dampfdruck bei 10 und 20 °C unter der Übergangstemperatur und bei 10 und 20 °C über dieser Temperatur (wenn der Übergang nicht vom festen Zustand in den gasförmigen Zustand erfolgt).

Alle für die Auswertung der Ergebnisse maßgeblichen Informationen und Bemerkungen sind zu protokollieren; dies gilt insbesondere für Verunreinigungen und für die physikalische Beschaffenheit der Prüfsubstanz.

3.   LITERATUR

1.  Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften L 383 A, S. 26-47 (1992).

2. Ambrose, D. (1975). Experimental Thermodynamics, Vol. II, Le Neindre, B., and Vodar, B., Eds., Butterworths, London.

3. Weissberger R., ed. (1959). Technique of Organic Chemistry, Physical Methods of Organic Chemistry, 3rd ed., Vol I, Part I. Chapter IX, Interscience Publ., New York.

4. Glasstone, S. (1946). Textbook of Physical Chemistry, 2nd ed., Van Nostrand Company, New York.

5. NF T 20-048 AFNOR (September 1985). Chemical products for industrial use — Determination of vapour pressure of solids and liquids within a range from 10–1 to 105 Pa — Static method.

6. ASTM D 2879-86, Standard test method for vapour pressure — temperature relationship and initial decomposition temperature of liquids by isoteniscope.

7. NF T 20-047 AFNOR (September 1985). Chemical products for industrial use — Determination of vapour pressure of solids and liquids within range from 10–3 to 1 Pa — Vapour pressure balance method.

8. Knudsen, M. (1909). Ann. Phys. Lpz., 29, 1979; (1911), 34, 593.

9. Ambrose, D., Lawrenson, I.J., Sprake, C.H.S. (1975). J. Chem. Thermodynamics 7, S. 1173.

10. Schmuckler, M.E., Barefoot, A.C., Kleier, D.A., Cobranchi, D.P. (2000), Vapor pressures of sulfonylurea herbicides; Pest Management Science 56, S. 521-532.

11. Tomlin, C.D.S. (ed.), The Pesticide Manual, Twelfth Edition (2000).

12. Friedrich, K., Stammbach, K., Gas chromatographic determination of small vapour pressures determination of the vapour pressures of some triazine herbicides. J. Chromatog. 16 (1964), S. 22-28.

13. Grayson, B.T., Fosbraey, L.A., Pesticide Science 16 (1982), S. 269-278.

14. Rordorf, B.F., Prediction of vapor pressures, boiling points and enthalpies of fusion for twenty-nine halogenated dibenzo-p-dioxins, Thermochimia Acta 112 Issue 1 (1987), S. 117-122.

15. Gückel, W., Synnatschke, G., Ritttig, R., A Method for Determining the Volatility of Active Ingredients Used in Plant Protection; Pesticide Science 4 (1973), S. 137-147.

16. Gückel, W., Synnatschke, G., Ritttig, R., A Method for Determining the Volatility of Active Ingredients Used in Plant Protection II. Application to Formulated Products; Pesticide Science 5 (1974), S. 393-400.

17. Gückel, W., Kaestel, R., Lewerenz, J., Synnatschke, G., A Method for Determining the Volatility of Active Ingredients Used in Plant Protection. Part III: The Temperature Relationship between Vapour Pressure and Evaporation Rate; Pesticide Science 13 (1982), S. 161-168.

18. Gückel, W., Kaestel, R., Kroehl, T., Parg, A., Methods for Determining the Vapour Pressure of Active Ingredients Used in Crop Protection. Part IV: An Improved Thermogravimetric Determination Based on Evaporation Rate; Pesticide Science 45 (1995), S. 27-31.

19. Kroehl, T., Kaestel, R., Koenig, W., Ziegler, H., Koehle, H., Parg, A., Methods for Determining the Vapour Pressure of Active Ingredients Used in Crop Protection. Part V: Thermogravimetry Combined with Solid Phase MicroExtraction (SPME); Pesticide Science 53 (1998), S. 300-310.

20. Tesconi, M., Yalkowsky, S.H., A Novel Thermogravimetric Method for Estimating the Saturated Vapor Pressure of Low-Volatility Compounds; Journal of Pharmaceutical Science 87(12) (1998), S. 1512-20.

21. Lide, D.R. (ed.), CRC Handbook of Chemistry and Physics, 81th ed.(2000), Vapour Pressure in the Range — 25 °C to 150 °C.

22. Meister, R.T. (ed.), Farm Chemicals Handbook, Vol. 88 (2002).

23. 40 CFR, 796. (1993). S. 148-153, Office of the Federal Register, Washington DC.

24. Rordorf B.F. (1985). Thermochimica Acta 85, S. 435.

25. Westcott et al. (1981). Environ. Sci. Technol. 15, S. 1375.

26. Messer G., Röhl, P., Grosse G., and Jitschin W. (1987). J. Vac. Sci. Technol. (A), 5(4), S. 2440.

27. Comsa G., Fremerey J.K., and Lindenau, B. (1980). J. Vac. Sci. Technol. 17(2), S. 642.

28. Fremerey, J.K. (1985). J. Vac. Sci. Technol. (A), 3(3), S. 1715.

Anlage

Schätzmethode

EINLEITUNG

Geschätzte Dampfdrücke können verwendet werden,

 um zu entscheiden, welche Prüfmethode im Einzelfall am besten geeignet ist, und

 um in den Fällen einen Schätz- oder Grenzwert angeben zu können, in denen eine Prüfmethode aus technischen Gründen nicht zur Anwendung kommen kann.

SCHÄTZMETHODE

Der Dampfdruck von Flüssigkeiten und Feststoffen kann aufgrund der modifizierten Watson-Korrelation geschätzt werden (a). In diesem Fall braucht als Prüfwert nur der normale Siedepunkt bestimmt zu werden. Diese Methode kommt im Druckbereich 105 Pa bis 10–5 Pa in Betracht.

Detaillierte Informationen zu dieser Methode sind dem „Handbook of Chemical Property Estimation Methods“ zu entnehmen (b). Außerdem wird auf die OECD Environmental Monograph No. 67 verwiesen (c).

BERECHNUNGSVERFAHREN

Der Dampfdruck wird wie folgt berechnet:

image

wobei

T

=

maßgebliche Temperatur

Tb

=

normaler Siedepunkt

PVP

=

Dampfdruck bei Temperatur T

ΔHVb

=

Verdampfungswärme

ΔZb

=

Kompressibilitätsfaktor (geschätzt 0,97)

m

=

empirischer Faktor, abhängig von der physikalischen Beschaffenheit bei der maßgeblichen Temperatur

Außerdem ist folgende Berechnung vorzunehmen:

image

wobei KF ein empirischer Faktor ist, der die Polarität der Substanz berücksichtigt; im Anhang sind die Faktoren KF für verschiedene Verbindungen zusammengestellt.

Verhältnismäßig häufig sind Daten verfügbar, bei denen ein Siedepunkt bei reduziertem Druck angegeben wird. In diesen Fällen wird der Dampfdruck wie folgt berechnet:

image

wobei T1 = Siedepunkt bei reduziertem Druck P1.

BERICHT

Bei der Schätzmethode sollte die vorgenommene Berechnung im Bericht umfassend dokumentiert werden.

LITERATUR

a) Watson, K.M. (1943). Ind. Eng. Chem, 35, 398.

b) Lyman, W.J., Reehl, W.F., Rosenblatt, D. H. (1982). Handbook of Chemical Property Estimation Methods, McGraw-Hill.

c) OECD Environmental Monograph No. 67. Application of Structure-Activity Relationships to the Estimation of Properties Important in Exposure Assessment (1993).

▼B

A.5.   OBERFLÄCHENSPANNUNG

1.   METHODEN

Den meisten der hier beschriebenen Methoden liegt die OECD-Prüfrichtlinie (1) zugrunde. Die Grundprinzipien sind in (2) angegeben.

1.1.   EINLEITUNG

Die hier beschriebenen Methoden sind zur Messung der Oberflächenspannung wässriger Lösungen anzuwenden.

Zweckdienlich ist, dass vor der Durchführung dieser Prüfungen Vorabinformationen über die Wasserlöslichkeit, die Struktur, die Hydrolyseeigenschaften und die kritische Konzentration für Mizellbildung des Stoffes vorliegen.

Die nachstehenden Methoden können für die meisten chemischen Substanzen ohne Einschränkung in Bezug auf ihren Reinheitsgrad angewendet werden.

Die Messung der Oberflächenspannung nach der Ringmethode beschränkt sich auf wässrige Lösungen mit einer dynamischen Viskosität unter ca. 200 mPa s.

1.2.   DEFINITION UND EINHEITEN

Die freie Oberflächenenthalpie pro Oberflächeneinheit bezeichnet man als Oberflächenspannung.

Die Oberflächenspannung wird in folgenden Einheiten angegeben:

N/m (SI-Einheit) oder

mN/m (SI-Untereinheit)

1 N/m = 103 dyn/cm

1 mN/m = 1 dyn/cm im veralteten CGS-System

1.3.   REFERENZSUBSTANZEN

Referenzsubstanzen müssen nicht in allen Fällen verwendet werden, in denen eine neue Prüfsubstanz untersucht wird. Die Referenzsubstanzen sollten in erster Linie dazu dienen, die Methode von Zeit zu Zeit zu überprüfen und einen Vergleich mit den Ergebnissen aus anderen Methoden zu ermöglichen.

Referenzsubstanzen, die einen weiten Bereich von Oberflächenspannungen abdecken, sind in der Literatur (1) (3) aufgeführt.

1.4.   PRINZIP DER METHODEN

Gemessen wird die maximale Kraft, die in vertikaler Richtung auf einen Bügel oder einen Ring ausgeübt werden muss, um diesen aus seinem Kontakt mit der Oberfläche der in ein Messgerät gefüllten Prüfflüssigkeit zu ziehen, bzw. die auf eine Platte ausgeübt werden muss, deren einer Rand in Kontakt mit der Oberfläche steht, um den gebildeten Film hochzuziehen.

Stoffe, die mindestens in einer Konzentration von 1 mg/l in Wasser löslich sind, werden in wässriger Lösung in einer einzigen Konzentration geprüft.

1.5.   QUALITÄTSKRITERIEN

Die Genauigkeit dieser Methoden überschreitet wahrscheinlich alle Kontrollerfordernisse des Umweltschutzes.

1.6.   BESCHREIBUNG DER METHODEN

Eine Lösung der Prüfsubstanz wird in destilliertem Wasser zubereitet. Die Konzentration dieser Lösung sollte bei 90 % der Sättigungslöslichkeit der Substanz in Wasser liegen; wenn diese Konzentration höher liegt als 1 g/l, wird für die Prüfung eine Konzentration von 1 g/l verwendet. Substanzen mit einer Wasserlöslichkeit unter 1 mg/1 brauchen nicht geprüft zu werden.

1.6.1.   Plattenmethode

Siehe ISO 304 und NF T 73-060 (Surface active agents — determination of surface tension by drawing up liquid films).

1.6.2.   Bügelmethode

Siehe ISO 304 und NF T 73-060 (Surface active agents — determination of surface tension by drawing up liquid films).

1.6.3.   Ringmethode

Siehe ISO 304 und NF T 73-060 (Surface active agents — determination of surface tension by drawing up liquid films).

1.6.4.   OECD-Ringmethode

1.6.4.1.   Apparatur

Zur Ausführung der in Betracht kommenden Messungen eignen sich handelsübliche Tensiometer. Sie bestehen aus folgenden Teilen:

 einem beweglichen Probentisch,

 einem Kraftmesssystem,

 einem Messkörper (Ring),

 einem Messgefäß.

1.6.4.1.1.    Beweglicher Probentisch

Der bewegliche Probentisch dient als Untersatz für das thermostatisierte Messgefäß, in welchem sich die zu untersuchende Flüssigkeit befindet. Er ist zusammen mit dem Kraftmesssystem auf ein Stativ montiert.

1.6.4.1.2.    Kraftmesssystem

Das Kraftmesssystem (siehe Abbildung) befindet sich über dem Probentisch. Der Fehler der Kraftmessung sollte einen Wert von ± 10-6 N nicht übersteigen, was einer Fehlergrenze von ± 0,1 mg bei der Massenbestimmung entspricht. In den meisten Fällen erfolgt die Einteilung der Messskala handelsüblicher Tensiometer in mN/m, so dass die Oberflächenspannung direkt in mN/m mit einer Genauigkeit von 0,1 mN/m abgelesen werden kann.

1.6.4.1.3.    Messkörper (Ring)

Üblicherweise wird der Ring aus Platin-Iridium-Draht mit einer Stärke von etwa 0,4 mm und einem mittleren Umfang von 60 mm hergestellt. Der Drahtring ist horizontal mittels einer Befestigungsgabel aus Draht und einem Metallstift aufgehängt, welche die Verbindung zum Kraftmesssystem darstellen (siehe Abbildung).

(alle Abmessungen in mm)

image

1.6.4.1.4.    Messgefäß

Zur Aufnahme der Prüflösung bei den Messungen sollte ein thermostatisiertes Glasgefäß benutzt werden. Die Anordnung sollte so ausgelegt werden, dass während der Messung die Temperatur sowohl der Prüflösung wie auch die der sich über deren Oberfläche befindlichen Gasphase konstant bleiben und die Probe nicht verdampfen kann. Hierfür sollten zylindrische Glasgefäße mit einem Innendurchmesser von nicht weniger als 45 mm zur Anwendung kommen.

1.6.4.2.   Vorbereitung der Apparatur

1.6.4.2.1.    Reinigung

Die Glasgefäße müssen sorgfältig gereinigt werden. Falls notwendig, sollten sie mit heißer Chromschwefelsäure und anschließend mit sirupartiger Phosphorsäure (83 bis 98 Gew.- % H3PO4) gewaschen, sorgfältig mit Leitungswasser gespült und schließlich nochmals mit doppelt destilliertem Wasser ausgewaschen werden, bis man eine neutrale Reaktion erhält. Daraufhin trocknet man das Gefäß oder spült es mit der zu untersuchenden Probenlösung aus.

Der Ring sollte zunächst sorgfältig mit Wasser abgewaschen werden, um alle wasserlöslichen Substanzen zu entfernen. Anschließend wird er kurzzeitig in Chromschwefelsäure getaucht, in doppelt destilliertem Wasser bis zur neutralen Reaktion gespült und schließlich kurz über einer Methanolflamme erhitzt.

Anmerkung

Verunreinigungen durch Substanzen, die weder durch Chromschwefelsäure noch Phosphorsäure gelöst oder zersetzt werden, wie beispielsweise Silikone, sind mittels geeigneter organischer Lösungsmittel zu entfernen.

1.6.4.2.2.    Eichung der Apparatur

Die Validierung der Apparatur besteht in einer Überprüfung des Nullpunktes. Dieser sollte so eingestellt werden, dass die Instrumentenanzeige eine zuverlässige Bestimmung in mN/m zulässt.

Das Gerät muss waagerecht aufgestellt werden, was sich beispielsweise unter Zuhilfenahme einer Wasserwaage, die man auf die Grundplatte des Tensiometers legt, und entsprechender Einstellungen mit den dort vorgesehenen Stellschrauben erzielen lässt.

Nach der Befestigung des Rings an der Apparatur und vor dem Eintauchen in die Flüssigkeit sind der Nullpunkt der Tensiometeranzeige einzustellen und die Parallelität des Rings zur Flüssigkeitsoberfläche zu überprüfen. Dazu kann man die Flüssigkeitsoberfläche als Spiegel benutzen.

Das eigentliche Eichen vor den Untersuchungen lässt sich auf zweierlei Weise durchführen:

a) Benutzung einer Masse: Bei diesem Verfahren verwendet man Reiter bekannter Masse zwischen 0,1 g und 1,0 g, die auf diesem Ring angebracht werden. Der Eichfaktor Φa, mit dem alle am Instrument abgelesenen Werte multipliziert werden müssen, lässt sich entsprechend der Gleichung (1) bestimmen:



image

(1)

Hierbei ist:

image

(mN/m)

m

=

Masse des Reiters

g

=

Erdbeschleunigung (981 cm s-2 in Meereshöhe)

b

=

mittlerer Umfang des Rings (cm)

σa

=

abgelesener Wert am Tensiometer nach dem Anbringen des Reiters auf dem Ring (mN/m)

b) Verwendung von Wasser: Bei diesem Verfahren benutzt man reines Wasser, dessen Oberflächenspannung bei 23 oC einen Wert von 72,3 mN/m besitzt. Dieses Verfahren ist bei weitem schneller durchführbar als die Eichung mit Gewichten, doch läuft man hierbei immer Gefahr, dass die Oberflächenspannung des Wassers durch Spurenverunreinigungen mit oberflächenaktiven Substanzen verfälscht wird.

Der Eichfaktor Φb, mit dem alle am Instrument abgelesenen Werte multipliziert werden müssen, lässt sich entsprechend der Gleichung (2) bestimmen:



image

(2)

Hierbei ist:

σo

=

angegebener Literaturwert für die Oberflächenspannung von Wasser (mN/m)

σg

=

gemessener Wert der Oberflächenspannung von Wasser (mN/m) beide bei der gleichen Temperatur.

1.6.4.3.   Vorbereitung der Proben

Von den zu untersuchenden Substanzen sind wässrige Lösungen in den erforderlichen Konzentrationen herzustellen. Die Lösungen dürfen keine ungelösten Bestandteile enthalten.

Die Lösung ist bei konstanter Temperatur zu halten (± 0,5 oC). Da sich die Oberflächenspannung der im Messbehälter befindlichen Lösung im Verlauf der Zeit verändert, sollten Messungen zu verschiedenen Zeitpunkten vorgenommen und entsprechend eine Kurve erstellt werden, die die Oberflächenspannung in Abhängigkeit von der Zeit darstellt. Ein Gleichgewichtszustand ist erreicht, sobald keine weiteren Änderungen auftreten.

Verschmutzung durch Staub oder gasförmige Substanzen beeinträchtigt die Messung. Aus diesem Grunde sollten die Arbeiten unter einer Schutzhaube vorgenommen werden.

1.6.5.   Prüfbedingungen

Die Messungen sind bei etwa 20 oC auszuführen, und die Temperaturkonstanz sollte mit ± 0,5 oC eingehalten werden.

1.6.6.   Durchführung der Prüfung

Die zu messenden Lösungen werden in das sorgfältig gereinigte Messgefäß gefüllt, wobei darauf geachtet werden sollte, Schaumbildung zu vermeiden. Anschließend wird das Messgefäß auf den Tisch der Testapparatur gestellt. Das Tischoberteil mit dem Messgefäß wird nun so weit hochgeschraubt, bis der Ring unter die Oberfläche der zu messenden Lösung taucht. Daraufhin wird das Tischoberteil langsam und gleichmäßig abgesenkt (mit einer Geschwindigkeit von ca. 0,5 cm/min), um den Ring aus der Oberfläche herauszuziehen, bis ein maximaler Wert der Kraft erreicht ist. Der am Ring haftende Flüssigkeitsfilm darf nicht von ihm abreißen. Nach Beendigung der Messung wird der Ring wieder unter die Oberfläche getaucht und der Vorgang wiederholt, bis ein konstanter Wert der Oberflächenspannung erreicht ist. Bei jeder Bestimmung sollte die Zeitmessung mit dem Einfüllen der Lösung in das Messgefäß beginnen. Die Ablesung erfolgt jeweils zu dem Zeitpunkt, bei dem die Maximalkraft beim Herausziehen des Rings aus der Flüssigkeitsoberfläche erreicht ist.

2.   DATEN

Zur Berechnung der Oberflächenspannung wird zunächst der in mN/m an der Apparatur abgelesene Wert mit dem Eichfaktor Φa oder Φb (je nach dem verwendeten Eichverfahren) multipliziert. Man erhält einen Wert, der jedoch nur annähernd gilt und infolgedessen einer Korrektur bedarf.

Harkins und Jordan (4) haben empirische Korrekturfaktoren für Oberflächenspannungswerte bestimmt, die mit der Ringmethode gemessen wurden. Diese Faktoren sind von den Ringdimensionen, der Dichte der Flüssigkeit und ihrer Oberflächenspannung abhängig.

Da es umständlich ist, für jede einzelne Messung den Korrekturfaktor aus den Tabellen von Harkins und Jordan zu bestimmen, um die Oberflächenspannung wässriger Lösungen zu berechnen, kann eine vereinfachte Methode angewandt werden, die darin besteht, die korrigierten Werte für die Oberflächenspannung direkt aus der nachstehenden Tabelle abzulesen. (Für Ablesewerte, die zwischen den Tabellenwerten liegen, ist eine Interpolation möglich.)



Tabelle

Korrektur der gemessenen Oberflächenspannungswerte

Nur für wässrige Lösungen, ρ = 1 g/cm3

R

= 9,55 mm (mittlerer Ringradius)

r

= 0,185 mm (Radius des Ringdrahtes)



Experimenteller Wert (mN/m)

Korrigierter Wert (mN/m)

Eichung mit Gewichten (vgl. 1.6.4.2.2 a)

Eichung mit Wasser (vgl.1.6.4.2.2 b)

20

16,9

18,1

22

18,7

20,1

24

20,6

22,1

26

22,4

24,1

28

24,3

26,1

30

26,2

28,1

32

28,1

30,1

34

29,9

32,1

36

31,8

34,1

38

33,7

36,1

40

35,6

38,2

42

37,6

40,3

44

39,5

42,3

46

41,4

44,4

48

43,4

46,5

50

45,3

48,6

52

47,3

50,7

54

49,3

52,8

56

51,2

54,9

58

53,2

57,0

60

55,2

59,1

62

57,2

61,3

64

59,2

63,4

66

61,2

65,5

68

63,2

67,7

70

65,2

69,9

72

67,2

72,0

74

69,2

76

71,2

78

73,2

Die Zusammenstellung dieser Tabelle erfolgte auf der Grundlage der Harkins-Jordan-Korrekturen und entsprechend der DIN-Norm (DIN 53914) für Wasser und wässrige Lösungen (Dichte ρ = 1 g/cm3). Sie gilt für einen handelsüblichen Ring mit folgenden Abmessungen: R = 9,55 mm (mittlerer Ringradius) und r = 0,185 mm (Radius des Ringdrahtes). Die Tabelle enthält korrigierte Werte für Oberflächenspannungsmessungen nach einer Eichung entweder mit Gewichten oder mit Wasser.

Alternativ lässt sich die Oberflächenspannung ohne vorhergehende Eichung nach der folgenden Gleichung berechnen:

image

Hierbei ist:

F

=

die vom Kraftmesssystem angegebene Kraft beim Abreißen des Films

R

=

der Ringradius

f

=

der Korrekturfaktor (1)

3.   ABSCHLUSSBERICHT

3.1.   PRÜFBERICHT

Im Prüfbericht ist, wenn möglich, Folgendes anzugeben:

 verwendete Methode,

 Art des verwendeten Wassers oder der verwendeten Lösung,

 genaue Spezifizierung der Substanz (Identifizierung und Verunreinigungen),

 Messergebnisse: abgelesene Oberflächenspannungswerte mit Angabe sowohl der Einzelmesswerte und ihres arithmetischen Mittels wie auch des korrigierten Mittelwertes (wobei der Eichfaktor und die Korrekturtabelle berücksichtigt werden),

 die Konzentration der Lösung,

 die Prüftemperatur,

 das Alter der untersuchten Lösung, insbesondere die Zeitspanne zwischen Zubereitung und Messung der Lösung,

 die Darstellung der Zeitabhängigkeit der Oberflächenspannung nach Einfüllen der Lösung in das Messgefäß,

 alle für die Auswertung der Ergebnisse sachdienlichen Informationen und Bemerkungen, insbesondere in Bezug auf Verunreinigungen und Aggregatzustand des Stoffes.

3.2.   INTERPRETATION DER ERGEBNISSE

Ausgehend davon, dass destilliertes Wasser bei 20 oC eine Oberflächenspannung von 72,75 mN/m hat, sollten Stoffe mit einer Oberflächenspannung unter 60 mN/m unter den Bedingungen dieses Verfahrens als oberflächenaktiv betrachtet werden.

4.   LITERATUR

(1) OECD, Paris, 1981, Test Guideline 115, Decision of the Council C(81) 30 final.

(2) R. Weissberger (Hrsg.), Technique of Organic Chemistry, Physical Methods of Organic Chemistry, 3rd ed., Interscience Publ., New York, 1959, Vol. I, Part I, Chapter XIV.

(3) Pure Appl. Chem., 1976, Vol. 48, 511.

(4) Harkins, W.D., Jordan, H.F., J. Amer. Chem. Soc, 1930, Vol. 52, 1751.

▼M4

A.6   WASSERLÖSLICHKEIT

EINLEITUNG

1. Diese Prüfmethode entspricht der OECD-Prüfrichtlinie (TG) 105 (1995). Sie ist eine überarbeitete Fassung der ursprünglichen TG 105, die 1981 angenommen wurde. Es gibt keine inhaltlichen Unterschiede zwischen der derzeitigen Fassung und der von 1981. Geändert wurde hauptsächlich das Format. Die Überarbeitung stützte sich auf die EU-Prüfmethode „Wasserlöslichkeit“ (1).

AUSGANGSÜBERLEGUNGEN

2. Die Wasserlöslichkeit eines Stoffs kann durch Verunreinigungen erheblich beeinflusst werden. Diese Prüfmethode behandelt die Bestimmung der Wasserlöslichkeit von im Wesentlichen reinen Substanzen, die in Wasser stabil und nicht flüchtig sind. Vor Bestimmung der Wasserlöslichkeit sollten Vorinformationen über die Strukturformel, den Dampfdruck, die Dissoziationskonstante und das Hydrolyseverhalten (als Funktion des pH-Wertes) des Stoffes vorliegen.

3. Die beiden nachstehend beschriebenen Methoden, d. h. die Säulen-Elutions-Methode und die Kolbenmethode, decken Löslichkeiten von unter bzw. über 10–2 g/l ab. Ein einfacher Vorversuch wird ebenfalls beschrieben. Er ermöglicht die Bestimmung der bei der eigentlichen Prüfung zu verwendenden ungefähren Probenmenge und die zum Erreichen der Sättigungskonzentration notwendige Zeit.

DEFINITIONEN UND EINHEITEN

4. Die Wasserlöslichkeit einer Substanz wird durch ihre Massen-Sättigungskonzentration in Wasser bei einer bestimmten Temperatur angegeben.

5. Die Wasserlöslichkeit wird als Masse des gelösten Stoffs je Lösungsvolumen ausgedrückt. Die SI-Einheit ist kg/m3, aber g/l kann auch verwendet werden.

REFERENZSUBSTANZEN

6. Bei der Untersuchung der Prüfsubstanz brauchen keine Referenzsubstanzen verwendet zu werden.

BESCHREIBUNG DER METHODEN

Prüfbedingungen

7. Die Prüfung wird vorzugsweise bei 20 °C ± 0,5 °C durchgeführt. Die gewählte Temperatur ist in allen wichtigen Teilen der Apparatur konstant zu halten.

Vorversuch

8. Etwa 0,1 g der Probe (feste Prüfsubstanzen müssen pulverisiert sein) werden in einen mit Glasstopfen verschließbaren 10-ml-Messzylinder gegeben. Dann werden portionsweise zunehmende Volumen Wasser von Raumtemperatur zugesetzt. Nach jedem Zusatz einer Wassermenge wird die Mischung 10 Minuten geschüttelt und mit bloßem Auge auf ungelöste Teilchen der Probe untersucht. Wenn nach Zusatz von 10 ml Wasser die Probe oder Teile von ihr ungelöst bleiben, ist der Versuch in einem 100-ml-Messzylinder zu wiederholen. Die ungefähre Löslichkeit ist in Tabelle 1 unter demjenigen Volumen Wasser angegeben, bei dem die Probe vollständig gelöst wird. Bei geringer Löslichkeit kann es lange (bis zu 24 Stunden) dauern, bis die Prüfsubstanz gelöst ist. Ist die Prüfsubstanz nach 24 Stunden noch nicht gelöst, sollte der Versuch verlängert werden (maximal 96 Stunden) oder es sollte weiter verdünnt werden, um festzustellen, ob die Säulen-Elutions- oder die Kolben-Methode zu benutzen ist.



Tabelle 1

ml Wasser auf 0,1 g lösliche Substanz

0,1

0,5

1

2

10

100

> 100

Ungefähre Löslichkeit in g/l

> 1 000

1 000 -200

200-100

100-50

50-10

10-1

< 1

Säulen-Elutions-Methode

Prinzip

9. Diese Methode basiert auf der Elution einer Prüfsubstanz mit Wasser aus einer Mikrosäule, die mit einem inerten Trägermaterial gefüllt ist, welches mit einem Überschuss an Prüfsubstanz beschichtet ist (2). Die Wasserlöslichkeit wird durch die Massenkonzentration des Eluats ausgedrückt, wenn dieses ein Plateau in Abhängigkeit von der Zeit erreicht hat.

Apparatur

10. Die Apparatur besteht aus einer Mikrosäule (Abbildung 1), die auf konstanter Temperatur gehalten wird. Sie ist entweder mit einer Umwälzpumpe (Abbildung 2) oder mit einem Niveaugefäß (Abbildung 3) verbunden. Die Mikrosäule enthält ein inertes Trägermaterial, das durch einen kleinen Pfropfen aus Glaswolle in der Säule gehalten wird, der gleichzeitig zum Herausfiltern von Partikeln dient. Als Trägermaterial können Glaskugeln, Diatomeenerde oder andere inerte Stoffe verwendet werden.

11. Die Mikrosäule in Abbildung 1 eignet sich für die Apparatur mit Umwälzpumpe. Sie hat einen Kopfraum für fünf Säulenbett-Volumina (werden zu Beginn des Versuchs verworfen) und das Volumen von fünf Proben (werden während des Versuchs entnommen). Der Kopfraum kann kleiner gehalten werden, wenn während des Versuchs Wasser zugegeben werden kann, um die anfänglich mit Verunreinigungen entnommenen fünf Säulenbett-Volumina zu ersetzen. Die Säule ist durch einen Schlauch aus inertem Material mit der Umwälzpumpe verbunden, die mit einem Fluss von etwa 25 ml/h fördern kann. Die Umwälzpumpe kann z. B. eine Schlauch- oder eine Membranpumpe sein. Dabei ist darauf zu achten, dass es nicht zu einer Verunreinigung und/oder Absorption durch das Schlauchmaterial kommt.

12. Abbildung 3 zeigt die schematische Darstellung mit Verwendung eines Niveaugefäßes. In dieser Darstellung ist die Mikrosäule mit einem Einweghahn versehen. Sie wird mit einem Glasschliff-Verbindungsstück und einem Schlauch aus inertem Material an das Niveaugefäß angeschlossen. Die Durchflussrate vom Niveaugefäß sollte etwa 25 ml/h betragen.

Abbildung 1

image

Abmessungen in mm

A. Anschluss für Glasschliff-Stopfen

B. Kopfraum

C. Innenmaß 5

D. Außenmaß 19

E. Glaswollpfropfen

F. Absperrhahn

Abbildung 2

image

A. atmosphärischer Druckausgleich

B. Durchflussmesser

C. Mikrosäule

D. thermostatgeregelte Pumpe

E. Umwälzpumpe

F. 2-Wege-Hahn zur Probenentnahme

Abbildung 3

image

A. Niveaugefäß (z. B. 2,5-Liter-Kolben)

B. Säule

C. Fraktionssammler

D. Thermostat

E. Teflonschlauch

F. Glasschliff-Stopfen

G. Wasserschlauch (zwischen Thermostat und Säule, Innendurchmesser ungefähr 8 mm)

13. Etwa 600 mg Trägermaterial werden in einen 50-ml-Rundkolben eingefüllt. Eine geeignete Menge Prüfsubstanz wird in einem flüchtigen Lösungsmittel von Analysenqualität gelöst, und eine ausreichende Menge dieser Lösung wird zum Trägermaterial hinzugefügt. Das Lösungsmittel muss vollständig abgezogen werden, z. B. in einem Rotationsverdampfer, da sonst während der Elutionsphase wegen Verteilungseffekten auf der Oberfläche keine vollständige Sättigung dieses Materials mit Wasser erzielt wird. Das beladene Trägermaterial lässt man etwa 2 Stunden lang in etwa 5 ml Wasser quellen. Dann wird die Suspension in die Mikrosäule gefüllt. Es ist auch möglich, das trockene, beladene Trägermaterial in die mit Wasser gefüllte Mikrosäule zu geben. Auch hier wird der Quellvorgang von etwa 2 Stunden abgewartet.

14. Das Aufbringen der Prüfsubstanz auf das Trägermaterial kann problematisch werden und zu fehlerhaften Ergebnissen führen, z. B. wenn sich die Prüfsubstanz ölartig auf dem Träger niederschlägt. Diese Probleme sollten untersucht und Einzelheiten dazu dokumentiert werden.

Verfahren mit Umwälzpumpe

15. Der Säulenfluss wird in Gang gesetzt. Eine Durchflussleistung von etwa 25 ml/h wird empfohlen (etwa zehn Säulenbett-Volumina/h bei der beschriebenen Säule). Mindestens die ersten fünf Säulenbett-Volumina werden verworfen, um wasserlösliche Verunreinigungen zu entfernen. Danach lässt man die Umwälzpumpe bis zur Einstellung des Gleichgewichts laufen. Das Gleichgewicht ist erreicht, wenn bei fünf aufeinander folgenden Proben die Konzentrationen um nicht mehr als ± 30 % streuen. Diese Proben sollten in solchen zeitlichen Abständen genommen werden, in denen mindestens zehn Säulenbett-Volumina die Säule durchlaufen haben. Je nach verwendeter Analysemethode kann es ratsam sein, eine Konzentrations-Zeit-Kurve zu erstellen, um zu zeigen, dass das Gleichgewicht erreicht ist.

Verfahren mit Niveaugefäß

16. Aufeinander folgende Eluatfraktionen werden gesammelt und ihre Konzentrationen mit der gewählten Analysemethode bestimmt. Fraktionen des mittleren Eluatbereichs, bei denen die Konzentrationen in mindestens fünf aufeinander folgenden Proben konstant bleiben (± 30 %), werden zur Bestimmung der Wasserlöslichkeit benutzt.

17. Das bevorzugte Elutionsmittel ist bidestilliertes Wasser. Es kann auch deionisiertes Wasser mit einem spezifischen Widerstand von mehr als 10 Megaohm/cm und einem Gesamtgehalt an organischem Kohlenstoff unter 0,01 % verwendet werden.

18. Bei beiden Verfahren wird ein zweiter Durchlauf mit halber Durchflussrate durchgeführt. Stimmen die Ergebnisse der beiden Versuche überein, wird das Prüfergebnis als zufriedenstellend betrachtet. Ist die gemessene Löslichkeit bei dem niedrigeren Durchfluss höher, muss die Durchflussleistung so lange weiter halbiert werden, bis zwei aufeinander folgende Versuchsdurchläufe die gleiche Löslichkeit ergeben.

19. Bei beiden Verfahren sollten die Fraktionen durch Prüfung des Tyndall-Effekts auf kolloidale Substanzpartikel untersucht werden. Wenn solche Substanzpartikel vorkommen, ist das Prüfergebnis unbrauchbar. Die Prüfung sollte dann wiederholt werden, nachdem die Filterfunktion der Säule verbessert wurde.

20. Der pH-Wert jeder Probe sollte vorzugsweise mit speziellen Indikatorstäbchen bestimmt werden.

Kolben-Methode

Prinzip

21. Die Prüfsubstanz (Feststoffe müssen pulverisiert werden) wird bei einer Temperatur in Wasser aufgelöst, die leicht über der Prüftemperatur liegt. Wenn die Sättigung erreicht ist, wird die Lösung abgekühlt und auf der Prüftemperatur gehalten. Alternativ kann die Messung direkt bei der Prüftemperatur durchgeführt werden, wenn durch entsprechende Probenahme gesichert ist, dass das Sättigungsgleichgewicht erreicht ist. Dann wird die Massenkonzentration der Prüfsubstanz in der wässrigen Lösung, die keine ungelösten Substanzpartikel enthalten darf, mit einer geeigneten Analysemethode (3) bestimmt.

Geräte

22. Folgende Geräte werden benötigt:

 übliche Laborglasgeräte und -instrumente,

 eine Vorrichtung zum Schütteln der Lösungen bei konstanter Temperatur,

 eine Zentrifuge (möglichst thermostatisiert), falls diese bei Emulsionen erforderlich wird, und

 Analysegeräte.

Verfahren

23. Die zur Sättigung des vorgegebenen Wasservolumens erforderliche Prüfsubstanzmenge wird anhand der Ergebnisse des Vorversuches abgeschätzt. Etwa das Fünffache dieser Menge wird jeweils in drei mit Glasstopfen versehene Glasgefäße eingewogen (z. B. Zentrifugenröhrchen oder Kolben). Jedem Gefäß wird ein je nach Analysemethode und Löslichkeitsbereich gewähltes Wasservolumen zugesetzt. Die Gefäße werden fest verschlossen und dann bei 30 °C geschüttelt. Hierzu sollte ein Schüttel- oder Rührgerät verwendet werden, das bei einer konstanten Temperatur arbeitet, z. B. Magnetrührstäbe in einem thermostatisierten Wasserbad. Nach einem Tag wird eines der Gefäße 24 Stunden unter gelegentlichem Schütteln bei Prüftemperatur stehen gelassen, bis sich das Gleichgewicht eingestellt hat. Dann wird der Inhalt des Gefäßes bei Prüftemperatur zentrifugiert und die Konzentration der Prüfsubstanz in der klaren wässrigen Phase mit einem geeigneten Analyseverfahren bestimmt. Mit den beiden anderen Kolben wird nach zwei bzw. drei Tagen genauso verfahren, nachdem zuvor das Sättigungsgleichgewicht bei 30 °C eingestellt wurde. Weichen die gemessenen Konzentrationen bei mindestens den letzten beiden Gefäßen um nicht mehr als 15 % voneinander ab, ist die Prüfung als zufriedenstellend anzusehen. Wenn die Prüfergebnisse der Gefäße 1, 2 und 3 eine steigende Tendenz aufweisen, sollte die gesamte Prüfung unter Verlängerung der Zeiten für die Gleichgewichtseinstellung wiederholt werden.

24. Die Prüfung kann auch ohne Präinkubation bei 30 °C durchgeführt werden. Um den Grad des erreichten Sättigungsgleichgewichts zu bestimmen, werden so lange Proben entnommen, bis die gemessenen Konzentrationen nicht länger von der Rührzeit beeinflusst werden.

25. Der pH-Wert jeder Probe sollte vorzugsweise mit speziellen Indikatorstäbchen bestimmt werden.

Analytische Bestimmungen

26. Eine substanzspezifische Methode ist vorzuziehen, da bereits kleine Mengen von löslichen Verunreinigungen große Fehler bei der Bestimmung der Löslichkeit verursachen können. Beispiele für solche Analysemethoden sind: Gas- oder Flüssigchromatographie, Titrierverfahren, fotometrische Methoden, voltametrische Verfahren.

DATEN UND BERICHTERSTATTUNG

Daten

Säulen-Elutions-Methode

27. Für jeden Durchlauf werden der Mittelwert und die Standardabweichung von mindestens fünf aufeinander folgenden Proben aus dem Bereich des Sättigungsplateaus berechnet. Die für zwei Prüfungen mit unterschiedlichen Durchflussleistungen berechneten Mittelwerte sollten nicht um mehr als 30 % voneinander abweichen.

Kolben-Methode

28. Die einzelnen Ergebnisse für jeden der drei Kolben, die nicht um mehr als 15 % voneinander abweichen sollten, werden gemittelt.

Prüfbericht

Säulen-Elutions-Methode

29. Der Prüfbericht muss folgende Informationen enthalten:

 die Ergebnisse des Vorversuchs,

 Angaben zur Prüfsubstanz (Identität und Verunreinigungen), gegebenenfalls Vorreinigung,

 die Konzentrationen, Durchflussraten und pH-Werte jeder Probe,

 die Mittelwerte und Standardabweichungen von mindestens fünf Proben aus dem Bereich des Sättigungsplateaus eines jeden Durchlaufs,

 den Durchschnitt von mindestens zwei aufeinanderfolgenden Durchläufen,

 die Wassertemperatur während des Sättigungsvorgangs,

 die Analysemethode,

 die Art des verwendeten Trägermaterials,

 die Beladung des Trägermaterials,

 das verwendete Lösungsmittel,

 gegebenenfalls Hinweise auf eine chemische Instabilität der Prüfsubstanz während des Prüfungsvorgangs,

 alle für die Auswertung der Ergebnisse sachdienlichen Informationen und Bemerkungen, insbesondere in Bezug auf Verunreinigungen und den Aggregatzustand der Prüfsubstanz.

Kolben-Methode

30. Der Prüfbericht muss folgende Informationen enthalten:

 die Ergebnisse des Vorversuchs,

 Angaben zur Prüfsubstanz (Identität und Verunreinigungen), gegebenenfalls Vorreinigung,

 die einzelnen Analysenergebnisse und die Durchschnittswerte, wenn pro Kolben mehr als ein Wert bestimmt wurde,

 den pH-Wert jeder Probe,

 den Mittelwert derjenigen Kolben, deren Ergebnisse übereinstimmen,

 die Prüftemperatur,

 die Analysemethode,

 gegebenenfalls Hinweise auf eine chemische Instabilität der Prüfsubstanz während des Prüfungsvorgangs,

 alle für die Auswertung der Ergebnisse sachdienlichen Informationen und Bemerkungen, insbesondere in Bezug auf Verunreinigungen und den Aggregatzustand der Prüfsubstanz.

LITERATUR:

1. Richtlinie 92/69/EWG der Kommission vom 31. Juli 1992 zur siebzehnten Anpassung der Richtlinie 67/548/EWG des Rates zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Einstufung, Verpackung und Kennzeichnung gefährlicher Stoffe an den technischen Fortschritt, ABl.L 383 vom 29.12.1992, S. 113.

2. NF T 20-045 (AFNOR) (September 1985). Chemical products for industrial use — Determination of water solubility of solids and liquids with low solubility — Column elution method.

3. NF T 20-046 (AFNOR) (September 1985). Chemical products for industrial use — Determination of water solubility of solids and liquids with high solubility — Flask method.

▼B

A.8.   VERTEILUNGSKOEFFIZIENT

1.   METHODE

Der hier beschriebenen Schüttelmethode liegt die OECD-Prüfrichtlinie (1) zugrunde.

1.1.   EINLEITUNG

Zur Durchführung der Prüfung ist es nützlich, Vorinformationen über die Strukturformel, die Dissoziationskonstante, die Wasserlöslichkeit, das Hydrolyseverhalten, die n-Oktanol-Löslichkeit und die Oberflächenspannung des Stoffes in wässriger Lösung zu haben.

Messungen von ionischen Substanzen sollten nur an deren nicht ionisierter Form (freie Säure oder freie Base) durch Verwendung eines geeigneten Puffers mit einem pH-Wert von mindestens einer pH-Einheit unter (freie Säure) oder über (freie Base) dem pK-Wert durchgeführt werden.

Diese Prüfmethode beinhaltet zwei getrennte Verfahren: die Schüttelmethode und die Hochleistungs-Flüssigkeitschromatografie (HPLC). Die erste findet dann Anwendung, wenn der log-Pow-Wert (Definitionen siehe unten) im Bereich — 2 bis 4 liegt, die letzte dann, wenn dieser Wert im Bereich 0 bis 6 liegt. Vor der Messung mit einer der beiden Methoden sollte eine Vorab-Schätzung des Verteilungskoeffizienten durchgeführt werden.

Die Schüttelmethode gilt nur für im Wesentlichen reine Substanzen, die in Wasser und n-Oktanol löslich sind. Sie ist nicht auf oberflächenaktive Stoffe anwendbar (für diese sollte ein berechneter oder ein geschätzter Wert auf der Grundlage der einzelnen Löslichkeiten in n-Oktanol und Wasser vorgelegt werden).

Die HPLC-Methode ist nicht für starke Säuren und Basen, Metallkomplexe, oberflächenaktive Stoffe oder für Substanzen anwendbar, die mit dem Eluenten reagieren. Für diese Stoffe sollte ein berechneter oder ein geschätzter Wert auf der Grundlage der einzelnen Löslichkeiten in n-Oktanol und Wasser vorgelegt werden.

Die HPLC-Methode ist bezüglich Verunreinigungen in der Prüfsubstanz weniger empfindlich als die Schüttelmethode. Dennoch kann die Interpretation der Ergebnisse in einigen Fällen durch das Vorliegen von Verunreinigungen erschwert werden, weil die Zuordnung der Peaks nicht eindeutig ist. Für Mischungen, die ein nicht aufgelöstes Band ergeben, sollten die obere und die untere Grenze des Zehnerlogarithmus (log P) angegeben werden.

1.2.   DEFINITIONEN UND EINHEITEN

Als Verteilungskoeffizient (P) bezeichnet man das Verhältnis der Gleichgewichtskonzentrationen (ci) einer gelösten Substanz in einem Zweiphasensystem aus zwei weitgehend unmischbaren Lösungsmitteln. Im Falle von n-Oktanol und Wasser ergibt sich:

image

Der Verteilungskoeffizient (P) ist somit der Quotient zweier Konzentrationen. Er wird gewöhnlich in Form seines Zehnerlogarithmus (log P) angegeben.

1.3.   REFERENZSUBSTANZEN

Schüttelmethode

Referenzsubstanzen müssen nicht in allen Fällen verwendet werden, in denen eine neue Prüfsubstanz untersucht wird. Die Referenzsubstanzen sollten in erster Linie dazu dienen, die Methode von Zeit zu Zeit zu überprüfen und einen Vergleich mit den Ergebnissen aus anderen Methoden zu ermöglichen.

HPLC-Methode

Um die HPLC-Messdaten einer Substanz mit deren P-Wert zu korrelieren, ist eine Eichkurve log P/chromatografische Daten unter Verwendung von mindestens sechs Bezugspunkten aufzustellen. Die Wahl der geeigneten Referenzsubstanzen obliegt dem Benutzer. Soweit möglich, sollte mindestens eine Referenzsubstanz einen Pow-Wert über dem der Prüfsubstanz und eine andere einen Pow-Wert unter dem der Prüfsubstanz haben. Für log-P-Werte unter 4 kann bei der Eichung von Daten ausgegangen werden, die mit Hilfe der Schüttelmethode erhalten worden sind. Für log-P-Werte über 4 kann man sich bei der Eichung auf kalibrierte Literaturwerte stützen, sofern diese mit den berechneten Werten übereinstimmen. Aus Gründen einer größeren Genauigkeit sollten vorzugsweise Referenzsubstanzen verwendet werden, die strukturell mit der Prüfsubstanz verwandt sind.

Es liegen umfangreiche Listen mit log-Pow-Werten für zahlreiche Gruppen von Chemikalien vor (2) (3). Wenn keine Verteilungskoeffizienten zu strukturell verwandten Verbindungen vorhanden sind, kann eine allgemeinere Eichung auf der Grundlage anderer Referenzsubstanzen vorgenommen werden.

Eine Liste der empfohlenen Referenzsubstanzen und deren Pow-Werten ist in Anlage 2 enthalten.

1.4.   PRINZIP DER METHODE

1.4.1.   Schüttelmethode

Zur Bestimmung des Verteilungskoeffizienten müssen nach Einstellung des Gleichgewichts zwischen allen wechselwirkenden Komponenten des Verteilungssystems die Konzentrationen der in beiden Phasen gelösten Substanz ermittelt werden. Die einschlägige Literatur zeigt, dass hierfür verschiedene Techniken vorhanden sind, wie z. B. die gründliche Mischung der beiden Phasen mit anschließender Phasentrennung zur Bestimmung der Gleichgewichtskonzentration der untersuchten Substanz.

1.4.2.   HPLC-Methode

Die HPLC-Methode wird an Analysensäulen durchgeführt, die mit einer handelsüblichen festen Phase mit langen, chemisch an Siliziumdioxid gebundenen Kohlenwasserstoffketten (z. B. C8, C18) gefüllt sind. Chemikalien, die in eine solche Säule eingespritzt werden, bewegen sich darin wegen der unterschiedlichen Verteilungsgrade zwischen der mobilen und der stationären (Kohlenwasserstoffe) Phase mit unterschiedlicher Geschwindigkeit. Substanzgemische werden entsprechend dem hydrophoben Charakter der Bestandteile eluiert — zuerst die wasserlöslichen und zuletzt die öllöslichen; dabei erfolgt die Elution proportional zum jeweiligen Kohlenwasserstoff-Wasser-Verteilungskoeffizienten. Dadurch kann die Beziehung zwischen der Retentionszeit an einer solchen (Phasenumkehr-)Säule und dem Verteilungskoeffizienten für n-Oktanol/Wasser aufgestellt werden. Der Verteilungskoeffizient wird vom Kapazitätsfaktor k über die Formel

image

abgeleitet, wobei tR die Retentionszeit der Prüfsubstanz und to die durchschnittliche Zeit ist, die ein Lösungsmittelmolekül für die Wanderung durch die Säule benötigt (Totzeit).

Quantitative Analysenmethoden sind nicht erforderlich; es müssen lediglich die Elutionszeiten bestimmt werden.

1.5.   QUALITÄTSKRITERIEN

1.5.1.   Wiederholbarkeit

Schüttelmethode

Um die Genauigkeit des Verteilungskoeffizienten zu gewährleisten, sind Doppelbestimmungen bei drei verschiedenen Prüfbedingungen durchzuführen. Dazu sollen sowohl die eingesetzte Menge der untersuchten Substanz als auch das Verhältnis der Lösungsmittelvolumina verändert werden. Die so ermittelten Werte des Verteilungskoeffizienten, angegeben als deren Zehnerlogarithmus, sollen in einem Bereich von ± 0,3 log-Einheiten liegen.

HPLC-Methode

Um die Zuverlässigkeit der Messung zu erhöhen, sind Doppelbestimmungen durchzuführen. Die aus den Einzelmessungen abgeleiteten log-P-Werte sollen in einem Bereich von ± 0,1 log-Einheiten liegen.

1.5.2.   Empfindlichkeit

Schüttelmethode

Der Messbereich der Methode wird durch die Nachweisgrenze des Analysenverfahrens festgelegt. Dieses sollte die Bestimmung von log-Pow-Werten innerhalb eines Bereichs von — 2 bis 4 erlauben (sofern es die Bedingungen zulassen, kann dieser Bereich gelegentlich auf Pow-Werte bis 5 erweitert werden, wenn die Konzentration der gelösten Substanz in keiner Phase größer als 0,01 Mol/l ist).

HPLC-Methode

Die HPLC-Methode erlaubt die Bestimmung von Verteilungskoeffizienten innerhalb eines Pow-Bereichs von 0 bis 6.

Normalerweise lässt sich der Verteilungskoeffizient einer Verbindung innerhalb eines Bereichs von ± 1 log-Einheit des bei der Schüttelmethode gewonnenen Wertes bestimmen. Typische Korrelationen sind in der Literatur angegeben (4) (5) (6) (7) (8). Eine höhere Genauigkeit ist gewöhnlich zu erreichen, wenn die Korrelationskurven von strukturell verwandten Referenzsubstanzen ausgehen (9).

1.5.3.   Anwendbarkeit

Schüttelmethode

Das Nernst'sche Verteilungsgesetz gilt nur für verdünnte Lösungen bei konstanter Temperatur, konstantem Druck und pH-Wert. Es gilt streng nur für eine reine Substanz, die zwischen zwei reinen Lösungsmitteln verteilt ist. Wenn mehrere gelöste Stoffe in einer oder beiden Phasen gleichzeitig vorkommen, kann dadurch das Ergebnis beeinflusst werden.

Dissoziation oder Assoziation gelöster Moleküle führen zu Abweichungen vom Nernst'schen Verteilungsgesetz. Solche Abweichungen zeigen sich darin, dass der Verteilungskoeffizient von der Konzentration der Lösung abhängig wird.

Wegen der auftretenden multiplen Verteilungsgleichgewichte sollte diese Prüfmethode für ionische Verbindungen nicht ohne entsprechende Korrekturen angewendet werden. Für derartige Verbindungen sollte die Benutzung von Pufferlösungen anstelle von Wasser erwogen werden; dabei sollte der pH-Wert des Puffers mindestens 1 pH-Einheit vom pKa-Wert der Substanz entfernt sein und die Bedeutung dieses pH-Wertes für die Umwelt berücksichtigt werden.

1.6.   BESCHREIBUNG DER METHODE

1.6.1.   Abschätzung des Verteilungskoeffizienten

Der Verteilungskoeffizient wird vorzugsweise durch ein Berechnungsverfahren abgeschätzt (siehe Anlage 1); wo möglich, kann er aus dem Löslichkeitsverhältnis der Prüfsubstanz in den reinen Lösungsmitteln abgeschätzt werden (10).

1.6.2.   Schüttelmethode

1.6.2.1.   Vorbereitung

n-Oktanol: Die Bestimmung des Verteilungskoeffizienten soll mit sehr reinem Reagens durchgeführt werden.

Wasser: Es soll in Glas- oder Quarzgefäßen destilliertes bzw. doppelt destilliertes Wasser verwendet werden. Für ionische Verbindungen sollten, wenn begründbar, anstelle von Wasser Pufferlösungen verwendet werden.

Anmerkung

Direkt aus einem Ionenaustauscher entnommenes Wasser soll nicht benutzt werden.

1.6.2.1.1.    Vorsättigung der Lösungsmittel

Vor der Bestimmung des Verteilungskoeffizienten werden die Phasen des Lösungsmittelsystems durch Schütteln bei Prüftemperatur gegenseitig gesättigt. Dazu ist es zweckmäßig, zwei große Vorratsflaschen gefüllt mit sehr reinem n-Oktanol bzw. Wasser mit jeweils einer ausreichenden Menge des anderen Lösungsmittels zu versetzen, mit einem mechanischen Schüttelapparat 24 Stunden zu schütteln und dann so lange stehen zu lassen, bis sich die Phasen getrennt haben und der Sättigungszustand erreicht ist.

1.6.2.1.2.    Vorbereitung der Prüfung

Das Gesamtvolumen des Zweiphasensystems soll das Prüfgefäß nahezu ausfüllen. Dadurch können Materialverluste aufgrund von Verdampfung verhindert werden. Das Volumenverhältnis und die einzusetzenden Mengen der Substanz werden durch die folgenden Angaben festgelegt:

 der vorläufige Schätzwert des Verteilungskoeffizienten (siehe 1.6.1),

 die für das Analysenverfahren erforderliche Mindestmenge an Prüfsubstanz und

 die Begrenzung der Konzentration in jeder Phase auf maximal 0,01 Mol/l.

Es sind drei Prüfungen durchzuführen. Bei der ersten wird das berechnete Volumenverhältnis n-Oktanol/Wasser eingesetzt, bei der zweiten wird dieses Verhältnis halbiert, bei der dritten verdoppelt (z. B. 1:1, 1:2, 2:1).

1.6.2.1.3.    Prüfsubstanz

Es wird eine Vorratslösung in mit Wasser vorgesättigtem n-Oktanol hergestellt. Die Konzentration dieser Vorratslösung soll vor deren Gebrauch zur Bestimmung des Verteilungskoeffizienten exakt bestimmt werden. Diese Lösung soll so gelagert werden, dass ihre Stabilität gewährleistet ist.

1.6.2.2.   Prüfbedingungen

Die Prüftemperatur sollte zwischen 20 und 25 oC liegen und konstant (± 1 oC) gehalten werden.

1.6.2.3.   Messverfahren

1.6.2.3.1.    Einstellen des Verteilungsgleichgewichts

Für jede der Prüfbedingungen sollen zwei Prüfgefäße vorbereitet werden, die jeweils die erforderlichen, genau abgemessenen Mengen der beiden Lösungsmittel sowie die erforderliche Menge an Vorratslösung enthalten.

Die n-Oktanol-Phasen sollten volumetrisch bestimmt werden. Die Prüfgefäße sollten entweder mit einem geeigneten Schüttelapparat oder von Hand geschüttelt werden. Bei Verwendung eines Zentrifugenglases besteht ein empfohlenes Verfahren darin, das Glas rasch um 180 oC um seine Querachse zu drehen, so dass eventuell eingeschlossene Luft durch beide Phasen aufsteigt. Erfahrungsgemäß reichen im Allgemeinen 50 solcher Umdrehungen zur Einstellung des Verteilungsgleichgewichts aus. Zur Sicherheit werden 100 Umdrehungen in 5 Minuten empfohlen.

1.6.2.3.2.    Phasentrennung

Zur Trennung der Phasen sollte die Mischung, sofern erforderlich, in einer Laborzentrifuge bei Raumtemperatur zentrifugiert werden. Wenn eine Zentrifuge ohne Thermostat benutzt wird, sollten die Zentrifugengläser vor der Analyse mindestens 1 Stunde bei Prüftemperatur aufbewahrt werden, damit sich das Gleichgewicht einstellt.

1.6.2.4.   Analyse

Zur Ermittlung des Verteilungskoeffizienten müssen die Konzentrationen der Prüfsubstanz in beiden Phasen analysiert werden. Dies kann dadurch geschehen, dass von jeder der beiden Phasen aus jedem Glas und für jede Prüfbedingung ein aliquoter Teil entnommen und mit dem gewählten Verfahren analysiert wird. Die in den beiden Phasen vorhandene Gesamtmenge der Substanz ist zu berechnen und mit der eingesetzten Menge zu vergleichen.

Die Probenahme aus der wässrigen Phase sollte so erfolgen, dass die Gefahr des Einschlusses von Spuren an n-Oktanol möglichst weitgehend vermindert wird; z. B. kann eine Glasspritze mit auswechselbarer Nadel zur Probenahme verwendet werden. Zuerst sollte die Spritze teilweise mit Luft gefüllt werden. Diese Luft sollte vorsichtig herausgedrückt werden, während die Nadel durch die n-Oktanol-Schicht hindurchgeführt wird. Ein ausreichendes Volumen an wässriger Phase wird in die Spritze gezogen. Die Spritze wird schnell aus der Lösung entfernt und die Nadel abgenommen. Der Inhalt der Spritze kann dann als wässrige Probe weiterverwendet werden. Die Konzentration in den beiden voneinander getrennten Phasen sollte am besten mit einem substanzspezifischen Verfahren ermittelt werden. Beispiele für möglicherweise geeignete Analysenverfahren sind:

 fotometrische Verfahren,

 Gaschromatografie,

 Hochleistungs-Flüssigkeitschromatografie.

1.6.3.   HPLC-Methode

1.6.3.1.   Vorbereitung

Erforderlich ist ein mit einer pulsfreien Pumpe und einem geeigneten Detektor ausgestatteter Flüssigkeitschromatograf. Dabei wird die Verwendung eines Einspritzventils mit Dosierschleife empfohlen. Die Leistung der HPLC-Säule kann durch das Vorhandensein polarer Gruppen in der stationären Phase ernsthaft beeinträchtigt werden. Deshalb sollten die stationären Phasen ein Minimum an polaren Gruppen haben (11). Es können handelsübliche Mikroteilchenfüllungen für die Umkehrphasenchromatografie oder Fertigsäulen verwendet werden. Zwischen dem Dosiersystem und der Analysensäule kann eine Vorsäule angebracht werden.

Zur Zubereitung des Elutionsmittels werden für die HPLC-Methode ausreichend reines Methanol und Wasser verwendet; das Elutionsmittel wird vor seiner Verwendung entgast. Es sollte das Verfahren der isokratischen Elution angewendet werden. Dabei werden Methanol-Wasser-Verhältnisse mit einem Mindestgehalt an Wasser von 25 % empfohlen. Im Normalfall ist eine Methanol-Wasser-Mischung im Volumenverhältnis 3:1 für die Eluierung von Verbindungen mit einem log-P-Wert von 6 bei einer Elutionszeit von einer Stunde ausreichend (Durchflussrate: 1 ml/min). Für Verbindungen mit einem hohen log-P-Wert kann eine Verkürzung der Elutionszeit (auch der der Referenzsubstanzen) durch Senkung der Polarität der mobilen Phase oder Kürzung der Säulenlänge erforderlich sein.

Stoffe mit einer sehr geringen Löslichkeit in n-Oktanol ergeben bei der HPLC-Methode häufig anormal niedriger log-Pow-Werte; die Peaks dieser Stoffe begleiten mitunter die Lösungsmittelfront. Dies liegt wahrscheinlich daran, dass der Verteilungsprozess zu langsam ist, um innerhalb der normalerweise für eine HPLC-Trennung benötigten Zeit den Gleichgewichtszustand zu erreichen. In solchen Fällen kann die Verminderung der Durchflussrate und/oder des Methanol-Wasser-Verhältnisses ein wirksames Verfahren sein, um zu einem zuverlässigen Wert zu gelangen.

Prüf- und Referenzsubstanz sollten in der mobilen Phase in ausreichender Konzentration lösbar sein, um nachgewiesen werden zu können. Nur in Ausnahmefällen dürfen in der Methanol-Wasser-Mischung Zusatzstoffe verwendet werden, da diese Zusatzstoffe die Eigenschaften der Säule verändern. Für Chromatogramme, die mit Zusatzstoffen erhalten wurden, ist der Einsatz einer weiteren Säule desselben Typs zwingend vorgeschrieben. Wenn die Methanol-Wasser-Mischung ungeeignet ist, können andere Mischungen aus einem organischen Lösungsmittel und Wasser verwendet werden, so z. B. Ethanol-Wasser oder Acetonitril-Wasser.

Der pH-Wert des Lösungsmittels ist für ionische Verbindungen kritisch. Er sollte innerhalb des pH-Betriebsbereichs der Säule liegen, der sich im Allgemeinen zwischen 2 und 8 bewegt. Die Anwendung eines Puffers ist ratsam. Dabei muss darauf geachtet werden, dass kein Salz ausfällt und es nicht zur Beschädigung der Säule kommt, was bei einer Reihe von Mischungen von organischer Phase und Puffer möglich ist. HPLC-Messungen mit an Siliziumdioxid gebundener stationärer Phase und einem pH-Wert über 8 sind nicht empfehlenswert, da die Verwendung einer alkalischen mobilen Phase zu einem rapiden Nachlassen der Leistung der Säule führen kann.

Die Referenzsubstanzen sollten den höchstmöglichen Reinheitsgrad haben. Das für Prüf- oder Eichzwecke zu verwendende Substanzgemisch wird, wenn möglich, in der mobilen Phase gelöst.

Die Temperatur sollte im Verlauf der Messungen um nicht mehr als ± 2 K schwanken.

1.6.3.2.    Messung

Die Totzeit lässt sich entweder durch Verwendung einer homologen Reihe (z. B. n-Alkyl-Methyl-Ketone) oder durch nicht chromatografisch verzögerte organische Verbindungen (z. B. Thioharnstoff oder Formamid) bestimmen. Zur Berechnung der Totzeit to mit Hilfe einer homologen Reihe werden mindestens 7 Komponenten einer homologen Reihe eingespritzt und die jeweiligen Retentionszeiten gemessen. Die Retentionszeiten tr(nc + 1) werden in Abhängigkeit von tr(nc) aufgetragen und anschließend der Schnittpunkt a und die Steigung b der Regressionsgleichung:

tr(nc + 1) = a + b tr(nc)

bestimmt (nc = Anzahl der Kohlenstoffatome). Die Totzeit to ergibt sich dann aus:

to = a/(1 - b)

Der nächste Schritt besteht in der Aufstellung einer Korrelationskurve log k/log P für geeignete Referenzsubstanzen. In der Praxis werden dazu zwischen 5 und 10 Standard-Referenzsubstanzen, deren log-P-Wert in der Nähe des erwarteten Bereichs liegt, gleichzeitig eingespritzt und die Retentionszeiten am besten mit Hilfe eines mit dem Nachweissystem gekoppelten registrierenden Integrators bestimmt. Die Logarithmen der entsprechenden Kapazitätsfaktoren (log k) werden berechnet und gegen die mittels der Schüttelmethode bestimmten log-P-Werte aufgezeichnet. Die Eichung wird in regelmäßigen Abständen, mindestens einmal täglich, vorgenommen, so dass eventuelle Veränderungen in der Leistung der Säule berücksichtigt werden können.

Die Prüfsubstanz wird in möglichst geringer Menge der mobilen Phase eingespritzt. Die Retentionszeit wird (doppelt) bestimmt zur Berechnung des Kapazitätsfaktors k. Aus der Korrelationskurve der Referenzsubstanzen kann der Verteilungskoeffizient der Prüfsubstanz interpoliert werden. Bei sehr niedrigen und sehr hohen Verteilungskoeffizienten ist eine Extrapolation erforderlich. In diesen Fällen ist besonders auf die Vertrauensgrenzen der Regressionsgeraden zu achten.

2.   DATEN

Schüttelmethode

Die Zuverlässigkeit der ermittelten P-Werte kann durch Vergleich der Mittelwerte der Doppelbestimmungen mit dem Gesamtmittelwert geprüft werden.

3.   ABSCHLUSSBERICHT

Im Prüfbericht ist, wenn möglich, Folgendes anzugeben

 genaue Spezifizierung der Substanz (Identität und Verunreinigungen);

 wenn die Methoden nicht anwendbar sind (z. B. bei oberflächenaktivem Material), sollte ein errechneter Wert oder ein Schätzwert auf der Grundlage der einzelnen n-Oktanol- und Wasserlöslichkeiten vorgelegt werden;

 alle für die Auswertung der Ergebnisse sachdienlichen Informationen und Bemerkungen, insbesondere in Bezug auf Verunreinigungen und den Aggregatzustand des Stoffes.

Für die Schüttelmethode:

 das Ergebnis der Abschätzung (wenn vorhanden);

 die Prüftemperatur;

 Angaben über die zur Konzentrationsbestimmung verwendeten Analysenverfahren;

 die Zentrifugationszeit und -geschwindigkeit (wenn zutreffend);

 die in beiden Phasen bei jeder Bestimmung gemessenen Konzentrationen (d. h. insgesamt 12 Konzentrationen sollten angegeben werden);

 die Einwaage an Prüfsubstanz, das Volumen jeder Phase in jedem Prüfgefäß und die berechnete Gesamtmenge an Prüfsubstanz, die in jeder Phase nach Erreichen des Gleichgewichts enthalten ist;

 die berechneten Werte des Verteilungskoeffizienten (P) für jede Prüfung, der Mittelwert für jede Prüfbedingung und der Mittelwert aus allen Prüfungen sind anzugeben. Hinweise auf eine Konzentrationsabhängigkeit des Verteilungskoeffizienten sollten im Bericht vermerkt werden;

 die Standardabweichung der einzelnen P-Werte vom Mittelwert sollte angegeben werden;

 der Mittelwert P aus allen Prüfungen sollte auch als Zehnerlogarithmus angegeben werden;

 der mit einem Berechnungsverfahren ermittelte theoretische Pow-Wert sollte angegeben werden, wenn er bestimmt wurde oder wenn der Messwert > 104 ist;

 der pH-Wert des verwendeten Wassers und der wässrigen Phase während des Versuchs;

 bei Verwendung von Pufferlösungen: Begründung der Verwendung von Pufferlösungen anstelle von Wasser, Zusammensetzung, Konzentration und pH-Wert der Pufferlösungen, pH-Wert der wässrigen Phase vor und nach dem Versuch.

Für die HPLC-Methode:

 das Ergebnis der Abschätzung (wenn vorhanden);

 Prüf- und Referenzsubstanzen und deren Reinheitsgrad;

 Temperaturbereich der Prüfungen;

 pH-Wert, bei dem die Prüfungen vorgenommen wurden;

 nähere Angaben zur Analysen- und zur Vorsäule, zur mobilen Phase sowie zum Nachweisverfahren;

 Retentionswerte und log-P-Werte aus der Literatur für die bei der Eichung verwendeten Referenzsubstanzen;

 nähere Angaben zur Anpassung der Regressionsgeraden (log k/log P);

 durchschnittliche Retentionswerte und interpolierter log-P-Wert für die Prüfsubstanz;

 Beschreibung der Ausrüstungen und der Betriebsbedingungen;

 Elutionsprofile;

 Mengen der auf die Säule gegebenen Prüf- und Referenzsubstanzen;

 Totzeit und entsprechendes Messverfahren.

4.   LITERATUR

(1) OECD, Paris, 1981, Test Guideline 107, Decision of the Council C(81) 30 final.

(2) C. Hansch und A.J. Leo, Substitution Constants for Correlation Analysis in Chemistry and Biology, John Wiley, New York, 1979.

(3) Log P and Parameter Database, A tool for the quantitative prediction of bioactivity (C. Hansch, chairman; A.J. Leo, dir.) — Erhältlich bei Pomona College Medicinal Chemistry Project, 1982, Pomona College, Claremont, California, 91711.

(4) L. Renberg, G. Sundström und K. Sundh-Nygärd, Chemosphere, 1980, vol. 80, 683.

(5) H. Ellgehausen, C. D'Hondt und R. Fuerer, Pesric. Sei., 1981, vol. 12, 219.

(6) B. McDuffie, Chemosphere, 1981, vol. 10, 73.

(7) W.E. Hammers et al., J. Chromatog., 1982, vol. 247, 1.

(8) J.E. Haky und A.M. Young, J. Liq. Chromat., 1984, vol. 7, 675.

(9) S. Fujisawa und E. Masuhara, J. Biomed. Mat. Res., 1981, vol. 15, 787.

(10) O. Jubermann, Verteilen und Extrahieren, in: Methoden der Organischen Chemie (Houben Weyl), Allgemeine Laboratoriumspraxis (herausgegeben von E. Müller), Georg Thieme Verlag, Stuttgart, 1958, Band I/l, 223-339.

(11) R.F. Rekker und H.M. de Kort, Euro. J. Med. Chem., 1979, vol. 14, 479.

(12) A. Leo, C. Hansch und D. Elkins, Partition coefficients and their uses. Chem. Rev., 1971, vol. 71, 525.

(13) R.F. Rekker, The Hydrophobie Fragmental Constant, Elsevier, Amsterdam, 1977.

(14) NF T 20-043 AFNOR (1985). Chemical products for industrial use — Determination of partition coefficient — Flask shaking method.

(15) C.V. Eadsforth und P. Moser, Chemosphere, 1983, vol. 12, 1 459.

(16) A. Leo, C. Hansch und D. Elkins, Chem. Rev., 1971, vol. 71, 525.

(17) C. Hansch, A. Leo, S.H. Unger, K.H. Kim, D. Nikaitani und E.J. Lien, J. Med. Chem., 1973, vol. 16, 1 207.

(18) W.B. Neely, D.R. Branson und G.E. Blau, Environ. Sei. Technol., 1974, vol. 8, 1 113.

(19) D.S. Brown und E.W. Flagg, J. Environ. Qual., 1981, vol. 10, 382.

(20) J.K. Seydel und K.J. Schaper, Chemische Struktur und biologische Aktivität von Wirkstoffen, Verlag Chemie, Weinheim, New York, 1979.

(21) R. Franke, Theoretical Drug Design Methods, Elsevier, Amsterdam, 1984.

(22) Y.C. Martin, Quantitative Drug Design, Marcel Dekker, New York, Basel, 1978.

(23) N.S. Nirrlees, S.J. Noulton, CT. Murphy und P.J. Taylor, J. Med. Chem., 1976, vol. 19, 615.

Anlage 1

Berechnungs-/Schätzverfahren

EINLEITUNG

Eine allgemeine Einführung in die Berechnungsverfahren, Daten und Beispiele werden im Handbook of Chemical Property Estimation Methods (a) gegeben.

Berechnete Pow-Werte können verwendet werden:

 zur Entscheidung darüber, welche der Versuchsmethoden die geeignete ist (Bereich der Schüttelmethode: log Pow: - 2 bis 4; Bereich der HPLC-Methode: log Pow: 0 bis 6);

 zur Wahl der geeigneten Prüfbedingungen (z. B. Referenzsubstanzen für die HPLC-Verfahren, Volumenverhältnis n-Oktanol/Wasser für die Schüttelmethode);

 zur laborinternen Überprüfung eventueller Versuchsfehler;

 zur Pow-Bestimmung in solchen Fällen, wo die Prüfmethoden aus technischen Gründen nicht anwendbar sind.

ABSCHÄTZVERFAHREN

Vorläufige Abschätzung des Verteilungskoeffizienten

Der Wert des Verteilungskoeffizienten kann durch Verwendung der Löslichkeitswerte der Prüfsubstanz in den reinen Lösungsmitteln abgeschätzt werden:

Dafür gilt:

image

BERECHNUNGSVERFAHREN

Prinzip der Berechnungsverfahren

Sämtliche Berechnungsverfahren beruhen auf der formalen Aufspaltung des Moleküls in geeignete Substrukturen, für die zuverlässige log-Pow-Inkremente bekannt sind. Der log-Pow-Wert des gesamten Moleküls wird danach als Summe seiner entsprechenden Teilwerte plus Summe der Korrekturglieder für intramolekulare Wechselwirkungen berechnet.

Aufstellungen über die Konstanten von Substrukturen und den Korrekturgliedern liegen vor (b) (c) (d) (e). Einige davon werden regelmäßig aktualisiert (b).

Qualitätskriterien

Im Allgemeinen nimmt die Zuverlässigkeit des Berechnungverfahrens in dem Maße ab, in dem die Komplexität der Prüfsubstanz zunimmt. Bei einfachen Substanzen mit niedrigem Molekulargewicht und einer oder zwei funktioneller Gruppen ist mit einer Abweichung von 0,1 bis 0,3 log-Pow-Einheiten von den Ergebnissen der verschiedenen Fragmentmethoden gegenüber dem Messwert zu rechnen. Bei komplexeren Substanzen kann die Fehlerspanne größer sein. Dies hängt von der Zuverlässigkeit und der Verfügbarkeit der Konstanten für die Substrukturen sowie von der Fähigkeit der Erkennung intramolekularer Wechselwirkungen (z. B. Wasserstoffbindungen) und der richtigen Anwendung der Korrekturglieder ab (was mit dem Computer-Programm CLOGP-3 ein geringeres Problem ist) (b). Bei ionischen Substanzen ist die richtige Berücksichtigung der Ladung oder des Ionisierungsgrades wichtig.

Berechnungsverfahren

Hansch'sche π-Methode

Die ursprünglich für hydrophobe Substituenten verwendete Konstante π, eingeführt von Fujita et al. (f), wird wie folgt definiert:

πx = log Pow (PhX) - log Pow (PhH)

wobei Pow (PhX) der Verteilungskoeffizient eines aromatischen Abkömmlings und Pow (PhH) derjenige der Ausgangssubstanz ist:

(z.B. πCl = log Pow (C6H5Cl) - log Pow (C6H6) = 2,84 - 2,13 = 0,71 ).

Nach seiner Definition ist die π-Methode vorwiegend bei der aromatischen Substitution anwendbar. Die π-Werte liegen für eine große Anzahl von Substituenten tabelliert vor (b) (c) (d). Sie werden für die Berechnung der log-Pow-Werte für aromatische Moleküle oder Substrukturen verwendet.

Rekker-Methode

Nach Rekker (g) wird der log-Pow-Wert wie folgt berechnet:

(Wechselwirkungsglieder)

image

wobei fi die verschiedenen Konstanten der Substrukturen und ai die Häufigkeit ihres Vorkommens in der Prüfsubstanz darstellen. Die Korrekturglieder lassen sich als ein ganzes Vielfaches einer einzigen Konstante Cm (der so genannten „magischen Konstante“) angeben. Die Substrukturkonstanten fi und Cm wurden aus einer Liste von 1 054 experimentell ermittelten Pow-Werten (825 Verbindungen) mit Hilfe der mehrfachen Regressionsanalyse bestimmt (c) (h). Die Bestimmung der Glieder für die Wechselwirkungen erfolgt auf der Grundlage der in der Literatur angegebenen Regeln (e) (h) (i).

Hansch-Leo-Methode

Nach Hansch und Leo (c) wird der log-Pow-Wert aus der Beziehung

image

errechnet, wobei fi die verschiedenen Konstanten der Substrukturen, Fj die Korrekturglieder und ai, bj die entsprechenden Vorkommenshäufigkeiten sind. Eine Liste der Substrukturwerte für einzelne Atome und Gruppen, abgeleitet aus experimentell bestimmten Pow-Werten, und eine Liste der Korrekturglieder Fj (so genannte „Faktoren“) wurden durch die Trial-and-error-Methode erhalten. Die Korrekturglieder sind in mehrere unterschiedliche Kategorien eingeordnet worden (a) (c). Es ist relativ kompliziert und zeitraubend, alle Regeln und Korrekturglieder zu berücksichtigen. Software-Pakete sind entwickelt worden (b).

Kombinierte Methode

Die Berechnung der log-Pow-Werte komplexer Substanzen kann beträchtlich verbessert werden, wenn das Molekül in größere Substrukturen zerlegt wird, für die zuverlässige log-Pow-Werte vorliegen, sei es aus Tabellen (b) (c), sei es aus eigenen Messungen. Solche Substrukturen (z. B. Heterozyklen, Anthrakinon, Azobenzen) können dann mit den Hansch'schen π-Werten oder mit den Substrukturkonstanten nach Rekker oder Leo kombiniert werden.

Anmerkungen

i) Die Berechnungsmethoden können auf teilweise oder vollständig ionisierte Substanzen nur dann angewendet werden, wenn die erforderlichen Korrekturfaktoren berücksichtigt werden können.

ii) Wenn von intramolekularen Wasserstoffbindungen ausgegangen werden kann, müssen die entsprechenden Korrekturglieder (etwa + 0,6 bis + 1,0 log-Pow-Einheiten) addiert werden (a). Hinweise auf das Vorliegen solcher Bindungen lassen sich aus Stereo-Modellen oder spektroskopischen Daten der Substanz gewinnen.

iii) Wenn mehrere tautomere Formen möglich sind, sollte als Berechnungsgrundlage die wahrscheinlichste Form verwendet werden.

iv) Die Überarbeitungen der Listen der Substrukturkonstanten sollten sorgfältig verfolgt werden.

Abschlussbericht

Bei der Verwendung der Berechnungs-/Abschätzmethoden sollte der Prüfbericht, wenn möglich, Folgendes anzugeben:

 Beschreibung der Substanz (Gemisch, Verunreinigungen usw.),

 Hinweis auf eine eventuell vorliegende intramolekulare Wasserstoffbindung, Dissoziation, Ladung oder irgendwelche anderen ungewöhnlichen Effekte (z. B. Tautomerie),

 Beschreibung des Berechnungsverfahrens,

 Identität oder Bereitstellung der Datenbasis,

 Besonderheiten bei der Wahl der Substrukturen,

 ausführliche Dokumentation zur Berechnung.

LITERATUR

(a) WJ. Lyman, W.F. Reehl und D.H. Rosenblatt (Hrsg.), Handbook of Chemical Property Estimation Methods, McGraw-Hill, New York, 1983.

(b) Pomona College, Medicinal Chemistry Project, Claremont, California 91711, USA, Log P Database and Med. Chem. Software (Program CLOGP-3).

(c) C. Hansch und A.J. Leo, Substituent Constants for Correlation Analysis in Chemistry and Biology. John Wiley, New York, 1979.

(d) A. Leo und C. Hansch, D. Elkins, Chem. Rev. 1971, vol. 71, 525.

(e) R.F. Rekker und H.M. de Kort, Eur. J. Med. Chem. — Chim. Ther., 1979, vol. 14, 479.

(f) T. Fujita, J. Iwasa und C. Hansch, J. Amer. Chem. Soc, 1964, vol. 86, 5175.

(g) R.F. Rekker, The Hydrophopic Fragmental Constant, Pharmacochemistry Library, vol. 1, Elsevier, New York, 1977.

(h) C.V. Eadsforth und P. Moser, Chemosphere, 1983, vol. 12, 1459.

(i) R.A. Scherrer, ACS, American Chemical Society, Washington D.C., 1984, Symposium Series 255, 225.

Anlage 2

Empfohlene Referenzsubstanzen für die HPLC-Methode



Nr.

Referenzsubstanz

log Pow

pKa

1

2-Butanon

0,3

 

2

4-Acetylpyridin

0,5

 

3

Anilin

0,9

 

4

Acetanilid

1,0

 

5

Bcnzylalkohol

1,1

 

6

p-Methoxyphenol

1,3

pKa = 10,26

7

Phenoxyessigsäure

1,4

pKa = 3,12

8

Phenol

1,5

pKa = 9,92

9

2,4-Dinitrophenol

1,5

pKa = 3,96

10

Benzonitril

1,6

 

11

Phenylacetonitril

1,6

 

12

4-MethyIbenzylalkohol

1,6

 

13

Acetophenon

1,7

 

14

2-Nitrophenol

1,8

pKa = 7,17

15

3-Nitrobenzoesäure

1,8

pKa = 3,47

16

4-Chloranilin

1,8

pKa = 4,15

17

Nitrobenzol

1,9

 

18

Zinnamylalkohol

1,9

 

19

Benzoesäure

1,9

pKa = 4,19

20

p-Kresol

1,9

pKa = 10,17

21

Zinnamylalkohol

2,1

pKa = 3,89 cis 4,44 trans

22

Anisol

2,1

 

23

Methylbenzoat

2,1

 

24

Benzol

2,1

 

25

3-Methylbenzoesäure

2,4

pKa = 4,27

26

4-Chlorphenol

2,4

pKa = 9,1

27

Trichlorethylen

2,4

 

28

Atrazin

2,6

 

29

Ethylbenzoat

2,6

 

30

2,6-Dichlorbenzonitril

2,6

 

31

3-Chlorbenzoesäure

2,7

pKa = 3,82

32

Toluol

2,7

 

33

1-Naphthol

2,7

pKa = 9,34

34

2,3-Dichloranilin

2,8

 

35

Chlorbenzol

2,8

 

36

Allyl-Phenylether

2,9

 

37

Bromobenzol

3,0

 

38

Ethylbenzol

3,2

 

39

Benzophenon

3,2

 

40

4-Phenylphenol

3,2

pKa = 9,54

41

Thymol

3,3

 

42

1,4-Dichlorbenzol

3,4

 

43

Diphenylamin

3,4

pKa = 0,79

44

Naphthalen

3,6

 

45

Phenylbenzoat

3,6

 

46

Isopropylbenzol

3,7

 

47

2,4,6-Trichlorphenol

3,7

pKa = 6

48

Biphenyl

4,0

 

49

Benzylbenzoat

4,0

 

50

2,4-Dinitro-6 sec. butylphenol

4,1

 

51

1,2,4-Trichlorbenzol

4,2

 

52

Dodekansäure

4,2

 

53

Diphenylether

4,2

 

54

n-Butylbenzol

4,5

 

55

Phenanthren

4,5

 

56

Fluoranthen

4,7

 

57

Dibenzyl

4,8

 

58

2,6-Diphenylpyridin

4,9

 

59

Triphenylamin

5,7

 

60

DDT

6,2

 

Sonstige Referenzsubstanzen mit niedrigem log-Pow-Wert

1

Nikotinsäure

- 0,07

 

A.9.   FLAMMPUNKT

1.   METHODE

1.1.   EINLEITUNG

Es ist sinnvoll, vor Durchführung einer Flammpunktbestimmung Vorinformationen über die Entzündlichkeit der Prüfsubstanz zu haben. Das Prüfverfahren ist auf flüssige Substanzen anwendbar, deren Dämpfe durch Zündquellen entflammt werden können. Die in diesem Text beschriebenen Prüfmethoden ergeben nur für diejenigen Flammpunktbereiche, die bei den einzelnen Verfahren angegeben werden, zuverlässige Werte.

Bei der Wahl der anzuwendenden Methode sollten eventuelle chemische Reaktionen zwischen der Substanz und dem Probentiegel berücksichtigt werden.

1.2.   DEFINITIONEN UND EINHEITEN

Der Flammpunkt ist die niedrigste Temperatur, bezogen auf einen Druck von 101,325 kPa, bei der sich unter den bei der Prüfmethode angegebenen Bedingungen aus einer Flüssigkeit Dämpfe in einer solchen Menge entwickeln, dass sich im Tiegel ein durch Fremdzündung entflammbares Dampf-Luft-Gemisch bildet.

Einheiten: oC

t = T - 273,15

(t in oC und T in K)

1.3.   REFERENZSUBSTANZEN

Referenzsubstanzen müssen nicht in allen Fällen verwendet werden, in denen eine neue Prüfsubstanz untersucht wird. Die Referenzsubstanzen sollten in erster Linie dazu dienen, die Methode von Zeit zu Zeit zu überprüfen, ob bei der Prüftemperatur eine Entzündung stattfinden kann oder nicht.

1.4.   PRINZIP DER METHODE

Die Prüfsubstanz wird in einen Tiegel gefüllt und nach dem bei der jeweiligen Prüfmethode angegebenen Verfahren auf die Prüftemperatur erwärmt oder abgekühlt. Zündversuche werden ausgeführt, um festzustellen, ob bei der Prüftemperatur eine Zündung stattgefunden hat oder nicht.

1.5.   QUALITÄTSKRITERIEN

1.5.1.   Wiederholbarkeit

Die Wiederholbarkeit hängt ab vom Flammpunktbereich und der angewandten Prüfmethode; max. ± 2 oC.

1.5.2.   Empfindlichkeit

Die Empfindlichkeit hängt von der angewandten Prüfmethode ab.

1.5.3.   Anwendbarkeit

Die Anwendbarkeit einiger Flammpunktprüfmethoden ist auf bestimmte Flammpunktbereiche beschränkt und hängt von substanzspezifischen Eigenschaften ab (z. B. hohe Viskosität).

1.6.   BESCHREIBUNG DER METHODE

1.6.1.   Vorbereitungen

Die zu prüfende Substanz wird in den jeweiligen Prüftiegel (siehe 1.6.3.1 und/oder 1.6.3.2) eingefüllt.

Aus Sicherheitsgründen wird empfohlen, für energiereiche oder toxische Substanzen ein Verfahren mit einer kleinen Probengröße (etwa 2 cm3) anzuwenden.

1.6.2.   Versuchsbedingungen

Soweit dies aus Sicherheitsgründen möglich ist, sollte das Prüfgerät vor Zugluft geschützt aufgestellt werden.

1.6.3.   Versuchsausführung

1.6.3.1.   Gleichgewichtsmethode

Siehe dazu: ISO 1516, ISO 3680, ISO 1523, ISO 3679.

1.6.3.2.   Nicht-Gleichgewichtsmethode

Siehe dazu: BS 2000 Teil 170, NF M07-011, NF T66-009.

Siehe dazu: EN 57, DIN 51755 Teil 1 (für Temperaturen von 5 oC bis 65 oC), DIN 51755 Teil 2 (für Temperaturen unter 5 oC), NF M07-036.

Siehe dazu: ASTM D 56.

Siehe dazu: ISO 2719, EN 11, DIN 51758, ASTM D 93, BS 2000-34, NF M07-019.

Wird mit einer Nicht-Gleichgewichtsmethode wie in 1.6.3.2 ein Flammpunkt von (0 ± 2) oC, (21 ± 2) oC oder (55 ± 2) oC ermittelt, sollte das Prüfergebnis mit dem gleichen Gerät, jedoch unter Verwendung einer Gleichgewichtsmethode, bestätigt werden.

Für eine Anmeldung dürfen nur diejenigen Methoden angewandt werden, bei denen der Zahlenwert des Flammpunktes bestimmt wird.

Zur Bestimmung des Flammpunktes viskoser Flüssigkeiten (Farben, Klebstoffe und Ähnliches), die Lösemittel enthalten, dürfen nur solche Prüfgeräte und Prüfmethoden angewandt werden, die zur Bestimmung des Flammpunktes viskoser Flüssigkeiten geeignet sind.

Siehe dazu: ISO 3679, ISO 3680, ISO 1523, DIN 53213 Teil 1.

2.  DATEN

3.   BERICHT

Im Prüfbericht ist, wenn möglich, Folgendes anzugeben:

 genaue Angaben über die Prüfsubstanz (Identität und Verunreinigungen),

 die angewandte Prüfmethode sowie eventuelle Abweichungen davon,

 die Ergebnisse sowie alle zusätzlichen Bemerkungen, die für die Interpretation der Ergebnisse von Bedeutung sind.

4.   LITERATUR

Keine.

A.10.   ENTZÜNDLICHKEIT (FESTE STOFFE)

1.   METHODE

1.1.   EINLEITUNG

Es ist zweckdienlich, vor Ausführung der Prüfung Informationen über mögliche explosive Eigenschaften der Prüfsubstanz einzuholen.

Diese Methode kann nur bei pulverförmigen, körnigen oder pastenförmigen Substanzen angewendet werden.

Um nicht alle Stoffe zu erfassen, die entzündet werden können, sondern nur solche, die schnell brennen oder deren Brennverhalten besonders gefährlich ist, sollen nur diejenigen Stoffe als leichtentzündlich eingestuft werden, deren Abbrandgeschwindigkeit einen bestimmten Grenzwert überschreitet.

Es kann besonders gefährlich sein, wenn sich das Glühen in einem Metallpulver ausbreitet, weil glühende Metallpulver schwer zu löschen sind. Metallpulver sind als leichtentzündlich zu beurteilen, wenn sie über die gesamte Länge der Schüttung innerhalb einer festgelegten Zeit durchglühen.

1.2.   DEFINITIONEN UND EINHEITEN

Die Abbrandzeit wird in Sekunden ausgedrückt.

1.3.   REFERENZSUBSTANZEN

Nicht spezifiziert.

1.4.   PRINZIP DER METHODE

Die Substanz wird zu einem durchgehenden Strang oder einer Schüttung von etwa 250 mm Länge geformt; danach wird ein Vorversuch vorgenommen, um zu prüfen, ob es bei Entzündung mit einer Gasflamme zu einer Ausbreitung des Brandes mit Flammen oder durch Glimmen kommt. Wenn es innerhalb einer festgelegten Zeit zu einer Ausbreitung über 200 mm der Schüttung kommt, wird ein vollständiges Testprogramm zur Bestimmung der Brenngeschwindigkeit durchgeführt.

1.5.   QUALITÄTSKRITERIEN

Nicht genannt.

1.6.   BESCHREIBUNG DER METHODE

1.6.1.   Vorversuch

Die Substanz wird auf einer nicht brennbaren und nichtporösen Platte mit geringer Wärmeleitfähigkeit zu einem durchgehenden Strang oder einer Schüttung von 250 mm Länge, 20 mm Breite und 10 mm Höhe geformt. Danach wird die heiße Flamme eines Gasbrenners (Mindestdurchmesser 5 mm) auf ein Ende der Schüttung gerichtet, bis sich das Pulver entzündet, maximal 2 Minuten (5 Minuten für Pulver von Metallen oder Metalllegierungen). Dabei ist festzustellen, ob sich der Brand innerhalb des Prüfzeitraumes von 4 Minuten (40 Minuten bei Metallpulvern) über eine Länge von 200 mm der Schüttung ausbreitet. Wenn sich die Substanz nicht entzündet und sich keine Verbrennung mit einer Flamme oder mit Glimmen innerhalb von 4 Minuten (bzw. 40 Minuten) über eine Länge von 200 mm der Schüttung ausbreitet, ist die Substanz nicht als leichtentzündlich zu beurteilen, und es ist keine weitere Prüfung erforderlich. Wenn sich der Brand in der Substanz in weniger als 4 Minuten (bzw. in weniger als 40 Minuten für Metallpulver) über eine Länge von 200 mm der Schüttung ausbreitet, ist das nachstehend beschriebene Verfahren (Punkt 1.6.2 und folgende) auszuführen.

1.6.2.   Prüfung der Brenngeschwindigkeit

1.6.2.1.   Vorbereitung

Pulverförmige oder körnige Substanzen werden locker in eine Form von 250 mm Länge und einem dreieckigen Querschnitt mit einer inneren Höhe von 10 mm und einer Breite von 20 mm gefüllt. Die Form wird an beiden Längsseiten von zwei Metallblechen begrenzt, die die dreieckige Form um 2 mm überragen (siehe Abbildung). Die gefüllte Form wird dreimal aus einer Höhe von 2 cm auf eine feste Unterlage fallen gelassen. Falls nötig, wird die Form danach aufgefüllt. Dann werden die seitlichen Begrenzungen entfernt, und die überschüssige Substanzmenge wird abgetrennt. Schließlich wird eine nicht brennbare und nichtporöse Platte mit geringer Wärmeleitfähigkeit auf die Form gelegt, das Ganze um 180o gedreht und die Form entfernt.

Pastenförmige Substanzen werden in Form eines Stranges von 250 mm Länge und mit einem Querschnitt von etwa 1 cm2 auf eine nicht brennbare und nichtporöse Platte mit geringer Wärmeleitfähigkeit aufgebracht.

1.6.2.2.   Versuchsbedingungen

Hygroskopische Prüfsubstanzen sollen so schnell wie möglich nach der Entnahme aus dem Behälter geprüft werden.

1.6.2.3.   Versuchsausführung

Die Schüttung wird quer zur Zugrichtung in einem Abzug angeordnet.

Die Absauggeschwindigkeit muss so hoch sein, dass Rauch nicht in das Labor dringen kann; sie soll auch während des Versuchs nicht verändert werden. Um die Versuchsanordnung herum ist ein Windschutz aufzustellen.

Zum Anzünden der Schüttung an einem Ende wird die heiße Flamme eines Gasbrenners (Mindestdurchmesser 5 mm) verwendet. Nach einem Abbrand über eine Länge von 80 mm der Schüttung ist die Abbrandzeit über die folgenden 100 mm zu messen.

Der Versuch ist sechsmal auszuführen, wenn nicht vorher ein positives Ergebnis beobachtet wird. Für jeden Versuch ist eine saubere, kalte Platte zu verwenden.

2.   DATEN

Die Abbrandzeit aus dem Vorversuch (1.6.1) und die kürzeste Abbrandzeit aus sechs Versuchen (1.6.2.3) sind maßgebend für die Beurteilung.

3.   BERICHT

3.1.   PRÜFBERICHT

Im Prüfbericht ist, wenn möglich, Folgendes anzugeben:

 eine genaue Spezifizierung der Prüfsubstanz (Identität und Verunreinigungen),

 eine Beschreibung der Prüfsubstanz, deren Aggregatzustand, einschließlich Feuchtegehalt,

 die Ergebnisse des Vorversuchs und der Prüfung der Brenngeschwindigkeit (wenn durchgeführt),

 alle zusätzlichen Bemerkungen, die für die Interpretation der Ergebnisse von Bedeutung sind.

3.2.   INTERPRETATION DER ERGEBNISSE

Pulverförmige, körnige oder pastenförmige Prüfsubstanzen werden als leichtentzündlich beurteilt, wenn die Abbrandzeit bei einem der unter 1.6.2 beschriebenen Versuche kürzer ist als 45 Sekunden. Pulver von Metallen oder Metalllegierungen werden als leichtentzündlich beurteilt, wenn sie entzündet werden können und sich die Flamme oder die Reaktionszone innerhalb von 10 Minuten oder darunter über die gesamte Probe ausbreitet.

4.   LITERATUR

(1) NF T 20-042 (Sept. 85). Chemical products for industrial use. Determination of the flammability of solids.

Anlage

Abbildung

Form und Zubehör zur Herstellung der Schüttung

(alle Maßangaben in mm)

image

A.11.   ENTZÜNDLICHKEIT (GASE)

1.   METHODE

1.1.   EINLEITUNG

Mit dieser Methode lässt sich bestimmen, ob Gase im Gemisch mit Luft bei atmosphärischem Druck und Raumtemperatur (etwa 20 oC) einen Explosionsbereich haben. Gemische mit steigender Konzentration des zu prüfenden Gases mit Luft werden einem elektrischen Funken ausgesetzt, und man beobachtet, ob eine Entzündung erfolgt.

1.2.   DEFINITION UND EINHEITEN

Der Explosionsbereich ist der Konzentrationsbereich zwischen der unteren und der oberen Explosionsgrenze. Die untere und die obere Explosionsgrenze bezeichnen die beiden Grenzwerte des Brenngasgehaltes im Brenngas/Luft-Gemisch, bei denen eine selbständige Flammenausbreitung von der Zündquelle her gerade nicht mehr auftritt.

1.3.   REFERENZSUBSTANZEN

Nicht spezifiziert.

1.4.   PRINZIP DER METHODE

Der Gasanteil im Gas/Luft-Gemisch wird stufenweise erhöht und das Gemisch jeweils einem elektrischen Funken ausgesetzt.

1.5.   QUALITÄTSKRITERIEN

Nicht spezifiziert.

1.6.   BESCHREIBUNG DER METHODE

1.6.1.   Gerät

Das Versuchsgefäß ist ein aufrecht stehender Glaszylinder mit einem inneren Durchmesser von mindestens 50 mm und einer Mindesthöhe von 300 mm. Die Zündelektroden befinden sich 60 mm über dem Boden des Zylinders und haben einen Abstand von 3 mm bis 5 mm voneinander. Der Zylinder ist mit einer Druckentlastungsöffnung versehen. Das Gerät ist mit einem Schutzschirm versehen, um Explosionsschäden zu vermeiden.

Ein Induktionsfunken von 0,5 s Dauer, der mittels eines Hochspannungstransformators von 10 bis 15 kV Sekundärspannung (maximale Leistungsaufnahme: 300 W) erzeugt wird, dient als Zündquelle. Ein Beispiel eines geeigneten Gerätes ist in (2) beschrieben.

1.6.2.   Versuchsbedingungen

Der Versuch muss bei Raumtemperatur (etwa 20 oC) ausgeführt werden.

1.6.3.   Versuchsausführung

Mit Hilfe von Dosierpumpen wird ein Gas/Luft-Gemisch bekannter Konzentration in den Glaszylinder geleitet. Danach wird mit dem Induktionsfunken gezündet und beobachtet, ob sich eine Flamme von der Zündquelle ablöst und selbständig ausbreitet oder nicht. Der Gasanteil wird beginnend bei 1 % Volumenanteil) stufenweise um 1 % erhöht, bis eine wie oben beschriebene Entzündung erfolgt.

Wenn die chemische Struktur auf ein nicht entzündbares Gas schließen lässt und die Zusammensetzung des stöchiometrischen Gemisches mit Luft errechnet werden kann, dann brauchen nur Gemische in einem Bereich zwischen 10 % unterhalb und 10 % oberhalb der stöchiometrischen Zusammensetzung in 1 %-Stufen geprüft zu werden.

2.   DATEN

Das Auftreten der Flammenablösung ist die einzige relevante Information zur Bestimmung dieser Eigenschaft.

3.   BERICHT

Im Prüfbericht ist, wenn möglich, Folgendes anzugeben:

 genaue Angaben über die Prüfsubstanz (Identität und Verunreinigungen),

 eine Beschreibung des benutzten Gerätes (mit Abmessungen),

 die Temperatur, bei der der Versuch durchgeführt wurde,

 die geprüften Konzentrationen und die erhaltenen Ergebnisse,

 das Versuchsergebnis: nicht entzündbares oder leichtentzündliches Gas,

 wenn das Ergebnis „nicht entzündbar“ lautet, ist der Konzentrationsbereich, über den es in 1 %-Schritten geprüft wurde, anzugeben,

 alle Informationen und Bemerkungen, die für die Interpretation der Ergebnisse von Bedeutung sind.

4.   LITERATUR

(1) NF T 20-041 (Sept. 85). Chemical products for industrial use. Determination of the flammability of gases.

(2) W. Berthold, D. Conrad, T. Grewer, H. Grosse-Wortmann, T. Redeker und H. Schacke. „Entwicklung einer Standard-Apparatur zur Messung von Explosionsgrenzen“. Chem.-Ing.-Tech., 1984, vol. 56, 2, 126/127.

A.12.   ENTZÜNDLICHKEIT (BERÜHRUNG MIT WASSER)

1.   METHODE

1.1.   EINLEITUNG

Diese Prüfmethode kann angewendet werden, um festzustellen, ob die Reaktion eines Stoffes mit Wasser oder feuchter Luft zur Entwicklung gefährlicher Mengen von leichtentzündlichen Gasen führt.

Das Verfahren kann sowohl für feste als auch für flüssige Stoffe angewendet werden. Dieses Verfahren gilt jedoch nicht für Stoffe, die sich bei Berührung mit Luft selbst entzünden.

1.2.   DEFINITIONEN UND EINHEITEN

Leichtentzündlich: Stoffe, die bei Berührung mit Wasser oder feuchter Luft leichtentzündliche Gase in gefährlichen Mengen (mindestens 1 l/kg.h) entwickeln.

1.3.   PRINZIP DER METHODE

Die Prüfsubstanz wird in der nachfolgend beschriebenen Reihenfolge geprüft; erfolgt auf irgendeiner Stufe eine Entzündung, so ist keine weitere Prüfung mehr notwendig. Wenn bekannt ist, dass die Substanz bei Berührung mit Wasser keine heftige Reaktion zeigt, kann man zu Stufe 4 übergehen (1.3.4).

1.3.1.   Stufe 1

Die Prüfsubstanz wird in eine Schale gegeben, die destilliertes Wasser mit einer Temperatur von 20 oC enthält; dabei wird festgestellt, ob sich das hierbei entwickelte Gas entzündet oder nicht.

1.3.2.   Stufe 2

Die Prüfsubstanz wird auf ein Filterpapier gegeben, das auf der Oberfläche des Wassers einer mit destilliertem Wasser von 20 oC gefüllten Schale schwimmt; dabei wird festgestellt, ob sich das entwickelte Gas entzündet oder nicht. Das Filterpapier dient nur dazu, die Substanz an der betreffenden Stelle zu halten, wodurch die Möglichkeit einer Entzündung erhöht wird.

1.3.3.   Stufe 3

Mit der Prüfsubstanz wird eine kleine Schüttung von etwa 2 cm Höhe und 3 cm Durchmesser hergestellt. Es werden einige Tropfen Wasser auf diese Schüttung gegeben, und es wird festgestellt, ob sich das entwickelte Gas entzündet oder nicht.

1.3.4.   Stufe 4

Die Prüfsubstanz wird mit destilliertem Wasser (20 oC) versetzt, und die entwickelte Gasmenge wird über einen Zeitraum von 7 Stunden in Abständen von je einer Stunde gemessen. Ist die Gasentwicklung ungleichmäßig oder nimmt sie nach 7 Stunden noch zu, so ist der Versuchszeitraum bis zu einer Dauer von 5 Tagen zu verlängern. Die Prüfung kann abgebrochen werden, wenn die Gasentwicklungsrate zu irgendeinem Zeitpunkt 1 l/kg.h übersteigt.

1.4.   REFERENZSUBSTANZEN

Nicht spezifiziert.

1.5.   QUALITÄTSKRITERIEN

Keine Angabe.

1.6.   BESCHREIBUNG DER METHODE

1.6.1.   Stufe 1

1.6.1.1.   Versuchsbedingungen

Der Versuch wird bei Raumtemperatur (etwa 20 oC) ausgeführt.

1.6.1.2.   Versuchsausführung

Eine geringe Menge (etwa 2 mm Durchmesser) der Prüfsubstanz wird in eine Schale mit destilliertem Wasser gegeben. Es wird notiert, i) ob sich Gas entwickelt und ii) ob sich das Gas entzündet. Entzündet sich das Gas, so braucht die Substanz nicht weiter geprüft zu werden, da sie als gefährlich zu betrachten ist.

1.6.2.   Stufe 2

1.6.2.1.   Gerät

Ein Filterpapier wird flach auf die Oberfläche des in ein geeignetes Gefäß gefüllten destillierten Wassers gelegt; als Gefäß kann z. B. eine Abdampfschale mit ca. 100 mm Durchmesser dienen.

1.6.2.2.   Versuchsbedingungen

Der Versuch wird bei Raumtemperatur (etwa 20 oC) durchgeführt.

1.6.2.3.   Versuchsausführung

Eine geringe Menge (etwa 2 mm Durchmesser) der Prüfsubstanz wird mitten auf das Filterpapier gelegt. Es wird notiert, i) ob sich Gas entwickelt und ii) ob sich das Gas entzündet. Entzündet sich das Gas, so braucht die Substanz nicht weiter geprüft zu werden, da sie als gefährlich zu betrachten ist.

1.6.3.   Stufe 3

1.6.3.1.   Versuchsbedingungen

Der Versuch wird bei Raumtemperatur (etwa 20 oC) durchgeführt.

1.6.3.2.   Versuchsausführung

Mit der Prüfsubstanz wird eine kleine Schüttung von etwa 2 cm Höhe und 3 cm Durchmesser mit einer Vertiefung an der Spitze hergestellt. Man gießt einige Tropfen Wasser in die Vertiefung und notiert, i) ob sich Gas entwickelt und ii) ob sich das Gas entzündet. Entzündet sich das Gas, so braucht die Substanz nicht weiter geprüft zu werden, da sie als gefährlich zu betrachten ist.

1.6.4.   Stufe 4

1.6.4.1.   Gerät

Die Apparatur wird gemäß der Abbildung aufgebaut.

1.6.4.2.   Versuchsbedingungen

Man stellt fest, ob sich in dem Behälter mit der Prüfsubstanz Pulver mit einer Korngröße von < 500 μm befindet. Macht dieses Pulver mehr als insgesamt 1 % (Massenanteil) aus oder ist die Probe zerreibbar, so ist die gesamte Probe vor dem Versuch zu einem Pulver zu mahlen, um eine Zerkleinerung der Teilchen (durch Abrieb) bei Lagerung und Handhabung zu berücksichtigen; andernfalls ist die Substanz im Anlieferungszustand zu verwenden. Der Versuch ist bei Raumtemperatur (etwa 20 oC) und Atmosphärendruck auszuführen.

1.6.4.3.   Versuchsausführung

Es werden 10 bis 20 ml Wasser in den Tropftrichter der Apparatur gegeben und 10 g Prüfsubstanz in den Erlenmeyer-Kolben. Die entwickelte Gasmenge kann mit einer beliebigen geeigneten Apparatur gemessen werden. Der Hahn des Tropftrichters wird geöffnet, um das Wasser in den Kolben zu geben; gleichzeitig wird eine Stoppuhr in Gang gesetzt. Die entwickelte Gasmenge wird über einen Zeitraum von 7 Stunden in Abständen von je einer Stunde gemessen. Ist die Gasentwicklung in dieser Zeit ungleichmäßig oder nimmt sie nach 7 Stunden noch zu, so ist der Versuchszeitraum bis zu einer Dauer von 5 Tagen zu verlängern. Die Prüfung kann abgebrochen werden, wenn die Entwicklungsrate zu irgendeinem Zeitpunkt 1 l/kg.h übersteigt. Der Versuch ist dreimal auszuführen.

Ist die chemische Zusammensetzung des Gases nicht bekannt, so muss es analysiert werden. Enthält es leichtentzündliche Komponenten und ist nicht bekannt, ob das ganze Gemisch leichtentzündlich ist, so ist ein Gemisch mit gleicher Zusammensetzung herzustellen und nach dem Verfahren A.11 zu prüfen.

2.   DATEN

Der Stoff wird als gefährlich betrachtet, wenn es

 auf einer beliebigen Stufe des Prüfverfahrens zu einer Entzündung oder

 zu einer Entwicklung von leichtentzündlichem Gas mit einer Entwicklungsrate von mehr als 1 l/kg.h kommt.

3.   BERICHT

Im Prüfbericht ist, wenn möglich, Folgendes anzugeben:

 genaue Angaben über die Prüfsubstanz (Identität und Verunreinigungen),

 Einzelheiten zu einer eventuellen Vorbehandlung der Prüfsubstanz,

 die Versuchsergebnisse (Stufen 1, 2, 3 und 4),

 die chemische Zusammensetzung des entwickelten Gases,

 die Gasentwicklungsrate, wenn Stufe 4 (1.6.4) ausgeführt wird,

 alle zusätzlichen Bemerkungen, die für die Interpretation der Ergebnisse von Bedeutung sind.

4.   LITERATUR

(1) Recommendations on the Transport of Dangerous Goods, Test and criteria, 1990, United Nations, New York.

(2) NF T 20-040 (Sept. 85). Chemical products for industrial use. Determination of the flammability of gases formed by the hydrolysis of solid and liquid products.

Anlage

Abbildung

Apparatur

image

A.13.   PYROPHORE EIGENSCHAFTEN VON FESTEN UND FLÜSSIGEN STOFFEN

1.   METHODE

1.1.   EINLEITUNG

Das Prüfverfahren ist anwendbar auf feste und flüssige Stoffe, die sich in kleinen Mengen nach kurzer Zeit an der Luft bei Raumtemperatur (etwa 20 oC) selbst entzünden.

Dieses Verfahren gilt nicht für Stoffe, die sich bei Raumtemperatur oder höheren Temperaturen erst nach Stunden oder Tagen selbst entzünden.

1.2.   DEFINITIONEN UND EINHEITEN

Substanzen werden als pyrophor betrachtet, wenn sie sich unter den in 1.6 beschriebenen Bedingungen selbst entzünden oder eine Verkohlung hervorrufen.

Nichtpyrophore Flüssigkeiten sind im Hinblick auf ihre Selbstentzündlichkeit nach dem Verfahren A.15 (Zündtemperatur von Flüssigkeiten und Gasen) zu prüfen.

1.3.   REFERENZSUBSTANZEN

Nicht spezifiziert.

1.4.   PRINZIP DER METHODE

Die Prüfsubstanz — fest oder flüssig — wird auf eine inerte Trägersubstanz gegeben und bei Raumtemperatur 5 Minuten lang mit der Luft in Berührung gebracht. Wenn sich flüssige Stoffe nicht entzünden, werden sie auf ein Filterpapier gegossen und bei Raumtemperatur (etwa 20 oC) 5 Minuten lang der Luft ausgesetzt. Wenn ein fester oder flüssiger Stoff sich entzündet oder ein flüssiger Stoff ein Filterpapier entzündet oder verkohlt, dann wird die Substanz als pyrophor beurteilt.

1.5.   QUALITÄTSKRITERIEN

Wiederholbarkeit: Aus sicherheitstechnischen Gründen genügt ein einziges positives Ergebnis, um die Substanz als pyrophor zu beurteilen.

1.6.   BESCHREIBUNG DER METHODE

1.6.1.   Gerät

Eine Porzellanschale mit einem Durchmesser von etwa 10 cm wird bei Raumtemperatur (etwa 20 oC) etwa 5 mm hoch mit Diatomeenerde gefüllt.

Bemerkung

Diatomeenerde oder irgendein anderer, allgemein verfügbarer ähnlicher inerter Stoff soll repräsentativ für Erde sein, mit der bei einem Unfall ausgelaufene Stoffe in Berührung kommen können.

Ein trockenes Filterpapier wird für die Prüfung von solchen Flüssigkeiten benötigt, die sich auf der inerten Trägersubstanz an der Luft nicht entzünden.

1.6.2.   Versuchsausführung

a)   Pulverförmige feste Stoffe

1 bis 2 cm3 der zu prüfenden pulverförmigen Substanz werden aus etwa 1 m Höhe auf eine nicht brennbare Unterlage geschüttet, und es wird beobachtet, ob sich die Substanz beim Fallen oder innerhalb von 5 Minuten nach Ablagerung entzündet.

Wenn es nicht zu einer Entzündung kommt, wird der Versuch sechsmal ausgeführt.

b)   Flüssigkeiten

Etwa 5 cm3 der zu prüfenden Flüssigkeit werden in die vorbereitete Porzellanschale gegossen, und es wird beobachtet, ob sich die Prüfsubstanz innerhalb von 5 Minuten entzündet.

Wenn es bei den sechs Versuchen nicht zu einer Entzündung kommt, sind folgende Prüfungen durchzuführen:

Eine Probenmenge von 0,5 ml wird aus einer Spritze auf ein eingerissenes Filterpapier gegeben, und es wird beobachtet, ob es innerhalb von 5 Minuten nach Zugeben der Flüssigkeit zu einer Entzündung oder zur Verkohlung des Filterpapiers kommt. Wenn es nicht zu einer Entzündung oder zur Verkohlung des Filterpapiers kommt, wird der Versuch dreimal ausgeführt.

2.   DATEN

2.1.   FOLGERUNG AUS DEN ERGEBNISSEN

Die Prüfungen können abgebrochen werden, sobald einer der Versuche ein positives Ergebnis zeigt.

2.2.   AUSWERTUNG

Wenn sich die Substanz innerhalb von 5 Minuten nach dem Aufbringen auf eine inerte Trägersubstanz bei Berührung mit Luft entzündet oder wenn eine Flüssigkeit innerhalb von 5 Minuten nach dem Aufbringen an der Luft das Filterpapier entzündet oder verkohlt, dann wird sie als pyrophor beurteilt.

3.   BERICHT

Im Prüfbericht ist, wenn möglich, Folgendes anzugeben:

 genaue Angaben über die Prüfsubstanz (Identität und Verunreinigungen),

 die Versuchsergebnisse,

 alle zusätzlichen Bemerkungen, die für die Interpretation der Ergebnisse von Bedeutung sind.

4.   LITERATUR

(1) NF T 20-039 (Sept. 85). Chemical products for industrial use. Determination of the spontaneous flammability of solids and liquids.

(2) Recommendations on the Transport of Dangerous Goods, Test and criteria, 1990, United Nations, New York.

A.14.   EXPLOSIONSGEFAHR

1.   METHODE

1.1.   EINLEITUNG

Die Methode stellt ein Prüfschema dar zur Feststellung, ob feste oder pastenförmige Stoffe bei Flammenzündung (thermische Empfindlichkeit) oder bei Einwirkung von Schlag oder Reibung (mechanische Empfindlichkeit) und ob Flüssigkeiten bei Flammenzündung oder bei Einwirkung von Schlag eine Explosionsgefahr darstellen.

Die Methode besteht aus drei Teilen:

a) Prüfung der thermischen Empfindlichkeit (1),

b) Prüfung der mechanischen Empfindlichkeit bei Schlagbeanspruchung (1),

c) Prüfung der mechanischen Empfindlichkeit bei Reibbeanspruchung (1).

Die Methode liefert Ergebnisse, mit denen die Möglichkeit der Auslösung einer Explosion bei Einwirkung bestimmter, nicht außergewöhnlicher Beanspruchungen festgestellt werden kann. Sie dient nicht zur Feststellung, ob ein Stoff unter beliebigen Bedingungen explosionsfähig ist.

Die Methode eignet sich zur Feststellung, ob ein Stoff unter den besonderen, in der Richtlinie festgelegten Bedingungen eine Explosionsgefahr darstellt (thermische und mechanische Empfindlichkeit). Sie beruht auf der Verwendung mehrerer Arten von Apparaturen, die international weit verbreitet sind (1) und die im Allgemeinen aussagekräftige Ergebnisse ergeben. Dabei wird eingeräumt, dass die Methode keine endgültige Lösung darstellt. Es können andere als die genannten Apparaturen verwendet werden, wenn diese international anerkannt sind und die Ergebnisse in angemessener Form mit denen aus den genannten Apparaturen korreliert werden können.

Die Prüfungen brauchen nicht vorgenommen zu werden, wenn verfügbare thermodynamische Daten (z. B. Bildungs-, Zersetzungsenthalpie) und/oder das Fehlen bestimmter reaktiver Gruppen (2) in der Strukturformel zweifelsfrei erkennen lassen, dass sich der Stoff nicht unter Bildung von Gasen oder Freisetzung von Wärme schnell zersetzen kann (d. h. die Substanz keine Explosionsgefahr darstellt). Eine Prüfung der mechanischen Empfindlichkeit bei Reibbeanspruchung ist für Flüssigkeiten nicht erforderlich.

1.2.   DEFINITIONEN UND EINHEITEN

Explosionsgefährlich:

Stoffe, die durch Flammenzündung zur Explosion gebracht werden können oder die gegen Schlag oder Reibung in den genannten Apparaturen empfindlich sind (oder die in alternativen Apparaturen eine höhere mechanische Empfindlichkeit zeigen als 1,3 -Dinitrobenzol).

1.3.   REFERENZSUBSTANZEN

1,3 -Dinitrobenzol, kristallin, gesiebt auf Korngröße 0,5 mm, technisches Produkt für die Prüfung der Schlag- und Reibempfindlichkeit.

Perhydro-1,3,5-trinitro-1,3,5-triazin (RDX, Hexogen, Cyclonit — CAS 121-82-4), umkristallisiert aus wässrigem Cyclohexanon, nass gesiebt durch ein Sieb 250 μm und als Rückstand auf einem Sieb 150 μm gewonnen, anschließend bei 103 ± 2 oC (über 4 Stunden) getrocknet für die zweite Reihe der Prüfung auf Schlag- und Reibempfindlichkeit.

1.4.   PRINZIP DER METHODE

Um sichere Bedingungen für die Ausführung der drei Empfindlichkeitsprüfungen zu finden, ist die Durchführung von Vorversuchen erforderlich.

1.4.1.   Prüfung auf die Sicherheit des Umgangs mit der Substanz (3)

Aus sicherheitstechnischen Gründen werden vor Durchführung der Hauptprüfungen sehr kleine Proben (etwa 10 mg) der Prüfsubstanz ohne Einschluss mit einer Gasbrennerflamme erhitzt, in einem geeigneten Gerät einem Schlag ausgesetzt und unter Verwendung eines Reibstiftes und eines Widerlagers oder in einer beliebigen Reibmaschine gerieben. Das Ziel dieser Vorversuche ist, festzustellen, ob der Stoff so empfindlich und so explosiv ist, dass zur Vermeidung von Verletzungen des Prüfenden bei der Durchführung der vorgeschriebenen Empfindlichkeitsprüfungen, insbesondere der Prüfung der thermischen Empfindlichkeit, besondere Schutzmaßnahmen vorzusehen sind.

1.4.2.   Thermische Empfindlichkeit

Für die Prüfung wird die Prüfsubstanz in einer Stahlhülse erhitzt, die durch Düsenplatten mit Öffnungen verschiedenen Durchmessers verschlossen ist. Auf diese Weise wird bestimmt, ob der Stoff unter intensiver thermischer Beanspruchung bei definiertem Einschluss explodieren kann.

1.4.3.   Mechanische Empfindlichkeit (Schlag)

Die Prüfung besteht darin, die Prüfsubstanz dem Schlag eines festgelegten Fallgewichtes aus einer festgelegten Höhe auszusetzen.

1.4.4.   Mechanische Empfindlichkeit (Reibung)

Bei dieser Prüfung werden feste oder pastenförmige Substanzen der Reibung zwischen standardisierten Oberflächen unter festgelegten Bedingungen der Belastung und der relativen Bewegung ausgesetzt.

1.5.   QUALITÄTSKRITERIEN

Nicht festgelegt.

1.6.   BESCHREIBUNG DER METHODE

1.6.1.   Thermische Empfindlichkeit (Flammenzündung)

1.6.1.1.   Apparatur

Die Apparatur besteht aus einer nicht wieder verwendbaren Stahlhülse mit deren wieder verwendbarer Verschraubung (Abbildung 1), die in eine Heiz- und Schutzvorrichtung eingesetzt wird. Jede Hülse wird aus Blech im Tiefziehverfahren hergestellt (siehe Anlage) und hat einen inneren Durchmesser von 24 mm, eine Länge von 75 mm und eine Wanddicke von 0,5 mm. Am offenen Ende sind die Hülsen mit einem Bund versehen, an dem sie mit der Düsenplatte verschlossen werden können. Der Verschluss besteht aus einer druckfesten Düsenplatte mit einer zentrischen Bohrung, die mit der aus Gewindering und Mutter bestehenden Verschraubung fest mit einer Hülse verbunden wird. Gewindering und Mutter bestehen aus Chrom-Mangan-Stahl (siehe Anlage), der bis 800 oC zunderfest ist. Die Düsenplatten sind 6 mm dick, bestehen aus warmfestem Stahl (siehe Anlage) und stehen mit verschiedenen Öffnungsdurchmessern zur Verfügung.

1.6.1.2.   Versuchsbedingungen

Normalerweise wird die Substanz im Auslieferungszustand geprüft, obwohl in einigen Fällen, z. B. bei gepressten, gegossenen oder anderweitig verdichteten Stoffen, vor der Prüfung ein Zerkleinern erforderlich werden kann.

Bei Feststoffen wird die Menge des pro Prüfung zu verwendenden Materials durch ein zweistufiges Probeverfahren für die Befüllung bestimmt. Dabei wird eine gewogene Hülse mit 9 cm3 Prüfsubstanz gefüllt und die Prüfsubstanz unter Anwendung einer Kraft von 80 N, bezogen auf den Gesamtquerschnitt der Hülse, angedrückt. Aus sicherheitstechnischen Gründen oder in solchen Fällen, wo der Aggregatzustand der Probe durch Druck verändert werden kann, können andere Füllverfahren angewendet werden; wenn z. B. die Substanz sehr reibempfindlich ist, empfiehlt sich das Andrücken nicht. Wenn der Stoff sich als kompressibel erweist, wird weitere Substanz hinzugefügt und angedrückt, bis die Hülse bis zu einer Höhe von 55 mm vom Rand gefüllt ist. Danach wird die Gesamtmenge bestimmt, die für die Füllung bis zum Niveau von 55 mm unter dem Rand benötigt wurde, und es werden zwei weitere gleich große Portionen zugegeben, wobei auch diese unter Anwendung einer Kraft von je 80 N angedrückt werden. Schließlich wird Substanz entweder zugefügt (unter Andrücken) oder ggf. entnommen, bis die Hülse bis zu einer Höhe von 15 mm unter dem Rand gefüllt ist. Dann wird eine zweite Probebefüllung durchgeführt, die mit einer angedrückten Menge von einem Drittel der Gesamtmenge der ersten Probebefüllung beginnt. Danach werden zwei weitere solche Portionen unter Anwendung von 80 N hinzugefügt und die Höhe der Substanz in der Hülse durch Hinzufügen oder Entnehmen bis auf 15 mm unter dem Rand gebracht. Die bei der zweiten Probebefüllung ermittelte Feststoffmenge wird für jeden der eigentlichen Versuche verwendet, wobei das Füllen mit drei gleich großen Mengen vorgenommen wird, deren jede durch Anwendung der erforderlichen Kraft auf 9 cm3 komprimiert wird. (Dies kann durch Verwendung von Abstandsringen erleichtert werden.)

Flüssigkeiten und gelatinöse Substanzen werden in die Hülse bis zu einer Höhe von 60 mm eingefüllt, wobei im letzteren Fall besondere Sorge dafür zu tragen ist, dass keine Lunker gebildet werden. Der Gewindering wird von unten auf die Hülse aufgeschoben, die geeignete Düsenplatte eingesetzt und die Mutter nach Aufbringen eines Schmiermittels auf Molybdändisulfid-Basis angezogen. Es muss darauf geachtet werden, dass keine Substanz zwischen dem Bund und der Platte oder im Gewinde eingeschlossen ist.

Zum Aufheizen wird Propangas verwendet, das aus einer handelsüblichen Stahlflasche mit Druckminderer (60 bis 70 mbar) entnommen und über einen Durchflussmesser und einen Verteiler gleichmäßig vier Brennern zugeführt wird (was durch Beobachtung der Flammen der einzelnen Brenner festgestellt werden kann). Die Brenner sind entsprechend Abbildung 1 an dem Schutzkasten angeordnet. Die vier Brenner haben zusammen einen Verbrauch von etwa 3,2 l Propan pro Minute. Die Verwendung alternativer Heizgase und Brenner ist möglich, doch muss die Heizgeschwindigkeit der in Abbildung 3 genannten entsprechen. Für alle Apparaturen ist die Heizgeschwindigkeit regelmäßig unter Verwendung von Hülsen mit Dibutylphthalat-Füllung zu kontrollieren (vgl. Abbildung 3).

1.6.1.3.   Versuchsausführung

Jeder Versuch wird fortgeführt, bis die Stahlhülse entweder zerlegt oder 5 Minuten erhitzt worden ist. Ein Versuch, der zu einer Zerlegung der Hülse in drei oder mehr Teile führt (diese können in einigen Fällen noch durch schmale Metallstreifen miteinander verbunden sein — vgl. Abbildung 2), wird als Explosion eingestuft. Ein Versuch mit weniger Teilen oder überhaupt keiner Zerlegung wird nicht als Explosion eingestuft.

Zunächst wird eine erste Reihe mit drei Versuchen unter Verwendung einer Düsenplatte mit einem Öffnungsdurchmesser von 6,0 mm durchgeführt; wenn es hier zu keiner Explosion kommt, folgt eine zweite Reihe, ebenfalls mit drei Versuchen, mit einer Düsenplatte von 2,0 mm Öffnungsdurchmesser. Tritt während einer dieser Versuchsreihen eine Explosion ein, kann auf die Durchführung weiterer Versuche verzichtet werden.

1.6.1.4.   Auswertung

Das Versuchsergebnis wird als positiv eingestuft, wenn es in einer der genannten Versuchsreihen zu einer Explosion kommt.

1.6.2.   Mechanische Empfindlichkeit (Schlag)

1.6.2.1.   Apparatur (Abbildung 4)

Die wesentlichen Teile eines typischen Fallhammers sind der Block aus Gussstahl mit Fuß, der Amboss, die Säule, die Führungsschienen, die Fallgewichte, die Auslösevorrichtung und ein Probenhalter. Der Stahlamboss — 100 mm (Durchmesser) × 70 mm (Höhe) — ist oben auf einen Stahlblock — 230 mm (Länge) × 250 mm (Breite) × 200 mm (Höhe) — mit Fuß — 450 mm (Länge) × 450 mm (Breite) × 60 mm (Höhe) — aufgeschraubt. Eine Säule aus nahtlos gezogenem Stahlrohr ist in einer Halterung befestigt, die auf der Rückseite des Stahlblocks angeschraubt ist. Der Fallhammer ist mit 4 Steinschrauben auf einem massiven Betonsockel — 60 cm × 60 cm × 60 cm — so verankert, dass die Führungsschienen absolut senkrecht stehen und das Fallgewicht leicht geführt wird. Fallgewichte zu 5 kg und 10 kg aus massivem Stahl stehen zur Verfügung. Der Schlageinsatz jedes Gewichts besteht aus gehärtetem Stahl, HRC 60 bis 63, und hat einen Mindestdurchmesser von 25 mm.

Die zu untersuchende Probe ist in eine Stempelvorrichtung einzuschließen, die aus zwei koaxial übereinander stehenden Stahlstempeln und einem Hohlzylinder aus Stahl als Führungsring besteht. Die Stahlstempel, Abmessung 10 (– 0,003 , - 0,005 ) mm Durchmesser und 10 mm Höhe, müssen polierte Flächen, abgerundete Kanten (Krümmungsradius 0,5 mm) und eine Härte HRC 58 bis 65 haben. Der Hohlzylinder muss einen äußeren Durchmesser von 16 mm, eine geschliffene Bohrung von 10 (+ 0,005 , + 0,010 ) mm und eine Höhe von 13 mm haben. Die Stempelvorrichtung ist auf einen Zwischenamboss (26 mm Durchmesser, 26 mm Höhe) aus Stahl zu stellen und durch einen Zentrierring mit einem Lochkranz zum Abströmen der Explosionsschwaden zu zentrieren.

1.6.2.2.   Versuchsbedingungen

Die Probe muss ein Volumen von 40 mm3 oder ein der verwendeten Alternativapparatur angepasstes Volumen haben. Feststoffe sind im trockenen Zustand zu prüfen und wie folgt vorzubereiten:

a) Pulverförmige Substanzen sind zu sieben (Maschenweite 0,5 mm); der gesamte Siebdurchgang ist zur Prüfung zu verwenden.

b) Gepresste, gegossene oder anderweitig verdichtete Substanzen sind zu zerkleinern und zu sieben; zur Prüfung ist die Siebfraktion 0,5 bis 1 mm Durchmesser zu verwenden; sie muss für die Originalsubstanz repräsentativ sein.

Substanzen, die in der Regel pastenförmig geliefert werden, sollten, wenn möglich, im trockenen Zustand geprüft werden, auf jeden Fall aber nach Entfernen der größtmöglichen Menge an Verdünnungsmittel. Bei der Prüfung flüssiger Substanzen ist zwischen dem oberen und dem unteren Stahlstempel ein Abstand von 1 mm zu halten.

1.6.2.3.   Versuchsausführung

Es werden sechs Einzelversuche unter Verwendung des Fallgewichts von 10 kg und Anwendung einer Fallhöhe von 0,40 m (40 J) ausgeführt. Wenn es während der sechs Versuche bei 40 J zu einer Explosion kommt, sind weitere sechs Einzelversuche mit einem Fallgewicht von 5 kg und einer Fallhöhe von 0,15 m (7,5 J) auszuführen. Bei Verwendung einer anderen Apparatur wird die Probe mit der gewählten Referenzsubstanz unter Benutzung einer anerkannten Auswertungsmethode (z. B. Up-and-down-Technik usw.) verglichen.

1.6.2.4.   Auswertung

Das Prüfergebnis wird als positiv eingestuft, wenn es mit der beschriebenen Apparatur zumindest in einem der genannten Versuche zu einer Explosion (eine Entflammung und/oder ein Knall steht einer Explosion gleich) kommt oder wenn bei Verwendung einer alternativen Apparatur die Probe empfindlicher ist als 1,3 -Dinitrobenzol oder Hexogen (RDX).

1.6.3.   Mechanische Empfindlichkeit (Reibung)

1.6.3.1.   Apparatur (Abbildung 5)

Der Reibapparat besteht aus einer Grundplatte (Gussstahl), auf der die Reibvorrichtung, bestehend aus einem feststehenden Porzellanstift und einem beweglichen Porzellanplättchen, montiert ist. Das Porzellanplättchen ist in einem Schlitten befestigt, der in zwei Gleitschienen geführt wird. Der Schlitten wird mit einem Elektromotor über eine Schubstange, eine Exzenterscheibe und ein geeignetes Getriebe so angetrieben, dass das Porzellanplättchen unter dem Porzellanstift eine einmalige Hin- und Rückbewegung von 10 mm Länge ausführt. Der Porzellanstift kann z. B. mit 120 oder 360 N belastet werden.

Die flachen Porzellanplättchen sind aus rein weißem technischem Porzellan gefertigt (Rautiefe 9 μm bis 32 μm) und haben die Abmessungen 25 mm (Länge) × 25 mm (Breite) × 5 mm (Höhe). Der zylindrische Porzellanstift ist ebenfalls aus rein weißem technischem Porzellan gefertigt. Er ist 15 mm lang, hat einen Durchmesser von 10 mm und eine raue sphärische Endfläche mit einem Krümmungsradius von 10 mm.

1.6.3.2.   Versuchsbedingungen

Die Probe muss ein Volumen von 10 mm3 oder ein der verwendeten Alternativapparatur angepasstes Volumen haben.

Feststoffe sind im trockenen Zustand zu prüfen und wie folgt vorzubereiten:

a) Pulverförmige Substanzen sind zu sieben (Maschenweite 0,5 mm); der gesamte Siebdurchgang ist zur Prüfung zu verwenden.

b) Gepresste, gegossene oder anderweitig verdichtete Substanzen sind zu zerkleinern und zu sieben; zur Prüfung ist die Siebfraktion < 0,5 mm Durchmesser zu verwenden.

Pastenförmige Substanzen sollten, wenn möglich, im trockenen Zustand geprüft werden. Falls das nicht möglich ist, muss die Paste, nach Entfernen der größtmöglichen Menge an Verdünnungsmittel, als 0,5 mm dicker, 2 mm breiter und 10 mm langer Film, der mit einem speziellen Formteil hergestellt wird, geprüft werden.

1.6.3.3.   Versuchsausführung

Der Porzellanstift wird auf die zu untersuchende Probe gesetzt und belastet. Bei Durchführung des Versuchs muss der Schwammstrich des Porzellanplättchens quer zu dessen Bewegungsrichtung liegen. Es ist darauf zu achten, dass der Stift auf der Probe steht und dass so viel Prüfsubstanz vor dem Stift liegt, dass bei der Plättchenbewegung genügend Prüfsubstanz unter den Stift gelangt. Pastenförmige Substanzen werden mittels einer Lehre (Dicke: 0,5 mm) mit einer Öffnung von 2 mm × 10 mm auf das Plättchen aufgetragen. Das Porzellanplättchen wird unter dem Porzellanstift in einer Zeit von 0,44 s je 10 mm hin- und herbewegt. Jeder Oberflächenbezirk des Plättchens und des Stiftes darf nur einmal verwendet werden; die beiden Enden eines jeden Stiftes können für zwei Versuche und die beiden Oberflächen eines jeden Plättchens können für je drei Versuche benutzt werden.

Es werden sechs Einzelversuche unter Verwendung einer Belastung von 360 N ausgeführt. Wenn es während der sechs Versuche zu einer positiven Reaktion kommt, sind weitere sechs Einzelversuche mit einer Belastung von 120 N auszuführen. Bei Verwendung einer anderen Apparatur wird die Probe mit der gewählten Referenzsubstanz unter Benutzung einer anerkannten Auswertungsmethode (z. B. Up-and-down-Technik usw.) verglichen.

1.6.3.4.   Auswertung

Das Prüfergebnis wird als positiv eingestuft, wenn es mit dem beschriebenen Reibapparat zumindest in einem der genannten Versuche zu einer Explosion (ein Knistern und/oder ein Knall oder eine Entflammung stehen einer Explosion gleich) kommt oder wenn bei Verwendung einer alternativen Reibprüfung die äquivalenten Kriterien erfüllt werden.

2.   DATEN

Grundsätzlich gilt ein Stoff als im Sinne dieser Richtlinie explosionsgefährlich, wenn bei der Prüfung auf thermische, Schlag- oder Reibempfindlichkeit ein positives Ergebnis erzielt wird.

3.   BERICHT

3.1.   PRÜFBERICHT

Im Prüfbericht ist, wenn möglich, Folgendes anzugeben:

 die Bezeichnung, die Zusammensetzung, die Reinheit, der Feuchtigkeitsgehalt usw. der Prüfsubstanz,

 der Aggregatzustand der Probe und die Angabe, ob die Probe zerkleinert und/oder gesiebt worden ist,

 die Beobachtungen während der Prüfungen auf thermische Empfindlichkeit (z. B. Probenmasse, Anzahl der Splitter usw.),

 die Beobachtungen während der Prüfungen auf mechanische Empfindlichkeit (z. B. größere Rauchentwicklung oder vollständige Zersetzung ohne einen Knall, Flammen, Funken, Knistern usw.),

 die Ergebnisse jedes Einzelversuchs,

 bei Anwendung einer Alternativapparatur: die wissenschaftliche Begründung sowie die Beweisführung für die Vergleichbarkeit der Ergebnisse zwischen der beschriebenen und der Alternativapparatur,

 alle nützlichen Hinweise auf Versuche mit ähnlichen Substanzen, die für die richtige Interpretation der erhaltenen Versuchsergebnisse von Bedeutung sein können,

 alle zusätzlichen Bemerkungen, die für die Interpretation der Ergebnisse von Bedeutung sind.

3.2.   INTERPRETATION UND BEWERTUNG DER ERGEBNISSE

Im Prüfbericht sind alle Ergebnisse anzugeben, die als falsch, anormal oder nicht repräsentativ angesehen werden. Wird ein Versuchsergebnis nicht in die Bewertung einbezogen, so ist dies zu begründen, und es sind die Ergebnisse anderer oder zusätzlicher Versuche aufzuführen. Kann die Abnormität eines Ergebnisses nicht erklärt werden, muss das Ergebnis als solches akzeptiert und der Stoff entsprechend eingestuft werden.

4.   LITERATUR

(1) Recommendations on the Transport of Dangerous Goods: Tests and criteria, 1990, United Nations, New York.

(2) Bretherick, L., Handbook of Reaaive Chemical Hazards, 4. Auflage, Butterworths, London, ISBN 0-750-60103-5, 1990.

(3) Koenen, H., Ide, K.H. und Swatt, K.H., Explosivstoffe, 1961, Bd. 3, 6-13 und 30-42.

(4) NF T 20-038 (Sept. 85). Chemical products for industrial use — Determination of explosion risk.

Anlage

Beispiel für Werkstoffspezifikation zur Prüfung auf thermische Empfindlichkeit (vgl. DIN 1623)

(1) Hülse: Werkstoffspezifikation Nr. 1.0336.505 g

(2) Düsenplatte: Werkstoffspezifikation Nr. 1.4873

(3) Gewindering und Mutter: Werkstoffspezifikation Nr. 1.3817

Abbildung 1

Apparatur für die Prüfung auf thermische Empfindlichkeit

(alle Abmessungen in mm)

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Abbildung 2

Prüfung auf thermische Empfindlichkeit

Beispiele für Splitterbilder

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Abbildung 3

Kalibrierung der Heizgeschwindigkeit für die Prüfung auf thermische Empfindlichkeit

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Temperatur-/Zeitkurve bei Erwärmung von Dibutylphthalat (27 cm3) in einer (mit einer Düsenplatte mit Öffnungsdurchmesser 1,5 mm) verschlossenen Hülse bei einem Propanverbrauch von 3,2 l/min. Die Temperatur wird mit einem Chromel-/Alumel-Thermoelement (Durchmesser: 1 mm) in einer Hülse aus rostfreiem Stahl gemessen, das zentral 43 mm unter dem Hülsenrand angebracht ist. Die Heizgeschwindigkeit muss im Bereich von 135 oC bis 285 oC zwischen 185 K/min und 215 K/min liegen.

Abbildung 4

Apparatur zur Prüfung auf Schlagempfindlichkeit

(alle Abmessungen in mm)

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Abbildung 4

Fortsetzung

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Abbildung 5

Apparatur zur Prüfung auf Reibempfindlichkeit

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A.15.   ZÜNDTEMPERATUR (FLÜSSIGKEITEN UND GASE)

1.   METHODE

1.1.   EINLEITUNG

Diese Prüfmethode gilt nicht für explosive Stoffe und solche, die sich bei Raumtemperatur spontan entzünden. Das Prüfverfahren ist auf Gase, Flüssigkeiten und Dämpfe anwendbar, die sich in Gegenwart von Luft an einer heißen Oberfläche entzünden können.

Die Zündtemperatur kann durch katalytisch wirkende Verunreinigungen, durch das Oberflächenmaterial oder durch ein größeres Volumen des Prüfgefäßes erheblich herabgesetzt werden.

1.2.   DEFINITIONEN UND EINHEITEN

Die Zündtemperatur stellt ein Maß für die Selbstentzündlichkeit dar. Die Zündtemperatur ist die niedrigste Temperatur, bei der sich die Prüfsubstanz im Gemisch mit Luft unter den im Prüfverfahren definierten Bedingungen entzündet.

1.3.   REFERENZSUBSTANZEN

Referenzsubstanzen sind in den Normen angegeben (siehe 1.6.3). Sie sollten in erster Linie dazu dienen, die Methode von Zeit zu Zeit zu überprüfen und einen Vergleich mit den Ergebnissen aus anderen Methoden zu ermöglichen.

1.4.   PRINZIP DER METHODE

Die Methode dient der Bestimmung der Mindesttemperatur von Behälterinnenflächen, durch die in diesem Behältnis befindliche Gase, Dämpfe oder Flüssigkeiten entzündet werden können.

1.5.   QUALITÄTSKRITERIEN

Die Wiederholbarkeit hängt ab vom Zündtemperaturbereich und der angewandten Prüfmethode.

Die Empfindlichkeit und Spezifität hängen von der angewandten Prüfmethode ab.

1.6.   BESCHREIBUNG DER METHODE

1.6.1.   Geräte

Die Prüfgeräte sind in den unter 1.6.3 genannten Methoden beschrieben.

1.6.2.   Versuchsbedingungen

Die zu prüfende Substanz wird entsprechend den unter 1.6.3 genannten Methoden geprüft.

1.6.3.   Versuchsausführung

Siehe IEC 79-4, DIN 51794, ASTM-E 659-78, BS 4056, NF F 20-037.

2.   DATEN

Registrieren von Versuchstemperatur, Luftdruck, Menge der eingesetzten Probe und Zündverzögerungszeit.

3.   BERICHT

Im Prüfbericht ist, wenn möglich, Folgendes anzugeben:

 genaue Angaben über die Prüfsubstanz (Identität und Verunreinigungen),

 die Probenmenge, der Luftdruck,

 die verwendete Apparatur,

 die Messergebnisse (Prüftemperaturen, Ergebnisse hinsichtlich Zündung, entsprechender Zeitverzug),

 alle zusätzlichen Bemerkungen, die für die Interpretation der Ergebnisse wichtig sind.

4.   LITERATUR

Keine.

A.16.   RELATIVE SELBSTENTZÜNDUNGSTEMPERATUR FÜR FESTSTOFFE

1.   METHODE

1.1.   EINLEITUNG

Diese Prüfmethode gilt nicht für explosive Stoffe und solche, die sich bei Raumtemperatur an der Luft selbst entzünden.

Zweck dieser Prüfung ist der Erhalt von vorläufigen Informationen über die Selbstentzündlichkeit von festen Stoffen bei erhöhter Temperatur.

Wird die bei der Reaktion des Stoffes mit Sauerstoff oder bei der exothermen Zersetzung des Stoffes entstehende Wärme nicht schnell genug an die Umgebung abgegeben, so kommt es zur Selbsterhitzung mit nachfolgender Selbstentzündung. Selbstentzündung tritt somit ein, wenn die Wärmeentwicklung größer ist als die Wärmeableitung.

Die Prüfmethode wird als Vorversuch für feste Substanzen angewendet. Wegen der komplexen Natur der Entzündung und Verbrennung von festen Stoffen ist die mit dieser Methode bestimmte Selbstentzündungstemperatur nur für Vergleichszwecke zu benutzen.

1.2.   DEFINITION UND EINHEITEN

Die mit dieser Methode bestimmte Selbstentzündungstemperatur ist die minimale Umgebungstemperatur in oC, bei der sich unter definierten Bedingungen eine bestimmte Menge einer Substanz entzündet.

1.3.   REFERENZSUBSTANZEN

Keine.

1.4.   PRINZIP DER METHODE

Eine bestimmte Menge der Prüfsubstanz wird bei Raumtemperatur in einen Ofen eingebracht. Während die Temperatur des Ofens mit einer Rate von 0,5 K/min auf 400 oC oder bis zum Schmelzpunkt (wenn dieser niedriger liegt) erhöht wird, wird die Temperatur im Inneren der Probe gemessen und als Temperatur/Zeit-Kurve registriert. Bei diesem Verfahren wird diejenige Ofentemperatur, bei der die Probentemperatur durch Selbsterhitzung 400 oC erreicht, als Selbstentzündungstemperatur bezeichnet.

1.5.   QUALITÄTSKRITERIEN

Keine.

1.6.   BESCHREIBUNG DER METHODE

1.6.1.   Gerät

1.6.1.1.   Ofen

Ein Laboratoriumsofen (Volumen etwa 2 l) mit Temperaturprogrammierung, natürlicher Luftzirkulation und Explosionsdruckentlastung. Um Explosionsgefahr zu vermeiden, dürfen Schwelgase auf keinen Fall mit den elektrischen Heizdrähten in Berührung kommen.

1.6.1.2.   Drahtnetz-Kubus

Ein Stück Drahtnetz aus rostfreiem Stahl mit einer Maschenweite von 0,045 mm wird entsprechend der Darstellung in Abbildung 1 zugeschnitten. Dieses Drahtnetz wird zu einem oben offenen Kubus gefaltet; die Kanten des Kubus werden fest mit Draht verbunden.

1.6.1.3.   Thermoelemente

Geeignete Thermoelemente.

1.6.1.4.   Registriergerät

Jedes Registriergerät mit zwei Messkanälen, das für Temperaturen von 0 bis 600 oC oder den entsprechenden Thermospannungs-Bereich kalibriert ist.

1.6.2.   Versuchsbedingungen

Die Stoffe werden in ihrem Anlieferungszustand geprüft.

1.6.3.   Versuchsausführung

Der Kubus wird mit der Prüfsubstanz gefüllt und der Inhalt durch leichtes Aufstoßen verdichtet; es wird weitere Prüfsubstanz dazugegeben, bis der Kubus vollständig gefüllt ist. Der Kubus wird dann bei Raumtemperatur in die Mitte des Ofens eingesetzt. Ein Thermoelement wird in die Mitte des Kubus und das andere zur Registrierung der Ofentemperatur zwischen dem Kubus und der Ofenwand angebracht.

Während die Temperatur des Ofens mit einer Rate von 0,5 K/mm auf 400 oC oder bis zum Schmelzpunkt (wenn dieser niedriger liegt) gesteigert wird, wird die Temperatur des Ofens und der Probe kontinuierlich aufgezeichnet.

Wenn sich die Prüfsubstanz entzündet, zeigt das Thermoelement der Probe einen starken Temperaturanstieg über die Ofentemperatur hinaus.

2.   DATEN

Diejenige Temperatur des Ofens, bei der die Probentemperatur durch Selbsterhitzung 400 oC erreicht, ist für die Beurteilung maßgebend (siehe Abbildung 2).

3.   BERICHT

Im Prüfbericht ist, wenn möglich, Folgendes anzugeben:

 eine Beschreibung der Prüfsubstanz,

 die Messergebnisse einschließlich der Temperatur/Zeit-Kurve,

 alle zusätzlichen Bemerkungen, die für die Interpretation der Ergebnisse wichtig sind.

4.   LITERATUR

(1) NF T 20-036 (Sept. 85). Chemical products for industrial use. Determination of the relative temperature of the spontaneous flammability of solids.

Abbildung 1

Muster des Testkubus (Kantenlänge 20 mm)

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Abbildung 2

Typische Temperatur/Zeit-Kurve

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A.17.   BRANDFÖRDERNDE EIGENSCHAFTEN (FESTSTOFFE)

1.   METHODE

1.1.   EINLEITUNG

Es ist zweckdienlich, vor Ausführung dieses Versuchs Informationen über mögliche explosive Eigenschaften der Substanz zu haben.

Dieses Verfahren kann nicht auf Flüssigkeiten, Gase, explosive oder leichtentzündliche Substanzen oder organische Peroxide angewendet werden.

Die Prüfung braucht nicht ausgeführt zu werden, wenn die Prüfung der Strukturformel zweifelsfrei ergibt, dass die Substanz mit brennbarem Material nicht exotherm reagieren kann.

Zur Ermittlung der Sicherheitsvorkehrungen für die Versuchsausführung ist es notwendig, einen Vorversuch durchzuführen.

1.2.   DEFINITIONEN UND EINHEITEN

Abbrandzeit: diejenige Zeit in Sekunden, in der sich die Reaktionszone über die Schüttung ausbreitet, gemäß dem unter 1.6 beschriebenen Verfahren.

Abbrandgeschwindigkeit: anzugeben in mm/s.

Höchste Abbrandgeschwindigkeit: die höchsten Werte der Abbrandgeschwindigkeiten von Gemischen mit Massenanteilen an Oxidationsmitteln von 10 bis 90 %.

1.3.   REFERENZSUBSTANZ

Als Referenzsubstanz für die Prüfung und den Vorversuch wird Bariumnitrat (analysenrein) verwendet.

Referenzgemisch ist dasjenige Gemisch aus Bariumnitrat und Cellulosepulver, das gemäß 1.6 hergestellt wurde und die höchste Abbrandgeschwindigkeit hat (üblicherweise ein Gemisch mit einem Massenanteil an Bariumnitrat von 60 %).

1.4.   PRINZIP DER METHODE

Der Vorversuch wird aus Gründen der Sicherheit ausgeführt. Wenn der Vorversuch eindeutig ergibt, dass die Substanz brandfördernde Eigenschaften hat, sind keine weiteren Prüfungen erforderlich. Liegt ein solches eindeutiges Ergebnis nicht vor, so ist mit der Substanz der Hauptversuch auszuführen.

Für den Hauptversuch werden die Prüfsubstanz und eine definierte brennbare Substanz in verschiedenen Gewichtsverhältnissen gemischt. Jedes Gemisch wird dann zu Schüttungen geformt und diese Schüttungen werden an einem Ende gezündet. Die höchste ermittelte Abbrandgeschwindigkeit wird mit der höchsten Abbrandgeschwindigkeit des Referenzgemisches verglichen.

1.5.   QUALITÄTSKRITERIEN

Es ist jede Methode der Zerkleinerung und Mischung geeignet, die dazu führt, dass bei den sechs getrennten Versuchen die maximale Abbrandgeschwindigkeit vom arithmetischen Mittelwert um nicht mehr als 10 % abweicht.

1.6.   BESCHREIBUNG DER METHODE

1.6.1.   Vorbereitung

1.6.1.1.   Prüfsubstanz

Die Prüfsubstanz wird nach dem folgenden Verfahren auf eine Korngröße von < 0,125 mm gebracht: Substanz sieben, verbleibende Kornfraktion zerkleinern, das Verfahren so lange wiederholen, bis die gesamte Probe das Sieb passiert hat.

Es kann jedes Zerkleinerungs- und Siebverfahren eingesetzt werden, das den Qualitätskriterien genügt.

Vor der Herstellung des Gemisches wird die Substanz bei 105 oC bis zur Gewichtskonstanz getrocknet. Wenn die Zersetzungstemperatur der Substanz unterhalb 105 oC liegt, ist die Substanz bei entsprechend niedrigerer Temperatur zu trocknen.

1.6.1.2.   Brennbare Substanz

Cellulosepulver wird als brennbare Substanz verwendet. Es sollte dies ein Cellulosepulver sein, das für die Dünnschicht- oder Säulenchromatografie verwendet wird. Als geeignet hat sich eine Sorte mit einer Faserlänge von mehr als 85 % zwischen 0,020 und 0,075 mm erwiesen. Das Cellulosepulver wird unter Verwendung eines Siebes mit einer Maschenweite von 0,125 mm gesiebt. Für die gesamte Prüfung ist dieselbe Cellulosepartie zu verwenden.

Vor der Herstellung der Mischung wird das Cellulosepulver bei 105 oC bis zur Gewichtskonstanz getrocknet.

Wenn im Vorversuch Sägemehl verwendet wird, ist derjenige Anteil von Weichholzsägemehl zu verwenden, der ein Sieb mit einer Maschenweite von 1,6 mm passiert. Dieses Sägemehl wird sorgfältig gemischt und in einer Schichtdicke von maximal 25 mm bei 105 oC 4 Stunden lang getrocknet. Abkühlen lassen und bis zur Verwendung (möglichst innerhalb von 24 Stunden nach dem Trocknen) in einem luftdichten Behälter aufbewahren, der so voll wie möglich gefüllt sein soll.

1.6.1.3.   Zündquelle

Als Zündquelle wird die Flamme eines Gasbrenners (Mindestdurchmesser 5 mm) benutzt. Bei Verwendung einer anderen Zündquelle (z. B. bei Prüfungen in einer inerten Atmosphäre) ist eine entsprechende Beschreibung mit Begründung dem Bericht beizufügen.

1.6.2.   Versuchsausführung

Bemerkung

Gemische aus Oxidationsmitteln und Cellulose oder Sägemehl müssen als potenziell explosionsgefährlich angesehen und mit großer Sorgfalt behandelt werden.

1.6.2.1.   Vorversuch

Die getrocknete Substanz wird mit der getrockneten Cellulose oder mit getrocknetem Sägemehl (Gewichtsverhältnis: 2 Teile Prüfsubstanz, 1 Teil Cellulose oder Sägemehl) gründlich gemischt. Das Gemisch wird zu einer kegelförmigen Schüttung mit 3,5 cm Durchmesser (Durchmesser der Grundfläche) und 2,5 cm Höhe geformt, indem es ohne besonderes Andrücken in eine kegelförmige Form eingefüllt wird (z. B. in einen Laboratoriums-Glastrichter mit verstopftem Abflussrohr).

Die Schüttung wird auf einer kalten, nicht brennbaren, nichtporösen Grundplatte mit geringer Wärmeleitfähigkeit angeordnet. Der Versuch ist gemäß 1.6.2.2 in einem Abzug auszuführen.

Der Kegel wird mit einer Zündquelle entzündet. Heftigkeit und Dauer der eintretenden Reaktion werden beobachtet und notiert.

Die Substanz wird als brandfördernd beurteilt, wenn die Reaktion heftig ist.

In allen Fällen, in denen Zweifel am Ergebnis möglich sind, ist das nachstehend beschriebene vollständige Prüfverfahren anzuwenden.

1.6.2.2.   Hauptversuch

Es werden Gemische aus Oxidationsmittel und Cellulose hergestellt, mit Massenanteilen an Oxidationsmitteln von 10 % bis 90 %, in 10 %-Intervallen. Für Grenzfälle sollten Gemische von Oxidationsmitteln und Cellulose mit dazwischen liegender Zusammensetzung hergestellt werden, um bei der Bestimmung der höchsten Abbrandgeschwindigkeit genauere Werte zu erhalten.

Die Schüttung wird mittels einer Form hergestellt. Die Form besteht aus Metall, hat eine Länge von 250 mm und einen dreieckigen Querschnitt mit einer inneren Höhe von 10 mm und einer inneren Breite von 20 mm. Die Form wird an beiden Längsseiten von zwei Metallblechen begrenzt, die den dreieckigen Querschnitt um 2 mm überragen (siehe Abbildung). Diese Anordnung wird mit einem geringen Überschuss lose gefüllt. Nach dem Fallenlassen der Form aus 2 cm Höhe auf eine feste Unterlage wird die überstehende Substanz mit einem flachen Blech abgestrichen. Dann werden die seitlichen Begrenzungen entfernt und die verbleibende Schicht wird mit einer Rolle geglättet. Nun wird eine nichtbrennbare und nichtporöse Platte mit geringer Wärmeleitfähigkeit auf die Form gelegt, das Ganze um 180o gedreht und die Form entfernt.

Die Schüttung wird quer zur Zugrichtung in einem Abzug angeordnet.

Die Absauggeschwindigkeit muss so hoch sein, dass Rauch nicht in das Labor dringen kann; sie soll auch während des Versuchs nicht verändert werden. Um die Versuchsanordnung herum ist ein Windschutz aufzustellen.

Wegen der Hygroskopizität der Cellulose und mancher Prüfsubstanzen soll die Prüfung so schnell wie möglich ausgeführt werden.

Die Schüttung wird an einem Ende mit der Gasflamme gezündet.

Es wird die Abbrandzeit über eine Strecke von 200 mm gemessen, nachdem die Reaktionszone eine Strecke von 30 mm vom Start zurückgelegt hat.

Die Prüfung wird mit der Referenzsubstanz und mindestens einmal mit jedem der abgestuften Gemische Prüfsubstanz/Cellulose ausgeführt.

Wenn festgestellt wird, dass die Abbrandgeschwindigkeit signifikant größer ist als die des Referenzgemisches, kann die Prüfung beendet werden. Andernfalls muss mit den drei Gemischen, die die höchsten Abbrandgeschwindigkeiten ergeben haben, der Abbrandversuch jeweils fünfmal wiederholt werden.

Wenn der Verdacht auf ein falsches positives Ergebnis besteht, muss die Prüfung wiederholt werden und zwar anstelle von Cellulose mit einer inerten Substanz ähnlicher Korngröße, z. B. Kieselgur. Alternativ ist das Gemisch Prüfsubstanz/Cellulose mit der höchsten Abbrandgeschwindigkeit in einer inerten Atmosphäre zu prüfen (< 2 % Volumenanteile Sauerstoff).

2.   DATEN

Aus sicherheitstechnischen Gründen ist die höchste Abbrandgeschwindigkeit — nicht der Mittelwert — als charakteristisches Merkmal für das brandfördernde Verhalten der Prüfsubstanz anzusehen.

Der höchste Wert der Abbrandgeschwindigkeit in einer Serie von sechs Versuchen mit einer bestimmten Mischung ist maßgebend für die Ausweitung.

Die höchsten Werte der Abbrandgeschwindigkeit für jede Mischung werden gegen den Gehalt an Prüfsubstanz aufgetragen. Aus dieser Kurve wird dann die höchste Abbrandgeschwindigkeit ermittelt.

Die sechs in einer Serie gemessenen Werte für die Abbrandgeschwindigkeit desjenigen Gemisches, das die höchste Abbrandgeschwindigkeit aufweist, dürfen nicht mehr als 10 % vom arithmetischen Mittelwert abweichen. Andernfalls müssen die Methoden der Zerkleinerung und Mischung überprüft werden.

Die höchste gemessene Abbrandgeschwindigkeit wird mit der höchsten Abbrandgeschwindigkeit des Referenzgemisches verglichen (siehe 1.3).

Bei Prüfungen in inerter Atmosphäre wird die höchste Reaktionsgeschwindigkeit mit derjenigen des Referenzgemisches in einer inerten Atmosphäre verglichen.

3.   BERICHT

3.1.   PRÜFBERICHT

Im Prüfbericht ist, wenn möglich, Folgendes anzugeben:

 Identität, Zusammensetzung, Reinheit, Feuchtegehalt usw. der Prüfsubstanz,

 sämtliche Vorbehandlungen der Prüfsubstanz (z. B. Mahlung, Trocknung usw.),

 die bei den Prüfungen verwendete Zündquelle,

 die Ergebnisse der Messungen,

 die Art der Reaktion (z. B. schnelle Brandausbreitung an der Oberfläche, Brennen durch das gesamte Volumen, sämtliche Angaben über Verbrennungsprodukte usw.),

 die Ergebnisse der Prüfungen mit einem inerten Stoff (wenn ausgeführt),

 alle zusätzlichen Bemerkungen, die für die Interpretation der Ergebnisse wichtig sind, einschließlich einer Beschreibung der Heftigkeit (Aufflammen, Funkenwurf, Rauchentwicklung, langsames Schwelen usw.) und der ungefähren Dauer der Reaktion beim Vorversuch mit Prüf- und Bezugssubstanz,

 die Ergebnisse der Prüfungen mit einem inerten Stoff (wenn ausgeführt),

 die Ergebnisse der Prüfungen in inerter Atmosphäre (wenn ausgeführt).

3.2.   INTERPRETATION DES ERGEBNISSES

Eine Substanz wird als brandfördernd beurteilt, wenn

a) sie im Vorversuch eine heftige Reaktion zeigt;

b) beim vollständigen Prüfverfahren die höchste Abbrandgeschwindigkeit der Prüfgemische größer oder gleich der höchsten Abbrandgeschwindigkeit des Referenzgemisches aus Cellulose und Bariumnitrat ist.

Um ein falsches positives Ergebnis zu vermeiden, sind bei der Interpretation der Ergebnisse auch die Prüfergebnisse für das Gemisch aus Prüfsubstanz und einem inerten Stoff und/oder von Prüfungen in einer inerten Atmosphäre zu berücksichtigen.

4.   LITERATUR

(1) NF T 20-035 (Sept. 85). Chemical products for industrial use. Determination of the oxidizing properties of solids.

Anlage

Abbildung

Form und Zubehör zur Herstellung der Schüttung

(alle Maßangaben in mm)

image

A.18.   ZAHLENGEMITTELTE MOLMASSE UND MOLMASSENVERTEILUNG VON POLYMEREN

1.   METHODE

Diese gelpermeationschromatografische Methode entspricht der OECD TG 118 (1996). Die wichtigsten Grundsätze und weitere technische Informationen werden in den Literaturhinweisen (1) genannt.

1.1.   EINLEITUNG

Da die Eigenschaften von Polymeren so unterschiedlich sind, ist es unmöglich, nur eine einzige Methode zu nennen, die alle Bedingungen für die Trennung und Auswertung erfüllt und somit sämtliche Eventualitäten und Besonderheiten bei der Trennung von Polymeren berücksichtigt. Insbesondere für komplexe polymere Systeme ist die Gelpermeationschromatografie (GPC) häufig nicht geeignet. Wenn die GPC nicht anwendbar ist, kann die Molmasse mit Hilfe anderer Methoden bestimmt werden (siehe Anlage). In solchen Fällen muss die verwendete Methode in allen Einzelheiten beschrieben und die Gründe für deren Verwendung genannt werden.

Die beschriebene Methode beruht auf DIN-Norm 55672 (1). Diese Norm enthält ausführliche Informationen darüber, wie die Versuche durchgeführt und wie die Daten ausgewertet werden müssen. Wenn Änderungen der Versuchsbedingungen notwendig sein sollten, müssen diese Änderungen begründet werden. Es können andere Normen herangezogen werden, diese müssen jedoch belegt werden. Im beschriebenen Verfahren werden Polystyrolproben bekannter Polydispersität zur Kalibrierung verwendet; es kann jedoch vorkommen, dass das Verfahren für bestimmte Polymere, z. B. wasserlösliche und langkettige, verzweigte Polymere, angepasst werden muss.

1.2.   DEFINITIONEN UND EINHEITEN

Die zahlengemittelte Molmasse Mn und die gewichtsgemittelte Molmasse werden anhand folgender Gleichungen bestimmt:



image

image

Dabei ist:

Hi = die Höhe des Detektorsignals von der Grundlinie für das Retentionsvolumen Vi

Mi = die Molmasse der Polymerfraktion bei dem Retentionsvolumen Vi

n = die Zahl der Datenpunkte

Die Breite der Molmassenverteilung, die ein Maß für die Dispersität des Systems ist, wird durch das Verhältnis Mw/Mn ausgedrückt.

1.3.   REFERENZSUBSTANZEN

Da es sich bei der GPC um eine relative Methode handelt, muss eine Kalibrierung vorgenommen werden. Hierzu werden in der Regel eng verteilte, linear aufgebaute Polystyrolstandards mit bekannten mittleren Molmassen Mn und Mw und einer bekannten Molmassenverteilung verwendet. Die Eichkurve kann für die Bestimmung der Molmassen unbekannter Proben nur herangezogen werden, wenn die Bedingungen für die Trennung der Probe und der Standards identisch sind.

Ein fester Bezug zwischen der Molmasse und dem Elutionsvolumen ist nur unter den spezifischen Bedingungen des betreffenden Versuchs zulässig. Diese Bedingungen umfassen vor allem die Temperatur, das Lösungsmittel (oder die Lösungsmittelmischung), die chromatografischen Bedingungen und die Trennsäule bzw. das Trennsäulensystem.

Bei den auf diese Weise ermittelten Molmassen der Probe handelt es sich um relative Werte, die als „polystyrol-äquivalente“ Molmasse bezeichnet werden. Das bedeutet, dass — in Abhängigkeit von den strukturellen und chemischen Unterschieden zwischen der Probe und den Standards — die Molmassen mehr oder weniger von den absoluten Werten abweichen können. Werden andere Standards verwendet, z. B. Polyethylenglykol, Polyethylenoxid, Polymethylmethacrylat, Polyacrylsäure, so muss dies begründet werden.

1.4.   PRINZIP DER PRÜFMETHODE

Sowohl die Molmassenverteilung der Probe als auch die mittleren Molmassen (Mn, Mw) können mit Hilfe der GPC bestimmt werden. Bei der GPC handelt es sich um eine besondere Form der Flüssigchromatografie, bei der die Probe nach den hydrodynamischen Volumina der einzelnen Bestandteile (2) aufgetrennt wird.

Die Trennung erfolgt, indem die Probe durch eine Säule läuft, die mit einem porösen Material, in der Regel einem organischen Gel, gefüllt ist. Kleine Moleküle durchdringen die Poren, während große Moleküle ausgeschlossen werden. Der Weg der großen Moleküle ist daher kürzer, und folglich werden diese zuerst eluiert. Die Moleküle mittlerer Größe durchdringen einige der Poren und werden zu einem späteren Zeitpunkt eluiert. Die kleinsten Moleküle, mit einem durchschnittlichen hydrodynamischen Radius, der kleiner ist als die Poren des Gels, können alle Poren durchdringen. Diese werden zuletzt eluiert.

Im Idealfall erfolgt die Trennung ausschließlich über die Größe der Moleküle, doch ist es in der Praxis schwierig, gewisse störende Absorptionseffekte zu vermeiden. Ungleichmäßige Säulenfüllungen und Totvolumen können zur weiteren Verschlechterung der Trennung führen (2).

Die Detektion erfolgt beispielsweise über den Brechungsindex oder die UV-Absorption und ergibt eine einfache Verteilungskurve. Um tatsächliche Molmassenwerte für die Kurve zu erhalten, ist es notwendig, die Säule zu kalibrieren, indem Polymere mit bekannter Molmasse und idealerweise auch mit im großen und ganzen vergleichbarer Struktur, z. B. verschiedene Polystyrolstandards, auf diese Säule aufgegeben werden. In der Regel ergibt sich eine Gaußsche Kurve, die manchmal durch einen kleinen Schwanz in Richtung der niedrigen Molmassen verzerrt ist; die vertikale Achse zeigt die Häufigkeit der verschiedenen eluierten Molmassenfraktionen, die horizontale Achse log Molmasse.

1.5.   QUALITÄTSKRITERIEN

Die Wiederholbarkeit (Relative Standardabweichung: RSA) für den Wert des Elutionsvolumens sollte besser als 0,3 % sein. Die geforderte Wiederholbarkeit der Analyse muss durch Korrektur mittels eines internen Standards gewährleistet sein, wenn ein Chromatogramm zeitabhängig ausgewertet wird und nicht dem oben genannten Kriterium (1) entspricht. Die Polydispersitäten sind von den Molmassen der Standards abhängig. Für die Polystyrolstandards sind folgende Werte charakteristisch:



Mp < 2 000

Mw/Mn < 1,20

2 000 ≤ Mp ≤ 106

Mw/Mn < 1,05

Mp > 106

Mw//Mn < 1,20

(Mp bezeichnet die Molmasse des Standards am Peakmaximum.)

1.6.   BESCHREIBUNG DER TESTMETHODE

1.6.1.   Vorbereitung der Standardpolystyrollösungen

Die Polystyrolstandards werden vorsichtig im gewählten Elutionsmittel gelöst. Die Empfehlungen des Herstellers müssen bei der Vorbereitung der Lösungen berücksichtigt werden.

Die Konzentrationen der gewählten Standards sind von verschiedenen Faktoren abhängig, z. B. Injektionsvolumen, Viskosität der Lösung und Empfindlichkeit des analytischen Detektors. Das maximale Injektionsvolumen muss der Länge der Säule angepasst werden, um eine Überladung zu vermeiden. Normalerweise liegen die Injektionsvolumina für analytische Trennungen mittels GPC durch eine Säule von 30 cm × 7,8 mm zwischen 40 und 100 μl. Größere Volumen sind möglich, doch sollten 250 μl nicht überschritten werden. Das optimale Verhältnis zwischen Injektionsvolumen und Konzentration muss vor der eigentlichen Kalibrierung der Säule bestimmt werden.

1.6.2.   Vorbereitung der Probelösung

Im Prinzip gelten die zuvor genannten Anforderungen auch für die Vorbereitung der Probelösungen. Die Probe wird in einem geeigneten Lösungsmittel, z. B. Tetrahydrofuran (THF), durch vorsichtiges Schütteln gelöst. Das Polymer sollte unter keinen Umständen mittels Ultraschallbad gelöst werden. Wenn nötig, wird die Probelösung mit Hilfe eines Membranfilters mit einer Porengröße von 0,2 bis 2 μm gereinigt.

Die Anwesenheit ungelöster Partikel muss im Abschlußbericht dokumentiert werden, da diese auf hohe Molmassenfraktionen zurückzuführen sein könnte. Es sollte ein geeignetes Verfahren verwendet werden, um die Gewichtsanteile der ungelösten Partikel zu bestimmen. Die Lösung sollte innerhalb von 24 Stunden verbraucht werden.

1.6.3.   Apparatur

 Lösungsmittelvorratsgefäß

 Vorrichtung zum Entgasen (gegebenenfalls)

 Pumpe

 Pulsationsdämpfer (gegebenenfalls)

 Injektionssystem

 Chromatografiesäulen

 Detektor

 Durchflussmesser (gegebenenfalls)

 Datenaufzeichnungs-/-verarbeitungsgerät

 Abfallbehältnis

Es muss sichergestellt sein, dass das GPC-System gegenüber dem verwendeten Lösungsmittel inert ist (z. B. durch die Verwendung von Stahlkapillaren für das Lösungsmittel THF).

1.6.4.   Injektion und Lösungsmittelzugabesystem

Auf die Säule wird eine bestimmte Menge der Probelösung, entweder automatisch oder manuell in einer scharf begrenzten Zone aufgegeben. Ein zu schnelles Zurückziehen oder Drücken des Spritzenkolbens (bei manueller Ausführung) kann Veränderungen in der beobachteten Molmassenverteilung zur Folge haben. Die Lösungsmittelzugabe sollte möglichst pulsationsfrei erfolgen, wobei idealerweise ein Pulsationsdämpfer eingesetzt wird. Die Durchflussgeschwindigkeit liegt in der Größenordnung von 1 ml/min.

1.6.5.   Säule

Je nach Art der Probe wird das Polymer durch Verwendung einer einfachen oder mehrerer in Reihe geschalteter Säulen charakterisiert. Im Handel ist eine Reihe poröser Säulenmaterialien mit definierten Eigenschaften (z. B. Porengröße, Ausschlussgrenzen) erhältlich. Die Wahl des Trenngels oder der Länge der Säule ist sowohl von den Eigenschaften der Probe (hydrodynamisches Volumen, Molmassenverteilung) als auch von den spezifischen Bedingungen für die Trennung wie z. B. Lösungsmittel, Temperatur und Durchflussgeschwindigkeit (1) (2) (3) abhängig.

1.6.6.   Theoretische Böden

Die für die Trennung verwendete Säule bzw. Säulenkombination muss durch die Anzahl der theoretischen Böden charakterisiert sein. Dies umfasst (wenn THF als Elutionsmittel verwendet wird) die Aufgabe einer Lösung von Ethylenbenzol oder einer anderen geeigneten nichtpolaren Substanz auf die Säule. Die Zahl der theoretischen Böden ergibt sich aus folgender Gleichung:



image

oder

image

Dabei ist:

N

=

die Zahl der theoretischen Böden

Ve

=

das Elutionsvolumen am Peakmaximum

W

=

die Peakbreite an der Grundlinie

W1/2

=

die Peakbreite in halber Höhe

1.6.7.   Trennleistung

Außer der Zahl der theoretischen Böden, die für die Bestimmung der Bandbreite notwendig ist, spielt auch die Trennleistung eine Rolle, die sich aus der Steilheit der Eichkurve ergibt. Die Trennleistung einer Säule wird aus folgender Beziehung abgeleitet:

image

Dabei ist:

Ve, Mx

=

das Elutionsvolumen für Polystyrol mit der Molmasse Mx

Ve,(10.Mx)

=

das Elutionsvolumen für Polystyrol mit einer zehnmal größeren Molmasse

Die Auflösung (R) des Systems wird allgemein wie folgt definiert:

image

Dabei ist:

Ve1, Ve2

=

die Elutionsvolumen der beiden Polystyrolstandards am Peakmaximum

W1, W2

=

die Peakbreite an der Grundlinie

M1, M2

=

die Molmassen am Peakmaximum (sollten um den Faktor 10 differieren)

Der R-Wert für das Säulensystem sollte größer als 1,7 (4) sein.

1.6.8.   Lösungsmittel

Alle Lösungsmittel müssen von höchster Reinheit sein (T'HF wird in einer Reinheit von 99,5 % verwendet). Die Größe des Lösungsmittelreservoirs (gegebenenfalls in einer Inertgasatmosphäre) muss für die Kalibrierung der Säule und mehrere Probenanalysen ausreichend sein. Das Lösungsmittel muss entgast werden, bevor es mit Hilfe der Pumpe auf die Säule aufgegeben wird.

1.6.9.   Temperaturkontrolle

Die Temperatur von Injektionsschleife, Säulen, Detektor und Säulenmaterial sollte konstant und auf das gewählte Lösungsmittel abgestimmt sein.

1.6.10.   Detektor

Der Detektor dient zur mengenmäßigen Erfassung der Konzentration der aus der Säule eluierten Probe. Um eine unnötige Verbreiterung der Peaks zu vermeiden, muss das Kuvettenvolumen der Detektorzelle so klein wie möglich gehalten werden. Außer bei Lichtstreuungs- und Viskositätsdetektoren sollte es nicht mehr als 10 μl betragen. Für die Detektion wird in der Regel die Differentialrefraktometrie eingesetzt. Wenn es die spezifischen Eigenschaften der Probe oder des Elutionsmittels erfordern, können auch andere Detektortypen verwendet werden, z. B. UV/VIS-, IR-, Viskositätsdetektoren etc.

2.   DATEN UND BERICHTERSTATTUNG

2.1.   DATEN

Im Hinblick auf die detaillierten Auswertungskriterien wie auch für die Anforderungen bezüglich Datenerfassung und -Verarbeitung sollte die DIN-Norm (1) angewendet werden.

Für jede Probe müssen zwei unabhängige Versuche durchgeführt werden, die getrennt analysiert werden.

Mn, Mw, Mw/Mn und Mp müssen für jede der Messungen bekannt sein. Es ist ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass es sich bei den gemessenen Werten um Relativwerte handelt, die der Molmasse des verwendeten Standards äquivalent sind.

Nach der Bestimmung der Retentionsvolumina oder der Retentionszeiten (u. U. mit Hilfe eines internen Standards korrigiert) werden die log Mp Werte (wobei Mp das Peakmaximum des Eichstandards ist) gegen eine dieser Größen aufgetragen. Mindestens zwei Eichpunkte sind pro Molmassendekade notwendig, und mindestens fünf Messpunkte sind für die Gesamtkurve erforderlich, durch die die geschätzte Molmasse der Probe erfasst werden soll. Der niedermolekulare Endpunkt der Eichkurve wird durch n-Hexylbenzol oder eine andere geeignete nichtpolare Substanz definiert. Zahlenmittel und Gewichtsmittel der Molmasse werden im Allgemeinen mittels elektronischer Datenverarbeitung auf der Grundlage der in Abschnitt 1.2 genannten Formeln ermittelt. Bei manueller Auswertung kann die ASTM D 3536-91 herangezogen werden (3).

Die Verteilungskurve muss in Form einer Tabelle oder als Abbildung (differentielle Häufigkeit oder Summenprozent gegen log M) dargestellt werden. Bei einer grafischen Darstellung sollte eine Molmassendekade in der Regel 4 cm breit sein, und das Peakmaximum sollte etwa 8 cm sein. Bei integralen Verteilungskurven sollte der Abstand auf der Ordinate zwischen 0 und 100 % bei ca. 10 cm liegen.

2.2.   PRÜFBERICHT

Der Prüfbericht muss folgende Informationen enthalten:

2.2.1.   Prüfsubstanz

 verfügbare Informationen über die Prüfsubstanz (Identität, Zusatzstoffe, Verunreinigungen)

 Beschreibung der Probenbehandlung, Beobachtungen, Probleme

2.2.2.   Instrumentierung

 Reservoir des Elutionsmittels, Inertgas, Entgasung des Elutionsmittels, Zusammensetzung des Elutionsmittels, Verunreinigungen

 Pumpe, Pulsationsdämpfer, Injektionssystem

 Trennsäulen (Hersteller, alle Angaben zu den Säuleneigenschaften, z. B. Porengröße, Art des Trennmaterials etc., Zahl, Länge und Anordnung der verwendeten Säulen)

 Zahl der theoretischen Böden der Säule (oder Säulenkombination), Trennleistung (Auflösungsvermögen des Systems)

 Angaben über die Peaksymmetrie

 Säulentemperatur, Art der Temperaturkontrolle

 Detektor (Messprinzip, Typ, Kuvettenvolumen)

 gegebenenfalls Durchflussmesser (Hersteller, Messprinzip)

 Datenaufzeichnungs- und -Verarbeitungssystem (Hardware und Software)

2.2.3.   Systemkalibrierung

 detaillierte Beschreibung des für die Erstellung der Eichkurve verwendeten Verfahrens

 Angaben zu Qualitätskriterien dieses Verfahrens (z. B. Korrelationskoeffizient, Quadratsummenfehler usw.)

 Angaben über alle Extrapolationen und Näherungen während des Versuchsablaufs sowie in der Auswertung und Verarbeitung der Daten

 alle Messungen zur Erstellung der Eichkurve müssen in einer Tabelle dokumentiert sein, die für jeden Eichpunkt folgende Angaben enthält:

 

 Name der Probe,

 Hersteller der Probe,

 charakteristische Werte der Standards Mp, Mn, Mw, Mw/Mn, wie sie vom Hersteller genannt oder aus Messungen abgeleitet wurden, sowie alle Einzelheiten zur Bestimmungsmethode,

 Injektionsvolumen und Injektionskonzentration,

 für die Kalibrierung verwendeter Mp-Wert,

 am Peakmaximum gemessenes Elutionsvolumen oder korrigierte Retentionszeit,

 Mp, berechnet am Peakmaximum,

 prozentualer Fehler von berechneten Mp und Kalibrierwert Mp.

2.2.4.   Auswertung

 Auswertung über die Zeit: verwendete Verfahren zur Gewährleistung der geforderten Reproduzierbarkeit (Korrekturverfahren, interner Standard etc.)

 Angaben darüber, ob die Bewertung auf der Grundlage des Elutionsvolumens oder der Retentionszeit vorgenommen wurde

 Angaben zu den Grenzen der Auswertung, wenn ein Peak nicht vollständig analysiert wurde

 Beschreibung der Glättungsmethoden, falls verwendet

 Vorbereitung und Vorbehandlung der Probe

 Angaben zur Anwesenheit ungelöster Partikel, falls vorhanden

 Injektionsvolumen (μl) und Injektionskonzentration (mg/ml)

 Beobachtungen von Effekten, die zu Abweichungen vom idealen GPC-Profil führen

 ausführliche Beschreibung aller Änderungen im Prüfverfahren

 Einzelheiten zu den Fehlerbereichen

 alle weiteren Angaben und Beobachtungen, die für die Auswertung der Ergebnisse relevant sind.

3.   LITERATURHINWEISE

(1) DIN 55672 (1995). Gelpermeationschromatografie (GPC) mit Tetrahydrofuran (THF) als Elutionsmittel, Teil 1.

(2) Yau, W.W., Kirkland, J.J., and Bly, D.D. eds, (1979). Modern Size Exclusion Liquid Chromatography, J. Wiley and Sons.

(3) ASTM D 3536-91, (1991). Standard Test Method for Molecular Weight Averages and Molecular Weight Distribution by Liquid Exclusion Chromatography (Gel Permeation Chromatography-GPC). American Society for Testing and Materials, Philadelphia, Pennsylvania.

(4) ASTM D 5296-92 (1992). Standard Test Method for Molecular Weight Averages and Molecular Weight Distribution of Polystyrene by High Performance Size-Exclusion Chromatography. American Society for Testing and Materials, Philadelphia, Pennsylvania.

Anlage

Beispiele anderer Methoden zur Bestimmung der zahlengemittelten Molmasse (Mn) von Polymeren

Die Gelpermeationschromatografie (GPC) ist die bevorzugte Methode zur Bestimmung von Mn, insbesondere wenn eine Reihe von Standards zur Verfügung steht, deren Struktur mit der des Polymers vergleichbar ist. Wo jedoch praktische Schwierigkeiten beim Einsatz der GPC auftreten oder wo zu erwarten ist, dass kein korrekter Wert für Mn erhalten wird (und was bestätigt werden soll), stehen Alternativen zur Verfügung, wie z. B.:

1.   Nutzung kolligativer Eigenschaften

1.1. Ebullioskopie/Kryoskopie

besteht in der Messung der Siedepunkterhöhung (Ebullioskopie) oder Gefrierpunkterniedrigung (Kryoskopie) eines Lösungsmittels, wenn das Polymer zugefügt wird. Die Methode beruht auf der Tatsache, dass der Siede-/Gefrierpunkt des Lösungsmittels von der Molmasse des gelösten Polymers abhängig ist (1) (2).

Anwendungsbereich: Mn < 20 000 .

1.2. Dampfdruckerniedrigung

besteht in der Messung des Dampfdrucks einer gewählten Bezugsflüssigkeit vor und nach der Zugabe einer bekannten Menge des Polymers (1) (2).

Anwendungsbereich: Mn < 20 000 (theoretisch; in der Praxis jedoch nur von eingeschränktem Bedeutungswert).

1.3. Membranosmometrie

beruht auf dem Prinzip der Osmose, d. h. der natürlichen Tendenz von Lösungsmittelmolekülen, eine semipermeable Membran von einer verdünnten in Richtung einer konzentrierten Lösung zu durchdringen, um ein Gleichgewicht zu erreichen. In dem Test hat die verdünnte Lösung die Konzentration Null, während die konzentrierte Lösung das Polymer enthält. Die Wanderung des Lösungsmittels durch die Membran verursacht eine Druckdifferenz, die von der Konzentration und der Molmasse des Polymers (1) (3) (4) abhängig ist.

Anwendungsbereich: Mn < 20 000 -200 000 .

1.4. Dampfphasen-Osmometrie

besteht im Vergleich der Verdunstungsgeschwindigkeit eines reinen Lösungsmittelaerosols mit mindestens drei Aerosolen, die das Polymer in unterschiedlichen Konzentrationen (1) (5) (6) enthalten.

Anwendungsbereich: Mn < 20 000 .

2.   Endgruppen-Analyse

Um diese Methode verwenden zu können, muss sowohl die Gesamtstruktur des Polymermoleküls als auch die Art der Endgruppe der Kette bekannt sein (die beispielsweise mittels NMR oder Titration/Derivatisierung vom Hauptgerüst unterschieden werden muss). Über die Endgruppenzahl kann die Molmasse des Polymers errechnet werden (7) (8) (9).

Anwendungsbereich: Mn bis zu 50 000 (mit abnehmender Zuverlässigkeit).

   Literaturhinweise

(1) Billmeyer, F.W. Jr., (1984). Textbook of Polymer Science, 3rd ed., John Wiley, New York.

(2) Glover, C.A., (1975). Absolute Colligative Property Methods. Kapitel 4. In: Polymer Molecular Weights, Teil I, P.E. Slade, Jr. ed., Marcel Dekker, New York.

(3) ASTM D 3750-79, (1979). Standard Practice for Determination of Number-Average Molecular Weight of Polymers by Membrane Osmometry. American Society for Testing and Materials, Philadelphia, Pennsylvania.

(4) Coll, H. (1989). Membrane Osmometry. In: Determination of Molecular Weight, A.R. Cooper ed., J. Wiley and Sons, 25-52.

(5) ASTM 3592-77, (1977). Standard Recommended Practice for Determination of Molecular Weight by Vapour Pressure. American Society for Testing and Materials, Philadelphia, Pennsylvania.

(6) Morris, C.E.M., (1989). Vapour Pressure Osmometry. In: Determination of Molecular Weight, A.R. Cooper ed., John Wiley and Sons.

(7) Schröder, E., Müller, G, und Arndt, K.-F., (1989). Polymer Characterisation, Carl Hanser Verlag, München.

(8) Garmon, R.G., (1975). End-Group Determinations, Kapitel 3. In: Polymer Molecular Weights, Teil I, P.E. Slade, Jr. ed. Marcel Dekker, New York.

(9) Amiya, S., et al. (1990). Pure and Applied Chemistry, 62, 2139-2146.

A.19.   NIEDERMOLEKULARER ANTEIL VON POLYMEREN

1.   METHODE

Diese gelpermeationschromatografische Methode entspricht der OECD TG 119 (1996). Die wichtigsten Grundsätze und weitere technische Informationen werden in den Literaturhinweisen (1) genannt.

1.1.   EINLEITUNG

Da die Eigenschaften von Polymeren so unterschiedlich sind, ist es unmöglich, nur eine einzige Methode zu nennen, die alle Bedingungen für die Trennung und Auswertung erfüllt und somit sämtliche Eventualitäten und Besonderheiten bei der Trennung von Polymeren berücksichtigt. Insbesondere für komplexe polymere Systeme ist die Gelpermeationschromatografie (GPC) häufig nicht geeignet. Wenn die GPC nicht anwendbar ist, kann die Molmasse mit Hilfe anderer Methoden bestimmt werden (siehe Anlage). In solchen Fällen muss die verwendete Methode in allen Einzelheiten beschrieben und die Gründe für deren Verwendung genannt werden.

Die beschriebene Methode beruht auf DIN-Norm 55672 (1). Diese Norm enthält ausführliche Informationen darüber, wie die Versuche durchgeführt und wie die Daten ausgewertet werden müssen. Wenn Änderungen der Versuchsbedingungen notwendig sein sollten, müssen diese Änderungen begründet werden. Es können andere Normen herangezogen werden, diese müssen jedoch belegt werden. Im beschriebenen Verfahren werden Polystyrolproben bekannter Polydispersität zur Kalibrierung verwendet; es kann jedoch vorkommen, dass das Verfahren für bestimmte Polymere, z. B. wasserlösliche und langkettige, verzweigte Polymere, angepasst werden muss.

1.2.   DEFINITIONEN UND EINHEITEN

Der niedermolekulare Anteil wird willkürlich auf unter 1 000 Dalton festgelegt.

Die zahlengemittelte Molmasse Mn und die gewichtsgemittelte Molmasse Mw werden anhand folgender Gleichungen bestimmt:



image

image

Dabei ist:

Hi

=

die Höhe des Detektorsignals von der Grundlinie für das Retentionsvolumen Vi

Mi,

=

die Molmasse der Polymerfraktion bei dem Retentionsvolumen Vi

n

=

die Zahl der Datenpunkte

Die Breite der Molmassenverteilung, die ein Maß für die Dispersität des Systems ist, wird durch das Verhältnis Mw/Mn ausgedrückt.

1.3.   REFERENZSUBSTANZEN

Da es sich bei der GPC um eine relative Methode handelt, muss eine Kalibrierung vorgenommen werden. Hierzu werden in der Regel eng verteilte, linear aufgebaute Polystyrolstandards mit bekannten mittleren Molmassen Mn und Mw und einer bekannten Molmassenverteilung verwendet. Die Eichkurve kann für die Bestimmung der Molmassen unbekannter Proben nur herangezogen werden, wenn die Bedingungen für die Trennung der Probe und der Standards identisch sind.

Ein fester Bezug zwischen der Molmasse und dem Elutionsvolumen ist nur unter den spezifischen Bedingungen des betreffenden Versuchs zulässig. Diese Bedingungen umfassen vor allem die Temperatur, das Lösungsmittel (oder die Lösungsmittelmischung), die chromatografischen Bedingungen und die Trennsäule bzw. das Trennsäulensystem.

Bei den auf diese Weise ermittelten Molmassen der Probe handelt es sich um relative Werte, die als „polystyrol-äquivalente Molmasse“ bezeichnet werden. Das bedeutet, dass — in Abhängigkeit von den strukturellen und chemischen Unterschieden zwischen der Probe und den Standards — die Molmassen mehr oder weniger von den absoluten Werten abweichen können. Werden andere Standards verwendet, z. B. Polyethylenglykol, Polyethylenoxid, Polymethylmethacrylat, Polyacrylsäure, so muss dies begründet werden.

1.4.   PRINZIP DER PRÜFMETHODE

Sowohl die Molmassenverteilung der Probe als auch die mittleren Molmassen (Mn, Mw) können mit Hilfe der GPC bestimmt werden. Bei der GPC handelt es sich um eine besondere Form der Flüssigchromatografie, bei der die Probe nach den hydrodynamischen Volumina der einzelnen Bestandteile (2) aufgetrennt wird.

Die Trennung erfolgt, indem die Probe durch eine Säule läuft, die mit einem porösen Material, in der Regel einem organischen Gel, gefüllt ist. Kleine Moleküle durchdringen die Poren, während große Moleküle ausgeschlossen werden. Der Weg der großen Moleküle ist daher kürzer, und folglich werden diese zuerst eluiert. Die Moleküle mittlerer Größe durchdringen einige der Poren und werden zu einem späteren Zeitpunkt eluiert. Die kleinsten Moleküle, mit einem durchschnittlichen hydrodynamischen Radius, der kleiner ist als die Poren des Gels, können alle Poren durchdringen. Diese werden zuletzt eluiert.

Im Idealfall erfolgt die Trennung ausschließlich über die Größe der Moleküle, doch ist es in der Praxis schwierig, gewisse störende Absorptionseffekte zu vermeiden. Ungleichmäßige Säulenfüllungen und Totvolumen können zur weiteren Verschlechterung der Trennung führen (2).

Die Detektion erfolgt beispielsweise über den Brechungsindex oder die UV-Absorption und ergibt eine einfache Verteilungskurve. Um tatsächliche Molmassenwerte für die Kurve zu erhalten, ist es notwendig, die Säule zu kalibrieren, indem Polymere mit bekannter Molmasse sowie idealerweise auch mit im Großen und Ganzen vergleichbarer Struktur, z. B. verschiedene Polystyrolstandards, auf diese Säule aufgegeben werden. In der Regel ergibt sich eine Gaußsche Kurve, die gelegentlich durch einen kleinen Schwanz in Richtung der niedrigen Molmassen verzerrt ist; die vertikale Achse zeigt die Häufigkeit der verschiedenen eluierten Molmassenfraktionen, die horizontale Achse log Molmasse.

Der niedermolekulare Anteil wird aus dieser Kurve abgeleitet. Die Berechnung kann nur dann genau sein, wenn die niedermolekularen Fraktionen in Bezug auf die Masse äquivalent zum Polymer als Ganzes sind.

1.5.   QUALITÄTSKRITERIEN

Die Wiederholbarkeit (Relative Standardabweichung: RSA) für den Wert des Elutionsvolumens sollte besser als 0,3 % sein. Die geforderte Wiederholbarkeit der Analyse muss durch Korrektur mittels eines internen Standards gewährleistet sein, wenn ein Chromatogramm zeitabhängig ausgewertet wird und nicht dem oben genannten Kriterium (1) entspricht. Die Polydispersitäten sind von den Molmassen der Standards abhängig. Für die Polystyrolstandards sind folgende Werte charakteristisch:



Mp < 2 000

Mw/Mn < 1,20

2 000 ≤ Mp ≤ 106

Mw/Mn < 1,05

Mp > 106

Mw/Mn < 1,20

(Mp bezeichnet die Molmasse des Standards am Peakmaximum)

1.6.   BESCHREIBUNG DER PRÜFMETHODE

1.6.1.   Vorbereitung der Standardpolystyrollösungen

Die Polystyrolstandards werden vorsichtig im gewählten Elutionsmittel gelöst. Die Empfehlungen des Herstellers müssen bei der Vorbereitung der Lösungen berücksichtigt werden.

Die Konzentrationen der gewählten Standards sind von verschiedenen Faktoren abhängig, z. B. Injektionsvolumen, Viskosität der Lösung und Empfindlichkeit des analytischen Detektors. Das maximale Injektionsvolumen muss der Länge der Säule angepasst werden, um eine Überbeladung zu vermeiden. Normalerweise liegen die Injektionsvolumina für analytische Trennungen mittels GPC durch eine Säule von 30 cm × 7,8 mm zwischen 40 und 100 μl. Größere Volumen sind möglich, doch sollten 250 μl nicht überschritten werden. Das optimale Verhältnis zwischen Injektionsvolumen und Konzentration muss vor der eigentlichen Kalibrierung der Säule bestimmt werden.

1.6.2.   Vorbereitung der Probelösung

Im Prinzip gelten die zuvor genannten Anforderungen auch für die Vorbereitung der Probelösungen. Die Probe wird in einem geeigneten Lösungsmittel, z. B. Tetrahydrofuran (THF), durch vorsichtiges Schütteln gelöst. Die Lösung sollte unter keinen Umständen mittels Ultraschallbad gelöst werden. Wenn nötig, wird die Probelösung mit Hilfe eines Membranfilters mit einer Porengröße von 0,2 bis 2 μm gereinigt.

Die Anwesenheit ungelöster Partikel muss im Abschlussbericht dokumentiert werden, da diese auf hohe Molmassenfraktionen zurückzuführen sein könnte. Es sollte ein geeignetes Verfahren verwendet werden, um die Gewichtsanteile der ungelösten Partikel zu bestimmen. Die Lösung sollte innerhalb von 24 Stunden verbraucht werden.

1.6.3.   Berichtigungen aufgrund von Verunreinigungen und Zusatzstoffen

Die Korrektur des Gehalts an Fraktionen mit M < 1 000 aufgrund bestimmter vorhandener nichtpolymerer Komponenten (z. B. Verunreinigungen und/oder Zusatzstoffe) ist in der Regel notwendig, sofern der gemessene Gehalt nicht bereits < 1 % ist. Dies wird durch die direkte Analyse der Polymerlösung oder des GPC-Eluats erreicht.

Wenn das Eluat nach Durchlaufen der Säule für eine weitere Analyse zu verdünnt ist, muss es konzentriert werden. Es kann u. U. erforderlich sein, das Eluat bis zur Trocknung einzudampfen und den Rückstand neu aufzulösen. Die Konzentrierung des Eluats muss unter Bedingungen erfolgen, die sicherstellen, dass im Eluat keine Veränderungen auftreten. Die Behandlung des Eluats nach der GPC ist abhängig davon, welches analytische Verfahren für die quantitative Bestimmung eingesetzt wird.

1.6.4.   Apparatur

Die GPC-Apparatur besteht aus folgenden Komponenten:

 Lösungsmittelvorratsgefäß,

 Vorrichtung zum Entgasen (gegebenenfalls),

 Pumpe,

 Pulsationsdämpfer (gegebenenfalls),

 Injektionssystem,

 Chromatografiesäulen,

 Detektor,

 Durchflussmesser (gegebenenfalls),

 Datenaufzeichnungs-/-verarbeitungsgerät,

 Abfallbehältnis.

Es muss sichergestellt sein, dass das GPC-System gegenüber dem verwendeten Lösungsmittel inert ist (z. B. durch die Verwendung von Stahlkapillaren für das Lösungsmittel THF).

1.6.5.   Injektion und Lösungsmittelzugabesystem

Auf die Säule wird eine bestimmte Menge der Probelösung, entweder automatisch oder manuell in einer scharf begrenzten Zone aufgegeben. Ein zu schnelles Zurückziehen oder Drücken des Spritzenkolbens (bei manueller Ausführung) kann Veränderungen in der beobachteten Molmassenverteilung zur Folge haben. Die Lösungsmittelzugabe sollte möglichst pulsationsfrei sein, wobei idealerweise ein Pulsationsdämpfer eingesetzt wird. Die Durchflussgeschwindigkeit liegt in der Größenordnung von 1 ml/min.

1.6.6.   Säule

Je nach Art der Probe wird das Polymer durch Verwendung einer einfachen oder mehrerer in Reihe geschalteter Säulen charakterisiert. Im Handel ist eine Reihe poröser Säulenmaterialien mit definierten Eigenschaften (z. B. Porengröße, Ausschlussgrenzen) erhältlich. Die Wahl des Trenngels oder der Länge der Säule ist sowohl von den Eigenschaften der Probe (hydrodynamisches Volumen, Molmassenverteilung) als auch von den spezifischen Bedingungen für die Trennung wie z. B. Lösungsmittel, Temperatur und Durchflussgeschwindigkeit (1) (2) (3) abhängig.

1.6.7.   Theoretische Böden

Die für die Trennung verwendete Säule bzw. Säulenkombination muss durch die Anzahl der theoretischen Böden charakterisiert sein. Dies umfasst (wenn THF als Elutionsmittel verwendet wird) die Aufgabe einer Lösung von Ethylenbenzol oder einer anderen geeigneten nichtpolaren Substanz auf die Säule. Die Zahl der theoretischen Böden ergibt sich aus folgender Gleichung:



image

oder

image

Dabei ist:

N

=

die Zahl der theoretischen Böden

Ve

=

das Elutionsvolumen am Peakmaximum

W

=

die Peakbreite an der Grundlinie

W1/2

=

die Peakbreite in halber Höhe

1.6.8.   Trennleistung

Außer der Zahl der theoretischen Böden, die für die Bestimmung der Bandbreite notwendig ist, spielt auch die Trennleistung eine Rolle, die sich aus der Steilheit der Eichkurve ergibt. Die Trennleistung einer Säule wird aus folgender Beziehung abgeleitet:

image

Dabei ist:

Ve, Mx

=

das Elutionsvolumen für Polystyrol mit der Molmasse Mx

Ve,(10.Mx)

=

das Elutionsvolumen für Polystyrol mit einer zehnmal größeren Molmasse

Die Auflösung (R) des Systems wird allgemein wie folgt definiert:

image

Dabei ist:

Ve1, Ve2

=

die Elutionsvolumen der beiden Polystyrolstandards am Peakmaximum

W1, W2

=

die Peakbreite an der Grundlinie

M1, M2

=

die Molmassen am Peakmaximum (sollten um den Faktor 10 differieren)

Der R-Wert für das Säulensystem sollte größer als 1,7 (4) sein.

1.6.9.   Lösungsmittel

Alle Lösungsmittel müssen von höchster Reinheit sein (THF wird in einer Reinheit von 99,5 % verwendet). Die Größe des Lösungsmittelreservoirs (gegebenenfalls in einer Inertgasatmosphäre) muss für die Kalibrierung der Säule und mehrere Probenanalysen ausreichend sein. Das Lösungsmittel muss entgast werden, bevor es mit Hilfe der Pumpe auf die Säule aufgegeben wird.

1.6.10.   Temperaturkontrolle

Die Temperatur von Injektionsschleife, Säulen, Detektor und Säulenmaterial sollte konstant und auf das gewählte Lösungsmittel abgestimmt sein.

1.6.11.   Detektor

Der Detektor dient zur mengenmäßigen Erfassung der Konzentration der aus der Säule eluierten Probe. Um eine unnötige Verbreiterung der Peaks zu vermeiden, muss das Kuvettenvolumen der Detektorzelle so klein wie möglich gehalten werden. Außer bei Lichtstreuungs- und Viskositätsdetektoren sollte es nicht mehr als 10 μl betragen. Für die Detektion wird in der Regel die Differentialrefraktometrie eingesetzt. Wenn es die spezifischen Eigenschaften der Probe oder des Elutionsmittels erfordern, können auch andere Detektortypen verwendet werden, z. B. UV/VIS-, IR-, Viskositätsdetektoren usw.

2.   DATEN UND BERICHTERSTATTUNG

2.1.   DATEN

Im Hinblick auf die detaillierten Auswertungskriterien wie auch für die Anforderungen bezüglich Datenerfassung und -Verarbeitung sollte die DIN-Norm (1) angewendet werden.

Für jede Probe müssen zwei unabhängige Versuche durchgeführt werden, die getrennt analysiert werden. Ferner ist es absolut unerlässlich, auch Daten aus Blindproben zu ermitteln, die unter den gleichen Bedingungen getestet werden wie die Probe.

Es ist ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass es sich bei den gemessenen Werten um Relativwerte handelt, die der Molmasse des verwendeten Standards äquivalent sind.

Nach der Bestimmung der Retentionsvolumina oder der Retentionszeiten (u. U. mit Hilfe eines internen Standards korrigiert) werden die log Mp Werte (wobei Mp das Peakmaximum des Eichstandards ist) gegen eine dieser Größen aufgetragen. Mindestens zwei Eichpunkte sind pro Molmassendekade notwendig, und mindestens fünf Messpunkte sind für die Gesamtkurve erforderlich, durch die die geschätzte Molmasse der Probe erfasst werden soll. Der niedermolekulare Endpunkt der Eichkurve wird durch n-Hexylbenzol oder eine andere geeignete nichtpolare Substanz definiert. Zahlenmittel und Gewichtsmittel der Molmasse werden im Allgemeinen mittels elektronischer Datenverarbeitung auf der Grundlage der in Abschnitt 1.2 genannten Formeln ermittelt. Bei manueller Auswertung kann die ASTM D 3536-91 herangezogen werden (3).

Wenn unlösliche Polymeranteile in der Säule zurückgehalten werden, ist ihre Molmasse wahrscheinlich höher als die der löslichen Fraktion. Wird dies nicht berücksichtigt, kann der niedermolekulare Anteil zu hoch eingeschätzt werden; in der Anlage ist beschrieben, wie der unlösliche Polymeranteil berücksichtigt werden kann.

Die Verteilungskurve muss in Form einer Tabelle oder als Zahl (differentielle Häufigkeit oder Summenprozent gegen log M) dargestellt werden. Bei der grafischen Darstellung sollte eine Molmassendekade in der Regel 4 cm breit sein, und das Peakmaximum sollte etwa 8 cm sein. Bei integralen Verteilungskurven sollte der Abstand auf der Ordinate zwischen 0 und 100 % ca. 10 cm betragen.

2.2.   PRÜFBERICHT

Der Prüfbericht muss folgende Informationen enthalten:

2.2.1.   Prüfsubstanz

 Verfügbare Informationen über die Prüfsubstanz (Identität, Zusatzstoffe, Verunreinigungen)

 Beschreibung der Probenbehandlung, Beobachtungen, Probleme

2.2.2.   Instrumentierung

 Reservoir des Elutionsmittels, Inertgas, Entgasung des Elutionsmittels, Zusammensetzung des Elutionsmittels, Verunreinigungen

 Pumpe, Pulsationsdämpfer, Injektionssystem

 Trennsäulen (Hersteller, alle Angaben zu den Säuleneigenschaften, z. B. Porengröße, Art des Trennmaterials etc., Zahl, Länge und Anordnung der verwendeten Säulen)

 Zahl der theoretischen Böden der Säule (oder Säulenkombination), Trennleistung (Auflösungsvermögen des Systems)

 Angaben über die Peaksymmetrie

 Säulentemperatur, Art der Temperaturkontrolle

 Detektor (Messprinzip, Typ, Kuvettenvolumen)

 gegebenenfalls Durchflussmesser (Hersteller, Messprinzip)

 Datenaufzeichnungs- und -Verarbeitungssystem (Hardware und Software)

2.2.3.   Systemkalibrierung

 Detaillierte Beschreibung des für die Erstellung der Eichkurve verwendeten Verfahrens

 Angaben zu Qualitätskriterien dieses Verfahrens (z. B. Korrelationskoeffizient, Quadratsummenfehler usw.)

 Angaben über alle Extrapolationen und Näherungen während des Versuchsablaufs sowie in der Auswertung und Verarbeitung der Daten

 Alle Messungen zur Erstellung der Eichkurve müssen in einer Tabelle dokumentiert sein, die für jeden Eichpunkt folgende Angaben enthält:

 

 Name der Probe,

 Hersteller der Probe,

 charakteristische Werte der Standards Mp, Mn, Mw, Mw/Mn, wie sie vom Hersteller genannt oder aus Messungen abgeleitet wurden, sowie alle Einzelheiten zur Bestimmungsmethode,

 Injektionsvolumen und Injektionskonzentration,

 für die Kalibrierung verwendeter Mp-Wert,

 am Peakmaximum gemessenes Elutionsvolumen oder korrigierte Retentionszeit,

 Mp, berechnet am Peakmaximum,

 prozentualer Fehler vom berechneten Mp und Kalibrierwert Mp.

2.2.4.   Angaben zum niedermolekularen Anteil

 Beschreibung der für die Analyse verwendeten Methoden sowie der Art und Weise, wie die Versuche durchgeführt wurden

 Angaben zu dem prozentuellen Anteil der niedermolekularen Fraktionen (w/w) im Verhältnis zur Gesamtprobe

 Angaben zu Verunreinigungen, Zusatzstoffen und anderen nichtpolymeren Fraktionen ( % w/w) im Verhältnis zur Gesamtprobe

2.2.5.   Auswertung

 Auswertung über die Zeit: verwendete Verfahren zur Gewährleistung der geforderten Reproduzierbarkeit (Berichtigungsverfahren, interner Standard usw.)

 Angaben darüber, ob die Bewertung auf der Grundlage des Elutionsvolumens oder der Retentionszeit vorgenommen wurde

 Angaben zu den Grenzen der Auswertung, wenn ein Peak nicht vollständig analysiert wurde

 Beschreibung der Glättungsmethoden, falls verwendet

 Vorbereitung und Vorbehandlung der Probe

 Angaben zur Anwesenheit ungelöster Partikel, falls vorhanden

 Injektionsvolumen (μl) und Injektionskonzentration (mg/ml)

 Beobachtungen von Effekten, die zu Abweichungen vom idealen GPC-Profil führen

 Ausführliche Beschreibung aller Änderungen im Prüfverfahren

 Einzelheiten zu den Fehlerbereichen

 Alle weiteren Angaben und Beobachtungen, die für die Auswertung der Ergebnisse relevant sind

3.   LITERATURHINWEISE

(1) DIN 55672 (1995) Gelpermeationschromatografie (GPC) mit Tetrahydrofuran (THF) als Elutionsmittel, Teil 1.

(2) Yau, W.W., Kirkland, J.J., and Bly, D.D. eds (1979). Modern Size Exclusion Liquid Chromatography, J. Wiley and Sons.

(3) ASTM D 3536-91, (1991). Standard Test method for Molecular Weight Averages and Molecular Weight Distribution by Liquid Exclusion Chromatography (Gel Permeation Chromatography — GPC). American Society for Testing and Materials, Philadelphia, Pennsylvania.

(4) ASTM D 5296-92, (1992). Standard Test method for Molecular Weight Averages and Molecular Weight Distribution of Polystyrene by High Performance Size-Exclusion Chromatography. American Society for Testing and Materials, Philadelphia, Pennsylvania.

Anlage

Korrektur des niedermolekularen Anteils um unlösliche Polymerfraktionen

Sind unlösliche Polymeranteile in einer Probe vorhanden, so führt dies zu Masseverlusten während der GPC-Analyse. Das unlösliche Polymer kann an der Säule bzw. im Probenfilter zurückgehalten werden, während der lösliche Teil der Probe die Säule durchläuft. Wenn das Brechungsindexinkrement (dn/dc) des Polymers geschätzt oder gemessen werden kann, kann auch der Masseverlust der Probe in der Säule abgeschätzt werden. In diesem Fall wird eine Korrektur anhand einer externen Kalibrierung mit Standardmaterialien bekannter Konzentration und bekanntem dn/dc zur Eichung des Refraktometers vorgenommen. In dem folgenden Beispiel wird ein Polymethylmethacrylat (pMMA)-Standard verwendet.

Bei der externen Kalibrierung zur Analyse von Acrylpolymeren wird ein pMMA-Standard bekannter Konzentration in Tetrahydrofuran mittels GPC untersucht; die sich daraus ergebenden Daten dienen der Ermittlung der Refraktometerkonstanten mit folgender Gleichung:

K = R/(C × V × dn/dc)

Dabei ist:

K

=

die Refraktometerkonstante (in Mikrovoltsekunde/ml)

R

=

die Messgröße für den pMMA-Standard (in Mikrovoltsekunde)

C

=

die Konzentration des pMMA-Standards (in mg/ml)

V

=

das Injektionsvolumen (in ml)

dn/dc

=

das Brechungsindexinkrement für pMMA in Tetrahydrofuran (in ml/mg)

Die folgenden Daten sind für einen pMMA-Standard charakteristisch:

R

=

2 937 891

C

=

1,07 mg/ml

V

=

0,1 ml

dn/ac

=

9 × 10-5 ml/mg.

Der sich daraus ergebende Wert K = 3,05 × 1011 wird dann zur Berechnung des theoretischen Detektorsignals herangezogen, wenn 100 % des injizierten Polymers den Detektor passiert haben.

A.20.   LÖSUNGS-/EXTRAKTIONSVERHALTEN VON POLYMEREN IN WASSER

1.   METHODE

Die beschriebene Methode entspricht der geänderten Fassung der OECD TG 120 (1997). Weitere technische Informationen werden in den Literaturhinweisen (1) gegeben.

1.1.   EINLEITUNG

Bestimmte Polymere, wie z. B. Emulsionspolymere, müssen eventuell vorbehandelt werden, bevor die nachstehend beschriebene Methode verwendet werden kann. Die Methode ist nicht anwendbar für flüssige Polymere und Polymere, die unter den Testbedingungen mit Wasser reagieren.

Wenn die Methode nicht praktikabel oder nicht möglich ist, sollte das Lösungs-/Extraktionsverhalten mittels anderer Methoden untersucht werden. In diesem Fall muss die verwendete Methode in allen Einzelheiten beschrieben und ihre Verwendung begründet werden.

1.2.   REFERENZSUBSTANZEN

Keine.

1.3.   PRINZIP DER PRÜFMETHODE

Das Lösungs-/Extraktionsverhalten von Polymeren in einem wässrigen Medium wird mit Hilfe der Kolbenmethode ermittelt (siehe A.6 Wasserlöslichkeit, Kolbenmethode), wobei die unten beschriebenen Änderungen vorgenommen wurden.

1.4.   QUALITÄTSKRITERIEN

Keine.

1.5.   BESCHREIBUNG DER PRÜFMETHODE

1.5.1.   Ausstattung

Für die Durchführung der Methode ist folgende Ausstattung erforderlich:

 Zerkleinerungsgerät, z. B. Mühle zur Herstellung von Partikeln bekannter Größe,

 Schüttelgerät mit der Möglichkeit zur Temperaturkontrolle,

 Membranfiltersystem,

 geeignete Analysegeräte,

 genormte Siebe.

1.5.2.   Probenvorbereitung

Eine repräsentative Probe muss zunächst mit Hilfe geeigneter Siebe auf eine Partikelgröße zwischen 0,125 und 0,25 mm reduziert werden. Für die Stabilität der Probe oder für den Zerkleinerungsprozess kann dazu u. U. eine Kühlung erforderlich sein. Gummiartige Materialien können bei der Temperatur von Flüssigstickstoff (1) zerkleinert werden.

Wenn die erforderliche Partikelgrößenfraktion nicht erreicht werden kann, sollten Maßnahmen ergriffen werden, um die Partikelgröße so weit wie möglich zu reduzieren; die Ergebnisse sollten dokumentiert werden. Im Bericht muss festgehalten werden, wie die zerkleinerte Probe vor dem Test aufbewahrt wurde.

1.5.3.   Verfahren

Je 10 g Prüfsubstanz werden in drei mit einem Glasstopfen versehene Gefäße gegeben; jedes Gefäß wird mit 1 000 ml Wasser aufgefüllt. Wenn sich eine Polymermenge von 10 g als unpraktikabel erweist, sollte die nächstgrößere Menge, die verarbeitet werden kann, eingesetzt und mit Wasser entsprechend aufgefüllt werden.

Die Gefäße werden fest verschlossen und dann bei 20 oC geschüttelt. Es sollte ein Schüttel- oder Rührgerät verwendet werden, das bei einer konstanten Temperatur arbeitet. Nach 24 Stunden wird der Inhalt eines jeden Gefäßes zentrifugiert oder filtriert und die Polymerkonzentration in der klaren wässrigen Phase mit Hilfe eines geeigneten analytischen Verfahrens bestimmt. Sollten keine geeigneten analytischen Verfahren für die wässrige Phase zur Verfügung stehen, kann die Gesamtlöslichkeit/-extrahierbarkeit anhand der Trockenmasse des Filterrückstands oder des zentrifugierten Niederschlags abgeschätzt werden.

Es ist in der Regel notwendig, quantitativ zwischen Verunreinigungen und Zusatzstoffen einerseits und den niedermolekularen Fraktionen andererseits zu differenzieren. Im Fall einer gravimetrischen Bestimmung ist es ferner wichtig, eine Blindprobe durchzuführen, in der keine Prüfsubstanz eingesetzt wird, um Rückstände aus dem Versuchsverfahren zu berücksichtigen.

Das Lösungs-/Extraktionsverhalten von Polymeren in Wasser bei 37 oC bei pH-Werten von 2 und 9 kann auf gleiche Weise bestimmt werden wie für die Untersuchung bei 20 oC beschrieben. Die pH-Werte können entweder durch Zugabe einer geeigneten Pufferlösung oder entsprechender Säuren bzw. Basen wie z. B. Salzsäure, Essigsäure, Natrium- oder Kaliumhydroxid oder NH3 p. a. erreicht werden.

In Abhängigkeit von der eingesetzten Analysemethode sollten ein oder zwei Tests durchgeführt werden. Wenn hinreichend genaue Methoden zur direkten Analyse der wässrigen Phase der Polymerkomponente zur Verfügung stehen, sollte ein Test (wie oben beschrieben) ausreichen. Wenn solche Methoden jedoch nicht verfügbar sind und die Bestimmung des Lösungs-/Extraktionsverhaltens des Polymers auf indirekte Analysen beschränkt ist, bei denen lediglich der gesamte organische Kohlenstoff (TOC) des wässrigen Extrakts bestimmt wird, sollte ein zusätzlicher Test durchgeführt werden. Dieser zusätzliche Test sollte ebenfalls dreimal durchgeführt werden, wobei zehnmal kleinere Polymerproben und die gleichen Mengen Wasser wie im ersten Test verwendet werden.

1.5.4.   Analyse

1.5.4.1.   Test mit einer Probengröße

Es ist möglich, dass Methoden für die direkte Analyse von Polymerkomponenten in der wässrigen Phase zur Verfügung stehen. Alternativ können auch indirekte Analysen der gelösten/extrahierten Polymerkomponenten durchgeführt werden, in denen der Gesamtgehalt der löslichen Anteile bestimmt und eine Berichtigung um nichtpolymerspezifische Bestandteile vorgenommen wird.

Eine Analyse der wässrigen Phase für das gesamte Polymer ist möglich entweder durch ein hinreichend empfindliches Verfahren, wie z. B.

 TOC unter Verwendung eines Peroxosulfat- oder Dichromataufschlusses zur Darstellung von CO2 und einer IR-Analyse oder chemischen Analyse,

 Atomabsorptionsspektrometrie (AAS) oder das ICP-Emissionsäquivalent (Inductively Coupled Plasma) für silizium- oder metallhaltige Polymere,

 UV-Absorption der Spektrofluorimetrie für Arylpolymere,

 LC-MS für Proben mit geringer niedriger Molmasse,

oder durch Eindampfen des wässrigen Extrakts im Vakuum und Analyse des Rückstands mit Hilfe der Spektroskopie (IR, UV usw.) oder AAS/ICP.

Wenn eine Analyse der wässrigen Phase als solche nicht praktikabel ist, sollte der wässrige Extrakt mittels eines nicht mit Wasser mischbaren organischen Lösungsmittels, z. B. einem chlorierten Kohlenwasserstoff, extrahiert werden. Das Lösungsmittel wird anschließend abgezogen, der Rückstand wird (wie oben für den Polymergehalt beschrieben) analysiert. Alle Bestandteile dieses Rückstands, die als Verunreinigungen oder Zusatzstoffe identifiziert werden, müssen für die Bestimmung des Lösungs-/Extraktionsgrades des Polymers subtrahiert werden.

Wenn relativ große Mengen solcher Stoffe vorhanden sind, kann es u. U. notwendig sein, den Rückstand beispielsweise einer HPLC- oder GC-Analyse zu unterwerfen, um die Verunreinigungen von den vorhandenen Monomeren bzw. Monomerderivaten zu unterscheiden, um deren tatsächlichen Gehalt zu bestimmen.

In einigen Fällen ist es u. U. ausreichend, das organische Lösungsmittel abzuziehen und den trockenen Rückstand auszuwiegen.

1.5.4.2.   Test mit zwei unterschiedlichen Probengrößen

Alle wässrigen Extrakte werden auf ihren TOC analysiert.

An dem nichtgelösten/nichtextrahierten Teil einer Probe wird eine gravimetrische Analyse durchgeführt. Wenn nach der Zentrifugation oder Filtration noch Polymerablagerungen an den Wänden des Gefäßes zu finden sind, sollte das Gefäß so lange mit dem Filtrat gespült werden, bis es frei von allen sichtbaren Rückständen ist. Im Anschluss wird das Filtrat erneut zentrifugiert oder filtriert. Die auf dem Filter oder im Zentrifugenglas verbliebenen Rückstände werden bei 40 oC im Vakuum getrocknet und gewogen. Die Trocknung wird fortgesetzt, bis ein konstantes Gewicht erzielt wurde.

2.   DATEN

2.1.   TEST MIT EINER PROBENGRÖSSE

Die einzelnen Ergebnisse für die drei Kolben und die Durchschnittswerte sollten in Masseeinheiten pro Lösungsvolumen (mg/1) bzw. Masseeinheiten pro Masse der Polymerprobe (mg/g) angegeben werden. Außerdem sollte der Gewichtsverlust der Probe (berechnet als Quotient aus der Masse des eluierten Anteils und der Masse der ursprünglichen Probe) angegeben werden. Die relativen Standardabweichungen (RSA) sollten berechnet werden. Die Zahlen sollten sowohl für die gesamte Substanz (Polymer + Additive usw.) als auch für das Polymer allein (d. h. nach Abzug der Zusatzstoffe) genannt werden.

2.2.   TEST MIT ZWEI UNTERSCHIEDLICHEN PROBENGRÖSSEN

Die einzelnen TOC-Werte der wässrigen Extrakte der beiden Dreifachversuche sowie der Durchschnittswert für jeden Versuch sollten sowohl in Masseeinheiten pro Lösungsvolumen (normalerweise mg C/l) als auch in Maßeinheiten pro Gewicht der ursprünglichen Probe (normalerweise mg C/g) ausgedrückt werden.

Wenn es keinen Unterschied zwischen den Ergebnissen mit hohem bzw. niedrigem Probe-Wasser-Verhältnis gibt, deutet dies darauf hin, dass alle extrahierbaren Komponenten auch tatsächlich extrahiert worden sind. In diesem Fall ist eine direkte Analyse in der Regel nicht erforderlich.

Die Massen der einzelnen Rückstände sollten als prozentualer Anteil der Ausgangsmasse der Proben angegeben werden. Die Durchschnittswerte sollten ermittelt werden. Die Differenz zwischen 100 und den gefundenen Prozentsätzen stellt den Prozentgehalt des löslichen und extrahierbaren Materials der ursprünglichen Probe dar.

3.   ABSCHLUSSBERICHT

3.1.   TESTBERICHT

Der Testbericht muss folgende Angaben enthalten:

3.1.1.   Prüfsubstanz

 Verfügbare Angaben zur Prüfsubstanz (Identität, Zusatzstoffe, Verunreinigungen, Gehalt der niedermolekularen Spezies)

3.1.2.   Versuchsbedingungen

 Beschreibung der verwendeten Verfahren und Versuchsbedingungen

 Beschreibung der Analyse- und Nachweismethoden

3.1.3.   Ergebnisse

 Ergebnisse der Löslichkeit/Extrahierbarkeit in mg/1; Einzel- und Durchschnittswerte für die Extraktionstests in den verschiedenen Lösungen, aufgeschlüsselt nach Polymergehalt und Verunreinigungen, Zusatzstoffen usw.

 Ergebnisse der Löslichkeit/Extrahierbarkeit in mg/g Polymer

 TOC-Werte der wässrigen Extrakte, Masse des eluierten Teils und errechnete Prozentsätze (gegebenenfalls)

 pH-Wert der einzelnen Proben

 Angaben zu den Werten der Blindproben

 Gegebenenfalls Hinweise auf die chemische Instabilität der Prüfsubstanz sowohl während der Prüfung als auch während des Analyseverfahrens

 Alle Informationen, die für die Auswertung der Ergebnisse von Bedeutung sind

4.   HINWEISE

(1) DIN 53733 (1976) Zerkleinerung von Kunststofferzeugnissen für Prüfzwecke.

A.21.   BRANDFÖRDERNDE EIGENSCHAFTEN (FLÜSSIGE STOFFE)

1.   VERFAHREN

1.1.   EINLEITUNG

Mit diesem Prüfverfahren soll festgestellt werden, inwieweit ein flüssiger Stoff die Verbrennungsgeschwindigkeit oder die Verbrennungsintensität eines brennbaren Stoffes erhöhen kann oder ein Gemisch mit einem brennbaren Stoff bilden kann, welches sich spontan entzündet, wenn beide sorgfältig gemischt werden. Es beruht auf dem UN-Test auf brandfördernde (oxidierende) Eigenschaften für flüssige Stoffe (1) und ist ihm gleichwertig. Da dieses Verfahren A.21 jedoch in erster Linie für die Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 eingeführt wurde, ist lediglich der Vergleich mit einem Referenzstoff vorgeschrieben. Weitere Tests und der Vergleich mit zusätzlichen Referenzstoffen können erforderlich sein, wenn die Testergebnisse für andere Zwecke verwendet werden sollen ( 1 ).

Dieser Test muss nicht durchgeführt werden, wenn anhand der Strukturformel hinreichend nachgewiesen wurde, dass der Stoff mit anderen brennbaren Stoffen nicht exotherm reagieren kann.

Es ist nützlich, Vorausinformationen über die potenziellen explosiven Eigenschaften der Stoffe zu haben, bevor dieser Test durchgeführt wird.

Dieser Test ist nicht auf feste Stoffe, Gase, explosive oder leichtentzündliche Stoffe oder auf organische Peroxide anwendbar.

Dieser Test muss nicht durchgeführt werden, wenn bereits Ergebnisse für den getesteten Stoff aus dem UN-Test auf brandfördernde (oxidierende) Eigenschaften für flüssige Stoffe (1) vorliegen.

1.2.   DEFINITIONEN UND EINHEITEN

Die durchschnittliche Druckanstiegszeit ist der Durchschnitt der gemessenen Zeiten, die vergehen, bis ein Gemisch bei einem Test einen Druckanstieg von 690 kPa auf 2 070 kPa über atmosphärischem Druck erzeugt.

1.3.   REFERENZSTOFF

Als Referenzstoff ist 65 % (w/w) Salpetersäure in wässriger Lösung (analysenrein) erforderlich ( 2 ).

Wenn der Experimentator davon ausgeht, dass die Ergebnisse dieses Tests auch für andere Zwecke verwendet werden sollen ( 3 ), kann die Prüfung zusätzlicher Referenzstoffe sinnvoll sein ( 4 ).

1.4.   PRINZIP DES PRÜFVERFAHRENS

Die Testflüssigkeit wird in einem Massenverhältnis von 1:1 mit Fasercellulose gemischt und in ein Druckgefäß gefüllt. Kommt es beim Mischen oder beim Einfüllen spontan zur Entzündung, sind keine weiteren Tests mehr nötig.

Kommt es nicht spontan zur Entzündung, so wird der gesamte Test durchgeführt. Das Gemisch wird in einem Druckgefäß erhitzt, und die Zeit, die im Durchschnitt vergeht, bis der Druck von 690 kPa auf 2 070 kPa über atmosphärischen Druck angestiegen ist, wird ermittelt. Diese Zeit wird mit der durchschnittlichen Druckanstiegszeit für das 1:1-Gemisch des/der Referenzstoffe(s) und der Cellulose verglichen.

1.5.   QUALITÄTSKRITERIEN

In fünf hintereinander erfolgten Prüfungen mit ein und demselben Stoff sollten die Ergebnisse um nicht mehr als 30 % vom arithmetischen Mittel abweichen. Ergebnisse, die um mehr als 30 % abweichen, sind nicht zu berücksichtigen. Misch- und Einfüllverfahren sollten verbessert und die Testreihe sollte wiederholt werden.

1.6.   BESCHREIBUNG DES VERFAHRENS

1.6.1.   Vorbereitung

1.6.1.1.   Brennbarer Stoff

Getrocknete Fasercellulose mit einer Faserlänge von 50 bis 250 μm und einem durchschnittlichen Durchmesser von 25 μm ( 5 ) wird als brennbares Material verwendet. Sie wird in einer Schicht von nicht mehr als 25 mm Dicke bei 105 oC 4 Stunden lang bis zur Gewichtskonstanz getrocknet und in einem Exsikkator mit Trocknungsmittel aufbewahrt, bis sie vollkommen abgekühlt ist und benötigt wird. Der Wassergehalt der getrockneten Cellulose sollte weniger als 0,5 % der Trockenmasse ( 6 ) betragen. Gegebenenfalls sollte die Trocknungszeit verlängert werden ( 7 ). Während des gesamten Tests ist Cellulose aus derselben Vorbereitungsprozedur zu verwenden,

1.6.1.2.   Apparatur

1.6.1.2.1.    Druckgefäß

Ein Druckgefäß ist erforderlich. Das Gefäß besteht aus einem zylindrischen Druckgefäß aus Stahl von einer Länge von 89 mm und einem Außendurchmesser von 60 mm (siehe Abbildung 1). Seitlich ist der Kolben an zwei gegenüberliegenden Seilen abgeflacht (wo sich der Durchmesser des Gefäßes auf 50 mm verringert), um die Handhabung bei der Einführung von Zündstopfen und Entlüftungsstopfen zu erleichtern. Das Gefäß, das eine Bohrung von 20 mm im Durchmesser hat, ist an einem Ende in einer Tiefe von 19 mm vergrößert und mit einem Gewinde versehen, so dass ein 1" British Standard Pipe (BSP) oder eine metrische Entsprechung eingeführt werden kann. Ein Druckablassarm wird in die nicht abgeflachte Seite des Druckgefäßes 35 mm von einem Ende und im Winkel von 90o zu den abgeflachten Seiten eingeschraubt. Dazu ist eine Bohrung von 12 mm Tiefe vorgesehen, die mit einem Gewinde versehen ist, in das das 1/2"-BSP-Gewinde (oder metrische Entsprechung) am unteren Ende des Seitenarms eingeschraubt werden kann. Gegebenenfalls wird eine Dichtung aus inertem Material angebracht, um den Arm gasundurchlässig zu machen. Der Seitenarm ragt 55 mm aus dem Druckgefäß heraus und hat eine Bohrung von 6 mm. Das Ende des Seitenarms ist vergrößert und mit einem Gewinde versehen, so dass ein Membrandruckaufnehmer eingeschraubt werden kann. Jedes beliebige Druckmessgerät kann verwendet werden, sofern es gegen die heißen Gase oder Spaltprodukte beständig ist und auf eine Druckanstiegsgeschwindigkeit von 690 bis 2 070 kPa in höchstens 5 ms anspricht.

Das weiter vom Seitenarm entfernte Ende wird mit einem Zündstopfen verschlossen, an den zwei Elektroden angebracht sind. Die eine ist vom Stopfen isoliert, die andere ist über diesen geerdet. Das andere Ende des Druckgefäßes wird mit einer Berstscheibe (Berstdruck rund 2 200 kPa) verschlossen, die von einem Stopfen mit einer Bohrung von 20 mm gehalten wird. Gegebenenfalls wird am Zündstopfen eine Dichtung aus inertem Material verwendet, um Gasundurchlässigkeit zu gewährleisten. Ein Ständer (Schaubild 2) hält die Vorrichtung beim Gebrauch in der richtigen Position. Er besteht in der Regel aus einer Weichstahl-Grundplatte mit der Abmessung 235 mm × 184 mm × 6 mm und einem 185 mm langen quadratischen Hohlkörper mir der Abmessung 70 mm × 70 mm × 4 mm.

Von zwei gegenüberliegenden Seiten des Hohlkörpers wird an einem Längsende jeweils ein Seitenteil abgeschnitten, so dass ein Gestell mit zwei flachwandigen Beinen und einem 86 mm langen ganzen Kasten darauf entsteht. Die Enden dieser flachwandigen Beine werden in einem Winkel von 60o zur Horizontalen abgeschnitten und an die Grundplatte angeschweißt. Ein 22 mm weiter und 46 mm tiefer Spalt wird in eine Seite am oberen Ende des Kastens geschnitten, so dass bei der Einführung der Druckgefäßvorrichtung mit dem Zündstopfen voran in den Kastenteil der Vorrichtung der Seitenarm in den Spalt passt. Ein Stahlstück von 30 mm Länge und 6 mm Dicke wird als Zwischenstück unten an der Innenseite des Kastens angeschweißt. Zwei Flügelschrauben von 7 mm sind an der gegenüberliegenden Seite eingeschraubt und halten das Druckgefäß. Zwei 12 mm breite Streifen von 6 mm dickem Stahl, die an die Seitenteile am Boden des Kastens angeschweißt sind, halten das Druckgefäß von unten.

1.6.1.2.2.    Zündvorrichtung

Die Zündvorrichtung besteht aus einem 25 cm langem Ni/Cr-Draht mit einem Durchmesser von 0,6 mm und einem Widerstand von 3,85 Ohm/m. Der Draht wird mit Hilfe eines Stabes von 5 mm Durchmesser zu einer Wendel gedreht und wird an den am Zündstopfen befindlichen Elektroden befestigt. Die Wendel sollte einer der Darstellungen in Abbildung 3 entsprechen. Die Unterseite der Zündwendel sollte 20 mm vom Boden des Gefäßes entfernt sein. Wenn die Elektroden nicht nachstellbar sind, sollten die Enden des Zünddrahtes zwischen der Wendel und dem Boden des Gefäßes mit einer Keramikumhüllung isoliert werden. Der Draht wird durch konstante Stromversorgung von mindestens 10 A erhitzt.

1.6.2.   Durchführung des Tests ( 8 )

Die Apparatur, die komplett mit Druckaufnehmer und Heizsystem montiert ist, bei der jedoch die Berstscheibe nicht eingeführt ist, wird mit dem Zündstopfen nach unten auf dem Ständer befestigt. 2,5 g der zu testenden Flüssigkeit werden mit 2,5 g getrockneter Cellulose in einem Becherglas mit einem Rührstab aus Glas gemischt ( 9 ). Aus Sicherheitsgründen sollte der Mischvorgang mit einem Schutzschirm zwischen Experimentator und Gemisch durchgeführt werden. Entzündet sich das Gemisch beim Mischen oder beim Einfüllen, sind keine weiteren Tests erforderlich. Das Gemisch wird in kleinen Portionen mit leichtem Klopfen in das Druckgefäß gefüllt, wobei darauf geachtet werden muss, dass das Gemisch die Zündwendel ausreichend umhüllt und damit ein guter Kontakt gewährleistet ist. Es ist wichtig, dass sich die Wendel während des Füllens nicht verformt, da das zu falschen Ergebnissen führen kann ( 10 ). Die Berstscheibe wird in die vorgesehene Druckgefäßöffnung eingelegt und mit dem Halterungsstopfen fest eingeschraubt. Das gefüllte Gefäß wird auf den Ständer montiert, wobei das Ende mit der Berstscheibe nach oben zeigt. Der Ständer sollte sich in einem geeigneten gepanzerten Abzugsschrank oder in einer Brennkammer befinden. Das Stromkabel ist an den äußeren Anschlusssteckern am Zündstopfen angeschlossen. Die Stromstärke beträgt 10 A. Zwischen dem Beginn des Mischens und dem Anschalten des Stroms sollten nicht mehr als 10 Minuten vergehen.

Das vom Druckaufnehmer erzeugte Signal wird durch ein geeignetes Messdatenerfassungssystem aufgezeichnet, das sowohl die Messung als auch die Aufzeichnung eines Zeit-Druck-Profils ermöglicht (z. B. ein Transientenrecorder in Verbindung mit einem grafischen Drucker). Das Gemisch wird mindestens 60 s lang oder so lange, bis die Berstscheibe aufreißt, erhitzt. Reißt die Scheibe nicht auf, so sollte man das Gemisch abkühlen lassen, bevor die Apparatur vorsichtig abgebaut werden kann, wobei Vorkehrungsmaßnahmen gegen einen eventuellen Druckaufbau getroffen werden sollten. Es werden fünf Prüfgänge mit dem Prüfstoff und dem/den Referenzstoff(en) durchgeführt. Es wird festgehalten, wie viel Zeit vergeht, bis der Druck von 690 kPa auf 2 070 kPa über atmosphärischem Druck steigt. Die durchschnittliche Druckanstiegszeit wird berechnet.

In manchen Fällen können Stoffe einen (zu hohen oder zu niedrigen) Druckanstieg erzeugen, der nicht auf die brandfördernden Eigenschaften des Stoffes zurückzuführen ist. In diesen Fällen muss der Test gegebenenfalls mit einem inerten Stoff, z. B. Diatomit (Kieselgur), anstelle der Cellulose wiederholt werden, um die Art der Reaktion festzustellen.

2.   DATEN

Druckanstiegszeiten für die Testsubstanz und den/die Referenzstoff(e), Druckanstiegszeiten für die Tests mit einem inerten Stoff, soweit durchgeführt.

2.1.   ERGEBNISVERARBEITUNG

Sowohl für die Testsubstanz als auch für den/die Referenzstoff(e) werden die durchschnittlichen Druckanstiegszeiten berechnet.

Die durchschnittliche Druckanstiegszeit wird für die Tests mit einem inerten Stoff berechnet (sofern durchgeführt).

In Tabelle 1 sind einige Ergebnisbeispiele aufgeführt.



Tabelle 1

Ergebnisbeispiele ()

Stoff ()

Durchschnittliche Druckanstiegszeit für ein 1:1-Gemisch mit Cellulose

(ms)

Ammoniumdichromat, gesättigte wässrige Lösung

20 800

Calciumnitrat, gesättigte wässrige Lösung

6 700

Eisentrinitrat, gesättigte wässrige Lösung

4 133

Lithiumperchlorat, gesättigte wässrige Lösung

1 686

Magnesiumperchlorat, gesättigte wässrige Lösung

777

Nickelnitrat, gesättigte wässrige Losung

6 250

Salpetersäure, 65 %

4 767  ()

Perchlorsäure, 50 %

121 ()

Perchlorsäure, 55 %

59

Kaliumnitrat, 30 % wässrige Lösung

26 690

Silbernitrat, gesättigte wässrige Lösung

 ()

Natriumchlorat, 40 % wässrige Lösung

2 555  ()

Natriumnitrat, 45 % wässrige Lösung

4 133

Inerter Stoff

 

Wasser: Cellulose

 ()

(1)   Siehe Bezugsdokument (1) zur Klassifizierung nach den Beförderungsbestimmungen der UN.

(2)   Gesättigte Lösungen sollten bei 20 oC zubereitet werden.

(3)   Durchschnittswert aus Testreihen verschiedener Labors.

(4)   Höchstdruck von 2 070 kPa nicht erreicht.

3.   BERICHT

3.1.   PRÜFBERICHT

Der Prüfbericht sollte folgende Angaben enthalten:

 Art der Testsubstanz, ihre Zusammensetzung, ihre Reinheit usw.,

 Konzentration der Testsubstanz,

 das für die Cellulose verwendete Trocknungsverfahren,

 den Wassergehalt der verwendeten Cellulose,

 die Messergebnisse,

 gegebenenfalls die Ergebnisse der Tests mit einem inerten Stoff,

 die errechneten durchschnittlichen Druckanstiegszeiten,

 eventuelle Abweichungen von diesem Verfahren unter Angabe der Gründe,

 sämtliche zusätzlichen Informationen oder Bemerkungen, die für die Analyse der Ergebnisse relevant sind.

3.2.   ANALYSE DER ERGEBNISSE ( 11 )

Bei der Bewertung der Prüfergebnisse ist Folgendes zu beachten:

a) ob sich das Gemisch von Testsubstanz und Cellulose spontan entzündet, und

b) der Vergleich der durchschnittlichen Zeit, bis der Druck von 690 kPa auf 2 070 kPa gestiegen ist, mit der Druckanstiegszeit des/der Referenzstoffe(s).

Ein flüssiger Stoff wird als brandfördernd beurteilt, wenn

a) ein Gemisch des Stoffes und der Cellulose mit einem Massenverhältnis von 1:1 spontan in Brand gerät oder

b) ein Gemisch des Stoffes und der Cellulose mit einem Massenverhältnis von 1:1 eine durchschnittliche Druckanstiegszeit von höchstens der durchschnittlichen Druckanstiegszeit aufweist wie ein Gemisch 65 %iger Salpetersäure (w/w) in wässriger Lösung und Cellulose im Massenverhältnis von 1:1.

Um falsche positive Ergebnisse zu vermeiden, sollten die beim Test des Stoffes mit einem inerten Stoff erhaltenen Ergebnisse in die Analyse der Ergebnisse mit einbezogen werden.

4.   BEZUGSDOKUMENTE

(1) UN-Empfehlungen für die Beförderung gefährlicher Güter, Test- und Kriterienhandbuch, 3. geänderte Ausgabe. UN-Veröffentlichungsnummer: ST/SG/AC.10/11/Rev. 3, 1999, S. 342. Test O.2: Test auf oxidierende Eigenschaften für flüssige Stoffe.

Abbildung 1

Druckgefäß

image

Abbildung 2

Ständer

image

Abbildung 3

Zündvorrichtung

image

Anmerkung: Eines dieser Systeme kann verwendet werden.

▼M1

A.22.   LÄNGENGEWICHTETER MITTLERER GEOMETRISCHER DURCHMESSER VON FASERN

1.   METHODE

1.1.   EINLEITUNG

Mit dieser Testmethode wird ein Verfahren zur Messung des längengewichteten mittleren geometrischen Durchmessers (GWGMD — Length Weighted Geometric Mean Diameter) von künstlichen Mineralfasern (MMMF — Man Made Mineral Fibres) beschrieben. Da der LWGMD der Population mit einer Wahrscheinlichkeit von 95 % zwischen den 95 %-Vertrauensintervallen (LWGMD ± 2 Standardfehler) der Probe liegt, entspricht der im Bericht angegebene Wert (der Testwert) der unteren 95 %-Vertrauensgrenze der Probe (d. h. LWGMD — 2 Standardfehler). Diese Methode basiert auf einer aktualisierten Fassung (Juni 1994) des Entwurfs einer HSE-Industrieverfahrensweisung, die am 26. September 1993 in Chester zwischen ECFIA und HSE vereinbart und für und aus einem zweiten laborinternen Versuch entwickelt wurde (1, 2). Diese Messmethode kann zur Kennzeichnung des Faserdurchmessers von Schüttgutstoffen oder Produkten verwendet werden, die MMMF enthalten, z. B. feuerfeste Keramikfasern (PCF — Refractory Ceramic Fibres), künstliche Glasfasern (MMVF — Man-Made Vitreous Fibres), kristalline und polykristalline Fasern.

Die Längengewichtung dient zur Kompensation der Auswirkungen auf die Durchmesserverteilung, zu denen es durch den Bruch langer Fasern bei der Probenahme oder beim Umgang mit dem Material kommt. Die Größenverteilung der Durchmesser der MMMF wird durch geometrische statistische Verfahren (geometrisches Mittel) gemessen, da diese Durchmesser normalerweise Größenverteilungen aufweisen, die näherungsweise dem Lognormal entsprechen.

Die Messung der Länge und des Durchmessers ist ein mühsamer, zeitaufwändiger Prozess, werden jedoch nur jene Fasern gemessen, die eine unendlich dünne Linie in einem REM-Sichtfeld berühren, so ist die Wahrscheinlichkeit, eine bestimmte Faser auszuwählen, proportional zu deren Länge. Da damit die Länge in den Berechnungen der Längengewichtung berücksichtigt wird, muss lediglich der Durchmesser gewichtet werden; der LWGMD — 2SF kann dann auf die beschriebene Weise berechnet werden.

1.2.   BEGRIFFSBESTIMMUNGEN

Partikel: Ein Objekt mit einem Länge-Breite-Verhältnis von weniger als 3:1.

Faser: Ein Objekt mit einem Länge-Breite-Verhältnis (Seitenverhältnis) von mindestens 3:1.

1.3.   UMFANG UND EINSCHRÄNKUNGEN

Durch diese Methode sollen die Durchmesserverteilungen untersucht werden, deren mittlerer Durchmesser zwischen 0,5 μm und 6 μm liegt. Größere Durchmesser können mithilfe geringerer REM-Vergrößerungsfaktoren gemessen werden, allerdings stößt diese Methode bei feineren Faserverteilungen zunehmend an seine Grenzen; bei mittleren Durchmessern unter 0,5 μm wird die Messung mit Transmissions-Elektronenmikroskopen (TEM) empfohlen.

1.4.   PRINZIP DER TESTMETHODE

Aus der Fasermatte oder aus losen Fasern wird eine bestimmte Anzahl repräsentativer Kernproben entnommen. Die Länge der losen Fasern wird durch Brechen verringert und es wird eine repräsentative Teilprobe in Wasser dispergiert. Aliquote Teile werden extrahiert und durch ein Polycarbonatfilter mit einer Porengröße von 0,2 μm gefiltert und zur Untersuchung unter einem Rasterelektronenmikroskop (SEM) vorbereitet. Die Faserdurchmesser werden mit einem Rastervergrößerungsfaktor von × 10 000 oder mehr ( 12 ) nach einem Line-Intercept-Verfahren gemessen, das eine unverfälschte Schätzung des mittleren Durchmessers ergibt. Das untere 95 %-Vertrauensintervall (auf der Basis eines einseitigen Tests) wird so berechnet, dass ein Schätzwert für den niedrigsten Wert des mittleren geometrischen Faserdurchmessers des Materials entsteht.

1.5.   BESCHREIBUNG DER TESTMETHODE

1.5.1.   Sicherheits-/Vorsichtsmaßnahmen

Die Belastung des menschlichen Organismus durch Schwebfasern ist zu minimieren; daher ist bei der Arbeit mit den trockenen Fasern ein Abzugsschrank oder eine Glove-Box zu verwenden. In periodischen Abständen ist die Belastung des menschlichen Organismus zu überwachen, um die Wirkung der Schutzverfahren zu überprüfen. Bei der Handhabung von MMMF sind Einweghandschuhe zu tragen, um Hautreizungen zu verringern und eine Querkontaminierung zu vermeiden.

1.5.2.   Geräte/Apparatur

 Press- und Formwerkzeug (für 10 MPa).

 Polycarbonat-Kapillarporenfilter mit 0,2 μm Porengröße (Durchmesser 25 mm).

 Zelluloseestermembranfilter mit 5 μm Porengröße zur Verwendung als Zusatzfilter.

 Glasfiltervorrichtung (oder Einwegfiltersysteme) für die Aufnahme von Filtern mit 25 mm Durchmesser (z. B. Millipore-Glasmikroanalyse-Filtersatz, Typ XX10 025 00).

 Frisch destilliertes Wasser, das zur Ausfilterung von Mikroorganismen durch einen Filter mit 0,2 μm Porengröße gefiltert wurde.

 Sputter-Beschichtungsvorrichtung mit Gold- oder Gold/Palladium-Target.

 Rasterelektronenmikroskop mit einem Auflösevermögen bis 10 nm und Vergrößerungsfaktor bis x 10 000 .

 Diverses: Spatel, Skalpellmesser Typ 24, Pinzette, REM-Röhrchen, Kohlenstoffkleber oder Kohlenstoffklebeband, Kolloidalsilber („Silver dag“).

 Ultraschallsonde oder Tisch-Ultraschallbad.

 Kernbohrer oder Korkbohrer für die Entnahme von Kernproben aus MMMF-Fasermatten.

1.5.3.   Testverfahren

1.5.3.1.   Probenahme

Bei Fasermatten und Platten wird ein 25 mm-Kernbohrer oder Korkbohrer zur Entnahme von Proben aus dem Querschnitt verwendet. Diese Proben sind gleichmäßig über die Breite a der Schmalseite der Matte anzuordnen oder, wenn lange Abschnitte der Matte zur Verfügung stehen, aus beliebigen Stellen zu entnehmen. Die gleichen Hilfsmittel können auch für die Entnahme von Zufallsproben aus losen Fasern verwendet werden. Es sind sechs Stichproben möglichst so zu entnehmen, das räumliche Schwankungen im losen Material damit wiedergegeben werden.

Die sechs Kernproben sind in einem Stempel mit 50 mm Durchmesser unter 10 MPa zu zerkleinern. Das Material wird mit einem Spachtel durchmischt und bei 10 MPa erneut gepresst. Anschließend wird das Material aus dem Stempel entnommen und in einer verschlossenen Glasflasche gelagert.

1.5.3.2.   Vorbereitung der Probe

Falls erforderlich, können organische Bindemittel entzogen werden, indem die Faser ca. eine Stunde lang bei 450 °C in einen Ofen eingelegt wird.

Die Probe nach dem Cone-and-Quarter-Verfahren in vier gleiche Teile unterteilen (dieser Schritt sollte in einem Staubschrank erfolgen).

Mit einem Spatel eine geringe Menge (< 0,5 g) der Probe in 100 ml frisch destilliertes Wasser geben, das durch einen 0,2 μm-Membranfilter gefiltert wurde (andere Beschaffungsquellen von hochreinem Wasser sind ebenfalls zulässig, wenn sie nachgewiesenermaßen von ausreichender Qualität sind). Die Probe mithilfe einer mit 100 W betriebenen Ultraschallsonde, die so eingestellt ist, dass eine Kavitation eintritt, gründlich dispergieren (Steht keine Sonde zur Verfügung, ist wie folgt vorzugehen: 30 Sekunden lang mehrmals schütteln und umkehren; fünfminütige Ultraschallbehandlung in einem Tisch-Ultraschallbad; dann wieder 30 Sekunden lang mehrmals schütteln und umkehren).

Sofort nach der Dispersion der Faser mehrere aliquote Teile (z. B. drei aliquote Teile mit 3, 6 und 10 ml) mit einer breiten Pipette (Aufnahmevermögen 2-5 ml) entnehmen.

Jeder aliquote Teil wird durch einen 0,2 μm-Polycarbonatfilter mit MEC-Zusatzfilter mit 5 μm-Poren unter Verwendung eines 25-mm-Glasfiltertrichters mit zylindrischem Vorratsbehälter vakuumgefiltert. Rund 5 ml des gefilterten destillierten Wassers wird in den Trichter gegeben und den aliquoten Teil langsam in das Wasser gegeben, wobei die Pipettenspitze unterhalb des Meniskus gehalten wird. Pipette und Vorratsbehälter müssen nach dem Pipettieren gründlich gespült werden, da dünne Fasern dazu neigen, sich eher an der Oberfläche anzusammeln.

Filter vorsichtig entnehmen und vom Zusatzfilter trennen, bevor er zum Trocknen in einen Behälter eingelegt wird.

Einen Viertel- oder halben Filterquerschnitt der Filterrückstände mit ruckartigen Bewegungen mit einem Skalpell Typ 24 ausschneiden. Den ausgeschnittenen Querschnitt mit Kohlenstoffklebeband oder Kohlenstoffkleber vorsichtig auf dem Träger („Stub“) des REM befestigen. An mindestens drei Stellen ist Kolloidalsilber zur Verbesserung des elektrischen Kontakts der Filterränder und des „Stub“ aufzubringen. Wenn der Klebstoff bzw. das Kolloidalsilber getrocknet ist, durch Sputter-Beschichtung ca. 50 nm Gold oder Gold/Palladium auf die Oberfläche des Filterrückstands aufbringen.

1.5.3.3.   Kalibrierung und Betrieb des REM

1.5.3.3.1.   Kalibrierung

Die Kalibrierung des REM ist mindestens einmal wöchentlich (idealerweise täglich) anhand eines freigegebenen Kalibriergitters zu kontrollieren. Die Kalibrierung ist anhand eines freigegebenen Normals zu kontrollieren; stimmt der Messwert (REM) nicht auf ± 2 % mit dem zertifizierten Wert überein, muss die Kalibrierung des REM nachjustiert und erneut kontrolliert werden.

Das REM muss bei Verwendung einer Probenmatrix mindestens die Auflösung eines sichtbaren Mindestdurchmessers von 0,2 μm bei einem Vergrößerungsfaktor × 2 000 ermöglichen.

1.5.3.3.2.   Betrieb

Das REM ist mit einem Vergrößerungsfaktor von 10 000  ( 13 ) unter Bedingungen zu betrieben, die eine gute Auflösung und eine akzeptable Bildqualität bei geringer Abtastgeschwindigkeit von beispielsweise 5 Sekunden je Aufnahme ergeben. Da die Betriebsvoraussetzungen unterschiedlicher REM sich voneinander unterscheiden können, sind bei Materialien mit relativ geringer Atommasse Beschleunigungsspannungen von 5-10 keV zu verwenden, um eine möglichst gute Sichtbarkeit und Auflösung zu erreichen; dabei ist eine geringe Punktgröße und ein kurzer Arbeitsabstand einzustellen. Wird ein Linear-Trverse-Verfahren angewandt, ist eine Neigung von 0o zu verwenden, um Refokussierung auf ein Minimum zu beschränken; weist das REM eine euzentrische Stufe auf, ist der euzentrische Arbeitsabstand zu verwenden. Ein geringerer Vergrößerungsfaktor kann verwendet werden, wenn das Material keine kleinen Fasern (mit geringem Durchmesser) enthält und große Faserdurchmesser (> 5 μm) vorliegen.

1.5.3.4.   Größenbestimmung

1.5.3.4.1.   Bewertung der Probe bei geringer Vergrößerung

Zunächst ist die Probe mit einem geringen Vergrößerungsfaktor auf Anzeichen von Klumpenbildung größerer Fasern zu untersuchen und die Faserndichte zu ermitteln. Bei übermäßiger Klumpenbildung wird empfohlen, eine neue Probe herzustellen.

Aus Gründen der statistischen Genauigkeit muss eine bestimmte Mindestzahl Fasern gemessen werden, eine hohe Faserndichte ist dabei erstrebenswert, da die Untersuchung leerer Felder zeitaufwändig ist und keinen Beitrag zum Analyseergebnis liefert. Ist der Filter jedoch überladen, ist die Messung aller messbaren Fasern erschwert und es besteht die Gefahr, dass kleinere Fasern durch größere Fasern überdeckt und dadurch übersehen werden.

Eine Verfälschung in Richtung einer zu hoch geschätzten LWGMD kann dann eintreten, wenn Faserdichten von mehr als 150 Fasern je Millimeter Linear-Traverse vorliegen. Durch geringe Faserkonzentrationen nimmt andererseits die Dauer der Analyse zu, weshalb es oft kostengünstiger ist, eine Probe herzustellen, deren Faserdichte näher am Optimum liegt, statt ständig die Faserzahlen in Filtern geringer Konzentrationen zu zählen. Die optimale Faserdichte soll durchschnittlich ca. 1 oder 2 zählbare Fasern je Sichtfeld bei einer 5000-fachen Vergrößerung ergeben. Allerdings ist die optimale Dichte von der Größe (Durchmesser) der Fasern abhängig, also muss der Bediener mit entsprechendem Sachverstand entscheiden, ob die Faserdichte dem Optimum nahekommt oder nicht.

1.5.3.4.2.   Längengewichtung der Faserdurchmesser

Es werden nur diejenigen Fasern gezählt, die eine (unendlich) dünne Linie auf dem Raster des REM berühren (oder kreuzen). Hierzu wird eine waagerechte (oder vertikale) Linie durch die Rastermitte gezogen.

Alternativ dazu wird ein einzelner Punkt in der Mitte des Rasters angeordnet und ein kontinuierlicher Abtastvorgang in einer Richtung über den Filter hinweg gestartet. Der Durchmesser jeder Faser mit einem Seitenverhältnis von mehr als 3:1, die diesen Punkt berührt oder kreuzt, wird gemessen und aufgezeichnet.

1.5.3.4.3.   Bestimmung der Fasergröße

Es wird empfohlen, mindestens 300 Fasern zu messen. Jede Faser wird nur ein einziges Mal am Schnittpunkt mit der auf dem Bild gezeichneten Linie oder Punkt (oder nahe dem Schnittpunkt, wenn die Faserkanten verdeckt sind) gemessen. Werden Fasern mit uneinheitlichen Querschnitten festgestellt, ist eine Messung am durchschnittlichen Faserdurchmesser zugrundezulegen. Bei der Festlegung des Randes und der Messung des geringsten Abstands zwischen den Faserrändern ist vorsichtig vorzugehen. Die Größenbestimmung kann online oder offline an gespeicherten Bildern oder Fotoaufnahmen erfolgen. Die Verwendung von halbautomatischen Bildmesssystemen, bei denen die Daten direkt in eine Tabellenkalkulation geladen werden, ist zu empfehlen, da diese Verfahren Zeit sparen, Abschriftfehler vermeiden und eine automatische Berechnung ermöglichen.

Die Enden langer Fasern sind bei geringer Vergrößerung zu prüfen, damit sichergestellt ist, dass sie sich nicht in den Sichtbereich des Messfeldes rollen und nur einmal gemessen werden.

2.   DATEN

2.1.   BEHANDLUNG DER ERGEBNISSE

Die Faserdurchmesser weisen normalerweise keine Normalverteilung auf. Mit Hilfe einer Log-Transformation kann jedoch eine Verteilung ermittelt werden, die näherungsweise der Normalverteilung entspricht.

Das arithmetische Mittel (mittlerer lnD) und die Standardabweichung (SDlnD) der lnD-Werte (log to base e) der n Faserdurchmesser (D) wird berechnet.



image

(1)

image

(2)

Die Standardabweichung wird durch die Quadratwurzel der Anzahl Messungen (n) dividiert und daraus der Standardfehler (SElnD) ermittelt.



image

(3)

Das Zweifache des Standardfehlers wird vom Mittelwert abgezogen und der Exponentialwert dieses Wertes (Mittelwert minus dem Zweifachen des Standardfehlers) berechnet; dies ergibt den geometrischen Mittelwert minus zwei geometrischen Standardfehlern.



image

(4)

3.   BERICHTSERSTELLUNG

TESTBERICHT

Der Testbericht muss mindestens folgende Angaben enthalten:

 den Wert für LWGMD-2SE,

 etwaige Abweichungen, vor allem jene, die sich auf Präzision oder Genauigkeit der Ergebnisse auswirken (mit entsprechenden Begründungen).

4.   LITERATUR

1. B. Tylee SOP MF 240. Health and Safety Executive. February 1999.

2. G. Burdett und G. Revell. Development of a standard method to measure the length-weigthed geometric mean fibre diameter: Results of the Second inter-laboratory exchange. IR/L/MF/94/07. Project R42.75 HPD. Health and Safety Executive. Research and Laboratory Services Division, 1994.

▼M4

A.23   1-OCTANOL/WASSER-VERTEILUNGSKOEFFIZIENT: METHODE ZUR PRÜFUNG UNTER LANGSAMEM RÜHREN

EINLEITUNG

1. Diese Prüfmethode entspricht der OECD-Prüfrichtlinie (TG) 123 (2006). Die POW-Werte (POW = 1-Octanol/Wasser-Verteilungskoeffizient) konnten mit der Methode zur Prüfung unter langsamem Rühren bis zu log POW 8,2 genau bestimmt werden (1). Entsprechend kommt diese Methode für die direkte Bestimmung der POW-Werte stark hydrophober Substanzen in Betracht.

2. Weitere Methoden zur Bestimmung des 1-Octanol/Wasser-Verteilungskoeffizienten (POW) sind die „Schüttelmethode“ (2) und die Bestimmung des POW aufgrund des Retentionsverhaltens bei der HPLC mit Phasenumkehr (3). Die „Schüttelmethode“ ist wegen der Übertragung von Octanol-Mikrotröpfchen in die wässrige Phase jedoch fehleranfällig. Mit steigenden POW-Werten führt das Vorhandensein dieser Tröpfchen in der wässrigen Phase zu einer zunehmenden Überschätzung der Konzentration der Prüfsubstanz im Wasser. Daher ist diese Methode nur bei Substanzen mit log POW < 4 geeignet. Die zweite Methode beruht auf direkt bestimmten POW-Werten, die zur Kalibrierung der Beziehung zwischen dem Retentionsverhalten in der HPLC und den gemessenen POW-Werten verwendet werden. Es gab einen Entwurf einer OECD-Richtlinie zur Bestimmung des 1-Octanol/Wasser-Verteilungskoeffizienten ionisierbarer Substanzen (4), der aber nicht mehr verwendet werden soll.

3. Diese Prüfmethode wurde in den Niederlanden entwickelt. Die Genauigkeit der in dieser Prüfmethode beschriebenen Verfahren wurde in einer Ringtest-Validierungsstudie unter Beteiligung von 15 Labors validiert und optimiert (5).

AUSGANGSÜBERLEGUNGEN

Bedeutung und Anwendung

4. Bei inerten organischen Substanzen wurden hoch signifikante Beziehungen zwischen den 1-Octanol/Wasser-Verteilungskoeffizienten (POW) und der jeweiligen Bioakkumulation in Fischen festgestellt. Außerdem wurde eine Korrelation zwischen den POW-Werten und der Toxizität für Fische sowie zwischen den POW-Werten und der Sorption chemischer Stoffe in Feststoffen wie z. B. in Böden und in Sedimenten nachgewiesen. Das Literaturverzeichnis enthält eine umfassende Übersicht über die verschiedenen Zusammenhänge (6).

5. Zwischen dem 1-Octanol/Wasser-Verteilungskoeffizienten und sonstigen für die Umwelttoxizität und für das chemische Verhalten erheblichen Merkmalen von Substanzen wurden vielfältige Beziehungen festgestellt. Entsprechend hat sich der 1-Octanol/Wasser-Verteilungskoeffizient zum Schlüsselparameter für die Bewertung des mit chemischen Stoffen verbundenen Umweltrisikos sowie zur Prognose der Persistenz chemischer Stoffe in der Umwelt entwickelt.

Anwendungsbereich

6. Bei der Methode zur Prüfung unter langsamem Rühren soll die Bildung von 1-Octanol-Mikrotröpfchen in der wässrigen Phase verringert werden. Entsprechend ist ausgeschlossen, dass die Konzentration in der wässrigen Phase wegen der ansonsten mit diesen Tröpfchen verbundenen Moleküle der Prüfsubstanz überschätzt wird. Daher eignet sich die Methode zur Prüfung unter langsamem Rühren insbesondere zur Bestimmung der POW-Werte von Substanzen, bei denen log POW-Werte im Bereich von mindestens 5 zu erwarten sind und bei denen die Schüttelmethode (2) eher fehleranfällig wäre.

DEFINITIONEN UND EINHEITEN

7. Der Verteilungskoeffizient einer Substanz für Wasser und ein lipophiles Lösungsmittel (1-Octanol) beschreibt die Gleichgewichtsverteilung des jeweiligen chemischen Stoffs zwischen den beiden Phasen. Der Verteilungskoeffizient für Wasser und 1-Octanol (POW) wird definiert als Verhältnis der Gleichgewichtskonzentrationen der Prüfsubstanz in mit Wasser gesättigtem 1-Octanol (CO) und in mit 1-Octanol gesättigtem Wasser (CW).

image

Für das Konzentrationsverhältnis wird keine Einheit angegeben. Meist wird das Verhältnis als Zehnerlogarithmus (log POW) ausgedrückt. POW ist temperaturabhängig; entsprechend sollte die Messtemperatur berücksichtigt werden.

PRINZIP DER METHODE

8. Um den Verteilungskoeffizienten zu bestimmen, werden Wasser, 1-Octanol und die Prüfsubstanz bei einer konstanten Temperatur in ein Gleichgewicht gebracht. Anschließend werden die Konzentrationen der Prüfsubstanz in den beiden Phasen bestimmt.

9. Die bei der Prüfung mit der Schüttelmethode auftretenden Schwierigkeiten infolge der Entstehung von Mikrotröpfchen können mit der hier vorgeschlagenen Methode unter langsamem Rühren verringert werden. Bei der Prüfung unter langsamem Rühren werden Wasser, 1-Octanol und die Prüfsubstanz in einem thermostatgeregelten Rührbehälter in ein Gleichgewicht gebracht. Durch das Rühren wird der Austausch zwischen den Phasen beschleunigt. Beim Rühren entstehen begrenzte Turbulenzen, welche den Austausch zwischen 1-Octanol und Wasser begünstigen, ohne dass Mikrotröpfchen entstehen können (1).

ANWENDBARKEIT DER PRÜFMETHODE

10. Da sich das Vorhandensein anderer Substanzen auf den Aktivitätskoeffizienten der Prüfsubstanz auswirken kann, sollte die Prüfsubstanz als reine Substanz untersucht werden. Daher sollte die jeweilige Substanz für die Messung der 1-Octanol/Wasser-Verteilung in der höchsten auf dem Markt verfügbaren Reinheit verwendet werden.

11. Diese Methode ist anzuwenden bei reinen Substanzen, bei denen weder eine Dissoziation noch eine Assoziation erfolgt und die keine erhebliche Grenzflächenaktivität aufweisen. Die Methode kann zur Bestimmung der 1-Octanol/Wasser-Verteilung dieser Substanzen und von Gemischen eingesetzt werden. Wenn die Methode für Gemische eingesetzt wird, hängt die 1-Octanol/Wasser-Verteilung von der chemischen Zusammensetzung des zu prüfenden Gemischs sowie von der Zusammensetzung des als wässrige Phase genutzten Elektrolyten ab. Wenn die Methode um verschiedene Schritte ergänzt wird, kann sie auch für dissoziierende und assoziierende Verbindungen eingesetzt werden (siehe Nummer 12).

12. Aufgrund der unterschiedlichen Gleichgewichte in Wasser und 1-Octanol, die sich bei der 1-Octanol-/Wasser-Verteilung dissoziierender Substanzen wie z. B. organischer Säuren und Phenole, organischer Basen und organometallischer Substanzen ergeben, ist das Verteilungsverhältnis für 1-Octanol/Wasser ebenfalls in hohem Maße von der Zusammensetzung des Elektrolyten abhängig (7)(8). Die Bestimmung des Verteilungsverhältnisses für 1-Octanol/Wasser setzt voraus, dass pH-Wert und Elektrolytzusammensetzung während der Messung überwacht und protokolliert werden. Die Bewertung der Verteilungsverhältnisse muss durch Fachleute erfolgen. Unter Berücksichtigung der Dissoziationskonstante(n) müssen geeignete pH-Werte so ausgewählt werden, dass für jedes Ionisierungsstadium ein Verteilungsverhältnis bestimmt werden kann. Zur Prüfung organometallischer Verbindungen müssen Pufferlösungen eingesetzt werden, die nicht als Komplexbildner wirken (8). Unter Berücksichtigung des aktuellen Kenntnisstandes bezüglich der Chemie der wässrigen Phase (Komplexbildungskonstanten, Dissoziationskonstanten) sollten die Versuchsbedingungen so gewählt werden, dass die Speziation der Prüfsubstanz in der wässrigen Phase bestimmt werden kann. Die Ionenkonzentration sollte in allen Prüfungen gleich sein; um dies zu gewährleisten, sollte ein Hintergrundelektrolyt eingesetzt werden.

13. Schwierigkeiten können sich bei der Prüfung in Verbindung mit der Untersuchung von Substanzen mit geringer Wasserlöslichkeit oder mit hohem POW ergeben, weil die Konzentrationen im Wasser sehr gering werden und eine genaue Bestimmung entsprechend problematisch ist. Diese Prüfmethode erläutert, wie diesem Problem begegnet werden kann.

INFORMATIONEN ZUR PRÜFSUBSTANZ

14. Die chemischen Reagenzien sollten mindestens Analysequalität besitzen. Es wird empfohlen, nicht markierte Prüfsubstanzen mit bekannter chemischer Zusammensetzung und einer Reinheit von mindestens 99 % oder radioaktiv markierte Prüfsubstanzen mit bekannter chemischer Zusammensetzung und radiochemischer Reinheit einzusetzen. Beim Einsatz von Indikatorsubstanzen mit kurzer Halbwertszeit sollten Korrekturen unter Berücksichtigung des Zerfallsverhaltens vorgenommen werden. Wenn die Prüfsubstanzen radioaktiv markiert wurden, sollte eine speziell für den jeweiligen chemischen Stoff vorgesehene Analysemethode eingesetzt werden, um sicherzustellen, dass die gemessene Radioaktivität unmittelbar auf die Prüfsubstanz zurückzuführen ist.

15. Log POW kann mit einer im Handel erhältlichen und für diesen Zweck vorgesehenen Software geschätzt werden; alternativ kann die Schätzung auch aufgrund des Verhältnisses der Löslichkeiten in beiden Lösungsmitteln erfolgen.

16. Bevor POW durch eine Prüfung unter langsamem Rühren bestimmt wird, sollten die folgenden Informationen zur Prüfsubstanz bekannt sein:

a) die Strukturformel,

b) geeignete Analysemethoden zur Bestimmung der Konzentration der Substanz in Wasser und in 1-Octanol,

c) die Dissoziationskonstante(n) ionisierbarer Substanzen (OECD-Richtlinie 112) (9),

d) die Wasserlöslichkeit (10),

e) Informationen zur abiotischen Hydrolyse (11),

f) die leichte biologische Abbaubarkeit (12),

g) der Dampfdruck (13).

BESCHREIBUNG DER METHODE

Geräte und Apparatur

17. Für die Prüfungen werden Standardlaborgeräte benötigt; insbesondere sind folgende Geräte erforderlich:

 Magnetrührer sowie Magnetrührstäbe mit Teflonbeschichtung zum Umrühren der wässrigen Phase,

 geeignete Analyseinstrumente zur Bestimmung der Konzentration der Prüfsubstanz in den erwarteten Konzentrationen,

 Rührgefäße mit einem Absperrhahn unten am Gefäß. Abhängig vom geschätzten Wert für log POW und von der Nachweisgrenze (LOD) der zu prüfenden Verbindung ist der Einsatz eines Reaktionsbehälters mit identischer Geometrie, aber mit einem Volumen von mehr als einem Liter in Betracht zu ziehen, damit hinreichend Wasser für die chemische Extraktion und für die durchzuführende Analyse entnommen werden kann. Dies führt zu höheren Konzentrationen im Wasserextrakt und ermöglicht entsprechend zuverlässigere Analysen. Anlage 1 enthält eine Tabelle mit Schätzwerten für die erforderlichen Mindestvolumina, der Nachweisgrenze der Verbindung, dem geschätzten log POW und der Löslichkeit in Wasser. Die Tabelle beruht auf der Beziehung zwischen log POW und dem Verhältnis zwischen der Löslichkeit in Octanol und in Wasser gemäß Pinsuwan u. a. (14):

 
image

 Dabei ist

 
image (Molarität)

 sowie auf der von Lyman (15) definierten Beziehung für die Prognose der Löslichkeit in Wasser. Die mit der in Anlage 1 genannten Formel bestimmten Wasserlöslichkeiten sind als erste Schätzung zu betrachten. Der Prüfende kann die Wasserlöslichkeit auch aufgrund einer sonstigen Beziehung schätzen, die er für besser geeignet hält, Auskunft über die Beziehung zwischen Hydrophobizität und Löslichkeit zu geben. Bei festen Verbindungen wird z. B. die Berücksichtigung des Schmelzpunktes bei der Prognose der Löslichkeit empfohlen. Wenn eine modifizierte Formel verwendet wird, sollte sichergestellt werden, dass die Gleichung zur Berechnung der Löslichkeit in Octanol noch gültig ist. In Anlage 2 ist ein Rührgefäß mit Glasmantel und einem Inhalt von etwa einem Liter dargestellt. Die Proportionen des in Anlage 2 dargestellten Gefäßes haben sich als günstig erwiesen und sollten auch dann beibehalten werden, wenn eine anders dimensionierte Apparatur verwendet wird,

 entscheidend ist eine Vorrichtung, mit der während der Prüfung unter langsamem Rühren eine konstante Temperatur aufrechterhalten werden kann.

18. Die Gefäße sollten aus einem inerten Material bestehen, damit die Adsorption durch die Oberfläche der Gefäße vernachlässigt werden kann.

Herstellung der Prüflösungen

19. Der Wert für POW sollte mit 1-Octanol der höchsten im Handel erhältlichen Reinheit (mindestens + 99 %) bestimmt werden. Die Reinigung von 1-Octanol durch die Extraktion mit einer Säure, einer Base und Wasser und eine anschließende Trocknung werden empfohlen. Außerdem kann 1-Octanol auch durch Destillation gereinigt werden. Zur Herstellung der Standardlösungen der Prüfsubstanzen ist gereinigtes 1-Octanol zu verwenden. Das für die Bestimmung von POW zu verwendende Wasser sollte durch Glas oder Quarz destilliert oder mit einem Reinigungssystem hergestellt worden sein; alternativ kann auch HPLC-Wasser verwendet werden. Destilliertes Wasser sollte durch ein 0,22-μm-Filter gefiltert werden; mit Blindproben sollte sichergestellt werden, dass die konzentrierten Extrakte keine Verunreinigungen enthalten, welche die Prüfsubstanz verändern könnten. Wenn ein Glasfaserfilter verwendet wird, sollte das Filter durch mindestens dreistündige Erhitzung auf 400 °C gereinigt werden.

20. Beide Lösungsmittel werden vor Durchführung der Prüfung wechselseitig gesättigt, indem sie in einem hinreichend großen Gefäß in ein Gleichgewicht gebracht werden. Dazu wird das aus zwei Phasen bestehende System zwei Tage lang langsam gerührt.

21. Eine geeignete Konzentration der Prüfsubstanz wird ausgewählt und in 1-Octanol (mit Wasser gesättigt) gelöst. Der 1-Octanol/Wasser-Verteilungskoeffizient ist in verdünnten Lösungen mit 1-Octanol und Wasser zu bestimmen. Daher sollte die Konzentration der Prüfsubstanz höchstens 70 % ihrer Löslichkeit bei einer Höchstkonzentration von 0,1 M in beiden Phasen betragen (1). Die für die Prüfungen verwendeten 1-Octanol-Lösungen dürfen keine suspendierten Feststoffe aus der Prüfsubstanz enthalten.

22. Eine geeignete Menge der Prüfsubstanz wird in 1-Octanol (mit Wasser gesättigt) gelöst. Wenn die Schätzung für log POW einen Wert über fünf ergibt, ist besonders darauf zu achten, dass die für die Prüfung verwendeten 1-Octanol-Lösungen keine suspendierten Feststoffe aus der Prüfsubstanz enthalten. Dazu ist bei chemischen Stoffen mit einem geschätzten log POW > 5 wie folgt zu verfahren:

 Die Prüfsubstanz wird in 1-Octanol (mit Wasser gesättigt) gelöst.

 Es wird hinreichend Zeit gelassen, damit sich suspendierte Feststoffe absetzen können. Während des Absetzens wird die Konzentration der Prüfsubstanz überwacht.

 Nachdem sich die gemessenen Konzentrationen der 1-Octanol-Lösung stabilisiert haben, wird die Stammlösung mit einer geeigneten Menge 1-Octanol verdünnt.

 Anschließend wird die Konzentration der verdünnten Stammlösung gemessen. Wenn die gemessene Konzentration mit der Verdünnung übereinstimmt, kann die verdünnte Stammlösung zur Prüfung unter langsamem Rühren verwendet werden.

Extraktion und Analyse der Proben

23. Für die Untersuchung der Prüfsubstanz sollte eine validierte Analysemethode verwendet werden. Der Prüfende muss nachweisen, dass die Konzentrationen in dem mit Wasser gesättigten 1-Octanol sowie in der mit 1-Octanol gesättigten wässrigen Phase während der Prüfung über der bei dem eingesetzten Analyseverfahren für die Methode festgesetzten Quantifizierungsgrenze liegen. In Fällen, in denen Extraktionsmethoden erforderlich sind, muss die analytische Wiederfindung der Prüfsubstanzen aus der wässrigen Phase und aus der 1-Octanol-Phase vor der Prüfung erfolgen. Die Anforderungen an die Analysesignale sind aufgrund von Blindwerten zu korrigieren; dabei ist darauf zu achten, dass keine Analytübertragungen zwischen den Proben vorkommen können.

24. Bei hydrophoben Prüfsubstanzen sind wegen der eher niedrigen Konzentrationen der Prüfsubstanzen in der wässrigen Phase vor der Analyse wahrscheinlich eine Extraktion der wässrigen Phase mit einem organischen Lösungsmittel und eine Vorkonzentration des Extrakts vorzunehmen. Aus demselben Grund müssen die eventuell verwendeten Blindprobenkonzentrationen reduziert werden. Dazu sind hochreine und vorzugsweise für Rückstandsanalysen vorgesehene Lösungsmittel zu verwenden. Die Verwendung sorgfältig vorgereinigter Glasgeräte (z. B. durch Spülen mit einem Lösungsmittel oder unter starker Erwärmung) kann zusätzlich helfen, Kreuzkontamination zu vermeiden.

25. Log POW kann mit einem geeigneten Programm ermittelt oder von Fachleuten mit entsprechender Erfahrung geschätzt werden. Bei Werten über 6 müssen Blindwert-Korrekturen und Analyteintragungen sorgfältig überwacht werden. Wenn der geschätzte Wert für log POW über 6 liegt, muss ein Surrogatstandard für die Wiederfindungskorrektur verwendet werden, damit die erforderlichen hohen Vorkonzentrationsfaktoren erreicht werden können. Auf dem Markt werden verschiedene Computer-Programme zur Schätzung von log POW angeboten ( 14 ) (z. B. Clog P(16), KOWWIN(17), ProLogP(18) und ACD log P(19)). Das Literaturverzeichnis enthält Beschreibungen der verschiedenen Schätzverfahren (20-22).

26. Die Quantifizierungsgrenzen (LOQ) für die Bestimmung der Prüfsubstanz in 1-Octanol und Wasser werden mit anerkannten Methoden bestimmt. Als Faustregel kann die Konzentration in Wasser oder 1-Octanol, bei der sich ein Signal-/Rauschverhältnis von 10 ergibt, als Quantifizierungsgrenze für die betreffende Methode angenommen werden. Entsprechend sollten eine geeignete Methode zur Extraktion und zur Vorkonzentration ausgewählt und Verfahren für die analytische Wiederfindung spezifiziert werden. Der Vorkonzentrationsfaktor ist so auszuwählen, dass sich bei der Analyse ein Signal der geforderten Stärke ergibt.

27. Ausgehend von den Parametern der Analysemethode und von den erwarteten Konzentrationen wird die Probengröße bestimmt, die für eine genaue Bestimmung der Konzentration der jeweiligen Verbindung ungefähr erforderlich ist. Wasserproben, die so klein sind, dass kein hinreichendes Analysesignal festgestellt werden kann, sollten nicht verwendet werden. Ebenso sollte die Verwendung zu großer Wasserproben vermieden werden, weil ansonsten möglicherweise zu wenig Wasser für die erforderlichen Analysen (n = 5) verbleibt. In Anlage 1 wird das Proben-Mindestvolumen abhängig vom Gefäßvolumen, von der Nachweisgrenze der Prüfsubstanz und von der Löslichkeit der Prüfsubstanz angegeben.

28. Die Quantifizierung der Prüfsubstanzen erfolgt durch den Vergleich mit Kalibrierungskurven der entsprechenden Verbindung. Die Konzentrationen in den analysierten Proben müssen innerhalb der Bandbreite der Standardkonzentrationen liegen.

29. Bei Prüfsubstanzen mit log POW-Werten über 6 muss der Wasserprobe vor der Extraktion ein Surrogatstandard zugesetzt werden, um die bei der Extraktion und bei der Vorkonzentration der Wasserprobe auftretenden Verluste zu erfassen. Für exakte Wiederfindungskorrekturen müssen die Surrogate Merkmale aufweisen, die denen der Prüfsubstanz möglichst ähnlich sind oder vollständig mit deren Merkmalen übereinstimmen. Dazu werden vorzugsweise mit einem (stabilen) Isotop markierte, den Prüfsubstanzen analoge Verbindungen verwendet (z. B. deuterierte oder mit 13C markierte Verbindungen). Wenn mit einem stabilen Isotop (d. h. mit 13C oder 2H) markierte Verbindungen nicht verwendet werden können, sollte anhand zuverlässiger Daten in der Fachliteratur nachgewiesen werden, dass die physikalisch-chemischen Merkmale der Surrogate den Merkmalen der Prüfsubstanzen sehr nahekommen. Bei der Flüssig-flüssig-Extraktion der wässrigen Phase können Emulsionen entstehen. Diese Emulsionen können durch die Zugabe von Salz und Ausfällen der Emulsion über Nacht verringert werden. Die Methoden zur Extraktion und zur Vorkonzentration der Proben sind zu protokollieren.

30. Aus der 1-Octanol-Phase gezogene Proben können vor der Analyse erforderlichenfalls mit einem geeigneten Lösungsmittel verdünnt werden. Die Verwendung von Surrogatstandards zur Wiederfindungskorrektur wird für Substanzen empfohlen, bei denen in Wiederfindungsprüfungen starke Schwankungen zu verzeichnen waren (relative Standardabweichung > 10 %).

31. Die Analysemethode ist detailliert zu protokollieren. Zu erfassen sind unter anderem die Extraktionsmethode, Vorkonzentrations- und Verdünnungsfaktoren, Geräteparameter, die Kalibrierungsroutine, der Kalibrierungsbereich, Angaben zur analytischen Wiederfindung der Prüfsubstanzen aus dem Wasser, Zugaben von Surrogatstandards zur Wiederfindungskorrektur, Blindwerte, Nachweisgrenzen und Quantifizierungsgrenzen.

Durchführung der Prüfung

Optimale 1-Octanol-/Wasser-Verhältnisse

32. Bei der Auswahl der Volumina von Wasser und 1-Octanol sollten die folgenden Punkte berücksichtigt werden: die Quantifizierungsgrenze (LOQ) in 1-Octanol und Wasser, die Vorkonzentrationsfaktoren der Wasserproben, das Volumen der aus 1-Octanol und aus Wasser genommenen Proben und die zu erwartenden Konzentrationen. Aus durchführungspraktischen Gründen sollte das 1-Octanol-Volumen bei dem System zur Prüfung unter langsamem Rühren so gewählt werden, dass die 1-Octanol-Schicht hinreichend stark (> 0,5 cm) ist, damit die Proben ohne Beeinträchtigung aus der 1-Octanol-Phase entnommen werden können.

33. Typische Phasenverhältnisse für die Bestimmung von Verbindungen mit log POW-Werten von mindestens 4,5 sind 20 bis 50 ml 1-Octanol und 950 bis 980 ml Wasser in einem 1-l-Gefäß.

Prüfbedingungen

34. Während der Prüfung wird das Reaktionsgefäß mit einem Thermostaten so geregelt, dass die Temperaturschwankungen unter 1 °C liegen. Die Untersuchung sollte bei einer Temperatur von 25 °C durchgeführt werden.

35. Das Prüfsystem sollte vor Tageslichteinfall geschützt werden, indem die Prüfungen entweder im Dunkeln durchgeführt werden oder das Reaktionsgefäß mit einer Aluminiumfolie bedeckt wird.

36. Außerdem sollte die Prüfung in (möglichst) staubfreier Umgebung erfolgen.

37. Das 1-Octanol-Wasser-System wird gerührt, bis das erforderliche Gleichgewicht hergestellt ist. In einem Pilottest unter langsamem Rühren bei regelmäßiger Entnahme von Proben aus der wässrigen Phase und aus der 1-Octanol-Phase wird die Zeitspanne bis zur Herstellung des Gleichgewichts ermittelt. Zwischen den verschiedenen Probenahmen sollten jeweils mindestens 5 Stunden liegen.

38. Die POW-Werte sind in mindestens drei unabhängig voneinander durchzuführenden Prüfungen unter langsamem Rühren zu bestimmen.

Bestimmung der zur Herstellung des Gleichgewichts erforderlichen Zeitspanne

39. Es wird angenommen, dass das Gleichgewicht dann erreicht ist, wenn das Konzentrationsverhältnis für 1-Octanol und Wasser in einem Zeitraum mit vier Messzeitpunkten bei einem p-Wert von 0,05 so weit zurückgegangen ist, dass der Endwert nicht mehr signifikant von 0 abweicht. Die Zeitspanne zur Herstellung des Gleichgewichts beträgt mindestens einen Tag. Erst dann kann mit der Probenahme begonnen werden. Als Faustregel kann davon ausgegangen werden, dass bei Substanzen, bei denen log POW auf unter 5 geschätzt wird, die Probenahme am zweiten und am dritten Tag erfolgen kann. Bei stärker hydrophoben Verbindungen dauert die Herstellung des Gleichgewichts unter Umständen länger. Bei einer Verbindung mit log POW 8,23 (Decachlorbiphenyl) wurde das Gleichgewicht nach 144 Stunden erreicht. Ob das Gleichgewicht hergestellt ist, wird anhand mehrfacher Probenahmen aus einem einzigen Gefäß beurteilt.

Beginn der Prüfung

40. Zu Beginn der Prüfung wird das Reaktionsgefäß Wasser befüllt, das mit 1-Octanol gesättigt wurde. Dabei sollte genügend Zeit zum Erreichen der thermostatgeregelten Temperatur gelassen werden.

41. Die gewünschte Menge der Prüfsubstanz (im erforderlichen Volumen des mit Wasser gesättigten 1-Octanol) wird vorsichtig in das Reaktionsgefäß gegeben. Dies ist ein entscheidender Schritt bei der Prüfung, da bei der Mischung der beiden Phasen Verwirbelungen vermieden werden müssen. Dazu kann die 1-Octanol-Phase langsam mit einer Pipette dicht über der Wasseroberfläche gegen die Wand des Prüfgefäßes getropft werden. Die 1-Octanol-Phase fließt dann an der Glaswand hinab und bildet einen Film auf der wässrigen Phase. Eine direkte Dekantierung von 1-Octanol in den Kolben sollte in jedem Fall vermieden werden; unter keinen Umständen sollten 1-Octanol-Tropfen direkt auf die Wasseroberfläche fallen.

42. Nach dem Beginn des Rührvorgangs sollte die Rührgeschwindigkeit langsam gesteigert werden. Wenn die Rührmotoren nicht in geeigneter Weise eingestellt werden können, sollte der Einsatz eines Transformators in Erwägung gezogen werden. Die Rührgeschwindigkeit sollte so eingestellt werden, dass am Übergang zwischen Wasser und 1-Octanol ein Wirbel mit einer Tiefe von 0,5 cm bis höchstens 2,5 cm entsteht. Die Rührgeschwindigkeit ist zu verringern, wenn der Wirbel tiefer als 2,5 cm wird; andernfalls können 1-Octanol-Mikrotröpfchen in der wässrigen Phase entstehen und dazu führen, dass die Konzentration der Prüfsubstanz im Wasser überschätzt wird. Die Rührgeschwindigkeit, bei der ein Wirbel mit einer Tiefe von höchstens 2,5 cm entsteht, wird ausgehend von den Ergebnissen der Ringtest-Validierungsstudie empfohlen (5). Diese Rührgeschwindigkeit gewährleistet einen Kompromiss zwischen der möglichst raschen Herstellung des erforderlichen Gleichgewichts und der Vermeidung von 1-Octanol-Mikrotröpfchen.

Probenahme und Behandlung der Proben

43. Vor der Probenahme sollte der Rührmotor ausgeschaltet und gewartet werden, bis die Flüssigkeiten zur Ruhe gekommen sind. Nach der Probenahme wird der Rührmotor bei geringer Rührgeschwindigkeit wieder eingeschaltet und die Rührgeschwindigkeit wie oben beschrieben langsam gesteigert.

44. Die Probenahme aus der wässrigen Phase erfolgt aus einem Absperrhahn unten am Reaktionsgefäß. Dabei ist das Totvolumen des im Hahn enthaltenen Wassers (in dem in Anlage 2 abgebildeten Gefäß etwa 5 ml) zu verwerfen. Das im Hahn enthaltene Wasser wurde nicht umgerührt und befindet sich daher nicht im Gleichgewicht mit der übrigen Flüssigkeit. Das Volumen der Wasserproben wird protokolliert; außerdem ist die Menge der im verworfenen Wasservolumen enthaltenen Prüfsubstanz bei der Berechnung der Massenbilanz zu berücksichtigen. Verdampfungsverluste sollten vermieden werden; dazu sollte dem Wasser Gelegenheit gegeben werden, ruhig in den Abscheidetrichter abzufließen, damit die Wasser-1-Octanol-Schicht nicht gestört wird.

45. Die Probenahme aus der 1-Octanol-Phase erfolgt, indem eine kleine Aliquote (ca. 100 μl) mit einer 100-Mikroliter-Glas-Metall-Spritze aus der 1-Octanol-Schicht gezogen wird. Dabei ist darauf zu achten, dass der Übergangsbereich nicht berührt wird. Anschließend wird das Volumen der als Probe entnommenen Flüssigkeit protokolliert. Eine kleine Aliquote ist ausreichend, da die 1-Octanol-Probe verdünnt wird.

46. Bei der Handhabung der Proben sollten unnötige Übertragungsschritte vermieden werden. Daher sollte das Probenvolumen gravimetrisch bestimmt werden. Bei Wasserproben kann dies geschehen, indem die Wasserproben in einem Abscheidetrichter gesammelt werden, der bereits die erforderliche Lösungsmittelmenge erhält.

DATEN UND BERICHTERSTATTUNG

47. Bei der hier beschriebenen Prüfmethode wird POW aufgrund von drei Prüfungen der zu untersuchenden Verbindung (drei Prüfeinheiten) unter langsamem Rühren bestimmt; dabei müssen jeweils identische Bedingungen gegeben sein. Die zum Nachweis des hergestellten Gleichgewichts vorgenommene Regression sollte auf den Ergebnissen von mindestens vier CO/CW-Werten zu aufeinanderfolgenden Zeitpunkten beruhen. Anhand dieser Ergebnisse kann eine Varianz als Maß für die Unsicherheit des pro Prüfeinheit ermittelten Durchschnittswerts berechnet werden.

48. POW kann über die Varianz der in den einzelnen Prüfeinheiten ermittelten Daten beschrieben werden. Aufgrund dieser Information wird POW nämlich als gewichteter Durchschnitt der Ergebnisse der einzelnen Prüfeinheiten berechnet. Dazu wird der Kehrwert der Varianz der Ergebnisse der Prüfeinheiten als Gewichtung angenommen. Dies hat zur Folge, dass sich Daten mit großen Schwankungen (ausgedrückt in einer hohen Varianz) und entsprechend geringerer Zuverlässigkeit weniger auf das Ergebnis auswirken als Daten mit niedriger Varianz.

49. In entsprechender Weise wird die gewichtete Standardabweichung berechnet. Die Standardabweichung beschreibt die Wiederholbarkeit der POW-Messung. Eine niedrige gewichtete Standardabweichung ist Ausdruck einer sehr hohen Wiederholbarkeit der POW-Bestimmung in ein und demselben Labor. Im Folgenden wird die formale statistische Behandlung der Daten beschrieben.

Auswertung der Ergebnisse

Nachweis der Herstellung des Gleichgewichts

50. Für jeden Probenahmezeitpunkt wird der Logarithmus des Verhältnisses der Konzentration der Prüfsubstanz in 1-Octanol und Wasser (log (CO/CW)) berechnet. Die Herstellung des chemischen Gleichgewichts wird nachgewiesen, indem dieses Verhältnis bezogen auf die betreffende Zeit dargestellt wird. Ein Plateau in der aus Messungen zu mindestens vier aufeinanderfolgenden Zeitpunkten erstellten Kurve zeigt, dass ein Gleichgewicht erreicht und die Verbindung tatsächlich in 1-Octanol gelöst ist. Andernfalls sind die Prüfungen fortzusetzen, bis sich aus den Werten von vier aufeinanderfolgenden Zeitpunkten eine Kurve ergibt, deren Steigung sich bei einem p-Wert von 0,05 nicht mehr signifikant von null unterscheidet, und die entsprechend zeigt, dass log CO/CW nicht mehr zeitabhängig ist.

Berechnung von Log POW

51. Log POW der Versuchseinheit wird als gewichteter Durchschnitt von log Co/Cw für den Teil der Kurve zur Darstellung des Verhältnisses von log Co/Cw zur Zeitspanne berechnet, in dem das Gleichgewicht nachgewiesen wurde. Zur Berechnung des gewichteten Durchschnitts werden die Daten mit dem Kehrwert der Varianz so berechnet, dass der Einfluss der Daten auf das Endergebnis umgekehrt proportional zur Unsicherheit der Daten ist.

Durchschnittlicher Wert für log POW

52. Der durchschnittliche Wert für log POW bei verschiedenen Versuchseinheiten wird als Durchschnitt der Ergebnisse der einzelnen mit der jeweiligen Varianz gewichteten Versuchseinheiten berechnet.

Die Berechnung erfolgt nach der nachstehenden Formel:

image

Dabei ist

Log POW,i

=

log POW der jeweiligen Versuchseinheit i,

log POW,Av

=

gewichteter Durchschnitt der jeweils ermittelten Werte für log POW,

wi

=

statistische Gewichtung von log POW der Versuchseinheit i.

Der Kehrwert der Varianz von log POW,i wird als wi eingesetzt (
image ).

53. Der Fehler des Durchschnitts von log POW wird geschätzt als die in den einzelnen Versuchseinheiten während der Gleichgewichtsphase ermittelte Wiederholbarkeit von log CO/CW und als gewichtete Standardabweichung von log POW,Avlog POW,Av) ausgedrückt, die wiederum ein Maß für den mit log POW,Av verbundenen Fehler ist. Die gewichtete Standardabweichung kann wie folgt aus der gewichteten Varianz (varlog POW,Av) berechnet werden:

image

image

Dabei steht n für die Anzahl der Versuchseinheiten.

Prüfbericht

54. Der Prüfbericht sollte folgende Informationen enthalten:

Prüfsubstanz:

 Handelsname (Common name), chemischer Name, CAS-Nummer, Strukturformel (mit Angabe der Lage der Markierung bei Verwendung radioaktiv markierten Materials) und relevante physikalisch-chemische Eigenschaften (siehe Nummer 17),

 Reinheit (Verunreinigungen) der Prüfsubstanz,

 Reinheit der Markierung von markierten Chemikalien und molare Aktivität (soweit zutreffend),

 vorläufige Schätzung von log POW sowie Methode zur Ableitung des Wertes.

Prüfbedingungen:

 Daten der Durchführung der Untersuchungen,

 Temperatur während der Prüfung,

 Volumina an 1-Octanol und Wasser bei Beginn der Prüfung,

 Volumina der entnommenen 1-Octanol- und Wasserproben,

 in den Prüfgefäßen verbliebene Volumina an 1-Octanol und Wasser,

 Beschreibung der Prüfgefäße und der Rührbedingungen (Geometrie von Rührstab und Prüfgefäß, Wirbeltiefe in mm und — wenn bekannt — Rührgeschwindigkeit),

 Analysemethoden zur Bestimmung der Prüfsubstanz und Methode zur Bestimmung der Quantifizierungsgrenze,

 Probenahmezeiten,

 pH-Wert der wässrigen Phase und verwendete Pufferlösungen, wenn der pH-Wert unter Berücksichtigung der ionisierbaren Moleküle korrigiert wurde,

 Anzahl der Wiederholungen.

Ergebnisse:

 Wiederholbarkeit und Empfindlichkeit der verwendeten Analysemethoden,

 bestimmte Konzentrationen der Prüfsubstanz in 1-Octanol und in Wasser abhängig von der Zeit,

 Berechnung der Massenbilanz,

 Temperatur und Standardabweichung oder Temperaturbereich während der Prüfung,

 zeitabhängige Regression des Konzentrationsverhältnisses,

 durchschnittlicher Wert log POW,Av und Standardfehler,

 Diskussion und Auswertung der Ergebnisse,

 beispielhafte Rohdaten repräsentativer Analysen (sämtliche Rohdaten sind gemäß den GLP-Standards zu speichern); u. a. Daten zur Wiederfindung von Surrogaten, Anzahl der bei der Kalibrierung verwendeten Konzentrationen (sowie Kriterien für den Korrelationskoeffizienten der Kalibrierungskurve) und Ergebnisse der Qualitätssicherung/Qualitätskontrolle (QA/QC),

 wenn verfügbar: Validierungsbericht zum Untersuchungsverfahren (im Literaturverzeichnis anzugeben).

LITERATUR:

1. De Bruijn JHM, Busser F, Seinen W, Hermens J. (1989). Determination of octanol/water partition coefficients with the „slow-stirring“ method. Environ. Toxicol. Chem. 8: 499-512.

2. Kapitel A.8 dieses Anhangs, Verteilungskoeffizient.

3. Kapitel A.8 dieses Anhangs, Verteilungskoeffizient.

4. OECD (2000). OECD Draft Guideline for the Testing of Chemicals: 122 Partition Coefficient (n-Octanol/Water): pH-Metric Method for Ionisable Substances. Paris.

5. Tolls J (2002). Partition Coefficient 1-Octanol/Water (Pow) Slow-Stirring Method for Highly Hydrophobic Chemicals, Validation Report. RIVM contract-Nrs 602730 M/602700/01.

6. Boethling RS, Mackay D (eds.) (2000). Handbook of property estimation methods for chemicals. Lewis Publishers Boca Raton, FL, USA.

7. Schwarzenbach RP, Gschwend PM, Imboden DM (1993). Environmental Organic Chemistry. Wiley, New York, NY.

8. Arnold CG, Widenhaupt A, David MM, Müller SR, Haderlein SB, Schwarzenbach RP (1997). Aqueous speciation and 1-octanol-water partitioning of tributyl- and triphenyltin: effect of pH and ion composition. Environ. Sci. Technol. 31: 2596-2602.

9. OECD (1981) OECD Guidelines for the Testing of Chemicals: 112 Dissociation Constants in Water. Paris.

10. Kapitel A.6 dieses Anhangs, Wasserlöslichkeit.

11. Kapitel C.7 dieses Anhangs, Abbaubarkeit — abiotischer Abbau: Hydrolyse in Abhängigkeit vom pH-Wert.

12. Kapitel C.4 — Teile II — VII (Methoden A bis F) dieses Anhangs -Bestimmung der „leichten“ biologischen Abbaubarkeit.

13. Kapitel A.4 dieses Anhangs, Dampfdruck.

14. Pinsuwan S, Li A and Yalkowsky S.H. (1995). Correlation of octanol/water solubility ratios and partition coefficients, J. Chem. Eng. Data. 40: 623-626.

15. Lyman WJ (1990). Solubility in water. In: Handbook of Chemical Property Estimation Methods: Environmental Behavior of Organic Compounds, Lyman WJ, Reehl WF, Rosenblatt DH, Eds. American Chemical Society, Washington, DC, 2-1 to 2-52.

16. Leo A, Weininger D (1989). Medchem Software Manual. Daylight Chemical Information Systems, Irvine, CA.

17. Meylan W (1993). SRC-LOGKOW for Windows. SRC, Syracuse, N.Y.

18. Compudrug L (1992). ProLogP. Compudrug, Ltd, Budapest.

19. ACD. ACD logP; Advanced Chemistry Development: Toronto, Ontario M5H 3V9, Canada, 2001.

20. Lyman WJ (1990). Octanol/water partition coefficient. In Lyman WJ, Reehl WF, Rosenblatt DH, eds, Handbook of chemical property estimation, American Chemical Society, Washington, D.C.

21. Rekker RF, de Kort HM (1979). The hydrophobic fragmental constant: An extension to a 1 000 data point set. Eur. J. Med. Chem. Chim. Ther. 14: 479-488.

22. Jübermann O (1958). Houben-Weyl, ed, Methoden der Organischen Chemie: 386-390.

Anlage 1

Tabelle zur Berechnung der für den Nachweis von prüfsubstanzen mit unterschiedlichen logPOW-Werten in der wässrigen Phase mindestens erforderlichen Volumina

Voraussetzungen:

 Maximales Volumen der einzelnen Aliquoten = 10 % des Gesamtvolumens; 5 Aliquoten = 50 % des Gesamtvolumens.

 
image ; bei niedrigeren Konzentrationen sind größere Volumina erforderlich.

 Zur Bestimmung der Nachweisgrenze verwendetes Volumen = 100 ml.

 log POW vs. Log SW und log POW vs. SR (SOCT/SW) sind sinnvolle Darstellungen der Beziehungen zwischen den Prüfsubstanzen.

Geschätzter Wert für Sw



log Pow

Formel

log Sw

Sw (mg/l)

4

image

0,496

3,133E+00

4,5

image

0,035

1,084E+00

5

image

– 0,426

3,750E-01

5,5

image

– 0,887

1,297E-01

6

image

– 1,348

4,487E-02

6,5

image

– 1,809

1,552E-02

7

image

– 2,270

5,370E-03

7,5

image

– 2,731

1,858E-03

8

image

– 3,192

6,427E-04

Geschätzter Wert für Soct



log Pow

Formel

Soct (mg/l)

4

image

3,763E+04

4,5

image

4,816E+04

5

image

6,165E+04

5,5

image

7,890E+04

6

image

1,010E+05

6,5

image

1,293E+05

7

image

1,654E+05

7,5

image

2,117E+05

8

image

2,710E+05



Gesamtmasse der Prüfsubstanz

(mg)

MasseOct/MasseWasser

MasseH2O

(mg)

KonzH2O

(mg/l)

Masseoct

(mg)

Konzoct

(mg/l)

1 319

526

2,5017

2,6333

1 317

26 333

1 686

1 664

1,0127

1,0660

1 685

33 709

2 158

5 263

0,4099

0,4315

2 157

43 149

2 762

16 644

0,1659

0,1747

2 762

55 230

3 535

52 632

0,0672

0,0707

3 535

70 691

4 524

1664 36

0,0272

0,0286

4 524

90 480

5 790

5263 16

0,0110

0,0116

5 790

115 807

7 411

1 664 357

0,0045

0,0047

7 411

148 223

9 486

5 263 158

0,0018

0,0019

9 486

189 713

Berechnung der Volumina



Erforderliches Mindestvolumen der H2O-Phase bei den verschiedenen LOD-Konzentrationen

log Kow

LOD (μg/l)→

0,001

0,01

0,10

1,00

10

4

 

0,04

0,38

3,80

38

380

4,5

 

0,09

0,94

9,38

94

938

5

 

0,23

2,32

23,18

232

2 318

5,5

 

0,57

5,73

57,26

573

5 726

6

 

1,41

14,15

141

1 415

14 146

6,5

 

3,50

34,95

350

3 495

34 950

7

 

8,64

86,35

864

8 635

86 351

7,5

 

21,33

213

2 133

21 335

213 346

8

 

52,71

527

5 271

52 711

527 111

Volumen für Nachweisgrenze LOD (l)

0,1

 

 

 

 

 

Erläuterungen

< 10 % des Gesamtvolumens der wässrigen Phase, 1-l-Ausgleichsgefäß.

< 10 % des Gesamtvolumens der wässrigen Phase, 2-l-Ausgleichsgefäß.

< 10 % des Gesamtvolumens der wässrigen Phase, 5-l-Ausgleichsgefäß.

< 10 % des Gesamtvolumens der wässrigen Phase, 10-l-Ausgleichsgefäß.

Mehr als 10 % des Volumens eines 10-l-Ausgleichsgefäßes.



Übersicht über die benötigten Volumina abhängig von der Wasserlöslichkeit und von log POW

Erforderliches Mindestvolumen der H2O-Phase bei den verschiedenen LOD-Konzentrationen (ml)

log Pow

Sw (mg/l)

LOD (μg/l)→

0,001

0,01

0,10

1,00

10

4

10

 

0,01

0,12

1,19

11,90

118,99

 

5

 

0,02

0,24

2,38

23,80

237,97

 

3

 

0,04

0,40

3,97

39,66

396,62

 

1

 

0,12

1,19

11,90

118,99

1 189,86

4,5

5

 

0,02

0,20

2,03

20,34

203,37

 

2

 

0,05

0,51

5,08

50,84

508,42

 

1

 

0,10

1,02

10,17

101,68

1 016,83

 

0,5

 

0,20

2,03

20,34

203,37

2 033,67

5

1

 

0,09

0,87

8,69

86,90

869,01

 

0,5

 

0,17

1,74

17,38

173,80

1 738,02

 

0,375

 

0,23

2,32

23,18

231,75

2 317,53

 

0,2

 

0,43

4,35

43,45

434,51

4 345,05

5,5

0,4

 

0,19

1,86

18,57

185,68

1 856,79

 

0,2

 

0,37

3,71

37,14

371,36

3 713,59

 

0,1

 

0,74

7,43

74,27

742,72

7 427,17

 

0,05

 

1,49

14,85

148,54

1 485,43

14 854,35

6

0,1

 

0,63

6,35

63,48

634,80

6 347,95

 

0,05

 

1,27

12,70

126,96

1 269,59

12 695,91

 

0,025

 

2,54

25,39

253,92

2 539,18

25 391,82

 

0,0125

 

5,08

50,78

507,84

5 078,36

50 783,64

6,5

0,025

 

2,17

21,70

217,02

2 170,25

21 702,46

 

0,0125

 

4,34

43,40

434,05

4 340,49

43 404,93

 

0,006

 

9,04

90,43

904,27

9 042,69

90 426,93

 

0,003

 

18,09

180,85

1 808,54

18 085,39

180 853,86

7

0,006

 

7,73

77,29

772,89

7 728,85

77 288,50

 

0,003

 

15,46

154,58

1 545,77

15 457,70

154 577,01

 

0,0015

 

23,19

231,87

2 318,66

23 186,55

231 865,51

 

0,001

 

46,37

463,73

4 637,31

46 373,10

463 731,03

7,5

0,002

 

19,82

198,18

1 981,77

19 817,73

198 177,33

 

0,001

 

39,64

396,35

3 963,55

39 635,47

396 354,66

 

0,0005

 

79,27

792,71

7 927,09

79 270,93

792 709,32

 

0,00025

 

158,54

1 585,42

15 854,19

158 541,86

1 585 418,63

8

0,001

 

33,88

338,77

3 387,68

33 876,77

338 767,72

 

0,0005

 

67,75

677,54

6 775,35

67 753,54

677 535,44

 

0,00025

 

135,51

1 355,07

13 550,71

135 507,09

1 355 070,89

 

0,000125

 

271,01

2 710,14

27 101,42

271 014,18

2 710 141,77

Volumen für Nachweisgrenze LOD (l)

0,1

 

 

 

 

 

Anlage 2

Beispiel eines Prüfgefäßes mit Glasmantel zur Bestimmung von POW unter langsamem Rühren

image

▼M6

A.24.   VERTEILUNGSKOEFFIZIENT (N-OCTANOL/WASSER), HOCHLEISTUNGS-FLÜSSIGKEITSCHROMATOGRAPHIE (HPLC-METHODE)

EINLEITUNG

Diese Prüfmethode entspricht der OECD-Prüfrichtlinie (TG) 117 (2004).

1. Als Verteilungskoeffizient (P) bezeichnet man das Verhältnis der Gleichgewichtskonzentrationen eines gelösten Stoffs in einem Zweiphasensystem aus zwei weitgehend unmischbaren Lösungsmitteln. Für n-Octanol und Wasser gilt:

image

Der Verteilungskoeffizient (P) ist der Quotient zweier Konzentrationen. Er wird ohne Maßeinheit gewöhnlich in Form seines Zehnerlogarithmus angegeben.

2. Der Pow-Wert ist ein Schlüsselparameter in Studien zur Persistenz chemischer Stoffe in der Umwelt. Eine hoch signifikante Beziehung zwischen dem Pow-Wert nicht ionisierter Stoffe und ihrer Bioakkumulation in Fischen wurde nachgewiesen. Außerdem wurde nachgewiesen, dass der Pow-Wert ein hilfreicher Parameter zur Prognose der Adsorption im Boden und in Sedimenten und zur Feststellung quantitativer Struktur-Wirkungs-Beziehungen bei vielfältigen biologischen Wirkungen ist.

3. Der ursprüngliche Vorschlag für diese Prüfmethode beruhte auf einem Artikel von C. V. Eadsforth und P. Moser (1). 1986 hat das deutsche Umweltbundesamt die Entwicklung der Prüfmethode und einen OECD-Ringversuch koordiniert (2).

AUSGANGSÜBERLEGUNGEN

4. log Pow-Werte von – 2 bis 4 (gelegentlich bis zu 5 und höher) ( 15 ) können experimentell mit der Schüttelmethode bestimmt werden (Kapitel A.8 dieses Anhangs, OECD-Prüfrichtlinie 107). Mit der HPLC-Methode können log Pow-Werte von 0 bis 6 ermittelt werden (1)(2)(3)(4)(5). Bei dieser Methode muss unter Umständen der Pow-Wert geschätzt werden, um geeignete Referenzstoffe zuordnen und Schlussfolgerungen aus den in der Prüfung generierten Daten ziehen zu können. Die Berechnungsmethoden werden in der Anlage zu dieser Prüfmethode kurz erläutert. Die HPLC wird mit isokratischer Elution durchgeführt.

5. Die Pow-Werte hängen von den Umgebungsbedingungen (Temperatur, pH-Wert, Ionenkonzentration usw.) ab. Diese sollten im Versuch definiert werden, damit die Pow-Werte richtig interpretiert werden können. Für ionisierbare Stoffe könnte in Zukunft eine andere Methode zur Verfügung stehen (z. B. der Entwurf der OECD-Prüfrichtlinie zur pH-Messung ionisierter Stoffe (6)), die als alternative Methode angewandt werden sollte. Nach diesem Entwurf der OECD-Richtlinie kann zwar unter Umständen der Pow-Wert dieser ionisierbaren Stoffe ermittelt werden; manchmal ist jedoch eher die HPLC-Methode bei einem für die jeweiligen Umgebungsbedingungen relevanten pH-Wert zu empfehlen (siehe Nummer 9).

PRINZIP DER METHODE

6. Analysen durch Umkehrphasen-HPLC werden mit Analysensäulen mit handelsüblichen Festphasen durchgeführt, die chemisch an Siliciumdioxid gebundene langkettige Kohlenwasserstoffe (z. B. C8 oder C18) enthalten.

7. Eine in eine solche Säule injizierte Chemikalie partitioniert zwischen der mobilen Lösungsmittelphase und der stationären Kohlenwasserstoffphase, während sie mit der mobilen Phase durch die Säule eluiert wird. Die Stoffe werden proportional entsprechend dem jeweiligen Kohlenwasserstoff/Wasser-Verteilungskoeffizienten abgetrennt; dabei werden zunächst die hydrophilen Stoffe und zuletzt die lipophilen Stoffe eluiert. Die Retentionszeit wird als Kapazitätsfaktor k ausgedrückt und mit folgender Formel bestimmt:

image

Dabei ist tR die Retentionszeit des Prüfstoffs und t0 die Totzeit, d. h. die Zeit, die ein Lösungsmittelmolekül durchschnittlich zum Wandern durch die Säule benötigt. Quantitative Analysemethoden sind nicht erforderlich, es müssen lediglich die Retentionszeiten bestimmt werden.

8. Der Octanol/Wasser-Verteilungskoeffizient eines Prüfstoffs kann berechnet werden, indem der Kapazitätsfaktor k des Prüfstoffs bestimmt und der so ermittelte Faktor k in die folgende Gleichung eingesetzt wird:

image

Dabei sind:

a, b

=

lineare Regressionskoeffizienten.

Die vorstehende Gleichung kann durch lineare Regression des Logarithmus der Octanol/Wasser-Verteilungskoeffizienten von Referenzsubstanzen gegen den Logarithmus der Kapazitätsfaktoren der Referenzsubstanzen ermittelt werden.

9. Durch Umkehrphasen-HPLC können Verteilungskoeffizienten im log Pow-Bereich von 0 bis 6 bestimmt werden; in Ausnahmefällen sind Berechnungen aber auch im log Pow-Bereich von 6 bis 10 möglich. Dazu muss unter Umständen allerdings die mobile Phase modifiziert werden (3). Für starke Säuren und Basen sowie für Metallkomplexe, Stoffe, die mit dem Elutionsmittel reagieren, und für grenzflächenaktive Stoffe ist diese Methode nicht geeignet. Messungen an ionisierbaren Stoffen können nur an deren nicht ionisierter Form (freie Säure oder freie Base) durch Verwendung eines geeigneten Puffers mit einem pH-Wert unter (freie Säure) bzw. über (freie Base) dem pKa-Wert durchgeführt werden. Alternativ könnte in Zukunft eine pH-Messmethode zur Prüfung ionisierbarer Stoffe zur Verfügung stehen, die als Alternativmethode (6) angewendet werden könnte. Wenn der log Pow-Wert für eine Einstufung oder eine Bewertung des Umweltrisikos ermittelt wird, ist die Prüfung bei einem für die jeweilige natürliche Umgebung typischen pH-Bereich vorzunehmen (d. h. im pH-Bereich von 5,0 bis 9).

10. Manchmal können Verunreinigungen die Interpretation der Ergebnisse erschweren, weil die Zuordnung der Peaks nicht eindeutig ist. Für Gemische, die ein nicht aufgelöstes Band ergeben, sollten jeweils die obere und die untere Grenze des log Pow-Peaks und die prozentuale Fläche jedes log Pow-Peaks angegeben werden. Für Gemische, die aus einer Gruppe von Homologen bestehen, sollte auch der gewichtete durchschnittliche log Pow-Wert angegeben werden (7); dieser ist ausgehend von den einzelnen Pow-Werten und den entsprechenden prozentualen Flächen zu berechnen (8). Alle Peaks, die mit einer Fläche von mindestens 5 % zur gesamten Peak-Fläche beitragen, sind in der Berechnung zu berücksichtigen (9):

image

Der gewichtete durchschnittliche log Pow-Wert gilt nur für aus Homologen (z. B. einer Reihe von Alkanen) bestehende Stoffe oder Gemische (z. B. für Tallöle). Die Messung von Gemischen kann zu aussagekräftigen Ergebnissen führen, wenn die Empfindlichkeit des verwendeten analytischen Detektors bei allen in dem Gemisch enthaltenen Stoffen gleich ist und eine angemessene Auflösung erreicht werden kann.

INFORMATIONEN ZUM PRÜFSTOFF

11. Die Dissoziationskonstante, die Strukturformel und die Löslichkeit in der mobilen Phase sollten bekannt sein, bevor diese Methode angewendet wird. Außerdem sind Informationen zur Hydrolyse hilfreich.

QUALITÄTSKRITERIEN

12. Um die Zuverlässigkeit der Messung zu erhöhen, sind Doppelbestimmungen durchzuführen.

 Wiederholbarkeit: Der aus wiederholten Messungen unter identischen Bedingungen und mit derselben Gruppe von Referenzstoffen ermittelte log Pow-Wert sollte im Bereich von ± 0,1 log-Einheiten liegen.

 Reproduzierbarkeit: Wenn die Messungen mit einer anderen Reihe von Referenzstoffen wiederholt werden, können andere Ergebnisse ermittelt werden. In der Regel liegt der Korrelationskoeffizient R der Beziehung zwischen log k und log Pow bei einer Reihe von Prüfstoffen etwa bei 0,9; dies entspricht einem Octanol-/Wasser-Verteilungskoeffizienten von log Pow ± 0,5 log-Einheiten.

13. Der Ringversuch hat gezeigt, dass mit der HPLC-Methode log Pow-Werte im Bereich von ± 0,5 Einheiten der mit der Schüttelmethode bestimmten Werte ermittelt werden können (2). Weitere Vergleiche sind der Literatur zu entnehmen (4)(5)(10)(11)(12). Die höchste Genauigkeit wird mit Korrelationsdiagrammen strukturverwandter Referenzstoffe erzielt (13).

REFERENZSTOFFE

14. Um den gemessenen Kapazitätsfaktor k eines Stoffs mit seinem Pow zu korrelieren, muss eine Kalibrierkurve mit mindestens sechs Datenpunkten erstellt werden (siehe Nummer 24). Die Wahl der geeigneten Referenzstoffe obliegt dem Benutzer. Die log Pow-Werte der Referenzstoffe sollten in der Regel den log Pow-Wert des Prüfstoffs einschließen; d. h. mindestens ein Referenzstoff sollte einen Pow-Wert über dem des Prüfstoffs und ein anderer einen Pow-Wert unter dem des Prüfstoffs haben. Extrapolationen sollten nur ausnahmsweise vorgenommen werden. Die Referenzstoffe sollten vorzugsweise mit dem Prüfstoff strukturverwandt sein. Die log-Pow-Werte der für die Kalibrierung verwendeten Referenzstoffe müssen auf zuverlässigen Versuchsdaten beruhen. Bei Stoffen mit hohem log Pow (normalerweise über 4) können berechnete Werte verwendet werden, wenn keine zuverlässigen experimentellen Daten verfügbar sind. Wenn extrapolierte Werte verwendet werden, ist ein Grenzwert anzugeben.

15. Für viele Gruppen von Chemikalien liegen umfangreiche Listen mit log Pow-Werten vor (14)(15). Wenn keine Daten zu den Verteilungskoeffizienten strukturverwandter Stoffe verfügbar sind, kann eine mit sonstigen Referenzstoffen ermittelte allgemeinere Kalibrierung verwendet werden. In Tabelle 1 sind empfohlene Referenzstoffe und die jeweiligen Pow-Werte zusammengestellt. Bei ionisierbaren Stoffen beziehen sich die angegebenen Werte auf die nicht ionisierte Form. Im Ringversuch wurden die Werte einer Plausibilitäts- und Qualitätsprüfung unterzogen.



Tabelle 1

Empfohlene Referenzstoffe

 

CAS-Nummer

Referenzstoff

log Pow

pKa

1

78-93-3

2-Butanon

(Methylethylketon)

0,3

 

2

1122-54-9

4-Acetylpyridin

0,5

 

3

62-53-3

Anilin

0,9

 

4

103-84-4

Acetanilid

1,0

 

5

100-51-6

Benzylalkohol

1,1

 

6

150-76-5

4-Methoxyphenol

1,3

pKa = 10,26

7

122-59-8

Phenoxyessigsäure

1,4

pKa = 3,12

8

108-95-2

Phenol

1,5

pKa = 9,92

9

51-28-5

2,4-Dinitrophenol

1,5

pKa = 3,96

10

100-47-0

Benzonitril

1,6

 

11

140-29-4

Phenylacetonitril

1,6

 

12

589-18-4

4-Methylbenzylalkohol

1,6

 

13

98-86-2

Acetophenon

1,7

 

14

88-75-5

2-Nitrophenol

1,8

pKa = 7,17

15

121-92-6

3-Nitrobenzoesäure

1,8

pKa = 3,47

16

106-47-8

4-Chloranilin

1,8

pKa = 4,15

17

98-95-3

Nitrobenzol

1,9

 

18

104-54-1

Zinnamylalkohol

(Zimtalkohol)

1,9

 

19

65-85-0

Benzoesäure

1,9

pKa = 4,19

20

106-44-5

p-Cresol

1,9

pKa = 10,17

21

140-10-3

(trans)

Zimtsäure

2,1

pKa = 3,89 (cis)

4,44 (trans)

22

100-66-3

Anisol

2,1

 

23

93-58-3

Methylbenzoat

2,1

 

24

71-43-2

Benzol

2,1

 

25

99-04-7

3-Methylbenzoesäure

2,4

pKa = 4,27

26

106-48-9

4-Chlorphenol

2,4

pKa = 9,1

27

79-01-6

Trichlorethylen

2,4

 

28

1912-24-9

Atrazin

2,6

 

29

93-89-0

Ethylbenzoat

2,6

 

30

1194-65-6

2,6-Dichlorbenzonitril

2,6

 

31

535-80-8

3-Chlorbenzoesäure

2,7

pKa = 3,82

32

108-88-3

Toluol

2,7

 

33

90-15-3

1-Naphthol

2,7

pKa = 9,34

34

608-27-5

2,3-Dichloranilin

2,8

 

35

108-90-7

Chlorbenzol

2,8

 

36

1746-13-0

Allyl-Phenylether

2,9

 

37

108-86-1

Brombenzol

3,0

 

38

100-41-4

Ethylbenzol

3,2

 

39

119-61-9

Benzophenon

3,2

 

40

92-69-3

4-Phenylphenol

3,2

pKa = 9,54

41

89-83-8

Thymol

3,3

 

42

106-46-7

1,4-Dichlorbenzol

3,4

 

43

122-39-4

Diphenylamin

3,4

pKa = 0,79

44

91-20-3

Naphthalin

3,6

 

45

93-99-2

Phenylbenzoat

3,6

 

46

98-82-8

Isopropylbenzol

3,7

 

47

88-06-2

2,4,6-Trichlorphenol

3,7

pKa = 6

48

92-52-4

Biphenyl

4,0

 

49

120-51-4

Benzylbenzoat

4,0

 

50

88-85-7

2,4-Dinitro-6-sec-butylphenol

4,1

 

51

120-82-1

1,2,4-Trichlorbenzol

4,2

 

52

143-07-7

Dodecansäure

4,2

pKa = 5,3

53

101-84-8

Diphenylether

4,2

 

54

85-01-8

Phenanthren

4,5

 

55

104-51-8

n-Butylbenzol

4,6

 

56

103-29-7

Dibenzyl

4,8

 

57

3558-69-8

2,6-Diphenylpyridin

4,9

 

58

206-44-0

Fluoranthen

5,1

 

59

603-34-9

Triphenylamin

5,7

 

60

50-29-3

DDT

6,5

 

BESCHREIBUNG DER METHODE

Vorabschätzung des Verteilungskoeffizienten

16. Erforderlichenfalls kann der Verteilungskoeffizient der Prüfsubstanz geschätzt werden; die Schätzung sollte vorzugsweise mit einer Berechnungsmethode (siehe Anlage) bzw. gegebenenfalls auch aufgrund des Verhältnisses der Löslichkeit der Prüfsubstanz in den reinen Lösungsmitteln erfolgen.

Gerät

17. Benötigt werden ein Flüssigphasenchromatograph mit einer Pumpe mit niedriger Förderleistung und ein geeignetes Detektionssystem. Angesichts der Vielzahl chemischer Gruppen kommen ein UV-Detektor mit einer Wellenlänge von 210 nm oder ein RI-Detektor in Betracht. Die Leistung der HPLC-Säule kann durch polare Gruppen in der stationären Phase erheblich beeinträchtigt werden. Deshalb sollten die stationären Phasen so wenig polare Gruppen wie möglich enthalten (16). Es können handelsübliche Mikroteilchenfüllungen für die Umkehrphasenchromatografie oder Fertigsäulen verwendet werden. Zwischen das Dosiersystem und die Analysensäule kann eine Vorsäule gesetzt werden.

Mobile Phase

18. Zur Zubereitung des Elutionsmittels werden für die HPLC-Methode ausreichend reines Methanol und destilliertes oder entionisiertes Wasser verwendet; das Elutionsmittel wird vor seiner Verwendung entgast. Es ist das Verfahren der isokratischen Elution anzuwenden. Dabei werden Methanol-Wasser-Verhältnisse mit einem Wassergehalt von mindestens 25 % empfohlen. Im Normalfall ist eine Methanol-Wasser-Mischung im Volumenverhältnis 3:1 für die Eluierung von Verbindungen mit einem log P-Wert von 6 bei einer Elutionszeit von einer Stunde und einer Durchflussrate von 1 ml/min ausreichend. Für Verbindungen mit einem log P-Wert von über 6 kann eine Verkürzung der Elutionszeit (auch der der Referenzstoffe) durch Senkung der Polarität der mobilen Phase oder Kürzung der Säulenlänge erforderlich sein.

19. Der Prüfstoff und die Referenzstoffe müssen in der mobilen Phase in ausreichender Konzentration löslich sein, um nachgewiesen werden zu können. Nur in Ausnahmefällen dürfen in der Methanol-Wasser-Mischung Zusatzstoffe verwendet werden, da diese die Eigenschaften der Säule verändern. In diesen Fällen muss sichergestellt werden, dass keine Auswirkungen auf die Retentionszeit der Prüfstoffe und der Referenzstoffe gegeben sind. Wenn die Methanol-Wasser-Mischung ungeeignet ist, können andere Mischungen aus einem organischen Lösungsmittel und Wasser verwendet werden, beispielsweise Ethanol-Wasser, Acetonitril-Wasser oder 2-Propanol-Wasser.

20. Der pH-Wert des Lösungsmittels ist für ionisierbare Stoffe kritisch. Er sollte innerhalb des pH-Bereichs der Säule liegen, der sich im Allgemeinen zwischen 2 und 8 bewegt. Die Anwendung eines Puffers ist zu empfehlen. Dabei muss darauf geachtet werden, dass kein Salz ausfällt und es nicht zur Beschädigung der Säule kommt, was bei einer Reihe von Mischungen von organischer Phase und Puffer möglich ist. HPLC-Messungen mit einer an Siliciumdioxid gebundenen stationären Phase und einem pH-Wert über 8 sind nicht empfehlenswert, da die Leistung der Säule bei Verwendung einer alkalischen mobilen Phase rapide nachlassen kann.

Gelöste Stoffe

21. Der Prüfstoff und die Referenzstoffe müssen ausreichend rein sein, um die Peaks der Chromatogramme den jeweiligen Stoffen zuordnen zu können. Die für Prüf- oder Kalibrierungszwecke verwendeten Stoffe werden möglichst in der mobilen Phase gelöst. Wird für die Lösung des Prüfstoffs und der Referenzstoffe ein anderes Lösungsmittel als die mobile Phase verwendet, so ist die mobile Phase für die letzte Verdünnung vor der Injektion zu verwenden.

Prüfbedingungen

22. Die Temperatur darf während der Messungen um höchstens ± 1 °C schwanken.

Bestimmung der Totzeit t0

23. Die Totzeit t0 lässt sich durch Verwendung nicht chromatografisch verzögerter organischer Verbindungen (z. B. Thioharnstoff oder Formamid) bestimmen. Ein genauerer Wert für die Totzeit ergibt sich aus den gemessenen Retentionszeiten oder aus etwa sieben Komponenten einer homologen Reihe (z. B. n-Alkyl-Methyl-Ketone) (17). Die Retentionszeiten tR (nC + 1) werden gegen tR (nC) aufgetragen; nC ist die Anzahl der Kohlenstoffatome. Es ergibt sich eine Gerade, tR (nC + 1) = A tR (nC) + (1 – A)t0; A ergibt sich aus k(nC + 1)/k(nC) und ist konstant. Die Totzeit t0 wird aus dem Schnittpunkt (1 – A)t0 und der Steigung A bestimmt.

Regressionsgleichung

24. Der nächste Schritt besteht in der Erstellung einer Korrelationskurve log k/log P für geeignete Referenzstoffe mit log P-Werten etwa im Bereich des für den Prüfstoff zu erwartenden Wertes. In der Praxis werden dazu 6 bis 10 Referenzstoffe gleichzeitig eingespritzt. Die Retentionszeiten werden am besten mithilfe eines mit dem Detektionssystem gekoppelten registrierenden Integrators bestimmt. Die Logarithmen der entsprechenden Kapazitätsfaktoren (log k) werden als Funktion von log P aufgezeichnet. Die Regressionsgleichung wird in regelmäßigen Abständen (mindestens einmal täglich) vorgenommen, damit eventuelle Leistungsveränderungen der Säule berücksichtigt werden können.

BESTIMMUNG DES POW-WERTES DES PRÜFSTOFFS

25. Der Prüfstoff wird in den geringsten noch nachweisbaren Mengen eingespritzt. Die Retentionszeit wird doppelt bestimmt. Der Verteilungskoeffizient des Prüfstoffs kann aus dem berechneten Kapazitätsfaktor auf der Kalibrierkurve interpoliert werden. Bei sehr niedrigen und sehr hohen Verteilungskoeffizienten ist eine Extrapolation erforderlich. In diesen Fällen ist besonders auf die Vertrauensgrenzen der Regressionsgeraden zu achten. Wenn die Retentionszeit der Probe außerhalb des Bereichs der für die Standards ermittelten Retentionszeiten liegt, ist ein Grenzwert anzugeben.

DATEN UND BERICHTERSTATTUNG

Prüfbericht

26. Der Bericht muss folgende Angaben enthalten:

 wenn bestimmt, die Vorabschätzung des Verteilungskoeffizienten, die geschätzten Werte und die verwendete Methode; wenn eine Berechnungsmethode verwendet wurde, die vollständige Beschreibung der Methode einschließlich der Datenbasis und detaillierter Informationen zur Auswahl von Substrukturen;

 Prüf- und Referenzstoffe: Reinheit, Strukturformel und CAS-Nummer,

 Beschreibung der Ausrüstung und der Betriebsbedingungen: Analysensäule, Vorsäule

 mobile Phase, Detektionsverfahren, Temperaturbereich, pH-Wert;

 Elutionsprofile (Chromatogramme);

 Totzeit und entsprechendes Messverfahren;

 Retentionswerte und Pow-Werte aus der Literatur für zur Kalibrierung verwendete Referenzstoffe;

 nähere Angaben zur Anpassung der Regressionsgeraden (log k/log Pow) und zum Korrelationskoeffizienten der Geraden einschließlich Konfidenzintervallen;

 durchschnittliche Retentionswerte und interpolierter log Pow-Wert für den Prüfstoff;

 bei Mischungen: Elutionsprofil-Chromatogramm mit Abgrenzungswerten;

 log Pow-Werte im Verhältnis zur prozentualen Fläche des log Pow-Peaks;

 Berechnung mit einer Regressionsgeraden;

 gegebenenfalls berechnete durchschnittliche log Pow-Werte.

LITERATUR

(1) C.V. Eadsforth und P. Moser. (1983). Assessment of Reverse Phase Chromatographic Methods for Determining Partition Coefficients. Chemosphere. 12, 1459.

(2) W. Klein, W. Kördel, M. Weiss und H.J. Poremski. (1988). Updating of the OECD Test Guideline 107 Partition Coefficient n-Octanol-Water, OECD Laboratory Intercomparison Test on the HPLC Method. Chemosphere. 17, 361.

(3) C.V. Eadsforth. (1986). Application of Reverse H.P.L.C. for the Determination of Partition Coefficient. Pesticide Science. 17, 311.

(4) H. Ellgehausen, C. D'Hondt und R. Fuerer (1981). Reversed-phase chromatography as a general method for determining octan-1-ol/water partition coefficients. Pesticide. Science. 12, 219.

(5) B. McDuffie (1981). Estimation of Octanol Water Partition Coefficients for Organic Pollutants Using Reverse Phase High Pressure Liquid Chromatography. Chemosphere. 10, 73.

(6) OECD (2000). Guideline for Testing of Chemicals — Partition Coefficient (n-octanol/water): pH-metric Method for Ionisable Substances. Draft Guideline, November 2000.

(7) OSPAR (1995). „Harmonised Offshore Chemicals Notification Format (HOCFN) 1995“, Oslo and Paris Conventions for the Prevention of Marine Pollution Programmes and Measures Committee (PRAM), Annex 10, Oviedo, 20.-24. Februar 1995.

(8) M. Thatcher, M. Robinson, L. R. Henriquez und C. C. Karman. (1999). An User Guide for the Evaluation of Chemicals Used and Discharged Offshore, A CIN Revised CHARM III Report 1999. Version 1.0, 3. August.

(9) E. A. Vik, S. Bakke und K. Bansal. (1998). Partitioning of Chemicals. Important Factors in Exposure Assessment of Offshore Discharges. Environmental Modelling & Software Vol. 13, S. 529-537.

(10) L.O. Renberg, S.G. Sundstroem und K. Sundh-Nygård. (1980). Partition coefficients of organic chemicals derived from reversed-phase thin-layer chromatography. Evaluation of methods and application on phosphate esters, polychlorinated paraffins and some PCB-substitutes. Chemosphere. 9, 683.

(11) W.E. Hammers, G.J. Meurs und C.L. De-Ligny. (1982). Correlations between liquid chromatographic capacity ratio data on Lichrosorb RP-18 and partition coefficients in the octanol-water system. J. Chromatography 247, 1.

(12) J.E. Haky und A.M. Young. (1984). Evaluation of a simple HPLC correlation method for the estimation of the octanol-water partition coefficients of organic compounds. J. Liq. Chromatography. 7, 675.

(13) S. Fujisawa und E. Masuhara. (1981). Determination of Partition Coefficients of Acrylates Methacrylates and Vinyl Monomers Using High Performance Liquid Chromatography. Journal of Biomedical Materials Research. 15, 787.

(14) C. Hansch und A. J. Leo. (1979). Substituent Constants for Correlation Analysis in Chemistry and Biology. John Willey, New York.

(15) C. Hansch, Vorsitz; A. J. Leo, Dir. (1982). Log P and Parameter Database: A tool for the quantitative prediction of bioactivity — Available from Pomona College Medical Chemistry Project, Pomona College, Claremont, California 91711.

(16) R. F. Rekker, H. M. de Kort. (1979). The hydrophobic fragmental constant: An extension to a 1 000 data point set. Eur. J. Med. Chem. — Chim. Ther. 14, 479.

(17) G.E. Berendsen, P.J. Schoenmakers, L. de Galan, G. Vigh, Z. Varga-Puchony, und J. Inczédy. (1980). On determination of hold-up time in reversed-phase liquid chromatography. J. Liq. Chromato. 3, 1669.

Anlage

Methoden zur Berechnung von POW-Werten

EINLEITUNG

1. Diese Anlage enthält eine kurze Einführung in die Berechnung von Pow-Werten. Weitere Informationen sind der Literatur zu entnehmen (1)(2).

2. Die berechneten Pow-Werte werden zu folgenden Zwecken verwendet:

 Auswahl der anzuwendenden Versuchsmethode: Schüttelmethode bei log Pow zwischen – 2 und 4 und HPLC-Methode bei log Pow zwischen 0 und 6;

 Festlegung der Bedingungen der HPLC (Referenzstoffe, Methanol-Wasser-Verhältnis);

 Plausibilitätsprüfung der durch Versuchsverfahren ermittelten Werte;

 Abgabe einer Einschätzung, wenn Versuchsverfahren nicht verwendet werden können.

Prinzip der Berechnungsverfahren

3. Die hier vorgeschlagenen Berechnungsverfahren beruhen auf der theoretischen Aufspaltung des Moleküls in geeignete Substrukturen, für die zuverlässige log Pow-Inkremente bekannt sind. Der log Pow-Wert wird als Summe seiner entsprechenden Teilwerte und der Korrekturglieder für intramolekulare Wechselwirkungen berechnet. Aufstellungen über Konstanten von Substrukturen und Korrekturglieder liegen vor (1)(2)(3)(4)(5)(6). Einige davon werden regelmäßig aktualisiert (3).

Zuverlässigkeit berechneter Werte

4. Im Allgemeinen nimmt die Zuverlässigkeit der Berechnungsverfahren in dem Maße ab, in dem die Komplexität des Prüfstoffs zunimmt. Bei einfachen Stoffen mit niedrigem Molekulargewicht und einer oder zwei funktionellen Gruppen ist mit einer Abweichung von 0,1 bis 0,3 log Pow-Einheiten von den Ergebnissen der verschiedenen Fragmentmethoden gegenüber den Messwerten zu rechnen. Die Fehlerspanne hängt von der Zuverlässigkeit der verwendeten Konstanten für die Substrukturen, der Fähigkeit der Erkennung intramolekularer Wechselwirkungen (z. B. Wasserstoffbindungen) und der richtigen Anwendung der Korrekturglieder ab. Bei ionisierbaren Stoffen ist die richtige Berücksichtigung der Ladung und des Ionisierungsgrades wichtig (10).

Fujita-Hansch'sche π-Methode

5. Die ursprünglich von Fujita et al. (7) für hydrophobe Substituenten eingeführte Konstante π wird wie folgt definiert:

πX = log Pow (PhX) – log Pow (PhH)

wobei PhX ein aromatischer Abkömmling und PhH der Ausgangsstoff ist.



Beispiel:

πCl

= log Pow (C6H5Cl) – log Pow (C6H6)

= 2,84 – 2,13

= 0,71

Die π-Methode ist vorwiegend bei aromatischen Stoffen von Bedeutung. π-Werte liegen für zahlreiche Substituenten vor (4)(5).

Rekker-Methode

6. Mit der Rekker-Methode (8) wird log Pow wie folgt berechnet:

image

wobei ai für die Häufigkeit steht, mit der eine bestimmte Substruktur im Molekül vorkommt, und fi das log Pow-Inkrement der Substruktur ist. Die Glieder für die Wechselwirkungen lassen sich als ein ganzes Vielfaches einer einzigen Konstante Cm (der so genannten magischen Konstante) angeben. Die Substrukturkonstanten fi und Cm wurden aus einer Liste von 1 054 experimentell ermittelten Pow-Werten (825 Verbindungen) mithilfe der mehrfachen Regressionsanalyse bestimmt (6)(8). Die Bestimmung der Glieder für die Wechselwirkungen erfolgt nach den in der Literatur angegebenen Regeln (6)(8)(9).

Hansch-Leo-Methode

7. Nach Hansch und Leo (4) wird der log Pow-Wert wie folgt berechnet:

image

wobei fi eine Substrukturkonstante und Fj ein Korrekturglied („Faktor“) ist und ai und bj für die entsprechende Häufigkeit des Vorkommens stehen. Listen der Substrukturwerte für einzelne Atome und Gruppen und für Korrekturglieder Fj wurden durch die Trial-and-Error-Methode aus experimentell bestimmten Pow-Werten abgeleitet. Die Korrekturglieder sind in unterschiedliche Kategorien eingeordnet worden (1)(4). Um sämtliche Regeln und Korrekturglieder zu berücksichtigen, wurden geeignete Software-Pakete entwickelt (3).

KOMBINIERTE METHODE

8. Die Berechnung der log Pow-Werte komplexer Moleküle kann beträchtlich verbessert werden, wenn das Molekül in größere Substrukturen zerlegt wird, für die zuverlässige log Pow-Werte vorliegen, sei es aus Tabellen (3) (4), sei es aus eigenen Messungen. Solche Substrukturen (z. B. Heterocyclen, Anthrachinon, Azobenzol) können dann mit den Hansch'schen π-Werten oder mit den Substrukturkonstanten nach Rekker oder Leo kombiniert werden.

Bemerkungen

i) Die Berechnungsmethoden können auf teilweise oder vollständig ionisierte Stoffe nur dann angewendet werden, wenn die erforderlichen Korrekturfaktoren berücksichtigt werden.

ii) Wenn von intramolekularen Wasserstoffbindungen ausgegangen werden kann, müssen die entsprechenden Korrekturglieder (etwa + 0,6 bis + 1,0 log Pow-Einheiten) addiert werden (1). Hinweise auf das Vorliegen solcher Bindungen sind Stereo-Modellen oder spektroskopischen Daten des Stoffs zu entnehmen.

iii) Wenn mehrere tautomere Formen möglich sind, ist die wahrscheinlichste Form als Berechnungsgrundlage anzunehmen.

iv) Die Überarbeitungen der Listen der Substrukturkonstanten sind sorgfältig zu verfolgen.

LITERATUR ZU BERECHNUNGSMETHODEN

(1) W.J. Lyman, W.F. Reehl und D.H. Rosenblatt (Hrsg.). Handbook of Chemical Property Estimation Methods, McGraw-Hill, New York (1982).

(2) W.J. Dunn, J.H. Block und R.S. Pearlman (Hrsg.). Partition Coefficient, Determination and Estimation, Pergamon Press, Elmsford (New York) und Oxford (1986).

(3) Pomona College, Medicinal Chemistry Project, Claremont, California 91711, USA, Log P Database and Med. Chem. Software (Program CLOGP-3).

(4) C. Hansch und A.J. Leo. Substituent Constants for Correlation Analysis in Chemistry and Biology, John Wiley, New York (1979).

(5) Leo, C. Hansch und D. Elkins. (1971) Partition coefficients and their uses. Chemical Reviews. 71, 525.

(6) R. F. Rekker, H. M. de Kort. (1979). The hydrophobic fragmental constant: An extension to a 1 000 data point set. Eur. J. Med. Chem. — Chim. Ther. 14, 479.

(7) Toshio Fujita, Junkichi Iwasa & Corwin Hansch (1964). A New Substituent Constant, π, Derived from Partition Coefficients. J. Amer. Chem. Soc. 86, 5175.

(8) R.F. Rekker. The Hydrophobic Fragmental Constant, Pharmacochemistry Library, Vol. 1, Elsevier, New York (1977).

(9) C.V. Eadsforth und P. Moser. (1983). Assessment of Reverse Phase Chromatographic Methods for Determining Partition Coefficients. Chemosphere. 12, 1459.

(10) R.A. Scherrer. ACS — Symposium Series 255, S. 225, American Chemical Society, Washington, D.C. (1984).

▼M7

A.25.   DISSOZIATIONSKONSTANTEN IN WASSER (TITRATIONSVERFAHREN — SPEKTROFOTOMETRISCHES VERFAHREN — KONDUKTOMETRISCHES VERFAHREN)

EINLEITUNG

Diese Prüfmethode entspricht der OECD-Prüfrichtlinie 112 (1981).

Voraussetzungen

 Geeignete Analysemethode

 Wasserlöslichkeit

Leitlinien

 Strukturformel

 Elektrische Leitfähigkeit für konduktometrisches Verfahren

Einschränkende Aussagen

 Alle Prüfmethoden können an reinen Stoffen oder Stoffen handelsüblicher Qualität durchgeführt werden. Die potenziellen Auswirkungen von Verunreinigungen auf die Ergebnisse sind zu berücksichtigen.

 Das Titrationsverfahren ist für Stoffe mit geringer Löslichkeit nicht geeignet (siehe Prüflösungen unten).

 Das spektrofotometrische Verfahren ist nur bei Stoffen anwendbar, deren UV/VIS-Absorptionsspektren sich in der dissoziierten und undissoziierten Form jeweils deutlich unterscheiden. Dieses Verfahren eignet sich möglicherweise auch für Stoffe mit geringer Löslichkeit und nicht-saure/basische Dissoziationsformen (z. B. Komplexbildung).

 In Fällen, in denen die Onsagersche Gleichung anwendbar ist, kann das konduktometrische Verfahren angewendet werden, selbst bei mäßig niedrigen Konzentrationen und auch in Fällen von Nichtsäure-/Basen-Gleichgewichten.

Standarddokumente

Diese Prüfmethode beruht auf den Verfahren, auf die im Abschnitt „Literaturhinweise“ verweisen wird, sowie auf dem Leitfaden der EPA „Preliminary Draft Guidance for Premanufacture Notification“ vom 18. August 1978.

METHODE — EINLEITUNG, ZWECK, ANWENDUNGSBEREICH, RELEVANZ, ANWENDUNG UND VERSUCHSGRENZEN

Die Dissoziation eines Stoffes in Wasser ist wichtig für die Beurteilung seiner Auswirkungen auf die Umwelt. Sie bestimmt die Form des Stoffes, die wiederum für das Verhalten und den Transport des Stoffes maßgeblich ist. Sie beeinflusst möglicherweise die Anlagerung der Chemikalie an Böden und Sedimente und ihr Eindringen in biologische Zellen (Absorption).

Definitionen und Einheiten

Unter Dissoziation versteht man den reversiblen Vorgang der Spaltung einer chemischen Spezies in zwei oder mehrere chemische Stoffe, die auch in ionischer Form vorliegen können. Dieser Vorgang wird im Allgemeinen wie folgt angegeben:

RXR ++ X

Die der Reaktion zugrunde liegende Gleichgewichtskonstante der Konzentration ist

image

Handelt es sich bei R beispielsweise um Wasserstoff (eine Säure), ist die Konstante

image

oder

image

Referenzsubstanzen

Die folgenden Referenzstoffe müssen nicht in allen Fällen verwendet werden, in denen eine neue Substanz untersucht wird. Sie werden hier vor allem angegeben, damit die Methode gelegentlich kalibriert werden kann und um die Ergebnisse mit denen anderer Methoden vergleichen zu können.



 

pKa (1)

Temp. in °C

p-Nitrophenol

7,15

25 (1)

Benzoesäure

4,12

20

p-Chloroanilin

3,93

20

(1)   Für 20 °C ist kein Wert verfügbar, aber es kann davon ausgegangen werden, dass die Variabilität der Messergebnisse höher ist als die zu erwartende Temperaturabhängigkeit.

Sinnvoll wäre ein Stoff mit mehreren pKs (siehe „Prinzip der Prüfmethode“ ), z. B.



Zitronensäure

pKa (8)

Temp. in °C

 

1) 3,14

20

 

2) 4,77

20

 

3) 6,39

20

Prinzip der Prüfmethode

Das beschriebene chemische Verfahren ist im umweltrelevanten Temperaturbereich in der Regel nur wenig temperaturabhängig. Zur Bestimmung der Dissoziationskonstante ist eine Messung der Konzentrationen des chemischen Stoffes in seiner dissoziierten und undissoziierten Form erforderlich. Aus dem stöchiometrischen Verhältnis der Dissoziationsreaktion (siehe „Definitionen und Einheiten“ ) lässt sich die jeweilige Konstante bestimmen. In dem bei dieser Prüfmethode beschriebenen besonderen Fall verhält sich der Stoff wie eine Säure oder Base, und die Bestimmung erfolgt am besten mittels Bestimmung der relativen Konzentrationen der ionisierten und nichtionisierten Formen des Stoffes und des pH-Werts der Lösung. Welche Beziehung zwischen diesen Begriffen besteht, ist der Gleichung für pKa in „Definitionen und Einheiten“ zu entnehmen. Für einige Stoffe ergeben sich mehrere Dissoziationskonstanten, und es lassen sich ähnliche Gleichungen aufstellen. Einige der hier beschriebenen Methoden eignen sich auch für nicht-saure/basische Dissoziationen.

Qualitätskriterien

Wiederholbarkeit

Die Dissoziationskonstante sollte mit einer Toleranz von ± 0,1 log-Einheiten repliziert werden (mindestens dreifache Bestimmung).

BESCHREIBUNG DER PRÜFVERFAHREN

Zur Bestimmung des pKa-Wertes stehen zwei grundlegende Ansätze zur Verfügung — Titration einer bekannten Menge des Stoffes mit einer Standardsäure bzw. Standardbase und Bestimmung der relativen Konzentration der ionisierten und nichtionisierten Formen und ihrer pH-Abhängigkeit.

Vorbereitungen

Die auf diesen Grundsätzen basierenden Methoden können als Titrationsverfahren, spektrofotometrische Verfahren und konduktometrische Verfahren klassifiziert werden.

Testlösungen

Beim Titrier- und konduktometrischen Verfahren sollte die chemische Substanz in destilliertem Wasser gelöst werden. Beim spektrofotometrischen und bei anderen Verfahren werden Pufferlösungen verwendet. Die Konzentration des Prüfstoffs sollte den niedrigeren der beiden Werte — 0,01 M bzw. die Hälfte der Sättigungskonzentration — nicht überschreiten, und bei der Herstellung der Lösungen sollte die reinste verfügbare Form der Substanz verwendet werden. Sofern der Stoff nur schwer löslich ist, kann er in einer kleinen Menge wassermischbaren Lösungsmittels gelöst werden, bevor er den oben genannten Konzentrationen zugegeben wird.

Die Lösungen sollten mithilfe eines Tyndall-Strahls auf Emulsionen überprüft werden, insbesondere wenn ein Zusatzlösungsmittel zur Verbesserung der Löslichkeit verwendet wurde. Sofern Pufferlösungen verwendet werden, sollte die Konzentration 0,05 M nicht überschreiten.

Prüfbedingungen

Temperatur

Temperaturkonstanz sollte mit einer Toleranz von ± 1 °C gewährleistet sein. Die Bestimmung sollte am besten bei 201 °C erfolgen.

Wenn eine erhebliche Temperaturabhängigkeit vermutet wird, sollte die Bestimmung bei mindestens zwei weiteren Temperaturwerten erfolgen. Die Temperaturintervalle sollten im vorliegenden Fall 101 °C betragen, und Temperaturkonstanz sollte mit einer Toleranz von ± 0,11 °C gewährleistet sein.

Analysen

Die Methode richtet sich nach der Art des Prüfstoffs. Er muss ausreichend empfindlich sein, damit eine Bestimmung der unterschiedlichen Spezies bei jeder Konzentration der Testlösung möglich ist.

Durchführung des Tests

Titrationsverfahren

Die Bestimmung der Prüflösung erfolgt durch Titration mit der Standardsäure- bzw. Standardbasenlösung, wobei nach jeder Zugabe des Titranten der pH-Wert gemessen wird. Vor Erreichen des Äquivalenzpunktes sollten mindestens 10 inkrementelle Zugaben erfolgen. Wenn ein Gleichgewicht relativ schnell erreicht wird, kann ein Kompensationschreiber (Potenziometer) verwendet werden. Für dieses Verfahren müssen sowohl die Gesamtmenge des Stoffes als auch seine Konzentration genau bekannt sein. Es müssen Vorkehrungen zum Ausschluss von Kohlendioxid getroffen werden. In den Standardtests sind Verfahren, Vorsichtsmaßnahmen und Berechnungsmethoden im Einzelnen beschrieben (vgl. Literaturhinweise (1), (2), (3), (4)).

Spektrofotometrisches Verfahren

Es wird eine Wellenlänge ermittelt, bei der sich die Extinktionskoeffizienten der ionisierten und nichtionisierten Formen des Stoffes deutlich unterscheiden. Das UV/VIS-Absorptionsspektrum wird aus Lösungen mit konstanter Konzentration bei einem pH-Wert, bei dem der Stoff im Wesentlichen nichtionisiert und bei dem sie vollständig ionisiert vorliegt, sowie bei mehreren pH-Zwischenwerten ermittelt. Dies geschieht entweder durch Zugabe von Inkrementen konzentrierter Säure (Base) zu einem relativ großen Volumen einer Lösung der Substanz in einem Mehrkomponentenpuffer bei einem anfangs hohen (niedrigen) pH-Wert (Literaturhinweis 5) oder durch Zugabe gleicher Mengen einer Stammlösung des Stoffes z. B. in Wasser oder Methanol zu konstanten Volumina verschiedener Pufferlösungen, die den gewünschten pH-Bereich abdecken. Aus den pH- und Absorptionswerten bei der gewählten Wellenlänge wird eine ausreichende Anzahl von Werten für den pKa-Wert berechnet; dabei werden Daten aus mindestens 5 pH-Bereichen verwendet, in denen die Substanz zu mindestens 10 Prozent und zu weniger als 90 Prozent ionisiert ist. Für weitere Einzelheiten zum Versuch und zur Berechnungsmethode siehe Literaturhinweis (1).

Konduktometrisches Verfahren

Anhand einer Zelle mit niedriger, bekannter Zellkonstante wird die Leitfähigkeit einer ca. 0,1 M-Lösung der Substanz in Leitfähigkeitswasser gemessen. Ferner werden die Leitfähigkeiten einiger akkurat hergestellter Verdünnungen dieser Lösung gemessen. Die Konzentration wird jedes Mal halbiert, und die Reihen sollten verschiedene Konzentrationen in abgestufter Reihenfolge umfassen. Die Grenzleitfähigkeit bei unendlicher Verdünnung lässt sich ermitteln, indem ein ähnlicher Versuch mit Na-Salz durchgeführt und extrapoliert wird. Der Dissoziationsgrad lässt sich sodann aus der Leitfähigkeit der jeweiligen Lösung nach der Onsagerschen Gleichung ermitteln, und die Dissoziationskonstante kann anschließend nach dem Ostwaldschen Verdünnungsgesetz als K = α2C/(1 – α) berechnet werden, wobei C der Konzentration in Mol pro Liter und α dem dissoziierten Teil entspricht. Es müssen Vorkehrungen zum Ausschluss von CO2 getroffen werden. Für weitere Einzelheiten zum Versuch und zur Berechnungsmethode siehe Standardtexte und Literaturhinweise (1), (6) und (7).

DATEN UND BERICHTERSTATTUNG

Ergebnisauswertung

Titrationsverfahren

Der pKa-Wert wird für 10 Messpunkte auf der Titrationskurve gemessen. Es werden die Mittelwerte und Standardabweichungen dieser pKa-Werte errechnet. Es sollte eine Korrelationskurve pH-Wert/Volumen der Standardbase oder -säure in tabellarischer Form erstellt werden.

Spektrofotometrisches Verfahren

Das Absorptionsmaß und der pH-Wert werden für jedes Spektrum tabellarisch erfasst. Aus den Datenpunkten der Zwischenspektren werden mindestens fünf Werte für den pKa berechnet, ebenso wie die Mittelwerte und Standardabweichungen dieser Ergebnisse.

Konduktometrisches Verfahren

Die Äquivalentleitfähigkeit Λ wird für jede Säurekonzentration und für jede Konzentration eines Gemisches aus einem Säureäquivalent plus einem 0,98 Äquivalent karbonatfreier Natronlauge ermittelt. Die Säure liegt im Überschuss vor, um einen hydrolysebedingten Überschuss an OHzu vermeiden. 1/Λ wird gegen Ö_C aufgetragen, und Λo des Salzes lässt sich durch Extrapolation zur Nullkonzentration ermitteln.

Λo der Säure lässt sich anhand von Literaturwerten für H+ und Na+ berechnen. Der pKa lässt sich für jede Konzentration aus α = Λio und Ka = α2C/(1 – α) ermitteln. Man erhält bessere Werte für Ka, indem Korrekturen für Mobilität und Aktivität vorgenommen werden. Es sollten die Mittelwerte und Standardabweichungen dieser pKa-Werte berechnet werden.

Prüfbericht

Anzugeben sind sämtliche Rohdaten, die berechneten pKa-Werte und die Berechnungsmethode (am besten in tabellarischer Form, wie in Literaturhinweis (1) empfohlen), ebenso wie die oben beschriebenen statistischen Parameter. Bei Titrationsverfahren sind nähere Angaben zur Standardisierung der Titranten zu machen.

Beim spektrofotometrischen Verfahren sind alle Spektren anzugeben. Beim konduktometrischen Verfahren sollten nähere Angaben zur Bestimmung der Zellkonstante gemacht werden. Zudem sind Angaben zum angewandten Verfahren, zur Analysemethode und zur Art des verwendeten Puffers zu machen.

Die Prüftemperatur(en) sollte(n) festgehalten werden.

LITERATURHINWEISE

(1) Albert, A. & Sergeant, E.P., Ionization Constants of Acids and Bases, Wiley, Inc., New York, 1962.

(2) Nelson, N.H. & Faust, S.D., Acidic dissociation constants of selected aquatic herbicides, Env. Sci. Tech. 3, II, S. 1186-1188 (1969).

(3) ASTM D 1293 — Annual ASTM Standards, Philadelphia, 1974.

(4) Standard Method 242. APHA/AWWA/WPCF, Standard Methods for the Examination of Water and Waste Water, 14. Ausgabe, American Public Health Association, Washington, D.C., 1976.

(5) Clark, J. & Cunliffe, A.E., Rapid spectrophotometric measurement of ionisation constants in aqueous solution. Chem. Ind. (London) 281, (März 1973).

(6) ASTM D 1125 — Annual ASTM Standards, Philadelphia, 1974.

(7) Standard Method 205 — APHA/AWWA/NPCF (siehe (4)).

(8)  Handbook of Chemistry and Physics, 60th ed. CRC-Press, Boca Raton, Florida, 33431 (1980).

▼B




TEIL B: METHODEN ZUR BESTIMMUNG DER TOXIZITÄT UND SONSTIGER AUSWIRKUNGEN AUF DIE GESUNDHEIT

INHALTSVERZEICHNIS

ALLGEMEINE EINLEITUNG

B.1 bis.

AKUTE ORALE TOXIZITÄT — FEST-DOSIS-METHODE

B.1 tris.

AKUTE ORALE TOXIZITÄT — AKUT-TOXISCHE KLASSENMETHODE

B.2.

AKUTE INHALATIONSTOXIZITÄT

B.3.

AKUTE TOXIZITÄT (DERMAL)

B.4.

AKUTE TOXIZITÄT: HAUTREIZUNG/-VERÄTZUNG

B.5.

AKUTE AUGENREIZUNG/-VERÄTZUNG

B.6.

SENSIBILISIERUNG DER HAUT

B.7.

28-TAGE-TOXIZITÄTSSTUDIE MIT WIEDERHOLTER ORALER VERABREICHUNG AN NAGETIEREN

B.8.

PRÜFUNG AUF SUBAKUTE TOXIZITÄT NACH INHALATION — 28-TAGE-TEST

B.9.

TOXIZITÄT NACH 28-TÄGIGER GABE (DERMAL)

B.10.

IN-VITRO-TEST AUF CHROMOSOMENABERRATIONEN IN SÄUGETIERZELLEN

B.11.

TEST AUF CHROMOSOMENABERRATIONEN IN KNOCHENMARKZELLEN VON SÄUGETIEREN

B.12.

ERYTHROZYTEN-MIKROKERNTEST BEI SÄUGERN

B.13./14.

MUTAGENITÄT — RÜCKMUTATIONSTEST UNTER VERWENDUNG VON BAKTERIEN

B.17.

MUTAGENITÄT — IN VITRO-GENMUTATIONSTEST AN SÄUGETIERZELLEN

B.21.

IN-VITRO-ZELLTRANSFORMATIONSTEST

B.22.

SÄUGER-IN-VIVO-DOMINANT-LETAL-TEST

B.23.

SPERMATOGONIEN-CHROMOSOMENABERRATIONSTEST BEI SÄUGETIEREN

B.25.

IN-VIVO-SÄUGER-TRANSLOKATIONSTEST

B.26.

PRÜFUNG AUF SUB-CHRONISCHE ORALE TOXIZITÄT — 90-TAGE-TOXIZITÄTSSTUDIE BEI WIEDERHOLTER ORALER VERABREICHUNG AN NAGETIEREN

B.27.

PRÜFUNG AUF SUB-CHRONISCHE ORALE TOXIZITÄT — 90-TAGE-TOXIZITÄTSSTUDIE BEI WIEDERHOLTER ORALER VERABREICHUNG AN NICHT-NAGETIEREN

B.28.

PRÜFUNG AUF SUB-CHRONISCHE TOXIZITÄT NACH DERMALER APPLIKATION — 90-TAGE-TEST MIT NAGERN

B.29.

PRÜFUNG AUF SUB-CHRONISCHE TOXIZITÄT NACH INHALATION — 90-TAGE-TEST

B.30.

PRÜFUNGEN AUF CHRONISCHE TOXIZITÄT

B.31.

STUDIE ZUR PRÜFUNG AUF PRÄNATALE ENTWICKLUNGSTOXIZITÄT

B.32.

PRÜFUNGEN AUF KANZEROGENITÄT

B.33.

KOMBINIERTE STUDIEN ZUR PRÜFUNG AUF CHRONISCHE TOXIZITÄT UND KANZEROGENITÄT

B.34.

PRÜFUNG AUF REPRODUKTIONSTOXIZITÄT WÄHREND EINER GENERATION

B.35.

ZWEIGENERATIONENSTUDIE ZUR PRÜFUNG AUF REPRODUKTIONSTOXIZITÄT

B.36.

TOXIKOKINETIK

B.37.

VERZÖGERTE NEUROTOXIZITÄT PHOSPHORORGANISCHER SUBSTANZEN NACH AKUTER EXPOSITION

B.38.

VERZÖGERTE NEUROTOXIZITÄT PHOSPHORORGANISCHER SUBSTANZEN BEI WIEDERHOLTER GABE ÜBER 28 TAGE

B.39.

IN-VIVO-TEST ZUR UNPLANMÄSSIGEN DNA-SYNTHESE (UDS) IN SÄUGETIERLEBERZELLEN

B.40.

IN-VITRO-PRÜFUNG AUF HAUTÄTZENDE WIRKUNG: TER-TEST (TRANSCUTANEOUS ELECTRICAL RESISTANCE TEST)

B.40 bis.

IN-VITRO-PRÜFUNG AUF HAUTÄTZENDE WIRKUNG: TEST MIT MENSCHLISCHEM HAUTMODELL

B.41.

IN-VITRO-3T3-NRU-FOTOTOXIZITÄTSTEST

B.42.

HAUTSENSIBILISIERUNG: LOKALER LYMPHKNOTENTEST

B.43.

PRÜFUNG AUF NEUROTOXIZITÄT BEI NAGETIEREN

B.44.

HAUTRESORPTION: IN-VIVO-METHODE

B.45.

HAUTRESORPTION: IN-VITRO-METHODE

B.46.

IN-VITRO-HAUTREIZUNG: TEST AN REKONSTRUIERTEN MODELLEN HUMANER EPIDERMIS

B.47.

TRÜBUNGS- UND DURCHLÄSSIGKEITSTEST AN DER RINDERHORNHAUT ZWECKS IDENTIFIZIERUNG VON I) CHEMIKALIEN, DIE SCHWERE AUGENSCHÄDEN VERURSACHEN, UND II) CHEMIKALIEN, DIE KEINE EINSTUFUNG ALS AUGENREIZEND ODER SCHWER AUGENSCHÄDIGEND ERFORDERN

B.48.

TEST AM ISOLIERTEN HÜHNERAUGE ZUR IDENTIFIZIERUNG VON I) CHEMIKALIEN, DIE SCHWERE AUGENSCHÄDEN VERURSACHEN, UND II) CHEMIKALIEN, DIE KEINE EINSTUFUNG ALS AUGENREIZEND ODER SCHWER AUGENSCHÄDIGEND ERFORDERN

B.49.

IN-VITRO-MIKRONUKLEUSTEST AN SÄUGETIERZELLEN

B.50.

HAUTSENSIBILISIERUNG: LOKALER LYMPHKNOTENTEST: DA

B.51.

HAUTSENSIBILISIERUNG: LOKALER LYMPHKNOTENTEST: BRDU-ELISA

B.52.

AKUTE INHALATIONSTOXIZITÄT — AKUT-TOXISCHE KLASSENMETHODE

B.53.

PRÜFUNG AUF ENTWICKLUNGSNEUROTOXIZITÄT

B.54.

UTEROTROPHER BIOASSAY MIT NAGERN: EIN KURZZEIT-SCREENING-TEST AUF ÖSTROGENE EIGENSCHAFTEN

B.55.

HERSHBERGER-BIOASSAY MIT RATTEN: EIN KURZZEIT-SCREENING-TEST AUF (ANTI-)ANDROGENE EIGENSCHAFTEN

B.56.

ERWEITERTE EIN-GENERATIONEN-PRÜFUNG AUF REPRODUKTIONSTOXIZITÄT

B.57.

H295R-STEROIDGENESE-ASSAY

B.58.

GENMUTATIONS-ASSAYS AN SOMATISCHEN ZELLEN UND KEIMZELLEN TRANSGENER NAGETIERE

B.59.

IN-CHEMICO-HAUTSENSIBILISIERUNG: DIREKT-PEPTIDREAKTIVITÄTSTEST (DPRA)

B.60.

IN-VITRO-HAUTSENSIBILISIERUNG: ARE-NRF2 LUCIFERASE-PRÜFMETHODE

B.61.

FLUORESCEIN-LECKAGE-PRÜFMETHODE ZUR IDENTIFIZIERUNG VON STOFFEN MIT AUGENVERÄTZENDER UND STARK AUGENREIZENDER WIRKUNG

B.62.

ALKALISCHER IN-VIVO-COMET-ASSAY AN SÄUGETIERZELLEN

ALLGEMEINE EINLEITUNG

A.   CHARAKTERISIERUNG DER PRÜFSUBSTANZ

Die Zusammensetzung der Prüfsubstanz, einschließlich der Hauptverunreinigungen, ihre relevanten physikalisch-chemischen Eigenschaften sowie die Stabilität der Substanz müssen vor Beginn einer Toxizitätsuntersuchung bekannt sein.

Die physikalisch-chemischen Eigenschaften der Prüfsubstanz sind mitentscheidend für die Auswahl des Verabreichungsweges, die Art der einzelnen Prüfungen sowie für die Handhabung und Lagerung der Prüfsubstanz.

Der eigentlichen Untersuchung sollte daher die Entwicklung eines Analyseverfahrens zur qualitativen und quantitativen Bestimmung der Prüfsubstanz (möglichst einschließlich der Hauptverunreinigungen) im Verabreichungsmedium und im biologischen Material vorausgehen.

Alle Angaben bezüglich der Identifikation, der physikalisch-chemischen Eigenschaften, der Reinheit und des Verhaltens der Prüfsubstanz sollten im Prüfbericht enthalten sein.

B.   TIERPFLEGE

Eine strenge Kontrolle der Umweltbedingungen sowie eine den jeweiligen Tierarten angemessene Tierhaltung sind wesentliche Voraussetzungen für toxikologische Untersuchungen.

i)   Haltungsbedingungen

Die Umgebungsbedingungen in den Versuchstierräumen sind der jeweiligen Tierart anzupassen. Für Ratten, Mäuse und Meerschweinchen ist eine Raumtemperatur von 22 oC ± 3 oC bei einer relativen Luftfeuchtigkeit von 30-70 % angezeigt; bei Kaninchen sollte die Temperatur 20 ± 3 oC bei einer relativen Luftfeuchtigkeit von 30-70 % betragen.

Einige Untersuchungsmethoden sind besonders empfindlich gegenüber Temperatureinflüssen. Für diese Fälle sind Einzelheiten über die entsprechenden Umgebungsbedingungen in der Beschreibung des Prüfverfahrens enthalten. Bei allen Untersuchungen auf toxische Wirkungen sind Temperatur und Luftfeuchtigkeit zu überwachen, aufzuzeichnen und in den Abschlussbericht der Untersuchung aufzunehmen.

Die Beleuchtung sollte künstlich sein und die Hell- und Dunkelphasen sollten sich im Abstand von 12 Stunden abwechseln. Einzelheiten des Beleuchtungsmusters sind aufzuzeichnen und in den Abschlussbericht der Studie aufzunehmen.

Sofern in der Beschreibung der Prüfmethode nichts anderes angegeben ist, sollten die Tiere einzeln oder in kleinen Gruppen aus Tieren desselben Geschlechts in Käfigen untergebracht sein. Bei Gruppenhaltung sollten maximal fünf Tiere in einem Käfig untergebracht sein.

In Berichten über Tierversuche ist unbedingt die Art der Käfighaltung sowie die Anzahl der in einem Käfig untergebrachten Tiere sowohl während der Exposition gegenüber der Prüfsubstanz als auch während der darauf folgenden Beobachtungszeit anzugeben.

ii)   Fütterungsbedingungen

Das Futter muss allen ernährungswissenschaftlichen Anforderungen für die jeweils eingesetzte Spezies entsprechen. Werden den Tieren Prüfsubstanzen im Futter verabreicht, so kann der Nährwert durch Wechselwirkung zwischen der jeweiligen Substanz und einem Futterbestandteil eingeschränkt sein. Die Möglichkeit einer solchen Reaktion muss bei der Interpretation der Ergebnisse berücksichtigt werden. Es kann herkömmliches Labortierfutter verwendet werden bei uneingeschränkter Versorgung mit Trinkwasser. Die Auswahl des Futters kann auch dadurch mitbestimmt werden, dass eine geeignete Beimischung der Prüfsubstanz gewährleistet sein muss, wenn die Prüfsubstanz auf diese Art verabreicht werden soll.

Verunreinigungen im Futter, die sich nachweislich auf die Toxizität auswirken, dürfen nicht in störenden Konzentrationen vorhanden sein.

C.   ALTERNATIVE PRÜFMETHODEN

Die Europäische Union ist fest entschlossen, die Entwicklung und Validierung alternativer Verfahren, welche dieselben Informationen liefern können wie die gegenwärtigen Tierversuche, aber weniger Tiere erfordern, weniger Leiden verursachen oder die Verwendung von Tieren völlig überflüssig machen, zu fördern.

Solche Methoden müssen, sobald sie zur Verfügung stehen, nach Möglichkeit für die Charakterisierung von Gefahren und die anschließende Einstufung und Kennzeichnung im Hinblick auf substanzeigene Gefahren in Betracht gezogen werden.

D.   BEWERTUNG UND INTERPRETATION

Bei der Auswertung und Interpretation von Tests sind gewisse Grenzen hinsichtlich der direkten Extrapolation der Ergebnisse der Tier- und In-vitro-Versuche auf den Menschen zu berücksichtigen; deshalb können Belege für unerwünschte Wirkungen beim Menschen, soweit solche vorliegen, zur Bestätigung der Versuchsergebnisse herangezogen werden.

E.   LITERATURHINWEISE

Die meisten dieser Methoden werden im Rahmen des OECD-Programms für Prüfrichtlinien entwickelt und sollten in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der guten Laborpraxis durchgeführt werden, um eine möglichst breite gegenseitige Datenakzeptanz zu gewährleisten.

Weitere Informationen finden sich in den in den OECD-Richtlinien genannten Literaturangaben sowie in der an anderen Stellen publizierten einschlägigen Literatur.

B.1   bis — AKUTE ORALE TOXIZITÄT — FEST-DOSIS-METHODE

1.   METHODE

Diese Prüfmethode entspricht der OECD TG 420 (2001).

1.1.   EINLEITUNG

Herkömmliche Methoden zur Bewertung der akuten Toxizität verwenden den Tod der Versuchstiere als Endpunkt. 1984 hat die British Toxicology Society einen neuen Ansatz zur Bewertung der akuten Toxizität vorgeschlagen, der von der Verabreichung einer Serie fester Dosen ausging (1). Dieser Ansatz bezog sich nicht auf den Tod der Versuchstiere als Endpunkt, sondern stützte sich auf die Beobachtung deutlicher Toxizitätszeichen, die bei einer bestimmten Dosis aus einer Serie fester Dosierungen auftraten. Nach In-vivo-Validierungsstudien im Vereinigten Königreich (2) sowie in internationalem Rahmen (3) wurde das Verfahren im Jahre 1992 als Prüfmethode anerkannt. Später wurden die statistischen Eigenschaften der Fest-Dosis-Methode mit Hilfe mathematischer Modelle in einer Reihe von Studien berechnet (4) (5) (6). Mit In-vivo-Studien und anhand von Modellstudien konnte nachgewiesen werden, dass das Verfahren reproduzierbar ist, mit einer geringeren Anzahl an Versuchstieren auskommt und weniger Leiden verursacht als die herkömmlichen Methoden und eine ähnliche Bewertung der Substanzen ermöglicht wie die sonstigen Methoden zur Prüfung der akuten Toxizität.

Leitlinien für die Auswahl der geeignetsten Testmethode für einen bestimmten Zweck enthält das Guidance Document on Acute Oral Toxicity Testing (7). Dieser Leitfaden beinhaltet darüber hinaus weitere Informationen zur Durchführung und Auswertung der Prüfmethode B.1 bis.

Eines der Prinzipien der Methode besteht darin, dass in der Hauptstudie nur mäßig toxische Dosen eingesetzt werden und dass die Verabreichung von voraussichtlich letalen Dosen vermieden werden sollte. Außerdem brauchen keine Dosierungen verabreicht zu werden, die aufgrund ätzender oder stark reizender Wirkungen bekanntermaßen starke Schmerzen und schweres Leiden verursachen. Moribunde Tiere oder Tiere, die offensichtlich unter Schmerzen leiden oder Anzeichen von schwerem und anhaltendem Leiden zeigen, sind auf humane Weise zu töten und werden bei der Auswertung der Testergebnisse auf die gleiche Weise gewertet wie während des Tests gestorbene Tiere. Kriterien für die Entscheidung, moribunde oder schwer leidende Tiere zu töten, sowie Hinweise zur Erkennung des absehbaren oder bevorstehenden Todes sind Gegenstand eines gesonderten Leitfadens (8).

Die Methode führt zu Informationen über die gefährlichen Eigenschaften und ermöglicht die Bewertung und Klassifizierung der Substanz gemäß dem Globalen Harmonisierten System (GHS) zur Klassifizierung chemischer Stoffe mit akut toxischer Wirkung (9).

Das Prüflabor soll vor der Durchführung der Studie sämtliche verfügbaren Informationen berücksichtigen. Zu diesen Informationen gehören die Identität und die chemische Struktur der zu testenden Substanzen, die physikalisch-chemischen Eigenschaften der Substanzen, die Ergebnisse sonstiger In-vivo- oder In-vitro-Toxizitätstests in Verbindung mit den betreffenden Substanzen, toxikologische Daten über strukturverwandte Substanzen sowie die vorgesehene(n) Verwendung(en) der Substanzen. Diese Informationen werden benötigt, um die zuständigen Stellen zu überzeugen, dass der Test für den Schutz der menschlichen Gesundheit wichtig ist und bei der Wahl der geeigneten Startdosis hilft.

1.2.   DEFINITIONEN

Akute orale Toxizität: Schädliche Wirkungen, die nach der oralen Verabreichung einer Einzeldosis oder mehrerer innerhalb von 24 Stunden verabreichter Dosen einer Substanz auftreten.

Verzögerter Tod: Das betreffende Tier stirbt zwar nicht binnen 48 Stunden und wirkt in diesem Zeitraum nicht moribund; der Tod tritt jedoch später während des 14-tägigen Beobachtungszeitraums ein.

Dosis: Verabreichte Menge der Testsubstanz; die Dosis wird als Gewicht der Testsubstanz pro Gewichtseinheit des Versuchstiers ausgedrückt (z. B. mg/kg).

Evidente Toxizität: Ein allgemeiner Begriff, der deutliche Anzeichen von Toxizität nach der Verabreichung einer Testsubstanz dahin gehend beschreibt, dass bei der nächsthöheren festen Dosis entweder starke Schmerzen und anhaltende Anzeichen für schweres Leiden, ein moribunder Zustand (Kriterien siehe Humane Endpoints Guidance Document (8)) oder wahrscheinlich der Tod der meisten Versuchstiere zu erwarten sind (siehe z. B. (3)).

GHS: Globally Harmonised Classification System for Chemical Substances and Mixtures (Weltweit harmonisiertes Klassifizierungssystem für chemische Substanzen und Gemische); ein gemeinsames Projekt von OECD (Menschliche Gesundheit und Umwelt), UN-Expertenausschuss für den Transport von Gefahrgütern (physikalisch-chemische Eigenschaften) und ILO (Gefahrenanzeige) koordiniert im Rahmen des Interorganisation Programme for the Sound Management of Chemicals (IOMC).

Bevorstehender Tod: Der moribunde Zustand oder Tod ist vor dem nächsten vorgesehenen Beobachtungszeitpunkt zu erwarten. Anzeichen für diesen Zustand können bei Nagetieren Krämpfe, Seitenlage, liegende Stellung und Tremor sein (siehe Humane Endpoint Guidance Document (8)).

LD 50 (mittlere Letaldosis): Statistisch ermittelte Einzeldosis einer Substanz, bei der davon ausgegangen werden kann, dass sie bei oraler Verabreichung den Tod von 50 % der Tiere verursacht; der LD50-Wert wird als Gewicht der Testsubstanz pro Gewichtseinheit der Versuchstiere ausgedrückt (mg/kg).

Limit-Dosis: Dosis am oberen Grenzwert für den betreffenden Versuch (2 000 oder 5 000 mg/kg)

Moribunder Zustand: Zustand des Sterbens oder des Unvermögens, (selbst bei Behandlung) zu überleben (siehe Humane Endpoint Guidance Document (8))

Voraussagbarer Tod: Vorhandensein klinischer Zeichen, die auf den Eintritt des Todes zu einem bekannten Zeitpunkt in der Zukunft — vor dem planmäßigen Ende des Experiments — hinweisen, z. B. das Unvermögen, Wasser oder Nahrung aufzunehmen (siehe Humane Endpoint Guidance Document (8))

1.3.   PRINZIP DER PRÜFMETHODE

An Gruppen von Versuchstieren eines Geschlechts wird in einem schrittweisen Verfahren jeweils die feste Dosis 5, 50, 300 und 2 000 mg/kg verabreicht. (Im Ausnahmefall kann eine weitere feste Dosis von 5 000 mg/kg in Betracht gezogen werden (siehe Abschnitt 1.6.2)). Als Startdosis wird auf der Grundlage einer Vorstudie die Dosis gewählt, die voraussichtlich gewisse Toxizitätsanzeichen verursachen wird, ohne schwere toxische Wirkungen oder Mortalität hervorzurufen. Klinische Anzeichen und Zustände, die mit Schmerzen, Leiden und bevorstehendem Tod verbunden sind, werden in einem gesonderten OECD-Leitfaden (8) ausführlich beschrieben. Weiteren Versuchstiergruppen können höhere oder niedrigere feste Dosen in Abhängigkeit davon verabreicht werden, ob Anzeichen von Toxizität oder Mortalität zu erkennen sind. Diese Vorgehensweise wird fortgesetzt, bis die Dosis ermittelt ist, die offensichtlich toxisch wirkt oder den Tod maximal eines Versuchstieres verursacht hat, bzw. bis bei der höchsten Dosis keine Wirkungen zu erkennen sind oder bis bereits bei der niedrigsten Dosis der Tod von Versuchstieren eintritt.

1.4.   BESCHREIBUNG DER PRÜFMETHODE

1.4.1.   Auswahl der Tierspezies

Die bevorzugte Nagetierspezies ist die Ratte, es können aber auch andere Spezies verwendet werden. In der Regel werden weibliche Tiere verwendet (7). Weibliche Tiere werden bevorzugt, da die in der Literatur zitierten Untersuchungen zu konventionellen LD50-Tests zwischen den Geschlechtern in der Regel nur geringfügige Unterschiede hinsichtlich der Empfindlichkeit belegen, in den Fällen, in denen Unterschiede beobachtet werden, jedoch zeigen, dass weibliche Tiere im Allgemeinen etwas empfindlicher sind (10). Wenn jedoch die vorhandenen Informationen über die toxikologischen oder toxikokinetischen Eigenschaften von strukturverwandten Chemikalien darauf hinweisen, dass vermutlich die männlichen Tiere empfindlicher sind, sollten männliche Tiere verwendet werden. Wird ein Versuch an männlichen Tieren durchgeführt, sollte dies hinreichend begründet werden.

Es sollen junge, gesunde, ausgewachsene Tiere aus üblicherweise eingesetzten Laborstämmen verwendet werden. Die weiblichen Tiere dürfen weder bereits geworfen haben noch momentan trächtig sein. Alle Tiere müssen zu Beginn der Verabreichung zwischen 8 und 12 Wochen alt sein; ihre Gewichtswerte müssen im Bereich von ± 20 % des mittleren Gewichts sämtlicher zuvor verwendeter Tiere liegen.

1.4.2.   Haltung und Fütterung

Die Temperatur des Versuchstierraums soll 22 oC (± 3 oC) betragen. Die relative Luftfeuchtigkeit soll mindestens 30 % betragen und außer während der Reinigung vorzugsweise nicht über 70 % liegen; anzustreben ist ein Wert von 50-60 %. Der Raum soll künstlich beleuchtet sein, wobei die Beleuchtung im 12-Stunden-Rhythmus ein- und ausgeschaltet werden soll. An die Versuchstiere kann herkömmliches Laborfutter verfüttert werden, wobei eine unbegrenzte Trinkwasserversorgung zu gewährleisten ist. Die Tiere können in den Käfigen nach Verabreichungsdosen gruppiert werden, wobei aber die Anzahl der Tiere pro Käfig noch eine genaue Beobachtung der einzelnen Tiere ermöglichen muss.

1.4.3.   Vorbereitung der Versuchstiere

Die Tiere werden nach Zufallskriterien ausgewählt, zwecks Identifizierung markiert und für die Dauer von mindestens 5 Tagen vor Versuchsbeginn in ihren Käfigen gehalten, damit sie sich an die Laborbedingungen gewöhnen können.

1.4.4.   Vorbereitung der Dosen

Generell sollen die Testsubstanzen mit einem für den gesamten zu testenden Dosierungsbereich gleichbleibenden Volumen verabreicht werden, indem jeweils die Konzentration der Dosiszubereitung variiert wird. Wenn jedoch ein flüssiges Endprodukt oder Gemisch zu testen ist, kann die Anwendung der unverdünnten, d. h. mit gleichbleibender Konzentration verabreichten Testsubstanz für die anschließende Risikobewertung der betreffenden Substanz größere Relevanz haben und wird daher von verschiedenen Behörden vorgeschrieben. In jedem Fall darf das maximal zu verabreichende Dosisvolumen nicht überschritten werden. Welches Flüssigkeitsvolumen jeweils höchstens auf einmal verabreicht werden kann, hängt von der Größe des Versuchstiers ab. Bei Nagetieren soll das Volumen im Normalfall 1 ml pro 100 g Körpergewicht nicht überschreiten; bei wässrigen Lösungen können aber auch 2 ml pro 100 g Körpergewicht in Betracht gezogen weiden. Bezüglich der Formulierung wird, wenn dies möglich ist, eine wässrige Lösung/Suspension/Emulsion empfohlen, danach in der Reihenfolge der Präferenz eine Lösung/Suspension/Emulsion in Öl (z. B. Maisöl) sowie an dritter Stelle eventuell eine Lösung in anderen Vehikeln. Bei anderen Vehikeln als Wasser sollen die toxikologischen Eigenschaften des jeweiligen Vehikels bekannt sein. Die Dosen dürfen erst kurz vor der Verabreichung zubereitet werden, sofern die Zubereitung über den Zeitraum, in dem sie angewandt werden soll, nicht bekanntermaßen eine annehmbare Stabilität aufweist.

1.5.   VERFAHRENSWEISE

1.5.1.   Verabreichung der Dosen

Die Testsubstanz wird als Einzeldosis mit einer Sonde über eine Magensonde oder über eine geeignete Intubationskanüle verabreicht. In dem seltenen Fall, dass die Verabreichung als Einzeldosis nicht möglich ist, kann die Dosis über einen Zeitraum von maximal 24 Stunden in kleineren Teilmengen verabreicht werden.

Die Versuchstiere sollten vor der Verabreichung nüchtern sein (z. B. sollte Ratten das Futter (nicht das Wasser) über Nacht vorenthalten werden; Mäusen sollte das Futter (nicht das Wasser) 3-4 Stunden zuvor vorenthalten werden). Nach diesem Futterentzug sollen die Tiere gewogen werden und die Testsubstanz verabreicht bekommen. Nach der Verabreichung der Substanz kann das Futter bei Ratten weitere 3-4 Stunden bzw. bei Mäusen weitere 1-2 Stunden zurückgehalten werden. Wenn die Dosis über einen bestimmten Zeitraum hinweg in Teilmengen verabreicht wird, kann es je nach Länge dieses Zeitraums erforderlich sein, die Tiere mit Futter und Wasser zu versorgen.

1.5.2.   Vorstudie

Zweck der Sichtungsstudie ist die Ermittlung der zweckmäßigen Ausgangsdosis für die Hauptuntersuchung, Die Testsubstanz wird einzelnen Tieren in einem sequenziellen Verfahren gemäß den Flussdiagrammen in Anlage 1 verabreicht. Die Sichtungsstudie ist abgeschlossen, wenn eine Entscheidung über die Ausgangsdosis für die Hauptstudie getroffen werden kann (oder wenn bereits bei der niedrigsten festen Dosis der Tod eines Versuchstiers eintritt).

Als Ausgangsdosis für die Sichtungsstudie wird von den festen Dosierungen 5, 50, 300 und 2 000 mg/kg die Dosis ausgewählt, die voraussichtlich eine evidente Toxizität bewirken wird, wobei nach Möglichkeit die Erkenntnisse aus In-vivo- und In-vitro-Daten für denselben chemischen Stoff sowie für strukturverwandte chemische Stoffe zugrunde liegen sollten. Wenn keine entsprechenden Informationen vorliegen, wird die Ausgangsdosis 300 mg/kg verwendet.

Zwischen den Versuchen an jedem einzelnen Tier liegt ein zeitlicher Abstand von mindestens 24 Stunden. Alle Tiere sollten mindestens 14 Tage lang beobachtet werden,

In Ausnahmefallen — und nur, wenn dies durch konkrete Vorschriften begründet ist — kann die Anwendung einer weiteren festen oberen Dosis von 5 000 mg pro kg Körpergewicht in Erwägung gezogen werden (siehe Anlage 3). Aus Tierschutzgründen wird von Tierversuchen im Bereich der GHS-Kategorie 5 (2 000 — 5 000 mg/kg) abgeraten; diese Versuche sollten nur dann in Betracht gezogen werden, wenn die Ergebnisse eines solchen Tests für den Schutz der Gesundheit von Menschen oder Tieren oder der Umwelt mit hoher Wahrscheinlichkeit direkt relevant sind.

Wenn ein Versuchstier, das mit der niedrigsten festen Dosis (5 mg/kg) getestet wird, bei der Sichtungsstudie stirbt, wird die Studie normalerweise beendet und die Substanz der GHS-Kategorie 1 zugewiesen (wie in Anlage 1 dargestellt). Ist jedoch eine weitere Bestätigung dieser Klassifizierung erforderlich, kann das folgende ergänzende Verfahren in Betracht gezogen werden: Ein zweites Versuchstier wird mit der Dosis 5 mg/kg getestet. Wenn dieses zweite Tier stirbt, wird die GHS-Kategorie 1 bestätigt und die Studie sofort beendet. Wenn das zweite Tier überlebt, wird maximal drei weiteren Tieren die Dosis 5 mg/kg verabreicht. Da ein hohes Mortalitätsrisiko besteht, sollten diese Tiere aus Tierschutzgründen nacheinander getestet werden. Der zeitliche Abstand zwischen den Versuchen an den einzelnen Tieren sollte groß genug sein, um die Überlebenswahrscheinlichkeit des vorherigen Tieres bestätigen zu können. Wenn ein zweites Tier stirbt, wird die Versuchsreihe sofort beendet, und es werden keine weiteren Tiere getestet. Da der Tod eines zweiten Tieres (unabhängig davon, wie viele Tiere bis zum Zeitpunkt der Beendigung getestet wurden) zu Ergebnis A zählt (2 oder mehr tote Tiere), wird nach der Klassifizierungsregel aus Anlage 2 für die feste Dosis 5 mg/kg vorgegangen (Kategorie 1 bei zwei oder mehr toten Versuchstieren bzw. Kategorie 2, wenn nur ein Tier stirbt). Zur Ergänzung wird in Anlage 4 die Klassifizierung im EU-System bis zur Einführung des neuen GHS erläutert.

1.5.3.   Hauptstudie

1.5.3.1.   Anzahl der Versuchstiere und Dosierung

Welche Maßnahmen nach dem Versuch mit der Anfangsdosierung durchgeführt werden sollen, ist den Flussdiagrammen in Anlage 2 zu entnehmen. In Betracht kommt jeweils eine von drei Maßnahmen: Versuch beenden und die entsprechende Gefahrenklassifikationsklasse zuweisen, mit einer höheren festen Dosis testen oder mit einer niedrigeren festen Dosis testen. Aus Tierschutzgründen wird jedoch eine Dosierung, die in der Sichtungsstudie zum Tod geführt hat, in der Hauptstudie nicht wiederholt (siehe Anlage 2). Die bisher gemachten Erfahrungen lassen als wahrscheinlichstes Ergebnis bei der Ausgangsdosierung vermuten, dass die Substanz ohne weitere Tests klassifiziert werden kann.

Im Normalfall werden für jede untersuchte Dosierung insgesamt fünf Tiere gleichen Geschlechts verwendet. Zu diesen fünf Tieren gehören ein Tier aus der Sichtungsstudie, dem die gewählte Dosierung verabreicht wurde, sowie vier weitere Tiere (außer wenn im Ausnahmefall eine in der Hauptstudie verwendete Dosierung in der Sichtungsstudie nicht enthalten war).

Der Zeitabstand zwischen den Versuchen mit der jeweiligen Dosierung richtet sich nach dem Einsetzen, der Dauer und dem Schweregrad der Toxizitätsanzeichen. Die Behandlung der Versuchstiere mit der nächsten Dosis sollte hinausgezögert werden, bis angenommen werden kann, dass die zuvor verwendeten Tiere überlebt haben. Bei Bedarf wird ein Abstand von drei bis vier Tagen zwischen den Versuchen mit den einzelnen Dosierungen empfohlen, um die Feststellung einer zeitverzögerten Toxizität zu ermöglichen. Dieser Zeitabstand kann nach Bedarf angepasst werden, wenn z. B. die beobachteten Reaktionen keine Schlussfolgerungen zulassen.

Wenn eine obere feste Dosis von 5 000 mg/kg in Erwägung gezogen wird, sollte verfahren werden, wie in Anlage 3 beschrieben (siehe auch Abschnitt 1.6.2).

1.5.3.2.   Limit-Test

Der Limit-Test wird hauptsächlich dann eingesetzt, wenn die Person, die den Test durchführt, nach ihr vorliegenden Informationen annehmen kann, dass das zu testende Material wahrscheinlich nicht toxisch ist, d. h. nur oberhalb der in Vorschriften festgelegten Grenzdosen toxisch wirkt. Informationen über die Toxizität des Testmaterials können aus Kenntnissen über ähnliche getestete Verbindungen, Gemische oder Produkte gewonnen werden, wobei Art und Prozentanteil der Komponenten zu berücksichtigen sind, deren toxikologische Relevanz bekannt ist. In den Fällen, in denen nur wenige oder keine Informationen über die Toxizität des Testmaterials vorliegen oder in denen von einer Toxizität des Testmaterials ausgegangen wird, sollte der Haupttest durchgeführt werden.

Bei der normalen Vorgehensweise wird für den Limit-Test im Rahmen dieses Leitfadens eine Ausgangsdosis von 2 000 mg/kg (bzw. im Ausnahmefall 5 000 mg/kg) für die Sichtungsstudie verwendet; anschließend werden vier weitere Tiere dieser Dosis ausgesetzt.

1.6.   BEOBACHTUNGEN

Die Tiere werden nach der Verabreichung einzeln beobachtet: mindestens einmal während der ersten 30 Minuten, in regelmäßigen Abständen während der ersten 24 Stunden, wobei die ersten vier Stunden besonders zu beachten sind, sowie anschließend täglich während einer Gesamtdauer von 14 Tagen, sofern die Tiere nicht aus Tierschutzgründen aus dem Versuch genommen und auf humane Weise gelötet werden müssen oder ihr Tod festgestellt wird. Die Beobachtungsdauer sollte nicht strikt festgelegt werden, sondern abhängig von den toxischen Reaktionen, vom Zeitpunkt des Einsetzens dieser Reaktionen und von der Länge der Erholungsdauer festgelegt werden und kann daher ausgedehnt werden, wenn dies erforderlich scheint. Der Zeitpunkt, zu dem die Anzeichen von Toxizität auftreten und wieder verschwinden, ist insbesondere dann von Bedeutung, wenn eine Tendenz zur zeitlichen Verzögerung der Toxizitätsanzeichen besteht (11). Sämtliche Beobachtungen werden für die Tiere systematisch jeweils in Einzelprotokollen dokumentiert.

Zusätzliche Beobachtungen sind erforderlich, wenn bei den Tieren weiterhin Anzeichen für Toxizität zu beobachten sind. Die Beobachtungen sollten Veränderungen an Haut und Fell, Augen und Schleimhäuten erfassen und auch die Atmung, den Kreislauf, das vegetative und zentrale Nervensystem sowie somatomotorische Aktivitäten und Verhaltensmuster berücksichtigen. Auf Symptome wie Tremores, Krämpfe, Speichelfluss, Durchfall, Lethargie, Schlaf und Koma sollte geachtet werden. Die im Humane Endpoints Guidance Document (8) zusammengefassten Prinzipien und Kriterien sind zu berücksichtigen. Tiere, bei denen ein moribunder Zustand festgestellt wird, sowie Tiere, die starke Schmerzen haben oder anhaltende Anzeichen von schwerem Leiden zeigen, sollten auf humane Weise getötet werden. Wenn Tiere aus humanen Gründen getötet werden oder ihr Tod festgestellt wird, sollte der Todeszeitpunkt so genau wie möglich registriert werden.

1.6.1.   Körpergewicht

Das Gewicht der einzelnen Tiere soll kurz vor der Verabreichung der Testsubstanz sowie spätestens eine Woche danach ermittelt werden. Gewichtsveränderungen sollen berechnet und registriert werden. Am Ende des Tests werden die überlebenden Tiere gewogen und anschließend auf humane Weise getötet.

1.6.2.   Pathologie

Alle Versuchstiere (einschließlich der Tiere, die während des Tests sterben oder aus Tierschutzgründen aus der Studie genommen werden) sollen auf makrologische Veränderungen untersucht werden. Alle makrologischen Veränderungen sollen für jedes einzelne Tier registriert werden. Bei Tieren, die 24 oder mehr Stunden lang überlebt haben, kann auch eine mikroskopische Untersuchung von Organen mit makropathologischen Befunden in Erwägung gezogen werden, da sich hieraus eventuell nützliche Informationen gewinnen lassen.

2.   DATEN

Es sollen Daten zu den einzelnen Tieren bereitgestellt werden. Darüber hinaus sollen sämtliche Daten in tabellarischer Form zusammengefasst werden, wobei für jede Testgruppe die folgenden Daten zu erfassen sind; Anzahl der verwendeten Tiere, Anzahl der Tiere mit Anzeichen für eine toxische Wirkung, Anzahl der Tiere, deren Tod während des Versuchs festgestellt wurde oder die aus humanen Gründen getötet wurden, Todeszeitpunkt der einzelnen Tiere, Beschreibung und Zeitverlauf der toxischen Wirkungen und ihrer Reversibilität sowie pathologische Befunde.

3.   BERICHT

3.1.   TESTBERICHT

Der Prüfbericht muss die folgenden Angaben enthalten (soweit angemessen):

Testsubstanz:

 physikalische Beschaffenheit, Reinheit und, sofern relevant, physikalisch-chemische Eigenschaften (einschließlich Isomerisierung),

 Identifizierungsdaten, einschließlich CAS-Nummer.

Vehikel (wenn verwendet):

 Begründung für die Auswahl des Vehikels (außer bei Wasser).

Versuchstiere:

 verwendete Spezies/Stamm,

 mikrobiologischer Zustand der Tiere, sofern bekannt,

 Anzahl, Alter und Geschlecht der Tiere (gegebenenfalls mit Begründung für den Einsatz von männlichen statt weiblichen Tieren),

 Bezugsquelle der Tiere, Haltungsbedingungen, Futter usw.

Testbedingungen:

 Angaben über die Zubereitung der Testsubstanz, einschließlich Angaben über die physikalische Beschaffenheit des verabreichten Stoffs,

 Angaben über die Verabreichung der Testsubstanz, einschließlich Applikationsvolumen und Zeitpunkt der Verabreichung,

 Angaben zur Futter- und Wasserqualität (einschließlich Art/Herkunft des Futters, Herkunft des Wassers),

 Begründung für die Wahl der Startdosis.

Ergebnisse:

 tabellarische Erfassung der erhobenen Daten und der Dosis für jedes einzelne Tier (d. h. Tiere, die Anzeichen für Toxizität zeigen, einschließlich Mortalität sowie Art, Schweregrad und Dauer der Wirkungen),

 tabellarische Erfassung des Körpergewichts und der Änderungen des Körpergewichts,

 Gewicht der einzelnen Tiere am Tag der Verabreichung, danach in wöchentlichen Abständen sowie am Tag des Todes bzw. der Tötung,

 Datum und Uhrzeit des Todes, sofern vor der planmäßigen Tötung eingetreten,

 zeitlicher Verlauf des Einsetzens von Toxizitätsanzeichen sowie Angabe, ob diese reversibel waren (für jedes Tier gesondert),

 Obduktionsergebnisse und histopathologische Ergebnisse für jedes einzelne Tier (wenn vorhanden).

Diskussion und Interpretation der Ergebnisse.

Schlussfolgerung.

4.   LITERATUR

(1) British Toxicology Society Working Party on Toxicity (1984). Special report: a new approach to the classification of substances and preparations on the basis of their acute toxicity. Human Toxicol., 3, 85-92.

(2) Van den Heuvel, M.J., Dayan, A.D. and Shillaker, R.O. (1987), Evaluation of the BTS approach to the testing of substances and preparations for their acute toxicity. Human Toxicol., 6, 279-291.

(3) Van den Heuvel, M.J., Clark, D.G., Fielder, R.J., Koundakjian, P.P., Oliver, G.J.A., Pelling, D., Tomlinson, N.J. and Walter, AP. (1990). The international validation of a fixed-dose procedure as an alternative to the classical LD50 test. Fd. Chem. Toxicol. 28, 469-482.

(4) Whitehead, A. and Cumow, R.N. (1992). Statistical evaluation of the fixed-dose procedure. Fd. Chem. Toxicol., 30, 313-324.

(5) Stallard, N. and Whitehead, A. (1995). Reducing numbers in the fixed-dose procedure. Human Exptl. Toxicol. 14, 315-323. Human Exptl. Toxicol.

(6) Stallard, N., Whitehead, A. and Ridgeway, P. (2002). Statistical evaluation of the revised fixed dose procedure. Human Exptl. Toxicol., 21, 183-196.

(7) OECD (200l). Guidance Document on Acute Oral Toxicity Testing. Environmental Health and Safety Monograph Series on Testing and Assessment N. 24. Paris

(8) OECD (2000). Guidance Document on the Recognition, Assessment and Use of Clinical Signs as Humane Endpoints for Experimental Animals Used in Safety Evaluation. Environmental Health and Safety Monograph Series on Testing and Assessment N. 19.

(9) OECD (1998), Harmonised Integrated Hazard Classification for Human Health and Environmental Effects of Chemical Substances as endorsed by the 28th Joint Meeting of the Chemicals Committee and the Working Party on Chemicals in November 1998, Part 2, S. 11 (http://webnet1.oecd.org/oecd/pages/home/displaygener; d/0,3380,EN- documents-521-14-no-24-no-0,FF.html).

(10) Lipnick, R.L., Cotruvo, J.A., Hill, R.N.; Bruce, R.D., Stitzel, K.A., Walker, A.P., Chu, I., Goddard, M., Segal, L., Springer, J.A. and Myers, R.C. (1995). Comparison of the Up-and-Down, Conventional LD50, and Fixed-Dose Acute Toxicity Procedures. Fd. Chem. Toxicol. 33, 223-231.

(11) Chan P.K and A.W. Hayes (1994) Chapter 16 Acute Toxicity and Eye Irritation. In: Principles and Methods of Toxicology. 3rd Edition. A.W. Hayes, Editor. Raven Press, Ltd, New York, USA.

Anlage 1

PRÜFVERFAHREN FÜR DIE VORSTUDIE

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Anlage 2

PRÜFVERFAHREN FÜR DIE HAUPTSTUDIE

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Anlage 3

KRITERIEN FÜR DIE KLASSIFIZIERUNG VON TESTSUBSTANZEN MIT ERWARTETEN LD50-WERTEN ÜBER 2 000 MG/KG OHNE ERFORDERLICHE TESTS

Die Kriterien für die Gefahrenkategorie 5 sollen die Identifikation von Testsubstanzen ermöglichen, die eine vergleichsweise geringe akute Toxizitätsgefahr aufweisen, aber unter bestimmten Umstanden eine Gefahr für anfällige Bevölkerungsgruppen darstellen. Bei diesen Substanzen wird von einer oralen oder dermalen LD50 im Bereich 2 000 -5 000 mg/kg bzw. von vergleichbaren Dosen für andere Verabreichungswege ausgegangen. Die Testsubstanzen sollte in den folgenden Fällen in die Gefahrenkategorie 2 000 mg/kg < LD50 < 5 000 mg/kg (GHS-Kategorie 5) eingestuft werden:

a) wenn eines der Prüfschemata aus Anlage 2 aufgrund von Mortalitätsfällen dieser Kategorie zuzuordnen ist;

b) wenn bereits zuverlässige Erkenntnisse dafür vorliegen, dass der LD50-Wert im Bereich der Kategorie 5 liegt, oder wenn andere Tierversuche oder toxische Wirkungen auf Menschen akute Folgen für die menschlichen Gesundheit erwarten lassen;

c) wenn nach Extrapolierung, Schätzung oder Messung von Daten die Zuordnung zu einer höheren Gefahrenklasse nicht gerechtfertigt ist und

 zuverlässige Informationen vorliegen, die auf signifikante toxische Wirkungen beim Menschen hinweisen, oder

 Mortalitäten bei oraler Verabreichung in Versuchen mit Dosen bis zu der Kategorie 4 auftreten, oder

 eine fachkundige Beurteilung bei Versuchen mit Dosierungen bis zu den in Kategorie 4 genannten Werten signifikante klinische Toxizitätsanzeichen bestätigt (außer Durchfall, Haaraufrichtung oder zerzaustes Fell), oder

 eine fachkundige Beurteilung verlässliche Informationen bestätigt, die aus den anderen Tierversuchen ein Potenzial für signifikante akute Wirkungen erkennen lassen.

VERSUCHE MIT DOSEN ÜBER 2 000 mg/kg

In Ausnahmefällen — und nur, wenn dies durch konkrete Vorschriften begründet ist — kann die Anwendung einer weiteren festen oberen Dosis von 5 000 mg pro kg Körpergewicht in Erwägung gezogen werden. Aus Tierschutzgründen wird von Versuchen mit 5 000 mg/kg abgeraten; diese Versuche sollen nur dann in Erwägung gezogen werden, wenn die Ergebnisse eines solchen Versuchs für den Schulz der Gesundheit von Menschen oder Tieren oder der Umwelt mit hoher Wahrscheinlichkeit direkt relevant sind (9).

Vorstudie

Die Entscheidungsgrundlagen für das in Anlage 1 vorgestellte sequenzielle Verfahren werden auf eine Dosis von 5 000 mg/kg erweitert: Wenn eine Startdosis von 5 000 mg/kg für die Vorstudie verwendet wird, bedingt Ergebnis A (Tod) den Test eines zweiten Tieres mit 2 000 mg/kg; die Ergebnisse B und C (evidente Toxizität oder keine Toxizität) führen zum Einsatz von 5 000 mg/kg als Startdosis für die Hauptstudie. Analog wird bei Verwendung einer anderen Startdosis als 5 000 mg/kg der Versuch mit 5 000 mg/kg fortgesetzt, wenn bei 2 000 mg/kg Ergebnis B oder C eintritt; wenn anschließend bei 5 000 mg/kg Ergebnis A eintritt, bedingt dies eine Startdosis von 2 000 mg/kg bei der Hauptstudie, während die Ergebnisse B und C zu einer Startdosis von 5 000 mg/kg bei der Hauptstudie führen.

Hauptstudie

Die Entscheidungsgrundlagen für das in Anlage 2 vorgestellte sequenzielle Verfahren werden auf eine Dosierung von 5 000 mg/kg erweitert: Wenn in der Hauptstudie eine Startdosis von 5 000 mg/kg verwendet wird, ist bei Ergebnis A (≥ 2 tote Versuchstiere) eine zweiten Gruppe mit 2 000 mg/kg zu testen; die Ergebnisse B (evidente Toxizität und/oder ≤ 1 totes Versuchstier) oder C (keine Toxizität) fuhren dazu, dass die Substanz keine Klassifizierung gemäß GHS erhält. Analog wird bei Verwendung einer anderen Startdosis als 5 000 mg/kg der Versuch mit 5 000 mg/kg fortgesetzt, wenn bei 2 000 mg/kg Ergebnis C eintritt; führt eine Gabe von 5 000 mg/kg zu Ergebnis A, wird die Substanz GHS-Kategorie 5 zugewiesen; bei den Ergebnissen B und C wird die Substanz nicht klassifiziert.

Anlage 4

PRÜFMETHODE B.l bis

Anleitung für die Klassifizierung gemäß dem EU-System zur Überbrückung des Übergangszeitraums bis zur vollständigen Umsetzung des „Globalen Harmonisierten Systems“ (GHS) (Auszug aus Literaturhinweis (8))

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B.1.tris.   AKUTE ORALE TOXIZITÄT — AKUT-TOXISCHE KLASSENMETHODE

1.   METHODE

Diese Prüfmethode entspricht der OECD TG 423 (2001).

1.1.   EINLEITUNG

Die hier beschriebene Akut-Toxische Klassenmethode (1) besteht aus einem schrittweisen Verfahren, bei dem pro Einzelschritt jeweils drei Tiere des gleichen Geschlechts verwendet werden. Je nach Mortalität und/oder moribundem Zustand der Tiere können im Mittel zwei bis vier Schritte erforderlich sein, um eine Beurteilung der akuten Toxizität der Testsubstanz zu ermöglichen. Dieses Verfahren ist reproduzierbar, erfordert nur sehr wenige Tiere und ermöglicht eine gleichartige Bewertung der Substanzen wie andere Methoden zur Prüfung der akuten Toxizität. Die Akut-Toxische Klassenmethode basiert auf biometrischen Berechnungen (2) (3) (4) (5) mit festgesetzten Dosen, die sich hinreichend unterscheiden, um die Einordnung einer Substanz zu Klassifizierungszwecken und zur Bewertung des Gefährdungspotenzials zu ermöglichen. Die Methode, wie sie 1996 anerkannt wurde, wurde durch umfassende In-vivo-Versuche im Vergleich mit LD50-Daten aus der Literatur sowohl auf nationaler (6) als auch auf internationaler (7) Ebene validiert.

Leitlinien für die Auswahl der geeignetsten Testmethode für einen bestimmten Zweck enthält das Guidance Document on Acute Oral Toxicity Testing (8). Dieser Leitfaden beinhaltet darüber hinaus weitere Informationen zur Durchführung und Auswertung der Prüfmethode B.1 tris.

Testsubstanzen sind nicht in Dosen zu verabreichen, wenn diese aufgrund ätzender oder stark reizender Wirkungen bekanntermaßen starke Schmerzen und schweres Leiden verursachen. Moribunde Tiere oder Tiere, die offensichtlich unter Schmerzen leiden oder Anzeichen von schwerem und anhaltendem Leiden zeigen, sind auf humane Weise zu töten und werden bei der Auswertung der Testergebnisse auf die gleiche Weise gewertet wie während des Tests gestorbene Tiere. Kriterien für die Entscheidung, moribunde oder schwer leidende Tiere zu töten, sowie Hinweise zur Erkennung des absehbaren oder bevorstehenden Todes sind Gegenstand eines gesonderten Leitfadens (9).

Die Methode beruht auf festgesetzten Dosen, und die Ergebnisse ermöglichen die Bewertung und Klassifizierung von Substanzen gemäß dem Globalen Harmonisierten System (GHS) zur Klassifizierung chemischer Stoffe mit akut-toxischen Wirkungen (10).

Vom Prinzip her ist die Methode nicht zur Berechnung eines exakten LD50-Wertes geeignet, sondern zur Bestimmung definierter Expositionsbereiche, in denen eine Letalität auftreten kann, da der Tod eines Teils der Tiere noch immer den wichtigsten Endpunkt dieser Methode darstellt. Ein LD50-Wert kann nur dann mit dieser Methode bestimmt werden, wenn mindestens zwei Dosen zu einer Mortalität von über 0 %, aber unter 100 % führen. Die Auswahl von festgesetzten Dosen unabhängig von der Testsubstanz zusammen mit der Koppelung an eine Anzahl von Tieren in unterschiedlichem Zustand an eine Klassifizierung verbessert die Konsistenz und die Reproduzierbarkeit zwischen den Laboratorien.

Das Prüflabor soll vor der Durchführung der Studie sämtliche verfügbaren Informationen berücksichtigen. Zu diesen Informationen gehören die Identität und die chemische Struktur der Substanz, ihre physikalisch-chemischen Eigenschaften, das Ergebnis anderer In-vivo- oder In-vitro-Toxizitätstests der betreffenden Substanz, toxikologische Daten über die strukturverwandten Substanzen sowie die vorgesehene(n) Verwendung(en) der Substanz. Diese Informationen werden benötigt, um die zuständigen Stellen zu überzeugen, dass der Test für den Schutz der menschlichen Gesundheit wichtig ist und bei der Wahl der geeigneten Startdosis hilft.

1.2.   DEFINITIONEN

Akute orale Toxizität: Schädliche Wirkungen, die nach der oralen Verabreichung einer Einzeldosis oder mehrerer innerhalb von 24 Stunden verabreichter Dosen einer Substanz auftreten.

Verzögerter Tod: Das betreffende Tier stirbt zwar nicht binnen 48 Stunden und wirkt in diesem Zeitraum nicht moribund; der Tod tritt jedoch später während des 14-tägigen Beobachtungszeitraums ein.

Dosis: Verabreichte Menge der Testsubstanz; die Dosis wird als Gewicht der Testsubstanz pro Gewichtseinheit des Versuchstiers ausgedrückt (z. B. mg/kg).

GHS: Globally Harmonised Classification System for Chemical Substances and Mixtures (Weltweit harmonisiertes Klassifizierungssystem für chemische Substanzen und Gemische); ein gemeinsames Projekt von OECD (Menschliche Gesundheit und Umwelt), UN-Expertenausschuss für den Transport von Gefahrgütern (physikalisch-chemische Eigenschaften) und ILO (Gefahrenanzeige) koordiniert im Rahmen des Interorganisation Programme for the Sound Management of Chemicals (IOMC).

Bevorstehender Tod: Der moribunde Zustand oder Tod ist vor dem nächsten vorgesehenen Beobachtungszeitpunkt zu erwarten. Anzeichen für diesen Zustand können bei Nagetieren Krämpfe, Seitenlage, liegende Stellung und Tremores sein (siehe Humane Endpoint Guidance Document (9)).

LD 50 (mittlere orale Letaldosis): Eine statistisch ermittelte Einzeldosis einer Substanz, bei der davon ausgegangen werden kann, dass sie bei oraler Verabreichung den Tod von 50 % der Tiere verursacht; der LD50-Wert wird als Gewicht der Testsubstanz pro Gewichtseinheit der Versuchstiere ausgedrückt (mg/kg).

Limit-Dosis: Dosis am oberen Grenzwert für den betreffenden Versuch (2 000 oder 5 000 mg/kg).

Moribunder Zustand: Zustand des Sterbens oder des Unvermögens, (selbst bei Behandlung) zu überleben (siehe Humane Endpoint Guidance Document (9)).

Voraussagbarer Tod: Vorhandensein klinischer Zeichen, die auf den Eintritt des Todes zu einem bekannten Zeitpunkt in der Zukunft — vor dem planmäßigen Ende des Experiments — hinweisen, z. B. das Unvermögen, Wasser oder Nahrung aufzunehmen (siehe Humane Endpoint Guidance Document (9)).

1.3.   PRINZIP DER PRÜFMEHODE

Das Versuchsprinzip besteht darin, in einem schrittweisen Verfahren bei Verwendung einer minimalen Anzahl von Tieren pro Einzelschritt genügend Informationen über die akute Toxizität der Testsubstanz zu gewinnen, um ihre Klassifizierung zu ermöglichen, Die Substanz wird einer Gruppe von Versuchstieren oral mit einer der festgelegten Dosen verabreicht. Die Substanz wird in einem schrittweisen Verfahren getestet, wobei für jeden Schritt jeweils drei Tiere des gleichen Geschlechts (normalerweise weibliche Tiere) verwendet werden. Das Eintreten oder Nichteintreten von prüfsubstanzbedingten Todesfällen bei dem in einem Schritt behandelten Tieren bestimmt über den nächsten Schritt, d. h.:

 ob keine weiteren Tests erforderlich sind,

 ob drei weitere Tiere mit der gleichen Dosis zu behandeln sind,

 ob der nächste Schritt an drei weiteren Tieren mit der nächsthöheren oder nächstniedrigeren Dosis durchzuführen ist.

In Anlage 1 ist die Testmethode im Einzelnen beschrieben. Die Methode ermöglicht die Beurteilung, eine Testsubstanz innerhalb einer Reihe von Toxizitätsklassen einzuordnen, die durch feste LD50-Abgrenzungswerte definiert sind.

1.4.   BESCHREIBUNG DER PRÜFMETHODE

1.4.1.   Auswahl der Tierspezies

Die bevorzugte Nagetierspezies ist die Ratte, es können aber auch andere Spezies verwendet werden. In der Regel werden weibliche Tiere verwendet (9). Weibliche Tiere werden bevorzugt, da die in der Literatur zitierten Untersuchungen zu konventionellen LD50-Tests zwischen den Geschlechtern in der Regel nur geringfügige Unterschiede hinsichtlich der Empfindlichkeit belegen, in den Fällen, in denen Unterschiede beobachtet werden, jedoch zeigen, dass weibliche Tiere im Allgemeinen etwas empfindlicher sind (11). Wenn jedoch die vorhandenen Informationen über die toxikologischen oder toxikokinetischen Eigenschaften von strukturverwandten Chemikalien darauf hinweisen, dass vermutlich die männlichen Tiere empfindlicher sind, sollten männliche Tiere verwendet werden. Wenn der Versuch an männlichen Tieren durchgeführt wird, sollte dies hinreichend begründet werden.

Es sollen junge, gesunde, ausgewachsene Tiere aus üblicherweise eingesetzten Laborstämmen verwendet werden. Die weiblichen Tiere dürfen weder bereits geworfen haben noch momentan trächtig sein. Alle Tiere müssen zu Beginn der Verabreichung zwischen 8 und 12 Wochen all sein; ihre Gewichtswerte müssen im Bereich von ± 20 % des mittleren Gewichts sämtlicher zuvor verwendeter Tiere liegen.

1.4.2.   Haltung und Fütterung

Die Temperatur im Versuchstierraum soll 22 oC (± 3 oC) betragen. Die Temperatur des Versuchstierraums soll 22 oC (± 3 oC) betragen. Die relative Luftfeuchtigkeit soll mindestens 30 % betragen und außer während der Reinigung vorzugsweise nicht über 70 % liegen; anzustreben ist ein Wert von 50-60 %. Der Raum soll künstlich beleuchtet sein, wobei die Beleuchtung im 12-Stunden-Rhythmus ein- und ausgeschaltet werden soll. An die Versuchstiere kann herkömmliches Laborfutter verfüttert werden, wobei eine unbegrenzte Trinkwasserversorgung zu gewährleisten ist. Die Tiere können in den Käfigen nach Verabreichungsdosen gruppiert werden, wobei aber die Anzahl der Tiere pro Käfig noch eine genaue Beobachtung der einzelnen Tiere ermöglichen muss.

1.4.3.   Vorbereitung der Versuchstiere

Die Tiere werden nach Zufallskriterien ausgewählt, zwecks Identifizierung markiert und für die Dauer von mindestens 5 Tagen vor Versuchsbeginn in ihren Käfigen gehalten, damit sie sich an die Laborbedingungen gewöhnen können.

1.4.4.   Vorbereitung der Dosen

Generell sollen die Testsubstanzen mit einem für den gesamten zu testenden Dosierungsbereich gleichbleibenden Volumen verabreicht werden, indem jeweils die Konzentration der Dosiszubereitung variiert wird. Wenn jedoch ein flüssiges Endprodukt oder Gemisch zu testen ist, kann die Anwendung der unverdünnten, d. h. mit gleichbleibender Konzentration verabreichten Testsubstanz für die anschließende Risikobewertung der betreffenden Substanz größere Relevanz haben und wird daher von verschiedenen Behörden vorgeschrieben. In jedem Fall darf das maximal zu verabreichende Dosisvolumen nicht überschritten werden. Welches Flüssigkeitsvolumen jeweils höchstens auf einmal verabreicht werden kann, hängt von der Größe des Versuchstiers ab. Bei Nagetieren soll das Volumen im Normalfall 1 ml pro 100 g Körpergewicht nicht überschreiten; bei wässrigen Lösungen können aber auch 2 ml pro 100 g Körpergewicht in Betracht gezogen werden. Bezüglich der Formulierung wird, wenn dies möglich ist, eine wässrige Lösung/Suspension/Emulsion empfohlen, danach in der Reihenfolge der Präferenz eine Lösung/Suspension/Emulsion in Öl (z. B. Maisöl) sowie an dritter Stelle eventuell eine Lösung in anderen Vehikeln. Bei anderen Vehikeln als Wasser sollen die toxikologischen Eigenschaften des jeweiligen Vehikels bekannt sein. Die Dosen dürfen erst kurz vor der Verabreichung zubereitet werden, sofern die Zubereitung über den Zeitraum, in dem sie angewandt werden soll, nicht bekanntermaßen eine annehmbare Stabilität aufweist.

1.5.   VERFAHRENSWEISE

1.5.1.   Verabreichung der Dosen

Die Testsubstanz wird als Einzeldosis mit einer Sonde über einen Magensonde oder über eine geeignete Intubationskanüle verabreicht. In dem seltenen Fall, dass die Verabreichung als Einzeldosis nicht möglich ist, kann die Dosis über einen Zeitraum von maximal 24 Stunden in kleineren Teilmengen verabreicht werden.

Die Versuchstiere sollten vor der Verabreichung nüchtern sein (z. B. sollte Ratten das Futter (nicht das Wasser) über Nacht vorenthalten werden; Mäusen sollte das Futter (nicht das Wasser) 3-4 Stunden zuvor vorenthalten werden). Nach diesem Futterentzug sollen die Tiere gewogen werden und die Testsubstanz verabreicht bekommen. Nach der Verabreichung der Substanz kann das Futter bei Ratten weitere 3-4 Stunden bzw. bei Mäusen weitere 1-2 Stunden zurückgehalten werden. Wenn die Dosis über einen bestimmten Zeitraum hinweg in Teilmengen verabreicht wird, kann es je nach Länge dieses Zeitraums erforderlich sein, die Tiere mit Futter und Wasser zu versorgen.

1.5.2.   Anzahl der Versuchstiere und Dosierung

Für jeden Schritt werden drei Tiere verwendet. Die als Ausgangsdosis zu verwendende Dosis wird aus vier festen Dosiswerten gewählt: 5, 50, 300 und 2 000 mg pro kg Körpergewicht. Als Startdosis soll die Dosis gewählt werden, die mit der größten Wahrscheinlichkeit zur Mortalität einiger der behandelten Tiere führt. Die Prüfschemata in Anlage 1 beschreiben für jede dieser Ausgangsdosen die jeweils zu befolgende Vorgehensweise. Zur Ergänzung wird in Anlage 4 die Klassifizierung im EU-System bis zur Einführung des neuen GHS erläutert.

Wenn bereits verfügbare Informationen vermuten lassen, dass bei der höchsten Startdosis (2 000 mg pro kg Körpergewicht) keine Mortalität zu erwarten ist, soll ein Limit-Test durchgeführt werden. Wenn für eine zu testende Substanz keine Informationen zur Verfügung stehen, wird aus Tierschutzgründen empfohlen, als Ausgangsdosis 300 mg pro kg Körpergewicht zu verwenden.

Der Zeitabstand zwischen den einzelnen Behandlungsgruppen richtet sich nach dem Einsetzen, der Dauer und dem Schweregrad der toxischen Zeichen. Die Behandlung der Versuchstiere mit der nächsten Dosis soll so lange abgewartet werden, bis angenommen werden kann, dass die zuvor behandelten Tiere überleben.

In Ausnahmefällen — und nur, wenn dies durch konkrete Vorschriften begründet ist — kann die Anwendung einer weiteren oberen Dosis von 5 000 mg pro kg Körpergewicht in Erwägung gezogen werden (siehe Anlage 2). Aus Tierschutzgründen wird von Tierversuchen im Bereich der GHS-Kategorie 5 (2 000 - 5 000 mg/kg) abgeraten; diese Versuche sollen nur dann in Betracht gezogen werden, wenn die Ergebnisse eines solchen Tests für den Schutz der Gesundheit von Menschen oder Tieren oder der Umwelt mit hoher Wahrscheinlichkeit direkt relevant wären.

1.5.3.   Limit-Test

Der Limit-Test wird hauptsächlich dann eingesetzt, wenn die Person, die den Test durchführt, nach ihr vorliegenden Informationen davon ausgehen kann, dass das zu testende Material wahrscheinlich nicht toxisch ist, d. h. nur oberhalb der regulatorisch festgelegten Grenzdosen toxisch wirkt. Informationen über die Toxizität des Testmaterials können aus Kenntnissen über ähnliche getestete Verbindungen, Mischungen oder Produkte gewonnen werden, wobei Art und Prozentanteil der Komponenten zu berücksichtigen sind, deren toxikologische Relevanz bekannt ist. In den Fällen, in denen nur wenige oder keine Informationen über die Toxizität des Testmaterials vorliegen oder in denen von einer Toxizität des Testmaterials ausgegangen wird, sollte der Haupttest durchgeführt werden.

Ein Limit-Test mit einer Dosis von 2 000 mg pro kg Körpergewicht kann mit sechs Tieren durchgeführt werden (drei Tiere pro Schritt). In Ausnahmefällen kann ein Limit-Test mit einer Dosis von 5 000 mg/kg mit drei Tieren durchgeführt werden (siehe Anlage 2). Wenn eine mit der Testsubstanz in Zusammenhang stehende Mortalität ermittelt wird, müssen eventuell weitere Prüfungen mit der nächstniedrigeren Dosis durchgeführt werden.

1.6.   BEOBACHTUNGEN

Die Tiere werden nach der Verabreichung einzeln beobachtet: mindestens einmal während der ersten 30 Minuten, in regelmäßigen Abständen während der ersten 24 Stunden, wobei die ersten vier Stunden besonders zu beachten sind, sowie anschließend täglich während einer Gesamtdauer von 14 Tagen, sofern die Tiere nicht aus Tierschutzgründen aus dem Versuch genommen und auf humane Weise getötet werden müssen oder ihr Tod festgestellt wird. Die Beobachtungsdauer sollte jedoch nicht strikt festgelegt werden; vielmehr sollte sie in Abhängigkeit von den toxischen Reaktionen, vom Zeitpunkt des Einsetzens dieser Reaktionen und von der Länge der Erholungsdauer festgelegt werden und kann daher ausgedehnt werden, wenn dies erforderlich scheint. Der Zeitpunkt, zu dem die Anzeichen von Toxizität auftreten und wieder verschwinden, ist von Bedeutung, und zwar insbesondere dann, wenn eine Tendenz zur zeitlichen Verzögerung der Toxizitätsanzeichen besteht (12). Sämtliche Beobachtungen werden für die Tiere systematisch jeweils in Einzelprotokollen dokumentiert.

Zusätzliche Beobachtungen sind erforderlich, wenn bei den Tieren weiterhin Anzeichen für Toxizität zu beobachten sind. Die Beobachtungen sollten Veränderungen an Haut und Fell, Augen und Schleimhäuten erfassen und auch die Atmung, den Kreislauf, das vegetative und zentrale Nervensystem sowie somatomotorische Aktivitäten und Verhaltensmuster berücksichtigen. Auf Beobachtungen wie Tremores, Krämpfe, Speichelfluss, Durchfall, Lethargie, Schlaf und Koma sollte geachtet werden. Die im Humane Endpoints Guidance Document (9) zusammengefassten Prinzipien und Kriterien sind zu berücksichtigen. Tiere, bei denen ein moribunder Zustand festgestellt wird, sowie Tiere, die starke Schmerzen haben oder anhaltende Anzeichen von schwerem Leiden zeigen, sollten auf humane Weise getötet werden. Wenn Tiere aus humanen Gründen getötet werden oder ihr Tod festgestellt wird, sollte der Todeszeitpunkt so genau wie möglich registriert werden.

1.6.1.   Körpergewicht

Das Gewicht der einzelnen Tiere sollte kurz vor der Verabreichung der Testsubstanz sowie spätestens eine Woche danach ermittelt werden. Gewichtsveränderungen sollen berechnet und registriert werden. Am Ende des Tests werden die überlebenden Tiere gewogen und auf humane Weise getötet.

1.6.2.   Pathologie

Alle Versuchstiere (einschließlich der Tiere, die während des Tests sterben oder aus Tierschutzgründen aus der Studie genommen werden) sollen auf makroskopische Veränderungen untersucht werden. Alle makroskopischen Veränderungen sollen für jedes einzelne Tier registriert werden. Bei Tieren, die 24 oder mehr Stunden lang überlebt haben, kann auch eine mikroskopische Untersuchung von Organen mit makropathologischen Befunden in Erwägung gezogen werden, da sich hieraus eventuell nützliche Informationen gewinnen lassen.

2.   DATEN

Es sollen Daten zu den einzelnen Tieren bereitgestellt werden. Darüber hinaus sollen sämtliche Daten in tabellarischer Form zusammengefasst werden, wobei für jede Testgruppe die folgenden Daten zu erfassen sind: Anzahl der verwendeten Tiere, Anzahl der Tiere mit Anzeichen für eine toxische Wirkung, Anzahl der Tiere, deren Tod während des Versuchs festgestellt wurde oder die aus humanen Gründen getötet wurden, Todeszeitpunkt der einzelnen Tiere, Beschreibung und Zeitverlauf der toxischen Wirkungen und ihrer Reversibilität sowie pathologische Befunde.

3.   BERICHT

3.1.   Prüfbericht

Der Prüfbericht muss die folgenden Angaben enthalten (soweit angemessen):

Testsubstanz:

 physikalische Beschaffenheit, Reinheit und, wenn maßgeblich, physikalisch-chemische Eigenschaften (einschließlich Isomerisierung),

 Identifizierungsdaten, einschließlich CAS-Nummer.

Vehikel (wenn verwendet):

 Begründung für die Auswahl des Vehikels (außer bei Wasser).

Versuchstiere:

 verwendete Spezies/Stamm,

 mikrobiologischer Zustand der Tiere (wenn bekannt),

 Anzahl, Alter und Geschlecht der Tiere (gegebenenfalls mit Begründung für den Einsatz von männlichen statt weiblichen Tieren),

 Bezugsquelle der Tiere, Haltungsbedingungen, Futter usw.

Testbedingungen:

 Angaben über die Zubereitung der Testsubstanz, einschließlich Angaben über die physikalische Beschaffenheit des verabreichten Stoffs,

 Angaben über die Verabreichung der Testsubstanz, einschließlich Applikationsvolumen und Zeitpunkt der Verabreichung,

 Angaben zur Futter- und Wasserqualität (einschließlich Art/Herkunft des Futters, Herkunft des Wassers),

 Begründung für die Wahl der Startdosis.

Ergebnisse:

 tabellarische Erfassung der erhobenen Daten und der Dosis für jedes einzelne Tier (d. h. Tiere, die Anzeichen für Toxizität zeigen, einschließlich Mortalität sowie Art, Schweregrad und Dauer der Wirkungen),

 tabellarische Erfassung des Körpergewichts und der Änderungen des Körpergewichts,

 Gewicht der einzelnen Tiere am Tag der Verabreichung, danach in wöchentlichen Abständen sowie am Tag des Todes bzw. der Tötung,

 Datum und Uhrzeit des Todes, sofern vor der planmäßigen Tötung eingetreten,

 zeitlicher Verlauf des Einsetzens von Toxizitätsanzeichen sowie Angabe, ob diese reversibel waren, für jedes einzelne Tier,

 Obduktionsergebnisse und histopathologische Ergebnisse für jedes einzelne Tier (wenn vorhanden).

Diskussion und Interpretation der Ergebnisse.

Schlussfolgerung.

4.   LITERATURHINWEISE

(1) Roll R., Höfer-Bosse Th. and Kayser D. (1986). New Perspectives in Acute Toxicity Testing of Chemicals. Toxicol. Lett., Suppl. 31, 86

(2) Roll R., Riebschläger M., Mischke U. and Kayser D. (1989). Neue Wege zur Bestimmung der akuten Toxizität von Chemikalien. Bundesgesundheitsblatt 32, 336-341.

(3) Diener W., Sichha L., Mischke U., Kayser D. and Schiede E. (1994). The Biometric Evaluation of the Acute-Toxic-Class Method (Oral). Arch. Toxicol. 68, 559-610

(4) Diener W., Mischke U., Kayser D. and Schiede E. (1995). The Biometric Evaluation of the OECD Modified Version of the Acute-Toxic-Class Method (Oral). Arch. Toxicol. 69, 729-734.

(5) Diener W. and Schiede E. (1999) Acute Toxicity Class Methods: Alterations to LD/LC50 Tests. ALTEX 16, 129-134

(6) Schiede E., Mischke U., Roll R. and Kayser D. (1992). A National Validation Study of the Acute-Toxic- Class Method — An Alternative to the LD50 Test. Arch. Toxicol. 66, 455-470.

(7) Schiede E., Mischke U., Diener W. and Kayser D. (1994). The International Validation Study of the Acute-Toxic-Class Method (Oral). Arch. Toxicol. 69, 659-670.

(8) OECD (2001) Guidance Document on Acute Oral Toxicity Testing. Environmental Health and Safety Monograph Series on Testing and Assessment N. 24. Paris.

(9) OECD (2000) Guidance Document on the Recognition, Assessment and Use of Clinical Signs as Humane Endpoints for Experimental Animals Used in Safety Evaluation. Environmental Health and Safety Monograph Series on Testing and Assessment N 19.

(10) OECD (1998) Harmonized Integrated Hazard Classification System For Human Health And Environmental Effects Of Chemical Substances as endorsed by the 28th Joint Meeting of the Chemicals Committee and the Working Party on Chemicals in November 1998, Part 2, S. 11 (http://webnet1.oecd.org/oecd/pages/home/displaygeneral/0,3380,EN-documents-521-14-no-24-no-0,FF.html),

(11) Lipnick R.L., Cotruvo, J.A., Hill R.N., Bruce R.D., Stitzel K.A., Walker A.P., Chu I.; Goddard M., Segal L., Springer J.A. and Myers R.C. (1995) Comparison of the Up-and Down, Conventional LD50, and Fixed Dose Acute Toxicity Procedures. Fd. Chem. Toxicol 33, 223-231.

(12) Chan P.K. and A.W. Hayes. (1994). Chap. 16. Acute Toxicity and Eye Irritancy. Principles and Methods of Toxicology. Third Edition. A.W. Hayes, Editor. Raven Press, Ltd, New York, USA.

Anlage 1

ZU BEACHTENDE VORGEHENSWEISE FÜR ALLE STARTDOSEN

ALLGEMEINE HINWEISE

Die in dieser Anlage dargestellten Prüfschemata geben für jede Ausgangsdosis die jeweils zu beachtende Vorgehensweise an.

 Anlage 1A: Startdosis 5 mg pro kg Körpergewicht

 Anlage 1B: Startdosis 50 mg pro kg Körpergewicht

 Anlage 1C: Startdosis 300 mg pro kg Körpergewicht

 Anlage 1D: Startdosis 2 000 mg pro kg Körpergewicht

Der Testverlauf folgt je nach Anzahl der auf humane Weise getöteten oder gestorbenen Versuchstiere den angegebenen Pfeilen.

Anlage 1A

PRÜFVERFAHREN BEI EINER STARTDOSIS VON 5 MG PRO KG KÖRPERGEWICHT

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Anlage 1B

PRÜFVERFAHREN BEI EINER STARTDOSIS VON 50 mg PRO kg KÖRPERGEWICHT

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Anlage 1C

PRÜFVERFAHREN BEI EINER STARTDOSIS VON 300 mg PRO kg KÖRPERGEWICHT

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Anlage 1D

PRÜFVERFAHREN-BEI EINER STARTDOSIS VON 2 000 mg PRO kg KÖRPERGEWICHT

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Anlage 2

KRITERIEN FÜR DIE KLASSIFIZIERUNG VON TESTSUBSTANZEN MIT ERWARTETEN LD50-WERTEN ÜBER 2 000 mg/kg OHNE ERFORDERLICHE TESTS

Die Kriterien für die Gefahrenkategorie 5 sollen die Identifikation von Testsubstanzen ermöglichen, die eine vergleichsweise geringe akute Toxizitätsgefahr aufweisen, die aber unter bestimmten Umständen eine Gefahr für anfällige Bevölkerungsgruppen darstellen. Bei diesen Substanzen wird von einer oralen oder dermalen LD50 im Bereich 2 000 -5 000 mg/kg bzw. von vergleichbaren Dosen für andere Verabreichungswege ausgegangen. Die Testsubstanz sollte in den folgenden Fällen in die Gefahrenkategorie 2 000 mg/kg < LD50 < 5 000 mg/kg (GHS-Kategorie 5) eingestuft werden:

a) wenn eines der Prüfschemata — aus Anlage 1A-1D aufgrund von Mortalitätsfällen zu dieser Kategorie führt;

b) wenn bereits zuverlässige Erkenntnisse dafür vorliegen, dass der LD50-Wert im Bereich der Kategorie 5 liegt, oder wenn andere Tierversuche oder toxische Wirkungen auf Menschen akute Folgen für die menschlichen Gesundheit erwarten lassen;

c) wenn nach Extrapolierung, Schätzung oder Messung von Daten die Zuordnung zu einer höheren Gefahrenklasse nicht gerechtfertigt ist und

 zuverlässige Informationen vorliegen, die auf signifikante toxische Wirkungen bei Menschen hinweisen, oder

 Mortalitäten bei oraler Verabreichung in Versuchen mit Dosen bis zu der Kategorie 4 auftreten, oder

 eine fachkundige Beurteilung bei Versuchen mit Dosen bis zu den in Kategorie 4 genannten Werten signifikante klinische Toxizitätsanzeichen bestätigt (außer Durchfall, Haaraufrichtung oder zerzaustes Fell), oder

 eine fachkundige Beurteilung verlässliche Informationen bestätigt, die aus den anderen Tierversuchen ein Potenzial für signifikante akute Wirkungen erkennen lassen.

VERSUCHE MIT DOSEN ÜBER 2 000 mg/kg

Aus Tierschutzgründen wird von Tierversuchen im Bereich der Kategorie 5 (5 000 mg/kg) abgeraten; diese Versuche sollen nur dann in Erwägung gezogen werden, wenn die Ergebnisse eines solchen Versuchs für den Schutz der Gesundheit von Menschen oder Tieren oder der Umwelt mit hoher Wahrscheinlichkeit direkt relevant wären (10). Weitere Versuche mit noch höheren Dosierungen sollen nicht durchgeführt werden.

Wenn Versuche mit einer Dosis von 5 000 mg/kg notwendig sind, ist nur ein Schritt (d. h. drei Tiere) erforderlich. Wenn das erste Versuchstier stirbt, wird der Versuch mit einer Dosis von 2 000 mg/kg gemäß den Prüfschemata in Anlage 1 fortgesetzt. Wenn das erste Tier überlebt, wird die Substanz zwei weiteren Tieren verabreicht. Wenn nur eines der drei Tiere stirbt, wird ein LD50-Wert von über 5 000 mg/kg angenommen. Wenn beide Tiere sterben, wird der Versuch mit der Dosis von 2 000 mg/kg fortgesetzt.

Anlage 3

PRÜFVERFAHREN B.l tris Anleitung für die Klassifizierung gemäß dem EU-System zur Überbrückung des Übergangszeitraums bis zur vollständigen Umsetzung des „Globalen Harmonisierten Systems“ (GHS) (Auszug aus Literaturhinweis (8))

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▼M4

B.2   AKUTE INHALATIONSTOXIZITÄT

EINLEITUNG

1. Diese Prüfmethode entspricht der OECD-Prüfrichtlinie 403 (2009) (1). Die ursprüngliche Prüfrichtlinie 403 (TG 403) zur akuten Inhalation wurde 1981 angenommen. Diese überarbeitete Prüfmethode B.2 (die der überarbeiteten TG 403 entspricht) ist dazu ausgelegt, mehr Flexibilität zu bieten, die Verwendung von Versuchstieren zu reduzieren und die Regulierungsanforderungen zu erfüllen. Die überarbeitete Prüfmethode umfasst zwei Arten von Versuchen: ein traditionelles LC50-Protokoll und ein Konzentration-x-Zeit-Protokoll (c × t). Die Hauptmerkmale dieser Prüfmethode sind die Möglichkeit, eine Konzentrations-Wirkungs-Beziehung aufzustellen, die von nichtletalen zu letalen Ergebnissen reicht, um eine mittlere letale Konzentration (LC50), eine nichtletale Schwellenkonzentration (z. B. LC01) und die Steigung der Kurve zu bestimmen und eine eventuelle geschlechtsspezifische Empfindlichkeit festzustellen. Das c-x-t-Protokoll sollte angewendet werden, wenn wegen einer spezifischen Regelung oder aus wissenschaftlicher Notwendigkeit eine Prüfung von Tieren über unterschiedliche Zeiträume erforderlich ist, z. B. für Zwecke der Notfallplanung [z. B. zur Ableitung von Störfallbeurteilungswerten (Acute Exposure Guideline Levels — AEGL, Emergency Response Planning Guidelines — ERPG oder Acute Exposure Threshold Levels — AETL)] oder für die Flächennutzungsplanung.

2. Eine Anleitung für die Durchführung und Auswertung dieser Prüfmethoden ist im Guidance Document on Acute Inhalation Toxicity Testing (GD 39 (2)) enthalten.

3. Die im Zusammenhang mit dieser Prüfmethode verwendeten Begriffe werden am Ende dieses Kapitels und im GD 39 (2) definiert.

4. Diese Prüfmethode ermöglicht die Charakterisierung von Prüfsubstanzen und eine quantitative Risikobewertung und sie erlaubt die Einstufung von Prüfsubstanzen nach der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 (3). Das GD 39 (2) enthält Hinweise zur Auswahl der geeigneten Prüfmethode für akute Prüfungen. Wenn nur Informationen über die Einstufung und Kennzeichnung benötigt werden, wird im Allgemeinen Kapitel B.52 dieses Anhangs (4) empfohlen [siehe GD 39 (2)]. Diese Prüfmethode B.2 ist nicht speziell für die Prüfung von Spezialmaterialien wie schwer löslichen isometrischen oder Fasermaterialien oder hergestellten Nanomaterialien bestimmt.

AUSGANGSÜBERLEGUNGEN

5. Bevor Versuche nach dieser Prüfmethode in Betracht gezogen werden, sollte das Prüflabor alle verfügbaren Informationen über die Prüfsubstanz, einschließlich bereits vorliegender Studien (z. B. Kapitel B.52 dieses Anhangs (4)), deren Ergebnisse darauf hindeuten, dass auf weitere Versuche verzichtet werden kann, auswerten, damit möglichst wenig Tiere verwendet werden. Für die Auswahl der in Bezug auf Art, Stamm und Geschlecht am besten geeigneten Tiere sowie der geeigneten Expositionsart und Prüfkonzentrationen sollten u. a. Informationen wie die Identität, die chemische Struktur und die physikalisch-chemischen Eigenschaften der Prüfsubstanz, Ergebnisse jeglicher In-vitro- oder In-vivo-Toxizitätsprüfungen, vorgesehene Verwendungen und die Möglichkeit der Exposition des Menschen, (Q)SAR-Daten und toxikologische Daten über strukturverwandte Substanzen herangezogen werden [siehe GD 39 (2)].

6. Die Prüfung hautätzender und/oder reizender Prüfsubstanzen in Konzentrationen, die voraussichtlich starke Schmerzen und/oder Qualen verursachen, sollte soweit wie möglich vermieden werden. Die hautätzenden/reizenden Eigenschaften sollten von Fachleuten auf der Grundlage von Erfahrungswerten bei Mensch und Tier (z. B. Studien mit wiederholter Verabreichung in nicht hautätzenden/reizenden Konzentrationen), vorliegenden In-vitro-Daten (z. B. aus den Kapiteln B.40 (5), B.40bis (6) dieses Anhangs oder OECD TG 435 (7)), den pH-Werten sowie Informationen über ähnliche Substanzen oder anderen sachdienlichen Daten beurteilt werden, damit untersucht werden kann, ob auf weitere Versuche verzichtet werden kann. Bei spezifischen Regulierungsanforderungen (z. B. für Zwecke der Notfallplanung) kann diese Prüfmethode verwendet werden, um Tiere diesen Stoffen auszusetzen, weil die Methode dem Studienleiter oder Hauptprüfer die Kontrolle über die Auswahl der Zielkonzentrationen gibt. Die Zielkonzentrationen sollten jedoch keine schwerwiegenden reizenden/hautätzenden Wirkungen hervorrufen; sie sollten aber ausreichen, um die Konzentrations-Wirkungs-Kurve so zu erweitern, dass das regulatorische und wissenschaftliche Ziel der Prüfung erreicht wird. Diese Konzentrationen sollten von Fall zu Fall ausgewählt werden; die Wahl der Konzentration ist zu begründen [siehe GD 39 (2)].

PRINZIP DER PRÜFMETHODE

7. Diese überarbeitete Prüfmethode B.2 wurde entwickelt, um ausreichende Informationen über die akute Toxizität einer Prüfsubstanz zu gewinnen, damit sie eingestuft werden kann, und um Letalitätsdaten (z. B. LC50, LC01 und Steigung) für eines oder beide Geschlechter zu erhalten, die für quantitative Risikobewertungen benötigt werden. Die Prüfmethode umfasst zwei Methoden. Bei der ersten Methode handelt es sich um ein traditionelles Protokoll, bei dem Gruppen von Tieren für eine im Voraus festgelegte Dauer von üblicherweise 4 Stunden einer Grenzkonzentration (Limit-Test) oder schrittweise einer Reihe von Konzentrationen ausgesetzt werden. Für spezifische Regulierungszwecke sind andere Expositionszeiten möglich. Die zweite Methode ist ein Protokoll (c × t), bei dem Gruppen von Tieren über mehrere unterschiedliche Zeiträume einer Konzentration (Grenzkonzentration) oder einer Reihe unterschiedlicher Konzentrationen ausgesetzt werden.

8. Moribunde Tiere oder Tiere, die offensichtlich unter Schmerzen leiden oder Anzeichen von schwerem und anhaltendem Leiden zeigen, sollten auf humane Weise getötet werden und sind bei der Auswertung der Testergebnisse auf die gleiche Weise zu werten wie während des Tests gestorbene Tiere. Kriterien für die Entscheidung, moribunde oder schwer leidende Tiere zu töten, sowie Hinweise zur Erkennung des absehbaren oder bevorstehenden Todes sind Gegenstand des OECD Guidance Document No. 19 on Humane Endpoints (8).

BESCHREIBUNG DER METHODE

Auswahl von Versuchstierarten

9. Es sind junge, gesunde, adulte Tiere aus üblicherweise eingesetzten Laborstämmen zu verwenden. Bevorzugtes Versuchstier ist die Ratte. Die Verwendung anderer Tierarten ist zu begründen.

Vorbereitung der Tiere

10. Die weiblichen Tiere dürfen weder bereits geworfen haben noch momentan trächtig sein. Am Tag der Exposition sollten die jungen, adulten Tiere 8 bis 12 Wochen alt sein; ihr Körpergewicht sollte innerhalb von ± 20 % des mittleren Gewichts für jedes Geschlecht aller zuvor exponierten Tiere desselben Alters liegen. Die Tiere werden nach Zufallskriterien ausgewählt, zur individuellen Identifizierung markiert und vor Beginn der Prüfung für einen Zeitraum von mindestens fünf Tagen in ihren Käfigen an die Laborbedingungen gewöhnt. Die Tiere sollten auch für einen kurzen Zeitraum vor der Prüfung an die Versuchsapparatur gewöhnt werden, da dies den Stress durch die Umsetzung in eine neue Umgebung verringert.

Tierhaltung

11. Die Temperatur in dem Raum, in dem die Versuchstiere gehalten werden, sollte 22 ± 3 °C betragen. Die relative Luftfeuchtigkeit sollte im Idealfall zwischen 30 und 70 % liegen; bei Verwendung von Wasser als Vehikel könnte dies jedoch unmöglich sein. Die Tiere sollten vor und nach den Expositionen im Allgemeinen nach Geschlecht und Konzentration in Käfigen gruppiert werden, wobei aber die Anzahl der Tiere pro Käfig noch eine genaue Beobachtung der einzelnen Tiere ermöglichen muss und Verluste aufgrund von Kannibalismus oder Kämpfen minimiert werden sollten. Wenn die Tiere der Prüfsubstanz nur mit der Nase ausgesetzt werden sollen, müssen sie möglicherweise an die Restrainer gewöhnt werden. Die Restrainer sollten die Tiere weder körperlich noch in Bezug auf Wärme oder Fixierung übermäßig beeinträchtigen. Die Fixierung kann physiologische Endpunkte wie Körpertemperatur (Hyperthermie) und/oder das Atemminutenvolumen beeinflussen. Wenn generische Daten zeigen, dass keine derartigen Veränderungen in nennenswertem Ausmaß vorkommen, ist eine Eingewöhnung an die Restrainer nicht erforderlich. Bei der Ganzkörperexposition gegen ein Aerosol sollten die Tiere während der Exposition einzeln untergebracht sein, damit sie die Prüfsubstanz nicht durch das Fell ihrer Käfiggenossen filtriert einatmen. Außer während der Exposition kann herkömmliches und zertifiziertes Labortierfutter verwendet werden bei uneingeschränkter Versorgung mit Trinkwasser. Die Beleuchtung sollte künstlich sein und die Hell- und Dunkelphasen sollten sich im Abstand von 12 Stunden abwechseln.

Inhalationskammern

12. Bei der Auswahl einer Inhalationskammer sind die Art der Prüfsubstanz und das Ziel der Prüfung zu berücksichtigen. Das bevorzugte Verfahren ist die „Nose-only“-Exposition (dieser Begriff umfasst „nur Kopf“, „nur Nase“ oder „nur Schnauze“). Für die Untersuchung von Flüssigkeits- oder Feststoffaerosolen und für Dämpfe, die zu Aerosolen kondensieren können, wird im Allgemeinen die „Nose-only“-Exposition bevorzugt. Besondere Ziele der Untersuchung können möglicherweise mit einer Ganzkörperexposition besser erreicht werden, doch dies sollte im Prüfbericht begründet werden. Um bei Verwendung einer Ganzkörperkammer die Stabilität der Atmosphäre sicherzustellen, sollte das Gesamtvolumen der Versuchstiere 5 % des Volumens der Kammer nicht übersteigen. Die Prinzipien der „Nose-only“- und der Ganzkörperexposition sowie ihre jeweiligen Vor- und Nachteile sind in GD 39 (2) beschrieben.

EXPOSITIONSBEDINGUNGEN

Verabreichung der Konzentrationen

13. „Nose-only“-Expositionen können bei Ratten bis zu 6 Stunden dauern. Bei Mäusen sollten „Nose-only“-Expositionen im Allgemeinen 4 Stunden nicht überschreiten. Wenn Studien mit längerer Expositionsdauer erforderlich sind, ist dies zu begründen [siehe GD 39 (2)]. Bei Ganzkörperexpositionen gegen Aerosole sollten die Tiere einzeln untergebracht sein, um eine Aufnahme der Prüfsubstanz durch das Putzen von Käfiggenossen zu verhindern. Während der Exposition sollte kein Futter verabreicht werden. Wasser kann während einer Ganzkörperexposition angeboten werden.

14. Die Tiere werden der Prüfsubstanz in Form von Gas, Dampf, Aerosol oder einer Kombination dieser Formen ausgesetzt. Der zu prüfende Aggregatzustand hängt von den physikalisch-chemischen Eigenschaften der Prüfsubstanz, der gewählten Konzentration und/oder der physikalischen Form ab, in der die Prüfsubstanz bei der Handhabung und Verwendung am wahrscheinlichsten vorliegt. Hygroskopische und chemisch reaktive Prüfsubstanzen sollten bei geringer Luftfeuchtigkeit geprüft werden. Dabei ist darauf zu achten, dass keine explosionsfähigen Konzentrationen erzeugt werden.

Partikelgrößenverteilung

15. Bei allen Aerosolen und bei Dämpfen, die zu Aerosolen kondensieren können, sollte die Partikelgröße bestimmt werden. Damit alle relevanten Regionen der Atemwege der Prüfsubstanz ausgesetzt werden, werden mittlere aerodynamische Massendurchmesser (Mass Median Aerodynamic Diameter — MMAD) von 1 bis 4 μm mit einer geometrischen Standardabweichung (σg) von 1,5 bis 3,0 empfohlen (2) (9) (10). Wenngleich nach Möglichkeit versucht werden sollte, diese Werte zu erreichen, ist Fachwissen erforderlich, falls sie nicht erzielt werden können. Metalldämpfe können z. B. unter diesen Werten liegen, und geladene Partikel, Fasern und hygroskopische Stoffe (die sich in der feuchten Umgebung der Atemwege ausdehnen) können diese Werte überschreiten.

Vorbereitung der Prüfsubstanz in einem Vehikel

16. Um die gewünschte Konzentration und Partikelgröße der Prüfsubstanz in der Atmosphäre herzustellen, kann ein Vehikel verwendet werden. Hierbei ist in der Regel Wasser zu bevorzugen. Partikel können durch mechanische Prozesse auf die erforderliche Partikelgrößenverteilung gebracht werden. Dabei ist darauf zu achten, dass die Prüfsubstanz nicht zersetzt oder verändert wird. Wenn angenommen wird, dass die Zusammensetzung der Prüfsubstanz durch mechanische Prozesse verändert wurde (z. B. hohe Temperaturen aufgrund von Reibung durch übermäßiges Mahlen), sollte die Zusammensetzung der Prüfsubstanz analytisch überprüft werden. Es ist darauf zu achten, dass die Prüfsubstanz nicht kontaminiert wird. Nicht brüchige Granulate, die speziell so formuliert sind, dass sie nicht eingeatmet werden können, brauchen nicht geprüft zu werden. Mit einem Abriebtest sollte nachgewiesen werden, dass beim Umgang mit dem Granulat keine lungengängigen Partikel entstehen. Entstehen bei einem Abriebtest lungengängige Partikel, so sollte eine Inhalationstoxizitätsprüfung durchgeführt werden.

Kontrolltiere

17. Eine gleichzeitige negative (Luft-)Kontrollgruppe ist nicht erforderlich. Wenn zur Erzeugung der Prüfatmosphäre ein anderes Vehikel als Wasser verwendet wird, sollte nur dann eine Vehikelkontrollgruppe verwendet werden, wenn keine historischen Daten über Inhalationstoxizität vorliegen. Ergibt eine Toxizitätsstudie einer in einem Vehikel formulierten Prüfsubstanz, dass keine Toxizität vorliegt, ist das Vehikel folglich in der geprüften Konzentration nicht toxisch. Daher ist keine Vehikelkontrolle erforderlich.

ÜBERWACHUNG DER EXPOSITIONSBEDINGUNGEN

Luftstrom in der Inhalationskammer

18. Der Luftstrom durch die Kammer sollte während jeder Exposition sorgfältig geregelt, kontinuierlich überwacht und mindestens stündlich protokolliert werden. Die Überwachung der Konzentration (oder Stabilität) der Prüfatmosphäre ist eine integrale Messung aller dynamischen Parameter und gibt indirekt die Möglichkeit, alle relevanten dynamischen Parameter der Erzeugung der Prüfatmosphäre zu messen. Es sollte besonders darauf geachtet werden, das erneute Einatmen in „Nose-only“-Expositionskammern zu vermeiden, wenn die Luftströmung durch das Expositionssystem nicht ausreicht, um eine dynamische Strömung der Prüfsubstanzatmosphäre zu erreichen. Es gibt festgelegte Methoden, mit denen nachgewiesen werden kann, dass es unter den gewählten Bedingungen nicht zu erneutem Einatmen kommt (2) (11). Die Sauerstoffkonzentration sollte mindestens 19 % betragen, und die Kohlendioxidkonzentration sollte 1 % nicht überschreiten. Gibt es Grund zu der Annahme, dass diese Werte nicht eingehalten werden können, sind die Sauerstoff- und die Kohlendioxidkonzentrationen zu messen.

Temperatur und relative Luftfeuchtigkeit in der Inhalationskammer

19. Die Temperatur in der Inhalationskammer sollte 22 ± 3 °C betragen. Sowohl bei der „Nose-only“- als auch bei der Ganzkörperexposition sollte die relative Luftfeuchtigkeit im Atembereich der Tiere für Zeiträume von bis zu 4 Stunden mindestens dreimal und für kürzere Zeiträume stündlich überwacht und dokumentiert werden. Die relative Luftfeuchtigkeit sollte im Idealfall zwischen 30 und 70 % liegen, was jedoch möglicherweise nicht erreichbar ist (z. B. bei der Prüfung von wasserbasierten Mischungen) oder wegen chemischer Interferenz mit der Prüfmethode nicht gemessen werden kann.

Prüfsubstanz: nominale Konzentration

20. Die nominale Konzentration in der Expositionskammer sollte möglichst berechnet und protokolliert werden. Die nominale Konzentration ist die Masse der erzeugten Prüfsubstanz dividiert durch das Gesamtvolumen der durch das Kammersystem geleiteten Luft. Sie wird nicht zur Beschreibung der Exposition der Tiere verwendet; vielmehr gibt ein Vergleich der nominalen Konzentration und der tatsächlichen Konzentration Aufschluss über die Effizienz des Prüfsystems bei der Erzeugung der Prüfkonzentration und kann daher für die Aufdeckung von Problemen bei dieser Erzeugung verwendet werden.

Prüfsubstanz: tatsächliche Konzentration

21. Die tatsächliche Konzentration ist die Konzentration der Prüfsubstanz im Atembereich der Tiere in einer Inhalationskammer. Die tatsächlichen Konzentrationen können durch spezifische Methoden (z. B. direkte Probenahme, adsorptive Methoden oder chemische Reaktionsverfahren mit anschließender analytischer Charakterisierung) oder durch unspezifische Methoden wie Gravimetrie bestimmt werden. Die gravimetrische Methode ist lediglich für Aerosole mit nur einem Bestandteil in Pulverform oder Aerosole von Flüssigkeiten mit geringer Flüchtigkeit akzeptabel und sollte sich auf geeignete, vor der Studie zu erstellende und für die Prüfsubstanz spezifische Beschreibungen stützen. Die Konzentration von Aerosolen mit mehreren Bestandteilen in Pulverform kann ebenfalls gravimetrisch bestimmt werden. Hierzu muss jedoch mit Analysedaten belegt werden, dass die Schwebstoffe eine ähnliche Zusammensetzung haben wie das Ausgangsmaterial. Liegen diese Angaben nicht vor, muss die Prüfsubstanz (im Idealfall im Schwebezustand) möglicherweise im Verlauf der Studie in regelmäßigen Abständen neu analysiert werden. Bei aerosolisierten Agenzien, die verdunsten oder sublimieren können, sollte gezeigt werden, dass alle Phasen von der gewählten Methode erfasst wurden. Im Prüfbericht sollten die Zielkonzentration sowie die nominale und die tatsächliche Konzentration angegeben werden, aber nur die tatsächlichen Konzentrationen werden für statistische Analysen zur Berechnung letaler Konzentrationswerte verwendet.

22. Es sollte möglichst eine Partie der Prüfsubstanz verwendet werden; die Probe sollte unter Bedingungen aufbewahrt werden, die ihre Reinheit, Homogenität und Stabilität gewährleisten. Die Prüfsubstanz sollte vor Beginn der Studie mit Angaben zur Reinheit und, falls technisch machbar, zur Identität sowie zu den Mengen identifizierter Schadstoffe und Verunreinigungen beschrieben werden. Hierzu können unter anderem die folgenden Daten verwendet werden: Retentionszeit und relative Peakfläche, durch Massenspektrometrie oder Gaschromatographie bestimmtes Molekulargewicht oder andere Werte. Das Prüflabor ist zwar nicht für die Identität der Probe verantwortlich, doch es kann ratsam sein, dass es die Beschreibung des Auftraggebers zumindest in gewissen Grenzen (z. B. Farbe, physikalische Beschaffenheit usw.) überprüft.

23. Die Expositionsatmosphäre ist so konstant wie möglich zu halten und je nach Analysemethode kontinuierlich und/oder intermittierend zu überwachen. Bei der intermittierenden Probenahme sollten in einer vierstündigen Studie mindestens zweimal Proben der Atmosphäre in der Kammer genommen werden. Ist dies wegen begrenzter Luftdurchflussraten oder niedriger Konzentrationen nicht möglich, kann während der gesamten Expositionszeit eine einzige Probe genommen werden. Weichen die einzelnen Proben stark voneinander ab, sollten bei den nächsten geprüften Konzentrationen vier Proben je Exposition gezogen werden. Die einzelnen Proben der Konzentration in der Kammer sollten bei Gasen und Dämpfen nicht mehr als ± 10 % und bei Flüssig- oder Feststoffaerosolen nicht mehr als ± 20 % von der mittleren Kammerkonzentration abweichen. Die Zeit bis zum Erreichen eines Gleichgewichts in der Kammer (t95) ist zu berechnen und zu dokumentieren. Die Expositionsdauer erstreckt sich über den Zeitraum, in dem die Prüfsubstanz erzeugt wird; dazu gehört die zur Erreichung von t95 erforderliche Zeit. GD 39 (2) enthält Hinweise zur Einschätzung von t95.

24. Bei sehr komplexen Mischungen aus Gasen/Dämpfen und Aerosolen (z. B. Verbrennungsatmosphären und Prüfsubstanzen, die aus hierzu bestimmten Endverbraucherprodukten/-geräten gesprüht werden), kann sich jede Phase in einer Inhalationskammer anders verhalten, so dass mindestens eine Indikatorsubstanz (Analyt), normalerweise der wichtigste Wirkstoff in der Mischung, von jeder Phase (Gas/Dampf und Aerosol) ausgewählt werden sollte. Wenn die Prüfsubstanz eine Mischung ist, sollte die Analysekonzentration für die Mischung und nicht nur für den Wirkstoff oder den Bestandteil (Analyt) dokumentiert werden. Weitere Informationen zu tatsächlichen Konzentrationen sind in GD 39 (2) zu finden.

Prüfsubstanz: Partikelgrößenverteilung

25. Die Partikelgrößenverteilung von Aerosolen sollte während jeder 4-stündigen Exposition mindestens zweimal mit einem Kaskaden-Impaktor oder einem anderen Messgerät wie einem APS bestimmt werden. Kann nachgewiesen werden, dass die mit einem Kaskaden-Impaktor und einem alternativen Messgerät erzielten Ergebnisse gleichwertig sind, so kann das alternative Instrument während der gesamten Studie verwendet werden. Parallel zum Hauptinstrument ist ein zweites Gerät wie ein Gravimetriefilter oder eine Gaswaschflasche zu verwenden, um den Abscheidegrad des Hauptinstruments zu bestätigen. Die durch die Partikelgrößenanalyse bestimmte Massenkonzentration sollte innerhalb vertretbarer Grenzen um die durch die Filteranalyse bestimmte Massenkonzentration liegen [siehe DG 39 (2)]. Wenn die Gleichwertigkeit zu Beginn der Studie nachgewiesen werden kann, kann auf weitere bestätigende Messungen verzichtet werden. Aus Tierschutzgründen sollten Vorkehrungen getroffen werden, um unklare Daten zu minimieren, die dazu führen könnten, dass eine Exposition wiederholt werden muss. Wenn die Möglichkeit besteht, dass Dampfkondensation zur Bildung eines Aerosols führen kann, oder wenn in einer Dampfatmosphäre mit dem Potenzial für gemischte Phasen Partikel nachgewiesen werden, sollte eine Partikelgrößenbestimmung für Dämpfe vorgenommen werden (siehe Nummer 15).

VERFAHREN

26. Nachstehend werden zwei Prüfungsarten beschrieben: das traditionelle Protokoll und das C-×-t-Protokoll. Beide Protokolle können eine Vorstudie, eine Hauptstudie und/oder einen Limit-Test (traditionelles Protokoll) bzw. eine Prüfung bei einer Grenzkonzentration (c × t) umfassen. Wenn bekannt ist, dass ein Geschlecht empfindlicher reagiert, kann der Studienleiter entscheiden, diese Prüfungen nur unter Verwendung dieses Geschlechts durchzuführen. Wenn für eine „Nose-only“-Exposition andere Nagetierarten als Ratten verwendet werden, kann die maximale Expositionsdauer angepasst werden, um artenspezifisches Leiden zu minimieren. Damit möglichst wenig Tiere verwendet werden, sollten vor Beginn der Prüfung alle verfügbaren Daten ausgewertet werden. Mit Ergebnissen der Methode gemäß Kapitel B.52 dieses Anhangs (4) kann möglicherweise die Notwendigkeit einer Vorstudie ausgeräumt und gezeigt werden, ob ein Geschlecht empfindlicher reagiert als das andere [siehe GD 39 (2)].

TRADITIONELLES PROTOKOLL

Allgemeine Überlegungen: traditionelles Protokoll

27. In einer traditionellen Studie werden Gruppen von Tieren einer Prüfsubstanz für einen festgelegten Zeitraum (im Allgemeinen 4 Stunden) entweder in einer „Nose-only“- oder einer Ganzkörperexpositionskammer ausgesetzt. Die Tiere werden entweder einer Grenzkonzentration (Limit-Test) oder schrittweise mindestens drei Konzentrationen (Hauptstudie) ausgesetzt. Wenn nicht bereits Informationen über die Prüfsubstanz vorliegen, wie z. B. aus einer zuvor durchgeführten Prüfung nach Kapitel B.52, kann vor der Hauptstudie eine Vorstudie durchgeführt werden [siehe GD 39 (2)].

Vorstudie: traditionelles Protokoll

28. Eine Vorstudie dient dazu, die Wirkstärke der Prüfsubstanz einzuschätzen, geschlechtsspezifische Unterschiede bei der Empfindlichkeit festzustellen und die Festlegung der Expositionskonzentrationen für die Hauptstudie oder den Limit-Test zu erleichtern. Die Auswahl der Konzentrationen für die Vorstudie sollte sich auf alle verfügbaren Informationen, einschließlich verfügbarer (Q)SAR-Daten und Daten für ähnliche Chemikalien stützen. Jeder Konzentration der Prüfsubstanz sollten höchstens drei männliche und drei weibliche Tiere ausgesetzt werden (drei Tiere je Geschlecht können erforderlich sein, um einen geschlechtsspezifischen Unterschied festzustellen). Es ist möglich, dass in einer Vorstudie nur eine einzige Konzentration geprüft wird, erforderlichenfalls können aber auch mehr Konzentrationen geprüft werden. In einer Vorstudie sollten nicht so viele Tiere und Konzentrationen untersucht werden, dass sie quasi einer Hauptstudie gleichkommt. Statt einer Vorstudie kann auf die Ergebnisse einer zuvor durchgeführten Prüfung gemäß Kapitel B.52 (4) zurückgegriffen werden [siehe GD 39 (2)].

Limit-Test: traditionelles Protokoll

29. Ein Limit-Test wird verwendet, wenn bekannt oder zu erwarten ist, dass die Prüfsubstanz praktisch nicht toxisch ist, d. h. nur über der regulatorisch festgelegten Grenzkonzentration eine toxische Wirkung hervorruft. Beim Limit-Test wird eine einzige Gruppe von drei männlichen und drei weiblichen Tieren der Prüfsubstanz bei einer Grenzkonzentration ausgesetzt. Informationen über die Toxizität der Prüfsubstanz können aus Kenntnissen über ähnliche geprüfte Stoffe gewonnen werden, wobei Art und prozentualer Anteil der Komponenten zu berücksichtigen sind, deren toxikologische Relevanz bekannt ist. In den Fällen, in denen nur wenige oder keine Informationen über die Toxizität der Prüfsubstanz vorliegen oder in denen von einer Toxizität der Prüfsubstanz ausgegangen wird, sollte der Haupttest durchgeführt werden.

30. Die Wahl der Grenzkonzentrationen hängt im Allgemeinen von den Regulierungsanforderungen ab. Wird die Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 zugrunde gelegt, so betragen die Grenzkonzentrationen für Gase, Dämpfe und Aerosole 20 000 ppm, 20 mg/l bzw. 5 mg/l (oder die höchste erreichbare Konzentration) (3). Bei bestimmten Prüfsubstanzen, insbesondere bei Dämpfen und Aerosolen, kann es technisch schwierig sein, Grenzkonzentrationen zu erzeugen. Bei der Prüfung von Aerosolen sollte das Hauptziel darin bestehen, eine lungengängige Partikelgröße (d. h. ein MMAD von 1-4 μm) zu erreichen. Dies ist bei den meisten Prüfsubstanzen bei einer Konzentration von 2 mg/l der Fall. Aerosole sollten nur dann bei mehr als 2 mg/l geprüft werden, wenn eine lungengängige Partikelgröße erreicht werden kann [siehe DG 39 (2)]. Die Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 rät aus Tierschutzgründen von der Prüfung über einer Grenzkonzentration ab (3). Die Grenzkonzentration sollte nur in Betracht gezogen werden, wenn eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass die Ergebnisse einer solchen Prüfung von unmittelbarer Relevanz für den Schutz der menschlichen Gesundheit sind (3); dies ist im Prüfbericht zu begründen. Bei potenziell explosiven Prüfsubstanzen ist darauf zu achten, dass keine explosionsfördernden Bedingungen geschaffen werden. Um eine unnötige Verwendung von Versuchstieren zu vermeiden und sicherzustellen, dass die Kammerbedingungen für einen Limit-Test erreicht werden können, sollte vor dem Limit-Test ein Probedurchlauf ohne Tiere vorgenommen werden.

31. Werden bei der Grenzkonzentration Mortalität oder Siechtum beobachtet, können die Ergebnisse der Prüfung bei dieser Konzentration als Vorstudie für weitere Prüfungen bei anderen Konzentrationen dienen (siehe Hauptstudie). Wenn eine Grenzkonzentration wegen der physikalischen oder chemischen Eigenschaften einer Prüfsubstanz nicht erreicht werden kann, sollte die höchste erreichbare Konzentration geprüft werden. Wenn bei der höchsten erreichbaren Konzentration eine Letalität von weniger als 50 % auftritt, sind keine weiteren Prüfungen erforderlich. Konnte die Grenzkonzentration nicht erreicht werden, sollte der Prüfbericht eine Erklärung und entsprechende Daten enthalten. Wenn die höchste erreichbare Konzentration eines Dampfs keine Toxizität hervorruft, muss die Prüfsubstanz möglicherweise als Flüssigkeitsaerosol angewendet werden.

Hauptstudie: traditionelles Protokoll

32. Eine Hauptstudie wird normalerweise mit fünf männlichen und fünf weiblichen Tieren (oder, falls bekannt, fünf Tieren des empfindlicheren Geschlechts) je Konzentrationsstufe mit mindestens drei Konzentrationsstufen durchgeführt. Für eine robuste statistische Analyse sollten ausreichend hohe Konzentrationsstufen verwendet werden. Der Zeitabstand zwischen den einzelnen Expositionsgruppen richtet sich nach Einsetzen, Dauer und Schweregrad der toxischen Zeichen. Die Tiere sollten erst dann der nächsten Konzentrationsstufe ausgesetzt werden, wenn mit angemessener Gewissheit vom Überleben der zuvor getesteten Tiere ausgegangen werden kann. Dies gibt dem Studienleiter die Möglichkeit, die Zielkonzentration für die nächste Expositionsgruppe anzupassen. Wegen der Abhängigkeit von hochentwickelter Technologie ist dies in Inhalationsstudien nicht immer praktikabel. Deshalb sollte die Exposition von Tieren gegen die nächste Konzentrationsstufe auf Erfahrungswerten und wissenschaftlichem Sachverstand beruhen. Bei der Prüfung von Mischungen ist das GD 39 (2) zu konsultieren.

KONZENTRATION-×-ZEIT-PROTOKOLL (C × T)

Allgemeine Überlegungen: C-×-t-Prokokoll

33. Bei der Bewertung der Inhalationstoxizität kann als Alternative zu einem traditionellen Protokoll eine schrittweise C-×-t-Studie in Betracht gezogen werden (12) (13) (14). Bei dieser Methode werden die Tiere der Prüfsubstanz in unterschiedlichen Konzentrationsstufen und für unterschiedliche Zeiträume ausgesetzt. Für alle Prüfungen werden „Nose-only“-Kammern verwendet (Ganzkörperkammern sind bei diesem Protokoll nicht praktikabel). Ein Fließdiagramm in Anlage 1 veranschaulicht dieses Protokoll. Eine Simulationsanalyse hat gezeigt, dass sowohl das traditionelle Protokoll und als auch das C-×-t-Protokoll robuste LC50-Werte ergeben können, aber das C-×-t-Protokoll bei robusten LC01- und LC10-Werten im Allgemeinen überlegen ist (15).

34. Einer Simulationsanalyse zufolge ist die Verwendung von zwei Tieren je C-×-t-Intervall (ein Tier je Geschlecht bei Verwendung beider Geschlechter oder zwei Tiere des empfindlicheren Geschlechts) im Allgemeinen ausreichend, wenn in einer Hauptstudie 4 Konzentrationen und 5 Expositionszeiträume geprüft werden. Unter bestimmten Umständen kann der Studienleiter beschließen, je zwei Ratten beider Geschlechter je C-×-t-Intervall zu verwenden (15). Die Verwendung von zwei Tieren je Geschlecht je Konzentration und Zeitpunkt kann Verzerrungen und Schwankungen der Schätzungen verringern, die Quote der zutreffenden Schätzungen erhöhen und die Abdeckung des Konfidenzintervalls verbessern. Wenn die Daten jedoch keine ausreichende Annäherung für eine Schätzung erlauben (bei Verwendung von je einem Tier beider Geschlechter oder von zwei Tieren des empfindlicheren Geschlechts), kann auch eine fünfte Expositionskonzentration ausreichen. Das GD 39 (2) enthält weitere Hinweise zur Zahl der Tiere und zu den Konzentrationen, die in einer C-×-t-Studie zu verwenden sind.

Vorstudie: C-×-t-Protokoll

35. Eine Vorstudie dient dazu, die Wirkstärke der Prüfsubstanz einzuschätzen und die Festlegung der Expositionskonzentrationen für die Hauptstudie zu erleichtern. Um eine geeignete Ausgangskonzentration für die Hauptstudie festzulegen und möglichst wenig Tiere zu verwenden, kann eine Vorstudie mit bis zu drei Tieren/Geschlecht/Konzentration [Einzelheiten siehe Anlage III von GD 39 (2)] erforderlich sein. Zur Feststellung eines geschlechtsspezifischen Unterschieds müssen gegebenenfalls drei Tiere je Geschlecht verwendet werden. Diese Tiere sind für einen einzigen Zeitraum, im Allgemeinen 240 Minuten, zu exponieren. Die Erzeugung geeigneter Prüfatmosphären ist in technischen Vorversuchen ohne Tiere zu erproben. Wenn Mortalitätsdaten aus einer Studie nach B.52 (4) vorliegen, braucht normalerweise keine Vorstudie durchgeführt zu werden. Bei der Festlegung der anfänglichen Zielkonzentration einer Studie nach B.2 sollte der Studienleiter die in allen verfügbaren B.52-Studien (4) beobachteten Mortalitätsmuster für beide Geschlechter und für alle geprüften Konzentrationen berücksichtigen [siehe GD 39 (2)].

Ausgangskonzentration: C-×-t-Protokoll

36. Die Ausgangskonzentration (Exposition I) (Anlage 1) ist entweder eine Grenzkonzentration oder eine vom Studienleiter auf Basis der Vorstudie gewählte Konzentration. Gruppen von je einem Tier beider Geschlechter werden dieser Konzentration für unterschiedliche Zeiträume ausgesetzt (z. B. 15, 30, 60, 120 oder 240 Minuten), so dass insgesamt 10 Tiere verwendet werden (Exposition I) (Anlage 1).

37. Die Wahl der Grenzkonzentrationen hängt im Allgemeinen von den Regulierungsanforderungen ab. Wird die Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 zugrunde gelegt, so betragen die Grenzkonzentrationen für Gase, Dämpfe und Aerosole 20 000 ppm, 20 mg/l bzw. 5 mg/l (oder die höchste erreichbare Konzentration) (3). Bei bestimmten Prüfsubstanzen, insbesondere bei Dämpfen und Aerosolen, kann es technisch schwierig sein, Grenzkonzentrationen zu erzeugen. Bei der Prüfung von Aerosolen sollte eine lungengängige Partikelgröße (d. h. ein MMAD von 1-4 μm) bei einer Grenzkonzentration von 2 mg/l erreicht werden. Dies ist bei den meisten Prüfsubstanzen möglich. Aerosole sollten nur dann bei mehr als 2 mg/l geprüft werden, wenn eine lungengängige Partikelgröße erreicht werden kann [siehe DG 39 (2)]. Die Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 rät aus Tierschutzgründen von der Prüfung über einer Grenzkonzentration ab (3). Prüfungen über der Grenzkonzentration sollten nur in Betracht gezogen werden, wenn eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass die Ergebnisse einer solchen Prüfung von unmittelbarer Relevanz für den Schutz der menschlichen Gesundheit sind (3); dies ist im Prüfbericht zu begründen. Bei potenziell explosiven Prüfsubstanzen ist darauf zu achten, dass keine explosionsfördernden Bedingungen geschaffen werden. Vor der Prüfung bei der Ausgangskonzentration sollte ein Probedurchlauf ohne Tiere vorgenommen werden, um eine unnötige Verwendung von Versuchstieren zu vermeiden und sicherzustellen, dass die Kammerbedingungen für diese Konzentration erreicht werden können.

38. Werden bei der Ausgangskonzentration Mortalität oder Siechtum beobachtet, können die Ergebnisse dieser Konzentration als Ausgangspunkt für weitere Prüfungen bei anderen Konzentrationen dienen (siehe Hauptstudie). Wenn eine Grenzkonzentration wegen der physikalischen oder chemischen Eigenschaften einer Prüfsubstanz nicht erreicht werden kann, sollte die höchste erreichbare Konzentration geprüft werden. Wenn bei der höchsten erreichbaren Konzentration eine Letalität von weniger als 50 % auftritt, sind keine weiteren Prüfungen erforderlich. Konnte die Grenzkonzentration nicht erreicht werden, sollte der Prüfbericht eine Erklärung und entsprechende Daten enthalten. Wenn die höchste erreichbare Konzentration eines Dampfs keine Toxizität hervorruft, muss die Prüfsubstanz möglicherweise als Flüssigkeitsaerosol angewendet werden.

Hauptstudie: C-×-t-Protokoll

39. Die in der Hauptstudie geprüfte Ausgangskonzentration (Exposition I) (Anlage 1) ist entweder eine Grenzkonzentration oder eine vom Studienleiter auf Basis der Vorstudie gewählte Konzentration. Wenn während oder nach der Exposition I Mortalität beobachtet wurde, gilt die Mindestexposition (c × t), die zu Mortalität führt, als Anhaltspunkt für die Festlegung der Expositionskonzentration und -dauer für die Exposition II. Jede folgende Exposition hängt von der vorhergehenden Exposition ab (siehe Anlage 1).

40. Bei vielen Prüfsubstanzen sind die bei der Ausgangskonzentration erzielten Ergebnisse zusammen mit drei zusätzlichen Expositionen mit einem kleineren Zeitraster (das ist der geometrische Abstand von Expositionsperioden, der angegeben wird durch den Faktor zwischen aufeinanderfolgenden Perioden, im Allgemeinen √2) ausreichend, um die C-×-t-Mortalitätsbeziehung festzulegen (15), aber es kann hilfreich sein, eine fünfte Expositionskonzentration zu verwenden [siehe Anlage 1 und GD 39 (2)]. Anlage 1 enthält Hinweise zur mathematischen Aufbereitung der Ergebnisse für das C-×-t-Protokoll.

BEOBACHTUNGEN

41. Die Tiere sollten während der Exposition häufig auf klinische Zeichen beobachtet werden. Nach der Exposition sollten klinische Beobachtungen mindestens zweimal am Tag der Exposition oder, falls es aufgrund der Reaktion der Tiere auf die Behandlung angezeigt erscheint, häufiger und danach für einen Zeitraum von insgesamt 14 Tagen mindestens einmal täglich vorgenommen werden. Die Länge des Beobachtungszeitraums ist nicht festgelegt; sie sollte nach Art und Zeitpunkt des Einsetzens klinischer Zeichen und der Länge der Erholungsphase bestimmt werden. Der Zeitpunkt, zu dem die Toxizitätszeichen auftreten und wieder abklingen, ist von Bedeutung, insbesondere dann, wenn Anzeichen für ein verzögertes Auftreten von Toxizitätszeichen erkennbar sind. Sämtliche Beobachtungen werden systematisch in Einzelprotokollen dokumentiert, die für jedes Tier geführt werden. Tiere, bei denen ein moribunder Zustand festgestellt wird, sowie Tiere, die starke Schmerzen haben oder anhaltende Anzeichen von schwerem Leiden zeigen, sollten aus Tierschutzgründen auf humane Weise getötet werden. Bei den Untersuchungen auf klinische Toxizitätszeichen ist darauf zu achten, dass ein anfänglich schlechtes Aussehen und vorübergehende Atemveränderungen, die auf das Expositionsverfahren zurückzuführen sind, nicht mit einer durch die Prüfsubstanz bedingten Toxizität verwechselt werden, die eine vorzeitige Tötung der Tiere erfordern würde. Die im Guidance Document on Humane Endpoints (GD 19) zusammengefassten Prinzipien und Kriterien sind zu berücksichtigen (7). Wenn Tiere aus humanen Gründen getötet werden oder ihr Tod festgestellt wird, sollte der Todeszeitpunkt so genau wie möglich registriert werden.

42. Bei den Beobachtungen ist auf Veränderungen von Haut, Fell, Augen und Schleimhäuten sowie Atmung, Kreislauf, autonomes und zentrales Nervensystem, Somatomotorik und Verhaltensmuster zu achten. Soweit möglich, ist auf Differenzierungen zwischen lokalen und systemischen Wirkungen zu achten. Besonderes Augenmerk ist auf Tremor, Konvulsionen, Salivation, Diarrhö, Lethargie, Schlaf und Koma zu richten. Die Messung der Rektaltemperatur kann zusätzliche Belege für mit der Behandlung oder Unterbringung zusammenhängende Reflex-Bradypnoe oder Hypo-/Hyperthermie liefern.

Körpergewicht

43. Das Körpergewicht der einzelnen Tiere sollte einmal während der Eingewöhnungszeit, am Tag der Exposition vor der Exposition (Tag 0) und mindestens an den Tagen 1, 3 und 7 (und danach wöchentlich) sowie zum Zeitpunkt des Todes oder der Tötung, falls später als Tag 1, dokumentiert werden. Das Körpergewicht gilt als kritischer Indikator für Toxizität; Tiere, die gegenüber ihrem Gewicht vor der Prüfung eine dauerhafte Abnahme um ≥ 20 % aufweisen, sollten sorgfältig überwacht werden. Die überlebenden Tiere werden gewogen und am Ende der Post-Expositionsphase auf humane Weise getötet.

Pathologie

44. Alle Versuchstiere (einschließlich der Tiere, die während des Tests sterben oder aus Tierschutzgründen getötet und aus der Studie genommen werden) sind auf makroskopische Veränderungen zu untersuchen. Kann die Nekropsie nicht unmittelbar nach Auffinden eines toten Tieres erfolgen, sollte der Körper auf eine Temperatur gekühlt (nicht eingefroren) werden, die tief genug ist, um die Autolyse zu minimieren. Die Nekropsie ist baldmöglichst, in der Regel innerhalb von einem oder zwei Tagen durchzuführen. Alle makroskopischen Veränderungen sollten für jedes Tier protokolliert werden, wobei besonders auf Veränderungen der Atemwege zu achten ist.

45. Es kann in Betracht gezogen werden, von vorneherein zusätzliche Untersuchungen in die Studienauslegung aufzunehmen, die die Aussagekraft der Studie erhöhen, z. B. die Messung des Lungengewichts überlebender Ratten und/oder den Nachweis einer Reizwirkung durch mikroskopische Untersuchung der Atemwege. Untersucht werden können auch diejenigen Organe, die bei 24 Stunden oder länger überlebenden Tieren makroskopische Befunde aufweisen, sowie Organe, die bekanntermaßen oder vermutlich betroffen sind. Eine mikroskopische Untersuchung des gesamten Atemtrakts kann nützliche Informationen über Prüfsubstanzen liefern, die mit Wasser reagieren, z. B. Säuren und hygroskopische Prüfsubstanzen.

DATEN UND BERICHTERSTATTUNG

Daten

46. Das Körpergewicht der einzelnen Tiere und Sektionsbefunde sollten angegeben werden. Die Daten der klinischen Beobachtung sollten in tabellarischer Form zusammengefasst werden. Daraus müssen für jede Prüfgruppe die Anzahl der verwendeten Tiere, die Anzahl der Tiere mit spezifischen Toxizitätszeichen, die Anzahl der Tiere, die während der Prüfung tot aufgefunden oder vorzeitig getötet wurden, der Todeszeitpunkt der einzelnen Tiere, eine Beschreibung und der zeitliche Verlauf der toxischen Wirkungen und deren Reversibilität sowie die Sektionsbefunde ersichtlich sein.

Prüfbericht

47. Der Prüfbericht sollte, soweit zutreffend, die folgenden Informationen enthalten:

Versuchstiere und Tierhaltung

 Beschreibung der Haltungsbedingungen mit Angaben zu Anzahl (oder Veränderung der Anzahl) der Tiere je Käfig, Einstreu, Umgebungstemperatur und relativer Luftfeuchtigkeit, Photoperiode und Futter,

 Art/Stamm und Begründung für die Verwendung einer anderen Art als der Ratte,

 Anzahl, Alter und Geschlecht der Tiere,

 Randomisierungsmethode,

 Angaben über Futter- und Wasserqualität (einschließlich Art/Herkunft des Futters, Wasserquelle),

 Beschreibung etwaiger Vorbereitung vor der Prüfung, einschließlich Ernährung, Quarantäne und Behandlung von Krankheiten.

Prüfsubstanz

 physikalische Beschaffenheit, Reinheit und, wenn maßgeblich, physikalisch-chemische Eigenschaften (einschließlich Isomerisierung),

 Angaben zur Identifikation und CAS-Nummer (Chemical Abstract Services), falls bekannt.

Vehikel

 Begründung für die Verwendung eines Vehikels sowie für die Wahl des Vehikels (falls nicht Wasser),

 historische oder parallel erzeugte Daten, die belegen, dass das Vehikel keinen Einfluss auf das Ergebnis der Studie hat.

Inhalationskammer

 Beschreibung der Inhalationskammer mit Angabe von Abmessungen und Volumen,

 Herkunft und Beschreibung der für die Exposition der Tiere sowie für die Erzeugung der Atmosphäre verwendeten Ausrüstung,

 Ausrüstung für die Messung von Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Partikelgröße und tatsächlicher Konzentration,

 Herkunft der Luft und Behandlung der eingeleiteten/entzogenen Luft sowie Klimatisierungssystem,

 für die Kalibrierung der Ausrüstung verwendete Methoden, um eine homogene Prüfatmosphäre sicherzustellen,

 Druckunterschied (positiv oder negativ),

 Expositions-Öffnungen je Kammer („Nose-only“-Exposition); Anordnung der Tiere im System (Ganzkörperexposition),

 zeitliche Homogenität/Stabilität der Prüfatmosphäre,

 Lage von Temperatur- und Feuchtigkeitssensoren und Ort der Probenahme der Prüfatmosphäre in der Kammer,

 Luftdurchflussraten, Luftdurchflussrate/Expositions-Öffnung („Nose-only“-Exposition) oder Anzahl der Tiere je Kammer (Ganzkörperexposition),

 Angaben zur Ausrüstung für die Messung des Sauerstoff- und Kohlendioxidgehalts, falls zutreffend,

 bis zum Erreichen des Gleichgewichts in der Inhalationskammer benötigte Zeit (t95),

 Zahl der Volumenänderungen pro Stunde,

 Messgeräte (falls zutreffend).

Expositionsdaten

 Begründung für die Wahl der Zielkonzentration in der Hauptstudie,

 nominale Konzentrationen (Gesamtmasse der in die Inhalationskammer eingeleiteten Prüfsubstanz dividiert durch das Volumen der durch die Kammer geleiteten Luft),

 im Atembereich der Tiere ermittelte tatsächliche Konzentrationen der Prüfsubstanz; bei Gemischen mit heterogenen physikalischen Formen (Gase, Dämpfe, Aerosole) kann jede Form getrennt analysiert werden,

 alle Luftkonzentrationen sollten in Masseneinheiten angegeben werden (z. B. mg/l, mg/m3 usw.), Volumeneinheiten können in Klammern ebenfalls angegeben werden (z. B. ppm, ppb usw.),

 Partikelgrößenverteilung, mittlerer aerodynamischer Massendurchmesser (MMAD) und geometrische Standardabweichung (σg), einschließlich der Berechnungsmethoden. Einzelne Partikelgrößenanalysen sind zu protokollieren.

Prüfbedingungen

 Angaben zur Vorbereitung der Prüfsubstanz, einschließlich Angaben zu den Verfahren zur Reduzierung der Partikelgröße von Feststoffen oder zur Herstellung von Lösungen der Prüfsubstanz. Wenn die Zusammensetzung der Prüfsubstanz durch mechanische Prozesse verändert worden sein kann, sind die Ergebnisse der Analysen zur Überprüfung der Zusammensetzung der Prüfsubstanz beizufügen,

 eine Beschreibung (möglichst mit Diagramm) der Ausrüstung, die zur Erzeugung der Prüfatmosphäre und zur Exposition der Tiere gegen die Prüfatmosphäre verwendet wurde,

 Angaben zur verwendeten chemischen Analysemethode und zur Validierung der Methode (einschließlich der Effizienz der Wiederfindung der Prüfsubstanz im Medium),

 Begründung für die Wahl der Prüfkonzentrationen.

Ergebnisse

 tabellarische Darstellung von Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Luftstrom in der Kammer,

 tabellarische Darstellung von Daten zur nominalen und tatsächlichen Konzentration in der Kammer,

 tabellarische Darstellung der Partikelgrößendaten einschließlich Daten zur analytischen Probenahme, Partikelgrößenverteilung und Berechnung des MMAD und der σg,

 tabellarische Darstellung der erhobenen Daten und der Konzentration für jedes einzelne Tier (d. h. Tiere, die Anzeichen für Toxizität zeigen, einschließlich Mortalität sowie Art, Schweregrad, Zeitpunkt des Einsetzens und Dauer der Wirkungen),

 während der Prüfung erfasstes Körpergewicht der einzelnen Tiere, Datum und Zeitpunkt des Todes, falls vor geplanter Tötung; zeitlicher Verlauf des Einsetzens von Toxizitätsanzeichen sowie Angabe, ob diese reversibel waren, für jedes einzelne Tier,

 Sektionsbefunde und histopathologische Ergebnisse für jedes einzelne Tier, falls vorhanden,

 Letalitätsschätzungen (z. B. LC50, LD01), einschließlich Konfidenzintervalle von 95 %, und Steigung (falls von der Bewertungsmethode vorgesehen),

 statistische Beziehung, einschließlich Schätzung des Exponenten n (c-×-t-Protokoll). Die verwendete Statistiksoftware ist anzugeben.

Diskussion und Auswertung der Ergebnisse

 Besondere Aufmerksamkeit sollte der Beschreibung der Methoden gelten, die verwendet wurden, um die Kriterien dieser Prüfmethode zu erfüllen, z. B. die Grenzkonzentration oder die Partikelgröße.

 Die Lungengängigkeit von Partikeln vor dem Hintergrund der Gesamtbefunde sollte behandelt werden, insbesondere, wenn die Partikelgrößenkriterien nicht erfüllt werden konnten.

 Falls Tiere, die unter Schmerzen litten oder Zeichen für schweres und anhaltendes Leiden aufwiesen, auf humane Weise getötet werden mussten, ist eine Erklärung auf der Grundlage der Kriterien im OECD Guidance Document on Humane Endpoints (8) zu geben.

 Wenn eine Prüfung nach Kapitel B.52 dieses Anhang (4) zugunsten dieser Prüfmethode B.2 abgebrochen wurde, ist dies zu begründen.

 Die Kohärenz der Methoden zur Bestimmung der nominalen und der tatsächlichen Konzentration sowie die Beziehung der tatsächlichen Konzentration zur nominalen Konzentration sind in die Gesamtbewertung der Studie aufzunehmen.

 Die wahrscheinliche Todesursache und die vorherrschende Wirkungsweise (systemisch oder lokal) sollten behandelt werden.

LITERATUR:

1. OECD (2009). Acute Inhalation Toxicity Testing. OECD Guideline for Testing of Chemicals No. 403, OECD, Paris. Abrufbar unter: [http://www.oecd.org/env/testguidelines]

2. OECD (2009). Guidance Document on Acute Inhalation Toxicity Testing. Environmental Health and Safety Monograph Series on Testing and Assessment No. 39, OECD, Paris. Abrufbar unter: [http://www.oecd.org/env/testguidelines]

3. Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien 67/548/EWG und 1999/45/EG und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (ABl. L 353 vom 31.12.2008, S. 1).

4. Kapitel B.52 dieses Anhangs, Akute Inhalationstoxizität — akut toxische Klassenmethode.

5. Kapitel B.40 dieses Anhangs, In-vitro-Prüfung auf hautätzende Wirkung: TER-Test (transcutaneous electrical resistance test)

6. Kapitel B.40bis dieses Anhangs, In-vitro-Prüfung auf hautätzende Wirkung: Test mit menschlichem Hautmodell)

7. OECD (2005), In Vitro Membrane Barrier Test Method For Skin Corrosion. OECD Guideline for Testing of Chemicals No. 435, OECD, Paris. Abrufbar unter: [http://www.oecd.org/env/testguidelines]

8. OECD (2000). Guidance Document on the Recognition, Assessment and Use of Clinical Signs as Humane Endpoints for Experimental Animals Used in Safety Evaluation. Environmental Health and Safety Monograph Series on Testing and Assessment No. 19, OECD, Paris. Abrufbar unter: [http://www.oecd.org/env/testguidelines]

9. SOT (1992). Technical Committee of the Inhalation Specialty Section, Society of Toxicology (SOT). Recommendations for the Conduct of Acute Inhalation Limit Tests. Fund. Appl. Toxicol. 18: 321-327.

10. Phalen RF (2009). Inhalation Studies: Foundations and Techniques. (2nd Edition) Informa Healthcare, New York.

11. Pauluhn J and Thiel A (2007). A Simple Approach to Validation of Directed-Flow Nose-Only Inhalation Chambers. J. Appl. Toxicol. 27: 160-167.

12. Zwart JHE, Arts JM, ten Berge WF, Appelman LM (1992). Alternative Acute Inhalation Toxicity Testing by Determination of the Concentration-Time-Mortality Relationship: Experimental Comparison with Standard LC50 Testing. Reg. Toxicol. Pharmacol. 15: 278-290.

13. Zwart JHE, Arts JM, Klokman-Houweling ED, Schoen ED (1990). Determination of Concentration-Time-Mortality Relationships to Replace LC50 Values. Inhal. Toxicol. 2: 105-117.

14. Ten Berge WF and Zwart A (1989). More Efficient Use of Animals in Acute Inhalation Toxicity Testing. J. Haz. Mat. 21: 65-71.

15. OECD (2009). Performance Assessment: Comparison of 403 and C × t Protocols via Simulation and for Selected Real Data Sets. Environmental Health and Safety Monograph Series on Testing and Assessment No. 104, OECD, Paris. Abrufbar unter: [http://www.oecd.org/env/testguidelines]

16. Finney DJ (1977). Probit Analysis, 3rd ed. Cambridge University Press, London/New York.

DEFINITION

Prüfsubstanz : jeder Stoff oder jedes Gemisch, der/das mit dieser Prüfmethode getestet wird.

Anlage 1

C-×-t-Protokoll

1. Bei der Bewertung der Inhalationstoxizität kann als Alternative zu einem traditionellen Protokoll eine schrittweise Konzentrations-×-Zeit-Studie (c × t) in Betracht gezogen werden (12) (13) (14). Sie sollte vorzugsweise dann angewendet werden, wenn wegen einer spezifischen Regelung oder aus wissenschaftlicher Notwendigkeit eine Prüfung von Tieren über unterschiedliche Zeiträume erforderlich ist, z. B. für Zwecke der Notfallplanung oder für die Flächennutzungsplanung. Diese Methode beginnt normalerweise mit der Prüfung der Prüfsubstanz in einer Grenzkonzentration (Exposition I), bei der die Tiere der Prüfsubstanz für fünf Zeiträume ausgesetzt werden (z. B. 15, 30, 60, 120 und 240 Minuten), so dass innerhalb einer Exposition Ergebnisse für mehrere Zeiträume erzielt werden (siehe Abbildung 1). Wird die Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 zugrunde gelegt, so betragen die Grenzkonzentrationen für Gase, Dämpfe und Aerosole 20 000 ppm, 20 mg/l bzw. 5 mg/l. Diese Werte dürfen nur überschritten werden, wenn eine regulatorische oder wissenschaftliche Notwendigkeit für die Prüfung mit diesen höheren Werten besteht (siehe Nummer 37 im Haupttext von Kapitel B.2).

2. Liegen nur wenig oder keine Informationen über die Toxizität einer Prüfsubstanz vor, sollte eine Vorstudie durchgeführt werden, bei der Gruppen von höchstens drei Tieren beider Geschlechter den vom Studienleiter festgelegten Zielkonzentrationen im Allgemeinen für 240 Minuten ausgesetzt werden.

3. Wenn bei der Exposition I eine Grenzkonzentration geprüft wird und die Mortalität bei unter 50 % liegt, sind keine weiteren Prüfungen erforderlich. Besteht eine regulatorische oder wissenschaftliche Notwendigkeit zur Festlegung der Konzentrations-/Zeit-/Wirkungs-Beziehung bei höheren Werten als der angegebenen Grenzkonzentration, sollte die nächste Exposition auf einem höheren Niveau, z. B. dem Doppelten der Grenzkonzentration, durchgeführt werden (d. h. 2L in Abbildung 1).

4. Wenn bei der Grenzkonzentration Toxizität beobachtet wird, sind zusätzliche Prüfungen (Hauptstudie) erforderlich. Diese zusätzlichen Expositionen werden entweder bei niedrigeren Konzentrationen (in Abbildung 1: Expositionen II, III oder IV‘) oder bei höheren Konzentrationen von kürzerer Dauer (in Abbildung 1: Exposition IV) durchgeführt, wobei angepasste Zeiträume mit geringerem Abstand verwendet werden.

5. Die Prüfung (Ausgangskonzentration und zusätzliche Konzentrationen) wird mit je einem Tier beider Geschlechter je Konzentration/Zeitpunkt oder zwei Tieren des empfindlicheren Geschlechts je Konzentration/Zeitpunkt durchgeführt. Unter bestimmten Umständen kann der Studienleiter entscheiden, je zwei Ratten beider Geschlechter je Konzentration/Zeitpunkt (oder vier Tiere des empfindlicheren Geschlechts je Konzentration/Zeitpunkt) zu verwenden (15). Die Verwendung von zwei Tieren je Geschlecht je Konzentration/Zeitpunkt verringert im Allgemeinen Verzerrungen und Schwankungen der Schätzungen, erhöht die Quote der zutreffenden Schätzungen und verbessert die Abdeckung des Konfidenzintervalls gegenüber dem hier beschriebenen Protokoll. GD 39 (2) enthält nähere Hinweise.

6. Im Idealfall wird jede Exposition innerhalb eines Tages durchgeführt. Bei dieser Vorgehensweise kann die nächste Exposition auf einen Zeitpunkt gelegt werden, an dem mit angemessener Gewissheit vom Überleben der Tiere ausgegangen werden kann. Außerdem kann der Studienleiter die Zielkonzentration und Dauer der nächsten Exposition anpassen. Es empfiehlt sich, jede Exposition mit der Gruppe zu beginnen, die am längsten exponiert sein wird, z. B. die 240-Minuten-Gruppe, gefolgt von der 120-Minuten-Gruppe usw. Wenn beispielsweise Tiere in der 240-Minuten-Gruppe nach 90 Minuten sterben oder deutliche Toxizitätszeichen aufweisen (wie extreme Veränderungen der Atmung, z. B. Atemnot), wäre es nicht sinnvoll, eine Gruppe für 120 Minuten der Prüfsubstanz auszusetzen, da die Mortalität wahrscheinlich 100 % betragen würde. Der Studienleiter sollte dann für diese Konzentration eine kürzere Expositionsdauer festlegen (z. B. 90, 65, 45, 33 und 25 Minuten).

7. Die Konzentration in der Kammer sollte häufig gemessen werden, um für jede Expositionsdauer die zeitgewichtete Durchschnittskonzentration zu bestimmen. Soweit möglich, sollte bei jedem Tier der Todeszeitpunkt (nicht die Expositionsdauer) für die statistische Analyse verwendet werden.

8. Die Ergebnisse der ersten vier Expositionen sollten auf Datenlücken in der Konzentrations-Zeit-Kurve geprüft werden (siehe Abbildung 1). Wenn eine unzureichende Annäherung gegeben ist, kann eine zusätzliche Exposition (fünfte Konzentration) durchgeführt werden. Konzentration und Expositionsdauer der fünften Exposition sollten so gewählt werden, dass diese Lücke geschlossen wird.

9. Die Konzentrations-Zeit-Wirkungsbeziehung wird durch statistische Analyse unter Einbeziehung aller Expositionen (einschließlich der Exposition I) berechnet (16). Soweit möglich, sollten für jedes c-×-t-Intervall die zeitgewichtete Durchschnittskonzentration und die Expositionsdauer bis zum Tod (falls der Tod während der Exposition eintritt) verwendet werden.

Abbildung 1
Hypothetische Darstellung einer Konzentrations-Zeit-Mortalitäts-Beziehung bei Ratten image
Offene Symbole = überlebende Tiere; geschlossene Symbole = tote Tiere
Dreiecke = Weibchen; Kreise = Männchen
Durchgezogene Linie = LC50-Werte (Bereich 7,5-240 min) für männliche Tiere mit n = 1
Gestrichelte Linie = LC50-Werte (Bereich 7,5-240 min) für weibliche Tiere mit n = 1
Gestrichelt-gepunktete Linien = hypothetische LC50-Werte für männliche und weibliche Tiere, falls n = 2 war (12).
Glossar
Konzentration:
Dauer der Exposition:

10. Beispiel für das schrittweise Verfahren:

Exposition I —    Prüfung bei der Grenzkonzentration (siehe Abbildung 1)

 1 Tier/Geschlecht je Konzentration/Zeitpunkt; 10Tiere insgesamt ( 16 )

 Zielkonzentration ( 17 ) = Grenzkonzentration

 Exposition von fünf Gruppen von Tieren bei dieser Zielkonzentration für eine Dauer von 15, 30, 60, 120 bzw. 240 Minuten

Exposition II ( 18 )    Hauptstudie

 1 Tier/Geschlecht je Konzentration/Zeitpunkt; 10 Tiere insgesamt

 Exposition von fünf Gruppen von Tieren bei niedrigerer Konzentration ( 19 ) (1/2L) mit etwas längerer Expositionsdauer (Abstand Faktor √2; siehe Abbildung 1).

Exposition III —    Hauptstudie

 1 Tier/Geschlecht je Konzentration/Zeitpunkt; 10 Tiere insgesamt

 Exposition von fünf Gruppen von Tieren bei niedrigerer Konzentration (19)  (1/4L) mit etwas längerer Expositionsdauer (Abstand Faktor √2; siehe Abbildung 1).

Exposition IV‘ —    Hauptstudie

 1 Tier/Geschlecht je Konzentration/Zeitpunkt; 10 Tiere insgesamt

 Exposition von fünf Gruppen von Tieren bei niedrigerer Konzentration (19)  (1/8L) mit etwas längerer Expositionsdauer (Abstand Faktor √2; siehe Abbildung 1).

↓ oder

Exposition IV —    Hauptstudie

 1 Tier/Geschlecht je Konzentration/Zeitpunkt; 10 Tiere insgesamt

 Exposition von fünf Gruppen von Tieren bei höherer Konzentration ( 20 ) (2L) mit etwas kürzerer Expositionsdauer (Abstand Faktor √2; siehe Abbildung 1).

Mathematische Aufbereitung der Ergebnisse für das c-×-t-Protokoll

11. Ein c-×-t-Verfahren mit 4 oder 5 Expositionskonzentrationen und fünf Expositionszeiträumen ergibt 20 bzw. 25 Datenpunkte. Anhand dieser Datenpunkte kann die c-×-t-Beziehung durch statistische Analyse berechnet werden (16):

Gleichung 1

image

dabei ist: C = Konzentration; t = Expositionsdauer oder

Gleichung 2

image

dabei ist:

image

Mit der Gleichung 1 kann der LC50-Wert für einen bestimmten Zeitraum (z. B. 4 Stunden, 1 Stunde, 30 Minuten oder jeden Zeitraum innerhalb des geprüften Zeitbereichs) unter Verwendung von P = 5 (50 % Response) berechnet werden. Die Habersche Regel gilt nur, wenn n = 1. Der LC01-Wert kann unter Verwendung von P = 2,67 berechnet werden.

▼B

B.3.   AKUTE TOXIZITÄT (DERMAL)

1.   METHODE

1.1.   EINLEITUNG

Siehe allgemeine Einleitung zu Teil B (Punkt A).

1.2.   DEFINITIONEN

Siehe allgemeine Einleitung zu Teil B (Punkt B).

1.3.   BEZUGSSUBSTANZEN

Keine.

1.4.   PRINZIP DER METHODE

Die Prüfsubstanz wird in abgestuften Dosierungen mehreren Versuchstiergruppen auf die Haut aufgetragen, und zwar eine Dosierung je Gruppe. Anschließend werden die beobachteten Vergiftungserscheinungen und Todesfälle registriert. Tiere, die während des Versuchs sterben, sowie die bei Versuchsende überlebenden Tiere werden seziert.

Tiere mit starken und anhaltenden Anzeichen von Leiden und Schmerzen können vorzeitig getötet werden; Substanzen, von denen bekannt ist, dass sie auf diesem Wege aufgrund ihrer ätzenden oder reizenden Wirkungen ausgeprägte Schmerzen und Leiden verursachen, brauchen nicht geprüft zu werden.

1.5.   QUALITÄTSKRITERIEN

Keine.

1.6.   BESCHREIBUNG DER METHODE

1.6.1.   Vorbereitung

Vor der Untersuchung werden die Tiere für einen Zeitraum von mindestens 5 Tagen unter experimentellen Haltungs- und Fütterungsbedingungen in geeigneten Käfigen eingewöhnt. Vor Versuchsbeginn werden gesunde, junge erwachsene Tiere randomisiert und den einzelnen Behandlungsgruppen zugeordnet. Etwa 24 Stunden vor Versuchsbeginn wird das Fell der Versuchstiere auf dem Rücken durch Scheren oder Rasieren entfernt. Beim Scheren oder Abrasieren des Fells ist darauf zu achten, dass die Haut nicht verletzt wird, da dies zu einer Veränderung der Durchlässigkeit führen könnte. Mindestens 10 % der Körperoberfläche wird für die Applikation der Prüfsubstanz vorbereitet. Werden feste Stoffe verwendet, die gegebenenfalls pulverisiert werden können, sollte die Prüfsubstanz ausreichend mit Wasser oder ggf. einem geeigneten Vehikel angefeuchtet werden, um einen guten Kontakt mit der Haut sicherzustellen. Bei der Verwendung eines Vehikels ist dessen Einfluss auf das Eindringen der Prüfsubstanz in die Haut zu berücksichtigen. Flüssige Prüfsubstanzen werden im Allgemeinen unverdünnt angewendet.

1.6.2.   Prüfbedingungen

1.6.2.1.   Versuchstiere

Es können erwachsene Ratten oder Kaninchen verwendet werden. Auch andere Tierarten können verwendet werden, jedoch muss ihre Verwendung begründet werden. Es sollen bekannte Versuchstierstämme verwendet werden. Für jedes Geschlecht sollte die Schwankung des Körpergewichts der Tiere des jeweiligen Versuchs bei Versuchsbeginn nicht mehr als ± 20 % vom entsprechenden Mittelwert betragen.

1.6.2.2.   Anzahl und Geschlecht

Mindestens 5 Tiere sind für jede Konzentration zu verwenden. Sie sollten alle vom gleichen Geschlecht sein. Wenn weibliche Tiere benutzt werden, dürfen diese weder geworfen haben noch trächtig sein. Wenn es Hinweise darauf gibt, dass ein Geschlecht deutlich empfindlicher reagiert, sollten Tiere dieses Geschlechts verwendet werden.

Anmerkung: Bei Prüfungen der akuten Toxizität an Tieren, die einer höheren Ordnung angehören als Nagetiere, sollte die Verwendung einer geringeren Anzahl an Tieren in Betracht gezogen werden. Die Dosierungen sollten sorgfältig ausgewählt und großer Wert darauf gelegt werden, mäßig toxische Dosierungen nicht zu überschreiten. Bei solchen Versuchen sollte die Verabreichung der Prüfsubstanz in letalen Dosen vermieden werden.

1.6.2.3.   Dosierungen

Die Dosisgruppen (mindestens 3) sollten ausreichen, um nach entsprechenden Abstufungen Versuchsgruppen mit unterschiedlichen toxischen Wirkungen und Mortalitätsraten zu erhalten. Bei der Festlegung der Dosierungen sollte eine mögliche reizende oder ätzende Wirkung berücksichtigt werden. Die erhaltenen Daten sollten ausreichen, um eine Dosis-Wirkungs-Kurve aufzuzeigen und — soweit möglich — eine annehmbare Bestimmung der LD50 erlauben.

1.6.2.4.   Limit-Test

Es kann ein Limit-Test mit einer einzigen Dosierung von mindestens 2 000 mg/kg Körpergewicht an einer Gruppe von 5 männlichen und 5 weiblichen Tieren unter Verwendung der oben beschriebenen Verfahren durchgeführt werden. Wenn substanzbedingte Todesfälle festgestellt werden, sollte ein vollständiger Test erwogen werden.

1.6.2.5.   Beobachtungszeitraum

Der Beobachtungszeitraum sollte mindestens 14 Tage betragen. Die Dauer der Beobachtung soll jedoch nicht starr festgelegt werden. Sie soll von der Art des Vergiftungsbildes, dem zeitlichen Auftreten der Symptome und der Dauer der Erholungsphase abhängig gemacht werden. Die Beobachtungszeit ist zu verlängern, falls es sich als notwendig erweist. Der Zeitpunkt, zu dem Vergiftungserscheinungen auftreten und wieder abklingen, ihre Dauer sowie der Zeitpunkt des Todes sind von Bedeutung, vor allem dann, wenn Anzeichen für eine verzögerte Mortalität erkennbar sind.

1.6.3.   Versuchsdurchführung

Die Tiere sollen einzeln in Käfigen gehalten werden. Die Prüfsubstanz ist einheitlich auf einen Bereich aufzutragen, der etwa 10 % der Körperoberfläche entspricht. Bei hochtoxischen Substanzen kann die behandelte Oberfläche kleiner sein; es sollte jedoch ein möglichst großer Bereich mit einer möglichst dünnen und einheitlichen Schicht behandelt werden.

Die Prüfsubstanz muss während einer Expositionszeit von 24 Stunden mittels eines porösen Mullverbandes und eines nicht reizenden Pflasters Kontakt mit der Haut haben. Die Versuchsfläche ist außerdem auf geeignete Art abzudecken, um den Mullverband und die Prüfsubstanz zu fixieren und sicherzustellen, dass die Tiere die Prüfsubstanz nicht oral aufnehmen können. Es können auch Mittel zur Einschränkung der Bewegungsfreiheit angewendet werden, damit die Tiere die Prüfsubstanz nicht oral aufnehmen können; eine vollständige Immobilisierung ist jedoch nicht zu empfehlen.

Nach Ablauf der Expositionszeit werden die Reste der Prüfsubstanz entfernt, soweit möglich unter Verwendung von Wasser oder mit einem anderen geeigneten Hautreinigungsverfahren.

Die Beobachtungen sind systematisch aufzuzeichnen. Für jedes Tier sind individuelle Aufzeichnungen anzufertigen. Am ersten Tag sind die Tiere häufig zu beobachten. Mindestens einmal pro Werktag sollte eine sorgfältige klinische Untersuchung erfolgen. Andere tägliche Beobachtungen und entsprechende Vorkehrungen sollen dem Ziel dienen, den Verlust an Tieren für die Studie weitestgehend einzuschränken, z. B. durch Autopsie oder Kühlung tot aufgefundener Tiere und durch Isolierung oder Tötung schwacher oder sterbender Tiere.

Die Beobachtungen beinhalten Veränderungen von Fell, behandelter Haut, Augen, Schleimhäuten, Atmung und Kreislauf, autonomem und zentralem Nervensystem sowie an der Somatomotorik und am Verhaltensmuster. Besonderes Augenmerk ist auf Tremor, Konvulsionen, Salivation, Diarrhö, Lethargie, Schlaf und Koma zu richten. Der Zeitpunkt des Todes ist so genau wie möglich festzuhalten. Die während des Versuchs gestorbenen und die bis zum Abschluss des Versuchs überlebenden Tiere werden seziert. Alle pathologischen Veränderungen sind zu protokollieren. Falls erforderlich, sollten Gewebe für eine histopathologische Untersuchung entnommen werden.

Bewertung der Toxizität beim jeweils anderen Geschlecht

Nach Beendigung des Versuchs mit Tieren eines bestimmten Geschlechts wird die Prüfsubstanz mindestens einer Gruppe von 5 Tieren des jeweils anderen Geschlechts verabreicht, um festzustellen, ob Tiere dieses Geschlechts nicht deutlich empfindlicher auf die Substanz reagieren. Unter bestimmten Bedingungen kann die Verwendung einer geringeren Anzahl von Tieren gerechtfertigt sein. Wenn ausreichend Hinweise dafür vorliegen, dass die Tiere des geprüften Geschlechts deutlich empfindlicher reagieren, kann auf eine Prüfung der Tiere des jeweils anderen Geschlechts verzichtet werden.

2.   DATEN

Die Daten sind in tabellarischer Form zusammenzufassen. Daraus müssen für jede Versuchsgruppe die Zahl der Tiere zu Beginn des Versuchs, der Zeitpunkt des Todes der einzelnen Tiere, die Zahl der Tiere mit weiteren Anzeichen der Giftwirkung, die Beschreibung der toxischen Wirkungen und die Sektionsbefunde hervorgehen. Die Bestimmung des Gewichts der einzelnen Tiere erfolgt unmittelbar vor Verabreichung der Prüfsubstanz, danach in wöchentlichen Abständen und zum Zeitpunkt des Todes. Gewichtsveränderungen sind zu bestimmen und aufzuzeichnen, sofern die Tiere länger als einen Tag überleben. Tiere, die aufgrund substanzbedingter Leiden und Schmerzen vorzeitig getötet werden, werden als substanzbedingte Todesfälle registriert. Die LD50 ist mit einer anerkannten Methode zu berechnen.

Die Auswertung sollte auch — soweit vorhanden — die Beziehung zwischen Verabreichungsdosis sowie Auftreten und Schweregrad aller Abnormitäten einschließlich Verhaltensänderungen, klinischer Symptome, schwerer Schäden, Körpergewichtsveränderungen, Mortalität und sonstiger toxikologischer Wirkungen umfassen.

3.   ABSCHLUSSBERICHT

3.1.   PRÜFBERICHT

Im Prüfbericht ist, wenn möglich, Folgendes anzugeben:

 Tierart, Stamm, Herkunft, Haltungsbedingungen, Futter, usw.;

 Versuchsbedingungen (einschließlich des Hautreinigungsverfahrens und der Art des Verbandes: okklusiv oder semi-okklusiv);

 Dosierungen (ggf. mit Vehikel, falls verwendet, und Konzentrationen);

 Geschlecht der behandelten Tiere;

 Auflistung der Daten nach Geschlecht und Dosierung (Zahl der während des Versuchs gestorbenen oder getöteten Tiere, Zahl der Tiere mit Vergiftungserscheinungen, Zahl der exponierten Tiere);

 Zeitpunkt des Todes nach Auftragen der Prüfsubstanz, Gründe und Kriterien für das vorzeitige Töten der Tiere;

 sämtliche Beobachtungen;

 LD50-Wert für das Geschlecht, das einem vollständigen Versuch unterzogen wurde, Bestimmung nach 14 Tagen (unter Angabe der Berechnungsmethode);

 95 %-Vertrauensbereich für die LD50 (soweit möglich);

 Dosis/Mortalitätskurve und Slope-Faktor (falls durch die Bestimmungsmethode möglich);

 Sektionsbefunde;

 ggf. histopathologische Befunde;

 ggf. Ergebnisse aus Versuchen mit Tieren des jeweils anderen Geschlechts;

 Diskussion der Ergebnisse (besondere Beachtung sollte dem Einfluss geschenkt werden, der das vorzeitige Töten von Tieren während des Versuchs auf den errechneten LD50-Wert haben kann);

 Interpretation der Ergebnisse.

3.2.   BEWERTUNG UND INTERPRETATION

Siehe allgemeine Einleitung zu Teil B (Punkt D).

4.   LITERATUR

Siehe allgemeine Einleitung zu Teil B (Punkt E).

B.4.   AKUTE TOXIZITÄT: HAUTREIZUNG/-VERÄTZUNG

1.   METHODE

Diese Prüfmethode entspricht der OECD TG 404 (2002).

1.1.   EINLEITUNG

Bei der Erarbeitung dieser aktualisierten Methode wurde besonderes Augenmerk auf mögliche Verbesserungen im Hinblick auf Belange des Tierschutzes und auf die Auswertung aller bereits vorhandenen Angaben über den Stoff gelegt, um unnötige Prüfungen an Labortieren zu vermeiden. Die vorliegende Methode beinhaltet die Empfehlung, vor der Durchführung des beschriebenen In-vivo-Tests zur Ermittlung des Verätzungs-/Reizungspotenzials des Stoffs eine kritische Analyse der vorhandenen einschlägigen Daten vorzunehmen. Sofern dazu nicht genügend Daten zur Verfügung stehen, können diese mit Hilfe sequenzieller Tests erzeugt werden (1). Die empfohlene Prüfstrategie enthält die Durchführung validierter und anerkannter In-vitro-Tests und wird in der Anlage zu dieser Methode ausführlich dargestellt. Zudem wird empfohlen, beim In-vivo-Vorversuch nach Möglichkeit die drei Mullläppchen, mit denen die Prüfsubstanz aufgetragen wird, nacheinander und nicht gleichzeitig am Körper des Tieres zu fixieren.

Im Interesse wissenschaftlicher Verlässlichkeit und des Tierschutzes sollen In-vivo-Tests erst dann durchgeführt werden, wenn alle für das Hautverätzungs-/-reizungspotenzial des Stoffs zur Verfügung stehenden einschlägigen Daten im Rahmen einer kritischen Analyse ausgewertet worden sind. Zu diesen Daten gehören unter anderem Erkenntnisse aus bereits durchgeführten Untersuchungen am Menschen und/oder an Labortieren; Hinweise auf Verätzungen/Reizungen durch strukturell verwandte Substanzen bzw. Gemische aus diesen Substanzen; Daten, die eine starke Azidität oder Alkalinität der Substanz belegen (2) (3), und die Ergebnisse validierter und anerkannter In-vitro- und Ex-vivo-Tests (4) (5) (5a). Diese Analyse soll dazu führen, dass weniger In-vivo-Untersuchungen zum Hautverätzungs-/-reizungspotenzial von Stoffen durchgeführt werden, wenn bereits andere Studien zu diesen beiden Endpunkten ausreichende Belege geliefert haben.

In der Anlage zu dieser Methode wird eine bevorzugte sequenzielle Prüfstrategie vorgestellt, welche die Durchführung validierter und anerkannter In-vitro- und Ex-vivo-Tests auf Verätzungs-/Reizungswirkungen einbezieht. Diese Strategie wurde während eines OECD-Workshops (6) entwickelt und von den Teilnehmern einmütig empfohlen. Sie wurde als empfohlene Prüfstrategie für das Globale Harmonisierte System der Einstufung und Kennzeichnung Chemischer Stoffe (Globally Harmonised System for the Classification of Chemical Substances = GHS) (7) angenommen. Es wird empfohlen, dass diese Prüfstrategie vor einem In-vivo-Test durchgeführt wird. Bei neuen Substanzen wird sie als stufenweiser Prüfansatz empfohlen, mit dessen Hilfe verlässliche wissenschaftliche Daten über die durch die Prüfsubstanz hervorgerufene Verätzung/Reizung erzielt werden können. Bei bereits bekannten Stoffen, für die nicht genügend Daten zum Hautverätzungs-/-reizungspotenzial vorliegen, soll die Strategie genutzt werden, um Datenlücken zu schließen. Der Einsatz einer anderen Prüfstrategie bzw. eines anderen Prüfverfahrens oder die Entscheidung gegen einen stufenweisen Prüfansatz soll gerechtfertigt werden.

Falls das Verätzungs-/Reizungspotenzial anhand einer gewichteten Analyse nicht ermittelt werden kann, die den Anforderungen der sequentiellen Prüfstrategie gerecht wird, soll ein In-vivo-Test ins Auge gefasst werden (siehe Anlage).

1.2.   DEFINITIONEN

Hautreizung: Das Auslösen einer reversiblen Hautschädigung nach Applikation einer Prüfsubstanz für die Dauer von bis zu 4 Stunden.

Hautverätzung: Das Auslösen einer irreversiblen Hautschädigung, d. h. einer sichtbaren, bis in das Corium reichenden Nekrose der Epidermis nach Applikation einer Prüfsubstanz für die Dauer von bis zu 4 Stunden. Verätzungsreaktionen sind gekennzeichnet durch Geschwüre, Blutungen, blutige Verschorfungen und am Ende des Beobachtungszeitraums von 14 Tagen durch eine auf ein Ausbleichen der Haut zurückzuführende Verfärbung, komplett haarlose Bereiche und Narben. Bei unklaren Schädigungen sollen histopathologische Untersuchungen in Erwägung gezogen werden.

1.3.   PRINZIP DER PRÜFMETHODE

Die Prüfsubstanz wird in einer einmaligen Dosierung auf die Haut eines Versuchstiers aufgetragen; nicht behandelte Hautareale dienen als Kontrolle. Der Grad der Reizung/Verätzung wird in zuvor festgelegten Zeitabständen bestimmt und bewertet und anschließend beschrieben, um eine umfassende Beurteilung der Wirkung vornehmen zu können. Die Beobachtungsdauer soll ausreichend sein, um die Reversibilität bzw. Irreversibilität der Wirkungen vollständig zu erfassen,

Tiere mit starken und anhaltenden Anzeichen von Leiden und/oder Schmerzen können jederzeit wahrend des Versuchs human getötet werden, wobei die Substanz entsprechend einzustufen ist. Kriterien für die humane Tötung moribunder Tiere mit starken Anzeichen von Leiden sind dem Literaturhinweis (8) zu entnehmen.

1.4.   BESCHREIBUNG DER PRÜFMETHODE

1.4.1.   Vorbereitung des In-vivo-Tests

1.4.1.1.   Auswahl der Tierspezies

Das bevorzugte Labortier ist das Albino-Kaninchen, wobei für den Test gesunde junge erwachsene Kaninchen verwendet werden. Die Verwendung anderer Spezies ist zu begründen.

1.4.1.2.   Vorbereitung der Versuchstiere

Etwa 24 Stunden vor dem Versuch wird das Fell auf dem Rücken der Versuchstiere gründlich geschoren. Dabei ist darauf zu achten, dass die Haut nicht verletzt wird. Es sind nur Tiere mit einer gesunden, unverletzten Haut zu verwenden.

Einige Kaninchenrassen haben Stellen mit dichtem Fellbewuchs, die zu bestimmten Zeiten im Jahr deutlicher hervortreten. An diesen Stellen soll keine Prüfung durchgeführt werden.

1.4.1.3.   Haltungs- und Fütterungsbedingungen

Die Tiere sollen einzeln gehalten werden. Die Temperatur im Versuchstierraum soll für Kaninchen 20 oC (± 3 oC) betragen. Obwohl die relative Luftfeuchtigkeit mindestens 30 % betragen und zu anderen Zeiten als wahrend der Reinigung vorzugsweise nicht über 70 % liegen sollte, ist ein Wert von 50-60 % anzustreben. Der Raum soll künstlich beleuchtet sein, wobei die Beleuchtung im 12-Stunden-Rhythmus ein- und ausgeschaltet werden soll. An die Versuchstiere kann herkömmliches Laborfutter verfüttert werden, wobei eine unbegrenzte Trinkwasserversorgung zu gewährleisten ist.

1.4.2.   Prüfverfahren

1.4.2.1.   Applikation der Prüfsubstanz

Die Prüfsubstanz soll auf eine kleine Hautfläche (etwa 6 cm2) aufgetragen und mit einem Mullläppchen abgedeckt werden, das mit einem nicht reizenden Pflaster fixiert wird. Sofern eine direkte Applikation nicht möglich ist (z. B. bei Flüssigkeiten oder bestimmten Pasten), soll die Prüfsubstanz zunächst auf das Mullläppchen gegeben werden, das anschließend auf der Haut fixiert wird. Für die Dauer der Exposition soll das Läppchen mit einem geeigneten Okklusiv- oder Semi-Okklusiv-Verband lose auf der Haut gehalten werden. Wird die Prüfsubstanz auf ein Läppchen aufgebracht, so ist dieses so auf der Haut zu fixieren, dass ein guter Hautkontakt und die gleichmäßige Verteilung der Substanz auf der Haut gewährleistet sind. Es ist zu vermeiden, dass das Tier an das Mullläppchen gelangt und die Prüfsubstanz oral aufnehmen bzw. inhalieren kann.

Flüssige Prüfsubstanzen werden im Allgemeinen unverdünnt angewendet. Wird der Versuch mit Feststoffen durchgeführt (die im Bedarfsfall pulverisiert werden können), dann soll die Prüfsubstanz mit gerade so viel Wasser (bzw. gegebenenfalls mit einem anderen geeigneten Vehikel) angefeuchtet werden, dass ein guter Kontakt mit der Haut sichergestellt ist. Bei Verwendung eines anderen Vehikels als Wasser soll dessen möglicher Einfluss auf eine Reizung der Haut minimal sein.

Nach Ablauf der Expositionszeit, die in der Regel 4 Stunden beträgt, wird die restliche Prüfsubstanz möglichst mit Wasser oder einem geeigneten Lösungsmittel entfernt, ohne dass die bestehende Reaktion oder die Integrität der Epidermis beeinträchtigt wird.

1.4.2.2.   Dosierungen

Im Falle von Flüssigkeiten werden 0,5 ml und im Falle von Feststoffen oder Pasten 0,5 g auf die vorbereitete Hautstelle aufgetragen.

1.4.2.3.   Vorversuch (In-vivo-Test auf Hautreizung/-verätzung an einem Tier)

Es empfiehlt sich dringend, den In-vivo-Test zunächst nur an einem Tier durchzuführen. Dies gilt insbesondere, wenn der Verdacht besteht, dass der Stoff ein Verätzungspotenzial hat. Damit wird den Anforderungen der sequenziellen Prüfstrategie entsprochen (siehe Anlage 1).

Sofern ein Stoff anhand einer kritischen Analyse vorhandener Daten als ätzend eingestuft wurde, brauchen keine weiteren Tierversuche durchgeführt zu werden. Bei den meisten Stoffen mit einer vermuteten Ätzungswirkung erübrigen sich in der Regel In-vivo-Tests. Allerdings können in den Fällen, in denen angesichts einer unzureichenden Datenlage die Ermittlung zusätzlicher Daten gerechtfertigt scheint, in begrenztem Umfang Tierversuche durchgeführt werden, wobei folgendermaßen vorzugehen ist: Bis zu drei Läppchen werden nacheinander appliziert. Das erste Läppchen wird nach drei Minuten entfernt. Wird keine schwere Hautreaktion festgestellt, erfolgt die Applikation eines zweiten Läppchens, das nach einer Stunde entfernt wird. Lassen die Beobachtungen zu diesem Zeitpunkt den Schluss zu, dass eine Exposition für die Dauer von vier Stunden ethisch verantwortbar ist, wird ein drittes Läppchen appliziert und nach vier Stunden entfernt. Anschließend wird die Reaktion bewertet.

Der Versuch wird sofort abgebrochen, falls nach einer der drei sequenziellen Expositionen eine ätzende Wirkung beobachtet wird. Ist nach der Entfernung des letzten Läppchens keine Verätzung feststellbar, wird das Tier 14 Tage lang beobachtet, sofern nicht vor Ablauf dieser Zeit Verätzungen auftreten.

Geht man davon aus, dass die Prüfsubstanz zwar keine ätzende Wirkung hat, aber Hautreizungen hervorrufen kann, sollte nur ein Tier verwendet werden, dem ein einziges Läppchen für die Dauer von vier Stunden appliziert wird.

1.4.2.4.   Bestätigungstest (In-vivo-Test auf hautreizende Wirkungen an zusätzlichen Tieren)

Wird im Vorversuch keine ätzende Wirkung beobachtet, dann soll die Reizungsreaktion bzw. die negative Reaktion an bis zu zwei weiteren Tieren mit jeweils einem Läppchen bei einer Expositionsdauer von vier Stunden bestätigt werden. Ergibt der Vorversuch eine Reizungswirkung, kann der Bestätigungstest als sequenzieller Versuch bzw. durch gleichzeitige Exposition von zwei weiteren Tieren durchgeführt werden. Findet ausnahmsweise kein Vorversuch statt, können zwei bzw. drei Tiere mit einem Läppchen behandelt werden, das nach vier Stunden entfernt wird. Bei Verwendung von zwei Versuchstieren, die beide die gleiche Reaktion zeigen, erübrigen sich weitere Untersuchungen. Andernfalls wird auch das dritte Tier getestet. Unklare Reaktionen könnten möglicherweise bewertet werden, indem Versuche mit weiteren Tieren durchgeführt werden.

1.4.2.5.   Beobachtungszeitraum

Die Beobachtungszeit soll so bemessen sein, dass die Reversibilität der festgestellten Wirkungen vollständig bewertet werden kann. Allerdings sollte der Versuch abgebrochen werden, sobald das Tier starke und anhaltende Anzeichen von Leiden und Schmerzen zeigt. Um feststellen zu können, ob die Wirkungen reversibel sind, sollen die Tiere für die Dauer von bis zu 14 Tagen nach Entfernung der Läppchen beobachtet werden. Bilden sich die Schäden vor Ablauf dieser 14 Tage zurück, soll der Versuch zu dem betreffenden Zeitpunkt beendet werden.

1.4.2.6.   Klinische Beobachtungen und Bewertung von Hautreaktionen

Die Tiere sind auf Anzeichen von Hautrötungen und Ödemen zu untersuchen, wobei die Reaktion 60 Minuten sowie 24, 48 und 72 Stunden nach Entfernen des Läppchens bewertet wird. Beim Vorversuch an einem Tier wird die behandelte Stelle auch unmittelbar nach Entfernen des Läppchens untersucht. Die Hautreaktionen werden bewertet und anhand der Punkteskala in der unten stehenden Tabelle dokumentiert. Im Falle von Hautschädigungen, die nach 72 Stunden weder als Reizung noch als Verätzung eingestuft werden können, ist unter Umständen die Beobachtung bis zum 14. Tag erforderlich, um Aussagen zur Reversibilität der Wirkungen treffen zu können. Neben Hautreizungen sollen alle örtlich begrenzten toxischen Wirkungen (z. B. Entfettung der Haut) und alle negativen systemischen Wirkungen (z. B. klinische Anzeichen für Toxizität und Veränderungen des Körpergewichts) vollständig beschrieben und dokumentiert werden. Unklare Reaktionen sollen gegebenenfalls durch eine histopathologische Untersuchung abgeklärt werden.

Die Bewertung von Hautreaktionen ist zwangsläufig subjektiv. Um die Einstufung von Hautreaktionen stärker zu vereinheitlichen und den Prüflabors und allen an den Versuchen und an der Interpretation der Versuchsergebnisse Beteiligten die Arbeit zu erleichtern, müssen die Prüfer im Umgang mit der Bewertungsskala (siehe unten stehende Tabelle) entsprechend geschult werden. Dabei könnte sich ein Leitfaden mit Abbildungen zur Bewertung von Hautreizungen und anderen Schädigungen als hilfreich erweisen (9).

2.   DATEN

2.1.   ERGEBNISDARSTELLUNG

Die Untersuchungsergebnisse sollen im Abschlussbericht in Tabellenform dargestellt werden und alle in Abschnitt 3.1 genannten Punkte umfassen.

2.2.   ERGEBNISBEWERTUNG

Die Bewertung der Hautreizung soll anhand der Art und des Schweregrads der Schädigung und deren Reversibilität bzw. Irreversibilität vorgenommen werden. Die einzelnen ermittelten Schweregrade stellen keinen allein gültigen Maßstab für die hautreizenden Eigenschaften eines Stoffs dar, denn es werden auch andere Effekte der Prüfsubstanz beurteilt. Vielmehr sollten diese einzelnen Graduierungswerte als Referenzwerte betrachtet werden, die zusammen mit allen anderen Ergebnissen der Studie zu beurteilen sind.

Bei der Bewertung von hautreizenden Reaktionen spielt auch die Reversibilität der Hautschädigung eine Rolle. Bestehen Reaktionen wie (begrenzter) Haarausfall, Hyperkeratose, Hyperplasie und Schuppung bis zum Ende des 14-tägigen Beobachtungszeitraums, soll die Prüfsubstanz als hautreizender Stoff betrachtet werden.

3.   BERICHTERSTATTUNG

3.1.   PRÜFBERICHT

Der Prüfbericht muss folgende Angaben enthalten:

Begründung für den In-vivo-Test: Kritische Analyse von Daten aus früheren Versuchen unter Einbeziehung von Ergebnissen aus der sequenziellen Prüfstrategie:

 Beschreibung aller einschlägigen Daten aus früheren Versuchen;

 Daten, die in den einzelnen Stufen der Prüfstrategie erhoben wurden;

 Beschreibung der durchgeführten In-vitro-Tests mit Einzelheiten zu angewandten Verfahren sowie zu den Ergebnissen für Prüf-/Referenzsubstanzen;

 Gewichtungsanalyse als Grundlage für die Durchführung einer In-vivo-Studie.

Prüfsubstanz:

 Angaben zur Identität (z. B. CAS-Nummer, Bezugsquelle, Reinheit, bekannte Verunreinigungen; Chargennummer);

 physikalische Beschaffenheit und physikalisch-chemische Eigenschaften (z. B. pH-Wert, Flüchtigkeit, Löslichkeit, Stabilität);

 bei Gemischen Zusammensetzung und relative Anteile der Bestandteile in Prozent,

Vehikel:

 Angaben zur Identität, (gegebenenfalls) Konzentration; Einsatzvolumen;

 Begründung der Auswahl des Vehikels.

Versuchstiere:

 verwendete Spezies/Rasse, Begründung für den Verzicht auf die Verwendung von Albino-Kaninchen und die Nutzung anderer Tiere;

 Anzahl der Versuchstiere pro Geschlecht;

 Gewicht der einzelnen Tiere bei Versuchsbeginn und -ende;

 Alter der Tiere bei Beginn der Studie;

 Herkunft der Tiere, Haltungsbedingungen, Futter usw.

Prüfbedingungen:

 Methode der Vorbereitung des Hautareals, auf das die Mullläppchen appliziert werden;

 Angaben zu dem für die Läppchen verwendeten Material und zur Abdeckmethode;

 Angaben zur Herstellung, Applikation und Entfernung der Prüfsubstanz,

Ergebnisse:

 tabellarische Erfassung der Bewertung des Schweregrades von Hautreizungs-/-verätzungsreaktionen zu allen Messzeitpunkten für jedes einzelne Versuchstier;

 Beschreibung aller beobachteten Schädigungen;

 ausführliche Beschreibung von Art und Schwere der festgestellten Hautreizung bzw. -verätzung sowie Angaben zu eventuellen histopathologischen Befunden;

 Beschreibung anderer örtlich begrenzter negativer (z, B. Entfettung der Haut) und systemischer Wirkungen neben den Hautreizungen bzw. -verätzungen.

 Diskussion der Ergebnisse

4.   LITERATURHINWEISE

(1) Banatt, M.D., Castell, J.V., Chamberiain, M., Combes, R.D., Dearden, J.C., Fentem, J.H., Genier, I., Giuliani, A., Gray, T.J.B., Livingston, D.J., Provan, W.M., Rutten, F.A.J.J.L., Verhaar, H.J.M., Zbinden, P. (1995) The Integrated Use of Alternative Approaches for Predicting Toxic Hazard. ECVAM Workshop Report 8. ATLA 23, 410-429.

(2) Young, J.R., How, M.J., Walker, A.P., Worth, W.M.H. (1988) Classification as Corrosive or Irritant to Skin of Preparations Containing Acidic or Alkaline Substances Without Testing on Animals. Toxicol. In Vitro, 2, 19 -26.

(3) Worth, A.P., Fentem, J.H., Balls, M., Botham, P.A., Curren, R.D., Earl, L.K., Esdaile, D.J., Liebsch, M. (1998) Evaluation of the proposed OECD Testing Strategy for skin corrosion. ATLA 26, 709-720.

(4) ECETOC (1990) Monographie Nr. 15, „Skin Irritation“ (Hautreizung), Umwelt- und Technologiezentrum der Europäischen Chemischen Industrie, Brüssel.

(5) Fentem, J.H., Archer, G.E.B., Balls, M., Botham, P.A., Curren, R.D., Earl, L.K., Esdaile, D.J., Holzhutter, H.G., und Liebsch, M. (1998) The ECVAM international validation study on in vitro tests for skin corrosivity. 2. Results and evaluation by the Management Team. Toxicology in Vitro 12, S. 483-524.

(5a) Prüfmethode B.40: Hautverätzung.

(6) OECD (1996) OECD Test Guidelines Programme: Final Report of the OECD Workshop on Harmonization of Validation and Acceptance Criteria for Alternative Toxicological Test Methods. Solna, Schweden, 22.-24. Januar 1996 (http://www1.oecd.org/ehs/test/background.htm).

(7) OECD (1998) Harmonized Integrated Hazard Classification System for Human Health and Environmental Effects of Chemical Substances, bestätigt auf der 28. Gemeinsamen Tagung des Chemikalien-Ausschusses und der Arbeitsgruppe Chemikalien, November 1998 (http://www1.oecd.org/ehs/Class/HCL6.htm).

(8) OECD (2000). Guidance Document on the Recognition, Assessment and Use of Clinical Signs as Humane Endpoints for Experimental Animals Used in Safety Evaluation. OECD Environmental Health and Safety Publications. Series on Testing and Assessment No. 19 (http://www1.oecd.org/ehs/test/monos.htm).

(9) EPA (1990). Atlas of Dermal Lesions, (20T-2004). United States Environmental Protection Agency, Office of Pesticides and Toxic Substances, Washington, DC, August 1990.

(auf Anfrage beim OECD-Sekretariat erhältlich).

Tabelle I

BEWERTUNG VON HAUTREAKTIONEN



Bildung von Erythemen und Schorf

Kein Erythem …

0

Sehr leichtes Erythem (kaum wahrnehmbar) …

1

Klar abgegrenztes Erythem …

2

Mäßiges bis ausgeprägtes Erythem

3

Ausgeprägtes Erythem (dunkelrot) bis hin zur Schorfbildung, so dass eine Bewertung nicht möglich ist …

4

Höchstmögliche Punktzahl: 4



Bildung von Ödemen

Kein Ödem

0

Sehr leichtes Ödem (kaum wahrnehmbar) …

1

Leichtes Ödem (Ränder des betroffenen Areals durch deutliche Schwellung klar abgegrenzt) …

2

Mäßiges Ödem (Schwellung etwa 1 mm) …

3

Ausgeprägtes Ödem (Schwellung mehr als 1 mm und über den Expositionsbereich hinaus) …

4

Höchstmögliche Punktzahl: 4

Zur Klärung unklarer Reaktionen kann eine histopathologische Untersuchung erfolgen.

Anlage

Sequenzielle Prüfstrategie für Hautreizungen und -Verätzungen

ALLGEMEINE ÜBERLEGUNGEN

Im Interesse wissenschaftlicher Verlässlichkeit und des Tierschutzes muss die unnötige Verwendung von Versuchstieren verhindert und die Durchführung von Versuchen, die bei den Tieren wahrscheinlich schwere Reaktionen hervorrufen, auf ein Mindestmaß beschränkt werden. Bevor ein In-vivo-Test ins Auge gefasst wird, sollen zunächst alle einschlägigen Informationen über die potenziell hautätzenden/-reizenden Wirkungen eines Stoffs bewertet werden. Möglicherweise liegen bereits genügend Kriterien für die Einstufung einer Prüfsubstanz anhand ihres Hautätzungs-/-reizungspotenzials vor, so dass sich Versuche an Labortieren erübrigen. Folglich schränkt die Durchführung einer kritischen Analyse bereits vorliegender Daten und die Anwendung einer sequenziellen Prüfstrategie die Notwendigkeit von In-vivo-Tests deutlich ein. Dies gilt umso mehr, wenn davon auszugehen ist, dass der Stoff schwere Reaktionen hervorruft.

Zur Beurteilung bereits vorhandener Informationen über die hautreizenden/-ätzenden Wirkungen von Substanzen soll das Instrument der Gewichtungsanalyse herangezogen werden. Ausgehend davon ist zu entscheiden, ob zusätzliche Studien, bei denen es sich nicht um In-vivo-Hautuntersuchungen handelt, als Beitrag zur Charakterisierung dieses Potenzials erfolgen sollen. Sofern weitere Studien durchgeführt werden müssen, empfiehlt es sich, zur Erzeugung der sachdienlichen Versuchsdaten die sequenzielle Prüfstrategie zu nutzen. Bei noch nicht geprüften Stoffen soll die sequenzielle Prüfstrategie herangezogen werden, um die Datensätze zu erzeugen, die für die Beurteilung des hautätzenden/-reizenden Potenzials benötigt werden. Die in dieser Anlage beschriebene Prüfstrategie wurde während eines OECD-Workshops (1) entwickelt. Sie wurde im Rahmen des „Harmonised Integrated Hazard Classification System for Human Health and Environmental Effects of Chemical Substances“ bestätigt und weiter ausgebaut, das im November 1998 von den Teilnehmern der 28. Gemeinsamen Tagung des Chemikalien-Ausschusses und der Arbeitsgruppe Chemikalien gebilligt wurde (2).

Diese sequenzielle Prüfstrategie gehört zwar nicht zu den integralen Bestandteilen von Prüfmethode B.4, sie stellt aber den empfohlenen Ansatz zur Ermittlung von hautreizenden/-ätzenden Merkmalen dar. In diesem Ansatz spiegelt sich zum einen die beste Praxis wider. Zum anderen ist er ein ethischer Richtwert für In-vivo-Tests auf hautreizende/-ätzende Wirkungen. Die Prüfmethode bietet nicht nur eine Anleitung zur Durchführung des In-vivo-Tests, sondern auch eine Übersicht über die Faktoren, die vor der Durchführung eines solchen Versuchs überprüft werden sollen. Die Strategie liefert einen Ansatz für die Bewertung bereits vorhandener Daten über die hautreizenden/-ätzenden Eigenschaften von Prüfsubstanzen und einen stufenweisen Ansatz für die Erzeugung sachdienlicher Daten über Stoffe, die im Rahmen zusätzlicher Studien untersucht werden müssen bzw. noch gar nicht untersucht wurden. Zudem wird empfohlen, in bestimmten Fällen validierte und anerkannte In-vitro- und Ex-vivo-Tests auf hautreizende/-ätzende Wirkungen durchzuführen.

BESCHREIBUNG DER BEWERTUNGS- UND PRÜFSTRATEGIE

Vor der Durchführung von Versuchen im Rahmen der sequenziellen Prüfstrategie (Fließbild) sollen sämtliche vorhandenen Informationen ausgewertet werden, um die Notwendigkeit von In-vivo-Hauttests zu klären. Auch wenn wichtige Informationen aus der Beurteilung einzelner Parameter (z. B. extreme pH-Werte) gewonnen werden können, sollten die bereits vorliegenden Angaben in ihrer Gesamtheit betrachtet werden. Alle relevanten Daten über die Wirkungen des betreffenden Stoffs oder seiner Analoge sollen mit Hilfe einer Gewichtungsanalyse bewertet werden, und diese Entscheidung soll begründet werden. Dabei sollten bereits vorliegende Angaben zur Wirkung der Substanz auf Mensch und Tier im Vordergrund stehen, gefolgt von den Ergebnissen von In-vitro- und Ex-vivo-Tests. In-vivo-Studien mit hautätzenden Substanzen sollten nach Möglichkeit immer vermieden werden. Folgende Faktoren werden in der Prüfstrategie erörtert:

Beurteilung bereits vorliegender Angaben zur Wirkung der Substanz auf Mensch und Tier (Stufe 1). Zunächst sollen bereits vorhandene Informationen über die Wirkung auf den Menschen, z. B. klinische Studien oder Studien zur Exposition am Arbeitsplatz, sowie Fallberichte und/oder Ergebnisse von Tierversuchen, beispielsweise von Untersuchungen zur Toxizität nach einmaliger oder mehrmaliger Hautexposition, bewertet werden, denn sie liefern Hinweise, die unmittelbar die Hautwirkungen betreffen. Bei Stoffen mit bekannter hautätzender/reizender Wirkung und Substanzen, die nachweislich weder Hautreizungen noch -Verätzungen hervorrufen, brauchen keine In-vivo-Studien durchgeführt zu werden.

Analyse der Zusammenhänge zwischen Struktur und Aktivität (SAR) (Stufe 2). Die gegebenenfalls vorhandenen Ergebnisse von Untersuchungen an strukturell verwandten Substanzen sollen berücksichtigt werden. Liegen genügend Daten über das hautätzende/-reizende Potenzial von strukturell verwandten Substanzen oder Gemischen aus diesen Substanzen bei Mensch und/oder Tier vor, kann davon ausgegangen werden, dass die zu beurteilende Prüfsubstanz die gleichen Reaktionen hervorrufen wird. In diesen Fällen braucht die Prüfsubstanz möglicherweise nicht getestet zu werden. Für die Zwecke der sequenziellen Prüfstrategie reichen negative Daten aus Untersuchungen an strukturell verwandten Substanzen oder Gemischen als Nachweis für ein Nichtvorhandensein hautätzender/-reizender Wirkungen nicht aus. Zur Ermittlung des hautätzenden und -reizenden Potenzials sollen validierte und anerkannte SAR-Verfahren herangezogen werden

Physikalisch-chemische Eigenschaften und chemische Reaktivität (Stufe 3). Stoffe mit extremen pH-Werten (≤ 2,0 bzw. ≥ 11,5 ) können starke lokale Reaktionen induzieren. Gilt ein extremer pH-Wert als Anhaltspunkt für die ätzende Wirkung eines Stoffs, so kann dessen Potenzial zur Veränderung der Azidität/Alkalinität (bzw. das Pufferungsvermögen) ebenfalls berücksichtigt werden (3) (4), Lässt das Pufferungsvermögen darauf schließen, dass eine Substanz möglicherweise keine hautätzende Wirkung hat, sollen weitere Prüfungen zur Bestätigung dieser Vermutung durchgeführt worden. Dafür sollten wenn möglich validierte und anerkannte In-vitro- oder Ex-vivo-Tests genutzt werden (siehe Stufen 5 und 6).

Dermale Toxizität (Stufe 4). Hat sich ein chemischer Stoff als sehr giftig bei Hautkontakt erwiesen, ist eine In-vivo-Studie zur Hautreizung/-Verätzung unter Umständen nicht angezeigt, weil bei Applikation der Prüfsubstanz in der üblichen Menge die sehr toxische Dosis überschritten wird, was letztlich dazu führt, dass die Tiere sterben oder ihnen schwere Leiden zugefügt werden. Wenn darüber hinaus bereits Studien zur dermalen Toxizität mit Dosierungen von bis zu 2 000 mg/kg Körpergewicht oder darüber an Albino-Kaninchen durchgeführt wurden, ohne dass Hautreizungen oder -Verätzungen feststellbar waren, sind zusätzliche Prüfungen auf hautreizende/-ätzende Wirkungen möglicherweise nicht vonnöten. In die Bewertung der akuten dermalen Toxizität anhand der Ergebnisse früherer Studien sollen mehrere Überlegungen einbezogen werden, So können die Angaben über Hautschädigungen unvollständig sein. Die Prüfungen und Beobachtungen können an anderen Tierarten erfolgt sein, und die Reaktionen der verschiedenen Arten weisen eventuell große Unterschiede auf. Überdies war die applizierte Prüfsubstanz für eine Bewertung der Hautreizung/-verätzung unter Umständen nicht geeignet (z. B. Verdünnung der Substanzen zur Untersuchung der dermalen Toxizität) (5). Wurden jedoch sorgfältig geplante Studien zur dermalen Toxizität an Kaninchen durchgeführt, die negative Ergebnisse erbrachten, reicht dies gegebenenfalls als Nachweis für das Nichtvorhandensein eines hautreizenden/-ätzenden Potenzials aus.

Ergebnisse von In-vitro- und Ex-vivo-Tests (Stufen 5 und 6). Substanzen, deren ätzende oder schwer hautreizende Eigenschaften in validierten und anerkannten, auf die Ermittlung dieser bestimmten Wirkungen ausgerichteten In-vitro- oder Ex-vivo-Tests (6) (7) nachgewiesen wurden, brauchen nicht an Tieren geprüft zu werden. Man kann davon ausgehen, dass diese Substanzen in vivo vergleichbare schwere Wirkungen hervorrufen.

In-vivo-Tests an Kaninchen (Stufen 7 und 8). Beruht die Entscheidung, einen In-vivo-Test durchzuführen, auf einer Gewichtungsanalyse, sollte zunächst ein Vorversuch an nur einem Tier stattfinden. Es sollen keine weiteren Tests erfolgen, wenn der Vorversuch ergibt, dass die Substanz ätzend auf die Haut wirkt. Liefen der Vorversuch keine Anhaltspunkte für eine ätzende Wirkung, soll die reizende oder negative Reaktion durch Tests an bis zu zwei weiteren Tieren bei einer Expositionsdauer von vier Stunden bestätigt werden. Wenn im Vorversuch eine hautreizende Wirkung beobachtet wird, kann der Bestätigungstest entweder sequenziell oder durch gleichzeitige Exposition von zwei weiteren Tieren erfolgen.

LITERATURHINWEISE

(1) OECD (1996). Test Guidelines Programme: Final Report on the OECD Workshop on Harmonization of Validation and Acceptance Criteria for Alternative Toxicological Test Methods. Solna, Schweden, 22.-24. Januar 1996 (http://www1.oecd.org/ehs/tests/background.htm).

(2) OECD (1998). Harmonized Integrated Hazard Classification System for Human Health and Environmental Effects of Chemical Substances, bestätigt auf der 28. Gemeinsamen Tagung des Chemikalien-Ausschusses und der Arbeitsgruppe Chemikalien, November 1998 (http://www1.oecd.org/ehs/Class/HCLfi.htm).

(3) Worth, A.P., Fentem, J.H., Balls, M., Botham, P.A., Curren, R.D., Earl, L.K., Esdaile, D.J., Liebsch, M. (1998). An Evaluation of the Proposed OECD Testing Strategy for Skin Corrosion. ATLA 26, 709-720.

(4) Young, J.R., How, M.I., Walker, A.P., Worth, W.M.H. (1988). Classification as Corrosive or Irritant to Skin of Preparations Containing Acidic or Alkaline Substances, Without Testing on Animals. Toxic In Vitro, 2 (1) 19-26.

(5) Patil, S.M., Patrick, E., Maibach, H.I. (1996) Animal, Human, and In Vitro Test Methods for Predicting Skin Irritation, in: Francis N. Marzulli und Howard I. Maibach (Herausgeber): Dermatotoxicology. 5. Auflage, ISBN 1-56032-356-6, Kapitel 31, 411-436.

(6) Prüfmethode B.40.

(7) Fentem, J.H., Archer, G.E.B., Balls, M., Botham, P.A., Curren, R.D., Earl, L.K., Esdaile, D.J., Holzhutter, H.G., und Liebsch, M. (1998) The ECVAM international validation study on in vitro tests for skin corrosivity. 2. Results and evaluation by the Management Team. Toxicology in Vitro 12, 483-524.

Fliessbild

PRÜF- UND BEWERTUNGSSTRATEGIE: HAUTREIZUNG/-VERÄTZUNG

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B.5.    AKUTE AUGENREIZUNG/-VERÄTZUNG

EINLEITUNG

Diese Prüfmethode entspricht der OECD-Prüfrichtlinie 405 (2012). Die OECD-Prüfrichtlinien für die Prüfung von Chemikalien werden regelmäßig überprüft, um sicherzustellen, dass sie den besten verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnissen entsprechen. Bei vorangegangenen Überprüfungen dieser Prüfrichtlinien wurde ein besonderes Augenmerk auf mögliche Verbesserungen durch die Auswertung aller vorhandenen Informationen über die Prüfchemikalie gelegt, um unnötige Versuche an Labortieren zu vermeiden und somit auch Belange des Tierschutzes zu berücksichtigen. Die (1981 verabschiedete und 1987, 2002 und 2012 aktualisierte) Prüfrichtlinie 405 beinhaltet die Empfehlung, vor der Durchführung des beschriebenen In-vivo-Tests zur Ermittlung der akuten Reiz-/Ätzwirkung des Stoffs auf die Augen eine evidenzbasierte kritische Analyse (Weight-of-Evidence analysis, WoE-Analyse) (1) der bereits vorhandenen einschlägigen Daten vorzunehmen. Sofern nicht genügend Daten zur Verfügung stehen, können diese mit Hilfe sequenzieller Tests generiert werden (2) (3). Die Prüfstrategie, die ergänzend zu dieser Prüfmethode empfohlen wird, sieht die Durchführung validierter und anerkannter In-vitro-Tests vor. Für die Zwecke der Verordnung EG (Nr.) 1907/2006 zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH) ( 21 ) wird außerdem eine integrierte Prüfstrategie in die entsprechende ECHA-Leitlinie (21) aufgenommen. Tierversuche sollten nur dann durchgeführt werden, wenn deren Notwendigkeit nach Abwägen verfügbarer alternativer Methoden festgestellt und die Anwendung der so ermittelten Methoden für angemessen befunden wurde. Zum Zeitpunkt der Ausarbeitung dieser aktualisierten Prüfmethode gibt es nach wie vor Fälle, in denen die Anwendung dieser Prüfmethode noch immer notwendig oder gesetzlich vorgeschrieben ist.

Bei der letzten Aktualisierung lag Der Schwerpunkt in erster Linie auf der Verwendung von Analgetika und Anästhetika; das grundlegende Konzept und der Aufbau der Prüfrichtlinien blieben unberührt. ICCVAM ( 22 ) und eine unabhängige internationale wissenschaftliche Peer-Review-Gruppe überprüften den Nutzen und die Grenzen einer routinemäßigen Verwendung topischer Anästhetika, systemischer Analgetika und humaner Endpunkte bei In-vivo-Sicherheitstests zur Ermittlung von Augenreizungen (12). Die Überprüfung ergab, dass durch die Verwendung topischer Anästhetika und systemischer Analgetika Schmerzen und Leiden ganz oder zu einem Großteil vermieden werden könnten, ohne die Testergebnisse zu beeinträchtigen, und es wurde ein genereller Einsatz dieser Stoffe empfohlen. Bei der vorliegenden Prüfmethode wurde diese Überprüfung berücksichtigt. Topische Anästhetika, systemische Analgetika und humane Endpunkte sollten bei In-vivo-Tests zur Feststellung akuter Augenreizung/-verätzungen routinemäßig eingesetzt werden. Ausnahmen sind zu begründen. Die in dieser Methode beschriebenen Verfeinerungen werden bei den meisten Versuchen, bei denen Sicherheitstests zur Feststellung von Augenreizungen am lebenden Tier nach wie vor erforderlich sind, erheblich zur Verringerung oder Vermeidung von Schmerzen und Leiden bei den Versuchstieren beitragen.

Eine ausgewogene präventive Schmerzbehandlung sollte Folgendes umfassen: i) eine routinemäßige Vorbehandlung mit einem topischen Anästhetikum (z. B. Proparacain oder Tetracain) und einem systemischen Analgetikum (z. B. Buprenorphin), ii) eine routinemäßige Nachbehandlung mit systemischen Analgetika (z. B. Buprenorphin und Meloxicam), iii) eine planmäßige Beobachtung und Überwachung von Tieren mit Aufzeichnung klinischer Anzeichen von Schmerzen und/oder Leiden und iv) eine planmäßige Beobachtung, Überwachung und Erfassung der Art, des Schweregrads und des Verlaufs sämtlicher Augenverletzungen. Für weitere Details siehe die nachfolgend beschriebenen aktualisierten Verfahren. Nach Verabreichung der Prüfchemikalie sollten keine zusätzlichen topischen Anästhetika oder Analgetika gegeben werden, um eine Beeinträchtigung der Studie zu vermeiden. Analgetika mit entzündungshemmender Wirkung (z. B. Meloxicam) sollten nicht topisch aufgetragen werden und systemisch verabreichte Dosen sollten nicht mit den Wirkungen auf die Augen interferieren.

Definitionen finden sich in der Anlage zur Prüfmethode.

AUSGANGSÜBERLEGUNGEN

Im Interesse wissenschaftlicher Verlässlichkeit und des Tierschutzes sollen In-vivo-Tests erst dann in Erwägung gezogen werden, wenn alle für das Hautverätzungs-/-reizungspotenzial der Chemikalie zur Verfügung stehenden einschlägigen Daten auf Basis ihrer Beweiskraft (weight-of-evidence, WoE) ausgewertet worden sind. Zu diesen Daten gehören unter anderem Erkenntnisse aus bereits durchgeführten Untersuchungen am Menschen und/oder an Labortieren, Hinweise auf Verätzungen/Reizungen durch eine oder mehrere strukturell verwandte Substanzen oder Gemische aus diesen Substanzen, Daten, die eine starke Azidität oder Alkalinität der Substanz belegen (4) (5) und Ergebnisse validierter und anerkannter In-vitro- oder Ex-vivo-Tests auf Hautverätzungen und -reizungen (6) (13) (14) (15) (16) (17). Diese Studien können sowohl vor als auch nach einer WoE-Analyse durchgeführt worden sein.

Für bestimmte Chemikalien ergibt eine solche Analyse möglicherweise, dass deren Augenverätzungs-/-reizungspotenzial im Rahmen von In-vivo-Studien untersucht werden muss. In all diesen Fällen sollten zunächst die augenverätzenden Wirkungen der Chemikalie in vitro und/oder in vivo untersucht und nach der sequenziellen Prüfstrategie in Prüfmethode B.4 (7) oder nach der in der ECHA-Leitlinie (21) beschriebenen integrierten Prüfstrategie evaluiert werden, bevor ein In-vivo-Augentest in Erwägung gezogen wird.

Ergänzend zu dieser Prüfmethode wird eine sequenzielle Prüfstrategie, die auch validierte In-vitro- oder Ex-vivo-Tests auf Augenverätzungs-/-reizungswirkungen vorsieht, in diese Prüfmethode und, für die Zwecke der REACH-Verordnung, auch in die ECHA-Leitlinie (21) aufgenommen. Es wird empfohlen, dass eine solche sequenzielle Prüfstrategie vor einem In-vivo-Test durchgeführt wird. Für neue Chemikalien wird ein stufenweiser Prüfansatz empfohlen, um wissenschaftliche fundierte Daten über die durch die Chemikalie bedingte Verätzung/Reizung erheben zu können. Bei bereits bekannten Chemikalien, für die nicht genügend Daten zum Hautverätzungs-/-reizungspotenzial bzw. Augenverätzungs-/-reizungspotenzial vorliegen, kann die Strategie genutzt werden, um Datenlücken zu schließen. Die Anwendung einer anderen Prüfstrategie bzw. eines anderen Prüfverfahrens oder die Entscheidung gegen einen stufenweisen Prüfansatz sollten begründet werden.

PRINZIP DES IN-VIVO-TESTS

Nach einer Vorbehandlung mit einem systemischen Analgetikum und nach Einleitung einer geeigneten topischen Anästhesie wird die zu prüfende Chemikalie als Einzeldosis in ein Auge des Versuchstiers geträufelt; das unbehandelte Auge dient als Kontrolle. Der Grad der Reizung/Verätzung wird bestimmt, indem in zuvor festgelegten Zeitabständen und anhand einer Punkteskala Schädigungen der Bindehaut, der Hornhaut und der Iris bewertet werden. Es werden auch andere Reaktionen des Auges und systemische Schäden erfasst, um die Wirkungen umfassend beurteilen zu können. Die Beobachtungsdauer sollte lang genug sein, um die Reversibilität bzw. Irreversibilität der Wirkungen evaluieren zu können.

Tiere, die zu irgendeinem Zeitpunkt während des Versuchs Anzeichen schweren Leidens und/oder starker Schmerzen oder Läsionen aufweisen, die den in dieser Prüfmethode beschriebenen humanen Endpunkten (siehe Nummer 26) entsprechen, sollten human getötet werden, und die Chemikalie ist entsprechend einzustufen. Kriterien für die Entscheidung über die humane Tötung moribunder Tiere mit starken Leidensanzeichen sind Gegenstand eines OECD-Leitfadens (8).

VORBEREITUNG DES IN-VIVO-TESTS

Auswahl der Tierart

Bevorzugtes Labortier für den Test sind gesunde, junge, geschlechtsreife Albino-Kaninchen. Die Verwendung anderer Stämme oder Arten sollte begründet werden.

Vorbereitung der Versuchstiere

Innerhalb von 24 Stunden vor dem Versuch werden bei jedem der ausgewählten Versuchstiere beide Augen untersucht. Tiere, bei denen bereits eine Augenreizung, okulare Defekte oder eine Hornhautschädigung vorliegen, sollen nicht verwendet werden.

Haltungs- und Fütterungsbedingungen

Die Tiere sollen einzeln gehalten werden. Die Temperatur im Versuchstierraum sollte für Kaninchen 201 °C (±31 °C) betragen. Obwohl die relative Luftfeuchtigkeit mindestens 30 % und außer während der Raumreinigung maximal 70 % betragen sollte, ist ein Wert von 50-60 % anzustreben. Der Raum soll künstlich beleuchtet sein, mit Hell-/Dunkelphasen im 12-Stunden-Rhythmus. Überhöhte Lichtintensität sollte vermieden werden. An die Versuchstiere kann herkömmliches Laborfutter verfüttert werden, wobei eine unbegrenzte Trinkwasserversorgung zu gewährleisten ist.

PRÜFVERFAHREN

Verwendung topischer Anästhetika und systemischer Analgetika

Es wird empfohlen, zur Verringerung oder Vermeidung von Schmerzen und Leiden bei Augensicherheitsprüfungen wie nachstehend beschrieben vorzugehen. Ersatzweise können auch alternative Verfahren angewendet werden, mit denen sich Schmerzen und Leiden nachweislich ebenso gut oder sogar besser vermeiden oder lindern lassen.

 Sechzig Minuten vor Applikation der Prüfchemikalie 0,01 mg/kg Buprenorphin subkutan injizieren, um einen therapeutischen Grad systemischer Analgesie zu erreichen. Für Buprenorphin und andere vergleichbare opioide Analgetika, die systemisch verabreicht werden, sind keine veränderten Augenreaktionen bekannt oder zu erwarten (12).

 Fünf Minuten vor Applikation der Prüfchemikalie ein oder zwei Tropfen eines topischen Augenanästhetikums (z. B. 0,5 % Proparacainhydrochlorid oder 0,5 % Tetracainhydrochlorid) in jedes Auge des Versuchstiers träufeln. Um eine mögliche Beeinflussung der Studie zu vermeiden, wird ein topisches Anästhetikum empfohlen, das keine Konservierungsstoffe enthält. Das Auge des Versuchstiers, das nicht mit der Prüfchemikalie, sondern nur mit dem topischen Anästhetikum behandelt wurde, dient als Kontrolle. Wenn zu erwarten ist, dass die Prüfchemikalie starke Schmerzen und Leiden verursacht, sollte sie unter möglichst nicht in vivo getestet werden. Wenn diesbezüglich Zweifel bestehen oder wenn Versuche durchgeführt werden müssen, sollten weitere Applikationen des topischen Anästhetikums in Abständen von 5 Minuten in Erwägung gezogen werden, bevor die Prüfchemikalie appliziert wird. Labortechniker sollten bedenken, dass mehrfache Applikationen topischer Anästhetika möglicherweise einen leichten Anstieg des Schweregrads chemisch induzierter Schädigungen und/oder der für ein Ausheilen derselben erforderlichen Zeit bewirken können.

 Acht Stunden nach Applikation der Prüfchemikalie subkutan 0,01 mg/kg Buprenorphin und 0,5 mg/kg Meloxicam injizieren, um den therapeutischen Grad der systemischen Analgesie aufrechtzuerhalten. Auch wenn keine Daten vorliegen, die darauf hinweisen, dass Meloxicam bei einmal täglicher subkutaner Verabreichung entzündungshemmende Wirkung auf die Augen hat, sollte Meloxicam frühestens 8 Stunden nach Applikation der Prüfchemikalie verabfolgt werden, um eine mögliche Beeinflussung der Studie zu vermeiden (12).

 Nach der anfänglichen Behandlung 8 Stunden nach Applikation der Prüfchemikalie alle 12 Stunden subkutan 0,01 mg/kg Buprenorphin und alle 24 Stunden subkutan 0,5 mg/kg Meloxicam verabreichen, bis die Augenschädigungen ausheilen und keine klinischen Anzeichen für Schmerzen und Leiden mehr vorliegen. Es stehen Depot-Analgetikapräparate mit Depotwirkung zur Verfügung, deren Einsatz in Betracht gezogen werden könnte, um die Häufigkeit der Gabe von Analgetika zu reduzieren.

 Unverzüglich nach Applikation der Prüfchemikalie sollte eine Auffrischungsdosis Analgetika verabreicht werden, wenn präventive Analgetika und topische Anästhetika unzulänglich sind. Zeigt ein Versuchstier während der Studie Anzeichen von Schmerzen und Leiden, sollte unverzüglich eine Auffrischungsdosis 0,03 mg/kg Buprenorphin subkutan verabreicht und bei Bedarf alle 8 Stunden anstatt mit 0,01 mg/kg alle 12 Stunden erneuert werden. 0,5 mg/kg Meloxicam sollte subkutan alle 24 Stunden zusammen mit der Auffrischungsdosis Buprenorphin verabfolgt werden, frühestens jedoch 8 Stunden nach Applikation der Prüfchemikalie.

Applikation der Prüfchemikalie

Die Prüfchemikalie sollte bei jedem Tier in den Bindehautsack eines Auges appliziert werden, indem das untere Lid leicht vom Augapfel weggezogen wird. Die Lider dann etwa eine Sekunde lang leicht zusammendrücken, damit kein Prüfmaterial verloren geht. Das andere, unbehandelte Auge dient als Kontrolle.

Ausspülen

Die Augen der Versuchstiere sollten frühestens 24 Stunden nach Applikation der Prüfchemikalie ausgewaschen werden; Ausnahmen gelten für Feststoffe (siehe Nummer 18) und bei sofortigem Eintritt einer Ätz- oder Reizwirkung. Nach 24 Stunden kann eine Augenspülung erfolgen, sofern dies für angemessen gehalten wird.

Untersuchungen an einer zusätzlichen Versuchstiergruppe (Satellitengruppe) zur Erforschung des Einflusses des Ausspülens wird nicht empfohlen, außer in wissenschaftlich begründeten Fällen. Sollte eine Satellitengruppe tatsächlich benötigt werden, sind zwei Kaninchen vorzusehen. Die Bedingungen, unter denen die Augenspülung erfolgte (Zeitpunkt, Zusammensetzung und Temperatur der Spüllösung, Dauer, Volumen und Geschwindigkeit der Applikation) sollten genau dokumentiert werden.

Dosierung

(1)    Prüfung von Flüssigkeiten

Bei der Prüfung von Flüssigkeiten eine Dosis von 0,1 ml verwenden. Liegt die Prüfchemikalie als Pumpspray vor, sollte sie nicht direkt ins Auge gesprüht, sondern mittels Sprühstoß entnommen und in einem Behälter aufgefangen werden. Anschließend 0,1 ml in das Auge einträufeln.

(2)    Prüfung von Feststoffen

Bei Feststoffen, Pasten und partikelförmigen Chemikalien sollte die Prüfmenge ein Volumen von 0,1 ml oder ein Gewicht von höchstens 100 mg haben. Die Prüfchemikalie sollte zu einem feinen Pulver zermahlen werden. Das Volumen von Feststoffen sollte erst nach vorsichtigem Kompaktieren, z. B. durch Klopfen des Messbehälters, bestimmt werden. Ist die in Form eines Feststoffs vorliegende Prüfchemikalie bis zum ersten Beobachtungszeitpunkt, d. h. 1 Stunde nach der Applikation, nicht aufgrund physiologischer Vorgänge aus dem Auge entfernt worden, kann das Auge mit Kochsalzlösung oder destilliertem Wasser ausgespült werden.

(3)    Prüfung von Aerosolen

Es wird empfohlen, alle als Pumpspray oder Aerosol vorliegenden Prüfchemikalien mittels Sprühstoß zu entnehmen, in einem Behälter aufzufangen und anschließend zu applizieren. Einzige Ausnahme sind Chemikalien in Aerosol-Druckbehältern, die aufgrund der Vaporisierung nicht aufgefangen werden können. In diesen Fällen sollte das Auge offen gehalten und die Prüfchemikalie mit einem einzigen Sprühstoß etwa eine Sekunde lang aus 10 cm Entfernung ins Auge gesprüht werden. In Abhängigkeit vom Druck und vom Behälterinhalt kann dieser Abstand variieren. Es ist darauf zu achten, dass das Auge durch den Sprühdruck nicht verletzt wird. Unter Umständen muss das Risiko „mechanischer“ Augenschäden, die auf den Sprühdruck zurückzuführen sind, beurteilt werden.

Bei Aerosolen kann die Dosis geschätzt werden, indem der Test folgendermaßen simuliert wird: Die Chemikalie durch eine Öffnung in der Größe eines Kaninchenauges auf Wägepapier sprühen, wobei sich die Öffnung unmittelbar vor dem Papier befindet. Anhand der Gewichtszunahme des Papiers wird ein Näherungswert für die ins Auge gesprühte Menge ermittelt. Bei flüchtigen Chemikalien kann ein Schätzwert für die Dosis ermittelt werden, indem man einen Auffangbehälter vor und nach Entnahme der Prüfchemikalie wiegt.

Vorversuch (In-vivo-Test auf Augenreizung/-verätzung an einem einzigen Tier)

Es empfiehlt sich dringend, den In-vivo-Test zunächst nur an einem Tier durchzuführen (siehe Ergänzung zu dieser Prüfmethode: Eine sequenzielle Strategie für die Prüfung auf Augenreizung/-verätzung). Die Beobachtungen sollen ausreichen, um den Schweregrad und die Reversibilität der Wirkungen zu bestimmen, bevor ein Bestätigungstest an einem zweiten Tier durchgeführt wird.

Sofern das beschriebene Verfahren ergibt, dass der Stoff augenverätzend wirkt oder schwere Augenreizungen auslöst, sollen keine weiteren Prüfungen auf Augenreizung durchgeführt werden.

Bestätigungstest (In-vivo-Test auf augenreizende Wirkungen an zusätzlichen Tieren)

Wird im Vorversuch keine ätzende oder schwer augenreizende Wirkung beobachtet, sollte die Reizungsreaktion bzw. die negative Reaktion an bis zu zwei weiteren Tieren bestätigt werden. Ergibt der Vorversuch eine Reizwirkung, sollte der Bestätigungstest nach Möglichkeit als sequenzieller Versuch an einem Tier einem bestimmten Zeitpunkt und nicht durch gleichzeitige Exposition der zwei weiteren Tiere erfolgen. Der Test ist abzubrechen, wenn beim zweiten Tier Anzeichen einer Verätzung oder einer schweren Reizung festgestellt werden. Wenn die Ergebnisse beim zweiten Tier eine Bestimmung der Gefahrenklasse zulassen, sollten keine weiteren Tests durchgeführt werden.

Beobachtungszeitraum

Die Beobachtungszeit sollte so bemessen sein, dass das Ausmaß und die Reversibilität der festgestellten Wirkungen umfassend bewertet werden können. Allerdings sollte der Versuch abgebrochen werden, sobald das Tier starke Anzeichen von Leiden und Schmerzen zeigt (8). Um feststellen zu können, ob die Wirkungen reversibel sind, sollten die Tiere in der Regel während 21 Tagen nach Applikation der Prüfchemikalie beobachtet werden. Bilden sich die Schäden vor Ablauf dieser 21 Tage zurück, sollte der Versuch zu diesem Zeitpunkt beendet werden.

Klinische Beobachtungen und Einstufung von Augenreaktionen

Die Augen sollten eine Stunde nach Applikation der Prüfchemikalie umfassend auf vorhandene bzw. nicht vorhandene Augenläsionen untersucht werden; danach mindestens eine Untersuchung täglich durchführen. In den ersten 3 Tagen sollten die Tiere mehrmals täglich untersucht werden, damit Entscheidungen, den Versuch zu beenden, zeitnah getroffen werden können. Versuchstiere sollten während der gesamten Studiendauer routinemäßig mindestens zweimal täglich, falls nötig auch häufiger, auf klinische Anzeichen von Schmerzen und/oder Leiden untersucht werden (z. B. wiederholtes Kratzen und Reiben am Auge, übermäßiges Blinzeln, übermäßig tränende Augen) (9) (10) (11), wobei zwischen den Beobachtungen mindestens 6 Stunden liegen sollten. Dies ist nötig, um i) Tiere angemessen auf Anzeichen von Schmerzen und Leiden zu untersuchen und fundierte Entscheidungen im Hinblick auf eine Erhöhung der Dosis von Analgetika treffen zu können, und ii) Tiere auf Anzeichen vorbestimmter humaner Endpunkte zu untersuchen, damit fundierte Entscheidungen darüber getroffen werden können, ob Tiere human getötet werden sollten, und damit solche Entscheidungen zeitnah getroffen werden können. Eine Anfärbung mit Fluorescein sollte routinemäßig erfolgen und gegebenenfalls sind als Hilfsmittel zum Nachweis und zur Messung von Augenschäden und zur Beurteilung, ob vorbestimmte Endpunktkriterien für ein humanes Töten erfüllt sind, eine Spaltlampe und ein Biomikroskop zu verwenden (z. B. bei der Beurteilung der Tiefe einer Schädigung im Falle einer Hornhautulzeration). Digitale Fotografien von beobachteten Schädigungen können zu Referenzzwecken und zur dauerhaften Dokumentation des Ausmaßes der Augenschädigung erfasst werden. Sobald aussagekräftige Informationen vorliegen, sollte der Versuch nicht länger als nötig fortgesetzt werden. Tiere mit starken Anzeichen von Schmerzen oder Leiden sollen unverzüglich human getötet werden, wobei die Chemikalie entsprechend einzustufen ist.

Bei Tieren mit folgenden Augenschädigungen nach Applikation der Prüfchemikalie ist eine humane Tötung angezeigt (siehe Tabelle 1 zur Beschreibung der Schädigungsgrade): Hornhautperforation oder signifikante Hornhautulzeration mit Staphylom; Blut in der vorderen Augenkammer; Hornhauttrübung Grad 4; fehlender Pupillenreflex (Irisreaktion Grad 2) während 72 Stunden; Ulzeration der Bindehaut; Nekrose der Bindehaut oder der Nickhaut oder Gewebsdemarkierung. Diese Schäden sind im Allgemeinen irreversibel. Darüber hinaus wird empfohlen, die folgenden Augenschädigungen als humane Endpunkte zu definieren, bei denen Studien vor Ablauf des planmäßigen 21-tägigen Beobachtungszeitraums beendet werden sollten. Diese Schädigungen gelten als prädiktiv für schwere Reizungen oder Verätzungen und Schädigungen, bei denen davon ausgegangen werden muss, dass sie bis zum Ablauf des 21-tägigen Beobachtungszeitraums nicht vollständig abklingen: sehr tiefe Schädigung (z. B. eine Hornhautulzeration bis in Schichten unterhalb der Stromaoberfläche), Zerstörung des Limbus zu mehr als 50 % (nachgewiesen durch ein Ausbleichen des Bindehautgewebes) und schwere Augeninfektion (eitriger Ausfluss). Eine Kombination von Vaskularisierung der Hornhautoberfläche (d. h. Pannus), sich nicht rückbildender Fluoresceinfärbung (basierend auf einer täglichen Untersuchung) und/oder einer ausbleibenden Reepithelisierung am 5. Tag nach Applikation der Prüfchemikalie könnte ebenfalls als potenziell zweckdienliches Kriterium für die klinische Entscheidung über eine vorzeitige Beendigung der Studie angesehen werden. Einzeln betrachtet sind diese Ergebnisse jedoch nicht ausreichend, um eine vorzeitige Beendigung der Studie zu rechtfertigen. Sobald schwerwiegende Auswirkungen auf die Augen festgestellt werden, sollten ein behandelnder Tierarzt oder ein qualifizierter Labortierarzt oder im Nachweis klinischer Schädigungen geschultes Laborpersonal zur Notwendigkeit einer klinischen Untersuchung zur Feststellung, ob die Kombination dieser Auswirkungen eine vorzeitige Beendigung der Studie rechtfertigt, konsultiert werden. Der jeweilige Grad der Augenreaktion (Bindehaut, Hornhaut und Iris) ist 1, 24, 48 und 72 Stunden nach Applikation der Prüfchemikalie zu ermitteln und zu dokumentieren (Tabelle 1). Tiere, bei denen keine Augenschädigungen auftreten, dürfen frühestens 3 Tage nach der Behandlung getötet werden. Bei leichten bis mäßigen Augenschädigungen sollten die Tiere bis zum Abklingen der Symptome bzw. für die Dauer von 21 Tagen beobachtet werden; erst danach wird die Studie abgeschlossen. Untersuchungen sollen mindestens nach 1 Stunde, 24 Stunden, 48 Stunden, 72 Stunden sowie am 7., 14. und 21. Tag durchgeführt und dokumentiert werden, um den Status der Schädigungen zu ermitteln und zu klären, ob sie reversibel oder irreversibel sind. Erforderlichenfalls sollten häufigere Untersuchungen durchgeführt werden, um zu entscheiden, ob das Versuchstier aus Tierschutzgründen human getötet oder aufgrund von negativen Ergebnissen aus dem Versuch genommen werden sollte.

Der jeweilige Grad der Augenschädigung (vgl. Tabelle 1) sollte für jede Untersuchung erfasst werden. Etwaige weitere Augenschädigungen (z. B. Pannus, Verfärbungen, Veränderungen in der vorderen Augenkammer) oder negative systemische Wirkungen sing ebenfalls zu dokumentieren.

Als Hilfsmittel können bei den Untersuchungen Binokularlupen, Handspaltlampen, Biomikroskope und andere geeignete Geräte benutzt werden. Nach Aufzeichnung der Beobachtungen nach 24 Stunden können die Augen außerdem mit Fluorescein weiter untersucht werden.

Die Bewertung von Augenreaktionen ist zwangsläufig subjektiv. Um die Einstufung von Augenreaktionen stärker zu vereinheitlichen und den Prüflabors und allen an den Versuchen und an der Interpretation der Versuchsergebnisse Beteiligten die Arbeit zu erleichtern, müssen die Prüfer im Umgang mit der Bewertungsskala geschult werden.

DATEN UND BERICHTERSTATTUNG

Ergebnisauswertung

Die Bewertung der Augenreizung sollte anhand der Art und des Schweregrads der Schädigung und deren Reversibilität bzw. Irreversibilität vorgenommen werden. Die jeweils ermittelten Schweregrade stellen keinen alleingültigen Maßstab für die reizenden Eigenschaften einer Chemikalie dar, denn es werden auch andere Wirkungen der Prüfchemikalie beurteilt. Vielmehr sollten die einzelnen Graduierungswerte als Referenzwerte betrachtet werden, die nur dann sinnvoll sind, wenn sämtliche Beobachtungen genau erfasst und evaluiert werden.

Prüfbericht

Der Prüfbericht muss folgende Angaben enthalten:

Begründung für den In-vivo-Test: WoE-Analyse von Daten aus früheren Versuchen unter Einbeziehung von Ergebnissen aus der sequenziellen Prüfstrategie:

 Beschreibung aller einschlägigen Daten aus früheren Versuchen;

 Daten, die auf den einzelnen Stufen der Prüfstrategie erhoben wurden;

 Beschreibung der durchgeführten In-vitro-Tests mit Einzelheiten zu den angewandten Verfahren sowie zu den Ergebnissen für Prüf-/Referenzchemikalien;

 Beschreibung der durchgeführten In-vivo-Tests auf Hautreizung/-verätzung mit Einzelheiten zu den Ergebnissen;

 WoE-Analyse als Grundlage für die Durchführung einer In-vivo-Studie.

Prüfchemikalie:

 Angaben zur Identität (z. B. chemische Bezeichnung und, sofern vorhanden, CAS-Nummer, Reinheit, bekannte Verunreinigungen, Bezugsquelle, Chargennummer);

 physikalische Beschaffenheit und physikalisch-chemische Eigenschaften (z. B. pH-Wert, Flüchtigkeit, Löslichkeit, Stabilität, Reaktivität mit Wasser);

 bei Gemischen: Angabe der einzelnen Bestandteile, einschließlich Angaben zur Identität (z. B. chemische Bezeichnungen und, sofern vorhanden, CAS-Nummern) und den Konzentrationen;

 verwendete Dosis.

Vehikel:

 Angaben zur Identität, (gegebenenfalls) Konzentration; Einsatzvolumen;

 Begründung der Auswahl des Vehikels.

Versuchstiere:

 Spezies/Stamm, Begründung des Verzichts auf Albino-Kaninchen zugunsten anderer Tiere;

 Alter der Tiere zu Beginn der Studie;

 Anzahl der Versuchstiere pro Geschlecht in den Prüf- und Kontrollgruppen (falls erforderlich);

 Gewicht der einzelnen Tiere bei Versuchsbeginn und -ende;

 Herkunft der Tiere, Haltungsbedingungen, Ernährung usw.

Anästhetika und Analgetika

 Dosen und Zeitpunkte, zu denen topische Anästhetika und systemische Analgetika verabreicht wurden;

 sofern lokale Anästhetika eingesetzt wurden, Angaben zur Identität, Reinheit, Art und möglichen Wechselwirkungen mit der Prüfchemikalie.

Ergebnisse:

 Beschreibung der Methode zur Bewertung von Reizungen zu den einzelnen Beobachtungszeiten (z. B. Handspaltlampe, Biomikroskop, Fluorescein);

 tabellarische Erfassung der Daten über Reizungs-/Verätzungsreaktionen zu allen Messzeitpunkten und für jedes einzelne Versuchstier bis hin zum Ausscheiden des Tiers aus dem Versuch;

 ausführliche Beschreibung von Art und Schweregrad der festgestellten Reizung bzw. Verätzung;

 Beschreibung aller anderen im Auge festgestellten Schädigungen (z. B. Vaskularisierung, Pannus, Verklebungen, Verfärbungen);

 Beschreibung sonstiger lokaler und systemischer Folgen außerhalb des Auges, Dokumentation klinischer Anzeichen von Schmerzen und Leiden, digitale Fotografien und ggf. vorliegende histopathologischer Befunde.

Diskussion der Ergebnisse.

Interpretation der Ergebnisse

Eine Extrapolation der Ergebnisse von Untersuchungen auf Augenreizungen an Labortieren auf den Menschen ist nur bedingt möglich. Oftmals reagiert das Albino-Kaninchen empfindlicher als der Mensch auf Stoffe mit augenreizenden oder -verätzenden Eigenschaften.

Bei der Interpretation von Daten ist darauf zu achten, dass Reizungen aufgrund einer sekundären Infektion nicht berücksichtigt werden.

LITERATURHINWEISE

(1) Barratt, M.D., et al. (1995), The Integrated Use of Alternative Approaches for Predicting Toxic Hazard, ECVAM Workshop Report 8, ATLA 23, 410-429.

(2) de Silva, O., et al. (1997), Evaluation of Eye Irritation Potential: Statistical Analysis and Tier Testing Strategies, Food Chem. Toxicol 35 , 159-164.

(3) Worth A.P. and Fentem J.H. (1999), A general approach for evaluating stepwise testing strategies ATLA 27, 161-177.

(4) Young, J.R., et al. (1988), Classification as Corrosive or Irritant to Skin of Preparations Containing Acidic or Alkaline Substance Without Testing on Animals, Toxicol. In Vitro, 2, 19-26.

(5) Neun, D.J. (1993), Effects of Alkalinity on the Eye Irritation Potential of Solutions Prepared at a Single pH, J. Toxicol. Cut. Ocular Toxicol. 12, 227 — 231.

(6) Fentem, J.H., et al. (1998), The ECVAM international validation study on in vitro tests for skin corrosivity. 2. Results and evaluation by the Management Team, Toxicology in vitro 12, 483-524.

(7) Kapitel B.4 dieses Anhangs, Akute Hautreizung/-verätzung.

(8) OECD (2000), Guidance Document on the Recognition, Assessment and Use of Clinical Signs as Humane Endpoints for Experimental Animals Used in Safety Evaluation. OECD Environmental Health and Safety Publications, Series on Testing and Assessment, Nr. 19. (http://www.oecd.org/ehs/test/monos.htm).

(9) Wright EM, Marcella KL, Woodson JF. (1985), Animal pain: evaluation and control, Lab Animal, Mai/Juni, 20-36.

(10) National Research Council (NRC) (2008), Recognition and Alleviation of Distress in Laboratory Animals, Washington, DC: The National Academies Press.

(11) National Research Council (NRC) (2009), Recognition and Alleviation of Distress in Laboratory Animals, Washington, DC: The National Academies Press.

(12) ICCVAM (2010), ICCVAM Test Method Evaluation Report: Recommendations for Routine Use of Topical Anesthetics, Systemic Analgesics, and Humane Endpoints to Avoid or Minimize Pain and Distress in Ocular Safety Testing, NIH Publication No. 10-7514, Research Triangle Park, NC, USA: National Institute of Environmental Health Sciences.

http://iccvam.niehs.nih.gov/methods/ocutox/OcuAnest- TMER.htm

(13) Kapitel B.40 dieses Anhangs, In-vitro-Prüfung auf hautätzende Wirkung: TER-Test (Transcutaneous Electrical Resistance Test).

(14) Kapitel B.40 bis dieses Anhangs, In-vitro-Prüfung auf hautätzende Wirkung: Test mit einem menschlichen Hautmodell.

(15) OECD (2006), Test No. 435: In vitro Membrane Barrier Test Method for Skin corrosion, OECD Guidelines for the Testing of Chemicals, Abschnitt 4, OECD Paris.

(16) Kapitel B.47 dieses Anhangs, Trübungs- und Durchlässigkeitstest an der Rinderhornhaut zwecks Identifizierung von i) Chemikalien, die schwere Augenschäden verursachen, und ii) Chemikalien, die keine Einstufung als augenreizend oder schwer augenschädigend erfordern.

(17) Kapitel B.48 dieses Anhangs, Test am isolierten Hühnerauge zur Identifizierung von i) Chemikalien, die schwere Augenschäden verursachen, und ii) Chemikalien, die keine Einstufung als augenreizend oder schwer augenschädigend erfordern.

(18) U.S. EPA (2003), Label Review Manual: 3rd Edition, EPA737-B-96-001, Washington, DC: U.S., Environmental Protection Agency.

(19) UN (2011), Globally Harmonized System of Classification and Labelling of Chemicals (GHS), Vierte überarbeitete Ausgabe, New York und Genf: United Nations Publications.

(20) Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien 67/548/EWG und 1999/45/EG und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006. Amtsblatt der Europäischen Union L 353, S. 1-1355.

(21) ECHA Guidance on information requirements and chemical safety assessment, Kapitel R.7a: Endpoint specific guidance.

http://echa.europa.eu/documents/10162/13632/information_requirements_r7a_en.pdf



Tabelle 1

Einstufung von Augenschädigungen

Cornea

Grad

Trübung: Trübungsgrad (für die Auswertung wird der am stärksten betroffene Bereich genommen) (*1)

 

Keine Ulzeration oder Trübung

0

Punktförmige oder diffuse Trübungsbereiche (ohne leichte Trübung des normalen Glanzes); Einzelheiten der Iris deutlich erkennbar

1

Leicht erkennbarer durchlässiger Bereich, Einzelheiten der Iris etwas verschattet

2

Perlmuttartige Bereiche, keine Einzelheiten der Iris sichtbar, Größe der Pupille kaum erkennbar

3

Trübe Hornhaut; Iris aufgrund der Trübung nicht erkennbar

4

Höchstmögliche Punktzahl: 4

 

Iris

 

Normal

0

Deutlich vertiefte Rugae, Kongestion, Schwellung, mäßige circumcorneale Hyperämie oder Injektion; Iris reagiert auf Licht (träge Reaktion ist positiv)

1

Blutungen, großflächige Zerstörung, keine Reaktion auf Licht

2

Höchstmögliche Punktzahl: 2

 

Conjunctivae

 

Rötung (der Augenlidbindehaut und der Augapfelbindehaut; ohne Hornhaut und Iris)

 

Normal

0

Einige Blutgefäße zeigen Hyperämie (Injektion)

1

Diffuse karmesinrote Farbe; einzelne Gefäße nur schwer erkennbar

2

Diffuse dunkelrote Verfärbung

3

Höchstmögliche Punktzahl: 3

 

Chemosis

 

Schwellung (der Augenlider und/oder Nickhäute)

 

Normal

0

Über dem Normalen liegende Schwellung

1

Deutliche Schwellung mit partieller Auswärtskehrung der Lider

2

Schwellung mit etwa halbgeschlossenen Lidern

3

Schwellung mit mehr als halbgeschlossenen Lidern

4

Höchstmögliche Punktzahl: 4

 

(*1)   Die Größe des von der Hornhauttrübung betroffenen Areals sollte dokumentiert werden.

Anlage

DEFINITIONEN

Chemikalie : ein Stoff oder ein Gemisch.

Evidenzbasierte Analyse (Weight-of-Evidence, WoE) : der Prozess der Prüfung der Stärken und Schwächen einer Datensammlung als Grundlage für eine Schlussfolgerung, zu der es auf Basis von Einzeldaten möglicherweise nicht gekommen wäre.

Prüfchemikalie : Stoff oder Gemisch, der bzw. das nach dieser Prüfmethode getestet wird.

Saure/alkalische Reserve : Bei sauren Zubereitungen: zum Erreichen eines bestimmten pH-Werts erforderliche Menge (in g) Natronlauge/100 g Zubereitung. Bei alkalischen Zubereitungen: zum Erreichen eines bestimmten pH-Werts erforderliche Menge (in g) Natronlauge, die der Menge (in g) Schwefelsäure/100 g Zubereitung entspricht, (Young et al. 1988).

Stoffe ohne Reizwirkung : Stoffe, die nicht als augenreizende Stoffe der EPA-Kategorien I, II oder III eingestuft sind, oder augenreizende Stoffe der GHS-Kategorien 1, 2, 2A oder 2B oder der EU-Kategorien 1 oder 2 (17) (18) (19).

Stoff mit augenätzender Wirkung : a) eine Chemikalie, die eine irreversible Gewebeschädigung am Auge verursacht; b) Chemikalien, die als augenreizende Stoffe der GHS-Kategorie 1 oder als augenreizende Stoffe der EPA-Kategorie I oder der EU-Kategorie 1 eingestuft sind (17) (18) (19).

Stoff mit augenreizender Wirkung : a) eine Chemikalie, die eine reversible Veränderung im Auge hervorruft; b) Chemikalien, die als augenreizende Stoffe der EPA-Kategorien II oder III oder als augenreizende Stoffe der GHS-Kategorien 2, 2A oder 2B oder der EU-Kategorie 2 eingestuft sind (17) (18) (19).

Stoff mit schwer augenreizender Wirkung : a) eine Chemikalie, die eine Gewebeschädigung im Auge verursacht, die nicht innerhalb von 21 Tagen nach Applikation ausheilt, oder eine massive Verschlechterung des Sehvermögens auslöst; b) Chemikalien, die als augenreizende Stoffe der GHS-Kategorie 1 oder als augenreizende Stoffe der EPA-Kategorie I oder der EU-Kategorie 1 eingestuft sind(17) (18) (19).

Stufenweiser Ansatz : eine schrittweise Prüfstrategie, bei der alle vorhandenen Informationen über eine Prüfchemikalie in einer vorgegebenen Reihenfolge überprüft werden, wobei auf jeder Stufe nach dem evidenzbasierten Analyseansatz (Weight-of-Evidence, WoE) vorgegangen wird, um festzustellen, ob genügend Informationen für eine Gefahrenklassifizierung vorliegen, bevor zur nächsten Stufe übergangen wird. Wenn das Reizpotenzial einer Prüfchemikalie auf Basis der vorliegenden Informationen zugeordnet werden kann, sind keine weiteren Testungen erforderlich. Ist dies nicht der Fall, müssen schrittweise sequenzielle Tierversuche durchgeführt werden, bis eine eindeutige Klassifizierung möglich ist.

ERGÄNZUNG ZUR PRÜFMETHODE B.5 ( 23 )

SEQUENZIELLE STRATEGIE FÜR DIE PRÜFUNG AUF AUGENREIZUNGEN UNDAUGENVERÄTZUNGEN

Allgemeine Überlegungen

Im Interesse wissenschaftlicher Verlässlichkeit und des Tierschutzes muss die unnötige Verwendung von Versuchstieren verhindert und die Durchführung von Versuchen, die bei den Tieren wahrscheinlich schwere Reaktionen hervorrufen, auf ein Mindestmaß beschränkt werden. Bevor ein In-vivo-Test ins Auge gefasst werden kann, sollten zunächst alle einschlägigen Informationen über die potenziell augenreizenden/-verätzenden Wirkungen einer Chemikalie bewertet werden. Möglicherweise liegen bereits genügend Kriterien (Evidence) für die Einstufung einer Prüfchemikalie aufgrund ihres Augenreizungs-/-verätzungspotenzials vor, sodass sich Versuche an Labortieren erübrigen. Folglich schränken WoE-Analysen bereits vorliegender Daten und die Anwendung einer sequenziellen Prüfstrategie die Notwendigkeit von In-vivo-Tests deutlich ein. Dies gilt umso mehr, wenn davon auszugehen ist, dass die Chemikalie schwere Reaktionen hervorruft.

Zur Beurteilung bereits vorhandener Informationen über die augenreizenden/-verätzenden Wirkungen von Chemikalien sollte das Instrument der evidenzbasierten Analyse herangezogen werden. Ausgehend davon ist zu entscheiden, ob als Beitrag zur Charakterisierung dieses Potenzials zusätzliche Studien, bei denen es sich nicht um In-vivo-Augenuntersuchungen handelt, durchgeführt werden sollten. Sofern weitere Studien durchgeführt werden müssen, empfiehlt es sich, zur Generierung sachdienlicher Versuchsdaten die sequenzielle Prüfstrategie anzuwenden. Bei noch nicht geprüften Stoffen soll die sequenzielle Prüfstrategie genutzt werden, um die Datensätze zu generieren, die für die Beurteilung des augenätzenden/-reizenden Potenzials benötigt werden. Die ursprüngliche in dieser Ergänzung beschriebene Prüfstrategie wurde in einem OECD-Workshops (1) entwickelt. Sie wurde im Rahmen des „Harmonised Integrated Hazard Classification System for Human Health and Environmental Effects of Chemical Substances“ bestätigt und weiter ausgebaut, das im November 1998 von den Teilnehmern der 28. Gemeinsamen Tagung des Chemikalien-Ausschusses und der Arbeitsgruppe Chemikalien gebilligt (2) und 2011 von einer OECD-Expertengruppe überarbeitet wurde.

Diese Prüfstrategie ist zwar nicht integraler Bestandteil der Prüfmethode B.5, wird aber zur Ermittlung augenreizender/-verätzender Merkmale empfohlen. Dieser Ansatz entspricht sowohl der besten Praxis als auch dem ethischen Richtwert für Augenreizungs/-verätzungsprüfungen am lebenden Tier. Die Prüfmethode ist nicht nur eine Anleitung für die Durchführung des In-vivo-Tests, sondern beschreibt auch die Faktoren, die vor der Durchführung eines solchen Versuchs überprüft werden sollten. Die sequenzielle Prüfstrategie liefert einen Ansatz für die Bewertung bereits vorhandener Daten über die augenreizenden/-verätzenden Eigenschaften von Chemikalien und einen stufenweisen Ansatz für die Generierung sachdienlicher Daten über Chemikalien, die im Rahmen zusätzlicher Studien untersucht werden müssen bzw. noch gar nicht untersucht wurden. Die Strategie sieht die Durchführung validierter und anerkannter In-vitro- und Ex-vivo-Tests vor, in bestimmten Fällen gefolgt von Untersuchungen nach Prüfmethode B.4 (3) (4).

Beschreibung der stufenweisen Prüfstrategie

Alle vorhandenen Informationen sollten vor der Durchführung von Versuchen im Rahmen der sequenziellen Prüfstrategie (Fließbild) bewertet werden, um die Notwendigkeit von In-vivo-Augentests zu klären. Auch wenn wichtige Informationen aus der Beurteilung einzelner Parameter (z. B. extreme pH-Werte) gewonnen werden können, sollten die bereits vorliegenden Angaben in ihrer Gesamtheit betrachtet werden. Alle relevanten Daten über die Wirkungen der betreffenden Chemikalie und Struktur verwandter Verbindungen sollten mittels WoE-Analyse bewertet werden, und die Entscheidung sollte begründet werden. Dabei sollten bereits vorliegende Angaben zur Wirkung der Chemikalie auf Mensch und Tier im Vordergrund stehen, gefolgt von den Ergebnissen von In-vitro- und Ex-vivo-Tests. In-vivo-Untersuchungen mit Chemikalien mit Ätzwirkung sollten nach Möglichkeit immer vermieden werden. Folgende Faktoren werden bei der Prüfstrategie berücksichtigt:

Beurteilung bereits vorliegender Daten zur Wirkung der Chemikalie auf Mensch und/oder Tier und/oder mit validierten und international anerkannten Methoden gewonnener In-vitro-Daten (Stufe 1)

Zunächst sollten vorhandene Humandaten, z. B. aus klinischen Studien oder Studien zur Exposition am Arbeitsplatz, Fallberichte und/oder Ergebnisse von Tierversuchen (Untersuchungen am Auge) und/oder mit validierten und international anerkannten Methoden gewonnene In-vitro-Daten zu augenreizenden/-verätzenden Wirkungen bewertet werden, denn sie liefern Hinweise, die unmittelbar die Wirkungen auf das Auge betreffen. Danach sollten vorhandene Daten aus Untersuchungen an Menschen und/oder Tieren zu Hautverätzungen/-reizungen und/oder mit validierten und international anerkannten Methoden gewonnene In-vitro-Daten zu hautätzenden Wirkungen bewertet werden. Chemikalien mit bekannter augenverätzender oder schwer augenreizender Wirkung sollen nicht in die Augen von Tieren geträufelt werden. Dies gilt ebenso für Chemikalien, die Hautreizungen oder -verätzungen hervorrufen. Alle diese Chemikalien sollten ebenfalls als augenverätzende und/oder -reizende Stoffe betrachtet werden. Auch mit Chemikalien, bei denen in früheren Augenuntersuchungen hinreichend nachgewiesen wurde, dass sie weder Verätzungen noch Reizungen hervorrufen, sollten keine In-vivo-Studien am Auge durchgeführt werden.

Analyse der Struktur-Wirkungs-Beziehungen (Structure-Activity Relationships, SAR) (Stufe 2)

Die gegebenenfalls vorhandenen Ergebnisse von Untersuchungen an strukturell verwandten Chemikalien sollten berücksichtigt werden. Liegen genügend Daten über das augenverätzende/-reizende Potenzial von strukturell verwandten Stoffen oder Gemischen aus diesen Stoffen aus Untersuchungen an Menschen und/oder Tieren vor, kann davon ausgegangen werden, dass die zu beurteilende Prüfchemikalie die gleichen Reaktionen hervorrufen wird. In diesen Fällen braucht die Chemikalie nicht getestet zu werden. Für die Zwecke der sequenziellen Prüfstrategie reichen negative Daten aus Untersuchungen an strukturell verwandten Stoffen oder Gemischen als Nachweis für ein Nichtvorhandensein augenverätzender/-reizender Wirkungen nicht aus. Zur Ermittlung des Verätzungs- und Reizungspotenzials in Bezug auf die Haut und die Augen sollten validierte und anerkannte SAR-Verfahren herangezogen werden.

Physikalisch-chemische Eigenschaften und chemische Reaktivität (Stufe 3)

Stoffe mit extremen pH-Werten (≤ 2,0 bzw. ≥ 11,5) können starke lokale Reaktionen hervorrufen. Gilt ein extremer pH-Wert als Anhaltspunkt für die augenverätzende oder -reizende Wirkung einer Chemikalie, so kann deren saure/alkalische Reserve (Pufferkapazität) ebenfalls berücksichtigt werden (5) (6) (7). Lässt die Pufferkapazität darauf schließen, dass eine Chemikalie möglicherweise keine augenverätzende Wirkung hat (d. h. Chemikalien mit extremem pH-Wert und geringer saurer/alkalischer Reserve), sollten weitere Prüfungen zur Bestätigung dieser Vermutung durchgeführt werden. Dafür eignen sich validierte und anerkannte In-vitro- oder Ex-vivo-Tests (siehe Punkt 10).

Einbeziehung anderer vorhandener Informationen (Stufe 4)

In dieser Phase sollen alle verfügbaren Informationen über die systemische Toxizität bei Applikation auf die Haut bewertet werden. Die akute dermale Toxizität der Prüfchemikalie sollte ebenfalls beurteilt werden. Hat sich die Prüfchemikalie bei Hautkontakt als sehr giftig erwiesen, braucht sie nicht am Auge getestet zu werden. Auch wenn nicht unbedingt ein Zusammenhang zwischen akuter dermaler Toxizität und Augenreizung/-verätzung besteht, kann davon ausgegangen werden, dass ein Stoff, der bei Hautapplikation sehr giftig ist, auch beim Einträufeln in das Auge eine starke Toxizität aufweist. Diese Daten können auch zwischen den Stufen 2 und 3 bewertet werden.

Bewertung des Hautverätzungspotenzials der Chemikalie, sofern auch unter gesetzgeberischen Aspekten erforderlich (Stufe 5)

Zunächst sollte das Potenzial zur Hautverätzung und starken Hautreizung nach Prüfmethode B.4 (4) und der zugehörigen Ergänzung (8) bewertet werden, auch anhand der validierten und international anerkannten In-vitro-Tests auf hautverätzende Wirkung (9) (10) (11). Wird der Nachweis erbracht, dass die Chemikalie Verätzungen oder schwere Hautreizungen verursacht, so kann sie auch als Chemikalie mit augenverätzenden oder stark augenreizenden Eigenschaften betrachtet werden. In diesem Falle sind keine weiteren Tests erforderlich. Verursacht die Chemikalie keine Verätzung oder starke Reizung der Haut, sollte ein In-vitro- oder Ex-vivo-Augentest durchgeführt werden.

Ergebnisse von In-vitro- oder Ex-vivo-Tests (Stufe 6)

Chemikalien, deren verätzende oder stark reizende Eigenschaften in validierten und international anerkannten, auf die Ermittlung der Augenverätzung/-reizung ausgerichteten In-vitro- oder Ex-vivo-Tests (12) (13) nachgewiesen wurden, müssen nicht an Tieren getestet zu werden. Es kann davon ausgegangen werden, dass diese Substanzen in vivo vergleichbar schwere Wirkungen hervorrufen werden. Stehen validierte und anerkannte In-vitro-/Ex-vivo-Tests nicht zur Verfügung, sollte die Stufe 6 übersprungen und es sollte direkt zu Stufe 7 übergegangen werden.

In-vivo-Test an Kaninchen (Stufen 7 und 8)

Vor dem eigentlichen In-vivo-Augentest sollte zunächst ein Vorversuch an nur einem Tier durchgeführt werden. Es sollten keine weiteren Tests erfolgen, wenn der Vorversuch ergibt, dass die Chemikalie schwere Augenreizungen oder -verätzungen hervorruft. Liefert der Vorversuch keine Anhaltspunkte für eine ätzende Wirkung oder schwere Reizungen, wird ein Bestätigungstest an zwei weiteren Tieren durchgeführt. Abhängig von den Ergebnissen des Bestätigungstests müssen gegebenenfalls weitere Tests durchgeführt werden. [siehe Prüfmethode B.5]

PRÜF-UND BEWERTUNGSSTRATEGIE: AUGENREIZUNG/-VERÄTZUNG



 

Stufe

Ergebnis

Schlussfolgerung

1

Bereits vorliegende Daten aus Untersuchungen am Menschen und/oder an Tieren und/oder In-vitro-Daten aus validierten und international anerkannten Methoden belegen Wirkungen auf das Auge

Schwere Augenschäden

Apikaler Endpunkt; gilt als augenverätzend. Keine Prüfung erforderlich.

Augenreizend

Apikaler Endpunkt; gilt als augenreizend. Keine Prüfung erforderlich.

Nicht augenverätzend/nicht augenreizend

Apikaler Endpunkt; gilt als nicht augenverätzend oder -reizend. Keine Prüfung erforderlich.

Bereits vorliegende Daten aus Untersuchungen am Menschen und/oder an Tieren und/oder In-vitro-Daten aus validierten und international anerkannten Methoden belegen ätzende Wirkungen auf die Haut

Hautverätzend

Vermutlich augenverätzend. Keine Prüfung erforderlich.

Bereits vorliegende Daten aus Untersuchungen am Menschen und/oder an Tieren und/oder In-vitro-Daten aus validierten und international anerkannten Methoden belegen schwere hautreizende Wirkungen

Stark hautreizend

Vermutlich augenreizend. Keine Prüfung erforderlich.

 

 

Keine Informationen vorhanden bzw. vorhandene Informationen nicht schlüssig

 

 

 

 

2

Durchführung einer SAR-Analyse auf augenverätzende/-reizende Wirkung

schwere Augenschädigung vorhersehbar

Vermutlich augenverätzend. Keine Prüfung erforderlich.

Augenreizung vorherabsehbar

Vermutlich augenreizend. Keine Prüfung erforderlich.

Prüfung einer SAR-Analyse auf hautverätzende/-reizende Wirkung

Hautverätzung vorhersehbar

Vermutlich augenverätzend. Keine Prüfung erforderlich.

 

 

Vorhersagen nicht möglich bzw. Vorhersagen nicht schlüssig oder negativ

 

 

 

 

3

Messung pH-Wert (ggf. unter Berücksichtigung der Puffer-kapazität)

pH ≤ 2 oder ≥ 11,5 (ggf. mit hoher Pufferkapazität)

Vermutlich augenverätzend. Keine Prüfung erforderlich.

 

 

2 < pH < 11,5 oder ggf. pH ≤ 2,0 oder ≥ 11,5 mit geringem/ohne Pufferungsvermögen

 

 

 

 

4

Prüfung bereits vorliegender Daten zur systemischen Toxizität nach Applikation auf die Haut

Sehr toxisch bei Konzentrationen, die für Augentests genutzt werden.

Kein Test, weil Chemikalie zu giftig. Keine Prüfung erforderlich.

 

 

Keine entsprechenden Angaben vorhanden bzw. Chemikalie ist nicht sehr giftig.

 

 

 

 

5

Versuch zur Bewertung des Hautverätzungspotenzials nach Prüfstrategie in Kapitel B.4 dieses Anhangs, sofern auch unter gesetzgeberischen Aspekten erforderlich

Verätzung bzw. schwere Reizung

Vermutlich augenverätzend. Keine weitere Prüfung erforderlich.

 

 

Chemikalie ruft keine Hautverätzung oder schwere Hautreizung hervor

 

 

 

 

6

Durchführung validierter und anerkannter In-vitro- oder Ex-vivo- Augentest(s)

Verätzung bzw. schwere Reizung

Vermutlich augenverätzend oder schwer augenreizend, vorausgesetzt, der durchgeführte Test ist zur Ermittlung ätzender/schwer reizender Stoffe geeignet und die Chemikalie fällt in den Anwendungsbereich des Tests. Keine weitere Prüfung erforderlich.

Reizung

Vermutlich augenreizend, vorausgesetzt, der/die durchgeführte(n) Test(s) ist (sind) zur Ermittlung ätzender, schwer reizender und reizender Stoffe geeignet und Chemikalie fällt in den Anwendungsbereich des/der Tests. Keine weitere Prüfung erforderlich.

Keine Reizung

Vermutlich nicht augenreizend, vorausgesetzt, der/die durchgeführte(n) Test(s) ist (sind) zur Ermittlung nichtreizender Stoffe sowie zur Unterscheidung von reizenden, schwer reizenden oder augenverätzenden Stoffen geeignet und die Chemikalie fällt in den Anwendungsbereich des Tests. Keine weitere Prüfung erforderlich.

 

 

Validierte und anerkannte In-vitro- oder Ex-vivo-Augentest(s) eignen sich nicht für Schlussfolgerungen

 

 

 

 

7

Durchführung des In-vivo-Vorversuchs an einem Kaninchen

Schwere Augenschäden

Vermutlich augenverätzend. Keine weitere Prüfung erforderlich.

 

 

Keine schwere Schädigung bzw. keine Reaktion

 

 

 

 

8

Durchführung des Bestätigungstests an ein oder zwei weiteren Tieren

Ätzend oder reizend

Vermutlich augenverätzend oder augenreizend. Keine weitere Prüfung erforderlich.

Weder ätzend noch reizend

Vermutlich weder augenreizend noch augenverätzend. Keine weitere Prüfung erforderlich.

LITERATURHINWEISE

(1) OECD (1996) OECD Test Guidelines Programme: Final Report of the OECD Workshop on Harmonization of Validation and Acceptance Criteria for Alternative Toxicological Test Methods. Solna, Schweden, 22.-24. Januar 1996 (http://www.oecd.org/ehs/test/background.htm).

(2) OECD (1998) Harmonized Integrated Hazard Classification System for Human Health and Environmental Effects of Chemical Substances, bestätigt auf der 28. Gemeinsamen Tagung des Chemikalien-Ausschusses und der Arbeitsgruppe Chemikalien, November 1998 (http://www.oecd.org/ehs/Class/HCL6.htm).

(3) Worth, A.P. and Fentem J.H. 1999. A General Approach for Evaluating Stepwise Testing Strategies. ATLA 27, 161-177.

(4) Kapitel B.4 dieses Anhangs, Akute Hautreizung/-verätzung.

(5) Young, J.R., How, M.J., Walker, A.P., Worth W.M.H. (1988) Classification as Corrosive or Irritant to Skin of Preparations Containing Acidic or Alkaline Substance Without Testing on Animals. Toxicol. In Vitro, 2, 19-26.

(6) Fentem, J.H., Archer, G.E.B., Balls, M., Botham, P.A., Curren, R.D., Earl, L.K., Edsail, D.J., Holzhutter, H.G. and Liebsch, M. (1998) The ECVAM international validation study on in vitro tests for skin corrosivity. 2. Results and evaluation by the Management Team. Toxicology in vitro 12, 483-524.

(7) Neun, D.J. (1993) Effects of Alkalinity on the Eye Irritation Potential of Solutions Prepared at a Single pH. J. Toxicol. Cut. Ocular Toxicol. 12, 227-231.

(8) Ergänzung zu Kapitel B.4 dieses Anhangs, Sequenzielle Prüfstrategie für Augenreizungen und -verätzungen.

(9) Kapitel B.40 dieses Anhangs, In-vitro-Prüfung auf hautätzende Wirkung: TER-Test (Transcutaneous Electrical Resistance Test).

(10) Kapitel B.40 dieses Anhangs, In-vitro-Prüfung auf hautätzende Wirkung: Test mit einem menschlichen Hautmodell.

(11) OECD (2006), Test No. 435: In vitro Membrane Barrier Test Method for Skin corrosion, OECD-Prüfrichtlinie für Chemikalienprüfungen, Abschnitt 4, OECD, Paris.

(12) Kapitel B.47 dieses Anhangs, Trübungs- und Durchlässigkeitstest an der Rinderhornhaut zwecks Identifizierung von i) Chemikalien, die schwere Augenschäden verursachen, und ii) Chemikalien, die keine Einstufung als augenreizend oder schwer augenschädigend erfordern.

(13) Kapitel B.48 dieses Anhangs, Test am isolierten Hühnerauge zur Identifizierung von i) Chemikalien, die schwere Augenschäden verursachen, und ii) Chemikalien, die keine Einstufung als augenreizend oder schwer augenschädigend erfordern.

▼B

B.6.   SENSIBILISIERUNG DER HAUT

1.   METHODE

1.1.   EINLEITUNG

Bemerkungen

Die Empfindlichkeit und Fähigkeit von Tests, potenzielle Sensibilisatoren der menschlichen Haut zu ermitteln, sind von besonderer Bedeutung für ein Klassifizierungssystem der Toxizität im Bereich des öffentlichen Gesundheitswesens.

Es gibt kein alleiniges Prüfverfahren, das geeignet ist, alle Substanzen mit einer potenziellen Sensibilisierungswirkung auf die menschliche Haut hinreichend zu ermitteln, und das zudem für alle Substanzen relevant ist.

Bei der Auswahl eines Tests sind Faktoren wie die physikalischen Eigenschaften einer Substanz, einschließlich ihrer Fähigkeit, die Haut zu durchdringen, zu berücksichtigen.

Es wurden zwei Arten von Tests mit Meerschweinchen entwickelt: die Adjuvans-Tests, bei denen ein allergischer Zustand durch Auflösung oder Suspension der Prüfsubstanz im kompletten Freundschen Adjuvans (FCA) potenziert wird, und die Tests ohne Adjuvans.

Die Adjuvans-Tests haben bei der Bestimmung einer wahrscheinlichen Hautsensibilisierungswirkung einer Substanz beim Menschen voraussichtlich eine größere Vorhersagewahrscheinlichkeit als Methoden ohne das komplette Freundsche Adjuvans. Sie sind daher die bevorzugten Tests.

Bei dem Maximierungstest am Meerschweinchen (GPMT) handelt es sich um ein weit verbreitetes Adjuvans-Verfahren. Obwohl es noch zahlreiche andere Verfahren gibt, mit deren Hilfe sich feststellen lässt, ob eine Substanz eine Sensibilisierungsreaktion der Haut hervorzurufen vermag, gilt der GPMT als der bevorzugte Adjuvans-Test.

Bei zahlreichen chemischen Substanzklassen gelten die Tests ohne Adjuvans (von denen der Bühler-Test der bevorzugte ist) als weniger empfindlich.

In bestimmten Fällen kann es gute Gründe für die Wahl des Bühler-Tests geben, bei dem die äußerliche Applikation Anwendung findet, anstelle der intradermalen Injektion beim Maximierungstest am Meerschweinchen. Die Anwendung des Bühler-Tests sollte wissenschaftlich begründet werden.

In der vorliegenden Methode werden der Meerschweinchen-Maximierungstest (GPMT) und der Bühler-Test beschrieben. Andere Tests können verwendet werden, sofern sie gut validiert sind und eine wissenschaftliche Begründung gegeben wird.

Wenn ein positives Ergebnis mit einem anerkannten Screening-Test erhalten wird, kann eine Testsubstanz als potenziell sensibilisierend bewertet werden. Somit kann ein weiterer Test mit Meerschweinchen nicht notwendig sein. Wird aber ein negatives Ergebnis mit einem Screening-Test erhalten, ist ein Test mit Meerschweinchen entsprechend dem hier beschriebenen Verfahren durchzuführen.

Siehe auch allgemeine Einleitung zu Teil B.

1.2.   DEFINITIONEN

Hautsensibilisierung: (allergische Kontaktdermatitis) immunologisch vermittelte Hautreaktion auf eine Substanz. Beim Menschen kann die Reaktion gekennzeichnet sein durch Pruritus, Erytheme, Ödeme, Papula, Vesiculae, Bullae oder eine Kombination dieser Erscheinungen. Bei anderen Spezies können die Reaktionen anderer Art sein und nur aus Erythemen und Ödemen bestehen.

Induktionsexposition: experimentelle Exposition eines Probanden gegenüber einer Prüfsubstanz mit der Absicht, eine Überempfindlichkeit zu induzieren.

Induktionsphase: Zeitraum von mindestens einer Woche nach einer Induktionsexposition, während dem sich eine Überempfindlichkeit entwickeln kann.

Provokationsexposition: experimentelle Exposition eines zuvor behandelten Tieres gegenüber einer Prüfsubstanz nach einer Induktionsphase, um zu bestimmen, ob das Tier überempfindlich reagiert.

1.3.   BEZUGSSUBSTANZEN

Die Empfindlichkeit und Zuverlässigkeit des verwendeten Testverfahrens sollte alle sechs Monate unter Verwendung von Substanzen mit bekannten leichten bis mittelgradigen hautsensibilisierenden Eigenschaften überprüft werden.

In einem ordnungsgemäß durchgeführten Test ist bei leichten/mittelgradigen Sensibilisatoren eine Reaktion von mindestens 30 % (Adjuvans-Test) bzw. mindestens 15 % (Test ohne Adjuvans) zu erwarten.

Die folgenden Substanzen werden bevorzugt:



CAS-Nummer

EINECS-Nummer

EINECS-Bezeichnungen

Freinamen

101-86-0

202-983-3

α -Hexylcinnam-aldehyd

α-Hexyl-cinnamaldehyd

149-30-4

205-736-8

Benzothiazol-2-thiol (Mercaptobenzothiazol)

Kaptax

94-09-7

202-303-5

Benzocain

Norcain

Unter bestimmten Umständen können bei entsprechender Begründung andere Kontrollsubstanzen, die die obigen Kriterien erfüllen, verwendet werden.

1.4.   PRINZIP DER PRÜFMETHODE

Die Versuchstiere werden zunächst durch intradermale Injektion und/oder epidermale Applikation der Prüfsubstanz ausgesetzt (Induktionsexposition). Nach einer Ruhephase von 10 bis 14 Tagen (Induktionsphase), in deren Verlauf sich eine Immunreaktion entwickeln kann, werden die Tiere einer Provokationsdosis ausgesetzt. Ausmaß und Grad der Hautreaktion auf die Provokationsexposition bei den Versuchstieren wird mit der Reaktion bei Kontrolltieren verglichen, die einer Scheininduktion unterzogen wurden und die Provokationsexposition erhalten.

1.5.   BESCHREIBUNG DER PRÜFMETHODEN

Wenn die Entfernung der Prüfsubstanz für notwendig erachtet wird, sollte dies mit Hilfe von Wasser oder einem geeigneten Lösungsmittel geschehen, ohne dass die vorhandene Reaktion bzw. die Unversehrtheit der Epidermis beeinträchtigt wird.

1.5.1.    Meerschweinchen-Maximierungstest (GPMT)

1.5.1.1.    Vorbereitungen

Gesunde junge erwachsene Albino-Meerschweinchen werden vor dem Test für die Dauer von mindestens 5 Tagen an die Laborbedingungen akklimatisiert. Vor Testbeginn werden die Tiere randomisiert und den Behandlungsgruppen zugeteilt. Die Behaarung wird je nach Prüfmethode durch Scheren, Rasieren oder, falls möglich, chemische Enthaarung entfernt. Dabei ist darauf zu achten, dass es nicht zu Hautabschürfungen kommt. Die Tiere werden vor Testbeginn und nach Abschluss des Tests gewogen.

1.5.1.2.    Versuchsbedingungen

1.5.1.2.1.   Versuchstiere

Es werden gängige Laborstämme des Albino-Meerschweinchens verwendet.

1.5.1.2.2.   Anzahl und Geschlecht

Es können männliche und/oder weibliche Tiere verwendet werden. Die weiblichen Tiere dürfen weder geworfen haben noch trächtig sein.

Die behandelte Gruppe besteht aus mindestens 10 Tieren, die Kontrollgruppe aus mindestens 5 Tieren. Wenn weniger als 20 Tiere in der Prüfgruppe und 10 Tiere in der Kontrollgruppe verwendet wurden und es nicht möglich ist, zu entscheiden, ob die Prüfsubstanz sensibilisierend wirkt, sind Prüfungen an weiteren Tieren unbedingt zu empfehlen, bis insgesamt mindestens 20 Tiere in der Prüfgruppe und 10 Kontrolltiere getestet sind.

1.5.1.2.3.   Dosierungen

Die für jede Induktionsexposition verwendete Konzentration der Prüfsubstanz sollte systemisch gut verträglich sein, und es sollte sich um die höchste Dosis handeln, die noch eine leichte bis mittelgradige Hautreizung hervorruft. Die für die Provokationsexposition verwendete Konzentration sollte die höchste nicht reizende Dosis sein. Wenn notwendig, können die entsprechenden Konzentrationen mit einer Pilotstudie unter Verwendung von zwei bis drei Tieren ermittelt werden. Für diesen Zweck kommt die Verwendung von FCA-behandelten Tieren in Betracht.

1.5.1.3.    Versuchsdurchführung

1.5.1.3.1.   Induktion

Tag 0 — behandelte Gruppe

Drei paarweise Injektionen von 0,1 ml werden jeweils rechts und links von der Mittellinie intradermal in die enthaarte Schulterregion injiziert.

Injektion 1: 1:1-Mischung (v/v) aus FCA/Wasser oder physiologischer Kochsalzlösung;

Injektion 2: Prüfsubstanz in geeignetem Vehikel in der gewählten Konzentration;

Injektion 3: Prüfsubstanz in der gewählten Konzentration in einer 1:1-Mischung (v/v) aus FCA/Wasser oder physiologischer Kochsalzlösung.

Bei der Injektion 3 werden die wasserlöslichen Substanzen vor der Mischung mit FCA in der wässrigen Phase gelöst. Fettlösliche oder unlösliche Substanzen werden vor der Zugabe der wässrigen Phase in FCA suspendiert. Die Endkonzentration der Prüfsubstanz entspricht der der Injektion 2.

Die Injektionen 1 und 2 werden nahe beieinander im kranialen Teil, die Injektion 3 im kaudalen Teil des Applikationsbereichs gesetzt.

Tag 0 — Kontrollgruppe

Drei paarweise Injektionen von 0,1 ml werden an denselben Stellen wie bei den behandelten Tieren injiziert.

Injektion 1: 1:1-Mischung (v/v) aus FCA/Wasser oder physiologischer Kochsalzlösung;

Injektion 2: unverdünntes Vehikel;

Injektion 3: 50 %ige Zubereitung (w/v) des Vehikels in einer 1:1-Mischung (v/v) aus FCA/Wasser oder physiologischer Kochsalzlösung.

Tag 5-7 — behandelte und Kontrollgruppe

Etwa 24 Stunden vor der topischen Induktionsapplikation wird, wenn die Substanz nicht hautreizend ist, der kurzgeschorene oder rasierte Applikationsbereich mit 0,5 ml Natriumlaurylsulfat 10 % in Vaseline bestrichen, um eine örtliche Reizung hervorzurufen.

Tag 6-8 — behandelte Gruppe

Der Applikationsbereich wird erneut enthaart. Ein Filterpapier (2 × 4 cm) wird vollständig mit der Prüfsubstanz in einem geeigneten Vehikel beladen, auf den Applikationsbereich aufgetragen und mit einem Okklusivverband für 48 Stunden fixiert. Die Wahl des Vehikels ist zu begründen. Feststoffe werden fein pulverisiert und in ein geeignetes Vehikel eingebracht. Flüssigkeiten können ggf. unverdünnt appliziert werden.

Tag 6-8 — Kontrollgruppe

Der Applikationsbereich wird erneut enthaart. Das Vehikel allein wird in entsprechender Weise auf den Applikationsbereich aufgebracht und mit einem Okklusivverband für 48 Stunden fixiert.

1.5.1.3.2.   Provokation

Tag 20-22 — behandelte und Kontrollgruppe

Die Flanken der behandelten Tiere und der Kontrolltiere werden enthaart. Ein Läppchen oder eine Kammer mit der Prüfsubstanz wird auf eine Flanke der Tiere aufgebracht, und ein Läppchen oder eine Kammer mit dem Vehikel allein kann ggf. auf die andere Flanke aufgetragen werden. Die Läppchen werden mit einem Okklusivverband für 24 Stunden in Kontakt mit der Haut gehalten.

1.5.1.3.3.   Beobachtung und Bewertung: behandelte Gruppe und Kontrollgruppe

 etwa 21 Stunden nach Entfernung des Läppchens wird der Provokationsbereich gereinigt und kurzgeschoren und/oder rasiert und bei Bedarf depiliert;

 etwa 3 Stunden später (etwa 48 Stunden nach Beginn der Provokationsexposition) wird die Hautreaktion bewertet und gemäß den in der Anlage aufgeführten Schweregraden dokumentiert;

 etwa 24 Stunden nach dieser Beobachtung erfolgt eine zweite Beobachtung (72 Stunden nach Beginn), die ebenfalls dokumentiert wird.

Es empfiehlt sich eine Blindablesung der behandelten Tiere und der Kontrolltiere.

Falls eine Klärung der Ergebnisse der ersten Provokation erforderlich ist, sollte eine zweite Provokation (d. h. eine Reprovokation), ggf. mit einer neuen Kontrollgruppe, etwa eine Woche nach der ersten in Betracht gezogen werden. Eine Reprovokation kann auch mit der ursprünglichen Kontrollgruppe durchgeführt werden.

Alle Hautreaktionen und auffälligen Befunde, einschließlich systemischer Reaktionen, infolge der Induktion und der Provokation sollten beobachtet und entsprechend der Bewertungsskala nach Magnusson/Kligman (siehe Anlage) dokumentiert werden. Weitere Verfahren, wie z. B. die histopathologische Untersuchung oder die Messung der Hautfaltendicke, können verwendet werden, um zweifelhafte Reaktionen zu klären.

1.5.2.    Bühler-Test

1.5.2.1.    Vorbereitungen

Gesunde junge erwachsene Albino-Meerschweinchen werden vor dem Test für die Dauer von mindestens 5 Tagen an die Laborbedingungen akklimatisiert. Vor Testbeginn werden die Tiere randomisiert und den Behandlungsgruppen zugeteilt Die Behaarung wird je nach Prüfmethode durch Scheren, Rasieren oder, falls möglich, chemische Enthaarung, entfernt. Dabei ist darauf zu achten, dass die Haut nicht verletzt wird. Die Tiere werden vor Testbeginn und nach Abschluss des Tests gewogen.

1.5.2.2.    Versuchsbedingungen

1.5.2.2.1.   Versuchstiere

Es werden gängige Laborstämme des Albino-Meerschweinchens verwendet.

1.5.2.2.2.   Anzahl und Geschlecht

Es können männliche und/oder weibliche Tiere verwendet werden. Die weiblichen Tiere dürfen weder geworfen haben noch trächtig sein.

Die behandelte Gruppe besteht aus mindestens 20 Tieren, die Kontrollgruppe aus mindestens 10 Tieren.

1.5.2.2.3.   Dosierungen

Die für jede Induktionsexposition verwendete Konzentration der Prüfsubstanz sollte die höchstmögliche Dosis sein, die noch eine leichte, aber nicht zu starke Hautreizung hervorruft. Die für die Provokationsexposition verwendete Konzentration sollte die höchste nicht reizende Dosis sein. Wenn notwendig, können die entsprechenden Konzentrationen mit einer Pilotstudie unter Verwendung von zwei bis drei Tieren ermittelt werden.

Bei wasserlöslichen Prüfsubstanzen ist es zweckmäßig, Wasser oder eine verdünnte, nicht reizende Surfactant-Lösung als Vehikel zu verwenden. Bei sonstigen Prüfsubstanzen wird 80 % Ethanol/Wasser für die Induktion und Azeton für die Provokation bevorzugt.

1.5.2.3.    Versuchsdurchführung

1.5.2.3.1.   Induktion

Tag 0 — behandelte Gruppe

Eine Flanke wird enthaart (kurzgeschoren). Das Testläppchensystem sollte vollständig mit der Prüfsubstanz in einem geeigneten Vehikel beladen sein (die Auswahl des Vehikels muss begründet sein; flüssige Prüfsubstanzen können ggf. unverdünnt aufgetragen werden).

Das Testläppchen wird auf den Applikationsbereich aufgetragen und durch ein Okklusivpflaster oder eine Okklusivkammer und einen geeigneten Verband für 6 Stunden in Kontakt mit der Haut gehalten.

Das Testläppchensystem muss okklusiv sein. Eine runde oder quadratische Wattekompresse ist geeignet, sollte aber mindestens 4-6 cm2 groß sein. Die Fixierung der Tiere mit einem geeigneten Fixator wird jedoch zur Okklusion bevorzugt. Bei Verwendung einer Umhüllung sind unter Umständen weitere Expositionen erforderlich.

Tag 0 — Kontrollgruppe

Eine Flanke wird enthaart (kurzgeschoren). Das Vehikel allein wird auf die gleiche Weise wie bei der behandelten Gruppe aufgebracht. Das Testläppchensystem wird durch ein Okklusivpflaster bzw. eine Okklusivkammer und einen geeigneten Verband für 6 Stunden in Kontakt mit der Haut gehalten. Wenn nachweisbar ist, dass eine scheinbehandelte Kontrollgruppe nicht erforderlich ist, kann eine unbehandelte Kontrollgruppe verwendet werden.

Tage 6-8 und 13-15 — behandelte Gruppe und Kontrollgruppe

Dieselbe Applikation wie am Tag 0 erfolgt am Tag 6-8 sowie erneut am Tag 13-15 auf demselben Applikationsbereich (bei Bedarf enthaart) derselben Flanke.

1.5.2.3.2.   Provokation

Tag 27-29 — behandelte Gruppe und Kontrollgruppe

Die unbehandelte Flanke der behandelten Tiere und der Kontrolltiere wird enthaart (kurz geschoren). Ein Okklusivpflaster bzw. eine Okklusivkammer mit der entsprechenden Menge an Prüfsubstanz wird in der maximalen nicht hautreizenden Konzentration auf die hintere unbehandelte Flanke der behandelten Tiere und der Kontrolltiere aufgetragen.

Gegebenenfalls kann ein Okklusivpflaster bzw. eine Okklusivkammer mit dem Vehikel allein auf die vordere unbehandelte Flanke der behandelten Tiere und der Kontrolltiere aufgetragen werden. Die Läppchen bzw. Kammern werden mit einem geeigneten Verband für 6 Stunden in Kontakt mit der Haut gehalten.

1.5.2.3.3.   Beobachtung und Bewertung

 etwa 21 Stunden nach Entfernung des Läppchens wird der Provokationsbereich enthaart;

 etwa 3 Stunden später (etwa 30 Stunden nach Applikation des Provokationspflasters) werden die Hautreaktionen bewertet und gemäß den in der Anlage aufgeführten Schweregraden dokumentiert;

 etwa 24 Stunden nach dieser ersten Beobachtung (d. h. 54 Stunden nach Applikation des Provokationspflasters) werden die Hautreaktionen erneut bewertet und dokumentiert.

Es empfiehlt sich eine Blindablesung der behandelten Tiere und der Kontrolltiere.

Falls eine Klärung der Ergebnisse der ersten Provokation erforderlich ist, sollte eine zweite Provokation (d. h. eine Reprovokation), ggf. mit einer neuen Kontrollgruppe, etwa eine Woche nach der ersten in Betracht gezogen werden. Eine Reprovokation kann auch mit der ursprünglichen Kontrollgruppe durchgeführt werden.

Alle Hautreaktionen und auffälligen Befunde, einschließlich systemischer Reaktionen, infolge der Induktion und der Provokation sollten beobachtet und entsprechend der Bewertungsskala nach Magnusson/Kligman (siehe Anlage) dokumentiert werden. Weitere Verfahren, wie z. B. die histopathologische Untersuchung oder die Messung der Hautfaltendicke, können verwendet werden, um zweifelhafte Reaktionen zu klären.

2.   DATEN (GPMT und Bühler-test)

Die Daten sind in tabellarischer Form zusammenzufassen. Aus den Daten müssen für jedes Versuchstier die Hautreaktionen zu jedem Beobachtungszeitpunkt hervorgehen.

3.   ABSCHLUSSBERICHT (GPMT und Bühler-test)

Wenn ein Screening-Test (z. B. Lokaler Lymphknotentest [LLNA], Maus-Ohrschwellungstest [MEST]) vor dem Meerschweinchentest durchgeführt wird, muss die Beschreibung oder Literaturstelle des Tests mit Angaben zum Verfahren neben den mit den Prüf- und Referenzsubstanzen gewonnenen Ergebnissen angegeben werden.

Prüfbericht (GPMT und Bühler-Test)

Der Prüfbericht soll nach Möglichkeit folgende Angaben enthalten:

Versuchstiere:

 verwendeter Meerschweinchenstamm;

 Anzahl, Alter und Geschlecht der Tiere;

 Herkunft, Haltungsbedingungen, Futter usw.;

 Gewicht der einzelnen Tiere bei Beginn der Prüfung.

Prüfbedingungen:

 Methode der Vorbereitung der Applikationsstelle;

 Angaben zur Art der verwendeten Läppchen sowie zur Patching-Technik;

 Ergebnis der Pilotstudie mit den für den eigentlichen Test ermittelten Induktions- und Provokationskonzentrationen,

 Angaben zur Vorbereitung, Applikation und Entfernung der Prüfsubstanz;

 Begründung der Auswahl des Vehikels;

 Konzentrationen des Vehikels und der Prüfsubstanz für die Induktions- und die Provokationsexposition sowie applizierte Gesamtmenge an Substanz zur Induktion und Provokation.

Ergebnisse:

 Zusammenfassung der Ergebnisse der letzten Überprüfung der Empfindlichkeit und Zuverlässigkeit des Tests (siehe 1.3) mit Angaben über verwendete Substanzen, Konzentrationen und Vehikel;

 Beobachtungen der einzelnen Tiere mit Angabe des Bewertungssystems;

 ausführliche Beschreibung der Art und des Schweregrades der beobachteten Wirkungen;

 eventuelle histopathologische Befunde.

Diskussion der Ergebnisse.

Schlussfolgerungen.

4.   LITERATUR

Diese Methode entspricht der OECD TG 406.

Anlage

TABELLE

Bewertungsskala nach Magnusson/Kligman für Reaktionen auf Provokations-Läppentests

0 = keine sichtbare Veränderung

1 = leichtes oder fleckiges Erythem

2 = mittelgradiges und konfluierendes Erythem

3 = starkes Erythem und Schwellung

▼M4

B.7   28-TAGE-TOXIZITÄTSSTUDIE MIT WIEDERHOLTER ORALER VERABREICHUNG AN NAGETIEREN

EINLEITUNG

1. Diese Prüfmethode entspricht der OECD-Prüfrichtlinie 407 (2008). Die ursprüngliche Prüfrichtlinie 407 wurde 1981 angenommen. 1995 wurde eine überarbeitete Fassung angenommen mit dem Ziel, insbesondere in Bezug auf Neurotoxizität und Immunotoxizität zusätzliche Informationen von den in der Studie verwendeten Tieren zu gewinnen.

2. Die OECD leitete 1998 mit hoher Priorität eine Überarbeitung der bestehenden Prüfrichtlinien und die Ausarbeitung neuer Prüfrichtlinien für Screening und Prüfung potenzieller endokriner Disruptoren ein (8). Ein Aspekt dieser Maßnahme war die Aktualisierung der bestehenden OECD-Prüfrichtlinie für eine „28-Tage-Toxizitätsstudie mit wiederholter oraler Verabreichung an Nagetieren“ (TG 407) durch Parameter, mit denen eine endokrine Wirkung von Prüfsubstanzen festgestellt werden kann. Dieses Verfahren wurde in einem umfangreichen internationalen Programm auf Relevanz und Praktikabilität der zusätzlichen Parameter, ihre Leistungsfähigkeit in Bezug auf chemische Stoffe mit (anti)östrogener, (anti)androgener und (anti)thyroider Wirkung, die Intra- und Interlabor-Reproduzierbarkeit und die Interferenz der neuen Parameter mit den zuvor nach der TG 407 vorgesehenen Parametern geprüft. Die dabei gewonnene umfangreiche Datenmenge wurde in einem umfassenden OECD-Bericht zusammengestellt und ausführlich bewertet (9). Diese aktualisierte Prüfmethode B.7 (die der TG 407 entspricht) ist das Ergebnis der im internationalen Prüfprogramm gesammelten Erfahrungen und Erkenntnisse. Mithilfe dieser Prüfmethode können bestimmte endokrin vermittelte Wirkungen in einen Gesamtzusammenhang mit anderen toxikologischen Wirkungen gestellt werden.

AUSGANGSÜBERLEGUNGEN UND BEGRENZUNGEN

3. Bei der Beurteilung und Bewertung der toxischen Merkmale eines chemischen Stoffs kann die orale Toxizität nach wiederholter Verabreichung des Stoffs bestimmt werden, nachdem zunächst durch Prüfungen auf akute Toxizität erste Toxizitätsdaten gewonnen wurden. Diese Prüfmethode ist dazu bestimmt, die Wirkungen auf ein sehr breites Spektrum potenzieller Toxizitätsziele zu untersuchen. Sie gibt Aufschluss über die möglichen Gesundheitsgefahren, einschließlich der Wirkungen auf das Nervensystem, das Immunsystem und das endokrine System, die durch wiederholte Exposition über einen relativ begrenzten Zeitraum auftreten können. In Bezug auf diese speziellen Endpunkte sollte die Methode es ermöglichen, chemische Stoffe mit neurotoxischem Potenzial, die in dieser Hinsicht eingehender untersucht werden sollten, und chemische Stoffe, die die Physiologie der Schilddrüse beeinflussen, zu identifizieren. Sie kann auch Daten über Stoffe liefern, die die Fortpflanzungsorgane männlicher und/oder weiblicher junger, adulter Tiere beeinträchtigen, und Hinweise auf immunologische Wirkungen geben.

4. Die Ergebnisse dieser Prüfmethode B.7 sollten für die Identifizierung von Gefahren und zur Risikobewertung verwendet werden. Die Ergebnisse in Bezug auf die endokrinen Parameter sind im Kontext des „OECD Conceptual Framework for Testing and Assessment of Endocrine Disrupting Chemicals“ (11) zu interpretieren. Die Methode umfasst die Basisstudie zur Prüfung auf Toxizität bei wiederholter Verabreichung, die für chemische Stoffe, bei denen eine 90-Tage-Studie nicht gerechtfertigt ist (z. B. wenn das Produktionsvolumen bestimmte Grenzen nicht überschreitet), oder als Vorstudie zu einer Langzeitstudie verwendet werden kann. Die Expositionsdauer sollte 28 Tage betragen.

5. Das internationale Programm für die Validierung der Parameter, die geeignet sind, möglicherweise eine endokrine Wirkung einer Prüfsubstanz nachzuweisen, hat gezeigt, dass die Qualität der mit dieser Prüfmethode B.7 gewonnenen Daten weitgehend von der Erfahrung des Prüflabors abhängt. Dies gilt insbesondere für die histopathologische Bestimmung von zyklischen Veränderungen der weiblichen Fortpflanzungsorgane und für die Gewichtsbestimmung bei den kleinen hormonabhängigen Organen, die schwierig zu sezieren sind. Es wurde ein Leitfaden zur Histopathologie entwickelt (19), der auf der öffentlichen OECD-Website für Prüfrichtlinien abrufbar ist. Er soll Pathologen bei Untersuchungen helfen und die Empfindlichkeit der Prüfungen verbessern. Es wurde festgestellt, dass verschiedene Parameter auf endokrine Toxizität hindeuten; diese wurden in die Prüfrichtlinie aufgenommen. Andere Parameter, deren Nutzen wegen unzureichender Daten nicht erwiesen ist oder deren Fähigkeit zur Feststellung endokriner Disruptoren im Validierungsprogramm nur unzureichend belegt wurde, werden als fakultative Endpunkte vorgeschlagen (siehe Anlage 2).

6. Die Ergebnisse des Validierungsprozesses deuten darauf hin, dass diese Prüfung nicht empfindlich genug ist, um alle Stoffe mit (anti)androgener oder (anti)östrogener Wirkungsweise zu identifizieren (9). Diese Prüfmethode wird nicht in einer für endokrine Störungen sehr empfindlichen Lebensphase durchgeführt. Während des Validierungsprozesses konnten zwar Substanzen mit schwacher oder starker Wirkung auf die Schilddrüsenfunktion und solche, die das endokrine System über östrogene oder androgene Rezeptoren mehr oder weniger stark beeinflussen, identifiziert werden; in den meisten Fällen konnten Stoffe mit endokriner Wirkung, die diese Rezeptoren nur geringfügig beeinträchtigen, mit der Methode aber nicht erkannt werden. Aus diesem Grund kann sie nicht als Screening-Test für endokrine Aktivität bezeichnet werden.

7. Die Tatsache, dass keine mit diesen Wirkungsweisen verbundenen Effekte festgestellt werden, ist daher kein Nachweis dafür, dass es keine Wirkungen auf das endokrine System gibt. Die Charakterisierung der Substanz in Bezug auf endokrin vermittelte Wirkungen darf sich deshalb nicht allein auf die Ergebnisse dieser Prüfmethode stützen; es ist vielmehr ein WoE-Ansatz anzuwenden, der alle vorhandenen Daten über einen chemischen Stoff zur Bestimmung seiner potenziellen endokrinen Aktivität einbezieht. Aus diesem Grund dürfen sich Regulierungsentscheidungen über endokrine Aktivität (Charakterisierung von Substanzen) nicht allein auf die Ergebnisse aus der Anwendung dieser Prüfmethode stützen, sondern müssen auf einer breiten Grundlage basieren.

8. Bei allen Verfahren, bei denen Tiere verwendet werden, sind die örtlichen Standards der Versuchstierpflege einzuhalten. Die nachstehenden Beschreibungen der Tierpflege und -behandlung sind Mindeststandards; wenn örtliche Bestimmungen strenger sind, gehen diese vor. Die OECD hat einen Leitfaden über die humane Behandlung von Versuchstieren herausgegeben (14).

9. Die verwendeten Begriffe sind in Anlage 1 definiert.

PRINZIP DER PRÜFMETHODE

10. Die Prüfsubstanz wird mehreren Gruppen von Versuchstieren über einen Zeitraum von 28 Tagen täglich in abgestuften Dosen oral verabreicht, und zwar eine Dosisstufe je Gruppe. Während des Verabreichungszeitraums werden die Tiere täglich sorgfältig auf Toxizitätszeichen beobachtet. Tiere, die im Verlauf der Prüfung sterben, und vorzeitig getötete Tiere werden seziert; die nach Abschluss des Tests überlebenden Tiere werden getötet und ebenfalls seziert. Eine 28-Tage-Studie gibt Aufschluss über die Wirkungen einer wiederholten oralen Exposition und kann Aufschluss darüber geben, ob weitere Studien über längere Zeiträume erforderlich sind. Sie kann auch Informationen über die Wahl der Konzentrationen für Langzeitstudien liefern. Die mit dieser Prüfmethode gewonnenen Daten sollten es ermöglichen, die Toxizität der Prüfsubstanz zu beschreiben, Aufschluss über die Dosis-Wirkungs-Beziehung zu erhalten und den NOAEL (No Observed Adverse Effect Level) zu bestimmen.

BESCHREIBUNG DER METHODE

Auswahl von Versuchstierarten

11. Die bevorzugte Nagetierart ist die Ratte, aber auch andere Nagetierarten sind geeignet. Wenn die in dieser Prüfmethode B.7 genannten Parameter an einer anderen Nagetierart untersucht werden, ist dies ausführlich zu begründen. Es ist zwar biologisch plausibel, dass andere Arten ähnlich auf toxische Stoffe reagieren dürften wie die Ratte, aber die Verwendung kleinerer Arten kann wegen der technisch schwierigeren Sektion kleinerer Organe zu größeren Schwankungen bei den Ergebnissen führen. Im internationalen Validierungsprogramm für den Nachweis von endokrinen Disruptoren wurde nur die Ratte als Versuchstier verwendet. Es sind junge, gesunde, adulte Tiere aus üblicherweise eingesetzten Laborstämmen zu verwenden. Die weiblichen Tiere dürfen weder bereits geworfen haben noch momentan trächtig sein. Mit der Dosierung sollte möglichst bald nach dem Absetzen begonnen werden, auf jeden Fall jedoch, bevor die Tiere 9 Wochen alt sind. Bei Beginn der Studie sollten die Gewichtsunterschiede der Tiere möglichst gering sein und ± 20 % des geschlechtsspezifischen Durchschnittsgewichts nicht überschreiten. Wenn eine Studie mit wiederholter oraler Gabe als Vorstudie zu einer Langzeitstudie durchgeführt wird, sollten in beiden Studien vorzugsweise Tiere desselben Stamms und derselben Herkunft verwendet werden.

Haltung und Fütterung

12. Bei allen Verfahren sind die örtlichen Standards der Versuchstierpflege einzuhalten. Die Temperatur im Tierversuchsraum sollte 22 °C (± 3 °C) betragen. Die relative Luftfeuchtigkeit sollte mindestens 30 % betragen und — außer beim Reinigen des Raums — 70 % nicht überschreiten. Angestrebt werden sollte eine Luftfeuchtigkeit von 50-60 %. Die Beleuchtung sollte künstlich sein und die Hell- und Dunkelphasen sollten sich im Abstand von 12 Stunden abwechseln. An die Versuchstiere kann herkömmliches Laborfutter verfüttert werden, und eine unbegrenzte Trinkwasserversorgung ist zu gewährleisten. Die Auswahl des Futters wird eventuell dadurch beeinflusst, dass eine geeignete Beimischung der Prüfsubstanz sichergestellt werden muss, wenn die Prüfsubstanz auf diese Art verabreicht werden soll. Die Tiere sollten in kleinen gleichgeschlechtlichen Gruppen untergebracht werden; sie können auch einzeln gehalten werden, wenn dies wissenschaftlich gerechtfertigt ist. Bei Gruppenhaltung sollten maximal fünf Tiere in einem Käfig untergebracht sein.

13. Das Futter ist regelmäßig auf Schadstoffe zu analysieren. Eine Probe des Futters ist bis zur Fertigstellung des Abschlussberichts aufzubewahren.

Vorbereitung der Tiere

14. Gesunde, junge, adulte Tiere werden randomisiert und den einzelnen Kontroll- bzw. Behandlungsgruppen zugeteilt. Die Käfige sollten so angeordnet werden, dass etwaige Einflüsse der Käfigplatzierung minimiert werden. Die Tiere werden eindeutig gekennzeichnet und vor Beginn der Behandlungsstudie in ihren Käfigen über einen Zeitraum von mindestens fünf Tagen unter Laborbedingungen eingewöhnt.

Herstellung der Dosen

15. Die Prüfsubstanz wird über eine Schlundsonde, mit der Nahrung oder dem Trinkwasser verabreicht. Die Methode der oralen Verabreichung hängt vom Zweck der Studie und von den physikalischen/chemischen/toxikokinetischen Eigenschaften der Prüfsubstanz ab.

16. Bei Bedarf wird die Prüfsubstanz in einem geeigneten Vehikel gelöst oder suspendiert. Es empfiehlt sich, nach Möglichkeit zunächst die Verwendung einer wässrigen Lösung/Suspension, dann eine Lösung/Suspension in Öl (z. B. Maisöl) und erst dann eine Lösung in einem anderen Vehikel in Betracht zu ziehen. Bei anderen Vehikeln als Wasser müssen seine toxischen Merkmale bekannt sein. Die Stabilität der Prüfsubstanz im Vehikel sollte bestimmt werden.

VERFAHREN

Zahl und Geschlecht der Versuchstiere

17. Für jede Dosisstufe sind mindestens zehn Tiere (fünf weibliche und fünf männliche) zu verwenden. Sollen im Verlauf der Prüfung Tiere getötet werden, ist die Zahl der Tiere um die Zahl zu erhöhen, die vor Abschluss der Studie getötet werden sollen. Zur Beobachtung der Reversibilität, der Persistenz oder des verzögerten Auftretens toxischer Wirkungen für mindestens 14 Tage nach der Behandlung ist die Einbeziehung einer zusätzlichen Satellitengruppe von zehn Tieren (fünf je Geschlecht) in der Kontrollgruppe und in der Gruppe mit der höchsten Dosis in Betracht zu ziehen.

Dosierung

18. Im Allgemeinen sind mindestens drei Prüfgruppen und eine Kontrollgruppe zu verwenden; wenn aber angesichts der Beurteilung anderer Daten bei einer Dosis von 1 000 mg pro kg Körpergewicht und Tag keine Wirkungen zu erwarten sind, kann ein Limit-Test durchgeführt werden. Liegen keine entsprechenden Daten vor, kann eine Dosisfindungsstudie (Tiere desselben Stamms und derselben Herkunft) durchgeführt werden, um die zu verwendenden Dosen zu bestimmen. Abgesehen von der Behandlung mit der Prüfsubstanz sollen die Tiere in der Kontrollgruppe unter identischen Bedingungen behandelt werden wie die Versuchstiere in der Prüfgruppe. Wird die Prüfsubstanz mit einem Vehikel verabreicht, muss die Kontrollgruppe das Vehikel im höchsten verwendeten Volumen erhalten.

19. Bei der Wahl der Dosisstufen sind sämtliche für die Prüfsubstanz oder verwandte Stoffe vorliegenden Daten zur Toxizität und (Toxiko-)Kinetik zu berücksichtigen. Die höchste Dosisstufe ist so zu wählen, dass zwar toxische Wirkungen, aber keine Todesfälle oder schweres Leiden hervorgerufen werden. Anschließend ist eine absteigende Folge von Dosisstufen zu wählen, um dosisabhängige Wirkungen und die niedrigste Dosisstufe ohne zu beobachtende unerwünschte Wirkungen (NOAEL) nachzuweisen. Zwei- bis vierfache Abstände erweisen sich häufig als optimale Dosisabstufungen, und meist ist eine zusätzliche vierte Prüfgruppe der Verwendung von sehr großen Dosisabständen (z. B. um mehr als den Faktor 10) vorzuziehen.

20. Bei allgemeiner Toxizität (z. B. vermindertes Körpergewicht, Wirkungen auf Leber, Herz, Lungen oder Nieren usw.) oder anderen Veränderungen, die möglicherweise keine toxischen Reaktionen sind (z. B. verminderte Futteraufnahme, Lebervergrößerung) sind die beobachteten Wirkungen auf immunologische, neurologische oder endokrine Endpunkte mit Vorsicht zu interpretieren.

Limit-Test

21. Verursacht die Prüfung bei einer Dosisstufe von mindestens 1 000 mg/kg Körpergewicht pro Tag bzw. eine entsprechende Konzentration im Futter oder Trinkwasser (in Abhängigkeit vom jeweiligen Körpergewicht) unter Verwendung der für diese Studie beschriebenen Verfahren keine feststellbaren toxischen Wirkungen und ist aufgrund der Daten strukturverwandter Substanzen keine Toxizität zu erwarten, kann auf eine vollständige Studie mit drei Dosisstufen gegebenenfalls verzichtet werden. Der Limit-Test findet allerdings keine Anwendung, wenn die Exposition des Menschen die Prüfung in einer höheren Dosisstufe angezeigt erscheinen lassen.

Verabreichung der Dosen

22. Die Tiere erhalten die Prüfsubstanz an sieben Tagen in der Woche über einen Zeitraum von 28 Tagen. Wird die Prüfsubstanz über eine Sonde verabreicht, so sollte dies in einer einmaligen Dosis unter Verwendung einer Schlundsonde oder einer geeigneten Intubationskanüle erfolgen. Das maximale Flüssigkeitsvolumen, das einem Versuchstier jeweils verabreicht werden kann, hängt von der Größe des Versuchstiers ab. Das Volumen sollte 1 ml/100 g Körpergewicht nicht überschreiten, außer bei wässrigen Lösungen, von denen 2 ml/100 g Körpergewicht gegeben werden können. Abgesehen von reizenden oder ätzenden Stoffen, die in der Regel bei höheren Konzentrationen eine verstärkte Wirkung hervorrufen, ist die Variabilität des Prüfvolumens dadurch auf ein Mindestmaß zu reduzieren, dass eine Konzentration gewählt wird, die auf allen Dosisstufen ein konstantes Volumen gewährleistet.

23. Bei mit dem Futter oder dem Trinkwasser verabreichten Stoffen ist unbedingt sicherzustellen, dass die Mengen der jeweiligen Prüfsubstanz die normale Nahrungsaufnahme oder den Wasserhaushalt nicht beeinträchtigen. Wenn die Prüfsubstanz im Futter verabreicht wird, kann entweder eine konstante Konzentration im Futter (ppm) oder eine konstante Dosis, bezogen auf das Körpergewicht des Tieres, verwendet werden; die jeweils gewählte Verfahrensweise muss angegeben werden. Eine mit einer Schlundsonde verabreichte Dosis sollte jeweils zu denselben Tageszeiten gegeben und so angepasst werden, dass eine konstante Dosis in Relation zum Körpergewicht aufrechterhalten wird. Wenn eine Studie mit wiederholter Gabe als Vorstudie zu einer Langzeitstudie durchgeführt wird, sollten die beiden Studien bezüglich des Futters der Tiere vergleichbar sein.

Beobachtungen

24. Die Tiere sollten 28 Tage beobachtet werden. Tiere in einer Satellitengruppe, bei denen Nachfolgebeobachtungen vorgesehen sind, sollten für mindestens weitere 14 Tage ohne Behandlung gehalten werden, um ein verzögertes Auftreten, die Persistenz oder die Reversibilität von toxischen Wirkungen festzustellen.

25. Allgemeine klinische Beobachtungen sollten mindestens einmal täglich erfolgen, vorzugsweise jeweils zur gleichen Zeit und unter Berücksichtigung des Zeitraums nach der Verabreichung, in dem voraussichtlich der Wirkungsgipfel zu erwarten ist. Der Gesundheitszustand der Tiere ist zu dokumentieren. Mindestens zweimal täglich werden alle Tiere auf Erkrankungen oder Todesfälle überprüft.

26. Alle Tiere sollten einmal vor der ersten Exposition (um intraindividuelle Vergleiche zu ermöglichen) und danach mindestens einmal wöchentlich eingehend klinisch untersucht werden. Die Beobachtungen sind außerhalb des Käfigs, in dem die Tiere gehalten werden, in stets gleicher Umgebung und vorzugsweise stets zur gleichen Tageszeit vorzunehmen. Sie sind sorgfältig zu dokumentieren, am besten nach einer speziell vom Prüflabor entwickelten Bewertungsskala. Durch geeignete Maßnahmen ist sicherzustellen, dass die Prüfbedingungen möglichst konstant bleiben und dass die Beobachtungen vorzugsweise von Personen vorgenommen werden, denen die Behandlung der Tiere nicht bekannt ist. Zu achten ist insbesondere auf Veränderungen an Haut, Fell, Augen, Schleimhäuten, auf Sekrete und Exkrete sowie autonome Aktivitäten (z. B. Tränensekretion, Piloerektion, Pupillengröße, ungewöhnliche Atemmuster). Gang- und Haltungsstörungen, ferner Reaktionen auf den Umgang mit den Tieren sowie etwaige klonische oder tonische Bewegungen, Stereotypien (z. B. übermäßiges Putzen, wiederholte Kreisbewegungen) oder abnormes Verhalten (z. B. Selbstverstümmelung, Rückwärtsgehen) sollten auch dokumentiert werden (2).

27. In der vierten Expositionswoche sollten die sensorische Reaktivität auf Reize verschiedener Art (2) (z. B. akustische, visuelle und propriozeptive Reize) (3)(4)(5), die Greifkraft (6) und die motorische Aktivität (7) bewertet werden. Weitere Einzelheiten zu den möglichen Untersuchungen finden sich in der Literatur. Allerdings können auch andere als dort genannte Verfahren angewendet werden.

28. Die funktionellen Beobachtungen in der vierten Expositionswoche können entfallen, wenn es sich um eine Vorstudie für eine nachfolgende Prüfung auf subchronische Toxizität (90 Tage) handelt. In diesem Fall sollten die funktionellen Beobachtungen im Rahmen dieser Folgestudie vorgenommen werden. Andererseits könnten die Daten über funktionelle Beobachtungen aus der Studie mit wiederholter Verabreichung aber die Wahl der Dosisstufen für eine nachfolgende Prüfung auf subchronische Toxizität erleichtern.

29. In Ausnahmefällen können funktionelle Beobachtungen auch bei Gruppen entfallen, die so starke sonstige Toxizitätsanzeichen aufweisen, dass die Leistungen in Funktionstests dadurch signifikant beeinträchtigt würden.

30. Bei der Nekropsie kann der Östruszyklus aller weiblichen Tiere (fakultativ) durch Vaginalabstriche bestimmt werden. Diese Beobachtungen geben Aufschluss über die Phase des Östruszyklus zum Zeitpunkt der Tötung und erleichtern die histologische Beurteilung östrogenempfindlicher Gewebe [siehe Leitfaden zur Histopathologie (19)].

Körpergewicht und Futter-/Trinkwasseraufnahme

31. Alle Tiere sind mindestens einmal wöchentlich zu wiegen. Die Futteraufnahme wird mindestens wöchentlich gemessen. Wenn die Prüfsubstanz über das Trinkwasser verabreicht wird, wird auch die Wasseraufnahme mindestens einmal wöchentlich gemessen.

Hämatologische Untersuchung

32. Die folgenden hämatologischen Parameter sind am Ende der Prüfung zu bestimmen: Hämatokrit, Hämoglobinkonzentration, Erythrozytenzahl, Retikulozyten, Gesamt- und Differential-Leukozytenzahl, Thrombozytenzahl und Blutgerinnungszeit/-fähigkeit. Wenn die Prüfsubstanz oder ihre möglichen Metaboliten oxidierende Eigenschaften haben oder diese vermutet werden, sollten zusätzlich die Methämoglobinkonzentration und die Heinz-Körper bestimmt werden.

33. Die Blutproben müssen an einer benannten Stelle unmittelbar vor oder bei der Tötung der Tiere entnommen und fachgerecht gelagert werden. In der Nacht vor der Tötung sollten die Tiere kein Futter erhalten ( 24 ).

Klinisch-biochemische Untersuchungen

34. Zur Untersuchung der wesentlichen toxischen Wirkungen in Geweben und insbesondere der Wirkungen auf Leber und Nieren sollten klinisch-biochemische Parameter in Blutproben aller Tiere bestimmt werden, die unmittelbar vor oder bei der Tötung der Tiere (mit Ausnahme von Tieren, die moribund aufgefunden und/oder vor Beendigung der Studie getötet werden) entnommen werden. Die Plasma- oder Serumuntersuchungen umfassen die Parameter Natrium, Kalium, Glucose, Gesamtcholesterin, Harnstoff, Kreatinin, Gesamtprotein und Albumin, mindestens zwei Enzyme, die auf hepatozelluläre Wirkungen schließen lassen (wie Alanin-Aminotransferase, Aspartat-Aminotransferase, alkalische Phosphatase, γ-Glutamyltranspeptidase und Glutamatdehydrogenase) sowie Gallensäuren. Die Bestimmung weiterer Enzyme (aus Leber oder anderen Organen) sowie von Bilirubin kann unter bestimmten Umständen ebenfalls wertvolle Hinweise liefern.

35. Optional können in der letzten Woche der Studie am Urin, der zu festgelegten Zeiten gesammelt wird, folgende Analysebestimmungen durchgeführt werden: Aussehen, Volumen, Osmolalität oder spezifisches Gewicht, pH-Wert, Protein, Glucose und Blut/Blutzellen.

36. Darüber hinaus sollten Untersuchungen zur Bestimmung von Plasma- oder Serummarkern für eine allgemeine Gewebsschädigung erwogen werden. Des Weiteren sollten, wenn die bekannten Eigenschaften der Prüfsubstanz im Verdacht stehen, die entsprechenden Stoffwechselprofile zu beeinflussen, die Parameter Calcium, Phosphat, Triglyzeride, spezifische Hormone und Cholinesterase bestimmt werden. Die jeweiligen Parameter sind je nach Prüfsubstanzklasse bzw. von Fall zu Fall zu bestimmen.

37. Wenngleich in der internationalen Bewertung der endokrinen Endpunkte kein klarer Vorteil der Bestimmung von Schilddrüsenhormonen (T3, T4) und TSH nachgewiesen werden konnte, kann es hilfreich sein, Plasma- oder Serumproben zur Messung von T3, T4 und TSH (fakultativ) aufzubewahren, wenn es einen Hinweis auf eine Wirkung auf die Hypophysen-Schilddrüsen-Achse gibt. Diese Proben können zur Lagerung bei - 20 °C eingefroren werden. Die folgenden Faktoren können die Variabilität und die absoluten Konzentrationen der Hormonbestimmungen beeinflussen:

 der Zeitpunkt der Tötung wegen Schwankungen der Hormonkonzentrationen im Tagesverlauf,

 Methode der Tötung, die gewählt wird, um übermäßigen Stress für die Tiere zu vermeiden, der die Hormonkonzentrationen beeinflussen könnte,

 Testkits für Hormonbestimmungen mit unterschiedlichen Standardkurven.

Schilddrüsenaktive Substanzen können durch histopathologische Untersuchungen zuverlässiger identifiziert werden als über die Hormonspiegel.

38. Plasmaproben, die speziell zur Hormonbestimmung vorgesehen sind, sollten immer zur gleichen Tageszeit gewonnen werden. Es wird empfohlen, die durch histopathologische Veränderungen der Schilddrüse verursachten T3-, T4- und TSH-Spiegel zu bestimmen. Die verschiedenen im Handel erhältlichen Assay-Kits können bei der Analyse der Hormonkonzentration unterschiedliche numerische Werte ergeben. Aus diesem Grund können möglicherweise keine Leistungskriterien auf der Grundlage einheitlicher historischer Daten angegeben werden. Die Labors sollten stattdessen anstreben, die Variationskoeffizienten für T3 und T4 unter 25 und für TSH unter 35 zu halten. Alle Konzentrationen sind in ng/ml zu protokollieren.

39. Erweisen sich die Daten aus vorangegangenen Versuchen als ungeeignet, sollte eine Bestimmung hämatologischer und klinisch-biochemischer Parameter vor Versuchsbeginn oder vorzugsweise an einer nicht in die Versuchsgruppen einbezogenen Gruppe von Tieren in Betracht gezogen werden.

PATHOLOGIE

Makroskopische Untersuchung

40. Alle an der Studie beteiligten Tiere müssen einer vollständigen, eingehenden makroskopischen Untersuchung unterzogen werden, die die sorgfältige Untersuchung der äußeren Körperoberfläche, aller Körperöffnungen sowie der Schädel-, Brust- und Bauchhöhlen und ihres Inhalts umfasst. Leber, Nieren, Nebennieren, Hoden, Nebenhoden, Prostata und Samenbläschen mit Koagulationsdrüsen als Ganzes, Thymus, Milz, Gehirn und Herz aller Tiere (mit Ausnahme von Tieren, die moribund aufgefunden und/oder vor Beendigung der Studie getötet werden) sind in angemessener Form von anhaftendem Gewebe zu befreien, und ihr Nassgewicht ist so rasch wie möglich nach der Sektion festzustellen, um ein Austrocknen zu verhindern. Bei der Entfernung der anhaftenden Gewebe von der Prostata ist sorgfältig darauf zu achten, die mit Flüssigkeit gefüllten Samenbläschen nicht zu perforieren. Alternativ können Samenbläschen und Prostata auch nach der Fixierung von anhaftendem Gewebe befreit und gewogen werden.

41. Darüber hinaus können fakultativ auch zwei weitere Organe baldmöglichst nach der Sektion gewogen werden, um ein Austrocknen zu verhindern: die Ovarien (Nassgewicht) und der Uterus mit Zervix (Anleitung zur Entfernung und Aufbereitung des Uterusgewebes für die Gewichtsbestimmung in OECD TG 440 (18)).

42. Das Gewicht der Schilddrüse (fakultativ) kann nach der Fixierung bestimmt werden. Anhaftendes Gewebe ist sehr vorsichtig und erst nach der Fixierung zu entfernen, um Gewebeschäden zu vermeiden. Eine Gewebeschädigung könnte die histopathologische Analyse beeinträchtigen.

43. Die folgenden Gewebe sind in dem für die betreffende Gewebeart und die vorgesehene anschließende histopathologische Untersuchung am besten geeigneten Fixierungsmittel aufzubewahren (siehe Nummer 47): alle Gewebe mit makroskopischen Veränderungen, Hirn (typische Regionen einschließlich Cerebrum, Cerebellum und Pons), Rückenmark, Auge, Magen, Dünn- und Dickdarm (mit Peyer’schen-Platten), Leber, Nieren, Nebennieren, Milz, Herz, Thymus, Schilddrüse, Trachea und Lungen (konserviert durch Inflation mit Fixierungsmittel und Immersion), Gonaden (Hoden und Ovarien), akzessorische Geschlechtsorgane (Uterus und Zervix, Nebenhoden, Prostata und Samenbläschen mit Koagulationsdrüsen), Vagina,Harnblase,Lymphknoten [je nach Erfahrung des Labors sollte neben dem proximalsten drainierenden Lymphknoten ein weiterer Lymphknoten entnommen werden (15)], periphere Nerven (N. ischiadicus oder N. tibialis) vorzugsweise in der Nähe des Muskels, Skelettmuskel und Knochen mit Knochenmark (Schnitt oder wahlweise ein frisch fixiertes Knochenmarkaspirat). Es wird empfohlen, die Hoden durch Immersion in Bouin’scher Lösung oder modifizierter Davidson-Lösung zu fixieren (16) (17). Damit das Fixierungsmittel rasch eindringen kann, muss die Tunica albuginea an beiden Enden des Organs vorsichtig und flach mit einer Nadel punktiert werden. Die klinischen und sonstigen Befunde können weitere Gewebeuntersuchungen erforderlich machen. Auch Organe, die aufgrund der bekannten Eigenschaften der Prüfsubstanz als mögliche Zielorgane in Frage kommen, sollten aufbewahrt werden.

44. Die folgenden Gewebe können wichtige Hinweise auf endokrine Wirkungen geben: Gonaden (Ovarien und Hoden), akzessorische Geschlechtsorgane (Uterus mit Zervix, Nebenhoden, Samenbläschen mit Koagulationsdrüsen, Prostata dorsolateral und ventral), Vagina, Hypophose, männliche Brustdrüse, Schilddrüse und Nebennieren. Veränderungen der männlichen Brustdrüsen sind nicht ausreichend dokumentiert, aber dieser Parameter kann sehr empfindlich auf Stoffe mit östrogener Wirkung reagieren. Die Beobachtung von nicht unter Nummer 43 genannten Organen/Geweben ist fakultativ (siehe Anlage 2).

45. Der Leitfaden zur Histopathologie (19) enthält zusätzliche Informationen zur Sektion, Fixierung, Schnittherstellung und Histopathologie endokriner Gewebe.

46. Das internationale Prüfprogramm hat Hinweise darauf ergeben, dass subtile endokrine Wirkungen chemischer Stoffe, die die Homöostase der Geschlechtshormone geringfügig beeinträchtigen können, eher durch die Störung der Synchronisation des Östruszyklus als durch deutliche histopathologische Veränderungen in weiblichen Geschlechtsorganen identifiziert werden können. Wenngleich diese Wirkungen nicht eindeutig nachgewiesen werden konnten, wird empfohlen, Hinweise auf eine mögliche Asynchronie des Östruszyklus bei der Auswertung der histopathologischen Untersuchung von Ovarien (Follikelzellen, Theca-Zellen und Granulosazellen), Uterus, Zervix und Vagina zu berücksichtigen. Falls die Phase des Östruszyklus durch Vaginalabstriche bestimmt wird, kann sie auch in diesen Vergleich einbezogen werden.

Histopathologie

47. Bei allen Tieren der Kontrollgruppe und der Hochdosisgruppe sind die konservierten Organe und Gewebe umfassend histopathologisch zu untersuchen. Diese Untersuchungen sind auch auf die Tiere aller anderen Dosisgruppen auszudehnen, wenn behandlungsbedingte Veränderungen in der Hochdosisgruppe festgestellt werden.

48. Alle makroskopischen Läsionen sind zu untersuchen.

49. Umfasst eine Prüfung auch eine Satellitengruppe, sind bei den Tieren dieser Gruppe die Gewebe und Organe histopathologisch zu untersuchen, bei denen in den Behandlungsgruppen Wirkungen aufgetreten sind.

DATEN UND BERICHTERSTATTUNG

Daten

50. Es sollten Einzeldaten zur Verfügung gestellt werden. Darüber hinaus sollten alle Daten in Form einer Tabelle zusammengefasst werden, aus der für jede Prüfgruppe folgende Angaben hervorgehen: die Zahl der Tiere bei Beginn der Prüfung und die Zahl der während der Prüfung tot aufgefundenen oder aus Tierschutzgründen getöteten Tiere, ferner der Zeitpunkt des Todes oder der Tötung, die Zahl der Tiere, die Toxizitätszeichen aufweisen, eine Beschreibung der beobachteten Toxizitätszeichen, einschließlich des Zeitpunkts, zu dem die toxischen Wirkungen erstmalig aufgetreten sind, ihrer Dauer und ihres Schweregrads, die Zahl der Tiere mit Läsionen, die Art der Läsionen und ihr Schweregrad sowie der Prozentsatz der von jeder Läsion betroffenen Tiere.

51. Wenn möglich, sollen die numerischen Ergebnisse mittels einer geeigneten und allgemein anerkannten statistischen Methode ausgewertet werden. Durch Vergleiche der Wirkungen in einem Dosisbereich sollte die Anwendung multipler t-Tests vermieden werden. Die Statistikmethoden sind bei der Planung der Studie festzulegen.

52. Für die Qualitätskontrolle wird vorgeschlagen, historische Kontrolldaten zu sammeln und Variationskoeffizienten für numerische Daten zu berechnen, insbesondere für die Parameter, die mit dem Nachweis der Störung des endokrinen Systems zusammenhängen. Diese Daten können für Vergleichszwecke verwendet werden, wenn tatsächliche Studien bewertet werden.

Prüfbericht

53. Der Prüfbericht muss folgende Informationen enthalten:

Prüfsubstanz:

 physikalische Beschaffenheit, Reinheit und physikalisch-chemische Eigenschaften,

 Identifizierungsdaten.

Vehikel (wenn verwendet):

 Begründung der Wahl des Vehikels, sofern anders als Wasser.

Versuchstiere:

 Tierart/Stamm,

 Anzahl, Alter und Geschlecht der Tiere,

 Herkunft, Haltungsbedingungen, Futter usw.,

 Gewicht der einzelnen Tiere bei Versuchsbeginn,

 Begründung für die Wahl einer anderen Art als der Ratte.

Prüfbedingungen:

 Begründung der gewählten Dosisstufen,

 Angaben zur Zubereitungsform der Prüfsubstanz/des Futters, der erreichten Konzentration, Stabilität und Homogenität der Zubereitung,

 Angaben zur Verabreichung der Prüfsubstanz,

 gegebenenfalls Angaben zur Umrechnung der Konzentration der Prüfsubstanz im Futter/Wasser (ppm) in die entsprechende Dosis (mg/kg Körpergewicht/Tag),

 Angaben zu Futter- und Wasserqualität.

Untersuchte fakultative Endpunkte

 Liste der untersuchten fakultativen Endpunkte.

Ergebnisse:

 Körpergewicht/Änderungen des Körpergewichts,

 gegebenenfalls Angaben zur Futter- und Wasseraufnahme,

 Daten der toxischen Reaktionen nach Geschlecht und Dosisstufe, einschließlich Toxizitätszeichen,

 Art, Schweregrad und Dauer der klinischen Beobachtungen (mit Angaben zur Reversibilität),

 Bewertung von sensorischer Aktivität, Greifkraft und motorischer Aktivität,

 hämatologische Parameter mit entsprechenden Ausgangswerten,

 klinisch-biochemische Parameter mit entsprechenden Ausgangswerten,

 Körpergewicht beim Töten der Tiere sowie Organgewichte,

 Sektionsbefunde,

 ausführliche Beschreibung aller histopathologischen Befunde,

 Angaben zur Resorption, falls vorliegend,

 statistische Auswertung der Ergebnisse, wenn möglich.

Erörterung der Ergebnisse.

Schlussfolgerungen.

Anlage 1

DEFINITIONEN

Androgene Wirkung : die Fähigkeit einer Chemikalie, in einem Säugetierorganismus wie ein natürliches androgenes Hormon zu wirken (z. B. Testosteron).

Antiandrogene Wirkung : die Fähigkeit einer Chemikalie, die Wirkung eines natürlichen androgenen Hormons (z. B. Testosteron) in einem Säugetierorganismus zu unterdrücken.

Antiöstrogene Wirkung : die Fähigkeit einer Chemikalie, die Wirkung eines natürlichen östrogenen Hormons (z. B. Östradiol 17ß) in einem Säugetierorganismus zu unterdrücken.

Antithyroide Wirkung : die Fähigkeit einer Chemikalie, die Wirkung eines natürlichen Schilddrüsenhormons (z. B. T3) in einem Säugetierorganismus zu unterdrücken.

Dosierung : ein allgemeiner Begriff, der die Dosis, ihre Häufigkeit und die Dauer der Verabreichung umfasst.

Dosis : die Menge der verabreichten Prüfsubstanz. Die Dosis wird ausgedrückt als Masse der Prüfsubstanz je Einheit Körpergewicht des Versuchstiers pro Tag (z. B. mg/kg Körpergewicht/Tag) oder als konstante Konzentration im Futter.

Offensichtliche Toxizität : ein allgemeiner Begriff zur Beschreibung deutlicher Toxizitätszeichen nach Verabreichung einer Prüfsubstanz. Diese Zeichen sollten für eine Bewertung der Gefährdung ausreichen und so schwerwiegend sein, dass bei einer Steigerung der verabreichten Dosis die Entwicklung schwerer Toxizitätszeichen und der wahrscheinliche Tod zu erwarten wären.

NOAEL : die Abkürzung für no observed adverse effect level. Dies ist die höchste Dosis, bei der keine schädigenden behandlungsbedingten Wirkungen festgestellt werden.

Östrogene Wirkung : die Fähigkeit einer Chemikalie, in einem Säugetierorganismus wie ein natürliches östrogenes Hormon zu wirken (z. B. Östradiol 17ß).

Prüfsubstanz : jeder Stoff oder jedes Gemisch, der/das mit dieser Prüfmethode getestet wird.

Thyroide Wirkung : die Fähigkeit einer Chemikalie, in einem Säugetierorganismus wie ein natürliches Schilddrüsenhormon (z. B. T3) zu wirken.

Validierung : ein wissenschaftlicher Prozess zur Beschreibung der operationellen Anforderungen und Grenzen einer Prüfmethode und zum Nachweis ihrer Zuverlässigkeit und Eignung für einen bestimmten Zweck.

Anlage 2

Empfohlene Endpunkte für den Nachweis endokriner Disruptoren in dieser Prüfmethode b.7



Obligatorische Endpunkte

Fakultative Endpunkte

Gewicht

— Hoden

— Nebenhoden

— Nebennieren

— Prostata und Samenbläschen mit Koagulationsdrüsen

— Ovarien

— Uterus mit Zervix

— Schilddrüse

Histopathologie

— Gonaden:

— 

— Hoden und

— Ovarien

— akzessorische Geschlechtsorgane:

— 

— Nebenhoden

— Prostata und Samenbläschen mit Koagulationsdrüsen

— Uterus mit Zervix

— Nebenniere

— Schilddrüse

— Vagina

— Vaginalabstriche

— männliche Brustdrüsen

— Hypophyse

Hormonbestimmung

 

— T3-, T4-Spiegel im Blut

— TSH-Spiegel im Blut

LITERATUR:

1. OECD (Paris, 1992). Chairman’s Report of the Meeting of the ad hoc Working Group of Experts on Systemic Short-term and (Delayed) Neurotoxicity.

2. IPCS (1986). Principles and Methods for the Assessment of Neurotoxicity Associated with Exposure to Chemicals. Environmental Health Criteria Document No. 60

3. Tupper DE, Wallace RB (1980). Utility of the Neurologic Examination in Rates. Acta Neurobiol. Exp. 40: 999-1003.

4. Gad SC (1982). A Neuromuscular Screen for Use in Industrial Toxicology. J. Toxicol Environ. Health 9: 691-704.

5. Moser VC, McDaniel KM, Phillips PM (1991). Rat Strain and Stock Comparisons Using a Functional Observational Battery: Baseline Values and Effects of Amitraz. Toxicol. Appl. Pharmacol. 108: 267-283.

6. Meyer OA, Tilson HA, Byrd WC, Riley MT (1979). A Method for the Routine Assessment of Fore- and Hindlimb Grip Strength of Rates and Mice. Neurobehav. Toxicol. 1: 233-236.

7. Crofton KM, Howard JL, Moser VC, Gill MW, Reiter LW, Tilson HA, MacPhail RC (1991). Interlaboratory Comparison of Motor Activity Experiments: Implication for Neurotoxicological Assessments. Neurotoxicol. Teratol. 13: 599-609.

8. OECD (1998). Report of the First Meeting of the OECD Endocrine Disrupter Testing and Assessment (EDTA) Task Force, 10th-11 March 1998, ENV/MC/CHEM/RA(98)5.

9. OECD. (2006). Report of the Validation of the Updated Test Guideline 407: Repeat Dose 28-day Oral Toxicity Study in Laboratory Rates. Series on Testing and Assessment No 59, ENV/JM/MONO(2006)26.

10. OECD (2002). Detailed Review Paper on the Appraisal of Test Methods for Sex Hormone Disrupting Chemicals. Series on Testing and Assessment No 21, ENV/JM/MONO(2002)8.

11. OECD (2012).Conceptual Framework for Testing and Assessment of Endocrine Disrupting Chemicals. http://www.oecd.org/document/58/0,3343,fr_2649_37407_2348794_1_1_1_37407,00.html

12. OECD (2006). Final Summary report of the meeting of the Validation Management Group for mammalian testing. ENV/JM/TG/EDTA/M(2006)2.

13. OECD. Draft Summary record of the meeting of the Task Force on Endocrine Disrupters Testing and Assessment. ENV/JM/TG/EDTA/M(2006)3.

14. OECD (2000). Guidance document on the recognition, assessment and use of clinical signs as humane endpoints for experimental animals used in safety evaluation. Series on Testing and Assessment No 19. ENV/JM/MONO(2000)7.

15. Haley P, Perry R, Ennulat D, Frame S, Johnson C, Lapointe J-M, Nyska A, Snyder PW, Walker D, Walter G (2005). STP Position Paper: Best Practice Guideline for the Routine Pathology Evaluation of the Immune System. Toxicol Pathol 33: 404-407.

16. Hess RA, Moore BJ (1993). Histological Methods for the Evaluation of the Testis. In: Methods in Reproductive Toxicology, Chapin RE and Heindel JJ (eds). Academic Press: San Diego, CA, pp. 52-85.

17. Latendresse JR, Warbrittion AR, Jonassen H, Creasy DM (2002). Fixation of testes and eyes using a modified Davidson’s fluid: comparison with Bouin’s fluid and conventional Davidson’s fluid. Toxicol. Pathol. 30, 524-533.

18. OECD (2007). OECD Guideline for Testing of Chemicals No 440: Uterotrophic Bioassay in Rodents: A short-term screening test for oestrogenic properties.

19. OECD (2009). Guidance Document 106 on Histologic evaluation of Endocrine and Reproductive Tests in Rodents ENV/JM/Mono(2009)11.

B.8   PRÜFUNG AUF SUBAKUTE TOXIZITÄT NACH INHALATION — 28-TAGE-TEST

ZUSAMMENFASSUNG

Diese überarbeitete Prüfmethode B.8 wurde entwickelt, um die Toxizität der Prüfsubstanz nach wiederholter Exposition durch Inhalation über einen begrenzten Zeitraum (28 Tage) umfassend zu beschreiben und um Daten für die Bewertung des quantitativen Inhalationsrisikos zu gewinnen. Gruppen von mindestens fünf männlichen und fünf weiblichen Nagern werden über einen Zeitraum von 28 Tagen 6 Stunden am Tag a) der Prüfsubstanz in drei oder mehr Konzentrationsstufen, b) gefilterter Luft (negative Kontrolle) und/oder c) dem Vehikel (Vehikelkontrolle) ausgesetzt. Im Allgemeinen werden die Tiere der Prüfsubstanz an fünf Tagen pro Woche ausgesetzt, aber auch sieben Tage pro Woche sind zulässig. Es werden immer männliche und weibliche Tiere geprüft, aber sie können unterschiedlichen Konzentrationsstufen ausgesetzt werden, wenn bekannt ist, dass ein Geschlecht empfindlicher auf eine bestimmte Prüfsubstanz reagiert als das andere. Bei dieser Methode hat der Studienleiter die Möglichkeit, Satellitengruppen (Reversibilitätsprüfung) aufzunehmen sowie eine bronchoalveoläre Lavage (BAL), neurologische Tests, zusätzliche klinische Pathologieuntersuchungen und histopathologische Untersuchungen durchzuführen, um die Toxizität einer Prüfsubstanz besser beschreiben zu können.

EINLEITUNG

1. Diese Prüfmethode entspricht der OECD-Prüfrichtlinie 412 (2009). Die ursprüngliche Prüfrichtlinie 412 (TG 412) zur subakuten Inhalation wurde 1981 angenommen (1). Diese Prüfmethode B.8 (die der überarbeiteten TG 412 entspricht) wurde aktualisiert, um dem neuesten Stand der Wissenschaft Rechnung zu tragen und derzeitige und künftige Regulierungsanforderungen zu erfüllen.

2. Die Methode ermöglicht die Beschreibung der schädlichen Wirkungen nach wiederholter täglicher inhalativer Exposition gegen eine Prüfsubstanz für einen Zeitraum von 28 Tagen. Die in Prüfungen auf subakute Toxizität nach Inhalation über 28 Tage gewonnenen Daten können für quantitative Risikobewertungen verwendet werden [wenn im Anschluss keine Prüfung auf subchronische Toxizität nach Inhalation über 90 Tage erfolgt (Kapitel B.29 dieses Anhangs)]. Die Daten können auch Informationen für die Wahl der Konzentrationen für längerfristige Studien wie die Prüfung auf subchronische Toxizität nach Inhalation über 90 Tage liefern. Diese Prüfmethode ist nicht speziell für die Prüfung von Nanomaterialien bestimmt. Die im Zusammenhang mit dieser Prüfmethode verwendeten Begriffe werden am Ende dieses Kapitels und im Guidance Document 39 (2) definiert.

AUSGANGSÜBERLEGUNGEN

3. Um die Qualität der Studie zu verbessern und möglichst wenig Versuchstiere zu verwenden, sollte das Prüflabor vor Durchführung der Studie alle verfügbaren Informationen über die Prüfsubstanz berücksichtigen. Für die Auswahl der am besten geeigneten Prüfkonzentrationen könnten u. a. Informationen wie die Identität, die chemische Struktur und die physikalisch-chemischen Eigenschaften der Prüfsubstanz, Ergebnisse jeglicher In-vitro- oder In-vivo-Toxizitätsprüfungen, vorgesehene Verwendungen und die Möglichkeit der Exposition des Menschen, (Q)SAR-Daten und toxikologische Daten über strukturverwandte Substanzen sowie Daten aus Versuchen zur Prüfung der akuten Toxizität nach Inhalation herangezogen werden. Falls Neurotoxizität erwartet oder im Verlauf der Studie beobachtet wird, kann der Studienleiter beschließen, geeignete Untersuchungen wie eine FOB (functional observational battery) und die Messung der motorischen Aktivität aufzunehmen. Obwohl die Expositionszeit bei bestimmten Untersuchungen ein kritischer Aspekt sein kann, darf die Durchführung dieser zusätzlichen Versuche die Auslegung der Hauptstudie nicht beeinträchtigen.

4. Verdünnungen ätzender oder reizender Prüfsubstanzen können in Konzentrationen geprüft werden, die den gewünschten Toxizitätsgrad erzielen [siehe GD 39 (2)]. Wenn Versuchstiere diesen Stoffen ausgesetzt werden, sollten die Zielkonzentrationen so niedrig sein, dass sie keine starken Schmerzen oder Leiden verursachen; sie sollten aber ausreichen, um die Konzentrations-Wirkungs-Kurve so zu erweitern, dass das regulatorische und wissenschaftliche Ziel der Prüfung erreicht wird. Diese Konzentrationen sollten von Fall zu Fall festgelegt werden, möglichst auf Basis einer entsprechend ausgelegten Dosisfindungsstudie, die Informationen über den kritischen Endpunkt, eine etwaige Reizschwelle und den Zeitpunkt des Einsetzens der Wirkung liefert (siehe Nummern 11, 12 und 13). Die Wahl der Konzentration ist zu begründen.

5. Moribunde Tiere oder Tiere, die Anzeichen starker und andauernder Qualen zeigen, sollten tierschutzgerecht getötet werden. Moribunde Tiere werden auf die gleiche Weise gewertet wie während des Tests gestorbene Tiere. Kriterien für die Entscheidung, moribunde oder schwer leidende Tiere zu töten, sowie Hinweise zur Erkennung des absehbaren oder bevorstehenden Todes sind Gegenstand des OECD Guidance Document on Humane Endpoints (3).

BESCHREIBUNG DER METHODE

Auswahl von Versuchstierarten

6. Es sind junge, gesunde, adulte Nagetiere aus üblicherweise eingesetzten Laborstämmen zu verwenden. Bevorzugtes Versuchstier ist die Ratte. Wird eine andere Tierart eingesetzt, ist dies zu begründen.

Vorbereitung der Tiere

7. Die weiblichen Tiere dürfen weder bereits geworfen haben noch momentan trächtig sein. Am Tag der Randomisierung sollten die jungen, adulten Tiere 7 bis 9 Wochen alt sein; ihr Körpergewicht sollte innerhalb von ± 20 % des mittleren Gewichts für jedes Geschlecht liegen. Die Tiere werden nach Zufallskriterien ausgewählt, zur individuellen Identifizierung markiert und vor Beginn der Prüfung für einen Zeitraum von mindestens fünf Tagen in ihren Käfigen an die Laborbedingungen gewöhnt.

Tierhaltung

8. Um die Beobachtungen zu erleichtern und Verwechslungen auszuschließen, sollten die Tiere möglichst mit einem subkutanen Transponder einzeln gekennzeichnet werden. Die Temperatur in dem Raum, in dem die Versuchstiere gehalten werden, sollte 22 ± 3 °C betragen. Die relative Luftfeuchtigkeit sollte im Idealfall im Bereich zwischen 30 und 70 % liegen; bei Verwendung von Wasser als Vehikel könnte dies jedoch unmöglich sein. Die Tiere sollten vor und nach den Expositionen im Allgemeinen nach Geschlecht und Konzentration in Käfigen gruppiert werden, wobei aber die Anzahl der Tiere pro Käfig noch eine genaue Beobachtung der einzelnen Tiere ermöglichen muss und Verluste aufgrund von Kannibalismus oder Kämpfen minimiert werden sollten. Wenn die Tiere der Prüfsubstanz nur mit der Nase ausgesetzt werden sollen, müssen sie möglicherweise an die Restrainer gewöhnt werden. Die Restrainer sollten die Tiere weder körperlich noch in Bezug auf Wärme oder Fixierung übermäßig beeinträchtigen. Die Fixierung kann physiologische Endpunkte wie Körpertemperatur (Hyperthermie) und/oder das Atemminutenvolumen beeinflussen. Wenn generische Daten zeigen, dass keine derartigen Veränderungen in nennenswertem Ausmaß vorkommen, ist eine Eingewöhnung an die Restrainer nicht erforderlich. Bei der Ganzkörperexposition gegen ein Aerosol sollten die Tiere während der Exposition einzeln untergebracht sein, damit sie die Prüfsubstanz nicht durch das Fell ihrer Käfiggenossen filtriert einatmen. Außer während der Exposition kann herkömmliches und zertifiziertes Labortierfutter bei uneingeschränkter Versorgung mit Trinkwasser verwendet werden. Die Beleuchtung sollte künstlich sein und die Hell- und Dunkelphasen sollten sich im Abstand von 12 Stunden abwechseln.

Inhalationskammern

9. Bei der Auswahl einer Inhalationskammer sind die Art der Prüfsubstanz und der Gegenstand der Prüfung zu berücksichtigen. Das bevorzugte Verfahren ist die „Nose-only“-Exposition (dieser Begriff umfasst „nur Kopf“, „nur Nase“ oder „nur Schnauze“). Für die Untersuchung von Flüssigkeits- oder Feststoffaerosolen und für Dämpfe, die zu Aerosolen kondensieren können, wird im Allgemeinen die „Nose-only“-Exposition bevorzugt. Besondere Ziele der Untersuchung können möglicherweise mit einer Ganzkörperexposition besser erreicht werden, doch dies sollte im Prüfbericht begründet werden. Um bei Verwendung einer Ganzkörperkammer die Stabilität der Atmosphäre sicherzustellen, sollte das „Gesamtvolumen“ der Versuchstiere 5 % des Volumens der Kammer nicht übersteigen. Die Grundzüge der „Nose-only“- und der Ganzkörperexposition sowie ihre jeweiligen Vor- und Nachteile sind in GD 39 (2) beschrieben.

TOXIZITÄTSSTUDIEN

Grenzkonzentrationen

10. Anders als bei Studien zur akuten Toxizität gibt es bei Prüfungen auf subakute Toxizität nach Inhalation über 28 Tage keine festgelegten Grenzkonzentrationen. Bei der Festlegung der maximalen Prüfkonzentration ist Folgendes zu beachten: 1) die höchste erreichbare Konzentration, 2) das maximale Expositionsniveau von Menschen (‚worst case), 3) die Notwendigkeit, eine ausreichende Sauerstoffversorgung aufrechtzuerhalten, und/oder 4) Tierschutzerwägungen. Gibt es keine auf Daten basierenden Grenzwerte, können die akuten Grenzwerte der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 (13) zugrunde gelegt werden (d. h. bis zu einer Höchstkonzentration von 5 mg/l bei Aerosolen, 20 mg/l bei Dämpfen und 20 000 ppm bei Gasen); siehe GD 39 (2). Wenn diese Grenzen bei der Prüfung von Gasen oder hochflüchtigen Prüfsubstanzen (z. B. Kältemitteln) überschritten werden müssen, ist dies zu begründen. Die Grenzkonzentration muss eine eindeutige Toxizität hervorrufen, ohne den Tieren übermäßigen Stress zu bereiten oder ihre Lebensdauer zu beeinträchtigen (3).

Dosisfindungsstudie

11. Vor Beginn der Hauptstudie muss möglicherweise eine Dosisfindungsstudie durchgeführt werden. Diese ist umfassender als eine Vorstudie, weil sie nicht auf die Wahl der Konzentration begrenzt ist. Die in einer Dosisfindungsstudie gewonnenen Erkenntnisse können zu einer erfolgreichen Hauptstudie führen. Sie kann z. B. technische Informationen zu den Analysemethoden, zur Partikelgröße, zur Erkennung toxischer Mechanismen, klinische Pathologiedaten und histopathologische Daten sowie Schätzungen möglicher NOAEL- und MTC-Konzentrationen in einer Hauptstudie liefern. Der Studienleiter kann entscheiden, mithilfe der Dosisfindungsstudie die Schwelle für die Reizung der Atemwege (z. B. durch histopathologische Untersuchung der Atemwege, Lungenfunktionsprüfung oder bronchoalveoläre Lavage), die höchste Konzentration, die von den Tieren ohne übermäßigen Stress toleriert wird, und die Parameter, die die Toxizität der Prüfsubstanz am besten beschreiben, zu identifizieren.

12. Eine Dosisfindungsstudie kann eine oder mehrere Konzentrationsstufen umfassen. Auf jeder Konzentrationsstufe sollten höchstens drei männliche und drei weibliche Tiere der Prüfsubstanz ausgesetzt werden. Eine Dosisfindungsstudie sollte mindestens fünf Tage und im Allgemeinen nicht mehr als 14 Tage dauern. Die Wahl der Konzentrationen für die Hauptstudie ist im Prüfbericht zu begründen. Ziel der Hauptstudie ist es, nachzuweisen, dass eine Beziehung zwischen der Konzentration und der Wirkung besteht, die am voraussichtlich empfindlichsten Endpunkt auftritt. Die niedrigste Konzentration sollte im Idealfall eine Konzentration sein, bei der keine zu beobachtenden schädlichen Wirkungen auftreten, und die höchste Konzentration sollte eine eindeutige Toxizität hervorrufen, ohne den Tieren übermäßigen Stress zu bereiten oder ihre Lebensdauer zu beeinträchtigen (3).

13. Bei der Auswahl der Konzentrationsstufen für die Dosisfindungsstudie sollten alle verfügbaren Informationen berücksichtigt werden, einschließlich der Struktur-Wirkungs-Beziehungen und der Daten über ähnliche Stoffe (siehe Nummer 3). Eine Dosisfindungsstudie kann bestätigen/widerlegen, welche Endpunkte nach mechanistischen Kriterien als die empfindlichsten Endpunkte angesehen werden, z. B. die Cholinesterasehemmung durch Organophosphate, die Methämoglobinbildung durch für Erythrozyten toxische Stoffe, Schilddrüsenhormone (T3, T4) im Fall von thyrotoxischen Stoffen, Proteine, LDH oder Neutrophile in bronchoalveolärer Lavage im Fall schwach löslicher unschädlicher Partikel oder lungenreizender Aerosole.

Hauptstudie

14. Die Hauptstudie zur Prüfung auf subakute Toxizität umfasst im Allgemeinen drei Konzentrationsstufen sowie, falls erforderlich, eine gleichzeitige negative (Luft-)Kontrolle und/oder eine Vehikelkontrolle (siehe Nummer 17). Die Festlegung der geeigneten Expositionsstufen sollte sich auf alle verfügbaren Daten stützen, einschließlich der Ergebnisse systemischer Toxizitätsprüfungen, des Metabolismus und der Kinetik (hohe Konzentrationsstufen, die kinetische Prozesse sättigen, sind zu vermeiden). Jede Prüfgruppe umfasst mindestens zehn Nagetiere (fünf Männchen und fünf Weibchen), die der Prüfsubstanz für einen Zeitraum von 4 Wochen an fünf Tagen in der Woche jeweils 6 Stunden pro Tag ausgesetzt werden (Gesamtdauer der Prüfung 28 Tage). Die Tiere können auch an sieben Tagen in der Woche exponiert werden (z. B. wenn inhalierte Arzneimittel geprüft werden). Ist bekannt, dass ein Geschlecht empfindlicher auf eine bestimmte Prüfsubstanz reagiert, können die Geschlechter unterschiedlichen Konzentrationsstufen ausgesetzt werden, um die Konzentrations-Wirkungs-Beziehung genauer zu bestimmen (siehe Nummer 15). Wenn für eine „Nose-only“-Exposition andere Nagetierarten als Ratten verwendet werden, kann die maximale Expositionsdauer angepasst werden, um artenspezifisches Leiden zu minimieren. Eine Expositionsdauer von weniger als 6 Stunden/Tag oder die Notwendigkeit einer Ganzkörperexpositionsstudie mit Langzeitexposition (z. B. 22 Stunden/Tag) ist zu begründen [siehe GD 39 (2)]. Während der Exposition sollte kein Futter verabreicht werden, es sei denn die Exposition dauert länger als 6 Stunden. Wasser kann während einer Ganzkörperexposition jederzeit angeboten werden.

15. Die gewählten Zielkonzentrationen sollen es ermöglichen, die Zielorgane zu identifizieren und eine deutliche Konzentrations-Wirkungs-Beziehung zu belegen:

 Die hohe Konzentrationsstufe sollte toxische Wirkungen hervorrufen, aber keine anhaltenden Symptome oder Todesfälle verursachen, die eine Auswertung der Ergebnisse beeinträchtigen würden.

 Der Abstand zwischen den mittleren Konzentrationsstufen muss eine Abstufung der toxischen Wirkungen zwischen der niedrigen und der hohen Konzentration ermöglichen.

 Die untere Konzentrationsstufe sollte praktisch keine Toxizitätszeichen hervorrufen.

Satellitenstudie (Reversibilität)

16. Es kann eine Satellitenstudie durchgeführt werden, um die Tiere für einen angemessenen Zeitraum nach der Behandlung (mindestens 14 Tage) auf Reversibilität, Persistenz oder ein verzögertes Auftreten von Toxizität zu beobachten. Satellitengruppen bestehen aus fünf männlichen und fünf weiblichen Tieren, die der Prüfsubstanz gleichzeitig mit den Versuchstieren der Hauptstudie ausgesetzt werden. Dabei sollten sie der Prüfsubstanz auf der höchsten Konzentrationsstufe ausgesetzt werden; erforderlichenfalls sollte es auch gleichzeitige Luft- und/oder Vehikelkontrollen geben (siehe Nummer 17).

Kontrolltiere

17. Eine gleichzeitige negative (Luft-)Kontrollgruppe ist genauso zu behandeln wie die Prüfgruppe, außer dass die Tiere nicht der Prüfsubstanz, sondern gefilterter Luft ausgesetzt werden. Wenn die Prüfatmosphäre mithilfe von Wasser oder einem anderen Stoff erzeugt wird, ist statt der negativen (Luft-)Kontrollgruppe eine Vehikelkontrollgruppe zu verwenden. Wenn möglich sollte Wasser als Vehikel benutzt werden. In diesem Fall sind die Tiere Luft mit derselben relativen Luftfeuchtigkeit auszusetzen wie die exponierten Gruppen. Das geeignete Vehikel ist auf der Grundlage einer geeigneten Vorstudie oder von historischen Daten auszuwählen. Ist die Toxizität eines Vehikels unklar, kann der Studienleiter beschließen, sowohl eine negative (Luft-)Kontrolle als auch eine Vehikelkontrolle zu verwenden; hiervon wird jedoch dringend abgeraten. Wenn historische Daten belegen, dass ein Vehikel nicht toxisch ist, besteht keine Notwendigkeit für eine negative (Luft-)Kontrollgruppe und es sollte nur eine Vehikelgruppe verwendet werden. Ergibt eine Vorstudie einer in einem Vehikel formulierten Prüfsubstanz, dass keine Toxizität vorliegt, ist das Vehikel folglich in der geprüften Konzentration nicht toxisch, und diese Vehikelkontrolle sollte verwendet werden.

EXPOSITIONSBEDINGUNGEN

Verabreichung der Konzentrationen

18. Die Tiere werden der Prüfsubstanz in Form von Gas, Dampf, Aerosol oder einer Kombination dieser Formen ausgesetzt. Der zu prüfende Aggregatzustand hängt von den physikalisch-chemischen Eigenschaften der Prüfsubstanz, der gewählten Konzentration und/oder der physikalischen Form ab, in der die Prüfsubstanz bei der Handhabung und Verwendung am wahrscheinlichsten vorliegt. Hygroskopische und chemisch reaktive Prüfsubstanzen sollten bei geringer Luftfeuchtigkeit geprüft werden. Dabei ist darauf zu achten, dass keine explosionsfähigen Konzentrationen erzeugt werden. Bei Partikeln kann die Partikelgröße durch mechanische Prozesse verringert werden. GD 39 (2) enthält nähere Hinweise.

Partikelgrößenverteilung

19. Bei allen Aerosolen und bei Dämpfen, die zu Aerosolen kondensieren können, sollte die Partikelgröße bestimmt werden. Damit alle relevanten Regionen der Atemwege der Prüfsubstanz ausgesetzt werden, werden mittlere aerodynamische Massendurchmesser (Mass Median Aerodynamic Diameter — MMAD) von 1 bis 3 μm mit einer geometrischen Standardabweichung (σg) von 1,5 bis 3,0 empfohlen (4). Wenngleich nach Möglichkeit versucht werden sollte, diese Werte zu erreichen, ist Fachwissen erforderlich, falls sie nicht erzielt werden können. Metalldampfpartikel können z. B. unter diesen Werten liegen, geladene Partikel und Fasern dagegen können diese Werte überschreiten.

Vorbereitung der Prüfsubstanz in einem Vehikel

20. Im Idealfall sollte die Prüfsubstanz ohne ein Vehikel geprüft werden. Wenn für die Erzeugung einer geeigneten Prüfsubstanzkonzentration oder Partikelgröße ein Vehikel verwendet werden muss, ist Wasser zu bevorzugen. Wird eine Prüfsubstanz in einem Vehikel gelöst, so ist seine Stabilität nachzuweisen.

ÜBERWACHUNG DER EXPOSITIONSBEDINGUNGEN

Luftstrom in der Inhalationskammer

21. Der Luftstrom durch die Kammer sollte während jeder Exposition sorgfältig geregelt, kontinuierlich überwacht und mindestens stündlich protokolliert werden. Die Echtzeit-Überwachung der Konzentration (oder zeitliche Stabilität) der Prüfatmosphäre ist eine integrale Messung aller dynamischen Parameter und gibt indirekt die Möglichkeit, alle relevanten dynamischen Inhalationsparameter zu messen. Wenn die Konzentration in Echtzeit überwacht wird, kann die Frequenz der Messung der Luftströme auf eine einzige Messung je Exposition und Tag reduziert werden. Es sollte besonders darauf geachtet werden, das erneute Einatmen in „Nose-only“-Expositionskammern zu vermeiden. Die Sauerstoffkonzentration sollte mindestens 19 % betragen, und die Kohlendioxidkonzentration sollte 1 % nicht überschreiten. Gibt es Grund zu der Annahme, dass diese Werte nicht eingehalten werden können, sind die Sauerstoff- und Kohlendioxidkonzentrationen zu messen. Wenn die Messungen am ersten Expositionstag die richtigen Werte dieser Gase bestätigen, sollten keine weiteren Messungen erforderlich sein.

Temperatur und relative Luftfeuchtigkeit in der Inhalationskammer

22. Die Temperatur in der Inhalationskammer sollte 22 ± 3 °C betragen. Sowohl bei der „Nose-only“- als auch bei der Ganzkörperexposition sollte die relative Luftfeuchtigkeit im Atembereich der Tiere kontinuierlich überwacht und während jeder Exposition möglichst stündlich dokumentiert werden. Die relative Luftfeuchtigkeit sollte möglichst zwischen 30 und 70 % liegen, was jedoch möglicherweise nicht erreichbar ist (z. B. bei der Prüfung von wasserbasierten Mischungen) oder wegen chemischer Interferenz mit der Prüfmethode nicht gemessen werden kann.

Prüfsubstanz: nominale Konzentration

23. Die nominale Konzentration in der Expositionskammer sollte möglichst berechnet und protokolliert werden. Die nominale Konzentration ist die Masse der erzeugten Prüfsubstanz dividiert durch das Gesamtvolumen der durch die Inhalationskammer geleiteten Luft. Sie wird nicht zur Beschreibung der Exposition der Tiere verwendet; vielmehr gibt ein Vergleich der nominalen Konzentration und der tatsächlichen Konzentration Aufschluss über die Effizienz des Prüfsystems bei der Erzeugung der Prüfkonzentration und kann daher für die Aufdeckung von Problemen bei dieser Erzeugung verwendet werden.

Prüfsubstanz: tatsächliche Konzentration

24. Die tatsächliche Konzentration ist die Konzentration der Prüfsubstanz im Atembereich der Tiere in einer Inhalationskammer. Die tatsächlichen Konzentrationen können entweder durch spezifische Methoden (z. B. direkte Probenahme, adsorptive Methoden oder chemische Reaktionsverfahren mit anschließender analytischer Charakterisierung) oder durch unspezifische Methoden wie Gravimetrie bestimmt werden. Die gravimetrische Methode ist lediglich für Aerosole mit nur einem Bestandteil in Pulverform oder Aerosole von Flüssigkeiten mit geringer Flüchtigkeit akzeptabel und sollte sich auf geeignete, vor der Studie zu erstellende und für die Prüfsubstanz spezifische Beschreibungen stützen. Die Konzentration von Aerosolen mit mehreren Bestandteilen in Pulverform kann ebenfalls gravimetrisch bestimmt werden. Hierzu muss jedoch mit Analysedaten belegt werden, dass die Schwebstoffe eine ähnliche Zusammensetzung haben wie das Ausgangsmaterial. Liegen diese Angaben nicht vor, muss die Prüfsubstanz (im Idealfall im Schwebezustand) möglicherweise im Verlauf der Studie in regelmäßigen Abständen neu analysiert werden. Bei aerosolisierten Agenzien, die verdunsten oder sublimieren können, sollte gezeigt werden, dass alle Phasen von der gewählten Methode erfasst wurden.

25. Für die gesamte Dauer der Studie sollte möglichst eine Partie der Prüfsubstanz verwendet werden; die Probe sollte unter Bedingungen aufbewahrt werden, die ihre Reinheit, Homogenität und Stabilität gewährleisten. Die Prüfsubstanz sollte vor Beginn der Studie mit Angaben zur Reinheit und, falls technisch machbar, zur Identität sowie zu den Mengen identifizierter Schadstoffe und Verunreinigungen beschrieben werden. Hierzu können unter anderem die folgenden Daten verwendet werden: Retentionszeit und relative Peakfläche, durch Massenspektrometrie oder Gaschromatographie bestimmtes Molekulargewicht oder andere Werte. Das Prüflabor ist zwar nicht für die Identität der Probe verantwortlich, doch es kann ratsam sein, dass es die Beschreibung des Auftraggebers zumindest in gewissen Grenzen (z. B. Farbe, physikalische Beschaffenheit usw.) überprüft.

26. Die Expositionsatmosphäre ist so konstant wie möglich zu halten. Um die Stabilität der Expositionsbedingungen nachzuweisen, kann ein Echtzeitüberwachungsgerät verwendet werden, z. B. ein Aerosol-Photometer für Aerosole oder ein Gesamtkohlenwasserstoff-Analysator (THC) für Dämpfe. Die tatsächliche Konzentration in der Kammer sollte an jedem Expositionstag für jede Expositionsstufe mindestens dreimal gemessen werden. Falls dies wegen geringer Luftdurchflussraten oder niedriger Konzentrationen nicht möglich ist, reicht eine Probe je Expositionsperiode. Im Idealfall sollte diese Probe dann über die gesamte Expositionszeit gewonnen werden. Die einzelnen Proben der Konzentration in der Kammer sollten bei Gasen und Dämpfen nicht mehr als ± 10 % und bei Flüssig- oder Feststoffaerosolen nicht mehr als ± 20 % von der mittleren Kammerkonzentration abweichen. Die Zeit bis zum Erreichen eines Gleichgewichts in der Kammer (t95) ist zu berechnen und zu dokumentieren. Die Expositionsdauer erstreckt sich über den Zeitraum, in dem die Prüfsubstanz erzeugt wird. Dies schließt die Zeiten zur Erreichung des Gleichgewichts in der Kammer (t95) und zum Abbau der Konzentrationen ein. GD 39 (2) enthält Hinweise zur Einschätzung von t95.

27. Bei sehr komplexen Mischungen aus Gasen/Dämpfen und Aerosolen (z. B. Verbrennungsatmosphären und Prüfsubstanzen, die aus hierzu bestimmten Endverbraucherprodukten/-geräten gesprüht werden) kann sich jede Phase in einer Inhalationskammer anders verhalten. Daher sollte mindestens eine Indikatorsubstanz (Analyt), normalerweise der wichtigste Wirkstoff in der Mischung, von jeder Phase (Gas/Dampf und Aerosol) ausgewählt werden. Wenn die Prüfsubstanz eine Mischung ist, sollte die Analysekonzentration für die gesamte Mischung und nicht nur für den Wirkstoff oder die Indikatorsubstanz (Analyt) dokumentiert werden. Weitere Informationen zu tatsächlichen Konzentrationen sind in GD 39 (2) zu finden.

Prüfsubstanz: Partikelgrößenverteilung

28. Die Partikelgrößenverteilung von Aerosolen sollte auf jeder Konzentrationsstufe mindestens wöchentlich mit einem Kaskaden-Impaktor oder einem anderen Messgerät wie einem APS bestimmt werden. Kann nachgewiesen werden, dass die mit einem Kaskaden-Impaktor und dem alternativen Messgerät erzielten Ergebnisse gleichwertig sind, so kann das alternative Instrument während der gesamten Studie verwendet werden.

29. Parallel zum Hauptinstrument ist ein zweites Gerät wie ein Gravimetriefilter oder eine Gaswaschflasche zu verwenden, um den Abscheidegrad des Hauptinstruments zu bestätigen. Die durch die Partikelgrößenanalyse bestimmte Massenkonzentration sollte innerhalb vertretbarer Grenzen um die durch die Filteranalyse bestimmte Massenkonzentration liegen [siehe GD 39 (2)]. Wenn die Gleichwertigkeit bei allen geprüften Konzentrationen zu Beginn der Studie nachgewiesen werden kann, kann auf weitere bestätigende Messungen verzichtet werden. Aus Tierschutzgründen sollten Vorkehrungen getroffen werden, um unklare Daten zu minimieren, die dazu führen könnten, dass eine Studie wiederholt werden muss.

30. Wenn die Möglichkeit besteht, dass Dampfkondensation zur Bildung eines Aerosols führen kann, oder wenn in einer Dampfatmosphäre mit dem Potenzial für gemischte Phasen Partikel nachgewiesen werden, sollte eine Partikelgrößenbestimmung für Dämpfe vorgenommen werden.

BEOBACHTUNGEN

31. Die Tiere sollten vor, während und nach der Exposition auf klinische Zeichen beobachtet werden. Je nach Reaktion der Tiere während der Exposition können häufigere Beobachtungen angezeigt sein. Wenn die Beobachtung der Tiere durch die Verwendung von Restrainern, wegen schlecht beleuchteter Ganzkörperkammern oder getrübter Atmosphäre erschwert ist, sind die Tiere nach der Exposition sorgfältig zu beobachten. Durch Beobachtungen vor der Exposition am folgenden Tag kann beurteilt werden, ob toxische Wirkungen sich zurückgebildet oder verschlimmert haben.

32. Sämtliche Beobachtungen werden in Einzelprotokollen dokumentiert, die für jedes Tier geführt werden. Wenn Tiere aus humanen Gründen getötet werden oder ihr Tod festgestellt wird, sollte der Todeszeitpunkt so genau wie möglich registriert werden.

33. Die Beobachtungen der Tiere sollten sich insbesondere auf Veränderungen an Haut, Fell, Augen, Schleimhäuten, des Atmungs- und Kreislaufsystems, des Nervensystems sowie auf Somatomotorik und Verhaltensmuster erstrecken. Besonderes Augenmerk ist auf Tremor, Konvulsionen, Salivation, Diarrhö, Lethargie, Schlaf und Koma zu richten. Die Messung der Rektaltemperatur kann zusätzliche Belege für mit der Behandlung oder Unterbringung zusammenhängende Reflex-Bradypnoe oder Hypo-/Hyperthermie liefern. Darüber hinaus können zusätzliche Aspekte wie Kinetik, Biomonitoring, Lungenfunktion, Retention schlecht löslicher Stoffe, die im Lungengewebe akkumulieren, und Verhaltensstörungen in das Studienprotokoll aufgenommen werden.

KÖRPERGEWICHT

34. Das Körpergewicht der einzelnen Tiere sollte kurz vor der ersten Exposition (Tag 0), danach zweimal wöchentlich (z. B. freitags und montags, um die Erholung während eines expositionsfreien Wochenendes nachzuweisen, oder in einem Zeitintervall, das die Beurteilung der systemischen Toxizität ermöglicht) und zum Zeitpunkt des Todes oder der Tötung dokumentiert werden. Treten in den ersten zwei Wochen keine Wirkungen auf, kann das Körpergewicht während der restlichen Studiendauer wöchentlich gemessen werden. Satellitentiere (Reversibilitätsprüfung) (falls verwendet) sollten während der gesamten Erholungsphase weiterhin wöchentlich gewogen werden. Am Ende der Studie sollten alle Tiere kurz vor der Tötung gewogen werden, um eine objektive Berechnung der Organ-Körpergewicht-Verhältnisse zu ermöglichen.

FUTTER- UND WASSERAUFNAHME

35. Die Futteraufnahme sollte wöchentlich gemessen werden. Auch die Wasseraufnahme kann gemessen werden.

KLINISCHE PATHOLOGIE

36. An allen Tieren, auch an Kontroll- und Satellitentieren (Reversibilitätprüfung), sollten klinische Pathologieuntersuchungen durchgeführt werden, wenn sie getötet werden. Der Zeitraum zwischen dem Ende der Exposition und der Blutentnahme ist zu protokollieren, insbesondere wenn der betreffende Endpunkt rasch zu seinem ursprünglichen Wert zurückkehrt. Für Parameter mit einer kurzen Plasmahalbwertszeit (z. B. COHb, CHE und MetHb) ist die Probenahme nach Ende der Exposition angezeigt.

37. In Tabelle 1 sind die im Allgemeinen für alle Toxikologiestudien erforderlichen klinischen Pathologieparameter aufgeführt. In der Regel ist eine Urinanalyse nicht notwendig, kann aber durchgeführt werden, wenn sie wegen erwarteter oder festgestellter Toxizität für nützlich gehalten wird. Der Studienleiter kann beschließen, zusätzliche Parameter zu bestimmen, um die Toxizität einer Prüfsubstanz genauer zu beschreiben (z. B. Cholinesterase, Lipide, Hormone, Säure-Basen-Gleichgewicht, Methämoglobin oder Heinz-Körper, Creatin-Kinase, Verhältnis von myeloiden zu erythroiden Zellen, Troponin, arterielle Blutgase, Lactatdehydrogenase, Sorbitdehydrogenase, Glutamatdehydrogenase und γ-Glutamyltranspeptidase).



Tabelle 1

Klinische Standardpathologieparameter

Hämatologische Untersuchung

Erythrozytenzahl

Hämatokrit

Hämoglobinkonzentration

Mittleres korpuskuläres Hämoglobin

Mittleres Erythrozyteneinzelvolumen

Mittlere korpuskuläre Hämoglobinkonzentration

Retikulozyten

Gesamtleukozytenzahl

Differentialleukozytenzahl

Thrombozytenzahl

Gerinnungsfähigkeit (einen Wert wählen):

— Prothrombinzeit

— Blutgerinnungszeit

— Partielle Thromboplastinzeit

Klinische Chemie

Glucose (1)

Gesamtcholesterin

Triglyceride

Harnstoff-N

Gesamtbilirubin

Kreatinin

Gesamtprotein

Albumin

Globulin

Alanin-Aminotransferase

Aspartat-Aminotransferase

Alkalische Phosphatase

Kalium

Natrium

Calcium

Phosphor

Chlorid

Urinuntersuchung (fakultativ)

Aussehen (Farbe und Trübung)

Menge

Spezifisches Gewicht oder Osmolarität

pH-Wert

Gesamtprotein

Glucose

Blut/Blutzellen

(*1)   Da ein längerer Futterentzug die Glucosemessungen bei den behandelten gegenüber den Kontrolltieren verzerren kann, sollte der Studienleiter entscheiden, ob eine Futterkarenz angezeigt ist. Die Dauer des Futterentzugs muss auf die verwendete Art abgestimmt sein; bei der Ratte kann sie 16 Stunden betragen (nächtliche Futterkarenz). Der Nüchternglucosewert kann nach nächtlicher Futterkarenz in der letzten Expositionswoche oder nach nächtlicher Futterkarenz vor der Nekropsie (in letzterem Fall zusammen mit allen anderen klinischen Pathologieparametern) bestimmt werden.

38. Gibt es Anhaltspunkte dafür, dass die unteren Atemwege (d. h. die Alveolen) die Hauptablagerungs- und Retentionsorte sind, kann die bronchoalveoläre Lavage (BAL) die Methode der Wahl sein, um hypothesenbasierte Dosis-Wirkungs-Parameter quantitativ zu analysieren, wobei Alveolitis, Lungenentzündung und Phospholipidose im Vordergrund stehen. Auf diese Weise können Veränderungen der Dosis-Wirkungs-Beziehung und des zeitlichen Verlaufs alveolärer Läsionen angemessen untersucht werden. Die BAL-Flüssigkeit kann auf Gesamt- und Differenzialleukozytenzahl, Gesamtprotein und Laktatdehydrogenase analysiert werden. In Betracht gezogen werden können auch Parameter, die auf lysosomale Schäden, Phospholipidose, Fibrose und reizende oder allergische Entzündung hindeuten; dazu kann auch die Bestimmung entzündungsfördernder Zytokine/Chemokine gehören. BAL-Messungen dienen im Allgemeinen zur Ergänzung der Ergebnisse histopathologischer Untersuchungen, können sie aber nicht ersetzen. Eine Anleitung zur Durchführung der Lungenlavage ist in GD 39 (2) enthalten.

MAKROSKOPISCHE PATHOLOGIE UND ORGANGEWICHTE

39. Alle Versuchstiere, einschließlich der Tiere, die während der Prüfung sterben oder aus Tierschutzgründen getötet und aus der Studie genommen werden, sind (falls möglich) vollständig zu entbluten und auf makroskopische Veränderungen zu untersuchen. Der Zeitabstand zwischen dem Ende der letzten Exposition eines Tiers und seiner Tötung ist zu dokumentieren. Kann die Nekropsie nicht unmittelbar nach Auffinden eines toten Tieres erfolgen, sollte der Körper auf eine Temperatur gekühlt (nicht eingefroren) werden, die tief genug ist, um die Autolyse zu minimieren. Die Nekropsie ist baldmöglichst, in der Regel innerhalb von einem oder zwei Tagen durchzuführen. Alle makroskopischen Veränderungen sollten für jedes Tier protokolliert werden, wobei besonders auf Veränderungen der Atemwege zu achten ist.

40. In Tabelle 2 sind die Organe und Gewebe aufgeführt, die bei der Nekropsie zur histopathologischen Untersuchung in einem geeigneten Medium aufbewahrt werden sollten. Die Aufbewahrung der in [Klammern] gesetzten Organe und Gewebe sowie aller sonstigen Organe und Gewebe liegt im Ermessen den Studienleiters. Die durch Fettdruck hervorgehobenen Organe sind so bald wie möglich nach der Sektion von anhaftendem Gewebe zu befreien und feucht zu wiegen, um ein Austrocknen zu verhindern. Die Schilddrüse und die Nebenhoden sind nur zu wiegen, wenn dies notwendig ist, da ihre Befreiung von anhaftendem Gewebe die histopathologische Bewertung erschweren kann. Gewebe und Organe sind unmittelbar nach der Nekropsie und je nach verwendetem Fixierungsmittel mindestens 24-48 Stunden vor der Befreiung von anhaftendem Gewebe in 10 %ig gepuffertem Formalin oder einem anderen geeigneten Fixierungsmittel zu fixieren.

Tabelle 2

Bei der Nekropsie aufbewahrte Organe und Gewebe

Nebennieren

Knochenmark (und/oder frisches Aspirat)

Gehirn (mit Schnitten von Cerebrum, Cerebellum und Medulla/Pons)

[Augen (Netzhaut, Sehnerv) und Lider]

Herz

Nieren

Larynx (3 Ebenen, 1 Ebene, die die Basis der Epiglottis enthält)

Leber

Lunge (alle Lungenlappen auf einer Ebene, einschließlich der Hauptbronchien)

Lymphknoten aus der Hilusregion der Lunge, insbesondere bei schlecht löslichen Prüfsubstanzen, die in Partikelform vorliegen. Für gründlichere Untersuchungen und/oder Studien mit immunologischem Schwerpunkt können zusätzliche Lymphknoten in Betracht gezogen werden, z. B. aus der mediastinalen, der cervicalen/submandibulären und/oder der aurikularen Region.

Nasopharyngeale Gewebe (mindestens 4 Ebenen; 1 Ebene muss den Nasen-Rachen-Gang und das Lymphgewebe des Nasen-Rachen-Raums (NALT) umfassen.

Speiseröhre

[Riechkolben]

Ovarien

Samenbläschen

Rückenmark (zervical, mittlerer Thoraxbereich und lumbar)

Milz

Magen

Hoden

Thymus

Schilddrüse

Trachea (mindestens 2 Ebenen mit einem Längsschnitt durch die Carina und 1 Querschnitt)

[Harnblase]

Uterus

Alle makroskopischen Veränderungen

41. Die Lungen sind in intaktem Zustand zu entfernen, zu wiegen und mit einem geeigneten Fixierungsmittel bei einem Druck von 20-30 cm Wasser zu behandeln, damit die Lungenstruktur erhalten bleibt (5). Die Schnitte werden bei allen Lungenlappen auf einer Ebene einschließlich der Hauptbronchien hergestellt; wenn eine Lungenlavage durchgeführt wird, ist der nicht gewaschene Lappen jedoch auf drei Ebenen zu schneiden (keine seriellen Schnitte).

42. Mindestens vier Ebenen der nasopharyngealen Gewebe sind zu untersuchen; eine der Ebenen sollte den Nasen-Rachen-Gang umfassen (5, 6, 7, 8, 9), damit das Plattenepithel, das (nicht Zilien-tragende respiratorische) Übergangsepithel, das (Zilien-tragende respiratorische) Flimmerepithel und das Riechepithel sowie das Lymphgewebe (NALT; 10,11) gründlich untersucht werden können. Drei Ebenen des Larynx sind zu untersuchen; eine dieser Ebenen sollte die Basis der Epiglottis enthalten (12). Mindestens zwei Ebenen der Trachea sind zu untersuchen, darunter ein Längsschnitt durch die Carina der Bifurkation der extrapulmonalen Bronchien und ein Querschnitt.

HISTOPATHOLOGIE

43. Die in Tabelle 2 aufgeführten Organe und Gewebe der Tiere in der Kontrollgruppe und der Gruppe mit der höchsten Konzentration und aller während der Studie gestorbenen oder getöteten Tiere sollten histopathologisch untersucht werden. Besonderes Augenmerk ist auf Atemwege, Zielorgane und makroskopische Veränderungen zu richten. Die Organe und Gewebe, die in der höchsten Konzentrationsgruppe makroskopische Veränderungen aufweisen, sollten in allen Gruppen untersucht werden. Der Studienleiter kann beschließen, histopathologische Untersuchungen bei zusätzlichen Gruppen durchzuführen, um eine eindeutige Konzentrationswirkung nachzuweisen. Umfasst eine Prüfung auch eine Satellitengruppe (Reversibilitätsprüfung), sind alle Gewebe und Organe histopathologisch zu untersuchen, bei denen in den Behandlungsgruppen Wirkungen aufgetreten sind. Treten in der Gruppe mit der höchsten Konzentration übermäßig viele frühzeitige Todesfälle oder andere Probleme auf, die die Signifikanz der Daten beeinträchtigen, so ist die Gruppe mit der nächstniedrigeren Konzentration histopathologisch zu untersuchen. Man sollte versuchen, die makroskopischen Befunde mit den Ergebnissen der mikroskopischen Untersuchung zu korrelieren.

DATEN UND BERICHTERSTATTUNG

Daten

44. Körpergewichte, Futteraufnahme, Ergebnisse der klinischen Pathologie, makroskopische Befunde, Organgewichte und Ergebnisse der Histopathologie sind für die einzelnen Tiere anzugeben. Die Daten der klinischen Beobachtung sind in tabellarischer Form zusammenzufassen. Daraus müssen für jede Prüfgruppe die Anzahl der verwendeten Tiere, die Anzahl der Tiere mit spezifischen Toxizitätszeichen, die Anzahl der Tiere, die während der Prüfung tot aufgefunden oder vorzeitig getötet wurden, der Todeszeitpunkt der einzelnen Tiere, eine Beschreibung und der zeitliche Verlauf der toxischen Wirkungen und deren Reversibilität sowie die Sektionsbefunde ersichtlich sein. Sowohl die quantitativen als auch die gelegentlich erzielten Ergebnisse sind anhand eines geeigneten statistischen Verfahrens zu bewerten. Hierzu ist eine allgemein anerkannte Statistikmethode heranzuziehen; die Statistikmethoden sind bei der Auslegung der Studie festzulegen.

Prüfbericht

45. Der Prüfbericht sollte, soweit zutreffend, die folgenden Informationen enthalten:

Versuchstiere und Tierhaltung

 Beschreibung der Haltungsbedingungen mit Angaben zu Anzahl (oder Veränderung der Anzahl) der Tiere je Käfig, Einstreu, Umgebungstemperatur und relativer Luftfeuchtigkeit, Photoperiode und Futter,

 Art/Stamm und Begründung für die Verwendung einer anderen Art als der Ratte; Daten zur Herkunft der Tiere und historische Daten können angegeben werden, wenn sie von Tieren mit ähnlichen Expositions-, Unterbringungs- und Futterkarenzbedingungen stammen,

 Anzahl, Alter und Geschlecht der Tiere,

 Randomisierungsmethode,

 Beschreibung etwaiger Vorbereitung vor der Prüfung, einschließlich Ernährung, Quarantäne und Behandlung von Krankheiten.

Prüfsubstanz

 physikalische Beschaffenheit, Reinheit und, wenn maßgeblich, physikalisch-chemische Eigenschaften (einschließlich Isomerisierung),

 Angaben zur Identifikation und CAS-Nummer (Chemical Abstract Services), falls bekannt.

Vehikel

 Begründung für die Verwendung eines Vehikels sowie für die Wahl des Vehikels (falls nicht Wasser),

 historische oder parallel erzeugte Daten, die belegen, dass das Vehikel keinen Einfluss auf das Ergebnis der Studie hat.

Inhalationskammer

 ausführliche Beschreibung der Inhalationskammer mit Angabe des Volumens sowie ein Diagramm,

 Herkunft und Beschreibung der für die Exposition der Tiere sowie für die Erzeugung der Atmosphäre verwendeten Ausrüstung,

 Ausrüstung für die Messung von Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Partikelgröße und tatsächlicher Konzentration,

 Herkunft der Luft und Klimatisierungssystem,

 für die Kalibrierung der Ausrüstung verwendete Methoden, um eine homogene Prüfatmosphäre sicherzustellen,

 Druckunterschied (positiv oder negativ),

 Expositions-Öffnungen je Kammer („Nose-only“-Exposition); Anordnung der Tiere in der Kammer (Ganzkörperexposition),

 Stabilität der Prüfatmosphäre,

 Lage von Temperatur- und Feuchtigkeitssensoren und Ort der Probenahme der Prüfatmosphäre in der Kammer,

 Behandlung der zugeführten/entzogenen Luft,

 Luftdurchflussraten, Luftdurchflussrate/Expositions-Öffnung („Nose-only“-Exposition) oder Anzahl der Tiere je Kammer (Ganzkörperexposition),

 Zeit bis zum Erreichen des Gleichgewichts in der Inhalationskammer (t95),

 Zahl der Volumenänderungen pro Stunde,

 Messgeräte (falls zutreffend).

Expositionsdaten

 Begründung für die Wahl der Zielkonzentration in der Hauptstudie,

 nominale Konzentrationen (Gesamtmasse der in die Inhalationskammer eingeleiteten Prüfsubstanz dividiert durch das Volumen der durch die Kammer geleiteten Luft),

 im Atembereich der Tiere ermittelte tatsächliche Konzentrationen der Prüfsubstanz; bei Gemischen mit heterogenen physikalischen Formen (Gase, Dämpfe, Aerosole) kann jede Form getrennt analysiert werden,

 alle Luftkonzentrationen sollten in Masseneinheiten (z. B. mg/l, mg/m3 usw.) und nicht in Volumeneinheiten (z. B. ppm, ppb usw.) angegeben werden,

 Partikelgrößenverteilung, mittlerer aerodynamischer Massendurchmesser (MMAD) und geometrische Standardabweichung (σg), einschließlich der Berechnungsmethoden. Einzelne Partikelgrößenanalysen sind zu protokollieren.

Prüfbedingungen

 Angaben zur Vorbereitung der Prüfsubstanz, einschließlich Angaben zu den Verfahren zur Reduzierung der Partikelgröße von Feststoffen oder zur Herstellung von Lösungen der Prüfsubstanz,

 eine Beschreibung (möglichst mit Diagramm) der Ausrüstung, die zur Erzeugung der Prüfatmosphäre und zur Exposition der Tiere gegen die Prüfatmosphäre verwendet wird,

 Angaben zur Ausrüstung, die für die Überwachung von Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Luftstrom in der Kammer verwendet wird (Erstellung einer Kalibrationskurve),

 Angaben zur Ausrüstung, mit der die Proben zur Bestimmung der Konzentration in der Kammer und der Partikelgrößenverteilung genommen werden,

 Angaben zur verwendeten chemischen Analysemethode und zur Validierung der Methode (einschließlich der Effizienz der Wiederfindung der Prüfsubstanz im Medium),

 Randomisierungsmethode für die Einteilung der Tiere in Prüf- und Kontrollgruppen,

 Angaben über Futter- und Wasserqualität (einschließlich Art/Herkunft des Futters, Wasserquelle),

 Begründung für die Wahl der Prüfkonzentrationen.

Ergebnisse

 tabellarische Darstellung von Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Luftstrom in der Kammer,

 tabellarische Darstellung von Daten zur nominalen und tatsächlichen Konzentration in der Kammer,

 tabellarische Darstellung der Partikelgrößendaten einschließlich Daten zur analytischen Probenahme, Partikelgrößenverteilung und Berechnung des MMAD und der σg,

 tabellarische Darstellung der erhobenen Daten und der Konzentration für jedes einzelne Tier (d. h. Tiere, die Anzeichen für Toxizität zeigen, einschließlich Mortalität sowie Art, Schweregrad, Zeitpunkt des Einsetzens und Dauer der Wirkungen),

 tabellarische Darstellung des Körpergewichts der einzelnen Tiere,

 tabellarische Darstellung der Futteraufnahme,

 tabellarische Darstellung der klinischen Pathologieparameter,

 Sektionsbefunde und histopathologische Ergebnisse für jedes einzelne Tier, falls vorhanden,

 tabellarische Darstellung aller anderen gemessenen Parameter.

Diskussion und Auswertung der Ergebnisse

 Besondere Aufmerksamkeit sollte der Beschreibung der Methoden gelten, die verwendet wurden, um die Kriterien dieser Prüfmethode zu erfüllen, z. B. die Grenzkonzentration oder die Partikelgröße.

 Die Lungengängigkeit von Partikeln vor dem Hintergrund der Gesamtbefunde sollte behandelt werden, insbesondere, wenn die Partikelgrößenkriterien nicht erfüllt werden konnten.

 Die Kohärenz der Methoden zur Bestimmung der nominalen und der tatsächlichen Konzentration sowie die Beziehung der tatsächlichen Konzentration zur nominalen Konzentration sind in die Gesamtbewertung der Studie aufzunehmen.

 Die wahrscheinliche Todesursache und die vorherrschende Wirkungsweise (systemisch oder lokal) sollten behandelt werden.

 Falls Tiere, die unter Schmerzen litten oder Zeichen für schweres und anhaltendes Leiden aufwiesen, auf humane Weise getötet werden mussten, ist eine Erklärung auf der Grundlage der Kriterien im OECD Guidance Document on Humane Endpoints (3) zu geben.

 Die Zielorgane sollten identifiziert werden.

 Der NOAEL und der LOAEL sollten bestimmt werden.

LITERATUR:

1. OECD (1981). Subchronic Inhalation Toxicity Testing, Original Test Guideline No 412, Environment Directorate, OECD, Paris.

2. OECD (2009). Guidance Document on Acute Inhalation Toxicity Testing, Environmental Health and Safety Monograph Series on Testing and Assessment No. 39, ENV/JM/MONO(2009)28, OECD, Paris.

3. OECD (2000). Guidance Document on the Recognition, Assessment and Use of Clinical Signs as Humane Endpoints for Experimental Animals Used in Safety Evaluation, Environmental Health and Safety Monograph Series on Testing and Assessment No. 19, ENV/JM/MONO(2000)7, OECD, Paris.

4. Whalan JE and Redden JC (1994). Interim Policy for Particle Size and Limit Concentration Issues in Inhalation Toxicity Studies. Office of Pesticide Programs, United States Environmental Protection Agency.

5. Dungworth DL, Tyler WS, Plopper CE (1985). Morphological Methods for Gross and Microscopic Pathology (Chapter 9) in Toxicology of Inhaled Material, Witschi, H.P. and Brain, J.D. (eds), Springer Verlag Heidelberg, pp. 229-258.

6. Young JT (1981). Histopathological examination of the rat nasal cavity. Fundam. Appl. Toxicol. 1: 309-312.

7. Harkema JR (1990). Comparative pathology of the nasal mucosa in laboratory animals exposed to inhaled irritants. Environ. Health Perspect. 85: 231-238.

8. Woutersen RA, Garderen-Hoetmer A, van Slootweg PJ, Feron VJ (1994). Upper respiratory tract carcinogenesis in experimental animals and in humans. In: Waalkes MP and Ward JM (eds) Carcinogenesis. Target Organ Toxicology Series, Raven Press, New York, 215-263.

9. Mery S, Gross EA, Joyner DR, Godo M, Morgan KT (1994). Nasal diagrams: A tool for recording the distribution of nasal lesions in rats and mice. Toxicol. Pathol. 22: 353-372.

10. Kuper CF, Koornstra PJ, Hameleers DMH, Biewenga J, Spit BJ, Duijvestijn AM, Breda Vriesman van PJC, Sminia T (1992). The role of nasopharyngeal lymphoid tissue. Immunol. Today 13: 219-224.

11. Kuper CF, Arts JHE, Feron VJ (2003). Toxicity to nasal-associated lymphoid tissue. Toxicol. Lett. 140-141: 281-285.

12. Lewis DJ (1981). Mitotic Indices of Rat Laryngeal Epithelia. Journal of Anatomy 132(3): 419-428.

13. Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien 67/548/EWG und 1999/45/EG und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (ABl. L 353 vom 31.12.2008, S. 1).

Anlage 1

DEFINITION

Prüfsubstanz : jeder Stoff oder jedes Gemisch, der/das mit dieser Prüfmethode getestet wird.

▼B

B.9.   TOXIZITÄT NACH 28-TÄGIGER GABE (DERMAL)

1.   METHODE

1.1.   EINLEITUNG

Siehe allgemeine Einleitung zu Teil B (Punkt A).

1.2.   DEFINITIONEN

Siehe allgemeine Einleitung zu Teil B (Punkt B)

1.3.   BEZUGSSUBSTANZEN

Keine.

1.4.   PRINZIP DER METHODE

Die Prüfsubstanz wird täglich in abgestuften Dosen mehreren Versuchstiergruppen auf die Haut aufgetragen, und zwar eine Dosierung je Gruppe über einen Zeitraum von 28 Tagen. Während des Versuchszeitraums werden die Tiere täglich beobachtet, um Symptome toxischer Wirkungen festzustellen. Tiere, die während des Versuchs sterben, sowie bei Versuchsende überlebende Tiere werden seziert.

1.5.   QUALITÄTSKRITERIEN

Keine.

1.6.   BESCHREIBUNG DER METHODE

1.6.1.   Vorbereitung

Die Tiere werden vor Versuchsbeginn für einen Zeitraum von mindestens 5 Tagen unter experimentellen Haltungs- oder Fütterungsbedingungen eingewöhnt. Vor dem Versuch werden gesunde junge Tiere randomisiert und den einzelnen Behandlungs- und Kontrollgruppen zugeordnet. Kurz vor Versuchsbeginn wird das Fell auf dem Rücken der Versuchstiere geschoren. Ein Abrasieren des Fells ist ebenfalls möglich, sollte jedoch 24 Stunden vor dem Versuch erfolgen. Das Scheren oder Rasieren muss normalerweise wöchentlich wiederholt werden. Es ist darauf zu achten, dass dabei die Haut nicht verletzt wird. Mindestens 10 % der Körperoberfläche wird für die Applikation vorbereitet. Bei der Bestimmung des zu scherenden Bereichs und der Applikationsfläche ist das Gewicht der Tiere zu berücksichtigen. Werden feste Stoffe verwendet, die gegebenenfalls pulverisiert werden können, sollte die Prüfsubstanz ausreichend mit Wasser oder ggf. in anderer geeigneter Form angefeuchtet werden, um einen guten Kontakt mit der Haut sicherzustellen. Flüssige Prüfsubstanzen werden im Allgemeinen unverdünnt angewendet. Die Applikation erfolgt täglich an 5 bis 7 Tagen pro Woche.

1.6.2.   Versuchsbedingungen

1.6.2.1.   Versuchstiere

Es können geschlechtsreife Ratten oder Kaninchen verwendet werden. Auch andere Tierarten können verwendet werden, jedoch muss ihre Verwendung begründet werden.

Die Schwankung des Körpergewichts der Tiere des jeweiligen Versuchs sollte bei Versuchsbeginn nicht mehr als ± 20 % vom entsprechenden Mittelwert betragen.

1.6.2.2.   Anzahl und Geschlecht

Mindestens 10 Tiere (5 weibliche und 5 männliche) mit gesunder unbeschädigter Haut sind für jede Dosierung zu verwenden. Die weiblichen Tiere dürfen weder geworfen haben noch trächtig sein. Sollen im Verlauf des Versuchs Tiere getötet werden, so muss die Gesamtzahl der Tiere um die Zahl an Tieren erhöht werden, die schon vor Versuchsende getötet werden sollen. Darüber hinaus kann eine zusätzliche Gruppe (Satellitengruppe) von 10 Tieren (5 Tiere pro Geschlecht) über 28 Tage mit der höchsten Dosierung behandelt werden. Während der darauf folgenden behandlungsfreien 14 Tage wird auf Reversibilität, Fortbestehen oder verzögertes Auftreten toxischer Wirkungen geachtet. Eine Satellitengruppe von 10 Kontrolltieren (5 Tiere pro Geschlecht) wird ebenfalls verwendet.

1.6.2.3.   Dosierungen

Es sind mindestens drei Dosierungen sowie eine Kontrollgruppe oder — sofern ein Vehikel benutzt wurde — eine Vehikel-Kontrollgruppe zu wählen. Die Einwirkungszeit sollte mindestens 6 Stunden pro Tag betragen. Die Applikation der Prüfsubstanz sollte täglich zur gleichen Zeit erfolgen. Eine Anpassung der Dosierung an das Körpergewicht ist in festgesetzten Intervallen (wöchentlich oder zweimal wöchentlich) vorzunehmen, um in Relation zum Körpergewicht des Tieres ein konstantes Dosierungsniveau zu erhalten. Abgesehen von der Applikation der Prüfsubstanz sind die Tiere der Kontrollgruppe genauso zu behandeln wie die Versuchstiere. Wird zur Erleichterung der Applikation ein Vehikel benutzt, so wird der Kontrollgruppe das Vehikel in gleicher Weise verabreicht wie den behandelten Tieren, und zwar in der Menge, die die Gruppe mit der höchsten Dosierung erhält. Die höchste Dosierung sollte so gewählt werden, dass auf jeden Fall toxische Effekte auftreten, die Tiere jedoch nicht oder nur in geringer Zahl sterben. Die niedrigste Dosierung sollte keine Anzeichen von Toxizität hervorrufen. Liegen brauchbare Schätzungen über die Höhe der Exposition beim Menschen vor, so sollte die niedrigste Dosis diesen Wert überschreiten. Nach Möglichkeit sollte die mittlere Dosierung nur geringe toxische Effekte verursachen. Werden mehrere Zwischendosierungen verabreicht, so sollten sie so gewählt werden, dass es zu einer graduellen Abstufung der toxischen Wirkungen kommt. In den Gruppen mit niedriger oder mittlerer Dosierung sowie in den Kontrollgruppen sollte die Anzahl der Todesfälle gering sein, um eine aussagekräftige Bewertung der Ergebnisse zu ermöglichen.

Führt die Applikation der Prüfsubstanz zu schweren Hautreizungen, sollte die Konzentration herabgesetzt werden, was bei hoher Dosierung zu einer Verminderung oder einem Ausbleiben sonstiger toxischer Wirkungen führen könnte. Wurde überdies die Haut stark beschädigt, ist es u. U. notwendig, den Versuch abzubrechen und mit einer geringeren Konzentration erneut durchzuführen.

1.6.2.4.   Limit-Test

Verursacht bei Durchführung einer Vorstudie die Verabreichung einer Dosis von 1 000 mg/kg bzw. einer höheren Dosis, die einer möglichen Exposition beim Menschen entspricht, keine toxischen Auswirkungen, so ist eine weitere Prüfung nicht erforderlich.

1.6.2.5.   Beobachtungszeitraum

Alle Tiere sind täglich auf Symptome toxischer Wirkungen zu beobachten. Der Eintritt des Todes und der Zeitpunkt, zu dem Symptome auftreten und/oder wieder abklingen, sind festzuhalten.

1.6.3.   Versuchsdurchführung

Die Tiere sollten einzeln in Käfigen gehalten werden. Sie erhalten die Prüfsubstanz vorzugsweise an 7 Tagen pro Woche über einen Zeitraum von 28 Tagen. Die Tiere einer Satellitengruppe, die für eine Nachbeobachtung vorgesehen sind, sollten für weitere 14 Tage ohne Behandlung gehalten werden, um die Reversibilität bzw. das Fortbestehen toxischer Wirkungen zu beobachten. Die Expositionszeit beträgt mindestens 6 Stunden pro Tag.

Die Prüfsubstanz ist einheitlich auf einen Bereich, der etwa 10 % der Körperoberfläche entspricht, aufzutragen. Bei hochtoxischen Substanzen kann die behandelte Oberfläche kleiner sein, es sollte jedoch ein möglichst großer Bereich mit einer möglichst dünnen und einheitlichen Schicht exponiert werden.

Die Prüfsubstanz ist während der Expositionszeit mit einem porösen Mullverband und einem hautschonenden Pflaster in Kontakt mit der Haut zu halten. Die Versuchsfläche ist außerdem auf eine geeignete Art abzudecken, um den Mullverband und die Prüfsubstanz zu fixieren und sicherzustellen, dass die Tiere die Prüfsubstanz nicht oral aufnehmen können. Es können auch Mittel zur Einschränkung der Bewegungsfreiheit angewendet werden, eine vollständige Immobilisierung ist jedoch nicht zu empfehlen. Als Alternative kann eine „Halsmanschette“ verwendet werden.

Nach Ablauf der Expositionszeit entfernt man — soweit möglich — den Rest der Prüfsubstanz, und zwar unter Verwendung von Wasser oder eines anderen geeigneten Hautreinigungsverfahrens.

Alle Tiere sollen täglich beobachtet und Zeichen toxischer Wirkungen, darunter der Zeitpunkt des Auftretens sowie Grad und Dauer, aufgezeichnet werden. Die Beobachtungen sollten sich insbesondere auf Veränderung an Haut, Fell, Augen und Schleimhäuten, Atmung, Kreislauf, autonomem und zentralem Nervensystem sowie an der Somatomotorik und am Verhaltensmuster erstrecken. Die Futteraufnahme und das Gewicht der Tiere werden wöchentlich bestimmt. Eine regelmäßige Beobachtung der Tiere ist erforderlich, um so weit wie möglich sicherzustellen, dass Tiere während des Versuchs nicht durch Kannibalismus, Autolyse der Gewebe oder Fehler beim Umsetzen verloren gehen. Nach Abschluss des Versuchszeitraums werden alle überlebenden Tiere mit Ausnahme der Satellitengruppe seziert. Sterbende Tiere sowie Tiere, bei denen Anzeichen von starkem Leiden und Schmerzen, festgestellt werden, sollten daraufhin sofort ausgesondert und unter Verwendung einer tierschutzgerechten Methode getötet und seziert werden.

Am Ende des Versuchs werden alle Tiere, einschließlich der Kontrolltiere, folgenden Untersuchungen unterzogen:

1. Die Hämatologie sollte mindestens die Bestimmung des Hämatokritwerts und Hämoglobinkonzentrat der Erythrozytenzahl, der Gesamt- und Differenzial-Leukozytenzahl sowie die Messung der Gerinnungsfähigkeit umfassen;

2. klinisch-biochemische Analyse des Blutes: Zur Beurteilung der Leber- und Nierenfunktion sollte zumindest je einer der folgenden Parameter bestimmt werden: Alanin-Aminotransferase (früher bekannt als Serum-Glutamat-Pyruvat-Transaminase), Aspartat-Aminotransferase (früher bekannt als Serum-Glutamat-Oxalazetat-Transaminase), Harnstoff-Stickstoff, Albumin, Kreatinin, Gesamt-Bilirubin und Gesamt-Serum-Protein.

Bestimmungen weiterer blutchemischer Parameter, die ggf. für eine adäquate toxikologische Bewertung erforderlich sind, umfassen: Kalzium, Phosphor, Chlorid, Natrium, Kalium, Nüchternglukose, Lipide, Hormone, Säuren-Basen-Gleichgewicht, Methämoglobin, Cholinesteraseaktivität.

Zusätzliche klinisch-biochemische Analysen können ggf. notwendig sein, um die Untersuchung der beobachteten Effekte zu vertiefen.

1.6.4.   Autopsie

An allen am Versuch beteiligten Tieren wird eine vollständige Autopsie vorgenommen. Zumindest die Leber, die Nieren, die Nebennieren und die Hoden werden so bald wie möglich nach der Sektion feucht gewogen, um ein Austrocknen zu verhindern. Organe und Gewebe, d. h. unbehandelte und behandelte Haut, Leber, Nieren, Milz, Hoden, Nebennieren, Herz und Zielorgane (Organe mit makroskopischen Veränderungen und Größenveränderungen) sind in einem geeigneten Medium für mögliche spätere histopathologische Untersuchungen aufzubewahren.

1.6.5.   Histopathologische Untersuchungen

Bei allen Tieren der Gruppe mit der höchsten Dosierung sowie bei den Tieren der Kontrollgruppe ist eine histologische Untersuchung der konservierten Organe und Gewebe durchzuführen. Alle Organe und Gewebe, die in der Gruppe mit der höchsten Dosierung prüfsubstanzbedingte Schädigungen aufweisen, müssen auch bei allen anderen Gruppen bei geringerer Dosierung untersucht werden. Bei den Tieren der Satellitengruppe sind jene Organe und Gewebe mit besonderer Aufmerksamkeit zu untersuchen, bei denen in den anders behandelten Gruppen Vergiftungssymptome auftraten.

2.   DATEN

Die Daten sind in tabellarischer Form zusammenzufassen. Daraus müssen für jede Dosisgruppe und Kontrollgruppe die Anzahl der Tiere zu Beginn des Versuchs und die Anzahl der Tiere mit den einzelnen Schädigungsformen zu entnehmen sein.

Alle ermittelten Ergebnisse sind durch ein geeignetes statistisches Verfahren zu bewerten. Dazu kann jede anerkannte statistische Methode herangezogen werden.

3.   ABSCHLUSSBERICHT

3.1.   PRÜFBERICHT

Im Prüfbericht ist, wenn möglich, Folgendes anzugeben:

 Angaben zu den Tieren (Tierart, Stamm, Herkunft, Haltungsbedingungen, Futter usw.);

 Versuchsbedingungen (einschließlich Art des Verbandes; okklusiv oder nicht okklusiv);

 Dosierungen (ggf. Vehikel) und Konzentrationen;

 No effect-level (NEL), falls möglich;

 Daten über toxische Reaktionen, nach Geschlecht und Konzentration;

 Zeitpunkt des Todes während des Versuchs bzw. Angabe, ob die Tiere den Versuch überlebten;

 toxische und andere Wirkungen;

 Zeitpunkt der Beobachtung der einzelnen Zeichen toxischer Wirkungen und deren weiterer Verlauf;

 Angaben über Fütterung und Körpergewicht;

 hämatologische Tests und deren Ergebnisse;

 klinisch-biochemische Tests und deren Ergebnisse;

 Sektionsbefunde;

 detaillierte Beschreibung der histopathologischen Befunde;

 statistische Auswertung der Ergebnisse, sofern möglich;

 Diskussion der Ergebnisse;

 Bewertung der Ergebnisse.

3.2.   BEWERTUNG UND INTERPRETATION

Siehe allgemeine Einleitung zu Teil B (Punkt D).

4.   LITERATUR

Siehe allgemeine Einleitung zu Teil B (Punkt E).

▼M7

B.10.   IN-VITRO-TEST AUF CHROMOSOMENABERRATIONEN IN SÄUGETIERZELLEN

EINLEITUNG

Diese Prüfmethode entspricht der OECD-Prüfrichtlinie 473 (2016). Sie ist Teil einer Reihe von Prüfmethoden zur genetischen Toxikologie. Ein neu erstelltes OECD-Dokument enthält kurz gefasste und hilfreiche Informationen zu Untersuchungen zur genetischen Toxikologie sowie eine Übersicht über die jüngsten Änderungen dieser Prüfrichtlinien (1).

Der In-vitro-Test auf Chromosomenaberrationen dient dem Nachweis von Chemikalien, die in Säugerzellkulturen strukturelle Chromosomenaberrationen auslösen (2) (3) (4). Dabei ist zwischen strukturellen Chromosomentyp- und Chromatidentypaberrationen zu unterscheiden. Bei In-vitro-Tests auf Chromosomenaberrationen könnte es zu Polyploidie (einschließlich Endoreduplikation) kommen. Aneugene können zwar eine Polyploidie hervorrufen, die an sich jedoch kein Hinweis auf ein aneugenisches Potenzial ist und möglicherweise nur auf Störungen des Zellzyklus oder Zytotoxizität hinweist (5). Dieser Test dient nicht der Messung der Aneuploidie; dazu wird ein In-vitro-Mikrokerntest (6) empfohlen.

Für den In-vitro-Chromosomenaberrationstest eignen sich Kulturen von etablierten Zelllinien oder primäre Zellkulturen vom Menschen oder von Nagetieren. Die verwendeten Zellen werden unter dem Gesichtspunkt ihrer Wachstumsfähigkeit in Kultur, der Karyotypstabilität (einschließlich Chromosomenzahl) und der spontanen Häufigkeit von Chromosomenaberrationen ausgewählt (7). Die bisher vorhandenen Daten lassen zwar keine verbindlichen Empfehlungen zu, legen jedoch nahe, dass bei der Bewertung des Gefahrenpotenzials chemischer Stoffe der p53-Status, die genetische (Karyotyp-) Stabilität, die DNA-Reparaturfähigkeit und die Herkunft (Nagetier/Mensch) der für die Tests ausgewählten Zellen berücksichtigt werden müssen. Anwendern dieser Prüfmethode wird daher empfohlen, beim Nachweis der Entwicklung von Chromosomenaberrationen den Einfluss dieser und anderer Zellcharakteristika auf die Leistungsfähigkeit von Zelllinien zu berücksichtigen, da sich die wissenschaftlichen Kenntnisse auf diesem Gebiet ständig weiterentwickeln.

Für Definitionen siehe Anlage 1.

AUSGANGSÜBERLEGUNGEN UND GRENZEN

In vitro durchgeführte Versuche setzen in der Regel eine exogene Metabolisierung voraus, es sei denn, die Zellen sind in Bezug auf die Prüfchemikalie metabolisch kompetent. Mit exogener Metabolisierung lassen sich die In-vivo-Bedingungen jedoch nicht gänzlich nachvollziehen. Es sind unbedingt Bedingungen zu vermeiden, die zu künstlich herbeigeführten Positivergebnissen führen könnten, d. h. zu Chromosomenschäden, die nicht von einer direkten Interaktion zwischen den Prüfchemikalien und den Chromosomen herrühren; zu solchen Bedingungen gehören Veränderungen des pH-Wertes bzw. der Osmolalität (8) (9) (10), eine Interaktion mit einzelnen Komponenten des Mediums (11) (12) oder eine hochgradige Zytotoxizität (13) (14) (15) (16).

Dieser Test dient der Feststellung von Chromosomenaberrationen infolge klastogener Vorgänge. Zur Analyse von Chromosomenaberrationen sollten Metaphasenzellen verwendet werden. Deshalb ist es wichtig, dass Zellen sowohl in behandelten als auch in unbehandelten Kulturen die Mitose erreichen. Für hergestellte Nanomaterialien sind möglicherweise spezielle Anpassungen dieser Prüfmethode erforderlich, die an dieser Stelle jedoch nicht beschrieben werden.

Bevor die Prüfmethode auf ein Gemisch angewendet wird, um Daten für regulatorische Zwecke zu generieren, sollte geprüft werden, ob, und, falls ja, warum sie diesbezüglich zweckdienliche Ergebnisse liefert. Diese Überlegungen erübrigen sich, wenn die Durchführung von Tests für das Gemisch gesetzlich vorgeschrieben ist.

TESTPRINZIP

Die Behandlung der Zellkulturen (humane Zellen oder andere Säugetierzellen) mit der Prüfchemikalie erfolgt mit und ohne exogene Metabolisierung, es sei denn, es werden Zellen verwendet, die über eine entsprechende Stoffwechselkompetenz verfügen (siehe Nummer 13). In bestimmten vorab festgelegten Zeitabständen werden die Zellkulturen mit einem Spindelgift (z. B. Colcemid oder Colchicin) behandelt, geerntet und angefärbt und die Metaphasezellen anschließend mikroskopisch auf Chromatidentyp- und Chromosomentypaberrationen untersucht.

BESCHREIBUNG DER METHODE

Vorbereitungen

Zellen

Es können verschiedene Zelllinien (z. B. Ovarialzellen des chinesischen Hamsters (CHO), V79-Lungenzellen des chinesischen Hamsters (CHL), TK6-Lungenzellen des chinesischen Hamsters (CHL)/IU) oder primäre Zellkulturen, auch menschliche Zellen oder Lymphozyten aus dem peripheren Blut von Menschen oder anderen Säugern, verwendet werden (7). Die Wahl der verwendeten Zelllinien sollte wissenschaftlich begründet sein. Wenn Primärzellen verwendet werden, sollten im Interesse des Tierschutzes Primärzellen menschlichen Ursprungs in Betracht gezogen werden, soweit dies möglich ist und die Entnahme nach humanethischen Grundsätzen und Regeln erfolgt. Lymphozyten aus peripherem Humanblut sollte jungen (etwa 18-35 Jahre alten) Personen entnommen werden, die Nichtraucher sind, bei denen keine Krankheit festgestellt wird und die kürzlich nicht in einem Umfang mit gentoxischen Substanzen (z. B. Chemikalien, ionisierende Strahlungen) in Berührung kamen, der die Hintergrundinzidenz von Chromosomenaberrationen erhöhen würde. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass die Hintergrundinzidenz von Chromosomenaberrationen niedrig und konstant ist. Die Baseline-Inzidenz von Chromosomenaberrationen steigt mit dem Alter, wobei dieser Trend bei Frauen ausgeprägter ist als bei Männern (17) (18). Wenn Zellen mehrerer Spender zwecks Verwendung gepoolt werden, ist die Zahl der Spender anzugeben. Es muss nachgewiesen werden, dass sich die Zellen zwischen Behandlungsbeginn und Zellentnahme geteilt haben. Die Zellkulturen werden in einer Phase exponentiellen Wachstums gehalten (Zelllinien) oder zur Teilung angeregt (primäre Lymphozytenkulturen), um Zellen in unterschiedlichen Zyklusstadien zu exponieren, da die Empfindlichkeit der Zellstadien gegenüber den Prüfchemikalien möglicherweise nicht bekannt ist. Die Primärzellen, die mit mitogenen Wirkstoffen zur Teilung angeregt werden müssen, werden in der Regel während der Behandlung mit der Prüfchemikalie nicht weiter synchronisiert (z. B. humane Lymphozyten nach einer 48-stündigen mitogenen Stimulation). Die Verwendung synchronisierter Zellen während der Behandlung wird nicht empfohlen, kann jedoch zulässig sein, sofern gerechtfertigt.

Kulturmedien und Inkubationsbedingungen

Die Kultivierung erfordert geeignete Kulturmedien und Inkubationsbedingungen (Kulturgefäße, ggf. befeuchtete Atmosphäre mit einer CO2-Konzentration von 5 %, Inkubationstemperatur von 371 °C). Zelllinien sind routinemäßig auf Stabilität der modalen Chromosomenzahl und Mycoplasma-Verunreinigung zu überprüfen (7) (19); bei Verunreinigung oder bei veränderter modaler Chromosomenzahl sollten Zellen nicht verwendet werden. Die normale Dauer des Zellzyklus sollte bei den gewählten Zelllinien oder den im Prüflabor verwendeten primären Kulturen bekannt sein und mit veröffentlichten Zellcharakteristiken übereinstimmen (20).

Vorbereitung der Kulturen

Zelllinien: Die Zellen werden aus Stammkulturen gewonnen und im Kulturmedium in einer solchen Dichte überimpft, dass die Zellen in Suspensionen oder Monolayern bis zum Zeitpunkt ihrer Ernte weiterhin exponentiell wachsen (z. B. sollte eine Konfluenz bei in Monolayern gezüchteten Zellen vermieden werden).

Lymphozyten: Mit einem Antikoagulans (z. B. Heparin) behandeltes Vollblut oder separierte Lymphozyten werden einem Kulturmedium beigegeben (z. B. im Fall von humanen Lymphozyten für die Dauer von 48 Stunden), das ein Mitogen (z. B. Phytohämagglutinin (PHA) bei humanen Lymphozyten) enthält, um eine Zellteilung vor der Behandlung mit der Prüfchemikalie herbeizuführen.

Stoffwechselaktivierung

Bei Zellen mit unzulänglicher endogener Stoffwechselkapazität sollten exogene metabolisierende Systeme verwendet werden. Das gängigste und, sofern nicht anders begründet, standardmäßig empfohlene System, ist eine durch Ko-Faktoren ergänzte post-mitochondriale Fraktion (S9) aus der Leber von Nagetieren (in der Regel Ratten), die mit enzyminduzierenden Agenzien wie Aroclor 1254 (21) (22) (23) oder einer Kombination aus Phenobarbiton und β-Naphtoflavon (24) (25) (26) (27) (28) (29) vorbehandelt wurde. Letztere Kombination verstößt nicht gegen das Stockholmer Übereinkommen über persistente organische Schadstoffe (30) und hat sich für die Induktion von Multifunktionsoxidasen als ebenso wirksam wie Aroclor 1254 erwiesen (24) (25) (26) (28). Die S9-Fraktion wird im Endmedium in der Regel in Konzentrationen von 1 bis 2 % v/v verwendet, kann jedoch auf 10 % v/v erhöht werden. Die Verwendung von Produkten, die den Mitoseindex senken, insbesondere Komplexbildner für Calcium (31), sollten während der Behandlung vermieden werden. Die Wahl der Art und Konzentration des exogenen Metabolisierungssystems oder metabolischen Agens ist möglicherweise von der Klasse der geprüften Chemikalien abhängig.

Vorbereitung der Prüfchemikalie

Feste Prüfchemikalien sollten vor der Zellbehandlung in geeigneten Lösungsmitteln gelöst und ggf. verdünnt werden (siehe Nummer 23). Flüssige Prüfchemikalien können dem Versuchssystem vor der Behandlung direkt zugegeben und/oder verdünnt werden. Gasförmige oder flüchtige Prüfchemikalien sind durch entsprechende Modifikationen der Standardprotokolle zu prüfen, z. B. durch Behandlung in hermetisch verschlossenen Kulturgefäßen (32) (33) (34). Zubereitungen der Prüfchemikalie sollten kurz vor der Behandlung hergestellt werden, es sei denn, die Chemikalie ist bei Lagerung nachweislich stabil.

Prüfbedingungen

Lösungsmittel

Das Lösungsmittel sollte so gewählt werden, dass eine optimale Löslichkeit der Prüfchemikalie gewährleistet ist, ohne dass die Durchführung des Versuchs beeinträchtigt wird, z. B. durch Veränderung des Zellwachstums, Beeinträchtigung der Integrität der Prüfchemikalie, Reaktion mit Kulturgefäßen, Behinderung des Metabolisierungssystems. Es ist empfiehlt sich, als erste Wahl die Verwendung eines wässrigen Lösungsmittels (oder Kulturmediums) in Erwägung zu ziehen. Gründlich erprobte Lösungsmittel sind z. B. Wasser oder Dimethylsulfoxid. Organische Lösungsmittel sollten 1 % v/v und wässrige Lösungsmittel (Kochsalzlösung oder Wasser) sollten 10 % v/v im Endmedium möglichst nicht überschreiten. Werden weniger gründlich erprobte Lösungsmittel verwendet (z. B Ethanol oder Aceton), so ist dies durch Daten zu untermauern, die ihre Verträglichkeit mit der Prüfchemikalie und mit dem Versuchssystem sowie ihre mangelnde Gentoxizität in der verwendeten Konzentration belegen. Liegen keine Daten vor, die dies belegen, sollten unbedingt unbehandelte Kontrollen (siehe Anlage 1) einbezogen werden, um nachzuweisen, dass durch die gewählten Lösungsmittel keine schädlichen oder klastogenen Wirkungen ausgelöst werden.

Messung von Zellproliferation und Zytotoxizität und Wahl der Behandlungskonzentrationen

Bei der Bestimmung der höchsten Konzentration der Prüfchemikalie sind Konzentrationen zu vermeiden, die zu künstlich positiven Reaktionen führen können, z. B. zu übermäßiger Zytotoxizität (siehe Nummer 22), Ausfällungen im Kulturmedium (siehe Nummer 23) oder ausgeprägten Veränderungen des pH-Werts oder der Osmolalität (siehe Nummer 5). Sofern die Prüfchemikalie zum Zeitpunkt der Zugabe den pH-Wert des Mediums erheblich verändert, lässt sich dieser auch durch Zugabe eines Puffers ins Endmedium einstellen, damit künstlich positive Reaktionen vermieden und geeignete Kulturbedingungen aufrechterhalten werden.

Es sind Messungen der Zellproliferation vorzunehmen, um sicherzustellen, dass während des Tests eine ausreichende Zahl behandelter Zellen eine Mitose durchlaufen hat und dass die Behandlungen auf geeigneten Zytotoxizitätsniveaus durchgeführt werden (siehe Nummern 18 und 22). Die Zytotoxizität sollte im Hauptversuch mit und ohne Stoffwechselaktivierung unter Verwendung eines geeigneten Indikators für Zelltod und -wachstum bestimmt werden. Wenngleich die Bewertung der Zytotoxizität im Rahmen eines Vorversuchs nützlich sein kann, um eine bessere Bestimmung der im Hauptversuch verwendeten Konzentrationen vornehmen zu können, ist ein Vorversuch nicht zwingend erforderlich. Wird er durchgeführt, ersetzt er nicht die Messung der Zytotoxizität im Hauptversuch.

Die relative Populationsverdopplung (RPD) oder die relative Erhöhung der Zellzahl (RICC) sind geeignete Verfahren zur Bewertung der Zytotoxizität in zytogenetischen Versuchen (13) (15) (35) (36) (55) (Formeln siehe Anlage 2). Bei Langzeitbehandlungen und Probenahmezeitpunkten nach Beginn der Behandlung, die über 1,5 normale Zellzykluslängen (d. h. mehr als 3 Zellzykluslängen insgesamt) andauern, könnte es bei der RPD zu einer Unterschätzung der Toxizität kommen (37). Unter diesen Umständen ist die RICC möglicherweise das bessere Verfahren; anderenfalls erhält man bei Bewertung der Zytotoxizität nach 1,5 normalen Zellzykluslängen beim RPD-Verfahren einen hilfreichen Schätzwert.

Bei Lymphozyten in Primärkulturen ist der Mitoseindex (MI), auch wenn er ein geeigneter Wert zur Messung zytotoxischer/zytostatischer Wirkungen ist, abhängig vom Zeitpunkt der Messung nach der Behandlung, vom verwendeten Mitogen sowie möglichen Störungen des Zellzyklus. Der MI ist jedoch zulässig, da andere Verfahren zur Messung der Zytotoxizität möglicherweise zu komplex und wenig praktikabel und nicht auf die Zielpopulation der Lymphozyten anwendbar sind, die infolge der PHA-Stimulation wachsen.

Zwar sind das RICC- bzw. das RPD-Verfahren für Zelllinien und der MI für Primärkulturen von Lymphozyten die empfohlenen Zytotoxizitätsparameter, weitere Indikatoren (z. B. Zellintegrität, Apoptose, Nekrose, Zellzyklus) könnten jedoch nützliche Zusatzinformationen liefern.

Es sollten mindestens drei Versuchskonzentrationen (ausgenommen Lösungsmittel und Positivkontrollen), die die Akzeptanzkriterien erfüllen (geeignete Zytotoxizität, Anzahl der Zellen usw.), ausgewertet werden. Unabhängig von der Art der Zellen (Zelllinien oder Primärkulturen von Lymphozyten) können für jede überprüfte Konzentration Replikat- oder Einfachkulturen verwendet werden. Wenngleich die Verwendung von Zweifachkulturen ratsam ist, sind Einfachkulturen auch zulässig, vorausgesetzt, es wird für Einfach- oder Zweifachkulturen jeweils die gleiche Gesamt-Zellpopulation ausgewertet. Die Verwendung von Einzelkulturen ist insbesondere dann relevant, wenn mehr als drei Konzentrationen bewertet werden (siehe Nummer 31). Die Ergebnisse aus den unabhängigen Replikatkulturen bei einer gegebenen Konzentration können zu Datenanalysezwecken gepoolt werden (38). Bei Prüfchemikalien mit geringer oder ohne Zytotoxizität sind in der Regel Konzentrationsintervalle mit zwei- bis dreifacher Konzentration geeignet. Wenn Zytotoxizität auftritt, sollten die Versuchskonzentrationen einen Bereich ausgehend von dem Wert, bei dem Zytotoxizität auftritt (siehe Beschreibung unter Nummer 22), bis zu Konzentrationen mit mäßiger und geringer oder nicht vorhandener Toxizität umfassen. Viele Prüfchemikalien zeigen steile Konzentrations-Wirkungs-Kurven, und um Daten bei mäßiger oder geringer Toxizität zu erhalten oder die Dosis-Wirkungs-Beziehung im Einzelnen auszuwerten, wird es erforderlich sein, Konzentrationen mit kleineren Abständen und/oder mehr als drei Konzentrationen zu verwenden (Einfach- oder Replikatkulturen), insbesondere in Fällen, in denen ein Wiederholungsversuch erforderlich ist (siehe Nummer 47).

Beruht die höchste Konzentration auf Zytotoxizität, so sollte versucht werden, unter Verwendung der empfohlenen Zytotoxizitätsparameter (d. h. Verringerung der RICC und RPD bei Zelllinien und Verringerung des MI bei Primärkulturen von Lymphozyten auf 45 ± 5 % der gleichzeitigen Negativkontrolle) mit der höchsten Konzentration eine Zytotoxizität von 55 ± 5 % zu erreichen. Vorsicht ist geboten, positive Ergebnisse dahingehend zu interpretieren, dass sie ausschließlich am oberen Ende dieses zytotoxischen Bereichs von 55 ± 5 % anzutreffen sind (13).

Im Falle schwer löslicher Chemikalien, die bei Konzentrationen unterhalb der niedrigsten unlöslichen Konzentration nicht zytotoxisch sind, sollte die höchste analysierte Konzentration am Ende der Behandlung mit der Prüfchemikalie eine Trübung oder eine mit bloßem Auge oder mithilfe eines inversen Mikroskops erkennbare Ausfällung bewirken. Auch wenn Zytotoxizität oberhalb der niedrigsten unlöslichen Konzentration auftritt, ist es ratsam, nur eine Konzentration zu testen, bei der es zu einer Trübung oder sichtbaren Ausfällung kommt, da künstliche Wirkungen eine Folge dieser Ausfällung sein könnten. Bei der Konzentration, bei der es zu einer Ausfällung kommt, ist unbedingt sicherzustellen, dass die Ausfällung die Durchführung des Versuchs nicht beeinträchtigt (z. B. Färbung oder Auswertung). Es ist möglicherweise sinnvoll, die Löslichkeit im Kulturmedium vor dem Versuch zu bestimmen.

Wird keine Ausfällung bzw. keine grenzwertige Zytotoxizität beobachtet, sollte die höchste Versuchskonzentration 10 mM, 2 mg/ml oder 2 μl/ml entsprechen, je nachdem, welcher Wert der niedrigere ist (39) (40) (41). Sofern die Zusammensetzung der Prüfchemikalie nicht vorgegeben ist, es sich z. B. um einen Stoff mit unbekannter oder schwankender Zusammensetzung, um komplexe Reaktionsprodukte oder biologische Materialien (UVCB) (42), einen Umweltextrakt usw. handelt, muss die höchste Konzentration möglicherweise höher angesetzt werden (z. B. bei 5 mg/ml), sofern keine ausreichende Zytotoxizität vorhanden ist, um die Konzentration der einzelnen Komponenten zu erhöhen. Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass diese Anforderungen sich von denen für Humanpharmazeutika unterscheiden können (43).

Kontrollen

Bei jedem Zellerntezeitpunkt sind gleichzeitige Negativkontrollen (siehe Nummer 15) zu berücksichtigen, bei denen das Behandlungsmedium lediglich Lösungsmittel enthält und die auf die gleiche Weise wie die Behandlungskulturen behandelt werden.

Gleichzeitige Positivkontrollen müssen angelegt werden, um die Eignung des Labors zum Nachweis von Klastogenen unter den Bedingungen des verwendeten Prüfprotokolls sowie ggf. die Wirksamkeit des exogenen Metabolisierungssystems nachzuweisen. Beispiele für Positivkontrollen sind Tabelle 1 zu entnehmen. Es können andere geeignete Positivkontrollchemikalien verwendet werden, sofern gerechtfertigt. Da In-vitro-Tests auf Gentoxizität in Säugetierzellen ausreichend standardisiert sind, kann sich die Hinzuziehung von Positivkontrollen auf ein Klastogen beschränken, das eine Stoffwechselaktivierung erfordert. Unter der Voraussetzung, dass diese einzeln durchgeführte Positivkontrolle zeitgleich zu dem nicht aktivierten Versuch mit derselben Behandlungsdauer erfolgt, wird durch ihre Wirkung sowohl die Aktivität des Metabolisierungssystems als auch die Reaktionsfähigkeit des Versuchssystems nachgewiesen. Im Falle einer Langzeitbehandlung (ohne S9) sollte jedoch eine gesonderte Positivkontrolle erfolgen, da die Behandlungsdauer beim Versuch mit Stoffwechselaktivierung eine andere ist. Jede Positivkontrolle sollte bei einer oder mehreren Konzentrationen durchgeführt werden, die voraussichtlich eine reproduzierbare und erkennbare Zunahme gegenüber dem Hintergrund ergeben, womit sich die Empfindlichkeit des Versuchssystems nachweisen lässt (d. h. die Wirkungen sind eindeutig, lassen aber beim Ablesen nicht sofort die Identität der kodierten Objektträger erkennen), und die Wirkung sollte nicht durch einen Zytotoxizitätswert beeinträchtigt werden, der die in der Prüfmethode vorgegebenen Grenzen überschreitet.



Tabelle 1.

Zur Beurteilung der Eignung des Labors und zur Wahl der Positivkontrollen empfohlene Referenzchemikalien

Kategorie

Chemikalie

CAS-Nr.

1.  Klastogene, die ohne Stoffwechselaktivierung wirken

 

Methylmethansulfonat

66-27-3

 

Mitomycin C

50-07-7

 

4-Nitroquinolin-N-oxid

56-57-5

 

Cytosinarabinosid

147-94-4

2.  Klastogene, die eine Stoffwechselaktivierung erfordern

 

Benzo[a]pyren

50-32-8

 

Cyclophosphamid

50-18-0

VERFAHREN

Behandlung mit der Prüfchemikalie

Proliferierende Zellen werden mit und ohne Stoffwechselaktivierungssystem mit der Prüfchemikalie behandelt.

Zeitpunkt der Zellernte

Um eine genaue Bewertung zu ermöglichen, die erforderlich wäre, um auf ein negatives Ergebnis schließen zu können, sollte jede der drei nachgenannten Versuchsbedingungen getestet werden — eine Kurzzeitbehandlung mit und ohne Stoffwechselaktivierung und eine Langzeitbehandlung ohne Stoffwechselaktivierung (siehe Nummern 43, 44 und 45):

 Die Zellen sollten 3 bis 6 Stunden lang ohne Stoffwechselaktivierung mit der Prüfchemikalie behandelt werden, wobei eine Probenahme nach Ablauf eines Zeitraums erfolgt, der etwa der 1,5-fachen Dauer des normalen Zellzyklus nach Behandlungsbeginn entspricht (18).

 Die Zellen sollten 3 bis 6 Stunden lang mit Stoffwechselaktivierung mit der Prüfchemikalie behandelt werden, wobei eine Probenahme nach Ablauf eines Zeitraums erfolgt, der etwa der 1,5-fachen Dauer des normalen Zellzyklus nach Behandlungsbeginn entspricht (18).

 Die Zellen sollten kontinuierlich ohne Stoffwechselaktivierung behandelt werden, wobei eine Probenahme nach Ablauf eines Zeitraums erfolgt, der etwa der 1,5-fachen Dauer des normalen Zellzyklus entspricht. Bestimmte Chemikalien (z. B. Nucleosidanaloge) sind möglicherweise leichter nachweisbar, wenn der Zeitraum für die Behandlung/Probenahme mehr als die 1,5-fache Dauer des normalen Zellzyklus beträgt (24).

In Fällen, in denen eine der oben genannten Versuchsbedingungen zu einem positiven Befund führt, kann möglicherweise auf Untersuchungen nach den anderen Behandlungsverfahren verzichtet werden.

Chromosomenpräparation

Die Zellkulturen werden vor der Gewinnung in der Regel ein bis drei Stunden lang mit Colcemid oder Colchicin behandelt. Für die Chromosomenpräparation wird jede Zellkultur gesondert geerntet und aufgearbeitet. Zur Chromosomenpräparation gehören die Behandlung der Zellen mit hypotoner Lösung, die Fixierung und das Anfärben. In Monolayern können am Ende der 3- bis 6-stündigen Behandlung mitotische Zellen vorhanden sein (diese sind daran zu erkennen, dass sie rund sind und sich von der Oberfläche lösen). Da diese mitotischen Zellen sich leicht lösen, können sie bei Entfernung des Mediums mit der Prüfchemikalie verloren gehen. Kann nachgewiesen werden, dass verglichen mit den Kontrollen die Zahl der mitotischen Zellen erheblich zugenommen hat, was mit hoher Wahrscheinlichkeit auf einen mitotischen Arrest hinweist, sollten die Zellen durch Zentrifugieren gesammelt und anschließend den Kulturen wieder zugeführt werden, um zu vermeiden, dass Zellen verlorengehen, die sich in der Mitose befinden und zum Zeitpunkt der Gewinnung dem Risiko einer Chromosomenaberration ausgesetzt sind.

Analyse

Alle Objektträger, auch die für die Positiv- und Negativkontrollen, sollten vor der mikroskopischen Untersuchung von unabhängiger Seite kodiert werden. Da es bei der Fixierung bei einem Teil der Metaphasezellen häufig zum Verlust von Chromosomen kommt, sollten die ausgewerteten Zellen daher eine Zentromerzahl enthalten, die bei allen Zelltypen dem Modalwert ± 2 entspricht.

Es sollten mindestens 300 gut gespreitete Metaphasen je Konzentration und Kontrolle analysiert werden, um schlussfolgern zu können, dass eine Prüfchemikalie eindeutig negativ ist (siehe Nummer 45). Die 300 Zellen sind gleichmäßig auf die Replikate zu verteilen, sofern solche verwendet werden. Bei der Verwendung von Einzelkulturen je Konzentration (siehe Nummer 21) sollten mindestens 300 gut gespreitete Metaphasen in dieser Einzelkultur analysiert werden. Die Analyse von 300 Zellen hat den Vorteil, dass die statistische Aussagekraft des Versuchs erhöht wird; zudem sind dann kaum Nullwerte zu erwarten (erwartungsgemäß nur 5 %) (44). Die Anzahl der zu analysierenden Metaphasen kann verringert werden, wenn eine hohe Zahl von Zellen mit Chromosomenaberrationen beobachtet wird und die Prüfchemikalie als eindeutig positiv gilt.

Zellen mit einer oder mehreren strukturellen Chromosomenaberration(en) mit und ohne Gaps sollten analysiert werden. Brüche und Gaps sind gemäß (45) (46) in Anlage 1 definiert. Chromatidentyp- und Chromosomentypaberration sollten getrennt erfasst und Subtypen zugeordnet werden (Brüche, Austausche). Die im Labor angewandten Verfahren sollten gewährleisten, dass die Analyse von Chromosomenaberrationen von qualifizierten Technikern ausgeführt und ggfs. einer Peer-Review unterzogen wird.

Obwohl es bei dem Test um den Nachweis struktureller Chromosomenaberrationen geht, ist das Auftreten von Polyploidie und Endoreduplikation unbedingt festzuhalten (siehe Nummer 2).

Kompetenz des Labors

Um ausreichende Erfahrung mit der Durchführung des Versuchs nachzuweisen, bevor er für routinemäßige Testungen angewendet wird, sollte das Labor eine Reihe von Versuchen mit positiven Referenzchemikalien durchgeführt haben, die sich unterschiedlicher Mechanismen und verschiedener Negativkontrollen bedienen (unter Verwendung verschiedener Lösungsmittel/Vehikel). Die Reaktionen dieser Positiv- und Negativkontrollen sollten der Literatur entsprechen. Dies gilt nicht für erfahrene Laboratorien, d. h. für Laboratorien, die über eine historische Datenbank im Sinne von Nummer 37 verfügen.

Eine Auswahl von Positivkontrollchemikalien (siehe Tabelle 1 unter Nummer 26) sollte anhand von Kurz- und Langzeitbehandlungen ohne Stoffwechselaktivierung und darüber hinaus anhand einer Kurzzeitbehandlung mit Stoffwechselaktivierung untersucht werden, um die Eignung des Labors zum Nachweis klastogener Chemikalien und zur Bestimmung der Wirksamkeit des Metabolisierungssystems zu belegen. Zum Nachweis der Empfindlichkeit und dynamischen Bandbreite des Versuchssystems sollten mehrere Konzentrationen der ausgewählten Chemikalien ausgewählt werden, um reproduzierbare und konzentrationsbezogene Zunahmen gegenüber dem Hintergrund zu erhalten.

Historische Kontrolldaten

Das Labor sollte Folgendes nachweisen:

 Bereich und Verteilung historischer Positivkontrollen

 Bereich und Verteilung historischer Negativkontrollen (unbehandelt, Lösungsmittel)

Beim erstmaligen Erwerb von Daten zur Verteilung einer historischen Negativkontrolle sollten gleichzeitige Negativkontrollen veröffentlichten Kontrolldaten entsprechen, soweit solche vorhanden sind. Kommen weitere Versuchsdaten zur Verteilung der Kontrollen hinzu, sollten gleichzeitige Negativkontrollen idealerweise innerhalb von 95 % der Kontrollgrenzen der gewählten Verteilung liegen (44) (47). Die Datenbank des Labors für historische Negativkontrollen sollte zunächst mit mindestens 10 Versuchen angelegt werden. Vorzugsweise sollte sie jedoch aus mindestens 20 Versuchen bestehen, die unter vergleichbaren Versuchsbedingungen durchgeführt wurden. Labors sollten Qualitätskontrollverfahren anwenden, wie z. B. Qualitätsregelkarten (z. B. C-Karten oder X-Bar-Karten (48)), um zu ermitteln, wie variabel ihre Positiv- und Negativkontrolldaten sind, und um nachzuweisen, dass die Methodik in ihrem Labor „unter Kontrolle“ ist (44). Weitere Empfehlungen zu Aufbau und historischer Datensammlungen (d. h. Kriterien für die Aufnahme und den Ausschluss von Daten in bzw. aus historischen Datensammlungen und die Akzeptanzkriterien für einen bestimmten Versuch) sind den Literaturhinweisen zu entnehmen (47).

Etwaige Änderungen am Versuchsprotokoll sollten auf Übereinstimmung mit den bereits vorhandenen historischen Kontrolldatenbanken geprüft werden. Bei größeren Unstimmigkeiten sollte eine neue historische Kontrolldatenbank erstellt werden.

Daten über Negativkontrollen sollten das Auftreten von Zellen mit Chromosomenaberrationen aus einer Einzelkultur oder aus einer Summe von Replikatkulturen umfassen (vgl. Beschreibung unter Punkt 21). Gleichzeitige Negativkontrollen sollten idealerweise innerhalb der Kontrollgrenzen von 95 % der gewählten Verteilung in der Datenbank des Labors zu historischen Negativkontrollen liegen (44) (47). Sofern gleichzeitige Negativkontrolldaten außerhalb der Kontrollgrenzen von 95 % liegen, ist es zulässig, sie in die historische Kontrollverteilung aufzunehmen, solange es sich bei den Daten nicht um „extreme Ausreißer“ handelt und nachgewiesen werden kann, dass das Versuchssystem „unter Kontrolle“ ist (siehe Nummer 37) und nachweislich kein technisches oder menschliches Versagen vorliegt.

DATEN UND BERICHTERSTATTUNG

Präsentation der Ergebnisse

Bewertet werden sollte der Anteil der Zellen mit struktureller Chromosomenaberration bzw. strukturellen Chromosomenaberrationen. Chromatidentyp- und Chromosomentypaberrationen, die Subtypen zugeordnet sind (Brüche, Austausche), sollten dabei unter Angabe ihrer Anzahl und Häufigkeit für Versuchs- und Kontrollkulturen getrennt erfasst werden. Gaps werden getrennt erfasst und angegeben, aber in der Regel nicht bei der Gesamthäufigkeit der Aberrationen berücksichtigt. Der Anteil der Zellen mit Polyploidie und/oder Endoreduplikation wird angegeben, sofern beobachtet.

Erfasst werden sollten auch Maßnahmen, die in den Hauptprüfungen auf Aberrationen gleichzeitig zur Bestimmung der Zytotoxizität aller behandelten und Negativ- sowie Positivkontrollkulturen durchgeführt werden.

Die Daten für die einzelnen Kulturen sollten erfasst dokumentiert werden. Zusätzlich sollten alle Daten in tabellarischer Form zusammengefasst werden.

Gültigkeitskriterien

Die Akzeptanz eines Versuchs beruht auf folgenden Kriterien:

 Die Aufnahme der gleichzeitigen Negativkontrolle in die Datenbank des Labors für historische Negativkontrollen gilt als zulässig, wenn sie der Beschreibung unter Nummer 39 entspricht.

 Gleichzeitige Positivkontrollen (siehe Nummer 26) sollten Reaktionen hervorrufen, die mit den Reaktionen kompatibel sind, die in der Datenbank für historische Positivkontrollen erzeugt werden, und, verglichen mit den gleichzeitigen Negativkontrollen, eine statistisch signifikante Zunahme aufweisen.

 Die Kriterien für die Zellproliferation in der Lösungsmittelkontrolle sollten erfüllt sein (Nummern 17 und 18).

 Es wurden alle drei Versuchsbedingungen getestet, es sei denn, eine führte zu positiven Ergebnissen (siehe Nummer 28).

 Eine angemessene Zahl an Zellen und Konzentrationen ist analysierbar (Nummern 31 und 21).

 Die Kriterien für die Auswahl der höchsten Konzentration entsprechen den Kriterien unter den Nummern 22, 23 und 24.

Auswertung und Interpretation der Ergebnisse

Unter der Voraussetzung, dass alle Akzeptanzkriterien erfüllt sind, gilt eine Prüfchemikalie als eindeutig positiv, wenn bei einer der getesteten Versuchsbedingungen (siehe Nummer 28):

a) mindestens eine der Versuchskonzentrationen, verglichen mit der gleichzeitigen Negativkontrolle, eine statistisch signifikante Zunahme aufweist,

b) die Zunahme bei der Bewertung anhand eines geeigneten Trendtests dosisabhängig ist,

c) eines der Ergebnisse außerhalb der Verteilung der historischen Negativkontrolldaten liegt (z. B. auf einer Poisson-Verteilung beruhende Kontrollgrenzen von 95 %, siehe Nummer 39).

Sind all diese Kriterien erfüllt, wird davon ausgegangen, dass die Prüfchemikalie Chromosomenaberrationen in Säugerzellkulturen in diesem Versuchssystem auslösen kann. Für Empfehlungen zu den am besten geeigneten statistischen Methoden siehe Literaturhinweise (49) (50) (51).

Unter der Voraussetzung, dass alle Akzeptanzkriterien erfüllt sind, gilt eine Prüfchemikalie als eindeutig negativ, wenn in allen getesteten Versuchsbedingungen (siehe Punkt 28):

a) keine der Versuchskonzentrationen, verglichen mit der gleichzeitigen Negativkontrolle, eine statistisch signifikante Zunahme aufweist,

b) bei der Bewertung anhand eines geeigneten Trendtests keine dosisabhängige Zunahme erfolgt ist,

c) alle Ergebnisse innerhalb der Verteilung der historischen Negativkontrolldaten liegen (z. B. auf einer Poisson-Verteilung beruhende Kontrollgrenzen von 95 %, siehe Nummer 39).

Es wird dann davon ausgegangen, dass die Prüfchemikalie keine Chromosomenaberrationen in Säugerzellkulturen in diesem Versuchssystem auslösen kann.

Bei einer eindeutig positiven oder negativen Reaktion ist eine Verifizierung nicht erforderlich.

In den Fällen, in denen die Reaktion, wie oben beschrieben, weder eindeutig negativ noch eindeutig positiv ist, oder um die biologische Relevanz eines Ergebnisses zu untermauern, sollten die Daten durch eine fachkundige Beurteilung und/oder anhand weiterer Untersuchungen bewertet werden. Die Auswertung (ggf.) weiterer Zellen oder die Durchführung eines Wiederholungsversuchs, möglicherweise unter veränderten Versuchsbedingungen (z. B. Abstände der Konzentrationen, andere Metabolisierungsbedingungen (d. h. Konzentration (S9) oder Herkunft (S9)), könnten hilfreich sein.

In seltenen Fällen lässt der Datensatz selbst nach weiteren Untersuchungen keine definitive Schlussfolgerung zu positiven oder negativen Ergebnissen zu; in diesem Fall wird die Reaktion der Prüfchemikalie als unschlüssig eingestuft.

Eine zahlenmäßige Zunahme der polyploiden Zellen deutet möglicherweise darauf hin, dass die Prüfchemikalie mitotische Prozesse zu hemmen und numerische Chromosomenaberrationen hervorzurufen vermag (52). Eine zahlenmäßige Zunahme der Zellen mit endoreduplizierten Chromosomen ist möglicherweise ein Anzeichen dafür, dass die Prüfchemikalie die Zellzyklusprogression zu hemmen vermag (53) (54) (siehe Nummer 2). Die Inzidenz von polyploiden Zellen und Zellen mit endoreduplizierten Chromosomen sollte daher getrennt erfasst werden.

Prüfbericht

Der Prüfbericht muss folgende Angaben enthalten:

Prüfchemikalie:

 Herkunft, Partienummer, ggf. begrenztes Verwendungsdatum;

 Stabilität der Prüfchemikalie, falls bekannt;

 Löslichkeit und Stabilität der Prüfchemikalie in Lösungsmittel, falls bekannt;

 Messung des pH-Werts, Osmolalität und ggf. Niederschlag im Kulturmedium, dem die Prüfchemikalie zugegeben wurde.

Einkomponentiger Stoff:

 Aussehen, Wasserlöslichkeit und weitere relevante physikalisch-chemische Eigenschaften;

 chemische Bezeichnung, wie z. B. IUPAC- oder CAS-Bezeichnung, CAS-Nummer, SMILES- oder InChI-Code, Strukturformel, Reinheit, chemische Zusammensetzung von Verunreinigungen, falls zutreffend und praktisch durchführbar usw.

Mehrkomponentiger Stoff, UVCB-Stoffe und Gemische:

 So weit wie möglich charakterisiert durch die chemische Zusammensetzung (siehe oben), das quantitative Vorkommen und die relevanten physikalisch-chemischen Eigenschaften der einzelnen Komponenten.

Lösungsmittel:

 Begründung der Wahl des Lösungsmittels.

 Der Anteil des Lösungsmittels im Endmedium sollte ebenfalls angegeben werden.

Zellen:

 Typ und Herkunft der Zellen;

 Karyotypmerkmale und Eignung des verwendeten Zelltyps;

 bei Zelllinien: Nichtvorhandensein von Mycoplasma;

 bei Zelllinien: Angaben über die Dauer des Zellzyklus, Verdopplungszeit oder Proliferationsindex;

 Geschlecht der Blutspender, Alter und sachdienliche Informationen zum Spender, Vollblut oder separierte Lymphozyten, verwendetes Mitogen;

 bei Zelllinien: ggf. Passagenanzahl;

 bei Zelllinien: ggf. zum Erhalt der Zellkultur verwendete Verfahren;

 bei Zelllinien: Modalwert der Chromosomen.

Prüfbedingungen:

 Bezeichnung der Spindelgifte, deren Konzentration und Dauer der Zellexposition;

 Konzentration der Prüfchemikalie, ausgedrückt als Endkonzentration im Kulturmedium (z. B. μg oder mg/ml oder mM des Kulturmediums).

 Begründung der Wahl der Konzentrationen und der Anzahl der Kulturen, darunter z. B. Angaben zur Zytotoxizität und Löslichkeitsgrenze;

 Medienzusammensetzung, ggf. CO2-Konzentration, Feuchtigkeit;

 Konzentration (und/oder Volumen) des Lösungsmittels und der beigegebenen Prüfchemikalie;

 Inkubationstemperatur;

 Inkubationszeit;

 Behandlungsdauer;

 Zeitpunkt der Gewinnung nach der Behandlung;

 ggf. Zelldichte bei der Beimpfung;

 Art und Zusammensetzung des Stoffwechselaktivierungssystems (Herkunft von S9, Zubereitungsmethode des S9-Gemisches, Konzentration oder Volumen des S9-Gemisches und S9 im Endmedium, Qualitätskontrollen von S9);

 Chemikalien der Positiv- und Negativkontrollen, Endkonzentrationen für die jeweiligen Behandlungsbedingungen;

 Methoden zur Präparation des Objektträgers und verwendete Färbetechnik;

 Akzeptanzkriterien für Versuche;

 Kriterien für die Auswertung der Aberrationen;

 Anzahl der analysierten Metaphasen;

 Methoden zur Bestimmung der Zytotoxizität;

 evtl. zusätzliche Angaben zur Zytotoxizität und zum verwendeten Verfahren;

 Kriterien zur Einstufung der Studien als positiv, negativ oder nicht eindeutig;

 Methoden zur Bestimmung von pH-Wert, Osmolalität und Ausfällung.

Ergebnisse:

 Anzahl der behandelten Zellen und Anzahl der je Kultur geernteten Zellen, sofern Zelllinien verwendet werden

 Bestimmung der Zytotoxizität, z. B. RPD, RICC, MI, ggf. andere Beobachtungen;

 Informationen zu Zellzyklusdauer, Verdopplungsdauer oder Proliferationsindex im Fall von Zelllinien;

 Ausfällungszeichen und Bestimmungszeit;

 Definition für Aberrationen, einschließlich Gaps;

 Anzahl der ausgewerteten Zellen, Anzahl der Zellen mit Chromosomenaberrationen mit getrennter Angabe des Chromosomenaberrationstyps für jede behandelte Kultur und Kontrollkultur, mit und ohne Gaps;

 ggf. beobachtete Veränderungen der Ploidie (gesonderte Angabe von polyploiden Zellen und Zellen mit endoreduplizierten Chromosomen);

 nach Möglichkeit Dosis-Wirkungs-Verhältnis;

 Daten zu gleichzeitigen Negativ-(Lösungsmittel-)Kontrollen und Positivkontrollen (Konzentrationen und Lösungsmittel);

 Daten zu historischen Negativ-(Lösungsmittel-)Kontrollen und Positivkontrollen mit Bereichen, Mittelwerten und Standardabweichungen und 95 %-Grenzen für die Verteilung sowie Anzahl der Datensätze.

 ggf. statistische Analysen, p-Werte.

Diskussion der Ergebnisse.

Schlussfolgerungen

LITERATURHINWEISE

(1) OECD (2016). Overview of the set of OECD Genetic Toxicology Test Guidelines and updates performed in 2014-2015. ENV Publications. Series on Testing and Assessment, No. 234, OECD, Paris.

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(3) Ishidate, M. Jr., T. Sofuni (1985), The in vitro Chromosomal Aberration Test Using Chinese Hamster Lung (CHL) Fibroblast Cells in Culture in Progress in Mutation Research, Bd. 5, Ashby, J. et al. (eds.), Elsevier Science Publishers, Amsterdam-New York-Oxford, 427-432.

(4) Galloway, S.M. et al. (1987), Chromosomal aberration and sister chromatid exchanges in Chinese hamster ovary cells: Evaluation of 108 chemicals, Environmental and Molecular Mutagenesis, Bd. 10/Ergänz. 10, 1-175.

(5) Muehlbauer, P.A. et al. (2008), Improving dose selection and identification of aneugens in the in vitro chromosome aberration test by integration of flow cytometry-based methods, Environmental and Molecular Mutagenesis, Band 49/4, 318-327.

(6) Kapitel B.49 dieses Anhangs: In-Vitro-Mikronukleustest an Säugetierzellen.

(7) ILSI paper (draft), Lorge, E., M. Moore, J. Clements, M. O Donovan, F. Darroudi, M. Honma, A. Czich, J van Benthem, S. Galloway, V. Thybaud, B. Gollapudi, M. Aardema, J. Kim, D.J. Kirkland, Recommendations for good cell culture practices in genotoxicity testing.

(8) Scott, D. et al. (1991), Genotoxicity under Extreme Culture Conditions. A report from ICPEMC Task Group 9, Mutation Research/Reviews in Genetic Toxicology, Bd. 257/2, 147-204.

(9) Morita, T. et al. (1992), Clastogenicity of Low pH to Various Cultured Mammalian Cells, Mutation Research/Genetic Toxicology and Environmental Mutagenesis, Bd. 268/2, 297-305.

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(40) Morita, T., M. Honma, K. Morikawa (2012), Effect of reducing the top concentration used in the in vitro chromosomal aberration test in CHL cells on the evaluation of industrial chemical genotoxicity, Mutation Research/Genetic Toxicology and Environmental Mutagenesis, Bd. 741/1-2, 32-56.

(41) Brookmire, L., J.J. Chen, D.D. Levy (2013), Evaluation of the Highest Concentrations Used in the In Vitro Chromosome Aberrations Assay, Environmental and Molecular Muagenesis, Bd. 54/1, 36-43.

(42) EPA, Office of Chemical Safety and Pollution Prevention (2011), Chemical Substances of Unknown or Variable Composition, Complex Reaction Products and Biological Materials: UVCB Substances, http://www.epa.gov/opptintr/newchems/pubs/uvcb.txt.

(43) USFDA (2012), International Conference on Harmonisation (ICH) Guidance S2 (R1) on Genotoxicity Testing and Data Interpretation for Pharmaceuticals Intended For Human Use. Abrufbar unter: https://federalregister.gov/a/2012-13774.

(44) OECD (2014), Statistical analysis supporting the revision of the genotoxicity Test Guidelines, OECD Environment, Health and Safety Publications (EHS), Series on Testing and Assessment, Nr. 198, OECD Publishing, Paris.

(45) ISCN (2013), An International System for Human Cytogenetic Nomenclature, Schaffer, L.G., J. MacGowan-Gordon, M. Schmid (Herausgeber), Karger Publishers Inc., Connecticut.

(46) Scott, D. et al. (1990), Metaphase chromosome aberration assays in vitro, in Basic Mutagenicity Tests: UKEMS Recommended Procedures, Kirkland, D.J. (Herausgeber), Cambridge University Press, Cambridge, 62-86.

(47) Hayashi, M. et al. (2011), Compilation and use of genetic toxicity historical control Data, Mutation Research, Bd. 723/2, 87-90.

(48) Ryan, T. P. (2000), Statistical Methods for Quality Improvement, Zweite Ausgabe, John Wiley and Sons, New York.

(49) Fleiss, J. L., B. Levin, M.C. Paik (2003), Statistical Methods for Rates and Proportions, Dritte Ausgabe, John Wiley & Sons, New York.

(50) Galloway, S.M. et al. (1987), Chromosome aberration and sister chromatid exchanges in Chinese hamster ovary cells: Evaluation of 108 chemicals, Environmental and Molecular Mutagenesis, Bd. 10/Ergänz. 10, 1-175.

(51) Richardson, C. et al. (1989), Analysis of Data from In Vitro Cytogenetic Assays, in Statistical Evaluation of Mutagenicity Test Data, Kirkland, D.J. (Herausgeber), Cambridge University Press, Cambridge, 141-154.

(52) Warr, T.J., E.M. Parry, J.M. Parry (1993), A comparison of two in vitro mammalian cell cytogenetic assays for the detection of mitotic aneuploidy using 10 known or suspected aneugens, Mutation Research, Bd. 287/1, 29-46.

(53) Locke-Huhle, C. (1983), Endoreduplication in Chinese hamster cells during alpha-radiation induced G2 arrest, Mutation Research, Bd. 119/3, 403-413.

(54) Huang, Y., C. Change, J.E. Trosko (1983), Aphidicolin — induced endoreduplication in Chinese hamster cells, Cancer Research, Bd. 43/3, 1362-1364.

(55) Soper, K.A., S.M. Galloway (1994), Cytotoxicity measurement in in vitro chromosome aberration test and micronucleus test, Mutation Research, Bd. 312, 139-149.

Anlage 1

DEFINITIONEN

Aneuploidie : Abweichung von der normalen diploiden (oder haploiden) Chromosomenzahl durch ein einziges Chromosom oder mehr, nicht aber durch einen ganzen (oder mehrere) Chromosomensatz/-sätze (Polyploidie).

Apoptose : programmierter Zelltod, der durch eine Reihe von Schritten charakterisiert ist, an deren Ende ein Schrumpfen von Zellen zu membrangebundenen Partikeln steht, die schließlich durch Phagozytose oder Shedding abgebaut werden.

Chemikalie : ein Stoff oder ein Gemisch.

Chromatidbruch : Diskontinuität in einem einzelnen Chromatid mit eindeutiger Dislokation eines der Bruchstücke.

Chromatid-Gap : nicht gefärbter Bereich (achromatische Läsion) eines einzelnen Chromatids mit minimaler Dislokation eines der Bruchstücke.

Chromatidentypaberration : strukturelle Chromsomenanomalie, gekennzeichnet durch Bruch einzelner Chromatiden oder Bruch und Reunion zwischen Chromatiden.

Chromosomentypaberration : strukturelle Chromosomenanomalie, gekennzeichnet durch Bruch oder Bruch und Reunion beider Chromatiden an gleicher Position.

Endoreduplikation : Prozess, bei dem der Kern nach einer S-Phase der DNA-Replikation keine Mitose durchläuft, sondern in eine weitere S-Phase eintritt. Das Ergebnis sind Chromosomen mit 4, 8, 16, … Chromatiden.

Genotoxisch : allgemeiner Begriff, der alle Typen von DNA- oder Chromosomenschädigungen umfasst, einschließlich Brüchen, Deletionen, Addukten, Nukleotidmodifikationen und -verknüpfungen, Rearrangements, Genmutationen, Chromosomenaberrationen sowie Aneuploidie. Nicht alle genotoxischen Effekte führen zu Mutationen oder stabilen Chromosomenschäden.

Klastogen : Chemikalie, die strukturelle Chromosomenaberrationen in Zellpopulationen oder eukaryontischen Organismen auslöst.

Konzentrationen : beziehen sich auf Endkonzentrationen der Prüfchemikalie im Kulturmedium.

Lösungsmittelkontrolle : allgemeiner Begriff zur Bezeichnung der Kontrollkulturen, die nur mit dem Lösungsmittel behandelt werden, das verwendet wird, um die Prüfchemikalie zu lösen.

Mitose : Teilung des Zellkerns, die in der Regel in Prophase, Prometaphase, Metaphase, Anaphase und Telophase gegliedert ist.

Mitoseindex (MI) : Anteil der Zellen einer Zellpopulation, die sich zum Beobachtungszeitpunkt in Metaphase befinden; zugleich Hinweis auf den Grad der Zellproliferation in dieser Population.

Mutagen : Auslöser einer Erbgutveränderung der DNA-Basenpaarsequenz(en) in Genen oder in der Chromosomenstruktur (Chromosomenaberrationen).

Numerische Aberration : Abweichung der Chromosomenzahl vom Normalwert, der für die verwendeten Zellen charakteristisch ist.

p53-Status : Das p53-Protein ist an der Regulierung des Zellzyklus, Apoptose und DNA-Reparatur beteiligt. Zellen, denen ein funktionales p53-Protein fehlt und die nicht in der Lage sind, den Zellzyklus aufzuhalten oder beschädigte Zellen über Apoptose oder andere Mechanismen (z. B. Einleitung einer DNA-Reparatur) im Zusammenhang mit Aufgaben des p53-Proteins als Reaktion auf DNA-Schäden zu beseitigen, sollten theoretisch eher zu Genmutationen oder Chromosomenaberrationen neigen.

Polyploidie : zahlenmäßige Chromosomenaberrationen in Zellen oder Organismen, von denen ein oder mehrere ganze Chromosomensätze betroffen sind, im Gegensatz zur Aneuploidie, bei der nur ein oder mehrere einzelne Chromosomen betroffen sind.

Prüfchemikalie : Stoff oder Gemisch, der bzw. das nach dieser Prüfmethode getestet wird.

Relative Erhöhung der Zellzahl (RICC) : zahlenmäßige Zunahme von Zellen in Kulturen, die mit der Chemikalie behandelt sind, verglichen mit der Zunahme in nicht behandelten Kulturen, ausgedrückt als Prozentanteil.

Relative Populationsverdopplung (RPD) : Zunahme der Anzahl an Populationsverdopplungen in Kulturen, die mit der Chemikalie behandelt sind, verglichen mit der Zunahme in nicht behandelten Kulturen, ausgedrückt als Prozentanteil.

S9-Leberfraktion : Überstand des Leberhomogenats nach Zentrifugieren bei 9 000 g, d. h. Rohleberextrakt.

S9-Gemisch : Gemisch aus der S9-Leberfraktion und für die metabolische Enzymaktivität notwendigen Ko-Faktoren.

Strukturelle Aberration : Veränderung der Chromosomenstruktur, nachweisbar durch mikroskopische Untersuchung des Metaphase-Stadiums der Zellteilung, äußert sich in Form von Deletionen und Fragmenten, intrachromosomalen oder reziproken Translokationen.

Unbehandelte Kontrollen : Kulturen, die nicht behandelt werden (d. h. weder mit der Prüfchemikalie noch mit Lösungsmittel), jedoch gleichzeitig in gleicher Weise aufgearbeitet werden wie die Kulturen, die mit der Prüfchemikalie behandelt werden.

Zellproliferation : Zunahme der Anzahl von Zellen als Ergebnis der mitotischen Zellteilung.

Zytotoxizität : Für die Zwecke der unter diese Prüfmethode fallenden Versuche, bei denen Zelllinien zum Einsatz kommen, bezeichnet Zytotoxizität eine Verringerung der relativen Populationsverdopplung (RPD) bzw. eine relative Erhöhung der Zellzahl (RICC) der behandelten Zellen, verglichen mit der Negativkontrolle (siehe Nummer 17 und Anlage 2). Für die Zwecke der unter dieser Prüfmethode fallenden Versuche, bei denen Primärkulturen von Lymphozyten zum Einsatz kommen, bezeichnet Zytotoxizität eine Verringerung des Mitoseindex (MI) der behandelten Zellen, verglichen mit der Negativkontrolle (siehe Nummer 18 und Anlage 2).

Anlage 2

FORMELN ZUR BEWERTUNG DER ZYTOTOXIZITÄT

Mitoseindex (MI):

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Die relative Erhöhung der Zellzahl (RICC) oder die relative Populationsverdopplung (RPD) wird empfohlen, da bei beiden der Anteil der Zellpopulation berücksichtigt wird, der eine Teilung durchlaufen hat.

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Dabei gilt:

Populationsverdopplung = [log ((Zellzahl nach Behandlung ÷ Anfängliche Zellzahl)] ÷ log 2

Beispielsweise deutet eine RICC oder eine RPD von 53 % auf eine Zytotoxizität/Zytostase von 47 % hin, und eine anhand des MI gemessene Zytotoxizität/Zytostase von 55 % bedeutet, dass der tatsächliche MI zu 45 % außer Kontrolle ist.

In jedem Fall sollte die Größe der Zellpopulation vor der Behandlung ermittelt werden; Gleiches gilt für behandelte Kulturen und Negativkontrollkulturen.

Wenngleich der RCC-Wert (d. h. die in behandelten Kulturen/Zellzahl in Kontrollkulturen) in der Vergangenheit als Bestimmungsgröße für die Zytotoxizität herangezogen wurde, wird er nicht mehr empfohlen, da er zu einer Unterschätzung der Toxizität führen kann.

Bei den Negativkontrollkulturen sollte die Populationsverdopplung der Anforderung gerecht werden, dass Zellprobenahmen nach der Behandlung zu einem Zeitpunkt erfolgen müssen, der etwa der 1,5-fachen Dauer des normalen Zellzyklus entspricht, und der Mitoseindex sollte so hoch liegen, dass man eine ausreichend hohe Zellzahl erhält, die die Mitose erreicht, und zuverlässig mit einer 50 %igen Verringerung kalkulieren kann.

B.11.   TEST AUF CHROMOSOMENABERRATIONEN IN KNOCHENMARKZELLEN VON SÄUGETIEREN

EINLEITUNG

Diese Prüfmethode entspricht der OECD-Prüfrichtlinie 475 (2016). Sie ist Teil einer Serie von Prüfmethoden zur genetischen Toxikologie. Es wurde ein OECD-Dokument erstellt, das kurz gefasste und hilfreiche Informationen zu Untersuchungen zur genetischen Toxikologie sowie eine Übersicht über die jüngsten Änderungen dieser Prüfrichtlinien enthält (1).

Der In-vivo-Test auf Chromosomenaberrationen in Knochenmarkzellen von Säugetieren ist vor allem für die Bewertung der Genotoxizität relevant, da trotz artenspezifischer Unterschiede bestimmte Faktoren den In-vivo-Stoffwechsel, die Pharmakokinetik und die DNA-Reparaturprozesse beeinflussen und zu den Reaktionen beitragen. Ein In-vivo-Versuch ist ferner hilfreich für weitere Untersuchungen zu gentoxischen Wirkungen, die in einem In-Vitro-System nachgewiesen wurden.

Der In-vivo-Test auf Chromosomenaberrationen in Säugetierzellen dient dem Nachweis von strukturellen Chromosomenaberrationen, die von Prüfchemikalien in Knochenmarkzellen von Säugetieren, in der Regel Nagetieren, ausgelöst werden (2) (3) (4) (5). Dabei ist zwischen strukturellen Chromosomentyp- und strukturellen Chromatidentypaberrationen zu unterscheiden. Bei der Mehrzahl der auf gentoxischen Chemikalien beruhenden Mutagene sind die Aberrationen dem Chromatidentyp zuzuordnen, doch kommen auch Chromosomentypaberrationen vor. Chromosomenschäden und damit zusammenhängende Prozesse sind die Ursache für zahlreiche humangenetische Erkrankungen, und es gibt wesentliche Anhaltspunkte dafür, dass diese Schäden und Prozesse, wenn sie Veränderungen an Onkogenen und Tumorsuppressorgenen auslösen, an der Entstehung von Krebs beim Menschen und in Versuchssystemen beteiligt sind. Polyploidie (einschließlich Endoreduplikation) könnte bei In-vivo-Versuchen zum Nachweis von Chromosomenaberrationen entstehen. Eine Polyploidie an sich ist jedoch kein Hinweis auf ein aneugenisches Potenzial und weist möglicherweise nur auf Störungen des Zellzyklus oder Zytotoxizität hin. Dieser Test dient nicht der Messung der Aneuploidie, zu deren Nachweis ein In-vivo-Erythrozyten-Mikrokerntest bei Säugern (vgl. Kapitel B.12 dieses Anhangs) oder der In-vitro-Mikronukleustest an Säugetierzellen (vgl. Kapitel B.49 dieses Anhangs) empfohlen würden.

Für Definitionen der verwendeten Begriffe siehe Anlage 1.

AUSGANGSÜBERLEGUNGEN

Bei dieser Prüfung werden routinemäßig Nagetiere eingesetzt, aber auch andere Arten können in einigen Fällen geeignet sein, sofern dies wissenschaftlich gerechtfertigt wird. Zielgewebe bei dieser Prüfung ist das Knochenmark, da es sich um ein gefäßreiches Gewebe mit einer Population rasch proliferierender Zellen handelt, die sich leicht isolieren und aufarbeiten lassen. Die Verwendung anderer Versuchstiere als Ratten und Mäuse sollte im Bericht wissenschaftlich begründet werden. Sofern andere Versuchstiere als Nagetiere verwendet werden, wird empfohlen, Chromosomenaberrationen in Knochenmarkzellen im Rahmen anderer geeigneter Toxizitätstests zu messen.

Soweit es Anhaltspunkte dafür gibt, dass die Prüfchemikalie(n) oder (ein) reaktive® Metabolit(en) das Zielgewebe nicht erreicht bzw. erreichen, ist dieser Test nicht geeignet.

Bevor die Prüfmethode auf ein Gemisch angewendet wird, um Daten für Regulierungszwecke zu generieren, sollte geprüft werden, ob, und falls ja, warum sie für diese Zwecke geeignete Ergebnisse liefert. Diese Überlegungen erübrigen sich, wenn die Durchführung von Tests für das betreffende Gemisch gesetzlich vorgeschrieben ist.

PRINZIP DER PRÜFMETHODE

Die Prüfchemikalie wird den Tieren über einen geeigneten Expositionsweg verabreicht; letztere werden nach der Behandlung zu einem angemessenen Zeitpunkt human getötet. Vor der Tötung werden die Tiere mit einem Spindelgift (z. B. Colchicin oder Colcemid) behandelt. Anschließend werden aus den Knochenmarkzellen Chromosomen präpariert und angefärbt, und die Metaphasezellen werden auf Chromosomenaberrationen untersucht.

ÜBERPRÜFUNG DER EIGNUNG DES LABORS

Eignungsprüfungen

Um ausreichende Erfahrung mit der Durchführung des Versuchs nachzuweisen, bevor er für routinemäßige Testungen angewendet wird, sollte das Labor seine Fähigkeit zur Reproduktion erwarteter Ergebnisse aus veröffentlichten Daten (z. B. (6)) über Chromosomenaberrationshäufigkeiten mit mindestens zwei Positivkontrollchemikalien (einschließlich durch geringe Dosen positiver Kontrollen ausgelöste schwache Reaktionen), wie in Tabelle 1 aufgelistet, und mit kompatiblen Vehikel-/Lösungsmittelkontrollen demonstriert haben (siehe Nummer 22). In diesen Versuchen sollten Dosierungen verwendet werden, mit denen reproduzierbare und dosisabhängige Zunahmen erzielt werden und die die Empfindlichkeit und dynamische Bandbreite des Versuchssystems im untersuchten Gewebe (Knochenmark) demonstrieren, wobei nach der die im Labor normalerweise angewandten Auswertungsmethode vorgegangen werden sollte. Diese Anforderung gilt nicht für erfahrene Laboratorien, d. h. für Laboratorien, die über eine historische Datenbank im Sinne der Nummern 10-14 verfügen.

Historische Kontrolldaten

Im Rahmen der Eignungsprüfungen sollte das Labor Folgendes nachweisen:

 Bereich und Verteilung historischer Positivkontrollen und

 Bereich und Verteilung historischer Negativkontrollen.

Beim erstmaligen Erwerb von Daten zur Verteilung einer historischen Negativkontrolle sollten gleichzeitige Negativkontrollen mit veröffentlichten Kontrolldaten übereinstimmen, soweit solche vorhanden sind. Kommen weitere Versuchsdaten zur Verteilung der historischen Kontrollen hinzu, sollten gleichzeitige Negativkontrollen idealerweise innerhalb der 95 %-Kontrollgrenze dieser Verteilung liegen. Die Datenbank des Labors für historische Negativkontrollen sollte statistisch robuste Werte enthalten, die gewährleisten, dass das Labor in der Lage ist, die Verteilung seiner Negativkontrolldaten zu bewerten. Nach der Literatur reicht möglicherweise ein Minimum von 10 Versuchen aus, doch wird empfohlen, unter vergleichbaren Versuchsbedingungen mindestens 20 Versuche durchzuführen. Laboratorien sollten Qualitätskontrollverfahren wie Qualitätsregelkarten (z. B. C-Karten oder X-Bar-Karten (7)) anwenden, um zu ermitteln, wie variabel ihre Daten sind, und um nachzuweisen, dass die Methodik in ihrem Labor „unter Kontrolle“ ist. Für weitere Empfehlungen zu Aufbau und Verwendung historischer Datensammlungen (d. h. Kriterien für die Aufnahme und den Ausschluss von Daten in bzw. aus historischen Datensammlungen und die Akzeptanzkriterien für einen bestimmten Versuch) siehe Literaturhinweise (8).

Soweit das Labor während der Eignungsprüfungen (siehe Nummer 9) nicht genügend Versuche abschließt, um eine statistisch robuste Verteilung der Negativkontrollen zu demonstrieren (siehe Punkt 11), kann die Verteilung auch während der ersten routinemäßigen Tests erstellt werden. Diese Vorgehensweise sollte sich an den Literaturempfehlungen orientieren (8), und die bei diesen Versuchen erzielten Negativkontrollergebnisse sollten mit veröffentlichten Negativkontrolldaten übereinstimmen.

Etwaige Änderungen am Versuchsprotokoll sollten hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die resultierenden Daten geprüft werden, die mit den bereits vorhandenen Labordaten über historische Kontrollen übereinstimmen müssen. Nur bei größeren Unstimmigkeiten sollte eine neue Datenbank für historische Kontrollen erstellt werden, soweit eine fachkundige Beurteilung ergibt, dass eine Abweichung von der vorherigen Verteilung besteht (siehe Nummer 11). Während der Neuerstellung muss für die Durchführung eines aktuellen Versuchs ggfs. keine vollständige Datenbank mit Negativkontrollen vorhanden sein, vorausgesetzt, dass Labor kann nachweisen, dass seine Werte aus gleichzeitigen Negativkontrollen entweder mit seiner vorangegangenen Datenbank oder mit den entsprechenden veröffentlichten Daten übereinstimmen.

Daten über Negativkontrollen sollten das Vorkommen struktureller Chromosomenaberrationen (ohne Gaps) bei jedem Tier umfassen. Gleichzeitige Negativkontrollen sollten idealerweise innerhalb der 95 %-Kontrollgrenzen der gewählten Verteilung in der Datenbank des Labors für historische Negativkontrollen liegen. Sofern Daten zu gleichzeitigen Negativkontrollen außerhalb der 95 %-Kontrollgrenzen liegen, ist es zulässig, sie in die historische Kontrollverteilung aufzunehmen, solange es sich bei den Daten nicht um „extreme Ausreißer“handelt und nachgewiesen werden kann, dass das Versuchssystem „unter Kontrolle“ ist (siehe Nummer 11) und kein Hinweis auf technisches oder menschliches Versagen vorliegt.

BESCHREIBUNG DER PRÜFMETHODE

Vorbereitungen

Auswahl der Tierart

Es sollten junge, gesunde und geschlechtsreife Tiere der üblichen Labortierstämme zum Einsatz kommen. Gewöhnlich werden Ratten verwendet, doch kommen auch Mäuse in Frage. Es können auch andere geeignete Säugetierarten verwendet werden, sofern dies im Bericht wissenschaftlich begründet wird.

Haltungs- und Fütterungsbedingungen

Bei Nagern sollte die Temperatur im Versuchstierraum 221 °C (± 31 °C) betragen. Die relative Luftfeuchte sollte vorzugsweise bei 50 bis 60 % liegen, mindestens aber 40 % betragen und außer bei Reinigung des Raumes 70 % nicht übersteigen. Der Raum sollte künstlich beleuchtet sein, mit Hell-/Dunkelphasen im 12-Stunden-Rhythmus. An die Versuchstiere kann herkömmliches Laborfutter verfüttert werden, wobei eine unbegrenzte Trinkwasserversorgung zu gewährleisten ist. Die Wahl des Futters kann dadurch beeinflusst werden, dass es sich für die Beimischung einer Prüfchemikalie eignen muss, wenn diese über das Futter verabreicht wird. Nagetiere können in kleinen Gruppen von Tieren gleichen Geschlechts und der gleichen Behandlungsgruppen untergebracht werden (maximal fünf pro Käfig), sofern kein aggressives Verhalten zu erwarten ist, vorzugsweise in Käfigen mit festem Boden und entsprechender Ausgestaltung des Lebensumfelds. Die Tiere dürfen nur dann einzeln untergebracht werden, wenn dies wissenschaftlich gerechtfertigt ist.

Vorbereitung der Tiere

In der Regel werden junge, gesunde und geschlechtsreife Tiere verwendet (bei Nagetieren vorzugsweise Tiere, die zu Behandlungsbeginn 6 bis 10 Wochen alt sind, wobei etwas ältere Tiere auch zulässig sind), die den Kontroll- und Behandlungsgruppen nach dem Zufallsprinzip zuzuordnen sind. Die Tiere werden nach einer humanen, minimalinvasiven Methode (z. B. durch Anbringen von Ringen, Kennmarken, Mikrochips oder biometrisch, nicht jedoch durch Kupieren der Ohren oder Zehen) einzeln gekennzeichnet. Die Tiere werden über einen Zeitraum von mindestens fünf Tagen unter Laborbedingungen eingewöhnt. Die Käfige sind so anzuordnen, dass etwaige standortbedingte Auswirkungen minimal sind. Kreuzkontaminationen zwischen Positivkontrolle und Prüfchemikalie sind zu vermeiden. Zu Beginn der Studie sollten die Körpergewichtsunterschiede zwischen den behandelten Tiere möglichst gering sein und um nicht mehr als ± 20 % vom Durchschnittsgewicht des jeweiligen Geschlechts abweichen.

Vorbereitung der Dosierung

Feste Prüfchemikalien sollten vor ihrer Verabreichung an die Tiere in geeigneten Lösungsmitteln oder Vehikeln gelöst oder suspendiert oder dem Futter oder Trinkwasser beigemischt werden. Flüssige Prüfchemikalien können direkt verabreicht oder zuvor verdünnt werden. Bei Exposition durch Inhalation können die Prüfchemikalien je nach physikalisch-chemischen Eigenschaften als Gase, Dämpfe oder festes/flüssiges Aerosol verabreicht werden. Es sind frische Zubereitungen der Prüfchemikalie zu verwenden, es sei denn, deren die Stabilität bei Lagerung ist erwiesen und die geeigneten Lagerbedingungen sind vorgegeben.

Lösungsmittel/Vehikel

Das Lösungsmittel/Vehikel sollte bei den gewählten Dosisstufen keine toxischen Wirkungen hervorrufen und nicht in Verdacht stehen, mit den Prüfchemikalien eine chemische Reaktion einzugehen. Werden keine gängigen Lösungsmittel/Vehikel verwendet, so sind Referenzdaten über ihre Kompatibilität beizubringen. Es empfiehlt sich, wann immer möglich zunächst die Verwendung eines wässrigen Lösungsmittels/Vehikels in Erwägung zu ziehen. Beispiele für gängige, kompatible Lösungsmittel/Vehikel sind Wasser, physiologische Kochsalzlösung, Methylcelluloselösung, Carboxymethylcellulose-Natriumsalzlösung, Olivenöl und Maisöl. Liegen keine historischen oder veröffentlichten Kontrolldaten vor, aus denen hervorgeht, dass keine strukturellen Aberrationen oder anderen schädlichen Wirkungen von einem gewählten, nicht gängigen Lösungsmittel/Vehikel ausgehen, sollte ein Vorversuch durchgeführt werden, der die Eignung des Lösungsmittels/Vehikels belegt.

Kontrollen

Positivkontrollen

Jeder Versuch sollte eine Gruppe von Tieren umfassen, die mit einer Positivkontrollchemikalie behandelt wurden. Darauf kann möglicherweise verzichtet werden, wenn das Prüflabor seine Eignung zur Durchführung des Tests demonstriert und eine Serie historischer Positivkontrollen nachgewiesen hat. Umfasst der Versuch keine gleichzeitige Positivkontrolle, sollten Auswertungskontrollen (fixierte und nicht angefärbte Objektträger) einbezogen werden. Dazu eignen sich Referenzproben, die im Rahmen eines separaten Positivkontrollversuchs, der in dem Labor, das den Versuch durchführt, in regelmäßigen Zeitabständen (z. B. alle 6 bis 18 Monate) durchgeführt wird (z. B. bei Eignungsprüfungen und danach ggf. auf regelmäßiger Basis), entnommen und gelagert wurden.

Positivkontrollchemikalien sollten zuverlässig bewirken, dass die Häufigkeit der Zellen mit Chromosomenaberrationen gemessen an der spontan entstehenden Zellmenge nachweislich zunimmt. Positivkontrolldosen sollten so gewählt werden, dass die Wirkungen eindeutig sind, aber beim Ablesen nicht sofort die Identität der kodierten Proben erkennen lassen. Es ist vertretbar, dass die Positivkontrolle im Rahmen eines anderen Behandlungsplans auf anderem Wege als die Prüfchemikalie verabreicht wird und nur eine einzige Probenahme erfolgt. Ggf. könnte eine zusätzliche Positivkontrolle verwendet werden, die derselben chemischen Klasse angehört wie die Prüfchemikalie. Für Beispiele für Positivkontrollchemikalien siehe Tabelle 1.



Tabelle 1

Beispiele für Positivkontrollchemikalien

Chemikalie

CAS-Nr.

Ethylmethansulfonat

62-50-0

Methylmethansulfonat

66-27-3

Ethylnitrosoharnstoff

759-73-9

Mitomycin C

50-07-7

Cyclophosphamid(monohydrat)

50-18-0 (6055-19-2)

Triethylenmelamin

51-18-3

Negativkontrollen

Tiere der Negativkontrolle sollten bei jeder Probenahme berücksichtigt und genau wie die Behandlungsgruppen behandelt werden, außer dass ihnen keine Prüfchemikalie verabreicht wird. Soweit zur Verabreichung der Prüfchemikalie ein Lösungsmittel/Vehikel verwendet wird, sollte die auch Kontrollgruppe dieses Lösungsmittel/Vehikel erhalten. Demonstrieren jedoch historische Negativkontrolldaten bei jeder Probenahme für das betreffende Prüflabor übereinstimmende Werte zur Variabilität der Tiere und Häufigkeit der Zellen mit Chromosomenaberrationen, so ist für die Negativkontrollen möglicherweise nur eine einzige Probenahme erforderlich. Wird bei den Negativkontrollen nur eine einzige Probe entnommen, so sollte dies zum ersten Probenahmezeitpunkt erfolgen.

VERFAHREN

Anzahl und Geschlecht der Tiere

Die Mikrokernreaktion verläuft bei männlichen und weiblichen Tieren in der Regel ähnlich (9), und es ist davon auszugehen, dass dies auch für strukturelle Chromosomenaberrationen gilt, sodass die meisten Studien unabhängig vom Geschlecht durchgeführt werden können. Daten, die nennenswerte Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Tieren demonstrieren (z. B. Unterschiede bei der systemischen Toxizität, beim Stoffwechsel, bei der Bioverfügbarkeit, bei der Knochenmarktoxizität usw., einschließlich unter anderem einer Dosisfindungsstudie), würden die Verwendung von Tieren beider Geschlechter nahe legen. In diesem Fall kann es angebracht sein, eine Studie an Tieren beider Geschlechter durchzuführen, z. B. im Rahmen einer Toxizitätsstudie mit wiederholter Verabreichung. Bei Verwendung beider Geschlechter könnte die Anwendung des faktoriellen Modells zweckdienlich sein. Für Einzelheiten zur Analyse der Daten nach diesem Modell siehe Anlage 2.

Zu Beginn der Studie sollten die Gruppengrößen so festgelegt werden, dass jede Gruppe mindestens 5 analysierbare Tiere eines Geschlechts oder beider Geschlechter, sofern beide Geschlechter einbezogen werden, umfasst. Sollte es sich beim Menschen um eine geschlechtsspezifische Exposition handeln, z. B. wie dies bei bestimmten Pharmazeutika der Fall ist, ist der Versuch am Tier ebenfalls geschlechtsspezifisch durchzuführen. Richtwert für eine typische Versuchstiermenge: Für eine Knochenmarkstudie mit zwei Probenahmezeitpunkten, drei Dosisgruppen und einer gleichzeitigen Negativkontrollgruppe zuzüglich einer Positivkontrollgruppe (wobei jede Gruppe aus fünf Tieren jedes Geschlechts besteht) wären maximal 45 Versuchstiere erforderlich.

Dosisstufen

Wird vorab eine Dosisfindungsstudie durchgeführt, da keine geeigneten Daten zur Dosisauswahl verfügbar sind, sollte diese im selben Labor unter Verwendung derselben Spezies und desselben Stamms, Geschlechts und Behandlungsverfahrens wie beim Hauptversuch stattfinden (10). Ziel der Studie sollte sein, die maximal verträgliche Dosis (MTD) zu ermitteln, die definiert ist als die Höchstdosis, die, bezogen auf den Versuchszeitraum, keine Anzeichen von Toxizität hervorruft, die die Studie begrenzen würden (z. B. Rückgang des Körpergewichts oder Zytotoxizität des hämatopoetischen Systems), ausgenommen Tod oder Anzeichen von Schmerzen und Leiden, die eine humane Tötung erforderlich machen würden (11).

Die Höchstdosis kann ferner als die Dosis definiert werden, die bestimmte Anzeichen toxischer Wirkungen auf das Knochenmark hervorruft.

Chemikalien, die zu einer Sättigung der toxikokinetischen Eigenschaften führen oder Entgiftungsprozesse einleiten, die nach einer Langzeitbehandlung möglicherweise zu einem Rückgang der Exposition führen, können von den Dosierungskriterien ausgenommen werden und sollten auf Einzelfallbasis evaluiert werden.

Um Dosis-Wirkungs-Informationen zu erhalten, sollte eine vollständige Studie eine Negativkontrollgruppe und mindestens drei Dosisstufen (Dosis x 2, jedoch maximal x 4) vorsehen. Ruft die Prüfchemikalie in einer Dosisfindungsstudie oder nach bereits vorhandenen Daten keine Toxizität hervor, so sollte die Höchstdosis für eine Einzelgabe 2 000  mg/kg Körpergewicht betragen. Ruft die Prüfchemikalie jedoch Toxizität hervor, sollte die MTD die höchste verabreichte Dosis sein, und die Dosisstufen sollten vorzugsweise einen Bereich zwischen Höchstdosis und der Dosis abdecken, die wenig oder keine Toxizität erzeugt. Wenn für alle untersuchten Dosisstufen Toxizität im Zielgewebe (Knochenmark) beobachtet wird, sind weitere Untersuchungen bei nichttoxischen Dosisstufen ratsam. Studien zur genaueren Charakterisierung der quantitativen Dosis-Wirkungs-Informationen erfordern möglicherweise weitere Dosisgruppen. Bei bestimmten Arten von Prüfchemikalien (z. B. Humanpharmazeutika), für die spezielle Anforderungen gelten, können diese Grenzen variieren.

Limit-Test

Weisen Dosisfindungsstudien oder bereits vorhandene Daten für verwandten Tierstämme darauf hin, dass eine Behandlung zumindest mit der Limit-Dosis (siehe Beschreibung unten) keine feststellbaren toxischen Wirkungen (und auch keinen Rückgang der Proliferation des Knochenmarks oder andere Anzeichen für toxische Wirkungen im Zielgewebe) verursacht, und ist auf Basis von In-vitro-Studien zur Untersuchung der Genotoxizität oder von Daten über strukturell verwandte Chemikalien keine Genotoxizität zu erwarten, so ist möglicherweise keine umfassende Studie mit drei Dosisstufen erforderlich, sofern nachgewiesen wurde, dass die Prüfchemikalie(n) das Zielgewebe (Knochenmark) erreicht bzw. erreichen. In solchen Fällen könnte eine der Limit-Dosis entsprechende Einzeldosis ausreichen. Bei einem Behandlungszeitraum von >14 Tagen beträgt die Limit-Dosis 1 000  mg/kg Körpergewicht/Tag. Bei einem Behandlungszeitraum von 14 oder weniger Tagen beträgt die Limit-Dosis 2 000 mg/kg Körpergewicht/Tag.

Verabreichung

Bei der Versuchsplanung ist der antizipierte Verabreichungsweg beim Menschen zu berücksichtigen. Routen wie die Aufnahme über die Nahrung oder das Trinkwasser, die topische, subkutane, intravenöse, orale (Magensonde), intratracheale Verabreichung, die Inhalation oder die Implantation sind daher als wissenschaftlich gerechtfertigt zulässig. In jedem Fall sollte der Verabreichungsweg so gewählt werden, dass das (die) Zielgewebe angemessen exponiert werden. Eine intraperitoneale Injektion wird in der Regel nicht empfohlen, da diese nicht als Verabreichungsweg beim Menschen vorgesehen ist, und sollte nur mit entsprechender wissenschaftlicher Begründung angewandt werden. Sofern die Prüfchemikalie der Nahrung oder dem Trinkwasser beigemischt wird, insbesondere im Fall von Einzeldosierungen, ist darauf zu achten, dass ein ausreichender Zeitabstand zwischen der Nahrungsmittel-/Trinkwasseraufnahme und der Probenahme eingehalten wird, damit ein Nachweis der Wirkungen möglich ist (siehe Nummern 33-34). Die Höchstmenge an Flüssigkeit, die jeweils über eine Magensonde verabreicht oder injiziert werden kann, hängt von der Größe des Versuchstiers ab. Das Volumen sollte im Normalfall 1 ml/100 g Körpergewicht nicht überschreiten, bei wässrigen Lösungen können aber auch 2 ml/100 g in Betracht gezogen werden. Werden größere Volumina verwendet, ist dies zu begründen. Mit Ausnahme von reizenden oder ätzenden Prüfchemikalien, die normalerweise bei höheren Konzentrationen gravierende Wirkungen zeigen, sollte die Variabilität der Prüfvolumina minimiert werden, indem die Konzentration angepasst wird, dass im Verhältnis zum Körpergewicht bei allen Dosisstufen ein konstantes Volumen verabreicht wird.

Behandlungsplan

Prüfchemikalien werden in der Regel auf einmal verabreicht. Die Gabe kann aber auch in Form von zwei oder mehreren Teilmengen erfolgen (am gleichen Tag im Abstand von nicht mehr als 2 bis 3 Stunden), wenn es sich um eine große Menge handelt. In diesen Fällen, oder wenn die Prüfchemikalie durch Inhalation verabreicht wird, sollte der Zeitpunkt der Probenahme auf Basis der letzten Dosisgabe oder des Zeitpunkts, an dem die Exposition beendet wurde, angesetzt werden.

Es liegen nur wenige Informationen darüber vor, ob sich ein Protokoll für wiederholte Verabreichung für diesen Versuch eignet. In Fällen, in denen es zweckmäßig erscheint, diesen Versuch in einen Toxizitätstest mit wiederholter Verabreichung einzubinden, ist ein Verlust von mitotischen Zellen mit beschädigten Chromosomen zu vermeiden, wozu es bei toxischen Dosierungen kommen kann. Eine solche Einbindung ist zulässig, wenn die höchste Dosis der Limit-Dosis entspricht oder größer ist (siehe Nummer 29) und eine Dosisgruppe für die Dauer des Behandlungszeitraums die Limit-Dosis erhält. Soll eine Einbindung in andere Studien erfolgen, sollte vorrangig der Mikrokerntest (Prüfmethode B.12) als In-vivo-Test für Chromosomenaberrationen gewählt werden.

Knochenmarkproben sollten an zwei verschiedenen Zeitpunkten im Anschluss an Einzelbehandlungen genommen werden. Bei Nagern sollte das erste Probenahmeintervall der Dauer von 1,5 normalen Zellzyklen (die in der Regel 12 bis 18 Stunden nach der Behandlung abgeschlossen sind) entsprechen. Da die für die Aufnahme und Metabolisierung der Prüfchemikalie(n) sowie für die Wirkung auf die Zellzykluskinetik benötigte Zeit den optimalen Zeitpunkt für die Feststellung von Chromosomenaberrationen beeinflussen kann, wird empfohlen, 24 Stunden nach der ersten Probenahme eine weitere Probenahme vorzunehmen. Bei der ersten Probenahme sollten alle Dosisgruppen behandelt, und es sollten Proben für die Analyse aufgearbeitet werden. Bei (einer) weiteren Probenahme(n) muss nur die Höchstdosis verabreicht werden. Werden Verabreichungsschemata gewählt, die über einen Tag hinausgehen, und ist dies wissenschaftlich begründet, sollte die Probenahme im Anschluss an die letzte Behandlung nach Ablauf eines Zeitraums erfolgen, der der l,5-fachen Dauer des normalen Zellzyklus entspricht.

Nach der Behandlung und vor der Aufarbeitung der Proben erhalten die Versuchstiere eine intraperitoneale Injektion mit einer geeigneten Dosis eines Spindelgifts (z. B. Colcemid oder Colchicin), und nach einem angemessenen Zeitraum im Anschluss daran erfolgt die Aufarbeitung. Bei Mäusen beträgt dieser Zeitraum etwa 3 bis 5 Stunden vor der Aufarbeitung und bei Ratten 2 bis 5 Stunden. Aus dem Knochenmark werden Zellen gewonnen, aufgequollen, fixiert und angefärbt und anschließend auf Chromosomenaberrationen untersucht (12).

Beobachtungen

Mindestens einmal täglich sollten allgemeine klinische Beobachtungen der Versuchstiere vorgenommen und vorzugsweise zum gleichen Zeitpunkt und unter Berücksichtigung des Zeitraums, in dem der Wirkungsgipfel nach Verabreichung der Dosis zu erwarten ist, protokolliert werden. Mindestens zweimal täglich während der Verabreichungszeit sind alle Tiere auf Morbidität und Mortalität zu untersuchen. Alle Tiere sollten zu Studienbeginn, mindestens einmal pro Woche bei Studien mit wiederholter Verabreichung sowie bei humaner Tötung gewogen werden. In Studien von mindestens einwöchiger Dauer sollten mindestens wöchentlich Messungen der Futteraufnahme vorgenommen werden. Wenn die Prüfchemikalie über das Trinkwasser verabreicht wird, sollte auch die Wasseraufnahme bei jedem Wasserwechsel und mindestens einmal wöchentlich gemessen werden. Tiere mit Anzeichen von übermäßiger, jedoch nicht tödlich wirkender Toxizität sollten vor Ende des Prüfzeitraums human getötet werden (11).

Exposition des Zielgewebes

Zu (einem) geeigneten Zeitpunkt(en) sollte eine Blutprobe gezogen werden, um den Plasmaspiegel der Prüfchemikalien untersuchen zu können. Dadurch soll nachgewiesen werden, dass eine Exposition des Knochenmarks stattgefunden hat, wo dies gerechtfertigt erscheint und keine anderen Expositionsdaten vorhanden sind (siehe Nummer 44).

Knochenmark- und Chromosomenpräparate

Die Knochenmarkzellen werden in der Regel unmittelbar nach der humanen Tötung aus den Oberschenkel- oder Schienbeinknochen der Tiere gewonnen, mit hypotoner Lösung behandelt und fixiert. Die Zellen werden anschließend nach anerkannten Verfahren auf Objektträger aufgetropft und angefärbt (siehe (3) (12)).

Analyse

Alle Objektträger, einschließlich der Positiv- und Negativkontrollen, sollten vor der Analyse unabhängig kodiert und randomisiert werden, damit die Auswertung ohne Kenntnis der Behandlungsbedingungen erfolgt.

Bei allen behandelten Tieren (einschließlich der Positivkontrollen), unbehandelten oder mit einem Lösungsmittel/Vehikel behandelten Tieren der Negativkontrollgruppe ist der Mitoseindex als Gradmesser der Zytotoxizität in mindestens 1 000  Zellen pro Tier zu bestimmen.

Pro Tier sollten mindestens 200 Metaphasen auf strukturelle Chromsomenaberrationen, mit und ohne Gaps, analysiert werden (6). Wenn jedoch aus den historischen Negativkontrolldaten hervorgeht, dass die durchschnittliche Hintergrundhäufigkeit für strukturelle Chromsomenaberrationen im Prüflabor < 1 % beträgt, sollte eine Auswertung weiterer Zellen in Erwägung gezogen werden. Chromatidentyp- und Chromosomentypaberrationen sollten gesondert erfasst und Subtypen zugeordnet werden (Brüche, Austausche). Die Laborpraxis sollte gewährleisten, dass die Analyse von Chromosomenaberrationen von gut ausgebildeten Labortechnikern vorgenommen und ggf. einer Peer-Review unterzogen wird. Da es bei der Präparation der Objektträger häufig zum Bruch eines Teils der Metaphasezellen und zum Verlust von Chromosomen kommt, sollten die ausgewerteten Zellen eine Zentromerzahl enthalten, die der Zahl 2n ± 2 entspricht, wobei n die haploide Chromosomenzahl für diese Spezie ist.

DATEN UND BERICHTERSTATTUNG

Behandlung der Ergebnisse

Die Daten für die einzelnen Tiere sollten tabellarisch erfasst werden. Für jedes Tier sollten der Mitoseindex, die Anzahl der bewerteten Metaphasezellen, die Zahl der Aberrationen pro Metaphasezelle und der Anteil der Zellen mit strukturellen Chromosomenaberrationen angegeben werden. Für die Versuchs- und Kontrollgruppen sollten die unterschiedlichen Typen struktureller Chromsomenaberrationen unter Angabe ihrer Anzahl und Häufigkeit aufgeführt werden. Gaps sowie polyploide Zellen und Zellen mit endoreduplizierten Chromosomen werden getrennt erfasst. Die Häufigkeit von Gaps ist anzugeben, wird in der Regel bei der Analyse der Gesamthäufigkeit der Aberrationen jedoch nicht berücksichtigt. Gibt es keine Anhaltspunkte für unterschiedliche Reaktionen der Geschlechter, so können die Daten für beide Geschlechter für die statistische Analyse zusammengefasst werden. Daten zur Toxizität und klinische Anzeichen bei Tieren sind ebenfalls anzugeben.

Gültigkeitskriterien

Die folgenden Kriterien entscheiden über die Gültigkeit des Versuchs:

a) Die Aufnahme der gleichzeitigen Negativkontrolldaten in die Labordatenbank für historische Negativkontrollen ist zulässig (siehe Nummern 11-14);

b) die gleichzeitigen Positivkontrollen oder Auswertungskontrollen sollten Reaktionen auslösen, die mit denen aus den historischen Positivkontrolldaten kompatibel sind und verglichen mit der Negativkontrolle eine statistisch signifikante Zunahme bewirken (siehe Nummern 20-21);

c) es wurde die richtige Anzahl an Dosen und Zellen analysiert;

d) die Kriterien für die Wahl der Höchstdosis stimmen mit den unter den Nummern 25-28 beschriebenen Kriterien überein.

Auswertung und Interpretation der Ergebnisse

Unter der Voraussetzung, dass alle Gültigkeitskriterien erfüllt sind, gilt eine Prüfchemikalie als eindeutig positiv, wenn

a) mindestens eine der Behandlungsgruppen, verglichen mit der gleichzeitigen Negativkontrolle, eine statistisch signifikante Zunahme der Häufigkeit von Zellen mit strukturellen Chromsomenaberrationen (ohne Gaps) aufweist,

b) diese Zunahme bei Bewertung nach einem geeigneten Trendtest bei mindestens einer Probenahme dosisabhängig ist und

c) eines dieser Ergebnisse außerhalb der Verteilung der historischen Negativkontrolldaten liegt (z. B. auf einer Poisson-Verteilung beruhende Kontrollgrenzen von 95 %).

Wird zu einem bestimmten Probenahmezeitpunkt nur die Höchstdosis untersucht, so gilt eine Prüfchemikalie als eindeutig positiv, wenn, verglichen mit der gleichzeitigen Negativkontrolle, eine statistisch signifikante Zunahme vorliegt und die Ergebnisse außerhalb der Verteilung der historischen Negativkontrolldaten liegen (z. B. auf einer Poisson-Verteilung beruhende Kontrollgrenzen von 95 %). Empfehlungen zu geeigneten statistischen Methoden sind der Literatur zu entnehmen (13). Bei der Durchführung einer Dosis-Wirkungs-Analyse sollten mindestens drei behandelte Dosisgruppen analysiert werden. Bei statistischen Versuchen sollte das Tier Versuchseinheit sein. Positive Ergebnisse beim Chromosomenaberrationstest deuten darauf hin, dass eine Prüfchemikalie Chromosomenaberrationen im Knochenmark der getesteten Spezies auslöst.

Unter der Voraussetzung, dass alle Gültigkeitskriterien erfüllt sind, gilt eine Prüfchemikalie als eindeutig negativ, wenn unter allen getesteten Versuchsbedingungen

a) keine der Behandlungsgruppen, verglichen mit der gleichzeitigen Negativkontrolle, eine statistisch signifikante Zunahme der Häufigkeit von Zellen mit strukturellen Chromsomenaberrationen (ohne Gaps) aufweist,

b) bei Bewertung nach einem geeigneten Trendtest zu keinem Probenahmezeitpunkt eine dosisabhängige Zunahme festgestellt wird,

c) alle Ergebnisse innerhalb der Verteilung der historischen Negativkontrolldaten liegen (z. B. auf einer Poisson-Verteilung beruhende Kontrollgrenzen von 95 %) und

d) eine Exposition des Knochenmarks gegenüber der /den Prüfchemikalie(n) erfolgt ist.

Für Empfehlungen zu den am besten geeigneten statistischen Methoden siehe Literaturhinweis (13). Als Nachweis für eine Exposition des Knochenmarks gegenüber einer Prüfchemikalie kann auch ein Rückgang des Mitoseindex oder eine Untersuchung der Plasma- oder Blutspiegel der Prüfchemikalie(n) dienen. Bei intravenöser Verabreichung ist kein Expositionsnachweis erforderlich. Alternativ können ADME-Daten herangezogen werden, die in einer unabhängigen Studie unter Verwendung der gleichen Verabreichungswege und der gleichen Spezies gewonnen wurden, um nachzuweisen, dass eine Knochenmarkexposition stattgefunden hat. Negative Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Prüfchemikalie unter den Versuchsbedingungen keine strukturellen Chromosomenaberrationen im Knochenmark der getesteten Spezies hervorruft.

Bei einer eindeutig positiven oder negativen Reaktion ist keine Verifizierung erforderlich.

In Fällen, in denen die Reaktion, wie oben beschrieben, weder eindeutig negativ noch eindeutig positiv ist, oder um die biologische Relevanz eines Ergebnisses zu untermauern (z. B. eine geringe oder grenzwertige Zunahme), sollten die Daten durch eine fachkundige Beurteilung und/oder anhand weiterer Untersuchungen bewertet werden. In einigen Fällen kann die Auswertung weiterer Zellen oder die Durchführung eines Wiederholungsversuchs, möglicherweise unter veränderten Versuchsbedingungen, hilfreich sein.

In seltenen Fällen erlaubt der Datensatz auch nach weiteren Untersuchungen keine definitive Aussage darüber, ob die Prüfchemikalie positive oder negative Ergebnisse zur Folge hat; in diesen Fällen wird die Studie als unschlüssig abgeschlossen.

Die Häufigkeit des Auftretens polyploider und endoreduplizierter Metaphasen gemessen an der Gesamtzahl der Metaphasen sollte getrennt erfasst werden. Eine zahlenmäßige Zunahme der polyploiden/endoreduplizierten Zellen deutet möglicherweise darauf hin, dass die Prüfchemikalie mitotische Prozesse zu hemmen und numerische Chromosomenaberrationen hervorzurufen vermag (siehe Abschnitt 3).

Prüfbericht

Der Prüfbericht sollte folgende Angaben enthalten:

Zusammenfassung

Prüfchemikalie:

 Herkunft, Partienummer und ggf. äußerstes Verwendungsdatum;

 Stabilität der Prüfchemikalie, falls bekannt.

Einkomponentige Substanz:

 Aussehen, Wasserlöslichkeit und weitere relevante physikalisch-chemische Eigenschaften;

 chemische Bezeichnung, wie z. B. IUPAC- oder CAS-Bezeichnung, CAS-Nummer, SMILES- oder InChI-Code, Strukturformel, Reinheit, chemische Zusammensetzung von Verunreinigungen, soweit zutreffend und praktisch durchführbar usw.

Mehrkomponentige Substanz, UVCB-Stoffe und Gemische:

 so weit wie möglich charakterisiert durch die chemische Zusammensetzung (siehe oben), das quantitative Vorkommen und die relevanten physikalisch-chemischen Eigenschaften der einzelnen Komponenten.

Zubereitung der Prüfchemikalie:

 Begründung der Wahl des Vehikels;

 Löslichkeit und Stabilität der Prüfchemikalie in Lösungsmittel/in einem Vehikel, falls bekannt;

 Zubereitung von Formulierungen für Nahrung, Trinkwasser oder Inhalationspräparaten;

 analytische Bestimmung der Formulierungen (z. B. Stabilität, Homogenität, nominale Konzentrationen), wenn erfolgt.

Versuchstiere:

 Art/Stamm, Begründung für die Verwendung;

 Anzahl, Alter und Geschlecht der Tiere;

 Herkunft der Tiere, Haltungsbedingungen, Futter usw.

 Methode zur individuellen Kennzeichnung der Tiere;

 bei Kurzzeitstudien: individuelles Gewicht der Tiere zu Beginn und am Ende der Studie; bei Studien über einer Woche: individuelles Körpergewicht während der Studie und Futteraufnahme. Bereich des Körpergewichts, Mittelwert und Standardabweichung für jede Gruppe.

Prüfbedingungen:

 Positiv- und Negativ-(Vehikel-/Lösungsmittel-)Kontrollen;

 Daten aus einer ggf. durchgeführten Dosisfindungsstudie;

 Begründung der gewählten Dosisstufen;

 Angaben zur Zubereitung der Prüfsubstanz;

 Angaben zur Verabreichung der Prüfsubstanz;

 Begründung für den Verabreichungsweg und die Verabreichungsdauer;

 Methoden zur Überprüfung, ob die Prüfchemikalie(n) in den allgemeinen Kreislauf oder ins Knochenmark gelangt;

 Angaben zur tatsächlichen Dosis (mg/kg Körpergewicht/Tag), errechnet aus der Konzentration der Prüfchemikalie im Futter/Trinkwasser (ppm) und ggf. deren Aufnahmemenge;

 Angaben über Futter- und Wasserqualität;

 Angaben zur Methode der humanen Tötung;

 Analgesiemethode (sofern angewandt);

 nähere Angaben zu Behandlungs- und Probenahmezeitplänen mit Begründung;

 Methode für die Präparation der Objektträger;

 Methode zur Untersuchung der Toxizität;

 Bezeichnung des Spindelgifts und Angabe seiner Konzentration und Dosierung sowie des Zeitpunkts seiner Verabreichung vor der Probenahme;

 Verfahren zur Isolierung und Konservierung der Proben;

 Kriterien für die Auswertung der Aberrationen;

 Anzahl der pro Tier analysierten Metaphasezellen und Anzahl der für die Bestimmung des Mitoseindex analysierten Zellen;

 Kriterien für die Gültigkeit der Studie;

 Kriterien für die Einstufung der Studie als positiv, negativ oder unschlüssig.

Ergebnisse:

 Zustand des Tiers vor und während des Versuchszeitraums, einschließlich Anzeichen von Toxizität;

 Mitoseindex, für jedes Tier gesondert anzugeben;

 Typ und Zahl der aberranten Zellen, für jedes Tier gesondert anzugeben;

 Gesamtzahl der Aberrationen pro Gruppe mit Mittelwerten und Standardabweichungen;

 Anzahl der Zellen mit Aberrationen pro Gruppe mit Mittelwerten und Standardabweichungen;

 ggf. beobachtete Veränderungen der Ploidie, einschließlich Häufigkeiten von polyploiden und/oder endoreduplizierten Zellen;

 ggfs. Dosis-Wirkungsverhältnis;

 statistische Analysen und angewandte Methode;

 Daten zum Nachweis, dass eine Exposition des Knochenmarks stattgefunden hat;

 gleichzeitige Negativkontroll- und Positivkontrolldaten mit Bereichen, Mittelwerten und Standardabweichungen;

 historische Negativkontroll- und Positivkontrolldaten mit Bereichen, Mittelwerten und Standardabweichungen und 95 %-Kontrollgrenzen für die Verteilung sowie Behandlungszeitraum und Zahl der Beobachtungen;

 für eine positive oder negative Reaktion erfüllte Kriterien.

Diskussion der Ergebnisse.

Schlussfolgerung.

Referenzdokumente.

LITERATURHINWEISE

(1) OECD (2016). Overview of the set of OECD Genetic Toxicology Test Guidelines and updates performed in 2014-2015. ENV Publications. Series on Testing and Assessment, No. 234, OECD, Paris.

(2) Adler, I.D. (1984), Cytogenetic Tests in Mammals, in Mutagenicity Testing: A Practical Approach, Venittand, S., J.M. Parry (eds.), IRL Press, Washington, DC, 275-306.

(3) Preston, R.J. et al. (1987), Mammalian in vivo cytogenetic assays. Analysis of chromosome aberrations in bone marrow cells, Mutation Research, Band 189/2, 157-165.

(4) Richold, M. et al. (1990), „In Vivo Cytogenetics Assays“ , in Basic Mutagenicity Tests, UKEMS Recommended Procedures. UKEMS Subcommittee on Guidelines for Mutagenicity Testing. Bericht. Überarbeiteter Teil I, Kirkland, D.J. (ed.), Cambridge University Press, Cambridge, 115-141.

(5) Tice, R.R. et al. (1994), Report from the working group on the in vivo mammalian bone marrow chromosomal aberration test, Mutation Research, Band 312/3, 305-312.

(6) Adler, I.D. et al. (1998), Recommendations for statistical designs of in vivo mutagenicity tests with regard to subsequent statistical analysis, Mutation Research/Genetic Toxicology and Environmental Mutagenesis, Band 417/1, 19-30.

(7) Ryan, T.P. (2000), Statistical Methods for Quality Improvement, 2nd ed., John Wiley and Sons, New York.

(8) Hayashi, M. et al. (2011), Compilation and use of genetic toxicity historical control data, Mutation Research/Fundamental and Molecular Mechanisms of Mutagenesis, Band 723/2, 87-90.

(9) Hayashi, M. et al. (1994), in vivo rodent erythrocyte micronucleus assay, Mutation Research/Environmental Mutagenesis and Related Subjects, Band 312/3, 293-304.

(10) Fielder, R.J. et al. (1992), Report of British Toxicology Society/UK Environmental Mutagen Society Working Group. Dose setting in in vivo mutagenicity assays, Mutagenesis, Band 7/5, 313-319.

(11) OECD (2000), Guidance Document on the Recognition, Assessment and Use of Clinical Signs as Humane Endpoints for Experimental Animals Used in Safety Evaluation, OECD Environment, Health and Safety Publications (EHS), Series on Testing and Assessment, No19, OECD Publishing, Paris.

(12) Pacchierotti, F., V. Stocchi (2013), Analysis of chromosome aberrations in somatic and germ cells of the mouse, Methods in Molecular Biology, Band 1044, 147-163.

(13) Lovell, D.P. et al. (1989), Statistical Analysis of in vivo Cytogenetic Assays, in Statistical Evaluation of Mutagenicity Test Data. UKEMS SubCommittee on Guidelines for Mutagenicity Testing, Bericht, Teil III, Kirkland, D.J. (ed.), Cambridge University Press, Cambridge, 184-232.

Anlage 1

DEFINITIONEN

Aneuploidie : jede Abweichung von der normalen diploiden (oder haploiden) Chromosomenzahl um ein oder mehrere Chromosomen, jedoch nicht um ganze Chromosomensätze (vgl. Polyploidie).

Chemikalie : ein Stoff oder ein Gemisch.

Chromatidentypaberration : strukturelle Chromsomenanomalie, gekennzeichnet durch Bruch einzelner Chromatiden oder Bruch und Reunion zwischen Chromatiden.

Chromosomentypaberration : strukturelle Chromosomenanomalie, gekennzeichnet durch Bruch oder Bruch und Reunion beider Chromatiden an gleicher Position.

Endoreduplikation : Prozess, bei dem der Kern nach einer S-Phase der DNA-Replikation keine Mitose durchläuft, sondern in eine weitere S-Phase eintritt. Das Ergebnis sind Chromosomen mit 4,8,16, … Chromatiden.

Gap : achromatische Läsion von geringerer Breite als eine Chromatide mit minimaler Verlagerung der Chromatiden.

Mitoseindex : Anteil der Zellen einer Zellpopulation, die sich zum Beobachtungszeitpunkt in der Mitose befinden: Gradmesser für den Vermehrungsgrad dieser Population.

Numerische Aberration : Abweichung der Chromosomenzahl vom Normalwert, der für die verwendeten Tiere charakteristisch ist (Aneuploidie).

Polyploidie : numerische Chromosomenaberration, von der ein ganzer Chromosomensatz betroffen ist, im Gegensatz zu einer numerischen Abweichung in einem Teil des Chromosomensatzes (vgl. Aneuploidie).

Prüfchemikalie : ein Stoff oder ein Gemisch, der bzw. das nach dieser Prüfmethode getestet wird.

Strukturelle Chromosomenaberration : Veränderung der Chromosomenstruktur, nachweisbar durch mikroskopische Untersuchung des Metaphase-Stadiums der Zellteilung; äußert sich in Form von Deletionen und Fragmenten, intra-chromosomalen oder reziproken Translokationen.

Zentromere : Region(en) eines Chromosoms, an die die Spindelfasern während der Zellteilung anhaften, wodurch die ordnungsgemäße Beförderung der Tochterchromosomen zu den Polen der Tochterzellen ermöglicht wird.

Anlage 2

FAKTORIELLES MODELL ZUR ERMITTLUNG GESCHLECHTSSPEZIFISCHER DIFFERENZEN BEIM IN-VIVO-TEST AUF CHROMOSOMENABERRATIONEN

Faktorielles Modell und zugehörige Analysen

Bei diesem Modell werden mindestens 5 männliche und 5 weibliche Tiere je Konzentration getestet, d. h. insgesamt mindestens 40 Versuchstiere (20 männliche und 20 weibliche zuzüglich Positivkontrollen).

Das Modell, das zu den einfacheren Faktormodellen zählt, entspricht einer Zweiwege-Varianzanalyse, bei der Geschlecht und Konzentration im Wesentlichen die Wirkung bestimmen. Die Daten können im Rahmen zahlreicher Standard-Statistiksoftwareanwendungen wie SPSS, SAS, STATA oder Genstat oder auch mit „R“ analysiert werden.

Mit der Analyse lässt sich die Varianz im Datensatz als Varianz zwischen den Geschlechtern, Varianz zwischen den Konzentrationen und Varianz bezogen auf die Interaktion zwischen den Geschlechtern und Konzentrationen abbilden. Jede Bedingung wird an einem Schätzwert der Varianz zwischen den Replikattieren in den gleichgeschlechtlichen Tiergruppen, die die gleiche Konzentration erhalten, gemessen. Die zugrundeliegende Methodik ist in vielen Standardwerken zur Statistik (siehe Referenzdokumente) und in den in Statistiksoftware-Paketen mitgelieferten Hilfe-Funktionen näher beschrieben.

Die Analyse beginnt mit der Untersuchung der Interaktionsbedingung „Konzentration x Geschlecht“ nach der ANOVA-Tabelle ( 25 ). Liegt keine signifikante Interaktion vor, liefern die kombinierten Werte für die Geschlechter oder Konzentrationen gültige statistische Tests für die jeweiligen Konzentrationen, und zwar basierend auf der ANOVA-Bedingung der innerhalb der Gruppe gepoolten Varianzen.

Es folgt eine Partitionierung des Schätzwerts für die Varianzen zwischen den Konzentrationen in Kontraste, die einen Test für lineare und quadratische Kontraste aus den Reaktionen der verschiedenen Konzentrationen liefern. Ergibt sich hingegen eine signifikante Interaktion für Term „Konzentration x Geschlecht“, so kann dieser Term auch in Interaktionskontraste „linearer Wert x Geschlecht“ und „quadratischer Wert x Geschlecht“ partitioniert werden. Aufgrund dieser Terme lässt sich prüfen, ob die Reaktionen der jeweiligen Konzentrationen für beide Geschlechter parallel verlaufen oder ob es zwischen den Geschlechtern zu einer differenzierten Reaktion kommt.

Anhand des Schätzwerts für die innerhalb der Gruppe gepoolten Varianzen lassen sich paarweise Tests auf Abweichungen zwischen Mittelwerten durchführen. Diese Vergleiche könnten zwischen den Mittelwerten für die beiden Geschlechter und zwischen den Mittelwerten für die verschiedenen Konzentrationen durchgeführt werden, beispielsweise um einen Vergleich mit den Negativkontrollen vorzunehmen. In Fällen mit signifikanter Interaktion können Vergleiche zwischen den Mittelwerten verschiedener Konzentrationen innerhalb eines Geschlechts oder zwischen den Mittelwerten beider Geschlechter bei gleicher Konzentration vorgenommen werden.

Referenzdokumente

Es sind viele Werke zur Statistik erhältlich, in denen die Theorie, der Aufbau, die Methodik, die Analyse und die Interpretation faktorieller Analysemodelle erörtert werden, von einfachen Zweifaktorenanalysen bis hin zu komplexeren Formen, wie sie in der „Design of Experiment“-Methode verwendet werden. Die folgende Auflistung ist nicht erschöpfend. Einige Bücher enthalten Beispielrechnungen zu vergleichbaren Versuchsplänen, in einigen Fällen auch mit einem Code zur Durchführung der Analysen unter Verwendung verschiedener Softwarepakete.

Box, G.E.P, Hunter, W.G. and Hunter, J.S. (1978). Statistics for Experimenters. An Introduction to Design, Data Analysis, and Model Building. New York: John Wiley & Sons.

Box G.E.P. & Draper, N.R. (1987). Empirical model-building and response surfaces. John Wiley & Sons Inc.

Doncaster, C.P. & Davey, A.J.H. (2007). Analysis of Variance and Covariance: How to Choose and Construct Models for the Life Sciences. Cambridge University Press.

Mead, R. (1990). The Design of Experiments. Statistical principles for practical application. Cambridge University Press.

Montgomery D.C. (1997). Design and Analysis of Experiments. John Wiley & Sons Inc.

Winer, B.J. (1971). Statistical Principles in Experimental Design. McGraw Hill.

Wu, C.F.J & Hamada, M.S. (2009). Experiments: Planning, Analysis and Optimization. John Wiley & Sons Inc.

B.12.   ERYTHROZYTEN-MIKROKERNTEST BEI SÄUGERN

EINLEITUNG

Diese Prüfmethode entspricht der OECD-Prüfrichtlinie 474 (2016). Sie ist Teil einer Reihe von Prüfmethoden zur genetischen Toxikologie. Es wurde ein OECD-Dokument erstellt, das kurz gefasste und hilfreiche Informationen zu Untersuchungen zur genetischen Toxikologie sowie eine Übersicht über die jüngsten Änderungen dieser Prüfrichtlinien enthält (1).

Der In-vivo-Mikrokerntest bei Säugern ist insbesondere für die Bewertung der Genotoxizität relevant, da trotz artenspezifischer Unterschiede Faktoren des In-vivo-Stoffwechsels, der Pharmakokinetik und von DNA-Reparaturprozessen aktiv sind und zu den Reaktionen beitragen. Ein In-vivo-Versuch ist ferner hilfreich für weitere Untersuchungen zu gentoxischen Wirkungen, die in einem In-Vitro-System nachgewiesen wurden.

Der In-vivo-Mikrokerntest bei Säugern dient zum Nachweis einer von der Prüfchemikalie in den Chromosomen oder im mitotischen Apparat von Erythroblasten hervorgerufenen Schädigung. Der Test untersucht die Bildung von Mikrokernen in Erythrozyten, von denen Stichproben entweder aus dem Knochenmark oder dem peripheren Blut von Tieren, in der Regel Nagern, entnommen wurden.

Zweck des Mikrokerntests ist der Nachweis von Chemikalien, die zytogenetische Schäden hervorrufen, durch die es zur Bildung von Mikrokernen mit zurückgebliebenen Chromosomenfragmenten oder ganzen Chromosomen kommt.

Wenn sich ein Knochenmarkerythroblast zu einem unreifen Erythrozyten (manchmal auch als polychromatischer Erythrozyt oder Retikulozyt bezeichnet) entwickelt, wird der Hauptkern ausgestoßen. Dabei kann aber ein möglicherweise entstandener Mikrokern im Zytoplasma verbleiben. Die Sichtbarmachung bzw. das Aufspüren der Mikrokerne wird in diesen Zellen dadurch erleichtert, dass sie keinen Hauptkern aufweisen. Eine Zunahme der Häufigkeit von mikrokernhaltigen unreifen Erythrozyten in behandelten Tieren deutet auf die Verursachung struktureller oder numerischer Chromosomenaberrationen hin.

Neu gebildete mikrokernhaltige Erythrozyten werden durch Färben identifiziert und quantifiziert und im Anschluss daran visuell mithilfe eines Mikroskops oder anhand eines automatisierten Verfahrens analysiert. Das Zählen einer ausreichenden Zahl unreifer Erythrozyten im peripheren Blut oder Knochenmark geschlechtsreifer Tiere wird erheblich erleichtert durch die Verwendung eines automatisierten Auswertungssystems. Solche Systeme stellen vertretbare Alternativen zur manuellen Auswertung dar (2). Vergleichende Studien haben ergeben, dass solche Verfahren unter Verwendung geeigneter Kalibrierstandards eine bessere Reproduzierbarkeit und Empfindlichkeit (innerhalb und zwischen Labors) bieten als eine mikroskopische Auswertung (3) (4). Automatisierte Systeme zur Messung der Häufigkeit von mikrokernhaltigen Erythrozyten umfassen unter anderem Durchflusszytometer (5), Bildanalyseplattformen (6) (7) und Laser-Scanning-Zytometer (8).

Auch wenn dies im Rahmen des Tests normalerweise nicht erfolgt, können Chromosomenfragmente von ganzen Chromosomen anhand einiger Kriterien unterschieden werden. Dazu zählt die Feststellung des Vorhandenseins oder Fehlens einer Kinetochor- bzw. Zentromer-DNA in den Mikrokernen; beides ist charakteristisch für intakte Chromosomen. Das Fehlen einer Kinetochor- bzw. Zentromer-DNA deutet darauf hin, dass der Mikrokern nur Fragmente von Chromosomen enthält, wohingegen das Vorhandensein auf einen Chromosomenverlust hinweist.

Die Definitionen zur verwendeten Terminologie sind Anlage 1 zu entnehmen.

AUSGANGSÜBERLEGUNGEN

Zielgewebe für genetische Schäden ist in diesem Test das Knochenmark junger geschlechtsreifer Nagetiere, da Erythrozyten in diesem Gewebe gebildet werden. Die Mikrokernuntersuchung in unreifen Erythrozyten in peripherem Blut ist auch bei anderen Säugetierarten vertretbar, für die eine entsprechende Empfindlichkeit zum Nachweis von Chemikalien, die strukturelle oder numerische Chromosomenaberrationen in diesen Zellen auslösen, nachgewiesen (durch Induktion von Mikrokernen in unreifen Erythrozyten) und eine wissenschaftliche Begründung geliefert wurde. Hauptendpunkt ist die Häufigkeit der nicht ausgereiften mikrokernhaltigen Erythrozyten. Werden die Tiere kontinuierlich über einen Zeitraum behandelt, der die Lebensdauer des Erythrozyten in der verwendeten Spezies überschreitet (z. B. 4 Wochen oder länger bei Mäusen), kommt aber auch der Anteil der Mikrokerne enthaltenden ausgereiften Erythrozyten im peripheren Blut von Spezies, bei denen in der Milz kein übermäßiger Abbau von Mikrokernzellen erfolgt, als Endpunkt des Tests in Betracht.

Wenn Anzeichen dafür bestehen, dass die Prüfchemikalie(n) oder ein reaktiver Metabolit bzw. reaktive Metaboliten das Zielgewebe nicht erreicht bzw. erreichen, ist dieser Test nicht geeignet.

Bevor die Prüfmethode auf ein Gemisch angewendet wird, um unter bestimmten gesetzgeberischen Aspekten Daten zu gewinnen, sollte geprüft werden, ob, und falls ja, warum, sie für diesen Zweck geeignete Ergebnisse liefert. Diese Überlegungen erübrigen sich, sofern die Durchführung von Tests für das Gemisch gesetzlich vorgeschrieben ist.

PRINZIP DER PRÜFMETHODE

Die Prüfchemikalie wird den Tieren über einen geeigneten Applikationsweg verabreicht. Bei Verwendung von Knochenmark werden sie zu einem geeigneten Zeitpunkt nach der Behandlung human getötet. Das Knochenmark wird entnommen, präpariert und gefärbt (9) (10) (11) (12) (13) (14) (15). Findet peripheres Blut Verwendung, so wird es zu geeigneten Zeitpunkten nach der Behandlung entnommen, präpariert und gefärbt (12) (16) (17) (18). Bei akuter Verabreichung ist es wichtig, den Zeitpunkt der Gewinnung des Knochenmarks oder Blutes so zu wählen, dass die behandlungsabhängige Induktion von nicht ausgereiften mikrokernhaltigen Erythrozyten nachweisbar ist. Werden Blutproben aus peripherem Blut entnommen, sollte ausreichend Zeit vergangen sein, damit diese Vorgänge im zirkulierenden Blut nachweisbar sind. Die Präparate werden auf das Vorhandensein von Mikrokernen untersucht, entweder durch mikroskopische Darstellung, Bildanalyse, Durchflusszytometrie oder Laser-Scanning-Zytometrie.

ÜBERPRÜFUNG DER EIGNUNG DES LABORS

Untersuchungen zur Eignung

Zum Nachweis ausreichender Erfahrungen mit der Durchführung des Versuchs, bevor er für routinemäßige Testungen verwendet wird, sollte das Labor die Eignung zur Reproduktion erwartbarer Ergebnisse aus den veröffentlichten Daten (17) (19) (20) (21) (22) für Mikrokernhäufigkeiten mit mindestens zwei Positivkontrollchemikalien (einschl. durch geringe Dosen von Positivkontrollen ausgelöste schwache Reaktionen), wie in Tabelle 1 aufgelistet, und mit kompatiblen Vehikel-/Lösungsmittelkontrollen nachgewiesen haben (siehe Nummer 26). In diesen Versuchen sollten Dosierungen verwendet werden, mit denen man reproduzierbare und dosisabhängige Zunahmen erhält und die Empfindlichkeit und dynamische Bandbreite des Versuchssystems im untersuchten Gewebe (Knochenmark oder peripheres Blut) nachweisen kann; außerdem sollte die Auswertungsmethode verwendet werden, die im Labor eingesetzt werden soll. Diese Anforderung gilt nicht für erfahrene Labors, d. h. für Labors, die über historische Daten gemäß Definition unter den Nummern 14-18 verfügen.

Historische Kontrolldaten

Im Rahmen der Untersuchungen zur Eignung des Labors sollte das Labor Folgendes nachweisen:

 Bereich und Verteilung historischer Positivkontrollen und

 Bereich und Verteilung historischer Negativkontrollen.

Bei der erstmaligen Gewinnung von Daten zur Verteilung einer historischen Negativkontrolle sollten gleichzeitige Negativkontrollen mit veröffentlichten Kontrolldaten übereinstimmen, sofern solche vorhanden sind. Werden weitere Versuchsdaten zur Verteilung der historischen Kontrollen hinzugefügt, sollten gleichzeitige Negativkontrollen idealerweise innerhalb der 95 %-Kontrollgrenze der gewählten Verteilung liegen. Die Datenbank des Labors zu historischen Negativkontrollen sollte statistisch solide Werte enthalten, um sicherzustellen, dass das Labor in der Lage ist, die Verteilung seiner Negativkontrolldaten zu bewerten. In der Literatur wird eine Mindestanzahl von 10 Versuchen vorgeschlagen; vorzugsweise sollte der Datensatz jedoch mindestens 20 Versuche umfassen, die unter vergleichbaren Versuchsbedingungen durchgeführt wurden. Labors sollten Qualitätskontrollverfahren anwenden, wie z. B. Qualitätsregelkarten (z. B. C-Karten oder X-Bar-Karten (23)), um zu ermitteln, wie variabel ihre Daten sind, und um nachzuweisen, dass die Methodik in ihrem Labor „unter Kontrolle“ ist. Weitere Empfehlungen zum Aufbau und zur Verwendung historischer Datensammlungen (d. h. Kriterien für die Aufnahme und den Ausschluss von Daten in bzw. aus historischen Datensammlungen und die Gültigkeitskriterien für einen bestimmten Versuch) sind den Literaturhinweisen zu entnehmen (24).

Wenn das Labor während der Untersuchungen zur Eignung des Labors (siehe Nummer 13) keine ausreichende Zahl von Versuchen zum Nachweis einer statistisch soliden Verteilung der Negativkontrollen abschließt (siehe Nummer 15), kann die Verteilung auch während der ersten routinemäßigen Tests festgelegt werden. Diese Vorgehensweise sollte sich an den in der Literatur vorgegebenen Empfehlungen orientieren (24) und die bei diesen Versuchen erhaltenen Negativkontrollergebnisse sollten mit veröffentlichten Negativkontrolldaten übereinstimmen.

Sämtliche Änderungen am Versuchsprotokoll sind hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die zu gewinnenden Daten zu prüfen, die mit den bereits vorhandenen Daten zu historischen Kontrollen übereinstimmen müssen. Nur bei größeren Inkonsistenzen sollte eine neue Datenbank zu historischen Kontrollen erstellt werden, wenn eine fachkundige Beurteilung eine Abweichung von der vorherigen Verteilung ergibt (siehe Nummer 15). Während der Neuerstellung muss für die Durchführung eines aktuellen Versuchs gegebenenfalls keine vollständige Datenbank mit Negativkontrollen vorhanden sein, vorausgesetzt, das Labor kann nachweisen, dass seine Werte aus gleichzeitigen Negativkontrollen entweder mit seiner vorhergehenden Datenbank oder mit den entsprechenden veröffentlichten Daten übereinstimmen.

Daten zu Negativkontrollen sollten vorhandene nicht ausgereifte mikrokernhaltige Erythrozyten bei jedem Tier erfassen. Gleichzeitige Negativkontrollen sollten idealerweise innerhalb der 95 %-Kontrollgrenzen der Verteilung in der Datenbank des Labors zu historischen Negativkontrollen liegen. Sofern Daten zu den gleichzeitigen Negativkontrollen außerhalb der 95 %-Kontrollgrenzen liegen, ist es zulässig, sie in die historische Kontrollverteilung aufzunehmen, solange es sich bei den Daten nicht um „extreme Ausreißer“ handelt und nachgewiesen werden kann, dass das Versuchssystem „unter Kontrolle“ ist (siehe Nummer 15) und kein Hinweis auf ein technisches oder menschliches Versagen vorliegt.

BESCHREIBUNG DER METHODE

Vorbereitungen

Auswahl der Tierspezies

Es sollten junge gesunde und geschlechtsreife Tiere üblicher Labortierstämme zum Einsatz kommen. Es können Mäuse, Ratten oder andere geeignete Säugetierarten verwendet werden. Wird peripheres Blut verwendet, ist nachzuweisen, dass der in der Milz erfolgende Abbau Mikrokerne enthaltender Zellen aus dem Blutkreislauf nicht den Nachweis induzierter Mikrokerne in der gewählten Spezies beeinträchtigt. Bei Mäusen und Ratten konnte dies eindeutig nachgewiesen werden (2). Die wissenschaftliche Begründung für die Verwendung anderer Versuchstiere als Ratten und Mäuse sollte in den Bericht aufgenommen werden. Sofern andere Versuchstiere als Nagetiere verwendet werden, wird empfohlen, die Messung induzierter Mikrokerne in einen anderen geeigneten Toxizitätstest einzubinden.

Haltungs- und Fütterungsbedingungen

Bei Nagern sollte die Temperatur im Versuchstierraum 221 °C (± 31 °C) betragen. Die relative Luftfeuchte sollte vorzugsweise bei 50 bis 60 % liegen, mindestens aber 40 % betragen und außer bei Reinigung des Raumes 70 % nicht übersteigen. Der Raum sollte künstlich beleuchtet sein, wobei die Beleuchtung im 12-Stunden-Rhythmus ein- und ausgeschaltet werden sollte. An die Versuchstiere kann herkömmliches Laborfutter verfüttert werden, wobei eine unbegrenzte Trinkwasserversorgung zu gewährleisten ist. Die Auswahl des Futters kann dadurch beeinflusst werden, dass eine geeignete Beimischung einer Prüfchemikalie gewährleistet werden muss, wenn diese über das Futter verabreicht wird. Nagetiere sollten in kleinen Gruppen (maximal fünf pro Käfig) von Tieren gleichen Geschlechts und der gleichen Behandlungsgruppen untergebracht werden, sofern kein aggressives Verhalten zu erwarten ist, vorzugsweise in Käfigen mit festem Boden und angemessener Ausgestaltung des Lebensumfelds. Die Tiere können nur dann einzeln untergebracht werden, wenn dies wissenschaftlich begründet ist.

Vorbereitung der Versuchstiere

In der Regel werden junge gesunde Tiere verwendet (bei Nagetieren vorzugsweise Tiere, die bei Behandlungsbeginn 6 bis 10 Wochen alt sind, wobei etwas ältere Tiere auch zulässig sind), die den Kontroll- und Behandlungsgruppen nach dem Zufallsprinzip zuzuordnen sind. Es erfolgt eine Einzelidentifizierung der Tiere unter Verwendung einer humanen, minimalinvasiven Methode (z. B. durch Anbringen von Ringen, Marken, Mikrochips oder durch biometrische Identifizierung, nicht jedoch durch Kupieren der Ohren oder Zehen). Die Tiere werden über einen Zeitraum von mindestens fünf Tagen unter Laborbedingungen eingewöhnt. Die Käfige sind so aufzustellen, dass etwaige durch den Standort bedingte Auswirkungen möglichst gering sind. Eine gegenseitige Kontamination durch die Positivkontrolle und die Prüfchemikalie ist zu vermeiden. Bei Beginn der Studie sollte die Schwankung des Körpergewichts der behandelten Tiere gering sein und um nicht mehr als maximal ± 20 % vom mittleren Gewicht für jedes Geschlecht abweichen.

Vorbereitung der Dosierung

Feste Prüfchemikalien sollten vor der Verabreichung an die Tiere in geeigneten Lösungsmitteln oder Vehikeln gelöst oder suspendiert oder dem Futter oder Trinkwasser beigemischt werden. Flüssige Prüfchemikalien können direkt verabreicht oder zuvor verdünnt werden. Bei Exposition durch Inhalation können die Prüfchemikalien je nach ihren physikalisch-chemischen Eigenschaften als Gase, Dämpfe oder festes/flüssiges Aerosol verabreicht werden. Es sind frische Zubereitungen der Prüfchemikalie zu verwenden, es sei denn, die Stabilität der Chemikalie bei Lagerung wird nachgewiesen und die entsprechenden Lagerbedingungen werden definiert.

Prüfbedingungen

Lösungsmittel/Vehikel

Das Lösungsmittel/Vehikel sollte bei den gewählten Dosierungen keine toxischen Wirkungen hervorrufen und mit den Prüfchemikalien keine chemische Reaktion eingehen. Werden keine allgemein bekannten Lösungsmittel/Vehikel verwendet, so sind Daten zur Kompatibilität beizubringen. Es ist zu empfehlen, als erste Wahl möglichst die Verwendung eines wässrigen Lösungsmittels/Vehikels in Erwägung zu ziehen. Beispiele für üblicherweise verwendete, kompatible Lösungsmittel/Vehikel sind Wasser, physiologische Kochsalzlösung, Methylcelluloselösung, Carboxymethylcellulose-Natriumsalzlösung, Olivenöl und Maisöl. Liegen keine historischen oder veröffentlichten Kontrolldaten vor, aus denen hervorgeht, dass von einem gewählten, üblicherweise nicht verwendeten Lösungsmittel/Vehikel keine Mikrokerne oder andere schädliche Wirkungen induziert werden, sollte ein Vorversuch durchgeführt werden, um die Akzeptanz des Lösungsmittels/Vehikels nachzuweisen.

Kontrollen

Positivkontrollen

Jeder Versuch sollte in der Regel eine Gruppe von Tieren umfassen, die mit einer Positivkontrollchemikalie behandelt wurden. Darauf kann möglicherweise verzichtet werden, wenn das Prüflabor seine Eignung für die Durchführung des Tests nachgewiesen und einen bestimmten Bereich historischer Positivkontrollen etabliert hat. Enthält der Versuch keine gleichzeitige Positivkontrolle, sind Auswertungskontrollen (fixierte und nicht gefärbte Objektträger oder Zellsuspensionen, je nach Auswertungsmethode) in jeden Versuch zu integrieren. Diese erhält man beispielsweise im Rahmen von Untersuchungen zur Eignung des Labors und danach gegebenenfalls auf regelmäßiger Basis, indem bei der Auswertung der Studie geeignete Referenzproben hinzugezogen werden, die bei einem gesonderten, regelmäßig (z. B. alle 6 bis 18 Monate) durchgeführten Positivkontrollversuch gewonnen und aufbewahrt wurden.

Positivkontrollchemikalien sollten zuverlässig eine nachweisliche Zunahme der Häufigkeit von Mikrokernen gegenüber dem spontanen Niveau erzeugen. Erfolgt eine manuelle mikroskopische Auswertung, sind Positivkontrolldosen so zu wählen, dass die Wirkungen eindeutig sind, aber beim Ablesen nicht sofort die Identität der kodierten Proben erkennen lassen. Es ist vertretbar, dass die Positivkontrolle unter Verwendung eines anderen Behandlungsplans auf anderem Wege als die Prüfchemikalie verabreicht wird und nur eine einzige Probenahme erfolgt. Gegebenenfalls könnte auch eine zusätzliche Positivkontrolle herangezogen werden, die der gleichen chemischen Klasse angehört wie die zu prüfende Chemikalie. Beispiele für Positivkontrollchemikalien sind Tabelle 1 zu entnehmen.

Tabelle 1

Beispiele für Positivkontrollchemikalien.

Ethylmethansulfonat [CAS-Nr. 62-50-0]

Methylmethansulfonat [CAS-Nr. 66-27-3]

Ethylnitrosoharnstoff [CAS-Nr. 759-73-9]

Mitomycin C [CAS-Nr. 50-07-7]

Cyclophosphamid(monohydrat) [CAS-Nr. 50-18-0 (CAS-Nr. 6055-19-2)]

Triethylenmelamin [CAS-Nr. 51-18-3]

Colchicin [CAS-Nr. 64-86-8] oder Vinblastin [CAS-Nr. 865-21-4] — als Aneugen

Negativkontrollen

Zu jedem Probenahmezeitpunkt sind Tiere der Negativkontrollgruppe einzubeziehen, die — abgesehen davon, dass ihnen die Prüfchemikalie nicht verabreicht wird — ebenso behandelt werden wie die Behandlungsgruppen. Sofern ein Lösungsmittel/Vehikel bei der Verabreichung der Prüfchemikalie verwendet wird, sollte die Kontrollgruppe dieses Lösungsmittel/Vehikel erhalten. Wenn jedoch aus historischen Negativkontrolldaten für das Prüflabor zu jedem Stichprobenzeitpunkt übereinstimmende Werte zur Variabilität der Tiere und zur Häufigkeit der Zellen mit Mikrokernen hervorgehen, ist bei den Negativkontrollen gegebenenfalls nur eine einzige Probenahme erforderlich. Erfolgt bei den Negativkontrollen nur eine einzige Probenahme, so ist diese zum ersten in der Studie vorgesehenen Probenahmezeitpunkt vorzunehmen.

Bei Verwendung von peripherem Blut ist anstelle einer gleichzeitigen Negativkontrolle möglicherweise auch eine vor der Behandlung entnommene Probe vertretbar, jedoch nur bei Kurzzeitstudien unter der Voraussetzung, dass die gewonnenen Daten mit der historischen Kontrolldatenbank für das Prüflabor übereinstimmen. Es wurde belegt, dass bei Ratten die Entnahme von Proben kleiner Volumina (z. B. unter 100 μl/Tag) vor der Behandlung nur minimale Auswirkungen auf die Hintergrundhäufigkeit von Mikrokernen hat (25).

VERFAHREN

Anzahl und Geschlecht der Tiere

Die Mikrokernreaktion verläuft im Normalfall bei männlichen und weiblichen Tieren ähnlich. Daher können die meisten Studien unabhängig vom Geschlecht durchgeführt werden (26). Daten, aus denen nennenswerte Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Tieren hervorgehen (z. B. Unterschiede bei der systemischen Toxizität, beim Stoffwechsel, bei der Bioverfügbarkeit, bei der Knochenmarktoxizität usw., auch beispielsweise im Rahmen einer Dosisfindungsstudie), würden die Verwendung von Tieren aus jedem Geschlecht nahe legen. In diesem Fall kann es angebracht sein, eine Studie an Tieren beider Geschlechter durchzuführen, z. B. als Teil einer Toxizitätsstudie bei wiederholter Verabreichung. Gegebenenfalls ist die Verwendung eines faktoriellen Versuchsplans geeignet, wenn beide Geschlechter einbezogen werden. Einzelheiten zur Analyse der Daten bei Verwendung eines solchen Versuchsplans sind in Anlage 2 enthalten.

Zu Beginn der Studie sollten die Gruppengrößen so bestimmt werden, dass man pro Gruppe mindestens 5 analysierbare Tiere pro Geschlecht oder aus beiden Geschlechtern, sofern beide Geschlechter einbezogen werden, erhält. Sollte es sich beim Menschen um eine geschlechtsspezifische Exposition handeln, z. B. bei bestimmten Pharmazeutika, ist der Versuch an Tieren des betreffenden Geschlechts durchzuführen. Bei einer gemäß den unter Nummer 37 festgelegten Parametern durchgeführten Knochenmarkstudie mit drei Dosisgruppen und gleichzeitigen Negativ- und Positivkontrollen (wobei jede Gruppe aus fünf Tieren eines einzigen Geschlechts besteht) kann als Richtwert für die üblicherweise erforderliche Höchstmenge an Tieren eine Anzahl von 25 bis 35 Versuchstieren angegeben werden.

Dosierungen

Wenn zunächst eine Dosisfindungsstudie durchgeführt wird, da keine geeigneten Daten zur Dosierungswahl verfügbar sind, sollte diese im gleichen Labor unter Verwendung des/der gleichen Spezies, Rasse, Geschlechts und Behandlungsverfahrens wie im Hauptversuch stattfinden (27). Ziel der Studie sollte sein, die maximal verträgliche Dosis (MTD) zu ermitteln, die definiert ist als die höchste Dosierung, die vertragen wird, ohne dass Anzeichen von Toxizität auftreten, die die Studie, bezogen auf den Untersuchungszeitraum, begrenzen würden (z. B. durch Rückgang des Körpergewichts oder Zytotoxizität des blutbildenden Systems, ausgenommen jedoch Tod oder Anzeichen von Schmerzen und Leiden, die eine humane Tötung erforderlich machen würden (28)).

Die Höchstdosis kann auch als Dosis definiert werden, die Toxizität im Knochenmark hervorruft (z. B. eine Reduzierung des Anteils unreifer Erythrozyten an der Gesamtzahl der Erythrozyten im Knochenmark oder peripheren Blut von mehr als 50 %, nicht jedoch auf weniger als 20 % des Kontrollwerts). Bei der Analyse von CD71-positiven Zellen im peripheren Blutkreislauf (d. h. anhand einer Durchflusszytometrie) reagiert diese sehr junge Fraktion unreifer Erythrozyten jedoch schneller als die größere RNA-positive Kohorte unreifer Erythrozyten auf toxische Einwirkungen. Daher kann sich gegebenenfalls eine höhere scheinbare Toxizität bei Versuchsplänen mit akuter Exposition ergeben, bei denen die Fraktion der CD71-positiven unreifen Erythrozyten untersucht wird, vergleicht man sie mit der von unreifen Erythrozyten mit entsprechendem RNA-Gehalt. Aus diesem Grund kann die Höchstdosis für Toxizität hervorrufende Prüfchemikalien bei Versuchen mit fünf oder weniger Behandlungstagen auch als die Dosis verstanden werden, die eine statistisch signifikante Verringerung des Anteils CD71-positiver unreifer Erythrozyten an der Gesamtzahl der Erythrozyten hervorruft, nicht jedoch auf weniger als 5 % des Kontrollwerts (29).

Chemikalien, die eine Sättigung der toxikokinetischen Eigenschaften aufweisen oder Entgiftungsprozesse einleiten, die nach einer Langzeitgabe möglicherweise zu einem Rückgang der Exposition führen, entsprechen möglicherweise nicht den Dosierungskriterien und sollten anhand einer Einzelfallprüfung bewertet werden.

Um Dosis-Wirkungs-Informationen zu erhalten, sollte eine vollständige Studie eine Negativkontrollgruppe und mindestens drei Dosierungen enthalten, die sich in der Regel um einen Faktor von 2 (maximal von 4) unterscheiden. Ruft die Prüfchemikalie in einer Dosisfindungsstudie oder auf der Basis bereits vorhandener Daten keine Toxizität hervor, sollte die höchste Dosierung für einen Behandlungszeitraum von 14 Tagen oder mehr 1 000  mg/kg Körpergewicht/Tag bzw. für Behandlungszeiträume von weniger als 14 Tagen 2 000  mg/kg Körpergewicht/Tag betragen. Ruft die Prüfchemikalie jedoch Toxizität hervor, sollte die MTD die höchste verabreichte Dosierung sein und die Dosierung sollte vorzugsweise einen Bereich vom Höchstwert bis zu einer Dosierung, die wenig oder keine Toxizität erzeugt, abdecken. Wenn bei allen untersuchten Dosierungen toxische Wirkungen im Zielgewebe (Knochenmark) beobachtet werden, sind weitere Untersuchungen bei nichttoxischen Dosierungen anzuraten. Studien zur ausführlicheren Charakterisierung der quantitativen Dosis-Wirkungs-Informationen erfordern gegebenenfalls weitere Dosisgruppen. Bei bestimmten Arten von Prüfchemikalien (z. B. Humanpharmazeutika), für die spezielle Anforderungen gelten, können die Grenzen variieren.

Limit-Test

Wenn Dosisfindungsstudien oder bereits vorhandene Daten von verwandten Tierstämmen darauf hindeuten, dass eine Behandlung mit mindestens der Limit-Dosis (siehe Beschreibung unten) keine feststellbaren toxischen Wirkungen (und auch keinen Rückgang der Proliferation des Knochenmarks oder andere Anzeichen für toxische Wirkungen im Zielgewebe) verursacht, und wenn auf der Basis von In-vitro-Studien zur Untersuchung der Genotoxizität oder von Daten strukturell verwandter Chemikalien keine Genotoxizität zu erwarten ist, ist eine vollständige Studie mit drei Dosierungen gegebenenfalls nicht erforderlich, vorausgesetzt, es wurde nachgewiesen, dass die Prüfchemikalie(n) das Zielgewebe (Knochenmark) erreicht bzw. erreichen. In solchen Fällen ist eine Einzeldosierung mit der Limit-Dosis gegebenenfalls ausreichend. Bei einem Behandlungszeitraum von 14 Tagen oder mehr beträgt die Limit-Dosis 1 000 mg/kg Körpergewicht/Tag. Bei Behandlungszeiträumen von weniger als 14 Tagen beträgt die Limit-Dosis 2 000 mg/kg Körpergewicht/Tag.

Verabreichung

Bei der Versuchsplanung sind die zu erwartenden Verabreichungswege beim Menschen zu berücksichtigen. Verabreichungswege, wie etwa eine Aufnahme über die Nahrung, über das Trinkwasser, eine topische, subkutane, intravenöse, orale (über eine Magensonde), intratracheale Verabreichung, durch Inhalation oder Implantation, sind mit entsprechender Begründung zu wählen. In jedem Fall sollte der Verabreichungsweg so gewählt werden, dass das bzw. die Zielgewebe eine angemessene Exposition erfährt bzw. erfahren. Eine intraperitoneale Injektion wird in der Regel nicht empfohlen, da diese nicht als Verabreichungsweg beim Menschen vorgesehen ist, und sollte nur mit spezieller wissenschaftlicher Begründung angewandt werden. Sofern die Prüfchemikalie der Nahrung oder dem Trinkwasser beigemischt wird, insbesondere im Fall von Einzeldosierungen, ist darauf zu achten, einen ausreichenden Abstand zwischen der Nahrungsmittel- und Trinkwasseraufnahme und der Probenahme einzuhalten, damit ein Nachweis der Wirkungen möglich ist (siehe Nummer 37). Die Höchstmenge an Flüssigkeit, die jeweils über eine Magensonde oder eine Injektion verabreicht werden kann, hängt von der Größe des Versuchstiers ab. Das Volumen sollte im Normalfall 1 ml/100 g Körpergewicht nicht überschreiten, bei wässrigen Lösungen können aber auch 2 ml/100 g in Betracht gezogen werden. Werden größere Volumina verwendet, ist dies zu begründen. Mit Ausnahme von reizenden oder ätzenden Prüfchemikalien, die normalerweise bei höheren Konzentrationen gravierende Wirkungen zeigen, sollte die Variabilität der Prüfvolumina durch Anpassung der Konzentration auf ein konstantes Volumen im Verhältnis zum Körpergewicht bei allen Dosen möglichst gering gehalten werden.

Behandlungsplan

Vorzugsweise werden 2 oder mehr Behandlungen durchgeführt mit Verabreichung der Prüfchemikalie in Abständen von 24 Stunden, insbesondere wenn dieser Test in andere Toxizitätsstudien eingebunden wird. Alternativ können Einzelbehandlungen erfolgen, wenn dies wissenschaftlich begründet ist (wenn z. B. bekannt ist, dass die Prüfchemikalie den Zellzyklus blockiert). Die Prüfchemikalien können auch in Form von zwei oder mehreren Teilmengen am gleichen Tag im Abstand von nicht mehr als 2 bis 3 Stunden verabreicht werden, wenn es sich um ein großes Materialvolumen handelt. In diesen Fällen, oder wenn die Prüfchemikalie durch Inhalation verabreicht wird, sollte der Zeitpunkt der Probenahme ausgehend von der letzten Dosis oder dem Zeitpunkt, an dem die Exposition beendet wurde, geplant werden.

Die Prüfung kann an Mäusen oder Ratten auf dreierlei Weise durchgeführt werden:

a. Die Tiere erhalten die Prüfchemikalie einmal. Knochenmark wird mindestens zweimal (von unabhängigen Gruppen von Tieren) entnommen, wobei die erste Probenahme frühestens 24 Stunden nach der Behandlung und die letzte spätestens 48 Stunden nach der Behandlung erfolgen muss (mit angemessenen Abständen zwischen den Probenahmen), es sei denn, eine Prüfchemikalie verfügt bekanntermaßen über außergewöhnlich lange Halbwertszeiten. Wird eine Probe bereits früher als 24 Stunden nach der Behandlung entnommen, so ist dies zu begründen. Bei Verwendung peripheren Bluts werden mindestens zweimal Proben entnommen (von derselben Gruppe von Tieren), wobei die erste Probenahme frühestens 36 Stunden nach der Behandlung und die letzte spätestens 72 Stunden nach der Behandlung zu erfolgen hat und nach der ersten Probenahme angemessene Abstände einzuhalten sind. Bei der ersten Probenahme sollten alle Dosisgruppen behandelt und zur Analyse aufgearbeitet werden. Bei einer oder mehreren weiteren Probenahmen muss nur die höchste Dosierung verabreicht werden. Wird bei einer Probenahme eine positive Reaktion verzeichnet, so ist die Entnahme weiterer Proben nicht erforderlich, es sei denn, es werden quantitative Dosis-Wirkungs-Informationen benötigt. Die beschriebenen Gewinnungszeitpunkte ergeben sich aus der Kinetik des Auftretens und Verschwindens der Mikrokerne in diesen zwei Gewebekompartimenten.

b. Bei 2 Behandlungen pro Tag (z. B. zwei Behandlungen in Abständen von 24 Stunden) sollte eine Probenahme einmalig 18 bis 24 Stunden nach der letzten Behandlung beim Knochenmark oder einmalig 36 bis 48 Stunden nach der letzten Behandlung bei peripherem Blut erfolgen (30). Die beschriebenen Gewinnungszeitpunkte ergeben sich aus der Kinetik des Auftretens und Verschwindens der Mikrokerne in diesen zwei Gewebekompartimenten.

c. Bei 3 oder mehr Behandlungen pro Tag (z. B. drei oder mehr Behandlungen in Abständen von etwa 24 Stunden) sollte eine Probenahme beim Knochenmark spätestens 24 Stunden nach der letzten Behandlung und bei peripherem Blut spätestens 40 Stunden nach der letzten Behandlung erfolgen (31). Durch diese Behandlungsoption können der Comet-Assay (z. B. Probenahme 2 bis 6 Stunden nach der letzten Behandlung) mit dem Mikrokerntest kombiniert und der Mikrokerntest in Toxizitätstests mit Wiederholungsdosen integriert werden. Gesammelte Daten lassen darauf schließen, dass über diese breiter angelegten Zeiträume eine Induktion von Mikrokernen zu beobachten ist, wenn 3 oder mehr Applikationen stattgefunden haben (15).

Sofern relevant oder wissenschaftlich begründet und zur leichteren Einbindung in andere Toxizitätstests sind auch andere Dosierungs- oder Probenahmeverfahren vertretbar.

Beobachtungen

Mindestens einmal täglich — vorzugsweise zum gleichen Zeitpunkt und unter Berücksichtigung des Zeitraums, in dem der Wirkungsgipfel nach Verabreichung der Dosis zu erwarten ist — sollten allgemeine klinische Beobachtungen der Versuchstiere vorgenommen und protokolliert werden. Mindestens zweimal täglich während der Verabreichungszeit sind alle Tiere auf Morbidität und Mortalität zu überprüfen. Alle Tiere sollten zu Studienbeginn, mindestens einmal pro Woche während Studien mit Wiederholungsdosen und bei humaner Tötung gewogen werden. In Studien von mindestens einwöchiger Dauer sollten mindestens wöchentlich Messungen der Futteraufnahme vorgenommen werden. Wenn die Prüfchemikalie über das Trinkwasser verabreicht wird, sollte auch die Wasseraufnahme bei jedem Wasserwechsel und mindestens einmal wöchentlich gemessen werden. Tiere mit Anzeichen von übermäßiger, jedoch nicht tödlich wirkender Toxizität sollten vor Ende des Prüfzeitraums human getötet werden (28). Unter bestimmten Umständen kann die Körpertemperatur der Versuchstiere überwacht werden, da behandlungsabhängige Hyper- und Hypothermien eine Rolle bei falschen Ergebnissen gespielt haben mögen (32) (33) (34).

Exposition des Zielgewebes

Zu einem oder mehreren geeigneten Zeitpunkten sollte eine Blutprobe genommen werden, um eine Untersuchung der Plasmaspiegel der Prüfchemikalie zu ermöglichen. Damit soll nachgewiesen werden, dass eine Exposition des Knochenmarks stattgefunden hat, wo dies gerechtfertigt erscheint und keine anderen Expositionsdaten vorhanden sind (siehe Nummer 48).

Knochenmark-/Blutpräparation

Die Knochenmarkzellen werden in der Regel unmittelbar nach der humanen Tötung aus den Oberschenkel- oder Schienbeinknochen gewonnen. Dabei werden die Zellen gewöhnlich entnommen und unter Verwendung erprobter Methoden präpariert und gefärbt. Kleine Mengen peripheren Bluts können, unter Einhaltung entsprechender Tierschutznormen, entweder anhand einer Methode gewonnen werden, die ein Überleben des Versuchstiers ermöglicht, wie z. B. eine Blutentnahme aus der Schwanzvene oder einem anderen geeigneten Blutgefäß, oder durch Kardialpunktion oder Blutentnahme aus einem großen Blutgefäß bei humaner Tötung des Versuchstiers. Bei Erythrozyten sowohl aus dem Knochenmark als auch aus peripherem Blut werden die Zellen, abhängig von der Analysemethode, sofort supravital gefärbt (16) (17) (18), es werden Ausstrichpräparate hergestellt und sie werden dann für mikroskopische Zwecke gefärbt, oder die Zellen werden fixiert und für eine Durchflusszytometrie-Analyse entsprechend gefärbt. Durch Verwendung eines DNA-spezifischen Farbstoffs [z. B. Acridin Orange (35) oder Hoechst 33258 plus pyronin-Y (36)] lassen sich bestimmte Artefakte vermeiden, die bei Verwendung eines nicht DNA-spezifischen Farbstoffs auftreten. Trotz dieses Vorteils ist aber die Verwendung herkömmlicher Farbstoffe (z. B. Giemsa für mikroskopische Analyse) nicht ausgeschlossen. Zusätzliche Systeme [z. B. Cellulosesäulen zur Entfernung kernhaltiger Zellen (37) (38)] können ebenfalls verwendet werden, falls diese Systeme nachweislich für die Aufbereitung von Proben im Labor kompatibel sind.

Sofern diese Verfahren anwendbar sind, können Anti-Kinetochor-Antikörper (39), FISH mit panzentromerischen DNA-Sonden (40) oder eine In-situ-Markierung mit Panzentromer-spezifischen Primern zusammen mit einer geeigneten DNA-Gegenfärbung (41) zur Untersuchung der Art der Mikrokerne (Chromosom/Chromosomenfragment) herangezogen werden, um zu bestimmen, ob der der Mikrokerninduktion zugrunde liegende Mechanismus auf clastogene und/oder aneugene Wirkungen zurückzuführen ist. Es können auch andere Verfahren zur Unterscheidung zwischen Clastogenen und Aneugenen verwendet werden, sofern ihre Wirksamkeit nachgewiesen wurde.

Analyse (manuell und automatisiert)

Alle Objektträger oder Analysenproben, einschließlich der Positiv- und Negativkontrollen, sollten vor der Analyse, gleich welcher Art, unabhängig kodiert und randomisiert werden, damit die Auswertung ohne Kenntnis der Behandlungsbedingungen erfolgt. Eine solche Codierung erübrigt sich, wenn automatisierte Auswertungssysteme verwendet werden, die nicht auf einer Sichtprüfung beruhen und keinen Bedienungseinflüssen unterliegen. Der Anteil unreifer Erythrozyten an der Gesamtzahl (unreife + reife Erythrozyten) wird für jedes Tier bestimmt, indem bei Verwendung von Knochenmark mindestens 500 Erythrozyten und bei Verwendung von peripherem Blut mindestens 2 000 Erythrozyten gezählt werden (42). Je Tier werden mindestens 4 000 unreife Erythrozyten auf das Vorhandensein von unreifen mikrokernhaltigen Erythrozyten untersucht (43). Wenn aus der Datenbank der historischen Negativkontrollen hervorgeht, dass die mittlere Hintergrundhäufigkeit für unreife mikrokernhaltige Erythrozyten im Prüflabor < 0,1 % beträgt, sollte eine Auswertung weiterer Zellen in Erwägung gezogen werden. Bei der Analyse der Proben sollte der Anteil der unreifen Erythrozyten an der Gesamtzahl der Erythrozyten in behandelten Tieren nicht weniger als 20 % des Anteils in der (Vehikel-/Lösungsmittel)kontrolle bei einer mikroskopischen Auswertung und nicht weniger als etwa 5 % des Anteils in der (Vehikel-/Lösungsmittel)kontrolle bei Auswertung der unreifen CD71+-Erythrozyten anhand von zytometrischen Verfahren betragen (siehe Nummer 31) (29). Bei einem mikroskopisch ausgewerteten Knochenmarktest würde die Höchstgrenze der Toxizität beispielsweise bei einem Anteil unreifer Erythrozyten von 10 % liegen, wenn der Anteil der unreifen Erythrozyten im Knochenmark bei den Kontrollen 50 % beträgt.

Da die Milz von Ratten mikrokernhaltige Erythrozyten sequestriert und vernichtet, ist es zur Beibehaltung einer hohen Empfindlichkeit des Tests bei der Analyse von peripherem Blut von Ratten ratsam, die Analyse mikrokernhaltiger unreifer Erythrozyten auf die jüngste Fraktion zu beschränken. Bei der Verwendung automatisierter Analysemethoden können diese am wenigsten ausgereiften Erythrozyten aufgrund ihres hohen RNA-Gehalts oder ihres hohen Anteils an Transferrin-Rezeptoren (CD71+) auf ihrer Oberfläche nachgewiesen werden (31). Der direkte Vergleich verschiedener Färbemethoden hat jedoch ergeben, dass mit unterschiedlichen Methoden zufriedenstellende Ergebnisse erzielt werden können, darunter auch die herkömmliche Färbung mit Acridin Orange (3) (4).

DATEN UND BERICHTERSTATTUNG

Behandlung der Ergebnisse

Die Daten für die einzelnen Tiere sind in tabellarischer Form darzustellen. Die Anzahl der ausgewerteten unreifen Erythrozyten, die Anzahl mikrokernhaltiger unreifer Erythrozyten und der Anteil unreifer Erythrozyten an der Gesamtzahl sind getrennt für jedes Tier aufzulisten. Werden Mäuse kontinuierlich über einen Zeitraum von 4 Wochen oder länger behandelt, sind auch die Daten zur Anzahl und zum Anteil mikrokernhaltiger reifer Erythrozyten anzugeben, sofern sie erfasst wurden. Daten zur Toxizität bei Tieren und klinische Anzeichen sind ebenfalls anzugeben.

Gültigkeitskriterien

Die folgenden Kriterien entscheiden über die Gültigkeit des Versuchs:

a. die Aufnahme der Daten zu den gleichzeitigen Negativkontrollen in die Datenbank des Labors zu historischen Negativkontrollen ist zulässig (siehe Nummern 15-18);

b. die gleichzeitigen Positivkontrollen oder Auswertungskontrollen sollten Reaktionen auslösen, die mit denen kompatibel sind, die in der Datenbank zu den historischen Positivkontrollen erzeugt werden, und verglichen mit der gleichzeitigen Negativkontrolle eine statistisch signifikante Zunahme bewirken (siehe Nummern 24-25);

c. es wurde die entsprechende Anzahl an Dosierungen und Zellen analysiert;

d. die Kriterien für die Wahl der höchsten Dosierung stimmen mit den unter den Nummern 30-33 beschriebenen überein.

Bewertung und Interpretation der Ergebnisse

Unter der Voraussetzung, dass alle Gültigkeitskriterien erfüllt sind, gilt eine Prüfchemikalie als eindeutig positiv, wenn

a. mindestens eine der Behandlungsgruppen, verglichen mit der gleichzeitigen Negativkontrolle, eine statistisch signifikante Zunahme der Häufigkeit mikrokernhaltiger unreifer Erythrozyten aufweist,

b. diese Zunahme bei der Bewertung mit einem geeigneten Trendtest mindestens zu einem Probenahmezeitpunkt dosisabhängig ist und

c. eines oder mehrere dieser Ergebnisse außerhalb der Verteilung der historischen Negativkontrolldaten liegen (z. B. auf einer Poisson-Verteilung beruhende Kontrollgrenzen von 95 %).

Wird zu einem bestimmten Probenahmezeitpunkt nur die höchste Dosierung untersucht, gilt eine Prüfchemikalie als eindeutig positiv, wenn, verglichen mit der gleichzeitigen Negativkontrolle, eine statistisch signifikante Zunahme vorliegt und die Ergebnisse außerhalb der Verteilung der historischen Negativkontrolldaten liegen (z. B. auf einer Poisson-Verteilung beruhende Kontrollgrenzen von 95 %). Empfehlungen zu den am besten geeigneten statistischen Methoden sind der Literatur zu entnehmen (44) (45) (46) (47). Bei der Durchführung einer Dosis-Wirkungs-Analyse sollten mindestens drei behandelte Dosisgruppen analysiert werden. Bei statistischen Versuchen sollte das Tier als Versuchseinheit zugrunde gelegt werden. Positive Ergebnisse im Mikrokerntest deuten darauf hin, dass eine Prüfchemikalie Mikrokerne induziert, die das Ergebnis von Chromosomenschäden oder einer Schädigung im mitotischen Apparat von Erythroblasten der getesteten Spezies sind. In den Fällen, in denen der Test durchgeführt wurde, um Zentromere in Mikrokernen nachzuweisen, dient eine Prüfchemikalie, die zentromerhaltige Mikrokerne erzeugt (zentromerische DNA oder Kinetochore, die auf den Verlust ganzer Chromosomen hinweisen) als Nachweis dafür, dass es sich bei der Prüfchemikalie um ein Aneugen handelt.

Unter der Voraussetzung, dass alle Gültigkeitskriterien erfüllt sind, gilt eine Prüfchemikalie als eindeutig negativ, wenn unter allen untersuchten Versuchsbedingungen

a. keine der Behandlungsgruppen, verglichen mit der gleichzeitigen Negativkontrolle, eine statistisch signifikante Zunahme der Häufigkeit mikrokernhaltiger unreifer Erythrozyten aufweist,

b. zu keinem Probenahmezeitpunkt eine dosisabhängige Zunahme bei der Bewertung mit einem geeigneten Trendtest vorliegt,

c. alle Ergebnisse innerhalb der Verteilung der historischen Negativkontrolldaten liegen (z. B. auf einer Poisson-Verteilung beruhende Kontrollgrenzen von 95 %) und

d. eine Exposition des Knochenmarks gegenüber der /den Prüfchemikalie(n) erfolgt ist.

Empfehlungen zu den am besten geeigneten statistischen Methoden sind der Literatur zu entnehmen (44) (45) (46) (47). Als Nachweis für eine Exposition des Knochenmarks gegenüber einer Prüfchemikalie kann ein Rückgang des Verhältnisses von unreifen zu reifen Erythrozyten oder der gemessenen Plasma- oder Blutspiegel der Prüfchemikalie dienen. Im Falle einer intravenösen Verabreichung ist kein Nachweis für eine Exposition zu erbringen. Alternativ dazu können ADME-Daten herangezogen werden, die in einer unabhängigen Studie unter Verwendung der gleichen Verabreichungswege und der gleichen Spezies gewonnen wurden, um nachzuweisen, dass eine Knochenmarkexposition stattgefunden hat. Negative Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Prüfchemikalie unter den Versuchsbedingungen keine Mikrokerne in den unreifen Erythrozyten der getesteten Spezies erzeugt.

Bei einer eindeutig positiven oder negativen Reaktion ist eine Verifizierung nicht erforderlich.

In den Fällen, in denen die Reaktion weder eindeutig negativ noch eindeutig positiv ist, oder um die biologische Relevanz eines Ergebnisses zu untermauern (z. B. eine geringe oder grenzwertige Zunahme), sollten die Daten durch eine fachkundige Beurteilung und/oder anhand weiterer Untersuchungen der vorliegenden abgeschlossenen Versuche bewertet werden. In einigen Fällen kann die Auswertung weiterer Zellen oder die Durchführung eines Wiederholungsversuchs unter veränderten Versuchsbedingungen hilfreich sein.

In seltenen Fällen erlaubt der Datensatz auch nach weiteren Untersuchungen keine definitive Aussage darüber, ob die Prüfchemikalie positive oder negative Ergebnisse zur Folge hat, und die Studie wird daher als nicht eindeutig abgeschlossen.

Prüfbericht

Der Prüfbericht muss folgende Angaben enthalten:

Zusammenfassung

Prüfchemikalie:

 Herkunft, Partienummer, gegebenenfalls Verwendungsdatum;

 Stabilität der Prüfchemikalie, falls bekannt.

Einkomponentiger Stoff:

 physikalisches Erscheinungsbild, Wasserlöslichkeit und weitere relevante physikalisch-chemische Eigenschaften;

 chemische Bezeichnung, wie z. B. IUPAC- oder CAS-Bezeichnung, CAS-Nummer, SMILES- oder InChI-Code, Strukturformel, Reinheit, chemische Zusammensetzung von Verunreinigungen, falls zutreffend und praktisch durchführbar usw.

Mehrkomponentiger Stoff, UVCB-Stoffe und Gemische:

 so weit wie möglich charakterisiert durch die chemische Zusammensetzung (siehe oben), das quantitative Vorkommen und die relevanten physikalisch-chemischen Eigenschaften der einzelnen Komponenten.

Zubereitung der Prüfchemikalie:

 Begründung der Auswahl des Vehikels;

 Löslichkeit und Stabilität der Prüfchemikalie im Lösungsmittel/Vehikel, falls bekannt;

 Zubereitung von Formulierungen für Nahrung, Trinkwasser oder Inhalationspräparaten;

 analytische Bestimmung der Formulierungen (z. B. Stabilität, Homogenität, nominale Konzentrationen), wenn erfolgt.

Versuchstiere:

 verwendete(r) Spezies/Stamm, Begründung für deren Verwendung;

 Anzahl, Alter und Geschlecht der Tiere;

 Herkunft der Tiere, Haltungsbedingungen, Futter usw.

 Methode zur eindeutigen Identifizierung der Tiere;

 bei Kurzzeitstudien: individuelles Gewicht der Tiere bei Beginn und am Ende der Studie; bei Studien über einer Woche: individuelles Körpergewicht während der Studie und Futteraufnahme. Bereich des Körpergewichts, Mittelwert und Standardabweichung für jede Gruppe.

Prüfbedingungen:

 Positiv- und Negativ-(Vehikel-/Lösungsmittel-)Kontrollen;

 Daten aus einer gegebenenfalls durchgeführten Dosisfindungsstudie;

 Begründung der gewählten Dosisstufen;

 Angaben zur Zubereitung der Prüfchemikalie;

 Angaben zur Verabreichung der Prüfchemikalie;

 Begründung für den Verabreichungsweg und die Verabreichungsdauer;

 Methoden zur Überprüfung, ob die Prüfchemikalie(n) in den allgemeinen Kreislauf oder ins Zielgewebe gelangt bzw. gelangen;

 Angaben zur tatsächlichen Dosis (mg/kg Körpergewicht/Tag), errechnet aus der Konzentration der Prüfchemikalie im Futter/Wasser (ppm) und gegebenenfalls der Futteraufnahme;

 Angaben über Futter- und Wasserqualität;

 Angaben zur humanen Tötungsmethode;

 Analgesiemethode (sofern angewandt);

 nähere Angaben zu Behandlungs- und Probenenahmeplänen und Begründungen für die Wahl;

 Methode für die Präparation der Objektträger;

 Verfahren zur Isolierung und Konservierung der Proben;

 Methode zur Untersuchung der Toxizität;

 Kriterien für die Auswertung mikrokernhaltiger unreifer Erythrozyten;

 Anzahl der pro Tier zur Bestimmung der Häufigkeit mikrokernhaltiger unreifer Erythrozyten und zur Bestimmung des Verhältnisses unreifer/reifer Erythrozyten analysierten Zellen;

 Kriterien für die Gültigkeit der Studie;

 gegebenenfalls Verfahren, wie z. B. die Verwendung von Anti-Kinetochor-Antikörpern oder Zentromer-spezifischen DNA-Sonden, zur Ermittlung ganzer oder fragmentierter Chromosomen in den Mikrokernen.

Ergebnisse:

 Zustand des Tiers vor und während des Testzeitraums, einschließlich Anzeichen von Toxizität;

 Anteil unreifer Erythrozyten an der Gesamtzahl der Erythrozyten;

 Anzahl mikrokernhaltiger unreifer Erythrozyten, gesondert für jedes Tier anzugeben;

 Mittelwert und Standardabweichung mikrokernhaltiger unreifer Erythrozyten je Gruppe;

 gegebenenfalls Dosis-Wirkungsverhältnis;

 statistische Analysen und angewandte Methoden;

 Daten zu gleichzeitigen Negativkontrollen und Positivkontrollen mit Bereichen, Mittelwerten und Standardabweichungen;

 historische Negativkontroll- und Positivkontrolldaten mit Bereichen, Mittelwerten und Standardabweichungen und 95 %-Kontrollgrenzen für die Verteilung sowie Behandlungszeitraum und Anzahl der Datenpunkte;

 Daten zum Nachweis, dass eine Exposition des Knochenmarks stattgefunden hat;

 gegebenenfalls Charakterisierungsdaten, aus denen hervorgeht, ob Mikrokerne ganze oder fragmentierte Chromosomen enthalten;

 für eine positive oder negative Reaktion erfüllte Kriterien.

Diskussion der Ergebnisse.

Schlussfolgerung.

Referenzdokumente.

LITERATURHINWEISE

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(30) Higashikuni, N., S. Sutou (1995), An optimal, generalized sampling time of 30 +/- 6 h after double dosing in the mouse peripheral blood micronucleus test, Mutagenesis, Band 10/4, 313-319.

(31) Hayashi, M. et al. (2000), in vivo rodent erythrocyte micronucleus assay. II. Some aspects of protocol design including repeated treatments, integration with toxicity testing, and automated scoring, Environmental and Molecular Mutagenesis, Band 35/3, 234-252.

(32) Asanami, S., K. Shimono (1997), High body temperature induces micronuclei in mouse bone marrow, Mutation Research/Genetic Toxicology and Environmental Mutagenesis, Band 390/1-2, 79-83.

(33) Asanami, S., K. Shimono, S. Kaneda (1998), Transient hypothermia induces micronuclei in mice, Mutation Research/Genetic Toxicology and Environmental Mutagenesis, Band 413/1, 7-14.

(34) Spencer, P.J. et al. (2007), Induction of micronuclei by phenol in the mouse bone marrow: I. Association with chemically induced hypothermia, Toxicological Sciences, Band 97/1, 120-127.

(35) Hayashi, M., T. Sofuni, M. Jr. Ishidate (1983), An application of Acridine Orange fluorescent staining to the micronucleus test, Mutation Research Letters, Band 120/4, 241-247.

(36) MacGregor, J.T. Wehr, R.G. Langlois (1983), A simple fluorescent staining procedure for micronuclei and RNA in erythrocytes using Hoechst 33258 and pyronin Y, Mutation Research, Band 120/4, 269-275.

(37) Romagna, F., C.D. Staniforth (1989), The automated bone marrow micronucleus test, Mutation Research/Fundamental and Molecular Mechanisms of Mutagenesis, Band 213/1, 91-104.

(38) Sun, J.T., M.J. Armstrong, S.M. Galloway (1999), Rapid method for improving slide quality in the bone marrow micronucleus assay; an adapted cellulose column procedure, Mutation Research, Band 439/1, 121-126.

(39) Miller, B.M., I.D. Adler (1990), Application of antikinetochore antibody staining (CREST staining) to micronuclei in erythrocytes induced in vivo, Mutagenesis, Band 5/4, 411-415.

(40) Miller, B.M. et al. (1991), Classification of micronuclei in murine erythrocytes: immunofluorescent staining using CREST antibodies compared to in situ hybridization with biotinylated gamma satellite DNA, Mutagenesis, Band 6/4, 297-302.

(41) Russo, A. (2002), PRINS tandem labeling of satellite DNA in the study of chromosome damage, American Journal of Medical Genetics, Band 107/2, 99-104.

(42) Gollapudi, B.B., L.G. McFadden (1995), Sample size for the estimation of polychromatic to normochromatic erythrocyte ratio in the bone marrow micronucleus test, Mutation Research, Band 347/2, 97-99.

(43) OECD (2014), Statistical analysis supporting the revision of the genotoxicity Test Guidelines, OECD Environment, Health and Safety Publications (EHS), Series on Testing and Assessment, No. 198, OECD Publishing, Paris.

(44) Richold, M. et al. (1990), „In Vivo Cytogenetics Assays“ , in Basic Mutagenicity Tests, UKEMS Recommended Procedures. UKEMS Subcommittee on Guidelines for Mutagenicity Testing. Report. Part I revised, Kirkland, D.J. (ed.), Cambridge University Press, Cambridge, 115-141.

(45) Lovell, D.P. et al. (1989), Statistical Analysis of in vivo„Cytogenetic Assays“ , in Statistical Evaluation of Mutagenicity Test Data. UKEMS SubCommittee on Guidelines for Mutagenicity Testing, Report, Part III, Kirkland, D.J. (ed.), Cambridge University Press, Cambridge, 184-232.

(46) Hayashi, M. et al. (1994), Statistical analysis of data in mutagenicity assays: rodent micronucleus assay, Environmental Health Perspectives, Band 102/Suppl 1, 49-52.

(47) Kim, B.S., M. Cho, H.J. Kim (2000), Statistical analysis of in vivo rodent micronucleus assay, Mutation Research/Genetic Toxicology and Environmental Mutagenesis, Band 469/2, 233-241.

Anlage 1

DEFINITIONEN

Chemikalie : Stoff oder Gemisch.

Erythroblast : Frühe Entwicklungsstufe von Erythrozyten, unmittelbar vor der Bildung unreifer Erythrozyten, bei der die Zelle noch einen Zellkern enthält.

Kinetochore : Proteinstruktur, die dem Zentromer eukaryotischer Zellen aufsitzt und die Chromosomen während der Mitose und Meiose mit Mikrotubuli-Polymeren aus dem mitotischen Spindelapparat verbindet, wodurch während der Zellteilung die Schwesterchromatiden auseinander gezogen werden.

Mikrokerne : kleine Kerne zusätzlich zu den Hauptkernen der Zellen und von diesen getrennt, die während der Telophase der Mitose (Meiose) durch zurückgebliebene Chromosomenteile oder ganze Chromosomen gebildet werden.

Normochromatischer oder reifer Erythrozyt : vollständig ausgereifter Erythrozyt, der nicht mehr die nach der Enukleation verbleibende residuale RNA und/oder andere kurzlebige Zellmarker nach der Enukleation im Anschluss an die letzte Teilung in den Erythroblasten enthält.

Polychromatischer oder unreifer Erythrozyt : neu gebildeter Erythrozyt in einer Zwischenstufe der Entwicklung, der sich aufgrund des Vorhandenseins residualer RNA in den neu gebildeten Zellen sowohl mit den blauen als auch den roten Komponenten klassischer Blutfarbstoffe, wie z. B. Giemsa von Wright, färben lässt. Solche neu gebildeten Zellen entsprechen in etwa den Retikulozyten, die mithilfe eines Vitalfarbstoffs sichtbar gemacht werden, durch den die residuale RNA in einem Retikulum ausfällt. Zum Nachweis der neu gebildeten roten Blutkörperchen werden derzeit oft andere Verfahren verwendet, unter anderem die monochromatische Färbung von RNA mit Fluoreszenzfarbstoffen oder die Kennzeichnung kurzlebiger Oberflächenmarker wie CD71 mit fluoreszierenden Antikörpern. Polychromatische Erythrozyten, Retikulozyten und CD71-positive Erythrozyten sind allesamt den unreifen Erythrozyten zuzuordnen, auch wenn sie vom Alter geringfügig verschieden verteilt sind.

Prüfchemikalie : Stoff oder Gemisch, der bzw. das nach dieser Prüfmethode getestet wird.

Retikulozyt : neu gebildeter Erythrozyt, mit einem Vitalfarbstoff gefärbt, durch den residuale zelluläre RNA in einem charakteristischen Retikulum ausfällt. Bei Retikulozyten und polychromatischen Erythrozyten ist das Zellalter ähnlich verteilt.

Zentromere : Region(en) eines Chromosoms, an die während der Zellteilung die Spindelfasern anhaften, wodurch die ordnungsgemäße Beförderung der Tochterchromosomen zu den Polen der Tochterzellen ermöglicht wird.

Anlage 2

FAKTORIELLER VERSUCHSPLAN ZUR ERMITTLUNG GESCHLECHTSSPEZIFISCHER UNTERSCHIEDE BEIM IN-VIVO-MIKROKERNTEST

Faktorieller Versuchsplan und zugehörige Analysen

Anhand dieses Versuchsplans werden mindestens 5 männliche und 5 weibliche Tiere je Konzentration getestet. So ergibt sich ein Versuch, bei dem mindestens 40 Tiere verwendet werden (20 männliche und 20 weibliche zzgl. entsprechende Positivkontrollen).

Der Versuchsaufbau, der zu den einfacheren faktoriellen Versuchsplänen zählt, entspricht einer Zweiwege-Varianzanalyse, wobei das Geschlecht und die Konzentration im Wesentlichen die Wirkung bestimmen. Die Daten können anhand vieler Standard-Statistiksoftwareanwendungen wie SPSS, SAS, STATA oder Genstat oder auch mit „R“ analysiert werden.

Durch die Analyse lässt sich die Varianz im Datensatz zwischen den Geschlechtern, zwischen den Konzentrationen und in Bezug auf die Wechselwirkungen zwischen den Geschlechtern und Konzentrationen partitionieren. Jede der Bedingungen wird anhand eines Schätzwerts der Varianz zwischen den Wiederholungsversuchstieren innerhalb der gleichgeschlechtlichen Tiergruppen überprüft, die die gleiche Konzentration erhalten haben. Die zugrundeliegende Methodik ist in vielen Standardwerken zur Statistik (siehe Referenzdokumente) und in den in Statistiksoftware-Paketen mitgelieferten Hilfe-Funktionen im Einzelnen beschrieben.

Die Analyse beginnt mit der Untersuchung der Interaktionsbedingung „Konzentration x Geschlecht“ anhand der ANOVA-Tabelle ( 26 ). Liegt keine signifikante Interaktion vor, liefern die kombinierten Werte für die Geschlechter oder Konzentrationen gültige statistische Tests für die jeweiligen Konzentrationen, und zwar basierend auf der ANOVA-Bedingung der innerhalb der Gruppe gepoolten Varianz.

Es folgt eine Partitionierung des Schätzwerts für die Varianzen zwischen den Konzentrationen in Kontraste, die einen Test für lineare und quadratische Kontraste aus den Reaktionen der verschiedenen Konzentrationen liefern. Ergibt sich hingegen eine signifikante Interaktion für die Bedingung „Konzentration x Geschlecht“, kann diese Bedingung auch in Interaktionskontraste „linearer Wert x Geschlecht“ und „quadratischer Wert x Geschlecht“ partitioniert werden. Diese Bedingungen liefern Tests dazu, ob die Reaktionen der jeweiligen Konzentrationen für die zwei Geschlechter parallel verlaufen oder ob es zu einer zwischen den Geschlechtern differenzierten Reaktion kommt.

Anhand des Schätzwerts für die innerhalb der Gruppen gepoolten Varianzen lassen sich paarweise Tests zu Abweichungen zwischen den Mittelwerten durchführen. Diese Vergleiche könnten zwischen den Mittelwerten für die beiden Geschlechter und zwischen den Mittelwerten für die verschiedenen Konzentrationen durchgeführt werden, beispielsweise um einen Vergleich mit den Negativkontrollen vorzunehmen. In Fällen mit signifikanter Interaktion können Vergleiche zwischen den Mittelwerten verschiedener Konzentrationen innerhalb eines Geschlechts oder zwischen den Mittelwerten beider Geschlechter bei gleicher Konzentration vorgenommen werden.

Referenzdokumente

Es sind viele Werke zur Statistik erhältlich, in denen die Theorie, der Aufbau, die Methodik, die Analyse und die Interpretation faktorieller Versuchspläne erörtert werden, von einfachen Zweifaktorenanalysen bis hin zu komplexeren Formen, wie sie in der „Design of Experiment“-Methode verwendet werden. Die folgende Auflistung ist nicht erschöpfend. Einige Bücher enthalten Beispielrechnungen zu vergleichbaren Versuchsplänen, in einigen Fällen auch mit einem Code zur Durchführung der Analysen unter Verwendung verschiedener Softwarepakete.

Box, G.E.P, Hunter, W.G. and Hunter, J.S. (1978). Statistics for Experimenters. An Introduction to Design, Data Analysis, and Model Building. New York: John Wiley & Sons.

Box G.E.P. & Draper, N.R. (1987). Empirical model-building and response surfaces. John Wiley & Sons Inc.

Doncaster, C.P. & Davey, A.J.H. (2007). Analysis of Variance and Covariance: How to Choose and Construct Models for the Life Sciences. Cambridge University Press.

Mead, R. (1990). The Design of Experiments. Statistical principles for practical application. Cambridge University Press.

Montgomery D.C. (1997). Design and Analysis of Experiments. John Wiley & Sons Inc.

Winer, B.J. (1971). Statistical Principles in Experimental Design. McGraw Hill.

Wu, C.F.J & Hamada, M.S. (2009). Experiments: Planning, Analysis and Optimization. John Wiley & Sons Inc.

▼B

B.13./14.   MUTAGENITÄT — RÜCKMUTATIONSTEST UNTER VERWENDUNG VON BAKTERIEN

1.   METHODE

Diese Methode entspricht den OECD TG 471, Bacterial Reverse Mutation Test (1997).

1.1.   EINLEITUNG

Beim Rückmutationstest an Bakterien werden Stämme von Salmonella typhimurium und Escherichia coli, die Aminosäure benötigen, zum Nachweis von Punktmutationen verwendet, die Substitution, Addition oder Deletion eines oder mehrerer DNA-Basenpaare umfassen (1) (2) (3). Der unter Verwendung von Bakterien durchgeführte Rückmutationstest beruht auf dem Nachweis von Mutationen, durch die Mutationen in den entsprechenden Stämmen rückgängig gemacht und die funktionale Kapazität der Bakterien zur Synthetisierung einer essenziellen Aminosäure wiederhergestellt wird. Die Revertanten-Bakterien lassen sich an ihrer Fähigkeit zum Wachstum ohne die vom Elternstamm benötigte Aminosäure erkennen.

Punktmutationen sind die Ursache für zahlreiche humangenetische Erkrankungen. Es spricht manches dafür, dass Punktmutationen in Onkogenen und Tumorsuppressorgenen somatischer Zellen an der Entstehung von Krebs bei Menschen und Versuchstieren beteiligt sind. Der Rückmutationstest an Bakterien ist wenig zeitaufwendig, kostengünstig und relativ leicht durchzuführen. Viele Versuchsstämme weisen mehrere Merkmale auf, die ihnen eine größere Empfindlichkeit beim Nachweis von Mutationen verleihen, darunter reaktive DNA-Sequenzen an den Reversionsorten, erhöhte Zelldurchlässigkeit gegenüber großen Molekülen und Eliminierung von DNA-Reparatursystemen oder Anstieg der fehlerhaften DNA-Reparaturprozesse. Die Spezifität der Versuchsstämme kann wertvollen Aufschluss über die Typen der von gentoxischen Agenzien ausgelösten Mutationen liefern. Für Rückmutationstests unter Verwendung von Bakterien steht ein sehr umfangreicher Bestand an Ergebnissen für eine Vielzahl von Strukturen zur Verfügung, und es wurden gründlich erprobte Methoden zur Prüfung von Chemikalien mit unterschiedlichen physikalisch-chemischen Eigenschaften, darunter flüchtige Verbindungen, entwickelt.

Siehe auch allgemeine Einleitung zu Teil B.

1.2.   DEFINITIONEN

Ein Rückmutationstest bei Salmonella typhimurium oder Escherichia coli dient zum Nachweis von Mutationen, die in einem Stamm auftreten, der eine Aminosäure (Histidin bzw. Tryptophan) benötigt, und zur Bildung eines Stammes führen, der nicht auf eine Aminosäurezufuhr von außen angewiesen ist.

Basenpaaraustauschmutagene sind Agenzien, die in DNA eine Basenveränderung verursachen. Bei einem Reversionstest kann diese Veränderung am Ort der ursprünglichen Mutation oder an einem zweiten Ort des bakteriellen Genoms auftreten.

Rasterschubmutagene sind Agenzien, die eine Addition oder Deletion von einem oder mehreren Basenpaaren in der DNA verursachen, wodurch sich der Leseraster der RNS verändert.

1.3.   AUSGANGSÜBERLEGUNGEN

Beim Rückmutationstest an Bakterien werden prokaryotische Zellen verwendet, die sich im Hinblick auf Faktoren wie Aufnahme. Stoffwechsel, Chromosomenstruktur und DNA-Reparaturprozesse von Säugetierzellen unterscheiden. In vitro durchgeführte Versuche erfordern in der Regel den Zusatz eines exogenen Fremdstoff-Metabolisierungssystems. Mit einem ln-vitro-Metabolisierungssystem lassen sich aber die In-vivo-Bedingungen bei Säugetieren nicht gänzlich nachvollziehen. Der Test gibt daher keinen direkten Aufschluss über das mutagene und kanzerogene Potential einer Substanz bei Säugetieren.

Der unter Verwendung von Bakterien durchgeführte Rückmutationstest dient in der Regel zur Erstuntersuchung auf gentoxische Aktivität, insbesondere auf Punktmutationen. Aus dem umfangreichen Datenbestand geht hervor, dass sich zahlreiche chemische Stoffe, die bei diesem Test einen positiven Befund ergeben, auch bei anderen Prüfungen als mutagen erweisen. Es gibt allerdings Beispiele dafür, dass mutagene Agenzien nicht durch diesen Test nachgewiesen werden. Zurückzuführen ist dies auf die spezifische Art des ermittelten Endpunkts und auf Unterschiede in der Stoffwechselaktivierung bzw. in der Bioverfügbarkeit. Andererseits können Faktoren, die eine verstärkte Empfindlichkeit des Rückmutationstests an Bakterien bewirken, zu einer Überbewertung der mutagenen Wirkung führen.

Der Rückmutationstest an Bakterien eignet sich möglicherweise nicht zur Bewertung bestimmter Klassen von chemischen Substanzen, so etwa von stark bakteriziden Verbindungen (z. B. bestimmten Antibiotika) und Stoffen, die vermutlich (oder nachweislich) in das Zellreplikationssystem von Säugetieren eingreifen (z. B. bestimmten Topoisomerasehemmern und Nucleosidanalogen). In diesen Fällen sind wohl Mutationstests an Säugetieren eher angebracht.

Zahlreiche Verbindungen, die bei diesem Test einen positiven Befund ergeben, haben zwar eine kanzerogene Wirkung auf Säugetiere, doch besteht keine absolute Korrelation. Ausschlaggebend ist die chemische Klasse, und bestimmte Kanzerogene sind durch diesen Test nicht nachweisbar, weil ihre Wirkung auf anderen, nicht gentoxischen Mechanismen oder in Bakterienzellen fehlenden Mechanismen beruht.

1.4.   PRINZIP DER PRÜFMETHODE

Suspensionen von Bakterienzellen werden mit und ohne ein exogenes Stoffwechselaktivierungssystem mit der Prüfsubstanz behandelt. Bei der Platteninkorporationsmethode werden die Suspensionen mit Schichtagar vermischt und unmittelbar danach auf einem Minimalmedium ausgestrichen. Bei der Vorinkubationsmethode wird das Prüfgemisch bebrütet und dann mit Schichtagar vermischt, bevor es auf einem Minimalmedium ausgestrichen wird. Bei beiden Verfahren wird nach einer Inkubationszeit von zwei oder drei Tagen die Anzahl der Revertanten-Kolonien bestimmt und mit der Anzahl der spontanen Revertanten-Kolonien auf den Lösungsmittel-Kontrollplatten verglichen.

Es wurden verschiedene Verfahren zur Durchführung des Rückmutationstests an Bakterien beschrieben. Zu den gebräuchlichsten Verfahren zählen die Platteninkorporationsmethode (1) (2) (3) (4), die Vorinkubationsmethode (2) (3) (5) (6) (7) (8), die Fluktuationsmethode (9) (10) und die Suspensionsmethode (11). Beschrieben wurden auch Abänderungen zur Untersuchung von Gasen oder Dämpfen (12).

Die hier beschriebenen Verfahren beziehen sich im Wesentlichen auf die Platteninkorporations- und Vorinkubationsmethode. Beide sind für die Durchführung von Versuchen mit und ohne Stoffwechselaktivierungssystem geeignet. Einige Substanzen lassen sich möglicherweise besser mit der Vorinkubationsmethode nachweisen. Sie gehören chemischen Klassen an, zu denen unter anderem kurzkettige aliphatische Nitrosamine, bivalente Metalle, Aldehyde, Azofarbstoffe und Diazoverbindungen, Pyrollizidinalkaloide, Allylverbindungen und Nitroverbindungen zählen (3). Dabei wird anerkannt, dass bestimmte Klassen von Mutagenen bei Anwendung von Standardverfahren wie der Platteninkorporations- oder Vorinkubationsmethode nicht immer nachweisbar sind. Diese sind als „Sonderfälle“ anzusehen, zu deren Nachweis unbedingt alternative Verfahren eingesetzt werden sollten. Es könnten sich die folgenden „Sonderfälle“ ergeben (mit Beispielen für möglicherweise geeignete Nachweisverfahren): Azofarbstoffe und Diazoverbindungen (3) (5) (6) (13), Gase und flüchtige chemische Stoffe (12) (14) (15) (16) sowie Glycoside (17) (18). Abweichungen von den Standardverfahren sind wissenschaftlich zu begründen.

1.5.   BESCHREIBUNG DER PRÜFMETHODE

1.5.1.   Vorbereitungen

1.5.1.1.   Bakterien

Frische Bakterienkulturen sollten bis zur späten exponentiellen oder frühen stationären Wachstumsphase kultiviert werden (ca. 109 Zellen pro ml). Kulturen, die sich im Spätstadium der stationären Phase befinden, sind nicht heranzuziehen. Entscheidend ist dabei, dass die zur Prüfung verwendeten Kulturen einen hohen Anteil an lebensfähigen Bakterien enthalten. Der Anteil lässt sich entweder anhand historischer Kontrolldaten über Wachstumskurven bestimmen oder aber für jeden Versuch gesondert durch Bestimmung der Anzahl lebensfähiger Zellen mittels eines Plattentests.

Die empfohlene Inkubationstemperatur beträgt 37 oC.

Es sind mindestens fünf Bakterienstämme zu verwenden. Dazu sollten vier Stämme von S. typhimurium (TA 1535; TA 1537 oder TA 97a oder TA 97; TA 98; und TA 100) gehören, die erwiesenermaßen zuverlässige und in anderen Labors reproduzierbare Ergebnisse liefern. Diese vier Stämme von S. typhimurium weisen am primären Reversionslocus GC-Basenpaare auf. Bekannt ist, dass möglicherweise bestimmte oxidierende Mutagene, cross-linking induzierende Agenzien und Hydrazine damit nicht nachzuweisen sind. Diese Substanzen lassen sich durch Stämme von E. Coli WP2 oder S. typhimurium TA 102 (19) nachweisen, die am primären Reversionslocus ein AT-Basenpaar aufweisen. Empfohlen wird daher eine Kombination folgender Stämme:

 S. typhimurium TA 1535 und

 S. typhimurium TA 1537 oder TA 97 oder TA 97a und

 S. typhimurium TA 98 und

 S. typhimurium TA 100 und

 E. coli WP2 uvrA oder E. coli WP2 uvrA (pKMI01) oder S. typhimurium TA 102.

Zum Nachweis cross-linking induzierender Mutagene ist es vielleicht ratsam, TA 102 einzubeziehen oder einen reparatur-profizienten Stamm von E. coli (z. B. E. coli WP 2 oder E. coli WP2 (pKM101)) hinzuzugeben.

Zur Vorbereitung der Stammkulturen, zur Verifizierung der Marker und zur Lagerung sollten bewährte Verfahren verwendet werden. Der wachstumsbedingte Aminosäurebedarf ist für jedes tiefgefrorene Stammkulturpräparat nachzuweisen (Histidin bei Stämmen von S. typhimurium und Tryptophan bei Stämmen von E. coli). Auch andere phänotypische Merkmale sind zu überprüfen, so ggf. das Vorhandensein oder Fehlen von R-Faktor-Plasmiden (d. h. die Ampicillinresistenz bei den Stämmen TA 98, TA 10Ü und TA 97a oder TA 97, WP2 uvrA und WP2 uvrA (pKM101) und die Ampicillin- + Tetracyclinresistenz bei den Stämmen TA 102); das Vorhandensein charakteristischer Mutationen (d. h. rfa-Mutation bei S. typhimurium durch Empfindlichkeit gegenüber Kristallviolett und uvr A-Mutation bei E. coli oder uvrB-Mutation bei S. typhimurium durch Empfindlichkeit gegenüber ultraviolettem Licht) (2) (3). Zudem sollten die Stämme eine Anzahl von Spontan-Revertanten-Kolonien in Häufigkeitsbereichen aufweisen, die anhand der historischen Kontrolldaten des Labors zu erwarten sind, und möglichst innerhalb des in der Literatur angegebenen Bereichs liegen.

1.5.1.2.   Medium

Verwendet werden geeigneter Minimalagar (z. B. aus Vogel-Bonner-Minimalmedium E und Glucose) und Schichtagar mit Histidin und Biotin oder Tryptophan, damit mehrere Zellteilungen erfolgen können (1) (2) (9).

1.5.1.3.   Stoffwechselaktivierung

Die Behandlung der Bakterien mit der Prüfsubstanz sollte sowohl mit als auch ohne Zusatz eines geeigneten Stoffwechselaktivierungssystems erfolgen. Das am häufigsten verwendete System ist eine durch Ko-Faktoren ergänzte post-mitochondriale Fraktion (S9) aus der Leber von Nagetieren, die mit enzyminduzierenden Agenzien wie Aroclor 1254 (1) (2) oder einem Gemisch aus Phenobarbital und β-Naphthoflavon (18) (20) (21) vorbehandelt wurden. Die post-mitochondriale Fraktion wird im S9-Gemisch in der Regel in Konzentrationen von 5 bis 30 % v/v verwendet. Wahl und Status des Stoffwechselaktivierungssystems sind möglicherweise von der geprüften chemischen Klasse abhängig. In bestimmten Fällen ist es ggf. zweckmäßig, mehr als eine Konzentration der post-mitochondrialen Fraktion zu verwenden. Bei Azofarbstoffen und Diazoverbindungen ist möglicherweise eher der Einsatz eines reduktiven Stoffwechselaktivierungssystems angebracht (6) (13).

1.5.1.4.   Prüfsubstanz/Zubereitung

Feste Prüfsubstanzen sollten vor der Behandlung der Bakterien in geeigneten Lösungsmitteln oder Vehikeln gelöst oder suspendiert und ggf. verdünnt werden. Flüssige Prüfsubstanzen können den Versuchssystemen vor der Behandlung direkt beigegeben und/oder verdünnt werden. Es sind frische Zubereitungen der Prüfsubstanz zu verwenden, es sei denn, die Stabilität der Substanz bei Lagerung wird nachgewiesen.

Das Lösungsmittel/Vehikel sollte nicht im Verdacht stehen, mit der Prüfsubstanz eine chemische Reaktion einzugehen, und es sollte mit dem Überleben der Bakterien und der S9-Aktivität kompatibel sein (22). Werden keine allgemein bekannten Lösungsmittel/Vehikel verwendet, so sind Daten zur Kompatibilität beizubringen. Es ist zu empfehlen, als erste Wahl möglichst die Verwendung eines wässrigen Lösungsmittels/Vehikels in Erwägung zu ziehen. Bei der Prüfung wasserinstabiler Substanzen sollten die verwendeten organischen Lösungsmittel frei von Wasser sein.

1.5.2.   Prüfbedingungen

1.5.2.1.   Versuchsstämme (siehe 1.5.1.1)

1.5.2.2.   Expositionskonzentrationen

Zu den Kriterien, die bei der Bestimmung der höchsten Konzentration der Prüfsubstanz zu berücksichtigen sind, zählen die Zytotoxizität und die Löslichkeit im Endgemisch.

Es ist möglicherweise sinnvoll, die Zytotoxizität und Unlöslichkeit in einem Vorversuch zu bestimmen. Aufschluss über die Zytotoxizität geben der zahlenmäßige Rückgang der Revertanten-Kolonien, der Wegfall bzw. die Verkleinerung des Hintergrundrasens oder die Überlebensrate der behandelten Kulturen. Die Zytotoxizität einer Substanz verändert sich möglicherweise bei Zusatz eines Stoffwechselaktivierungssystems. Die Unlöslichkeit sollte als Ausfällung im Endgemisch unter realen Prüfbedingungen ermittelt werden und mit dem bloßen Auge erkennbar sein.

Bei löslichen nicht zytotoxischen Substanzen wird eine maximale Prüfkonzentration von 5 mg/Platte bzw. 5 μl/Platte empfohlen. Im Falle nicht zytotoxischer Substanzen, die bei 5 mg/Platte bzw. 5 μl/Platte nicht löslich sind, sollte eine oder mehrere der geprüften Konzentrationen im Endgemisch unlöslich sein. Prüfsubstanzen, die sich bereits unter 5 mg/Platte bzw. 5 μl/Platte als zytotoxisch erweisen, sind bis zu einer zytotoxischen Konzentration zu prüfen. Die Ausfällung sollte die Bewertung nicht beeinträchtigen.

Es sind mindestens fünf verschiedene analysierbare Konzentrationen der Prüfsubstanz zu verwenden, wobei beim ersten Versuch der Abstand zwischen den Prüfpunkten etwa eine halbe Log-Phase (d. h. √10) beträgt. Kleinere Abstände sind ggf. angebracht, wenn eine Konzentrations-Effekt-Beziehung untersucht wird. Bei der Bewertung von Substanzen, die größere Mengen an potenziell mutagenen Verunreinigungen enthalten, ist die Prüfung bei Konzentrationen über 5 mg/Platte bzw. 5 μl/Platte in Betracht zu ziehen.

1.5.2.3.   Negativ- und Positivkontrollen

Für jeden Versuch sind gleichzeitig stammspezifische Positiv- und Negativ-(Lösungsmittel- oder Vehikel-)Kontrollen mit oder ohne Zusatz eines Stoffwechselaktivierungssystems anzulegen. Für die Positivkontrollen sind Konzentrationen zu wählen, die die Wirksamkeit des jeweiligen Versuchs belegen.

Bei Versuchen mit Stoffwechselaktivierungssystem sollten die Positivkontrollsubstanzen anhand der verwendeten Bakterienstämme ausgewählt werden.

Die folgenden Substanzen gelten als Beispiele für geeignete Positivkontrollen bei Versuchen mit Stoffwechselaktivierung:



Substanz

CAS-Nummer

EINECS-Nummer

9,10-Dimethylanthracen

781-43-1

212-308-4

7,12-Dimethylbenz[α]anthracen

57-97-6

200-359-5

Benzo[a]pyren

50-32-8

200-028-5

2-Aminoantracen

613-13-8

210-330-9

Cyclophosphamid

50-18-0

200-015-4

Cyclophosphamidmonohydrat

6055-19-2

 

Die folgende Substanz eignet sich als Positivkontrolle bei der reduktiven Stoffwechselaktivierungsmethode



Substanz

CAS-Nummer

EINECS-Nummer

Kongorot

573-58-0

209-358-4

2-Aminoantracen sollte nicht als alleiniger Gradmesser für die Wirksamkeit des S9-Gemischs dienen. Bei Verwendung von 2-Aminoanthracen sollte jede Charge von S9 ebenfalls durch ein Mutagen gekennzeichnet sein, das eine Stoffwechselaktivierung durch mikrosomale Enzyme, z. B. Benzo[a]pyren oder Dimethylbenzanthracen, erfordert.

Die folgenden Substanzen sind Beispiele für stammspezifische Positivkontrollen bei Versuchen ohne exogenes Stoffwechselaktivierungssystem:



Substanz

CAS-Nummer

EINECS-Nummer

Stamm

Natriumazid

26628-22-8

247-852-1

TA 1535 und TA 100

2-Nitrofluoren

607-57-8

210-138-5

TA 98

9-Aminoacridin

90-45-9

201-995-6

TA 1537, TA 97 und TA 97a

ICR 191

17070-45-0

241-129-4

TA 1537, TA 97 und TA 97a

Cumolhydroperoxid

80-15-9

201-254-7

TA 102

Mitomycin C

50-07-7

200-008-6

WP2uvrA und TA 102

N-ethyl-N-nitro-N-nitrosoguanidin

70-25-7

200-730-1

WP2, WP2uvrA und WP2uvrA (pKM101)

4-Nitroquinolin-l-oxid

56-57-5

200-281-1

WP2, WP2uvrA und WP2uvrA (pKM101)

Furylfuramid (AF2)

3688-53-7

 

Plasmide enthaltende Stämme

Es können auch andere geeignete Positivkontrollsubstanzen verwendet werden. Ggf. sollten Positivkontrollen herangezogen werden, die der gleichen chemischen Klasse angehören wie der Prüfstoff.

Es sind Negativkontrollen, die allein aus dem Lösungsmittel oder Vehikel ohne Prüfsubstanz bestehen und auf die gleiche Weise wie die Behandlungskulturen behandelt werden, anzulegen. Darüber hinaus sollten auch unbehandelte Kontrollen verwendet werden, wenn nicht historische Kontrolldaten belegen, dass das gewählte Lösungsmittel keine schädlichen oder mutagenen Wirkungen hervorruft.

1.5.3.   Verfahren

Bei der Platteninkorporationsmethode (1) (2) (3) (4) ohne Stoffwechselaktivierung werden gewöhnlich 0,05 ml oder 0,1 ml Prüflösung, 0,1 ml frische Bakterienkultur (mit ca. 108 lebensfähigen Zellen) und 0,5 ml sterile Pufferlösung mit 2,0 ml Schichtagar vermischt. Für Ansätze mit Stoffwechselaktivierung werden gewöhnlich 0,5 ml Stoffwechselaktivierungsgemisch, das eine ausreichende Menge post-mitochondrialer Fraktion (im Bereich von 5 bis 30 % v/v im Stoffwechselaktivierungsgemisch) enthält, mit Schichtagar (2,0 ml) und zugleich mit den Bakterien und der Prüfsubstanz/Prüflösung vermischt. Der Inhalt jedes Röhrchens wird vermischt und auf der Oberfläche einer Minimalagarplatte ausgegossen. Vor der Inkubation lässt man den Schichtagar verfestigen.

Bei der Vorinkubationsmethode (2) (3) (5) (6) wird die Prüfsubstanz/Prüflösung ca. 20 Minuten oder länger bei 30-37 oC mit dem Versuchsstamm (der ca. 108 lebensfähige Zellen enthält) und der sterilen Pufferlösung oder dem Stoffwechselaktivierungssystem (0,5 ml) vorinkubiert, bevor sie mit dem Schichtagar vermischt und auf der Oberfläche einer Minimalagarplatte ausgegossen wird. Gewöhnlich werden 0,05 oder 0,1 ml Prüfsubstanz/Prüflösung, 0,1 ml Bakterien und 0,5 ml S9-Gemisch oder sterile Pufferlösung mit 2,0 ml Schichtagar vermischt. Die Röhrchen sind während der Vorinkubation mit Hilfe eines Schüttlers zu belüften.

Um die Schwankungsbreite hinreichend beurteilen zu können, sind für jede Dosisstufe drei Platten anzulegen. Die Verwendung von zwei Platten ist vertretbar, wenn dies wissenschaftlich begründet wird. Durch den gelegentlichen Verlust einer Platte wird der Versuch nicht zwangsläufig entwertet.

Gasförmige oder flüchtige Substanzen sind mit Hilfe geeigneter Methoden zu prüfen, z. B. in hermetisch verschlossenen Gefäßen (12) (14) (15) (16).

1.5.4.   Inkubation

Sämtliche Platten des jeweiligen Versuchs sind 48 bis 72 Stunden bei 37 oC zu bebrüten. Nach Ablauf der Inkubationszeit wird die Anzahl der Revertanten-Kolonien je Platte ermittelt.

2.   DATEN

2.1.   AUFBEREITUNG DER ERGEBNISSE

Die Daten sind als Anzahl der Revertanten-Kolonien je Platte anzugeben. Die Anzahl der Revertanten-Kolonien sowohl auf den Negativkontrollplatten (Lösungsmittelkontrolle und ggf. unbehandelte Kontrolle) als auch auf den Positivkontrollplatten ist ebenfalls zu dokumentieren. Für die Prüfsubstanz und die Positivkontrollen sowie Negativkontrollen (unbehandelte und/oder Lösungsmittelkontrollen) sind die Zahlenwerte der einzelnen Platten, die mittlere Anzahl der Revertanten-Kolonien je Platte und die Standardabweichung aufzuführen.

Bei einer eindeutigen positiven Reaktion ist eine Verifizierung nicht erforderlich. Nicht eindeutige Ergebnisse sind durch weitere Prüfungen abzuklären, möglichst unter Abänderung der Versuchsbedingungen. Negative Befunde sind durch Einzelfallprüfung zu bestätigen. In jenen Fällen, in denen eine Bestätigung negativer Befunde nicht für notwendig erachtet wird, ist dies zu begründen. Bei Folgeversuchen sollte die Abänderung der Studienparameter zur Erweiterung des Umfangs der bewerteten Bedingungen in Betracht gezogen werden. Zu den Studienparametern, die für eine Abänderung in Frage kommen, gehören die Abstände der Konzentrationen, die Prüfmethode (Platteninkorporation oder flüssige Vorinkubation) und der Stoffwechselaktivierungsstatus.

2.2.   BEWERTUNG UND INTERPRETATION DER ERGEBNISSE

Es gibt mehrere Kriterien für die Bestimmung eines positiven Ergebnisses, wie z. B. eine konzentrationsbezogene Zunahme im Prüfbereich und/oder eine reproduzierbare Zunahme der Anzahl der Revertanten-Kolonien je Platte bei einer oder mehreren Konzentrationen in mindestens einem Stamm mit oder ohne Stoffwechselaktivierungssystem (23). Zunächst sollte die biologische Relevanz der Ergebnisse untersucht werden. Als Hilfsmittel bei der Bewertung der Versuchsergebnisse können statistische Methoden dienen (24). Die statistische Signifikanz sollte aber nicht der einzige bestimmende Faktor für eine positive Reaktion sein.

Eine Prüfsubstanz, bei der die Ergebnisse nicht den oben genannten Kriterien entsprechen, gilt bei diesem Versuch als nichtmutagen.

Auch wenn die meisten Versuche eindeutig positive oder negative Ergebnisse liefern, erlaubt der Datensatz in seltenen Fällen keine definitive Aussage über die Aktivität der Prüfsubstanz. Es kommt vor, dass sich die Ergebnisse unabhängig davon, wie oft der Versuch wiederholt wird, weiterhin als nicht eindeutig oder als fragwürdig erweisen.

Positive Befunde beim Rückmutationstest an Bakterien deuten darauf hin, dass die Prüfsubstanz durch Basenaustausch oder Rasterverschiebungen Punktmutationen im Genom von Salmonella typhimurium und/oder Escherichia coli hervorruft. Negative Befunde sind ein Anzeichen dafür, dass die Prüfsubstanz unter diesen Versuchsbedingungen bei den geprüften Spezies keine mutagene Wirkung auslöst.

3.   ABSCHLUSSBERICHT

PRÜFBERICHT

Der Prüfbericht muss die folgenden Angaben enthalten:

Lösungsmittel/Vehikel

 Begründung für die Wahl des Vehikels;

 Löslichkeit und Stabilität der Prüfsubstanz im Lösungsmittel/Vehikel, falls bekannt.

Stämme:

 verwendete Stämme;

 Anzahl der Zellen je Kultur;

 Merkmale des Stammes.

Prüfbedingungen:

 Menge der Prüfsubstanz je Platte (mg/Platte oder μl/Platte) mit Begründung für die Wahl der Dosis und Anzahl der Platten je Konzentration;

 verwendete Medien;

 Art und Zusammensetzung des Stoffwechselaktivierungssystems einschließlich Eignungskriterien;

 Behandlungsverfahren.

Ergebnisse:

 Toxizitätszeichen;

 Ausfällungszeichen;

 Zählwerte der einzelnen Platten;

 mittlere Anzahl der Revertanten-Kolonien je Platte und Standardabweichung;

 nach Möglichkeit Dosis-Wirkungs-Verhältnis;

 ggf. statistische Analysen;

 Daten zu gleichzeitigen Negativ-(Lösungsmittel-/Vehikel-)Kontrollen und Positivkontrollen mit Bereichen, Mittelwerten und Standardabweichungen;

 Daten zu historischen Negativ-(Lösungsmittel-/Vehikel-)Kontrollen und Positivkontrollen mit Bereichen, Mittelwerten und Standardabweichungen.

Diskussion der Ergebnisse.

Schlussfolgerungen.

4.   LITERATURHINWEISE

(1) Arnes, B. N., McCann, J. and Yamasaki E. (1975), Methods for Detecting Carcinogens and Mutagens with the Salmonella/Mammalian-Microsome Mutagenicity Test, Mutation Res., 31, 347-364.

(2) Maron, D. M. and Arnes, B. N. (1983), Revised Methods for the Salmonella Mutagenicity Test, Mutation Res., 113, 173-215.

(3) Gatehouse, D., Haworth, S., Cebula, T., Gocke, E., Kier, L., Matsushima, T., Melcion, C., Nohmi, T., Venitt, S. and Zeiger, E. (1994), Recommendations for the Performance of Bacterial Mutation Assays, Mutation Res., 312, 217-233.

(4) Kier, L. D., Brusick, D. J., Auletta, A. E., Von Halle, E. S., Brown, M. M., Simmon, V. F., Dunkel, V., McCann, J., Mortelmans, K., Prival, M., Rao, T. K. and Ray V. (1986), The Salmonella typhimurium/Mammalian Microsomal Assay: A Report of the U.S. Environmental Protection Agency Gene-Tox Program, Mutation Res., 168, 69-240.

(5) Yahagi, T., Degawa, M., Seino, Y.Y., Matsushima, T., Nagao, M., Sugimura, T. and Hashimoto, Y. (1975), Mutagenicity of Carcinogen Azo Dyes and their Derivatives, Cancer Letters, 1, 91-96.

(6) Matsushima, M., Sugimura, T., Nagao, M., Yahagi, T., Shirai, A. and Sawamura, M. (1980), Factors Modulating Mutagenicity Microbial Tests, in: Short-term Test Systems for Detecting Carcinogens, ed. Norpoth K. H. and Garner, R. C., Springer, Berlin-Heidelberg-New York, 273-285.

(7) Gatehouse, D. G., Rowland, I. R., Wilcox, P., Callender, R. D. and Foster R. (1980), Bacterial Mutation Assays, in: Basic Mutagenicity Tests: UKEMS Part 1 Revised, ed. D. J. Kirkland, Cambridge University Press., 13-61.

(8) Aeschacher. H. U., Wolleb, U. and Porchet, L. (1987), Liquid Preincubation Mutagenicity Test for Foods, J. Food Safety, 8, 167-177.

(9) Green, M. H. L., Muriel, W. J. and Bridges, B. A. (1976), Use of a simplified fluctuation test to detect low levels of mutagens, Mutations Res., 38, 33-42.

(10) Hubbard, S. A., Green, M. H. L., Gatehouse, D. and Bridges, J. W. (1984), The Fluctuation Test in Bacteria, in: Handbook of Mutagenicity Test Procedures, 2nd Edition, ed. Kilbey, B. J., Legator, M., Nichols, W. and Ramel, C. Elsevier, Amsterdam-New York-Oxford, 141-161.

(11) Thompson, E. D. and Melampy, P. J. (1981), An Examination of the Quantitative Suspension Assay for Mutagenesis with Strains of Salmonella typhimurium, Environmental Mutagenesis, 3, 453-465.

(12) Araki, A., Noguchi, T., Kato, F. and Matsushima, T. (1994), Improved Method for Mutagenicity Testing of Gaseous Compounds by Using a Gas Sampling Bag, Mutation Res., 307, 335-344.

(13) Prival, M. J., Bell, S. J., Mitchell, V. D., Reipert, M. D. and Vaughan, V. L. (1984), Mutagenicity of Benzidine and Benzidine-Congener Dyes and Selected Monoazo Dyes in a Modified Salmonella Assay, Mutation Res., 136, 33-47.

(14) Zeiger, E., Anderson B. E., Haworth, S., Lawlor, T. and Mortelmans, K. (1992), Salmonella Mutagenicity Tests. V. Results from the Testing of 311 Chemicals, Environ. Mol. Mutagen., 19, 2-141.

(15) Simmon, V., Kauhanen K. and Tardiff, R. G. (1977), Mutagenic Activity of Chemicals Identified in Drinking Water, in Progress in Genetic Toxicology, D. Scott, B. Bridges and F. Sobels (eds.) Elsevier, Amsterdam, 249-258.

(16) Hughes, T. J., Simmons, D. M., Monteith, I. G. and Claxton, L. D. (1987), Vaporisation Technique to Measure Mutagenic Activity of Volatile Organic Chemicals in the Ames/Salmonella Assay, Environmental Mutagenesis, 9, 421-441.

(17) Matsushima, T., Matsumoto, A., Shirai, M., Sawamura, M. and Sugimura, T. (1979), Mutagenicity of the Naturally Occurring Carcinogen Cycasin and Synthetic Methylazoxy Methane Conjugates in Salomonella typhimurium, Cancer Res., 39, 3780-3782.

(18) Tamura, G., Gold, C, Ferro-Luzzi, A. and Arnes, B. N. (1980), Fecalase: A Model for Activation of Dietary Glycosides to Mutagens by Intestinal Flora, Proc. Natl. Acad. Sa. USA, 77, 4961-4965.

(19) Wilcox, P., Naidoo, A., Wedd, D. J. and Gatehouse, D. G. (1990), Comparison of Salmonella typhimurium TA 102 with Escherichia coli WP2 Tester strains, Mutagenesis, 5, 285-291.

(20) Matsushima, T., Sawamura, M., Hara, K. and Sugimura T. (1976), A Safe Substitute for Polychlorinated Biphenyls as an Inducer or Metabolic Activation Systems, in: In Vitro Metabolic Activation in Mutagenesis Testing, eds. F. J. de Serres et al. Elsevier, North Holland, 85-88.

(21) Elliot, B. M., Combes, R. D., Elcombe, C. R., Tatehouse, D. G., Gibson, G. G., Mackay, J. M. and Wolf, R. C. (1992), Alternatives to Aroclor 1254-induced S9 in in vitro Genotoxicity Assays, Mutagenesis, 7, 175-177.

(22) Maron, D., Katzenellenbogen, J. and Arnes, B. N. (1981), Compatibility of Organic Solvents with the Salmonella/Microsome Test, Mutation Res., 88, 343-350.

(23) Claxton, L. D., Allen J., Auletta, A., Mortelmans, K., Nestmann, E. and Zeiger, E. (1987), Guide for the Salmonella typhimurium/Mammalian Microsome Tests for Bacterial Mutagenicity, Mutation Res., 189, 83-91.

(24) Mahon, G. A. T., Green, M. H. L, Middleton, B., Mitchell, I., Robinson, W. D. and Tweats, D. J. (1989), Analysis of Data from Microbial Colony Assays, in: UKEMS Sub-Committee on Guidelines for Mutagenicity Testing. Part II. Statistical Evaluation of Mutagenicity Test Data, ed. Kirkland, D. J., Cambridge University Press, 28-65.

▼M7 —————

▼B

B.17.   MUTAGENITÄT — IN-VITRO-GENMUTATIONSTEST AN SÄUGETIERZELLEN

1.   METHODE

Diese Methode entspricht der OECD TG 476, In Vitro Mammalian Cell Gene Mutation Test (1997).

1.1.   EINLEITUNG

Der In-vitro-Genmutationstest an Säugetierzellen kann zum Nachweis von chemisch induzierten Genmutationen herangezogen werden. Zu den geeigneten Zelllinien gehören Maus-Lymphomazellen L5178Y, die Zelllinien CHO, CHO-AS52 und V79 des chinesischen Hamsters und menschliche Lymphoblastoidzellen TK6 (1). Mit diesen Zelllinien werden in den gebräuchlichsten Systemen Mutationen an den Loci für Thymidinkinase (TK) und Hypoxanthin-Guanin-Phosphoribosyltransferase (HPRT) sowie für ein Transgen von Xanthin-Guanin-Phosphoribosyltransferase (XPRT) nachgewiesen. Durch den TK-, HPRT- und XPRT-Mutationstest lassen sich unterschiedliche Spektren genetischer Ereignisse ermitteln. Die Autosomenlokation von TK und XPRT ermöglicht ggf. den Nachweis genetischer Ereignisse (z. B. großer Deletionen), die nicht am HPRT-Locus auf den X-Chromosomen feststellbar sind (2) (3) (4) (5) (6).

Beim In-vitro-Genmutationstest an Säugetierzellen können Kulturen von etablierten Zelllinien oder Zellstämmen zum Einsatz kommen. Die verwendeten Zellen werden unter dem Gesichtspunkt der Wachstumsfähigkeit in Kultur und der Stabilität der Spontanmutationshäufigkeit ausgewählt.

In vitro durchgeführte Versuche erfordern in der Regel den Zusatz eines exogenen Fremdstoff-Metabolisierungssystems. Mit diesem System lassen sich aber die In-vivo-Bedingungen bei Säugetieren nicht gänzlich nachvollziehen. Es sind unbedingt Bedingungen zu vermeiden, bei denen positive Ergebnisse auftreten, die nicht die intrinsische Mutagenität widerspiegeln und möglicherweise aus Veränderungen des pH-Werts bzw. der Osmolalität oder hochgradiger Zytotoxizität herrühren (7).

Dieser Test dient zum Nachweis möglicher Mutagene und Karzinogene in Säugetierzellen. Viele chemische Verbindungen, bei denen der Test positiv ausfällt, haben eine karzinogene Wirkung auf Säugetiere, doch besteht keine absolute Korrelation zwischen Test und Karzinogenität. Die Korrelation ist von der chemischen Klasse abhängig, und es gibt zunehmende Anzeichen dafür, dass bestimmte Karzinogene durch diesen Test nicht nachweisbar sind, da ihre Wirkung anscheinend auf anderen, nicht gentoxischen Mechanismen oder in Bakterienzellen fehlenden Mechanismen beruht (6).

Siehe auch allgemeine Einleitung zu Teil B.

1.2.   DEFINITIONEN

Vorwärtsmutation: Genmutation vom Elterntyp zur mutierten Form, die eine Veränderung oder den Ausfall der Enzymaktivität der Funktion des kodierten Proteins bewirkt.

Basenpaaraustauschmutagene: Agenzien, die den Austausch eines oder mehrerer Basenpaare in der DNA verursachen.

Rasterschubmutagene: Agenzien, die die Addition oder Deletion von einem oder mehreren Basenpaaren im DNA-Molekül verursachen.

Expressionszeit des Phänotyps: Zeitraum, in dem aus neu mutierten Zellen unveränderte Genprodukte abgebaut werden.

Mutantenhäufigkeit: Verhältnis der Anzahl der mutierten Zellen zur Anzahl der lebensfähigen Zellen.

Relative Gesamtwachstumsrate: Anstieg der Zellpopulation im Zeitverlauf gegenüber einer Kontrollzellpopulation; ermittelt durch Multiplikation der Suspensionswachstumsrate im Verhältnis zur Negativkontrolle mit der Klonierungseffizienz im Verhältnis zur Negativkontrolle.

Relative Suspensionswachstumsrate: Anstieg der Zellpopulation während der Expressionszeit gegenüber der Negativkontrolle.

Lebensfähigkeit: Klonierungseffizienz der behandelten Zellen zum Zeitpunkt der Ausplattierung unter selektiven Bedingungen nach der Expressionszeit.

Überlebensrate: Klonierungseffizienz der behandelten Zellen beim Ausplattieren nach Ablauf der Behandlungszeit; die Überlebensrate wird gewöhnlich in Relation zur Überlebensrate der Kontrollzellpopulation angegeben.

1.3.   PRINZIP DER PRÜFMETHODE

Zellen, die infolge der Mutation TK+/- → TK-/- keine Thymidinkinase (TK) enthalten, sind gegenüber der zytotoxischen Wirkung des Pyrimidinanalogons Trifluorthymidin (TFT) resistent. Bei Anwesenheit von Thymidinkinase sind Zellen hingegen empfindlich gegenüber TFT, das die Hemmung des Zellstoffwechsels verursacht und eine weitere Zellteilung verhindert. So können die Mutantenzellen bei Anwesenheit von TFT proliferieren, während die normalen Zellen, die Thymidinkinase enthalten, nicht dazu in der Lage sind. In ähnlicher Weise werden HPRT- oder XPRT-defiziente Zellen durch Resistenz gegenüber 6-Thioguanin (TG) oder 8-Azaguanin (AG) selektiert. Die Eigenschaften der Prüfsubstanz sind sorgfältig zu beachten, wenn bei einem Genmutationstest an Säugetierzellen ein mit dem selektierenden Agens verwandtes Basenanalogon bzw. eine damit verwandte Verbindung geprüft wird. Beispielsweise sollte jedem Verdacht auf selektive Toxizität der Prüfsubstanz bei mutierenden und nichtmutierenden Zellen nachgegangen werden. Bei der Prüfung von Chemikalien, die strukturell mit dem selektierenden Agens verwandt sind, muss die Leistungsfähigkeit des Selektivsystems bzw. des selektierenden Agens bestätigt werden (8).

Zellen in Suspensions- oder Monoschichtkultur werden über einen angemessenen Zeitraum mit und ohne Metabolisierungssystem mit der Prüfsubstanz behandelt und subkultiviert, um die Zytotoxizität zu bestimmen und vor der Mutantenselektion die Expression des Phänotyps zu ermöglichen (9) (10) (11) (12) (13). Die Zytotoxizität wird gewöhnlich durch Bestimmung der relativen Klonierungseffizienz (Überlebensrate) oder des relativen Gesamtwachstums der Kulturen nach Ablauf der Behandlungszeit ermittelt. Die behandelten Kulturen werden für einen ausreichenden Zeitraum, der für den jeweils gewählten Locus und Zelltyp charakteristisch ist, in einem Wachstumsmedium gehalten, um eine annähernd optimale phänotypische Expression der induzierten Mutationen zu ermöglichen. Die Mutantenhäufigkeit wird bestimmt, indem man eine bekannte Anzahl von Zellen auf ein Medium mit dem selektierenden Agens zur Bestimmung der Mutantenzahl und auf ein Medium ohne selektierendes Agens zur Bestimmung der Klonierungseffizienz (Lebensfähigkeit) aufimpft. Nach einer geeigneten Inkubationszeit werden die Kolonien gezählt. Die Mutantenhäufigkeit wird aus der Anzahl der Mutantenkolonien im selektiven Medium und der Anzahl der Kolonien im nichtselektiven Medium berechnet.

1.4.   BESCHREIBUNG DER PRÜFMETHODE

1.4.1.   Vorbereitungen

1.4.1.1.   Zellen

Für diesen Versuch steht eine Reihe von Zelltypen zur Verfügung. Dazu gehören Subklone von L5178Y, CHO-, CHO-AS52-, V79- oder TK6-Zellen. Die bei diesem Test verwendeten Zelltypen sollten nachweislich eine Empfindlichkeit für chemische Mutagene, eine hohe Klonierungseffizienz und eine geringe Spontanmutationshäufigkeit aufweisen. Die Zellen sind auf Mycoplasmaverunreinigung zu überprüfen und bei Verunreinigung nicht heranzuziehen.

Der Test sollte so angelegt werden, dass er ausreichende Sensitivität hat. Die Anzahl der Zellen, die verwendeten Kulturen und Konzentrationen der Prüfsubstanz sollten den vorgegebenen Parametern entsprechen (14). Die Mindestzahl der lebensfähigen Zellen, die die Behandlung überstehen und im jeweiligen Stadium der Prüfung verwendet werden, sollte auf der Spontanmutationshäufigkeit beruhen. Als allgemeine Faustregel gilt die Verwendung einer Anzahl von Zellen, die mindestens dem Zehnfachen des reziproken Wertes der Spontanmutationshäufigkeit entspricht. Es wird aber empfohlen, mindestens 106 Zellen zu verwenden. Es sollten angemessene historische Daten zum verwendeten Zellsystem vorhanden sein, um die durchgängige Aussagefähigkeit des Tests zu belegen.

1.4.1.2.   Kulturmedien und Inkubationsbedingungen

Zur Kultivierung sind geeignete Kulturmedien und Inkubationsbedingungen (Kulturgefäße, CO2-Konzentration, Temperatur und Feuchtigkeit) zu verwenden. Die Medien sind entsprechend dem beim Test verwendeten Selektivsystem und Zelltyp auszuwählen. Vor allem ist für Inkubationsbedingungen zu sorgen, die ein optimales Zellwachstum während der Expressionszeit und die Fähigkeit der mutierenden und nichtmutierenden Zellen zur Koloniebildung gewährleisten.

1.4.1.3.   Vorbereitung der Kulturen

Die Zellen werden aus Stammkulturen gewonnen, auf das Kulturmedium aufgeimpft und bei 37 oC inkubiert. Vor der Verwendung bei diesem Test sind die Kulturen ggf. von bereits vorhandenen Mutantenzellen zu reinigen.

1.4.1.4.   Stoffwechselaktivierung

Die Behandlung der Bakterien mit der Prüfsubstanz sollte sowohl mit als auch ohne Zusatz eines geeigneten Metabolisierungssystems erfolgen. Das am häufigsten verwendete System ist eine durch Ko-Faktoren ergänzte post-mitochondriale Fraktion (S9) aus der Leber von Nagetieren, die mit enzyminduzierenden Agenzien wie Aroclor 1254 (15) (16) (17) (18) oder einem Gemisch aus Phenobarbiton und β-Naphtoflavon (19) (20) vorbehandelt wurde.

Im Endmedium wird die post-mitochondriale Fraktion in der Regel in Konzentrationen von 1 bis 10 % v/v verwendet. Wahl und Bedingungen des Metabolisierungssystems können von der geprüften chemischen Klasse abhängig sein. In bestimmten Fällen ist es ggf. zweckmäßig, mehr als eine Konzentration der postmitochondrialen Fraktion zu verwenden.

Eine Reihe von Entwicklungen, darunter die Herstellung gentechnisch veränderter Zelllinien zur Expression spezifischer Aktivierungsenzyme, eröffnen vielleicht die Möglichkeit für eine endogene Aktivierung. Die Wahl der verwendeten Zelllinien sollte wissenschaftlich begründet sein (z. B. durch die Relevanz des Isoenzyms Cytochrom P450 für den Stoffwechsel der Prüfsubstanz).

1.4.1.5.   Prüfsubstanz/Zubereitung

Feste Prüfsubstanzen sollten vor der Zellbehandlung in geeigneten Lösungsmitteln oder Vehikeln gelöst oder suspendiert und ggf. verdünnt werden. Flüssige Prüfsubstanzen können den Versuchssystemen vor der Behandlung direkt beigegeben und/oder verdünnt werden. Es sind frische Zubereitungen der Prüfsubstanz zu verwenden, es sei denn, die Stabilität der Substanz bei Lagerung wird nachgewiesen.

1.4.2.   Prüfbedingungen

1.4.2.1.   Lösungsmittel/Vehikel

Die Lösungsmittel/Vehikel sollten nicht im Verdacht stehen, mit der Prüfsubstanz eine chemische Reaktion einzugehen, und sie sollten mit dem Überleben der Zellen und der S9-Aktivität kompatibel sein. Werden keine allgemein bekannten Lösungsmittel/Vehikel verwendet, so sind Daten zur Kompatibilität beizubringen. Es ist zu empfehlen, als erste Wahl möglichst die Verwendung eines wässrigen Lösungsmittels/Vehikels in Erwägung zu ziehen. Bei der Prüfung wasserinstabiler Substanzen sollten die verwendeten organischen Lösungsmittel frei von Wasser sein. Das Wasser lässt sich durch Zusatz eines Molekularsiebs entfernen.

1.4.2.2.   Expositionskonzentrationen

Zu den Kriterien, die bei der Bestimmung der höchsten Konzentration zu berücksichtigen sind, zählen die Zytotoxizität, die Löslichkeit im Versuchssystem und die Veränderungen des pH-Werts oder der Osmolalität.

Die Zytotoxizität sollte im Hauptversuch mit und ohne Stoffwechselaktivierung unter Verwendung eines geeigneten Indikators für Zellintegrität und -Wachstum wie relative Klonierungseffizienz (Überlebensrate) oder relatives Gesamtwachstum bestimmt werden. Es ist möglicherweise sinnvoll, die Zytotoxizität und Löslichkeit in einem Vorversuch zu bestimmen.

Es sind mindestens vier analysierbare Konzentrationen zu verwenden. Wenn Zytotoxizität auftritt, sollten diese Konzentrationen den Bereich vom Höchstwert bis zu geringer oder nicht vorhandener Toxizität umfassen. Im Normalfall bedeutet dies, dass sich die Konzentrationen maximal um einen Faktor zwischen 2 und 10 unterscheiden. Beruht die höchste Konzentration auf der Zytotoxizität, sollte sie eine relative Überlebensrate (relative Klonierungseffizienz) oder relative Gesamtwachstumsrate von ca. 10 bis 20 % (aber mindestens 10 %) ergeben. Bei relativ nichtzytotoxischen Substanzen sollte die maximale Prüfkonzentration 5 mg/ml, 5 μl/ml oder 0,01 M betragen, je nachdem, welcher Wert am niedrigsten ist.

Relativ unlösliche Substanzen sind unter Kulturbedingungen bis zur Löslichkeitsgrenze und darüber hinaus zu testen. Eine etwaige Unlöslichkeit ist im Endmedium zu bestimmen, dem die Zellen ausgesetzt werden. Möglicherweise ist es sinnvoll, die Löslichkeit zum Anfang und Abschluss der Behandlung zu bewerten, da sich die Löslichkeit im Versuchssystem während der Exposition aufgrund des Vorhandenseins von Zellen, S9, Serum usw. verändern kann. Die Unlöslichkeit ist mit dem bloßen Auge erkennbar. Die Ausfällung sollte die Bewertung nicht beeinträchtigen.

1.4.2.3.   Kontrollen

Für jeden Versuch sind gleichzeitig Positiv- und Negativ-(Lösungsmittel- oder Vehikel-)Kontrollen mit oder ohne Zusatz eines Stoffwechselaktivierungssystems anzulegen. Bei Stoffwechselaktivierung sollte die Positivkontrollsubstanz jene Substanz sein, die zur mutagenen Reaktion eine Aktivierung benötigt.

Es kommen beispielsweise folgende Positivkontrollsubstanzen in Frage:



Stoffwechselaktivierungsstatus

Ort

Substanz

CAS-Nummer

EINECS-Nummer

Ohne exogene Stoffwechselaktivierung

HPRT

Ethylmethansulfonat

62-50-0

200-536-7

Ethylnitrosoharnstoff

759-73-9

212-072-2

TK (kleine und große Kolonien)

Methylmethansulfonat

66-27-3

200-625-0

XPRT

Ethylmethansulfonat

62-50-0

200-536-7

Ethylnitrosoharnstoff

759-73-9

212-072-2

Mit exogener Stoffwechselaktivierung

HPRT

3-Methylcholanthren

56-49-5

200-276-4

N-Nitrosodimethylamin

62-75-9

200-549-8

7,12-Dimethylbenzanthracen

57-97-6

200-359-5

TK (kleine und große Kolonien)

Cyclophosphamid

50-18-0

200-015-4

Cyclophosphamidmonohydrat

6055-19-2

 

Benzo[a]pyren

50-32-8

200-028-5

3-Methylcholanthren

56-49-5

200-276-5

XPRT

N-Nitrosodimethylamin (für hohe Konzentrationen von S9)

62-75-9

200-549-8

Benzo[a]pyren

50-32-8

200-028-5

Es kommen auch andere geeignete Positivkontrollsubstanzen in Betracht. Wenn z. B. ein Labor über historische Datenbestände zu 5-Bromo 2’-deoxyuridin (CAS-Nummer 59-14-3, EINECS-Nummer 200-415-9) verfügt, könnte auch diese Bezugssubstanz zum Einsatz kommen. Gegebenenfalls sollten Positivkontrollen herangezogen werden, die der gleichen chemischen Klasse angehören wie der Prüfstoff.

Es sind Negativkontrollen zu verwenden, bei denen das Behandlungsmedium lediglich Lösungsmittel oder Vehikel enthält und die auf die gleiche Weise wie die Behandlungskulturen behandelt werden. Darüber hinaus sollten auch unbehandelte Kontrollen verwendet werden, wenn nicht historische Kontrolldaten belegen, dass das gewählte Lösungsmittel keine schädlichen oder mutagenen Wirkungen hervorruft.

1.4.3.   Verfahren

1.4.3.1.   Behandlung mit der Prüfsubstanz

Proliferierende Zellen werden mit und ohne Zusatz eines Metabolisierungssystems mit der Prüfsubstanz behandelt. Die Exposition sollte über einen geeigneten Zeitraum (gewöhnlich 3 bis 6 Stunden) erfolgen. Die Expositionszeit kann sich über einen oder mehrere Zellzyklen erstrecken.

Es sollten für jede überprüfte Konzentration behandelte Zweifach- oder Einfachkulturen herangezogen werden. Bei Einfachkulturen ist die Anzahl der Konzentrationen zu erhöhen, damit eine ausreichende Anzahl von Kulturen zur Analyse vorliegt (d. h. mindestens 8 analysierfähige Konzentrationen). Es sind zweifache Negativ-(Lösungsmittel-)Kontrollkulturen zu verwenden.

Gasförmige oder flüchtige Substanzen sind mit Hilfe geeigneter Methoden zu prüfen, z. B. in hermetisch verschlossenen Kulturgefäßen (21) (22).

1.4.3.2.   Bestimmung der Überlebensrate, der Lebensfähigkeit und der Mutantenhäufigkeit

Am Ende der Expositionszeit werden die Zellen gewaschen und kultiviert, um die Überlebensrate zu bestimmen und die Expression des Mutantenphänotyps zu ermöglichen. Die Bestimmung der Zytotoxizität durch Ermittlung der relativen Klonierungseffizienz (Überlebensrate) oder des relativen Gesamtwachstums der Kulturen erfolgt in der Regel nach Ablauf der Behandlungszeit.

Jeder Locus hat eine bestimmte Mindestzeit, um eine annähernd optimale phänotypische Expression der neu induzierten Mutanten zu ermöglichen (HPRT und XPRT benötigen mindestens 6 bis 8 Tage, TK mindestens 2 Tage). Die Zellen werden in Medien mit und ohne selektierende Agenzien kultiviert, um die Mutantenzahl bzw. die Klonierungseffizienz zu bestimmen. Die Bestimmung der Lebensfähigkeit (zur Berechnung der Mutantenhäufigkeit) erfolgt nach dem Ablauf der Expressionszeit durch Ausplattieren in einem nicht selektierenden Medium.

Wenn die Prüfsubstanz im L5178Y-TK+/--Test einen positiven Befund ergibt, sollte zumindest bei einer der Prüfkulturen (der höchsten positiven Konzentration) und bei den Negativ- und Positivkontrollen eine Größeneinteilung der Kolonien erfolgen. Ergibt die Prüfsubstanz beim L5178Y-TK+/--Test einen negativen Befund, so ist eine Koloniegrößeneinstufung bei den Negativ- und Positivkontrollen durchzuführen. Eine Koloniegrößeneinstufung ist ggf. auch bei Studien mit TK6TK+/- vorzunehmen.

2.   DATEN

2.1.   AUFBEREITUNG DER ERGEBNISSE

Anzugeben sind die Zytotoxizität, die Lebensfähigkeit, die Koloniezahlen und die Mutantenhäufigkeit für die Prüf- sowie Kontrollkulturen. Ergibt der L5178/Y-TK+/--Test einen positiven Befund, werden die Kolonien bei mindestens einer Konzentration der Prüfsubstanz (der höchsten positiven Konzentration) sowie bei den Negativ- und Positivkontrollen nach dem Kriterium kleine oder große Kolonie ausgewertet. Die molekulare und zellgenetische Beschaffenheit von Mutanten mit Bildung großer und Mutanten mit Bildung kleiner Kolonien ist gründlich erforscht (23) (24). Beim TK+/--Test werden die Kolonien nach dem Kriterium normal wachsende (große) oder langsam wachsende (kleine) Kolonie eingestuft (25). Mutantenzellen mit einer erheblichen genetischen Schädigung weisen eine längere Generationszeit auf und bilden daher kleine Kolonien. Die Schädigung kann vom Verlust eines kompletten Gens bis zu karyotypisch erkennbaren Chromosomenaberrationen reichen. Mutanten mit der Bildung kleiner Kolonien treten vor allem bei Chemikalien auf, die starke Chromosomenaberrationen hervorrufen (26). Weniger stark betroffene Mutantenzellen wachsen in ähnlichem Tempo wie die Elternzellen und bilden große Kolonien.

Es ist die Überlebensrate (relative Klonierungseffizienz) oder das relative Gesamtwachstum anzugeben. Unter der Mutantenhäufigkeit ist der zahlenmäßige Anteil der Mutantenzellen an den überlebenden Zellen zu verstehen.

Es sind die Daten für die einzelnen Kulturen zu dokumentieren. Zusätzlich sollten alle Daten in tabellarischer Form zusammengefasst werden.

Bei einer eindeutigen positiven Reaktion ist eine Verifizierung nicht erforderlich. Nicht eindeutige Ergebnisse sind durch weitere Prüfungen abzuklären, möglichst unter Abänderung der Versuchsbedingungen. Negative Ergebnisse sind durch Einzelfallprüfung zu bestätigen. In jenen Fällen, in denen eine Bestätigung negativer Ergebnisse nicht für notwendig erachtet wird, ist dies zu begründen. Bei Folgeversuchen sollte die Abänderung der Studienparameter zur Erweiterung des Umfangs der bewerteten Bedingungen in Betracht gezogen werden. Zu den Studienparametern, die für eine Abänderung in Frage kommen, gehören die Abstände der Konzentrationen und der Stoffwechselaktivierungsstatus.

2.2.   BEWERTUNG UND INTERPRETATION DER ERGEBNISSE

Es gibt mehrere Kriterien für die Bestimmung eines positiven Ergebnisses, wie z. B. eine konzentrationsbezogene Zunahme und/oder eine reproduzierbare Zunahme der Mutationsrate. Zunächst sollte die biologische Relevanz der Ergebnisse untersucht werden. Als Hilfsmittel bei der Bewertung der Versuchsergebnisse können statistische Methoden dienen. Die statistische Signifikanz sollte aber nicht der einzige bestimmende Faktor für eine positive Reaktion sein.

Eine Prüfsubstanz, bei der die Ergebnisse nicht den oben genannten Kriterien entsprechen, gilt bei diesem System als nichtmutagen.

Auch wenn die meisten Versuche eindeutig positive oder negative Ergebnisse liefern, erlaubt der Datensatz in seltenen Fällen keine definitive Aussage über die Aktivität der Prüfsubstanz. Es kommt vor, dass sich die Ergebnisse unabhängig davon, wie oft der Versuch wiederholt wird, weiterhin als nicht eindeutig oder als fragwürdig erweisen.

Positive Ergebnisse aus dem In-vitro-Genmutationstest an Säugetierzellen deuten darauf hin, dass die Prüfsubstanz in den verwendeten kultivierten Säugetierzellen Genmutationen hervorruft. Eine reproduzierbare positive Relation zwischen Konzentration und Wirkung ist sehr bedeutsam. Negative Ergebnisse sind ein Anzeichen dafür, dass die Prüfsubstanz unter diesen Versuchsbedingungen in den verwendeten kultivierten Säugetierzellen keine Genmutation auslöst.

3.   ABSCHLUSSBERICHT

PRÜFBERICHT

Der Prüfbericht muss die folgenden Angaben enthalten:

Lösungsmittel/Vehikel:

 Begründung für die Wahl des Vehikels/Lösungsmittels;

 Löslichkeit und Stabilität der Prüfsubstanz im Lösungsmittel/Vehikel, falls bekannt.

Zellen:

 Typ und Herkunft der Zellen;

 Anzahl der Zellkulturen;

 ggf. Passagenanzahl;

 ggf. zum Erhalt der Zellkultur verwendete Verfahren;

 Nichtvorhandensein von Mycoplasma.

Prüfbedingungen:

 Begründung für die Auswahl der Konzentrationen und die Anzahl der Kulturen, darunter z. B. Angaben zur Zytotoxizität und Löslichkeitsgrenze, falls vorhanden;

 Medienzusammensetzung, CO2-Konzentration;

 Konzentration der Prüfsubstanz;

 Volumen des Vehikels und der beigegebenen Prüfsubstanz;

 Inkubationstemperatur;

 Inkubationszeit;

 Behandlungsdauer;

 Zelldichte während der Behandlung;

 Art und Zusammensetzung des Stoffwechselaktivierungssystems einschließlich Eignungskriterien;

 Positiv- und Negativkontrollen;

 Dauer der Expressionszeit (ggf. einschließlich Anzahl der überimpften Zellen, Subkulturen und Medienwechsel);

 selektierende Agenzien;

 Kriterien zur Einstufung der Tests als positiv, negativ oder nicht eindeutig;

 Methoden zur Zählung der lebensfähigen und mutierten Zellen;

 Angaben zur Berücksichtigung der Kolonien nach Größe und Typ (ggf. einschließlich Kriterien für, kleine' und, große' Kolonien).

Ergebnisse:

 Toxizitätszeichen;

 Ausfällungszeichen;

 Angaben zum pH-Wert und zur Osmolalität des Behandlungsmediums, falls ermittelt;

 Koloniegröße, falls bewertet, zumindest für Negativ- und Positivkontrollen;

 ggf. Voraussetzungen des Labors zur Bestimmung von Mutanten mit geringer Koloniebildung durch das L5178Y-TK+/--System;

 nach Möglichkeit Dosis-Wirkungs-Verhältnis;

 ggf. statistische Analysen;

 Daten zu gleichzeitigen Negativ-(Lösungsmittel-/Vehikel-)Kontrollen und Positivkontrollen;

 Daten zu historischen Negativ-(Lösungsmittel-/Vehikel-)Kontrollen und Positivkontrollen mit Bereichen, Mittelwerten und Standardabweichungen;

 Mutantenhäufigkeit.

Diskussion der Ergebnisse.

Schlussfolgerungen.

4.   LITERATURHINWEISE

(1) Moore, M.M., DeMarini, D. M., DeSerres, F. J. and Tindall, K. R. (eds.) (1987), Banbury Report 28: Mammalian Cell Mutagenesis, Cold Spring Harbor Laboratory, New York.

(2) Chu, E. H. Y. and Malling, H. V. (1968), Mammalian Cell Genetics. II. Chemical Induction of Specific Locus Mutations in Chinese Hamster Cells In Vitro, Proc. Natl. Acad. Sci. USA, 61, 1306-1312.

(3) Liber, H. L. and Thilly, W. G. (1982), Mutation Assay at the Thymidine Kinase Locus in Diploid Human Lymphoblasts, Mutation Res., 94, 467-485.

(4) Moore, M. M., Harington-Brock, K, Doerr, C. L. and Dearfield, K. L. (1989), Differential Mutant Quantitation at the Mouse Lymphoma TK and CHO HGPRT Loci, Mutagenesis, 4, 394-403.

(5) Aaron, C. S. and Stankowski, Jr. L. F. (1989), Comparison of the AS52/XPRT and the CHO/HPRT Assays: Evaluation of Six Drug Candidates, Mutation Res., 223, 121-128.

(6) Aaron, C. S., Bolcsfoldi, G., Glatt, H. R., Moore, M., Nishi, Y., Stankowski, Jr. L. F., Theiss, J. and Thompson, E. (1994), Mammalian Cell Gene Mutation Assays Working Group Report. Report of the International Workshop on Standardisation of Genotoxicity Test Procedures. Mutation Res., 312, 235-239.

(7) Scott, D., Galloway, S. M., Marshall, R. R., Ishidate, M., Brusick. D., Ashby, J. and Myhr, B. C. (1991), Genotoxicity Under Extreme Culture Conditions. A report from ICPEMC Task Group 9, Mutation Res., 257, 147-204.

(8) Clive, D., McCuen, R., Spector, J. F. S., Piper, C. and Mavournin, K. H. (198 3), Specific Gene Mutations in L5178Y Cells in Culture. A Report of the U. S. Environmental Protection Agency Gene-Tox Program, Mutation Res., 115, 225-251.

(9) Li, A. P., Gupta, R. S., Heflich, R. H. and Wasson, J. S. (1988), A Review and Analysis of the Chinese Hamster Ovary/Hypoxanthine Guanine Phosphoribosyl Transferase System to Determine the Mutagenicity of Chemical Agents: A Report of Phase III of the U. S. Environment Protection Agency Gene-Tox Program, Mutation Res., 196, 17-36.

(10) Li, A. P., Carver, J. H., Choy, W. N., Hsie, A. W., Gupta, R. S., Loveday, K. S., O'Neill, J. R, Riddle, J. C, Stankowski, L. F. Jr. and Yang, L. L. (1987), A Guide for the Performance of the Chinese Hamster Ovary Cell/Hypoxanthine-Cuanine Phosphoribosyl Transferase Gene Mutation Assay, Mutation Res., 189, 135-141.

(11) Liber, H. L, Yandell, D. W. and Little, J. B. (1989), A Comparison of Mutation Induction at the TSC and HPRT Loci in Human Lymphoblastoid Cells: Quantitative Differences are Due to an Additional Class of Mutations at the Autosomal TK Locus, Mutation Res., 216, 9-17.

(12) Stankowski, L. F. Jr., Tindall, K. R. and Hsie, A. W. (1986), Quantitative and Molecular Analyses of Ethyl Methanosulphonate — and ICR 191-Induced Molecular Analyses of Ethyl Methanosulphonate — and JCR 191-lnduced Mutation in AS52 Cells, Mutation Res., 160, 133-147.

(13) Turner, N. T., Batson, A. G. and Clive, D. (1984), Procedures for the L5178Y/TK+/- — TK+/- Mouse Lymphoma Cell Mutagenicity Assay, in: Kilbey, B. J. et al (eds.) Handbook of Mutagenicity Test Procedures, Elsevier Science Publishers, New York, 239-268.

(14) Arlett, C. F., Smith, D. M., Clarke, G. M., Green, M. H. L., Cole, J., McGregor, D. B. and Asquith, J. C. (1989), Mammalian Cell Gene Mutation Assays Based upon Colony Formation, in: Statistical Evaluation of Mutagenicity Test Data, Kirkland D. J., ed., Cambridge University Press, 66-101.

(15) Abbondandolo, A., Bonatti, S., Corti, G., Fiorio, R., Loprieno, N. and Mazzaccaro, A. (1977), Induction of 6-Thioguanine-Resistant Mutants in V79 Chinese Hamster Cells by Mouse-Liver Microsome-Activated Dimethylnitrosamine, Mutation Res., 46, 365-373.

(16) Arnes, B. N., McCann, J. and Yamasaki, E. (1975), Methods for Detecting Carcinogens and Mutagens with the Salmonella/Mammalian-Microsome Mutagenicity Test, Mutation Res., 31, 347-364.

(17) Clive, D., Johnson, K. O., Spector, J. F. S., Batson, A. G. and Brown M. M. M. (1979), Validation and Characterisation of the L5178Y/TK+/- Mouse Lymphoma Mutagen Assay System, Mutat. Res., 59, 61-108.

(18) Maron, D. M. and Arnes, B. N. (1983), Revised Methods for the Salmonella Mutagenicity Test, Mutation Res., 113, 173-215.

(19) Elliott, B. M., Combes, R. D., Elcome, C. R., Gatehouse, D. G., Gibson, G. G., Mackay, J. M. and Wolf, R. C. (1992), Alternatives to Aroclor 1254-Induced S9 in In Vitro Genotoxicity Assays, Mutagenesis, 7, 175-177.

(20) Matsushima, T., Sawamura, M., Hara, K. and Sugimura, T. (1976), A Safe Substitute for Polychlorinated Biphenyls as an Inducer of Metabolic Activation Systems, in In Vitro Metabolic Activation in Mutagenesis Testing, de Serres, F. J., Fouts, J. R., Bend, J. R. and Philpot. R. M. (eds.) Elsevier, North-Holland, 85-88.

(21) Krahn, D. F., Barsky, F. C. and McCooey, K. T. (1982), CHO/HGPRT Mutation Assay: Evaluation of Gases and Volatile Liquids, In: Tice, R. R., Costa, D. L., Schaich, K. M. (eds.), Genotoxic Effects of Airborne Agents. New York, Plenum, 91-103.

(22) Zamora, P. O., Benson, J. M., Li, A. P. and Brooks, A. L. (1983), Evaluation of an Exposure System Using Cells Grown on Collagen Gels for Detecting Highly Volatile Mutagens in the CHO/HGPRT Mutation Assay, Environmental Mutagenesis, 5, 795-801.

(23) Applegate, M. L., Moore, M. M., Broder, C. B., Burrell, A. and Hozier, J. C. (1990), Molecular Dissection of Mutations at the Heterozygous Thymidine Kinase Locus in Mouse Lymphoma Cells, Proc. Natl. Acad. Sci. USA, 87. 51-55.

(24) Moore, M. M., Clive, D., Hozier, J. C., Howard, B. E., Batson, A. G., Turner, N. T. and Sawyer, J. (1985), Analysis of Trifluorothymidine-Resistant (TFT) and Mutants of L5178Y/TK Mouse Lymphoma Cells, Mutation Res., 151, 161-174.

(25) Yandell, D. W., Dryja, T. P. and Little, J. B. (1990), Molecular Genetic Analysis of Recessive Mutations at a Heterozygous Autosomal Locus in Human Cells, Mutation Res., 229, 89-102.

(26) Moore, M. M. and Doerr, C. L. (1990), Comparison of Chromosome Aberration Frequency and Small Colony TK-Deficient Mutant Frequency in L5178Y/TK — 3.7.2C Mouse Lymphoma Cells, Mutagenesis 5, 609-614.

▼M7 —————

▼B

B.21.   IN-VITRO-ZELLTRANSFORMATIONSTEST

1.   METHODE

1.1.   EINLEITUNG

Siehe allgemeine Einleitung zu Teil B.

1.2.   DEFINITIONEN

Siehe allgemeine Einleitung zu Teil B.

1.3.   BEZUGSSUBSTANZEN

KEINE.

1.4.   PRINZIP DER METHODE

Mit Säugetierzell-Kultursystemen können durch chemische Substanzen induzierte phänotypische Veränderungen in vitro ermittelt werden, die mit malignen Transformationen in vivo in Zusammenhang gebracht werden. Häufig verwendete Zellen sind: C3H10T 1/2, 3T3, SHE, Fisher-Ratten-Zellen. Die Tests beruhen auf Veränderungen der Zellmorphologie, Fokusbildung oder der Eigenschaft, im Weichagar wachsen zu können. Mit einigen weniger häufig verwendeten Systemen lassen sich andere physiologische oder morphologische Veränderungen der Zellen nach Exposition gegenüber karzinogenen Substanzen feststellen. Für keinen der In-vitro-Test-Endpunkte wurde eine kausale Beziehung zu Krebs nachgewiesen. Mit einigen der Testsysteme lassen sich Tumorpromotoren ermitteln. Die Zytotoxizität kann festgestellt werden anhand der Auswirkung der Prüfsubstanz auf das Koloniebildungsvermögen (Klonierungseffizienz) oder die Wachstumsraten der Kulturen. Durch Ermittlung der Zytotoxizität kann man feststellen, ob die Exposition gegenüber der Prüfsubstanz toxikologisch relevant war, man kann damit jedoch nicht in allen Versuchen die Transformationshäufigkeit berechnen, da bei einigen längere Inkubationszeiten und/oder Neuplattierungen erforderlich sind.

1.5.   QUALITÄTSKRITERIEN

Keine.

1.6.   BESCHREIBUNG DER METHODE

Vorbereitung

Zellen

Je nach verwendetem Transformationstest stehen verschiedene Zelllinien oder primäre Zellen zur Verfügung. Der Untersucher muss sicherstellen, dass die Zellen in dem durchzuführenden Versuch nach der Exposition gegenüber bekannten Karzinogenen die entsprechenden phänotypischen Veränderungen aufweisen und dass Validität und Zuverlässigkeit des Tests in seinem Labor nachgewiesen und dokumentiert wurden.

Medien

Die Medien und Versuchsbedingungen müssen für den durchzuführenden Transformationsversuch geeignet sein.

Prüfsubstanz

Die Prüfsubstanzen können in einem Kulturmedium oder in geeigneten Vehikeln gelöst oder suspendiert werden, bevor die Behandlung der Zellen beginnt. Die Endkonzentration des Lösungsmittels im Kultursystem darf weder die Überlebensrate noch die Wachstumsrate der Zellen oder die Transformationsinzidenz beeinflussen.

Stoffwechselaktivierung

Die Behandlung der Zellen mit der Prüfsubstanz sollte sowohl mit als auch ohne Zusatz eines exogenen Säugetier-Metabolierungssystems erfolgen. Werden Zelltypen mit endogener Stoffwechselaktivität verwendet, sollte bekannt sein, dass diese Zellen Substanzen der entsprechenden chemischen Klasse zu metabolisieren vermögen.

Versuchsbedingungen

Verwendung von Positiv- und Negativkontrollen

Jeder Versuch sollte Positivkontrollen umfassen unter Verwendung sowohl einer direkt wirkenden Substanz als auch einer Substanz, bei der eine Stoffwechselaktivierung erforderlich ist. Auch eine Negativ-(Vehikel-)Kontrolle sollte angelegt werden.

Folgende Substanzen können beispielsweise als Positivkontrollen dienen:

 Direkt wirksame Verbindungen:

 

 Ethylmethansulfonat,

 β-Propiolacton,

 Verbindungen, bei denen eine Stoffwechselaktivierung erforderlich ist:

 

 2-Acetylaminofluoren,

 4-(Dimethylamino)-azobenzol,

 7,12-Dimethylbenzanthracen.

Gegebenenfalls ist eine weitere Positivkontrolle erforderlich, die der gleichen chemischen Klasse angehört, wie die zu untersuchende Substanz.

Konzentrationen

Es sind mehrere Konzentrationen der Prüfsubstanz zu verwenden. Diese Konzentrationen sollten eine konzentrationsabhängige toxische Wirkung ausüben, wobei die höchste Konzentration eine geringe Überlebensrate ergibt und die Überlebensrate in der niedrigsten Konzentration etwa der in der negativen Kontrolle entspricht. Relativ wasserunlösliche Substanzen sind mit geeigneten Verfahren bis zur Löslichkeitsgrenze zu testen. Bei voll wasserlöslichen, nichttoxischen Substanzen ist die höchste Prüfkonzentration von Fall zu Fall festzulegen.

Versuchsdurchführung

Die Zellen sind je nach verwendetem Testsystem während einer angemessenen Zeitdauer zu exponieren; bei längerer Exposition kann deshalb eine Neudosierung mit Erneuerung des Mediums (und ggf. des Stoffwechselaktivierungsgemischs) erforderlich werden. Die Behandlung der Zellen ohne ausreichende eigene Stoffwechselaktivität mit der Prüfsubstanz sollte sowohl mit als auch ohne Zusatz eines geeigneten Stoffwechselaktivierungssystems erfolgen. Nach Ende der Behandlungszeit wird die Prüfsubstanz durch Waschen von den Zellen entfernt. Dann werden die Zellen unter Bedingungen kultiviert, die es ermöglichen, den veränderten Phänotyp zu erfassen. Anschließend wird die Transformationsinzidenz ermittelt. Alle Ergebnisse sind in einem unabhängigen Versuch zu bestätigen.

2.   DATEN

Die Daten sind in tabellarischer Form darzustellen. Je nach Versuch sind zum Beispiel Anzahl der Platten, Platten mit Transformation oder Anzahl der transformierten Zellen anzugeben. Gegebenenfalls ist die Überlebensrate als Prozentsatz der Überlebensrate in den Kontrollkulturen und die Transformationshäufigkeit als Anzahl der transformierten Zellen pro Anzahl der überlebenden Zellen auszudrücken. Die Daten sind unter Verwendung geeigneter statistischer Verfahren abzusichern.

3.   ABSCHLUSSBERICHT

3.1.   PRÜFBERICHT

Im Prüfbericht ist, wenn möglich, Folgendes anzugeben:

 verwendeter Zelltyp, Anzahl der Zellenkulturen, Zellkulturbedingungen;

 Versuchsbedingungen, Konzentration der Prüfsubstanz, verwendetes Lösungsmittel, Inkubationstemperatur, Inkubationsdauer, Behandlungsdauer und -häufigkeit, Zelldichte während der Behandlung, Art des verwendeten exogenen Stoffwechselaktivierungs-Systems, Positiv- und Negativkontrollen, genaue Beschreibung des zu erfassenden Phänotyps, ggf. verwendetes Selektivsystem, Begründung für die Wahl der Konzentrationen;

 das zur Zählung der lebenden und transformierten Zellen verwendete Verfahren;

 statistische Auswertung;

 Diskussion der Ergebnisse;

 Bewertung der Ergebnisse.

3.2.   INTERPRETATION

Siehe allgemeine Einleitung zu Teil B.

4.   LITERATUR

Siehe allgemeine Einleitung zu Teil B.

B.22.   SÄUGER-IN-VIVO-DOMINANT-LETAL-TEST

1.   METHODE

1.1.   EINLEITUNG

Siehe allgemeine Einleitung zu Teil B.

1.2.   DEFINITIONEN

Siehe allgemeine Einleitung zu Teil B.

1.3.   BEZUGSSUBSTANZEN

Keine.

1.4.   PRINZIP DER METHODE

Dominante Letaleffekte bewirken den Tod des Embryos bzw. des Fötus. Die Induktion dominanter Letalgene durch Behandlung mit einer chemischen Substanz weist darauf hin, dass die Substanz das Keimgewebe der Tierart geschädigt hat. Man geht allgemein davon aus, dass dominante Letalgene auf Chromosomenschäden (strukturelle und numerische Anomalien) zurückgehen. Das Absterben des Embryos in behandelten Weibchen kann auch durch toxische Effekte bedingt sein.

Im Allgemeinen werden die männlichen Tiere mit der Prüfsubstanz behandelt und dann mit unbehandelten jungfräulichen Weibchen gepaart. Die verschiedenen Keimzellstadien können durch Verwendung aufeinander folgender Paarungsintervalle getrennt getestet werden. Die Differenz zwischen der Anzahl der toten Implantate pro Weibchen in der behandelten Gruppe und der Anzahl toter Implantate pro Weibchen in der Kontrollgruppe entspricht dem Postimplantationsverlust. Der Präimplantationsverlust kann abgeschätzt werden auf der Grundlage der Corpora lutea oder durch den Vergleich der Gesamtimplantate pro Weibchen in der behandelten und der Kontrollgruppe. Der gesamte dominante Letaleffekt entspricht der Summe der Prä- und Postimplantationsverluste. Die Berechnung des gesamten dominanten Letaleffekts beruht auf einem Vergleich der Zahl der lebenden Implantate pro Weibchen in der Versuchsgruppe mit der Zahl der lebenden Implantate pro Weibchen in der Kontrollgruppe. Eine Verringerung der Implantatenanzahl in bestimmten Paarungsgruppen kann darauf zurückzuführen sein, dass Zellen (z. B. Spermatozyten und/oder Spermatogonien) abgetötet wurden.

1.5.   QUALITÄTSKRITERIEN

Keine.

1.6.   BESCHREIBUNG DER METHODE

Vorbereitung

Die Prüfsubstanzen sind möglichst in isotonischer Kochsalzlösung zu lösen oder zu suspendieren. Wasserunlösliche Substanzen können in geeigneten Vehikeln gelöst öder suspendiert werden. Das verwendete Vehikel darf weder die Wirkung der Prüfsubstanz beeinträchtigen noch eine toxische Wirkung ausüben. Es sind frische Lösungs- oder Suspensionsansätze zu verwenden.

Versuchsbedingungen

Verabreichungsweg

Die Prüfsubstanz sollte im Allgemeinen nur einmal verabreicht werden. Wenn toxikologische Gründe dafür sprechen, ist eine wiederholte Behandlung möglich. Die üblichen Verabreichungswege sind per os oder intraperitoneal. Auch andere Verabreichungswege können geeignet sein.

Versuchstiere

Als Versuchstiere werden Ratten oder Mäuse empfohlen. Gesunde, voll geschlechtsreife Tiere werden randomisiert und Behandlungs- und Kontrollgruppen zugeordnet.

Anzahl und Geschlecht

Man sollte eine ausreichende Anzahl behandelter Männchen verwenden, um der spontanen Variation des auszuwertenden biologischen Merkmals Rechnung zu tragen. Die Entscheidung über die Anzahl sollte auf der vorher festgelegten Erkennungsgenauigkeit und gewünschten Signifikanz-Schranke beruhen. So sollte in einem typischen Versuch die Anzahl der Männchen in jeder Dosierungsgruppe ausreichen, um 30 bis 50 trächtige Weibchen pro Paarungsintervall zu erzielen.

Verwendung von Negativ- und Positivkontrollen

Normalerweise sind für jeden Versuch gleichzeitige Positiv- und Negativkontrollen erforderlich. Stehen Ergebnisse von positiven Kontrollen zur Verfügung, die in letzter Zeit im selben Labor erhoben wurden, so können anstelle einer gleichzeitigen Positivkontrolle diese Ergebnisse verwendet werden. Bekannte Mutagene sind als Positivkontrollen mit einer angemessenen niedrigeren Dosierung (z. B. MMS, i. p., mit 10 mg/kg) zum Nachweis der Testempfindlichkeit zu verwenden.

Dosierung

Normalerweise sind drei verschiedene Dosierungen zu verwenden. Die hohe Dosierung sollte Toxizitätsanzeichen oder verringerte Fruchtbarkeit bei den behandelten Tieren hervorrufen. In bestimmten Fällen kann eine einmalige hohe Dosierung ausreichen.

Limit-Test

Nichttoxische Substanzen sind mit 5 g/kg bei einmaliger Verabreichung oder mit 1 g/kg pro Tag bei mehrmaliger Verabreichung zu testen.

Versuchsdurchführung

Man kann nach verschiedenen Behandlungsplänen vorgehen. Am weitesten verbreitet ist die einmalige Verabreichung der Prüfsubstanz, doch kann man auch andere Behandlungspläne anwenden.

Einzelne Männchen werden in angemessenen Abständen der Behandlung mit einem oder zwei unbehandelten virginellen Weibchen verpaart. Die Weibchen und Männchen sollten mindestens während der Dauer eines Östruszyklus zusammenbleiben oder so lange, bis die Paarung stattgefunden hat. Eine erfolgte Paarung wird durch Anwesenheit von Sperma in der Vagina oder anhand eines Vaginalpfropfes festgestellt.

Die Anzahl der Paarungen nach der Behandlung richtet sich nach dem Behandlungsplan; sie muss ausreichen, um alle Keimzellenstadien nach der Behandlung zu erfassen.

Die Weibchen werden in der zweiten Hälfte der Trächtigkeit getötet. Der Uterusinhalt wird zur Bestimmung der Anzahl toter und lebender Implantate untersucht. Eine Untersuchung der Ovarien zur Bestimmung der Anzahl der Corpora lutea ist möglich.

2.   DATEN

Die Daten sind in tabellarischer Form unter Angabe der Anzahl der Männchen, der Anzahl der trächtigen Weibchen und der Anzahl nicht trächtiger Weibchen darzustellen. Die Ergebnisse jeder Paarung einschließlich der Identität jedes Männchens und Weibchens sind einzeln durchzuführen. Für jedes Weibchen ist die Paarungswoche, die den Männchen verabreichte Dosis und die Häufigkeit der lebenden und der toten Implantate anzugeben.

Die Berechnung des gesamten dominanten Letaleffekts beruht auf einem Vergleich der Anzahl der lebenden Implantate pro Weibchen in der Versuchsgruppe mit der Anzahl der lebenden Implantate pro Weibchen in der Kontrollgruppe. Eine Analyse des Verhältnisses von toten und lebenden Implantaten aus der behandelten Gruppe verglichen mit dem gleichen Verhältnis aus der Kontrollgruppe ergibt den Postimplantationsverlust.

Werden frühes oder spätes Absterben gesondert erfasst, muss dies aus den Tabellen hervorgehen. Wird der Präimplantationsverlust berechnet, ist er anzugeben. Der Präimplantationsverlust kann als Differenz zwischen der Anzahl der Corpora lutea und der Anzahl der Implantate oder als Verringerung der Durchschnittsanzahl der Implantate pro Uterus gegenüber den Kontrollpaarungen berechnet werden.

Die Auswertung der Daten erfolgt mit geeigneten statistischen Verfahren.

3.   ABSCHLUSSBERICHT

3.1.   PRÜFBERICHT

Im Prüfbericht ist, wenn möglich, Folgendes anzugeben:

 Art, Stamm, Alter und Gewicht der verwendeten Tiere, Anzahl der Männchen und Weibchen in Versuchs- und Kontrollgruppen;

 Prüfsubstanz, Lösungsmittel, getestete Dosierungen und Begründung für die Wahl der Dosierung, Negativ- und Positivkontrollen, Toxizitätsdaten;

 Behandlungsart und -dauer;

 Paarungsplan;

 Verfahren zur Feststellung, ob die Paarung erfolgt ist;

 Zeitpunkt der Tötung;

 Kriterien für die Erfassung der dominanten Letaleffekte;

 ggf. Dosis-Wirkungs-Beziehung;

 statistische Auswertung;

 Diskussion der Ergebnisse;

 Bewertung der Ergebnisse.

3.2.   INTERPRETATION

Siehe allgemeine Einleitung zu Teil B.

4.   LITERATUR

Siehe allgemeine Einleitung zu Teil B.

B.23.   SPERMATOGONIEN-CHROMOSOMENABERRATIONSTEST BEI SÄUGETIEREN

1.   METHODE

Diese Methode entspricht der OECD TG 483, Mammalian Spermatogonial Chromosome Aberration Test (1997).

1.1.   EINLEITUNG

Der In-vivo-Spermatogenientest auf Chromosomenaberrationen bei Säugetieren dient zum Nachweis von Agenzien, die bei Säugetieren strukturelle Chromosomenaberrationen in den Spermatogonien auslösen (1) (2) (3) (4) (5). Dabei ist zwischen strukturellen Chromosomentyp- und Chromatidentypaberrationen zu unterscheiden. Bei der Mehrzahl der chemischen Mutagene sind die Aberrationen dem Chromatidentyp zuzuordnen, doch kommen auch Chromosomentypaberrationen vor. Allerdings ist diese Methode nicht zur Messung numerischer Aberrationen bestimmt und wird folglich auch nicht routinemäßig dafür eingesetzt. Chromosomenmutationen und ähnliche Vorgänge sind die Ursache für zahlreiche humangenetische Erkrankungen.

Mit diesem Test werden Chromosomenveränderungen in Spermatogonien ermittelt, so dass Prognosen zur Auslösung vererbbarer Mutationen in Keimzellen möglich sind.

Bei dieser Prüfung werden routinemäßig Nagetiere eingesetzt. Mit diesem zytogenetischen In-vivo-Test werden Chromosomenaberrationen in Mitosen von Spermatogonien ermittelt. Andere Zielzellen sind nicht Gegenstand dieser Methode.

Zum Nachweis von Chromatidentypaberrationen in Spermatogonien ist die erste mitotische Zellteilung nach der Behandlung zu untersuchen, bevor diese Läsionen bei anschließenden Zellteilungen verloren gehen. Die meiotische Chromosomenanalyse der Spermatozyten in der Diakinese-Metaphase I auf Chromosomenaberrationen nach Behandlung der Spermatogoniestammzellen kann weitere nützliche Informationen liefern.

Mit dem In-vivo-Test soll ermittelt werden, ob Mutagene für somatische Zellen auch in Keimzellen aktiv sind. Darüber hinaus ist der Keimzellentest für die Bewertung des mutagenen Risikos von Relevanz, da er die Berücksichtigung von Faktoren des in-vivo-Stoffwechsels, der Pharmakokinetik und der DNA-Reparaturprozesse ermöglicht.

In den Hoden finden sich mehrere Generationen von Spermatogonien mit einem Spektrum der Empfindlichkeit gegenüber chemischer Behandlung. Die festgestellten Aberrationen stellen also eine Gesamtreaktion der behandelten Spermatogoniepopulationen dar, wobei die zahlreicheren differenzierten Spermatogonien dominieren. Je nach ihrer Position im Hoden sind einzelne Generationen von Spermatogonien dem allgemeinen Kreislauf ausgesetzt oder nicht, und zwar wegen der physischen und physiologischen Sertoli-Zellen-Schranke und der Blut-Hoden-Schranke.

Wenn Anzeichen dafür bestehen, dass die Prüfsubstanz oder ein reaktiver Metabolit das Zielgewebe nicht erreicht, ist dieser Test nicht geeignet.

Siehe auch allgemeine Einleitung zu Teil B.

1.2.   DEFINITIONEN

Chromatidentypaberration: strukturelle Chromosomenanomalie, gekennzeichnet durch Bruch einzelner Chromatiden oder Bruch und Reunion von Chromatiden.

Chromosomentypaberration: strukturelle Chromosomenanomalie, gekennzeichnet durch Bruch oder Bruch und Reunion beider Chromatiden an gleicher Position.

Lücke: achromatische Läsion von geringerer Breite als eine Chromatide und mit minimaler Verlagerung der Chromatiden.

Numerische Aberration: Abweichung der Chromosomenzahl vom Normalwert, der für die verwendeten Tiere charakteristisch ist.

Polyploidie: Vorhandensein von mehr als zwei haploiden Chromosomensätzen (n) (z. B. 3n, 4n usw.).

Strukturelle Aberration: Veränderung der Chromosomenstruktur, nachweisbar durch mikroskopische Untersuchung des Metaphase-Stadiums der Zellteilung, äußert sich in Form von Deletionen, intrachromosalen oder reziproken Translokationen.

1.3.   PRINZIP DER PRÜFMETHODE

Die Tiere erhalten die Prüfsubstanz mittels einer geeigneten Expositionsform verabreicht und werden zu einem geeigneten Zeitpunkt nach der Behandlung getötet. Vor der Tötung werden die Tiere mit einem Spindelgift (z. B. Colchicin oder Colcemid®) behandelt. Aus den Keimzellen werden dann Chromosomen präpariert und gefärbt, und die Metaphasezellen werden auf Chromosomenaberrationen untersucht.

1.4.   BESCHREIBUNG DER PRÜFMETHODE

1.4.1.   Vorbereitungen

1.4.1.1.   Versuchstiere

Gewöhnlich werden männliche chinesische Hamster und Mäuse verwendet, doch kommen auch männliche Tiere anderer geeigneter Säugetierarten in Frage. Es sollten junge gesunde und geschlechtsreife Tiere üblicher Labortierstämme zum Einsatz kommen. Zu Beginn des Versuchs sollte die Abweichung des Körpergewichts der Tiere vom Mittelwert so gering wie möglich sein und nicht mehr als ± 20 % betragen.

1.4.1.2.   Haltungs- und Fütterungsbedingungen

Es gelten die allgemeinen Bedingungen in der allgemeinen Einleitung zu Teil B, doch ist bei der Luftfeuchtigkeit ein Wert von 50-60 % anzustreben.

1.4.1.3.   Vorbereitung der Tiere

Gesunde und geschlechtsreife junge Männchen werden randomisiert und den einzelnen Kontroll- bzw. Behandlungsgruppen zugeteilt. Die Käfige sind so anzuordnen, dass sich ihre Position möglichst wenig auswirkt. Es erfolgt eine Einzelidentifizierung der Tiere. Die Tiere werden vor Beginn der Studie über einen Zeitraum von mindestens fünf Tagen unter Laborbedingungen eingewöhnt.

1.4.1.4.   Vorbereitung der Dosierung

Feste Prüfsubstanzen sollten vor der Verabreichung an die Tiere in geeigneten Lösungsmitteln oder Vehikeln gelöst oder suspendiert und ggf. verdünnt werden. Flüssige Prüfsubstanzen können direkt verabreicht oder zuvor verdünnt werden. Es sind frische Zubereitungen der Prüfsubstanz zu verwenden, es sei denn, die Stabilität der Substanz bei Lagerung wird nachgewiesen.

1.4.2.   Prüfbedingungen

1.4.2.1.   Lösungsmittel/Vehikel

Das Lösungsmittel/Vehikel sollte bei den gewählten Dosierungen keine toxischen Wirkungen hervorrufen und nicht im Verdacht stehen, mit der Prüfsubstanz eine chemische Reaktion einzugehen. Werden keine allgemein bekannten Lösungsmittel/Vehikel verwendet, so sind Referenzdaten zur Kompatibilität beizubringen. Es ist zu empfehlen, als erste Wahl möglichst die Verwendung eines wässrigen Lösungsmittels/Vehikels in Erwägung zu ziehen.

1.4.2.2.   Kontrollen

Für jeden Versuch und jedes Geschlecht sind gleichzeitig Positiv- und Negativ-(Lösungsmittel-/Vehikel-)Kontrollen anzulegen. Bis auf die Verabreichung der Prüfsubstanz sind die Tiere der Kontrollgruppen ebenso zu behandeln wie die Tiere der Behandlungsgruppen.

Die Positivkontrollen sollten in vivo strukturelle Chromosomenaberrationen in Spermatogonien hervorrufen, wenn sie in Expositionskonzentrationen verabreicht werden, die voraussichtlich eine erkennbare Zunahme gegenüber dem Hintergrund ergeben.

Die Positivkontrollkonzentrationen sollten so gewählt werden, dass die Wirkungen eindeutig sind, aber beim Ablesen nicht sofort die Identität der kodierten Objektträger erkennen lassen. Es ist vertretbar, dass die Positivkontrolle auf anderem Wege als die Prüfsubstanz verabreicht wird und nur eine Probenahme erfolgt. Gegebenenfalls könnte eine zusätzliche Positivkontrolle herangezogen werden, die der gleichen chemischen Klasse angehört wie die zu prüfende Substanz. Es kommen beispielsweise folgende Positivkontrollsubstanzen in Frage:



Substanz

CAS-Nummer

EINECS-Nummer

Cyclophosphamid

Cyclophosphamidmonohydrat

50-18-0

6055-19-2

200-015-4

Cyclohexylamin

108-91-8

203-629-0

Mitomycin C

50-07-7

200-008-6

Monomeres Acrylamid

79-06-1

201-173-7

Triethylenmelamin

51-18-3

200-083-5

Zu jedem Zeitpunkt der Probenahme sind Tiere der Negativkontrolle einzubeziehen, die lediglich ein Lösungsmittel oder Vehikel erhalten und ansonsten ebenso wie die Behandlungsgruppen behandelt werden, soweit nicht aus historischen Kontrolldaten akzeptable Werte zur Variabilität der Tiere und Häufigkeit der Zellen mit Chromosomenaberrationen vorliegen. Darüber hinaus sollten auch unbehandelte Kontrolltiere verwendet werden, soweit nicht historische oder veröffentlichte Kontrolldaten belegen, dass das gewählte Lösungsmittel/Vehikel keine schädlichen oder mutagenen Wirkungen hervorruft.

1.5.   VERFAHREN

1.5.1.   Anzahl der Tiere

Jede Behandlungs- und Kontrollgruppe muss mindestens 5 analysierbare Tiere umfassen.

1.5.2.   Behandlungsplan

Die Prüfsubstanzen sind möglichst als Einmal- oder Zweimalgabe zu verabreichen. Die Gabe kann in Form von zwei Teilmengen erfolgen, die am gleichen Tag im Abstand von wenigen Stunden verabreicht werden, wenn es sich um ein großes Materialvolumen handelt. Andere Verabreichungsschemata sollten wissenschaftlich begründet sein.

In der Gruppe mit der höchsten Dosis wird nach der Behandlung zu zwei verschiedenen Zeitpunkten eine Stichprobe entnommen. Da die Zellzykluskinetik von der Prüfsubstanz beeinflusst werden kann, erfolgt eine Probenahme ca. 24 Stunden und die andere ca. 48 Stunden nach der Behandlung. Bei den übrigen Dosen sollte die Probenahme 24 Stunden nach der Behandlung oder nach Ablauf eines Zeitraums erfolgen, der der l,5fachen Dauer des normalen Zellzyklus entspricht, wenn nicht ein anderer Zeitpunkt erwiesenermaßen zur Feststellung von Effekten günstiger ist (6).

Für die Probenahme kommen auch andere Zeitpunkte in Frage. Bei Chemikalien, die eine Chromosomenverzögerung bewirken oder S-unabhängige Effekte auslösen können, ist möglicherweise eine Probenahme zu einem früheren Zeitpunkt angebracht (1).

Die Zweckmäßigkeit einer wiederholten Behandlung ist im Einzelfall zu prüfen. Bei wiederholter Behandlung sind die Tiere 24 Stunden (l,5facher Zellzyklus) nach der letzten Gabe zu töten. Ggf. sind zusätzliche Zeiten für die Probenahme vorzusehen.

Vor der Tötung wird den Tieren intraperitoneal eine geeignete Dosis eines Spindelgiftes (z. B. Colcemid® oder Colchicin) verabreicht. Eine Stichprobe wird den Tieren danach zu einem geeigneten Zeitpunkt entnommen. Bei Mäusen beträgt der Zeitabstand ca. 3 bis 5 Stunden, bei chinesischen Hamstern ca. 4 bis 5 Stunden.

1.5.3.   Dosierungen

Wird eine Studie zur Dosisfindung durchgeführt, weil keine geeigneten Daten verfügbar sind, so sollte sie im gleichen Labor unter Verwendung der gleichen Spezies, des gleichen Stammes und Geschlechts und der gleichen Behandlungsform wie im Hauptversuch erfolgen (7). Liegt Toxizität vor, so sind zum ersten Zeitpunkt der Probenahme drei Dosisstufen zu verwenden. Die Dosisstufen sollten den Bereich vom Höchstwert bis zu geringer oder nicht vorhandener Toxizität umfassen. Bei der späteren Probenahme muss nur die Höchstdosis verwendet werden. Unter der Höchstdosis ist jene Dosis zu verstehen, die so deutliche Toxizitätszeichen hervorruft, dass höhere Dosisstufen bei gleichem Verabreichungsschema voraussichtlich zum Tode führen.

Substanzen mit spezifischen biologischen Aktivitäten bei geringen nichttoxischen Dosen (wie Hormone und Mitogene) entsprechen möglicherweise nicht den Dosierungskriterien und sollten anhand einer Einzelfallprüfung bewertet werden. Die Höchstdosis kann auch als jene Dosis definiert werden, die bestimmte Anzeichen von Toxizität in den Spermatogonien hervorruft (z. B. eine Reduzierung des Verhältnisses der Spermatogonienmitosen zur ersten und zweiten meiotischen Metaphase; diese Reduzierung sollte nicht mehr als 50 % betragen).

1.5.4.   Limit-Test

Verursacht die Prüfung einer Dosis von mindestens 2 000 mg/kg Körpergewicht bei Einmalgabe oder Gabe von zwei Teilmengen am gleichen Tag keine feststellbaren toxischen Wirkungen und ist aufgrund der Daten strukturverwandter Substanzen keine Gentoxizität zu erwarten, kann auf eine vollständige Studie mit drei Dosisstufen verzichtet werden. Die voraussichtlichen Expositionswirkungen beim Menschen können aber beim Limit-Test eine höhere Dosis angezeigt erscheinen lassen.

1.5.5.   Verabreichung

Die Prüfsubstanz wird in der Regel mittels Magen- oder Schlundsonde bzw. durch intraperitoneale Injektion verabreicht. Auch andere Expositionsformen können bei entsprechender Begründung vertretbar sein. Das maximale Flüssigkeitsvolumen, das jeweils durch Sonde oder Injektion verabreicht werden kann, hängt von der Größe des Versuchstieres ab. Das Volumen sollte 2 ml/100 g Körpergewicht nicht übersteigen. Die Verwendung eines höheren Volumens ist zu begründen. Abgesehen von Reizstoffen oder ätzenden Stoffen, die in der Regel bei höheren Konzentrationen eine verstärkte Wirkung hervorrufen, ist die Variabilität des Prüfvolumens dadurch auf ein Mindestmaß zu reduzieren, dass eine Konzentration gewählt wird, die auf allen Dosisstufen ein konstantes Volumen gewährleistet.

1.5.6.   Chromosomenpräparation

Unmittelbar nach der Tötung werden aus einem oder beiden Hoden Zellsuspensionen gewonnen, mit hypotoner Lösung behandelt und fixiert. Die Zellen werden dann auf Objektträger aufgetropft und gefärbt.

1.5.7.   Analyse

Es sind mindestens 100 gut gespreitete Metaphasen je Tier (d. h. mindestens 500 Metaphasen je Gruppe) zu analysieren. Eine zahlenmäßige Reduzierung ist möglich, wenn eine hohe Zahl von Aberrationen beobachtet wird. Alle Objektträger, auch die für die Positiv- und Negativkontrollen, sind vor der mikroskopischen Untersuchung von unabhängiger Seite zu kodieren. Da es bei der Fixierung häufig zum Bruch eines Teils der Metaphasezellen unter Verlust von Chromosomen kommt, sollten die ausgewerteten Zellen daher eine Zentromerzahl enthalten, die bei allen Zelltypen der Zahl 2n ± 2 entspricht.

2.   DATEN

2.1.   AUFBEREITUNG DER ERGEBNISSE

Die Daten für die einzelnen Tiere sind in tabellarischer Form darzustellen. Versuchseinheit ist das Tier. Für jedes Tier sind die Anzahl der Zellen mit strukturellen Chromosomenaberrationen und die Anzahl der Chromosomenaberrationen je Zelle anzugeben. Für die Versuchs- und Kontrollgruppen sind die unterschiedlichen Typen struktureller Chromosomenaberrationen mit Anzahl und Häufigkeit aufzuführen. Lücken werden getrennt erfasst und angegeben, aber in der Regel nicht bei der Gesamthäufigkeit der Aberrationen berücksichtigt.

Wird Mitose sowie Meiose beobachtet, ist das Verhältnis der Spermatogonienmitosen zur ersten und zweiten meiotischen Metaphase als Gradmesser der Zytotoxizität bei allen behandelten Tieren und Tieren der Negativkontrolle in einer Gesamtstichprobe von 100 sich teilenden Zellen zu bestimmen, um eine mögliche zytotoxische Wirkung festzustellen. Wird nur Mitose beobachtet, so ist der Mitoseindex für mindestens 1 000 Zellen je Tier zu bestimmen.

2.2.   BEWERTUNG UND INTERPRETATION DER ERGEBNISSE

Es gibt mehrere Kriterien für die Bestimmung eines positiven Ergebnisses, wie z. B. eine dosisbezogene Zunahme der Anzahl der Zellen mit Chromosomenaberrationen oder eine eindeutige Zunahme der Anzahl der Zellen mit Aberrationen in einer bestimmten Dosisgruppe zu einem bestimmten Zeitpunkt der Probenahme. Zunächst sollte die biologische Relevanz der Ergebnisse untersucht werden. Als Hilfsmittel bei der Bewertung der Versuchsergebnisse können statistische Methoden dienen (8). Die statistische Signifikanz sollte aber nicht der einzige bestimmende Faktor für eine positive Reaktion sein. Nicht eindeutige Ergebnisse sollten durch weitere Prüfungen abgeklärt werden, möglichst unter Abänderung der Versuchsbedingungen.

Eine Prüfsubstanz, bei der die Ergebnisse nicht den oben genannten Kriterien entsprechen, gilt bei diesem Versuch als nichtmutagen.

Auch wenn die meisten Versuche eindeutig positive oder negative Ergebnisse liefern, erlaubt der Datensatz in seltenen Fällen keine definitive Aussage über die Aktivität der Prüfsubstanz. Es kommt vor, dass sich die Ergebnisse unabhängig davon, wie oft der Versuch wiederholt wird, weiterhin als nicht eindeutig oder als fragwürdig erweisen.

Positive Befunde des In-vivo-Keimzellentests auf Chromosomenaberrationen deuten darauf hin, dass die Prüfsubstanz in den Keimzellen der untersuchten Spezies Chromosenaberrationen hervorruft. Negative Befunde sind ein Anzeichen dafür, dass die Prüfsubstanz unter diesen Versuchsbedingungen keine Chromosomenaberrationen in den Keimzellen der untersuchten Spezies hervorruft.

Zu erörtern ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Prüfsubstanz oder ihre Metaboliten in das spezifische Zielgewebe gelangen.

3.   ABSCHLUSSBERICHT

PRÜFBERICHT

Der Prüfbericht muss die folgenden Angaben enthalten:

Lösungsmittel/Vehikel:

 Begründung für die Wahl des Vehikels;

 Löslichkeit und Stabilität der Prüfsubstanz im Lösungsmittel/Vehikel, falls bekannt.

Versuchstiere:

 Spezies/Stamm;

 Anzahl und Alter der Tiere;

 Herkunft, Haltungsbedingungen, Futter usw.;

 Gewicht der einzelnen Tiere bei Prüfungsbeginn, einschließlich Bereich des Körpergewichts, Mittelwert und Standardabweichung für jede Gruppe.

Prüfbedingungen:

 Daten aus einer ggf. durchgeführten Dosisfindungsstudie;

 Begründung der gewählten Dosisstufen;

 Begründung für den Verabreichungsweg;

 Angaben zur Zubereitung der Prüfsubstanz;

 Angaben zur Verabreichung der Prüfsubstanz;

 Begründung für die Tötungszeiten;

 ggf. Angaben zur Umrechnung der Konzentration der Prüfsubstanz im Futter/Wasser (ppm) in die entsprechende Dosis (mg/kg Körpergewicht/Tag);

 Angaben über Futter- und Wasserqualität;

 nähere Angaben zum Behandlungs- und Stichprobenentnahmeplan;

 Methoden zur Bestimmung der Toxizität;

 Bezeichnung des Spindelgifts, Konzentration und Behandlungsdauer;

 Methoden zur Präparation des Objektträgers;

 Kriterien zur Bewertung von Aberrationen;

 Anzahl der analysierten Zellen pro Tier;

 Kriterien zur Einstufung der Studien als positiv, negativ oder nicht eindeutig.

Ergebnisse:

 Toxizitätszeichen;

 Mitoseindex;

 Verhältnis der Spermatogenienmitosen zur ersten und zweiten meiotischen Metaphase;

 Typ und Anzahl der Aberrationen, für jedes Tier gesondert anzugeben;

 Gesamtzahl der Aberrationen pro Gruppe;

 Anzahl der Zellen mit Aberrationen pro Gruppe;

 nach Möglichkeit Dosis-Wirkungs-Verhältnis;

 ggf. statistische Analysen;

 Daten zu gleichzeitigen Negativkontrollen;

 Daten zu historischen Negativkontrollen mit Bereichen, Mittelwerten und Standardabweichungen;

 Daten zu gleichzeitigen Positivkontrollen;

 ggf. beobachtete Veränderungen der Ploidie.

Diskussion der Ergebnisse.

Schlussfolgerungen.

4.   LITERATURHINWEISE

(1) Adler, I. D. (1986), Clastogenic Potential in Mouse Spermatogonia of Chemical Mutagens Related to their Cell-Cycle Specifications, in: Genetic Toxicology of Environmental Chemicals, Part B: Genetic Effects and Applied Mutagenesis, Ramel, C, Lambert B., and Magnusson, J. (eds.) Liss, New York, 477-484.

(2) Adler, I. D. (1984), Cytogenic tests in Mammals, in: Mutagenicity Testing: a Practical Approach, ed. S. Venitt and J. M. Parry, IRL Press, Oxford, Washington DC, 275-306.

(3) Evans, E. P.. Breckon. G. and Ford, C. E. (1964), An Air-drying Method for Meiotic Preparations from Mammalian Testes, Cytogenetics and Cell Genetics. 3. 289-294.

(4) Richold, M., Ashby, J., Chandley, A,, Gatehouse, D. G. and Henderson, L. (1990), In Vivo Cytogenetic Assays, in: D. J. Kirkland (ed.), Basic Mutagenicity Tests, UKEMS Recommended Procedures. UKEMS Subcommittee on Guidelines for Mutagenicity Testing. Report. Part I revised, Cambridge University Press, Cambridge, New York, Port Chester, Melbourne, Sydney, 115-141.

(5) Yamamoto, K. and Kikuchi, Y. (1978), A New Method for Preparation of Mammalian Spermatogonial Chromosomes, Mutation Res., 52, 207-209.

(6) Adler, I. D., Shelby. M. D., Bootman, J., Favor, J., Generoso, W., Pacchierotti, F., Shibuya, T. and Tanaka, N. (1994), International Workshop on Standardisation of Genotoxicity Test Procedures. Summary Report of the Working Group on Mammalian Germ Cell Tests, Mutation Res., 312, 313-318.

(7) Fielder, R. J., Allen, J. A., Boobis, A. R., Botham, P. A., Doe, J., Esdaile, D.)., Gatehouse, D. G., Hodson- Walker, G., Morton, D. B., Kirkland D. J. and Richold, M. (1992), Report of British Toxicology Society/UK Environmental Mutagen Society Working Group: Dose setting in In Vivo Mutagenicity Assays, Mutagenesis, 7, 313-319.

(8) Lovell, D. P., Anderson, D., Albanese, R., Amphlett, G. E., Clare, G., Ferguson, R., Richold, M, Papworth, D. G. and Savage, J. R. K. (1989), Statistical Analysis of In Vivo Cytogenetic Assays, in: D. J. Kirkland (ed.), Statistical Evaluation of Mutagenicity Test Data. UKEMS Subcommittee on Guidelines for Mutagenicity Testing, report, Part III, Cambridge University Press, Cambridge, New York, Port Chester, Melbourne, Sydney, 184-232.

▼M7 —————

▼B

B.25.   IN-VIVO-SÄUGER-TRANSLOKATIONSTEST

1.   METHODE

1.1.   EINLEITUNG

Siehe allgemeine Einleitung zu Teil B.

1.2.   DEFINITIONEN

Siehe allgemeine Einleitung zu Teil B.

1.3.   BEZUGSSUBSTANZEN

Keine.

1.4.   PRINZIP DER METHODE

Mit dem Translokationstest der Maus lassen sich strukturelle und numerische Chromosomenveränderungen, die in Säugetier-Keimzellen auftreten, unter Nachkommen der ersten Generation ermitteln. Bei den beobachteten Chromosomenveränderungen handelt es sich um reziproke Translokationen und — bei weiblichen Nachkommen — um X-Chromosomenverlust. Träger von Translokationen und XO-Weibchen weisen eine verringerte Fertilität auf, die man zur Auswahl von F1-Nachkommen für die zytogenetische Analyse nutzt. Bestimmte Translokationstypen (X-Autosomentranslokation und Zentromer-/Telomer-Translokation) verursachen vollständige Sterilität. Translokationen werden zytogenetisch in meiotischen Zellen in der Diakinese-Metaphase I männlicher Tiere (entweder F1-Männchen oder Söhne von F1-Weibchen) beobachtet. Die XO-Weibchen lassen sich zytogenetisch aufgrund der Anwesenheit von 39 statt 40 Chromosomen in Knochenmarksmitosen identifizieren.

1.5.   QUALITÄTSKRITERIEN

Keine.

1.6.   BESCHREIBUNG DER METHODE

Vorbereitung

Die Prüfsubstanz wird in isotonischer Kochsalzlösung gelöst. Wasserunlösliche Substanzen werden in geeigneten Lösungsmitteln gelöst oder suspendiert. Es sind frisch zubereitete Lösungen oder Suspensionen der Prüfsubstanzen zu verwenden. Wird zur Erleichterung der Dosierung ein Lösungsmittel verwendet, darf dieses weder die Wirkung der Prüfsubstanz beeinträchtigen noch eine toxische Wirkung ausüben.

Verabreichungsweg

Die Prüfsubstanz wird normalerweise per os oder intraperitoneal verabreicht. Auch andere Verabreichungswege können geeignet sein.

Versuchstiere

Die Versuche werden an Mäusen durchgeführt, da deren Zucht und zytologische Untersuchung relativ einfach sind. Ein bestimmter Stamm ist nicht vorgeschrieben.

Bei Anwendung der Fertilitätsuntersuchung sollte jedoch die durchschnittliche Wurfgröße des verwendeten Stammes mehr als acht Junge betragen und relativ konstant sein. Es werden gesunde, geschlechtsreife Tiere verwendet.

Anzahl der Tiere

Die erforderliche Anzahl der Versuchstiere hängt von der spontanen Translokationshäufigkeit und der für ein positives Ergebnis erforderlichen Erhöhung der Translokationshäufigkeit ab.

Normalerweise umfasst der Test die Untersuchung der männlichen F1-Nachkommen. Pro Dosierungsgruppe sind mindestens 500 männliche F1-Nachkommen zu testen. Werden auch weibliche F1-Nachkommen berücksichtigt, sind 300 Männchen und 300 Weibchen erforderlich.

Verwendung von Negativ- und Positivkontrollen

Geeignete Daten gleichzeitig durchgeführter und historischer Kontrollen sollten vorliegen. Stehen Ergebnisse von Positivkontrollen zur Verfügung, die in letzter Zeit im selben Labor erhoben wurden, so können diese Ergebnisse anstelle einer gleichzeitigen Positivkontrolle verwendet werden.

Dosierung

Getestet wird eine Dosierung. Dabei handelt es sich normalerweise um die höchste Dosis, die eine minimale toxische Wirkung ausübt, ohne jedoch das reproduktive Verhalten oder die Überlebensrate der behandelten Tiere zu beeinträchtigen. Zur Erstellung einer Dosis-Wirkungs-Beziehung sind zwei zusätzliche niedrigere Dosierungen erforderlich. Bei nichttoxischen Substanzen sollte die Behandlung mit der höchstmöglichen Dosierung erfolgen.

Versuchsdurchführung

Behandlung und Paarung

Es stehen zwei Behandlungspläne zur Verfügung. Am häufigsten wird die einmalige Verabreichung der Prüfsubstanz gewählt. Auch die Verabreichung an 7 Tagen/Woche während 35 Tagen ist möglich. Die Anzahl der Paarungen nach der Behandlung richtet sich nach dem gewählten Behandlungsplan; es ist sicherzustellen, dass alle behandelten Keimzellstadien erfasst werden. Nach dem Ende der Paarungsperiode werden die Weibchen einzeln in Käfigen untergebracht. Für jeden Wurf werden Geburtsdatum, Wurfgröße und Geschlecht der Jungen aufgezeichnet. Alle männlichen Jungen werden abgesetzt, alle weiblichen Jungen ausgesondert, sofern sie nicht in dem Versuch verwendet werden.

Untersuchung auf Translokationsheterozygotie

Es stehen zwei Verfahren zur Auswahl:

 Fertilitätsuntersuchung der F1-Nachkommen und anschließende Ermittlung möglicher Translokationsträger durch zytogenetische Analyse,

 zytogenetische Analyse aller männlichen F1-Nachkommen ohne vorherige Auswahl der Fertilitätsuntersuchung.

a) Fertilitätsuntersuchung

Die verringerte Fertilität eines F1-Tieres lässt sich durch Beobachtung der Wurfgröße bzw. Analyse des Uterusinhalts des mit diesem Tier gepaarten Weibchens feststellen.

Die Kriterien für die Bestimmung der normalen und reduzierten Fertilität sind jeweils für den verwendeten Mäusestamm festzulegen.

Beobachtung der Wurfgröße: Die zu untersuchenden F1-Männchen werden einzeln mit Weibchen aus dem gleichen Versuch oder aus der Kolonie gepaart. Die Käfige werden ab dem 18. Tag nach der Paarung täglich inspiziert. Wurfgröße und Geschlecht der F2-Nachkommen werden bei der Geburt aufgezeichnet; die Würfe werden danach ausgesondert. Bei der Untersuchung weiblicher F1-Nachkommen behält man die F2-Nachkommen kleiner Würfe zur weiteren Untersuchung. Weibliche Translokationsträger werden durch zytogenetischen Nachweis einer Translokation in wenigstens einem ihrer männlichen Nachkommen identifiziert. XO-Weibchen erkennt man daran, dass sich bei ihren Nachkommen das Geschlechtsverhältnis von 1:1 zu 1:2 (Männchen; Weibchen) ändert. Bei einem sequenziellen Verfahren werden normale F1-Tiere nicht weiter untersucht, wenn der erste F2-Wurf einen vorher festgelegten Normalwert erreicht oder überschreitet. Anderenfalls wird ein zweiter oder dritter F2-Wurf untersucht.

F1-Tiere, die nach Inspektion von bis zu drei F2-Würfen nicht als normal eingestuft werden können, werden entweder durch Analyse des Uterusinhaltes der mit ihnen gepaarten Weibchen weiter untersucht oder direkt einer zytogenetischen Analyse unterzogen.

Analyse des Uterusinhalts: Die Verringerung der Wurfgröße bei Translokationsträgern ist auf das Absterben von Embryonen zurückzuführen. Eine hohe Anzahl toter Implantate weist also auf eine Translokation in dem Versuchstier hin. Die zu untersuchenden F1-Männchen werden jeweils mit zwei oder drei Weibchen gepaart. Ob eine Empfängnis stattgefunden hat, wird durch tägliche Untersuchung auf Vaginalpfropf zwischen 8 und 10 Uhr morgens festgestellt. 14 bis 16 Tage danach werden die Weibchen getötet; die Anzahl der lebenden und toten Implantate in ihren Uteri wird aufgezeichnet.

b) Zytogenetische Analyse

Es werden luftgetrocknete Hodenpräparate hergestellt. Translokationsträger lassen sich durch das Vorhandensein von Multivalentkonfigurationen in der Diakinese-Metaphase I in primären Spermatozyten identifizieren. Werden mindestens zwei Zellen mit Translokationsmultivalenten beobachtet, ist damit der erforderliche Nachweis erbracht, dass es sich bei dem untersuchten Tier um einen Translokationsträger handelt.

Erfolgt keine Zuchtauswahl, werden F1-Männchen zytogenetisch untersucht. Mindestens 25 Diakinese-Metaphasen I pro Männchen sind mikroskopisch auszuwerten. Bei F1-Männchen mit kleinen Hoden und Zusammenbruch der Meiose vor der Diakinese oder bei F1-Weibchen, bei denen XO-Verdacht besteht, ist eine Untersuchung der mitotischen Metaphasen in Spermatogonien oder im Knochenmark erforderlich. Das Vorhandensein eines ungewöhnlich langen und/oder kurzen Chromosoms in jeder von 10 Zellen beweist, dass eine bestimmte, für Männchen steril wirkende Translokation (Typ c/t) vorliegt. Einige X-Autosomentranslokationen, die männliche Sterilität verursachen, lassen sich nur durch Bandenanalyse mitotischer Chromosomen ermitteln. Das Vorhandensein von 39 Chromosomen in jeder von 10 Mitosen ist ein Beweis dafür, dass es sich um ein XO-Weibchen handelt.

2.   DATEN

Die Daten werden in tabellarischer Form dargestellt.

Für jeden Paarungsabschnitt sind die durchschnittliche Wurfgröße und das Geschlechtsverhältnis bei der Geburt und beim Absetzen anzugeben.

Die Angaben der Fertilitätsuntersuchung von F1-Tieren müssen die durchschnittliche Wurfgröße aus allen normalen Paarungen und die jeweiligen Wurfgrößen bei F1-Translokationsträgern umfassen. Zur Analyse des Uterininhalts sind die durchschnittliche Anzahl der lebenden und toten Implantate aus normalen Paarungen und die Anzahl der lebenden und toten Implantate aus jeder Paarung von F1-Translokationsträgern anzugeben.

Die Angaben zur zytogenetischen Analyse der Diakinese-Metaphase I sollten für jeden Translokationsträger die Anzahl der Multivalentkonfigurationstypen sowie die Gesamtzahl der Zellen umfassen.

Für sterile F1-Tiere sind die Gesamtzahl der Paarungen und die Dauer der Paarungsperiode anzugeben, ebenso die Hodengewichte und nähere Einzelheiten über die zytogenetische Analyse.

Für XO-Weibchen sind die durchschnittliche Wurfgröße, das Geschlechtsverhältnis unter den F2-Nachkommen und die Ergebnisse der zytogenetischen Analyse aufzuführen.

Erfolgt eine Vorauswahl möglicher F1-Translokationsträger aufgrund von Fertilitätsuntersuchungen, müssen die Tabellen auch Angaben darüber enthalten, bei wie vielen dieser Tiere die Translokationsheterozygotie bestätigt wurde.

Auch die Daten aus Negativkontrollen und die Positivkontrollversuche sind anzuführen.

3.   ABSCHLUSSBERICHT

3.1.   PRÜFBERICHT

Im Prüfbericht ist, wenn möglich, Folgendes anzugeben:

 Mäusestamm, Alter der Tiere, Gewicht der behandelten Tiere;

 Anzahl der Elterntiere beiderlei Geschlechts in Versuchs- und Kontrollgruppen;

 Prüfbedingungen, genaue Beschreibung der Behandlung, Dosierungen, Lösungsmittel, Paarungsplan;

 Anzahl und Geschlecht der Jungen pro Weibchen, Anzahl und Geschlecht der zur Translokationsanalyse aufgezogenen Jungen;

 Zeitpunkt der und Kriterien für die Translokationsanalyse;

 Anzahl und eingehende Beschreibung der Translokationsträger einschließlich Zuchtdaten und ggf. Daten über den Uterusinhalt;

 Zytogenetische Verfahren und nähere Angaben über die mikroskopische Analyse, möglichst mit Abbildungen;

 statistische Auswertung;

 Diskussion der Ergebnisse;

 Bewertung der Ergebnisse.

3.2.   INTERPRETATION

Siehe allgemeine Einhaltung zu Teil B.

4.   LITERATUR

Siehe allgemeine Einleitung zu Teil B.

B.26.   PRÜFUNG AUF SUBCHRONISCHE ORALE TOXIZITÄT — 90-TAGE-TOXIZITÄTSSTUDIE BEI WIEDERHOLTER ORALER VERABREICHUNG AN NAGETIEREN

1.   METHODE

Diese Methode zur Prüfung auf subchronische orale Toxizität entspricht der OECD TG 408 (1998).

1.1.   EINLEITUNG

Bei der Beurteilung und Bewertung der toxischen Merkmale eines chemischen Stoffs kann die Bestimmung der subchronischen Toxizität bei wiederholter oraler Verabreichung von Wirkstoffgaben durchgeführt werden, nachdem erste Toxizitätsdaten anhand von Prüfungen auf akute Toxizität oder 28-Tage-Tests auf Toxizität bei wiederholter Verabreichung erzielt wurden. Die 90-Tage-Studie liefert Informationen über mögliche gesundheitliche Schädigungen, die durch wiederholte Exposition über einen längeren Zeitraum, einschließlich der Entwicklung nach dem Abstillen bis zum Erwachsensein, entstehen können. Die Studie liefert ferner Informationen über die wichtigsten toxischen Wirkungen, zeigt die Zielorgane und eine mögliche Akkumulation auf und kann zur Ableitung einer NOAEL (NOAEL — Dosis ohne beobachtete schädigende Wirkung) beitragen, die zur Wahl der Dosierungen für Untersuchungen der chronischen Toxizität und zur Festlegung von Sicherheitskriterien für die Humanexposition herangezogen werden kann.

Die Methode legt außerdem den Schwerpunkt auf neurologische Endpunkte und liefert Hinweise auf immunologische und fortpflanzungsspezifische Wirkungen. Ferner wird die Notwendigkeit sorgfältiger klinischer Beobachtung der Tiere hervorgehoben, um möglichst umfangreiche Informationen zu erhalten. Durch diese Studie sollten chemische Stoffe mit potenzieller neurotoxischer und immunologischer Wirkung sowie Wirkung auf die Fortpflanzungsorgane ermittelt werden, die gegebenenfalls weitergehende Untersuchungen erforderlich machen.

Siehe auch allgemeine Einleitung zu Teil B.

1.2.   BEGRIFFSBESTIMMUNGEN

Dosis ist die Menge der verabreichten Prüfsubstanz. Die Dosis wird als Gewicht (g, mg) oder als Gewicht der Prüfsubstanz je Gewichtseinheit des Versuchstiers (z. B. mg/kg) oder als konstante Futterkonzentration (ppm) ausgedrückt.

Dosierung ist ein allgemeiner Begriff, der die Dosis, ihre Häufigkeit und die Dauer der Verabreichung umfasst.

NOAEL ist die Abkürzung für „no-observed-adverse-effect level“ und entspricht der höchsten Dosis, bei der keine schädigenden behandlungsbedingten Wirkungen festgestellt werden.

1.3.   PRINZIP DER METHODE

Die Prüfsubstanz wird täglich über einen Zeitraum von 90 Tagen in abgestuften Dosen an mehrere Gruppen von Versuchstieren verabreicht, und zwar eine Dosisstufe je Gruppe. Während des Verabreichungszeitraums werden die Tiere sorgfältig auf Toxizitätsanzeichen beobachtet. Während der Prüfung verendete oder getötete Tiere werden seziert. Am Ende der Prüfung werden alle noch lebenden Tiere getötet und ebenfalls seziert.

1.4.   BESCHREIBUNG DER METHODE

1.4.1.   Vorbereitung der Tiere

Zu verwenden sind gesunde Tiere, die mindestens fünf Tage an die Laborbedingungen gewöhnt und bisher nicht für Tierversuche verwendet wurden. Von den Versuchstieren sollten Art, Stamm, Herkunft, Geschlecht, Gewicht und/oder Alter festgestellt werden. Die Tiere werden nach dem Zufallsprinzip in Kontroll- und Behandlungsgruppen eingeteilt. Die Käfige sind so aufzustellen, dass etwaige durch den Standort bedingte Auswirkungen so gering wie möglich sind. Jedes Versuchstier sollte zur sicheren Identifizierung eine eigene Nummer erhalten.

1.4.2.   Zubereitung der Dosen

Die Prüfsubstanz wird über eine Magensonde, mit der Nahrung oder dem Trinkwasser verabreicht. Die Methode der oralen Verabreichung hängt von dem Zweck der Studie und den physikalischen/chemischen Eigenschaften des Prüfmaterials ab.

Die Prüfsubstanz wird über eine Magensonde, mit der Nahrung oder dem Trinkwasser verabreicht. Die Methode der oralen Verabreichung hängt von dem Zweck der Studie und den physikalischen/chemischen Eigenschaften des Prüfmaterials ab.

1.4.3.   Prüfbedingungen

1.4.3.1.   Versuchstiere

Die bevorzugte Nagetierart ist die Ratte, doch können als Versuchstiere auch andere Nagetierarten, z. B. die Maus, verwendet werden. Es sind junge, gesunde und ausgewachsene Tiere üblicher Laborstämme zu verwenden. Die weiblichen Tiere dürfen weder geworfen haben noch trächtig sein. Mit der Dosierung sollte möglichst bald nach der Entwöhnung begonnen werden, auf jeden Fall jedoch, bevor die Tiere neun Wochen alt sind. Bei Beginn der Studie sollten die Gewichtsunterschiede der Tiere möglichst gering sein und ± 20 % des geschlechtsspezifischen Durchschnittsgewichts nicht überschreiten. Wenn die Studie als Vorstudie für eine Langzeitstudie über chronische Toxizität durchgeführt wird, sollten in beiden Studien Tiere desselben Stamms und derselben Herkunft verwendet werden.

1.4.3.2.   Zahl und Geschlecht der Versuchstiere

Für jede Dosisstufe sind mindestens 20 Tiere (10 weibliche und 10 männliche) zu verwenden. Sollen im Verlauf der Prüfung Tiere getötet werden, ist die Zahl der Tiere um die Zahl zu erhöhen, die bereits vor Abschluss der Studie getötet werden sollen. Aufgrund bereits bekannter Wirkungen des chemischen Stoffs oder eines eng verwandten Analogons sollte darüber hinaus für die Kontrollgruppe und die Gruppe mit der höchsten Dosis die Aufnahme einer Satellitengruppe von 10 Tieren (fünf jeden Geschlechts) zwecks Behandlung und anschließender Beobachtung der Reversibilität oder Persistenz etwaiger toxischer Wirkungen erwogen werden. Die Dauer dieses Zeitraums nach der Behandlung sollte den beobachteten Wirkungen angemessen sein.

1.4.3.3.   Dosierung

Es sollten mindestens drei Dosierungen und eine gleichzeitige Kontrolle verwendet werden, es sei denn, ein Limit-Test wird durchgeführt (siehe 1.4.3.4). Die Dosierungen können auf der Grundlage der Ergebnisse von Studien mit wiederholter Verabreichung oder Studien zur Ermittlung des Dosisbereichs festgelegt werden und sollten sämtliche für die Prüfsubstanz oder verwandte Materialien verfügbaren toxikologischen und toxikokinetischen Daten berücksichtigen. Außer wenn dies wegen der physikalisch-chemischen Eigenschaften oder der biologischen Wirkungen der Prüfsubstanz unmöglich ist, sollte die höchste Dosierung gewählt werden, um Toxizität, jedoch nicht Tod oder schweres Leiden der Tiere zu induzieren. Zum Nachweis dosisabhängiger Reaktionen und einer NOAEL bei niedrigster Dosierung, sollten die Dosierungen in absteigender Folge verabreicht werden. Zwei- bis vierfache Abstände haben sich oft als optimale Dosisabstufungen erwiesen, auch ist meist eine vierte Testgruppe der Anwendung sehr großer Dosisabstände (z. B. mehr als ein Faktor von ca. 6-10) vorzuziehen.

Die Kontrollgruppe sollte eine unbehandelte Gruppe oder eine Vehikelkontrollgruppe sein, sofern ein Vehikel zur Verabreichung der Prüfsubstanz verwendet wird. Abgesehen von der Behandlung mit der Prüfsubstanz sollten die Tiere der Kontrollgruppe identisch mit denen der Testgruppen behandelt werden. Wird ein Vehikel verwendet, erhält die Kontrollgruppe das Vehikel im höchsten verwendeten Volumen. Wird eine Prüfsubstanz mit dem Futter verabreicht, und führt dies zu einer verminderten Futteraufnahme, kann eine paarweise gefütterte Kontrollgruppe nützlich sein, wobei zwischen einer verminderten Futteraufnahme aus geschmacklichen Gründen oder wegen toxikologischer Veränderungen im Prüfmodell unterschieden wird.

Zu berücksichtigen sind gegebenenfalls folgende Merkmale des Vehikels und anderer Additive: Wirkungen auf die Absorption, die Verteilung, den Stoffwechsel oder die Retention der Prüfsubstanz; Wirkungen auf die chemischen Eigenschaften der Prüfsubstanz, die zur Änderung von toxischen Eigenschaften führen können; ferner Wirkungen auf die Futter- oder Wasseraufnahme oder den Ernährungszustand der Versuchstiere.

1.4.3.4.   Limit-Test

Ergibt eine Prüfung bei einer einzigen Dosis von mindestens 1 000 mg/kg Körpergewicht/Tag unter Anwendung der für diese Studie beschriebenen Verfahren keine adversen Effekte und ist aufgrund der Daten strukturverwandter Stoffe keine Toxizität zu erwarten, kann auf eine vollständige Studie mit drei Dosisstufen gegebenenfalls verzichtet werden. Der Limit-Test ist anzuwenden, außer wenn die Expositionswirkungen beim Menschen die Prüfung bei einer höheren Dosis erforderlich erscheinen lässt.

1.5.   VERSUCHSDURCHFÜHRUNG

1.5.1.   Verabreichung der Dosen

Die Versuchstiere erhalten die Prüfsubstanz an sieben Tagen der Woche über einen Zeitraum von 90 Tagen. Jede Abweichung von diesem Dosierungsplan, z. B. fünf Tage je Woche, ist zu begründen. Wird die Prüfsubstanz über eine Sonde verabreicht, so sollte dies in einer einmaligen Dosis unter Verwendung einer Magensonde oder einer geeigneten Intubationskanüle erfolgen. Das maximale Flüssigkeitsvolumen, das einem Versuchstier mit einer Gabe verabreicht werden kann, hängt von der Größe des Versuchstiers ab. Das Volumen sollte 1 ml/100g Körpergewicht nicht überschreiten, außer bei wässrigen Lösungen, von denen 2 ml/100g Körpergewicht gegeben werden können. Außer für Reizungen auslösende oder ätzende Stoffe, die in der Regel bei höheren Konzentrationen eine Verschlimmerung bewirken, sollte die Variabilität des Prüfvolumens durch Anpassung der Konzentration möglichst gering gehalten werden, um ein konstantes Volumen bei allen Dosen zu gewährleisten.

Für mit dem Futter oder dem Trinkwasser verabreichte Stoffe ist unbedingt sicherzustellen, dass die Mengen der jeweiligen Prüfsubstanz die normale Nahrungsaufnahme oder den Wasserhaushalt nicht beeinträchtigen. Wenn die Prüfsubstanz mit dem Futter verabreicht wird, können entweder eine konstante Futterkonzentration (ppm) oder eine konstante Dosierung in Relation zum Körpergewicht des Versuchstiers verwendet werden. Die angewandte Alternative ist zu spezifizieren. Eine mit einer Magensonde verabreichte Dosis sollte jeweils zu denselben Tageszeiten gegeben und so angepasst werden, dass eine konstante Dosis in Relation zum Körpergewicht aufrechterhalten wird. Wird eine 90-Tage-Studie als Vorstudie für eine Langzeitstudie über chronische Toxizität verwendet, sollte in beiden Studien die gleiche Nahrung gegeben werden.

1.5.2.   Beobachtungen

Der Beobachtungszeitraum sollte mindestens 90 Tage betragen. Tiere einer Satellitengruppe, die für Nachfolgebeobachtungen vorgesehen sind, sollten für einen angemessenen Zeitraum ohne Behandlung bleiben, um festzustellen, ob die toxischen Wirkungen fortbestehen oder sich als reversibel erweisen.

Allgemeine klinische Beobachtungen sollten mindestens einmal täglich, vorzugsweise zur selben Tageszeit, unter Berücksichtigung des Zeitraums, in dem der Wirkungsgipfel nach Verabreichung der Dosis zu erwarten ist, vorgenommen werden. Der klinische Zustand der Tiere ist zu dokumentieren. Alle Tiere sind mindestens zweimal täglich, in der Regel morgens und abends, auf Anzeichen von Morbidität und Mortalität hin zu untersuchen.

Mindestens einmal vor der ersten Exposition (für intraindividuelle Vergleiche) und danach einmal pro Woche sollten bei allen Tieren eingehende klinische Beobachtungen vorgenommen werden. Diese Beobachtungen sollten außerhalb des Käfigs erfolgen, in dem die Tiere gehalten werden, und zwar vorzugsweise in einem Standardgehege jeweils zu denselben Zeiten. Sie sind sorgfältig zu dokumentieren, am besten nach einer speziell vom Prüflabor entwickelten Bewertungsskala. Es ist dafür zu sorgen, dass die Beobachtungsbedingungen möglichst konstant bleiben. Die Beobachtungen sollten sich insbesondere beziehen auf Veränderungen an Haut, Fell, Augen, Schleimhäuten, auf Sekrete und Exkrete sowie auf autonome Reaktionen (z. B. Tränenfluss, Piloerektion, Pupillengröße, anormale Atmung). Gang- und Haltungsstörungen, ferner Reaktionen auf den Umgang mit den Tieren sowie etwaige klonische oder tonische Bewegungen, Stereotypien (z. B. übermäßiges Putzen, wiederholte Kreisbewegungen) oder abnormes Verhalten (z. B. Selbstverstümmelung, Rückwärtsgehen) sollten auch dokumentiert werden (1).

Ophthalmologische Untersuchungen unter Verwendung eines Ophthalmoskops oder eines entsprechenden geeigneten Geräts sollten vorgenommen werden, bevor die Prüfsubstanz verabreicht wird, sowie zum Abschluss der Studie, vorzugsweise an allen Tieren, doch zumindest in den höchstdosierten Gruppen und den Kontrollgruppen. Sofern Veränderungen an den Augen beobachtet werden, sollten alle Tiere untersucht werden.

Zum Ende des Expositionszeitraums, jedenfalls nicht früher als in der 11. Woche, sollten sensorische Reaktionen auf Reize verschiedener Art (1) (z. B. akustische, visuelle und propriozeptive Reize) (2) (3) (4) sowie die Greifstärke (5) und die motorische Aktivität (6) erfasst werden. Weitere Einzelheiten zu den möglichen Untersuchungen finden sich in der Literatur. Allerdings können auch andere als dort genannte Verfahren angewendet werden.

Funktionelle Beobachtungen zum Abschluss der Studie können entfallen, wenn Daten über funktionelle Beobachtungen aus anderen Studien vorliegen und die täglichen klinischen Beobachtungen keine Funktionsdefizite aufweisen.

In Ausnahmefällen können funktionelle Beobachtungen auch bei Gruppen entfallen, die so starke sonstige Toxizitätsanzeichen aufweisen, dass die Leistungen in Funktionstests dadurch signifikant beeinträchtigt würden.

1.5.2.1.   Körpergewicht und Futter-/Wasseraufnahme

Alle Tiere sollten mindestens einmal wöchentlich gewogen werden. Messungen der Futteraufnahme sollten mindestens wöchentlich vorgenommen werden. Wenn die Prüfsubstanz über das Trinkwasser verabreicht wird, sollte auch die Wasseraufnahme mindestens einmal wöchentlich gemessen werden. Die Wasseraufnahme kann auch in Fütterungsstudien oder in Studien mit Sondenapplikation berücksichtigt werden, bei denen sich das Trinkverhalten ändern kann.

1.5.2.2.   Hämatologische und klinisch-biochemische Untersuchungen

Die Blutproben sind an einer zu benennenden Stelle zu entnehmen und möglichst unter geeigneten Bedingungen zu lagern. Am Ende des Prüfzeitraums werden bei den Versuchstieren Blutproben kurz vor der Tötung oder als Teil des Tötungsvorgangs entnommen.

Folgende hämatologische Untersuchungen sind am Ende des Prüfzeitraums und bei etwaigen zwischenzeitlich entnommenen Blutproben durchzuführen: Hämatokritwert, Hämoglobinkonzentration, Erythrozytenzahl, Leukozytenzahl (Gesamt- und Differenzialblutbild), Thrombozytenzahl und Messung der Blutgerinnungszeit/Blutgerinnungsfähigkeit.

Klinisch-biochemische Bestimmungen zur Untersuchung der wichtigsten toxischen Wirkungen in Geweben, insbesondere der Wirkungen auf Nieren und Leber, sind an Blutproben durchzuführen, die von jedem Tier unmittelbar vor der Tötung oder als Teil des Tötungsvorgangs entnommen werden (dies gilt nicht für Tiere, die sterbend aufgefunden und/oder zwischenzeitlich getötet werden). Vergleichbar zu den hämatologischen Untersuchungen können klinisch-biochemische Untersuchungen bei den zwischenzeitlich entnommenen Blutproben durchgeführt werden. Es empfiehlt sich eine Futterkarenz der Tiere über Nacht, bevor die Blutproben entnommen werden ( 27 ). Die Plasma- oder Serumbestimmungen umfassen die Parameter Natrium, Kalium, Glukose, Gesamtcholesterin, Harnstoff, Harnstoff-Stickstoff im Blut, Kreatinin, Gesamtprotein und Albumin sowie mehr als zwei Enzyme, die auf hepatozelluläre Wirkungen (wie Alanin-Aminotransferase, Aspartat-Aminotransferase, alkalische Phosphatase, Gammaglutamyl-Transpeptidase und Sorbitoldehydrogenase) schließen lassen. Ferner kann die Bestimmung weiterer Enzyme (der Leber oder sonstiger Organe) und der Gallensäuren, die unter bestimmten Bedingungen ebenfalls nützliche Informationen liefern, durchgeführt werden.

Optional können in der letzten Woche der Studie am Urin, der zu festgelegten Zeiten gesammelt wird, folgende Analysebestimmungen durchgeführt werden: Aussehen, Volumen, Osmolalität oder spezifisches Gewicht, pH-Wert, Eiweiß, Glukose und Blut/Blutzellen.

Darüber hinaus sollten Untersuchungen zur Bestimmung von Serummarkern für eine allgemeine Gewebsschädigung erwogen werden. Des Weiteren sollten, wenn die bekannten Eigenschaften der Prüfsubstanz die entsprechenden Stoffwechselprofile beeinträchtigen können oder wenn mit einer solchen Beeinträchtigung zu rechnen ist, die Parameter Calcium, Phosphor, Nüchtern-triglyzeride, spezifische Hormone, Methämoglobin und Cholinesterase bestimmt werden. Die jeweiligen Parameter sind je nach Prüfsubstanzklasse bzw. von Fall zu Fall zu bestimmen.

Insgesamt jedoch ist je nach der Versuchstierart und den beobachteten und/oder erwarteten Wirkungen der Prüfsubstanz mit der entsprechenden Flexibilität vorzugehen.

Bei unzureichender Datenlage zu den Normalwerten sollte die Bestimmung hämatologischer und klinisch-biochemischer Parameter gegebenenfalls auch vor Verabreichung der Prüfsubstanz erwogen werden. In der Regel empfiehlt es sich nicht, diese Daten vor der Behandlung zu bestimmen (7).

1.5.2.3.   Autopsie

Alle an der Studie beteiligten Tiere müssen einer vollständigen, eingehenden Autopsie unterzogen werden, die die sorgfältige Untersuchung der äußeren Körperoberfläche, aller Körperöffnungen sowie der Schädel-, Brust- und Bauchhöhlen und ihres Inhalts umfasst. Leber, Nieren, Nebennieren, Hoden, Nebenhoden, Uterus, Eierstöcke, Thymus, Milz, Gehirn und Herz aller Tiere (außer der tot aufgefundenen und/oder zwischenzeitlich getöteten Tiere) sind in angemessener Form von anhaftendem Gewebe zu befreien, und ihr Nassgewicht ist so rasch wie möglich nach der Sektion festzustellen, um ein Austrocknen zu verhindern.

Die folgenden Gewebe sind in dem für Gewebsarten und die vorgesehene nachfolgende histopathologische Untersuchung am besten geeigneten Fixierungsmedium aufzubewahren: alle Gewebe mit makroskopischen Läsionen, Gehirn (repräsentative Bereiche, insbesondere Cerebrum, Cerebellum und Medulla/Pons), Rückenmark (auf drei Ebenen: cervical, mittlerer Thoraxbereich, und lumbar), Hypophyse, Schilddrüse, Nebenschilddrüse, Thymusdrüse, Speiseröhre, Speicheldrüsen, Magen, Dünn- und Dickdarm (einschließlich Peyer'schen Platten), Leber, Bauchspeicheldrüse, Nieren, Nebennieren, Milz, Herz, Luftröhre und Lungen (durch Inflation mit Fixiermittel und anschließende Immersion konserviert), Aorta, Gonaden, Uterus akzessorische Geschlechtsorgane, weibliche Brustdrüsen, Prostata, Harnblase, Gallenblase (Maus), Lymphknoten (vorzugsweise ein Lymphknoten des Verabreichungsweges und ein weiterer vom Verabreichungsweg entfernter Lymphknoten, um systemische Wirkungen abzudecken), periphere Nerven (N. ischiadicus oder N. tibialis), vorzugsweise in der Nähe des Muskels, ein Knochenmarksschnitt (und/oder ein frisches Knochenmark-Aspirat) Haut und Augen (sofern bei den ophthalmologischen Untersuchungen Veränderungen beobachtet wurden). Die klinischen und sonstigen Befunde können weitere Gewebsuntersuchungen erforderlich machen. Auch Organe, die aufgrund der bekannten Eigenschaften der Prüfsubstanz als wahrscheinliche Zielorgane in Frage kommen, sollten aufbewahrt werden.

1.5.2.4.   Histopathologische Untersuchungen

Bei allen Tieren der Gruppe mit der höchsten Dosis sowie bei den Tieren der Kontrollgruppe ist eine umfassende histopathologische Untersuchung der konservierten Organe und Gewebe durchzuführen. Diese Untersuchungen sind auch auf die Tiere aller anderen Dosisgruppen auszudehnen, wenn behandlungsbedingte Veränderungen in der Gruppe mit der höchsten Dosis festgestellt werden.

Alle makroskopischen Läsionen sind zu untersuchen.

Umfasst eine Prüfung auch eine Satellitengruppe, sind bei den Tieren dieser Gruppe die Gewebe und Organe histopathologisch zu untersuchen, bei denen in den Behandlungsgruppen toxische Wirkungen aufgetreten sind.

2.   DATEN UND BERICHTERSTATTUNG

2.1.   DATEN

Es sollten Daten für jedes einzelne Tier vorgelegt werden. Außerdem sollten alle Daten in Tabellenform zusammengefasst werden, aus denen für jede Prüfgruppe folgende Angaben hervorgehen: die Zahl der Tiere bei Beginn der Prüfung und die Zahl der während der Prüfung tot aufgefundenen oder aus Gründen des Tierschutzes getöteten Tiere, ferner der Zeitpunkt des eingetretenen Todes oder der aus Tierschutzgründen vorgenommenen Tötung, die Zahl der Tiere, die Anzeichen von Toxizität aufweisen, eine Beschreibung der beobachteten Toxizität, einschließlich des Zeitpunkts, zu dem die toxischen Wirkungen erstmalig aufgetreten sind, deren Dauer und Schweregrad, die Zahl der Tiere mit Läsionen, die Art der Läsionen und der Prozentsatz der davon betroffenen Tiere.

Wenn möglich sind die numerischen Daten durch eine geeignete allgemein annehmbare statistische Methode auszuwerten. Die statistischen Methoden und die zu analysierenden Daten sollten bei der Planung der Studie festgelegt werden.

2.2.   PRÜFBERICHT

Der Prüfbericht muss folgende Angaben enthalten:

2.2.1.   Prüfsubstanz

 Physikalische Beschaffenheit, Reinheit und physikalisch-chemische Eigenschaften;

 Identifizierungsdaten;

 Vehikel (sofern zutreffend): Begründung der Wahl des Vehikel, sofern anders als Wasser.

2.2.2.   Versuchstierart

 Tierart und Stamm;

 Zahl, Alter und Geschlecht der Tiere;

 Herkunft, Haltungsbedingungen, Futter usw.;

 individuelles Gewicht der Tiere zu Beginn der Prüfung.

2.2.3.   Prüfbedingungen

 Begründung der Wahl der Dosisstufen;

 Einzelheiten der Formulierung der Prüfsubstanz/Futterzubereitung, erzielte Konzentration, Stabilität und Homogenität der Zubereitung;

 Angaben zur Verabreichung der Prüfsubstanz;

 tatsächliche Dosen (mg/kg Körpergewicht/Tag) und, sofern zutreffend, Angaben zur Umrechnung der Konzentration der Prüfsubstanz im Futter/Trinkwasser (ppm) in die tatsächliche Dosis;

 Einzelheiten der Futter- und Wasserqualität.

2.2.4.   Ergebnisse

 Körpergewicht und Änderungen des Körpergewichts;

 gegebenenfalls Angaben zur Futter- und Wasseraufnahme;

 Daten der toxischen Wirkung nach Geschlecht und Dosis, einschließlich Toxizitätsanzeichen;

 Art, Schweregrad und Dauer der klinischen Beobachtungen (mit Angaben zur Reversibilität);

 Ergebnisse aus der ophthalmologischen Untersuchung;

 Bewertung der Sensorik, Greifstärke und motorische Aktivität (sofern zutreffend);

 hämatologische Tests mit entsprechenden Normalwerten;

 klinisch-biochemische Tests mit entsprechenden Normalwerten;

 terminales Körpergewicht, Organgewichte und Verhältnis Organ-/Körpergewicht;

 Sektionsbefunde;

 ausführliche Beschreibung aller histopathologischen

 Befunde;

 statistische Auswertung der Ergebnisse, wenn möglich.

Diskussion der Ergebnisse.

Schlussfolgerungen.

3.   LITERATUR

(1) IPCS (1986). Principles and Methods for the Assessment of Neurotoxicity Associated with Exposure to Chemicals. Environmental Health Criteria Document No 60.

(2) Tupper, D. E., Wallace, R.B. (1980). Utility of the Neurologic Examination in Rats. Acta Neurobiol. Exp., 40, 999-1003.

(3) Gad, S. C. (1982). A Neuromuscular Screen for Use in Industrial Toxicology. J. Toxicol. Environ. Health, 9, 691-704.

(4) Moser. V. C, Mc Daniel, K. M., Phillips, P. M. (1991). Rat Strain and Stock Comparisons Using a Functional Observational Battery: Baseline Values and Effects of Amitraz. Toxicol. Appl. Pharmacol 108, 267-283.

(5) Meyer O. A., Tilson H. A., Byrd W. C, Riley M. T. (1979). A Method for the Routine Assessment of Fore- and Hind- limb grip Strength of Rats and Mice. Neurobehav. Toxivol., 1, 233-236.

(6) Crofton K. M., Howard J. L., Moser V. C, Gill M. W., Reiter L. W., Tilson H. A., MacPhail R. C. (1991). Interlaboratory Comparison of Motor Activity Experiments: lmplication for Neurotoxicological Assessments. Neurotoxicol. Teratol, 13, 599-609.

(7) Weingand K., Brown G., Hall R. et al (1996). „Harmonisation of Animal Clinic Pathology Testing in Toxicity and Safety Studies“, Fundam. & Appl. Toxicol., 29, 198-201.

B.27.   PRÜFUNG AUF SUBCHRONISCHE ORALE TOXIZITÄT — 90-TAGE-TOXIZITÄTSSTUDIE BEI WIEDERHOLTER ORALER VERABREICHUNG AN NICHT-NAGETIEREN

1.   METHODE

Diese Methode zur Prüfung auf subchronische orale Toxizität entspricht der OECD TG 409 (1998).

1.1.   EINLEITUNG

Bei der Beurteilung und Bewertung der toxischen Merkmale eines chemischen Stoffs kann die Bestimmung der subchronischen Toxizität bei wiederholter oraler Verabreichung von Wirkstoffgaben durchgeführt werden, nachdem erste Toxizitätsdaten anhand von Prüfungen auf akute Toxizität oder 28-Tage-Tests auf Toxizität bei wiederholter Verabreichung erzielt wurden. Die 90-Tage-Studie liefert Informationen über mögliche gesundheitliche Schädigungen, die durch wiederholte Exposition über einen Zeitraum des schnellen Wachstums bis zum frühen Stadium des Erwachsenseins entstehen können. Die Studie liefert ferner Informationen über die wichtigsten toxischen Wirkungen, zeigt die Zielorgane und eine mögliche Akkumulation auf und kann zur Ableitung einer NOAEL (NOAEL — Dosis ohne beobachtete schädigende Wirkung) beitragen, die zur Wahl der Dosierungen für Untersuchungen der chronischen Toxizität und zur Festlegung von Sicherheitskriterien für die Humanexposition herangezogen werden kann.

Die Prüfmethode soll dazu beitragen, die schädigenden Wirkungen einer Exposition gegenüber Chemikalien bei Nicht-Nagetieren festzustellen und sollte nur in folgenden Fällen angewandt werden:

 wenn in anderen Studien beobachtete Wirkungen eine Klärung/Charakterisierung an einer zweiten Tierart, den Nicht-Nagetieren, erforderlich machen;

 wenn toxikokinetische Studien darauf hindeuten, dass die Verwendung einer spezifischen Art von Nicht-Nagetieren die relevanteste Wahl von Versuchstieren ist, oder

 wenn andere spezifische Gründe die Verwendung einer Nicht-Nagetierart rechtfertigen.

Siehe auch allgemeine Einleitung zu Teil B.

1.2.   BEGRIFFSBESTIMMUNGEN

Dosis ist die Menge der verabreichten Prüfsubstanz. Die Dosis wird als Gewicht (g, mg) oder als Gewicht der Prüfsubstanz je Gewichtseinheit des Versuchstiers (z. B. mg/kg) oder als konstante Futterkonzentration (ppm) ausgedrückt.

Dosierung ist ein allgemeiner Begriff, der die Dosis, ihre Häufigkeit und die Dauer der Verabreichung umfasst.

NOAEL ist die Abkürzung für no-observed-adverse-effect level und entspricht der höchsten Dosis, bei der keine schädigenden behandlungsbedingten Wirkungen festgestellt werden.

1.3.   PRINZIP DER METHODE

Die Prüfsubstanz wird täglich über einen Zeitraum von 90 Tagen in abgestuften Dosen an mehrere Gruppen von Versuchstieren verabreicht, und zwar eine Dosisstufe je Gruppe, Während des Verabreichungszeitraums werden die Tiere sorgfältig auf Toxizitätsanzeichen beobachtet. Während der Prüfung verendete oder getötete Tiere werden seziert. Am Ende der Prüfung werden alle noch lebenden Tiere getötet und ebenfalls seziert.

1.4.   BESCHREIBUNG DER METHODE

1.4.1.   Auswahl von Versuchstierarten

Die am häufigsten verwendete Nicht-Nagetierart ist der Hund, der einer bestimmten Rasse angehören sollte. Häufig wird der Beagle verwendet. Ferner können Tierarten wie Schwein oder Minischwein verwendet werden. Primaten werden nicht empfohlen, und ihre Verwendung ist zu begründen. Es sollten junge und gesunde Tiere verwendet werden. Bei Hunden sollte mit der Dosierung vorzugsweise im Alter von vier bis sechs Monaten, jedoch nicht später als neun Monaten begonnen werden. Wird die Studie als Vorstudie für eine Langzeitstudie über chronische Toxizität durchgeführt, sollten in beiden Studien dieselbe Art/Rasse verwendet werden.

1.4.2.   Vorbereitung der Tiere

Zu verwenden sind gesunde Jungtiere, die an die Laborbedingungen gewöhnt und bisher nicht für Tierversuche verwendet wurden. Die Dauer der Gewöhnung hängt von der für die Prüfung gewählten Art und der Herkunft der Tiere ab. Empfohlen werden mindestens fünf Tage für Hunde oder für speziell zu diesem Zweck gezüchtete Schweine aus einer internen Kolonie und mindestens zwei Wochen für Tiere externer Herkunft. Von den Versuchstieren sollten Art, Stamm, Herkunft, Geschlecht, Gewicht und/oder Alter festgestellt werden. Die Tiere werden nach dem Zufallsprinzip in Kontroll- und Behandlungsgruppen eingeteilt. Die Käfige sind so aufzustellen, dass etwaige durch den Standort bedingte Auswirkungen möglichst gering sind. Jedes Versuchstier sollte zur sicheren Identifizierung eine eigene Nummer erhalten.

1.4.3.   Zubereitung der Dosen

Die Prüfsubstanz wird mit dem Futter oder im Trinkwasser über eine Magensonde oder in Kapseln verabreicht. Die Methode der oralen Verabreichung hängt von dem Zweck der Studie und den physikalisch-chemischen Eigenschaften des Prüfmaterials ab.

Bei Bedarf wird die Prüfsubstanz in einem geeigneten Medium gelöst oder suspendiert. Es empfiehlt sich, nach Möglichkeit zunächst die Verwendung einer wässrigen Lösung/Suspension, sodann eine Lösung/Emulsion in Öl (z. B. Maisöl) und erst dann eine Lösung in anderen Medien in Betracht zu ziehen. Bei anderen Medien als Wasser müssen seine toxischen Merkmale bekannt sein. Die Stabilität der Prüfsubstanz unter den Verabreichungsbedingungen ist festzustellen.

1.5.   VERSUCHSDURCHFÜHRUNG

1.5.1.   Zahl und Geschlecht der Versuchstiere

Für jede Dosisstufe sind mindestens acht Tiere (vier weibliche und vier männliche) zu verwenden. Sollten im Verlauf der Prüfung Tiere getötet werden, ist die Zahl der Tiere um die Zahl zu erhöhen, die bereits vor Abschluss der Studie getötet werden sollen. Die Zahl der Tiere bei Beendigung der Studie muss für eine sinnvolle Bewertung der toxischen Wirkungen angemessen sein. Aufgrund bereits bekannter Wirkungen der Substanz oder eines eng verwandten Analogons sollte darüber hinaus für die Kontrollgruppe und die Gruppe mit der höchsten Dosis die Aufnahme einer Satellitengruppe von acht Tieren (vier jeden Geschlechts) zwecks Behandlung und anschließender Beobachtung der Reversibilität oder Persistenz etwaiger toxischer Wirkungen erwogen werden. Die Dauer dieses Zeitraums nach der Behandlung sollte den beobachteten Wirkungen angemessen sein.

1.5.2.   Dosierung

Es sollten mindestens drei Dosierungen und eine gleichzeitige Kontrolle verwendet werden, es sei denn, ein Limit-Test wird durchgeführt (siehe 1.4.3.4). Die Dosierungen können auf der Grundlage der Ergebnisse von Studien mit wiederholter Verabreichung oder Studien zur Ermittlung des Dosisbereichs festgelegt werden und sollten sämtliche für die Prüfsubstanz oder verwandte Materialien verfügbaren toxikologischen und toxikokinetischen Daten berücksichtigen. Außer wenn dies wegen der physikalisch-chemischen Eigenschaften oder der biologischen Wirkungen der Prüfsubstanz unmöglich ist, sollte die höchste Dosierung gewählt werden, um Toxizität, jedoch nicht Tod oder schweres Leiden der Tiere zu induzieren. Zum Nachweis dosis-abhängiger Reaktionen und einer NOAEL bei niedrigster Dosierung sollten die Dosierungen in absteigender Folge verabreicht werden. Zwei- bis vierfache Abstände haben sich oft als optimale Dosisabstufungen erwiesen, auch ist meist eine vierte Testgruppe der Anwendung sehr großer Dosisabstände (z. B. mehr als ein Faktor von ca. 6-10) vorzuziehen.

Die Kontrollgruppe sollte eine unbehandelte Gruppe oder eine Vehikelkontrollgruppe sein, sofern ein Vehikel zur Verabreichung der Prüfsubstanz verwendet wird. Abgesehen von der Behandlung mit der Prüfsubstanz sollten die Tiere der Kontrollgruppe identisch mit denen der Testgruppen behandelt werden. Wird ein Vehikel verwendet, erhält die Kontrollgruppe das Vehikel im höchsten verwendeten Volumen. Wird eine Prüfsubstanz mit dem Futter verabreicht, und führt dies zu einer verminderten Futteraufnahme, kann eine paarweise gefütterte Kontrollgruppe nützlich sein, wobei zwischen einer verminderten Futteraufnahme aus geschmacklichen Gründen oder wegen toxikologischer Veränderungen im Prüfmodell unterschieden wird.

Zu berücksichtigen sind gegebenenfalls folgende Merkmale des Vehikels und anderer Additive: Wirkungen auf die Absorption, die Verteilung, den Stoffwechsel oder die Retention der Prüfsubstanz; Wirkungen auf die chemischen Eigenschaften der Prüfsubstanz, die zur Änderung von toxischen Eigenschaften führen können; ferner Wirkungen auf die Futter- oder Wasseraufnahme oder den Ernährungszustand der Versuchstiere.

1.5.3.   Limit-Test

Ergibt eine Prüfung bei einer einzigen Dosis von mindestens 1 000 mg/kg Körpergewicht/Tag unter Anwendung der für diese Studie beschriebenen Verfahren keine adversen Effekte und ist aufgrund der Daten strukturverwandter Stoffe keine Toxizität zu erwarten, kann auf eine vollständige Studie mit drei Dosisstufen gegebenenfalls verzichtet werden. Der Limit-Test ist anzuwenden, außer wenn die Expositionswirkungen beim Menschen die Prüfung bei einer höheren Dosis erforderlich erscheinen lässt.

1.5.4.   Verabreichung der Dosen

Die Versuchstiere erhalten die Prüfsubstanz an sieben Tagen der Woche über einen Zeitraum von 90 Tagen. Jede Abweichung von diesem Dosierungsplan, z. B. fünf Tage je Woche, ist zu begründen. Wird die Prüfsubstanz über eine Sonde verabreicht, so sollte dies in einer einmaligen Dosis unter Verwendung einer Magensonde oder einer geeigneten Intubationskanüle erfolgen. Das maximale Flüssigkeitsvolumen, das einem Versuchstier mit einer Gabe verabreicht werden kann, hängt von der Größe des Versuchstiers ab. Generell sollte das Volumen möglichst gering sein. Außer für Reizungen auslösende oder ätzende Stoffe, die in der Regel bei höheren Konzentrationen eine Verschlimmerung bewirken, sollte die Variabilität des Prüfvolumens durch Anpassung der Konzentration möglichst gering gehalten werden, um ein konstantes Volumen bei allen Dosen zu gewährleisten.

Für mit dem Futter oder dem Trinkwasser verabreichte Stoffe ist unbedingt sicherzustellen, dass die Mengen der jeweiligen Prüfsubstanz die normale Nahrungsaufnahme oder den Wasserhaushalt nicht beeinträchtigen. Wenn die Prüfsubstanz mit dem Futter verabreicht wird, können entweder eine konstante Futterkonzentration (ppm) oder eine konstante Dosierung in Relation zum Körpergewicht verwendet werden. Jede angewandte Alternative ist zu spezifizieren. Eine mit einer Magensonde oder in Kapseln verabreichte Substanz sollte jeweils zu denselben Tageszeiten gegeben und so angepasst werden, dass eine konstante Dosis in Relation zum Körpergewicht aufrechterhalten bleibt. Wird eine 90-Tage-Studie als Vorstudie für eine Langzeitstudie über chronische Toxizität verwendet, sollte in beiden Studien die gleiche Nahrung verabreicht werden.

1.5.5.   Beobachtungen

Der Beobachtungszeitraum sollte mindestens 90 Tage betragen. Tiere einer Satellitengruppe, die für Nachfolgebeobachtungen vorgesehen sind, sollten für einen angemessenen Zeitraum ohne Behandlung bleiben, um festzustellen, ob die toxischen Wirkungen fortbestehen oder sich als reversibel erweisen.

Allgemeine klinische Beobachtungen sollten mindestens einmal täglich, vorzugsweise zur selben Tageszeit, unter Berücksichtigung des Zeitraums, in dem der Wirkungsgipfel nach Verabreichung der Dosis zu erwarten ist, vorgenommen werden. Der klinische Zustand der Tiere ist zu dokumentieren. Alle Tiere sind mindestens zweimal täglich, in der Regel morgens und abends, auf Anzeichen von Morbidität und Mortalität hin zu untersuchen.

Mindestens einmal vor der ersten Exposition (für intraindividuelle Vergleiche) und danach einmal pro Woche sollten bei allen Tieren umfassende klinische Beobachtungen vorgenommen werden. Diese Beobachtungen sollten, sofern praktisch durchführbar, außerhalb des Käfigs erfolgen, in dem die Tiere gehalten werden, und zwar vorzugsweise in einem Standardgehege jeweils zu denselben Zeiten. Die Beobachtungsbedingungen sollten möglichst konstant sein. Anzeichen von Toxizität sind sorgfältig zu dokumentieren, insbesondere Beginn, Schweregrad und Dauer. Die Beobachtungen sollten sich insbesondere beziehen auf Veränderungen an Haut, Fell, Augen, Schleimhäuten, auf Sekrete und Exkrete sowie auf autonome Reaktionen (z. B. Tränenfluss, Piloerektion, Pupillengröße, anormale Atmung). Gang- und Haltungsstörungen, ferner Reaktionen auf den Umgang mit den Tieren sowie etwaige klonische oder tonische Bewegungen, Stereotypien (z. B. übermäßiges Putzen, wiederholte Kreisbewegungen) oder abnormes Verhalten (z. B. Selbstverstümmelung, Rückwärtsgehen) sollten auch dokumentiert werden.

Ophthalmologische Untersuchungen unter Verwendung eines Ophthalmoskops oder eines entsprechenden geeigneten Geräts sollten vorgenommen werden, bevor die Prüfsubstanz verabreicht wird, sowie zum Abschluss der Studie, vorzugsweise an allen Tieren, zumindest jedoch in den höchstdosierten Gruppen und den Kontrollgruppen. Sofern behandlungsbedingte Veränderungen an den Augen beobachtet werden, sollten alle Tiere untersucht werden.

1.5.5.1.   Körpergewicht und Futter-/Wasseraufnahme

Alle Tiere sollten mindestens einmal wöchentlich gewogen werden. Messungen der Futteraufnahme sollten mindestens wöchentlich vorgenommen werden. Wenn die Prüfsubstanz über das Trinkwasser verabreicht wird, sollte auch die Wasseraufnahme mindestens einmal wöchentlich gemessen werden. Die Wasseraufnahme kann auch in Fütterungsstudien oder in Studien mit Sondenapplikation berücksichtigt werden, bei denen sich das Trinkverhalten ändern kann.

1.5.5.2.   Hämatologische und klinisch-biochemische Untersuchungen

Die Blutproben sind an einer zu benennenden Stelle zu entnehmen und möglichst unter geeigneten Bedingungen zu lagern. Am Ende des Prüfzeitraums werden bei den Versuchstieren Blutproben kurz vor der Tötung oder als Teil des Tötungsvorgangs entnommen.

Hämatologische Untersuchungen sind zu Beginn der Studie und anschließend entweder monatlich oder zur Halbzeit und schließlich am Ende des Prüfzeitraums vorzunehmen: Hämatokritwert, Hämoglobinkonzentration, Erythrozytenzahl, Leukozytenzahl (Gesamt- und Differenzialblutbild), Thrombozytenzahl und Bestimmung des Gerinnungspotenzials, wie Gerinnungszeit, Prothrombinzeit oder Thromboplastinzeit.

Klinisch-biochemische Bestimmungen zur Untersuchung der wichtigsten toxischen Wirkungen in Geweben, insbesondere der Wirkungen auf Nieren und Leber, sind an Blutproben durchzuführen, die von jedem Tier zu Beginn und anschließend entweder monatlich oder zur Halbzeit und schließlich am Ende des Prüfzeitraums entnommen werden. Die Prüfungen sollten folgende Bereiche abdecken: Elektrolythaushalt, Kohlehydratstoffwechsel sowie Leber- und Nierenfunktion. Die Wahl der spezifischen Prüfungen hängt von den Beobachtungen über die Wirkungsweise der Prüfsubstanz ab. Vor der Blutentnahme empfiehlt sich eine der Tierart angemessene Futterkarenz. Es wird empfohlen, Bestimmungen insbesondere für folgende Parameter durchzuführen: Calcium, Phosphor, Chlor, Natrium, Kalium, Nüchternglukose, Alanin-Aminotransferase, Aspartat-Aminotransferase, Ornithindecarboxylase, Gammaglutamyl-Transpeptidase, Harnstoff-Stickstoff, Albumin, Blutkreatinin, Gesamtbilirubin und Messungen des Serum-Gesamtproteins.

Untersuchungen zur Urinanalyse sind zumindest zu Beginn, anschließend zur Halbzeit und schließlich zum Abschluss der Studie an zu festgelegten Zeiten gesammeltem Urin durchzuführen: Aussehen, Volumen, Osmolarität oder spezifisches Gewicht, pH-Wert, Glukose und Blut/Blutzellen. Sofern erforderlich, können zusätzliche Parameter verwendet werden, um die Untersuchung beobachteter Wirkungen zu erweitern.

Darüber hinaus sollten Untersuchungen zur Bestimmung von Serummarkern für eine allgemeine Gewebsschädigung erwogen werden. Sonstige Bestimmungen, die für eine angemessene toxikologische Bewertung erforderlich sein können, umfassen Analysen von Lipiden, Hormonen, Säure-/Basengleichgewicht, Methämoglobin und Cholinesteraseinhibitation. Weitere klinisch-biochemische Untersuchungen können, sofern erforderlich, durchgeführt werden, um die Untersuchung der beobachteten Wirkungen zu erweitern. Die jeweiligen Parameter sind je nach Prüfsubstanzklasse bzw. von Fall zu Fall zu bestimmen.

Insgesamt ist je nach Versuchstierart und den beobachteten und/oder erwarteten Wirkungen der Prüfsubstanz mit der entsprechenden Flexibilität vorzugehen.

1.5.5.3.   Autopsie

Alle an der Studie beteiligten Tiere müssen einer vollständigen, eingehenden Autopsie unterzogen werden, die die sorgfältige Untersuchung der äußeren Körperoberfläche, aller Körperöffnungen sowie der Schädel-, Brust- und Bauchhöhlen und ihres Inhalts umfasst. Leber und Gallenblase, Nieren, Nebennieren, Hoden, Nebenhoden, Uterus, Eierstöcke, Schilddrüse, (mit Nebenschilddrüse), Thymus, Milz, Gehirn und Herz aller Tiere (außer der tot aufgefundenen und/oder zwischenzeitlich getöteten Tiere) sind in angemessener Form von anhaftendem Gewebe zu befreien, und ihr Nassgewicht ist so rasch wie möglich nach der Sektion festzustellen, um ein Austrocknen zu verhindern.

Die folgenden Gewebe sind in dem für Gewebsarten und die vorgesehene nachfolgende histopathologische Untersuchung am besten geeigneten Fixierungsmedium aufzubewahren: alle Gewebe mit makroskopischen Läsionen, Gehirn (repräsentative Bereiche, insbesondere Cerebrum, Cerebellum und Medulla/Pons), Rückenmark (auf drei Ebenen: cervical, mittlerer Thoraxbereich, und lumbar), Hypophyse, Augen, Schilddrüse, Nebenschilddrüse, Thymusdrüse, Speiseröhre, Speicheldrüsen, Magen, Dünn- und Dickdarm (einschließlich Peyer'schen Platten), Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse, Nieren, Nebennieren, Milz, Herz, Luftröhre und Lungen, Aorta, Gonaden, Uterus, akzessorische Geschlechtsorgane, weibliche Brustdrüsen, Prostata, Harnblase, Lymphknoten (vorzugsweise ein Lymphknoten des Verabreichungswegs und ein weiterer vom Verabreichungsweg entfernter, um systemische Wirkungen abzudecken), periphere Nerven (N. ischiadicus oder N. tibialis), vorzugsweise in der Nähe des Muskels, ein Knochenmarksschnitt (und/oder ein frisches Knochenmark-Aspirat) und Haut. Die klinischen und sonstigen Befunde können weitere Gewebsuntersuchungen erforderlich machen. Auch Organe, die aufgrund der bekannten Eigenschaften der Prüfsubstanz als mögliche Zielorgane in Frage kommen, sollten aufbewahrt werden.

1.5.5.4.   Histopathologische Untersuchungen

Bei allen Tieren der Gruppe mit der höchsten Dosis sowie bei den Tieren der Kontrollgruppe ist eine umfassende histopathologische Untersuchung der konservierten Organe und Gewebe durchzuführen. Diese Untersuchungen sind auch auf die Tiere aller Dosisgruppen auszudehnen, wenn behandlungsbedingte Veränderungen in der Gruppe mit der höchsten Dosis festgestellt werden.

Alle makroskopischen Läsionen sind zu untersuchen.

Umfasst eine Prüfung auch eine Satellitengruppe, sind bei den Tieren dieser Gruppe die Gewebe und Organe histopathologisch zu untersuchen, bei denen in den Behandlungsgruppen Wirkungen aufgetreten sind.

2.   DATEN UND BERICHTERSTATTUNG

2.1.   DATEN

Es sollten Daten für jedes einzelne Tier vorgelegt werden. Außerdem sollten alle Daten in Tabellenform zusammengefasst werden, aus denen für jede Prüfgruppe folgende Daten hervorgehen: die Zahl der Tiere bei Beginn der Prüfung und die Zahl der während der Prüfung tot aufgefundenen oder aus Gründen des Tierschutzes getöteten Tiere, ferner der Zeitpunkt des eingetretenen Todes oder der aus Tierschutzgründen vorgenommenen Tötung, die Zahl der Tiere, die Anzeichen von Toxizität aufweisen, eine Beschreibung der beobachteten Toxizität, einschließlich des Zeitpunkts, zu dem die toxischen Wirkungen erstmalig aufgetreten sind, deren Dauer und Schweregrad, die Zahl der Tiere mit Läsionen, die Art der Läsionen und der Prozentsatz der davon betroffenen Tiere.

Wenn möglich, sind die numerischen Daten durch eine geeignete allgemein annehmbare statistische Methode auszuwerten. Die statistischen Methoden und die zu analysierenden Daten sollten bei der Planung der Studie festgelegt werden.

2.2.   PRÜFBERICHT

Der Prüfbericht muss folgende Informationen enthalten:

2.2.1.   Prüfsubstanz

 Physikalische Beschaffenheit, Reinheit und physikalisch-chemische Eigenschaften;

 Identifizierungsdaten;

 Vehikel (sofern zutreffend): Begründung der Wahl des Vehikels, sofern anders als Wasser.

2.2.2.   Versuchstierart

 Tierart und Stamm:

 Zahl, Alter und Geschlecht der Tiere:

 Herkunft, Haltungsbedingungen, Futter usw.;

 individuelles Gewicht der Tiere zu Beginn der Prüfung.

2.2.3.   Prüfbedingungen

 Begründung der Wahl der Dosisstufen;

 Einzelheiten der Formulierung der Prüfsubstanz/Futterzubereitung, erzielte Konzentration, Stabilität und Homogenität der Zubereitung;

 Angaben zur Verabreichung der Prüfsubstanz;

 tatsächliche Dosen (mg/kg Körpergewicht/Tag) und, sofern zutreffend, Angaben zur Umrechnung der Konzentration der Prüfsubstanz im Futter/Trinkwasser (ppm) in die tatsächliche Dosis;

 Einzelheiten der Futter- und Wasserqualität.

2.2.4.   Ergebnisse

 Körpergewicht und Änderungen des Körpergewichts;

 gegebenenfalls Angaben zur Futter- und Wasseraufnahme;

 Daten der toxischen Wirkung nach Geschlecht und Dosis, einschließlich Toxizitätsanzeichen;

 Art, Schweregrad und Dauer der klinischen Beobachtungen (mit Angaben zur Reversibilität);

 Ergebnisse aus der ophthalmologischen Untersuchung;

 hämatologische Tests mit entsprechenden Normalwerten;

 klinisch-biochemische Tests mit entsprechenden Normalwerten;

 terminales Körpergewicht, Organgewichte und Verhältnis Organ-/Körpergewicht;

 Sektionsbefunde;

 ausführliche Beschreibung aller histopathologischen Befunde;

 Absorptionsdaten, sofern zutreffend;

 statistische Bearbeitung der Ergebnisse, wenn möglich.

Diskussion der Ergebnisse.

Schlussfolgerungen

B.28.   PRÜFUNG AUF SUBCHRONISCHE TOXIZITÄT NACH DERMALER APPLIKATION — 90-TAGE-TEST MIT NAGERN

1.   METHODE

1.1.   EINLEITUNG

Siehe allgemeine Einleitung zu Teil B.

1.2.   DEFINITIONEN

Siehe allgemeine Einleitung zu Teil B.

1.3.   BEZUGSSUBSTANZEN

Keine.

1.4.   PRINZIP DER METHODE

Die Prüfsubstanz wird mehreren Versuchstiergruppen täglich in abgestuften Dosierungen auf die Haut aufgetragen, und zwar eine Dosierung je Gruppe über einen Zeitraum von 90 Tagen. Während des Verabreichungszeitraums werden die Tiere täglich auf Vergiftungserscheinungen beobachtet. Tiere, die während des Versuchs sterben, sowie die bei Versuchsende überlebenden Tiere werden seziert.

1.5.   QUALITÄTSKRITERIEN

Keine.

1.6.   BESCHREIBUNG DER METHODE

Vorbereitung

Die Tiere werden vor Versuchsbeginn für einen Zeitraum von mindestens 5 Tagen unter experimentellen Haltungs- und Fütterungsbedingungen eingewöhnt. Vor Versuchsbeginn werden gesunde junge Tiere randomisiert und den einzelnen Behandlungs- und Kontrollgruppen zugeteilt. Kurz vor Beginn des Tests wird das Rückenfell der Versuchstiere geschoren. Ein Abrasieren des Fells ist ebenfalls möglich, sollte jedoch etwa 24 Stunden vor dem Versuch erfolgen. Das Scheren oder Rasieren muss normalerweise wöchentlich wiederholt werden. Es ist darauf zu achten, dass dabei die Haut nicht verletzt wird. Mindestens 10 % der Körperoberfläche wird für die Applikation der Prüfsubstanz vorbereitet. Bei der Bestimmung des zu scherenden Bereichs und der Applikationsfläche ist das Gewicht der Tiere zu berücksichtigen. Werden Versuche mit festen Stoffen durchgeführt, die ggf. pulverisiert werden können, sollte die Prüfsubstanz ausreichend mit Wasser oder, falls erforderlich, mit einem geeigneten Vehikel angefeuchtet werden, um einen guten Kontakt mit der Haut zu gewährleisten. Flüssige Prüfsubstanzen werden gewöhnlich unverdünnt angewendet. Die Applikation erfolgt normalerweise an fünf bis sieben Tagen pro Woche.

Versuchsbedingungen

Versuchstiere

Es können erwachsene Ratten, Kaninchen oder Meerschweinchen verwendet werden. Andere Tierarten sind ebenfalls geeignet, jedoch muss ihre Verwendung begründet werden. Zu Beginn des Versuchs sollte die Abweichung im Körpergewicht nicht mehr als ± 20 % vom Mittelwert betragen. Wird eine subchronische dermale Toxizitätsstudie einer Langzeitstudie vorgeschaltet, sollten in beiden Fällen die gleichen Tierarten bzw. Versuchstierstämme benutzt werden.

Anzahl und Geschlecht

Mindestens 20 Tiere (10 weibliche und 10 männliche) mit gesunder Haut sind für jede Dosierung zu verwenden. Die Weibchen dürfen weder geworfen haben noch trächtig sein. Sollen im Verlauf des Versuchs Tiere getötet werden, so muss die Gesamtzahl der Tiere um die Zahl an Tieren erhöht werden, die schon vor Versuchsende getötet werden sollen. Darüber hinaus kann eine zusätzliche Gruppe (Satellitengruppe) von 20 Tieren (10 Tiere pro Geschlecht) über 90 Tage mit der höchsten Dosierung behandelt werden, um während eines Zeitraums von 28 Tagen nach der Behandlung auf Reversibilität, Fortbestehen oder verzögertes Auftreten toxischer Wirkungen achten zu können.

Dosierungen

Es sind mindestens drei Dosisgruppen und eine Kontrollgruppe und — sofern ein Vehikel benutzt wird — eine Vehikelkontrollgruppe erforderlich. Die Applikation der Prüfsubstanz sollte täglich zur gleichen Zeit und in festgesetzten Intervallen (wöchentlich oder 14-tägig) erfolgen, um ein in Relation zum Körpergewicht des Tieres konstantes Dosierungsniveau zu gewährleisten. Abgesehen von der Applikation der Prüfsubstanz sind die Tiere der Kontrollgruppe genauso zu behandeln wie die Versuchstiere. Wird zur Erleichterung der Verabreichung ein Vehikel benutzt, so ist dieses der entsprechenden Kontrollgruppe in gleicher Weise zu verabreichen wie den behandelten Tieren und zwar in der Menge, die die Gruppe mit der höchsten Dosierung erhält. Die höchste Dosierung ist so zu wählen, dass auf jeden Fall toxische Wirkungen eintreten, die Tiere jedoch nicht oder nur in geringer Zahl sterben. Die niedrigste Dosierung darf keine Anzeichen von Toxizität hervorrufen. Liegen brauchbare Schätzungen über die Höhe der Exposition beim Menschen vor, so sollte die niedrigste Dosierung diesen Wert nicht überschreiten. Nach Möglichkeit sollte die mittlere Dosierung nur geringe toxische Wirkungen verursachen. Werden mehrere Zwischendosierungen verabreicht, so sollten sie so gewählt werden, dass sich eine graduelle Abstufung der toxischen Wirkungen ergibt. In den Gruppen mit niedriger und mittlerer Dosierung sowie in den Kontrollgruppen sollte die Anzahl von Todesfällen gering sein, um eine aussagekräftige Bewertung der Ergebnisse zu ermöglichen.

Führt die Applikation der Prüfsubstanz zu schweren Hautreizungen, sollten die Konzentrationen herabgesetzt werden, was bei hoher Dosierung zu einer Verminderung oder einem Ausbleiben weiterer toxischer Wirkungen führen dürfte. Wurde die Haut stark beschädigt, ist es unter Umständen notwendig, den Versuch abzubrechen und mit einer niedrigeren Konzentration erneut zu beginnen.

Limit-Test

Hat im Rahmen einer Vorstudie die Verabreichung einer Dosis von 1 000 mg/kg bzw. einer höheren Dosis, die einer bekannten Exposition beim Menschen entspricht, keine toxischen Auswirkungen, so ist eine weitere Prüfung nicht erforderlich.

Beobachtungszeitraum

Alle Tiere sind täglich auf Vergiftungssymptome zu beobachten. Der Eintritt des Todes und der Zeitpunkt, zu dem Vergiftungssymptome auftreten und/oder wieder abklingen, sind festzuhalten.

Versuchsdurchführung

Die Tiere sind in Einzelkäfigen zu halten; die Prüfsubstanz wird ihnen vorzugsweise an 7 Tagen pro Woche während eines Zeitraums von 90 Tagen verabreicht.

Tiere einer Satellitengruppe, die für eine Nachbeobachtung vorgesehen sind, sollten für weitere 28 Tage ohne Behandlung gehalten werden, um die Reversibilität von toxischen Effekten bzw. deren Fortbestehen festzustellen. Die Expositionszeit beträgt 6 Stunden pro Tag.

Die Prüfsubstanz ist gleichmäßig auf einen Bereich, der etwa 10 % der Körperoberfläche entspricht, aufzutragen. Bei hochtoxischen Substanzen kann die behandelte Oberfläche kleiner sein, es sollte jedoch ein möglichst großer Bereich mit einer möglichst dünnen und einheitlichen Schicht bedeckt werden.

Die Prüfsubstanz ist während der Expositionszeit mittels eines porösen Mullverbandes und eines hautschonenden Pflasters in Kontakt mit der Haut zu halten. Die Versuchsfläche ist außerdem auf eine geeignete Art abzudecken, um den Mullverband und die Prüfsubstanz zu fixieren und sicherzustellen, dass die Tiere die Prüfsubstanz nicht verschlucken können. Zu diesem Zweck können ggf. Mittel zur Einschränkung der Bewegungsfreiheit angewendet werden; eine vollständige Immobilisierung ist jedoch nicht zu empfehlen.

Nach Ablauf der Expositionszeit entfernt man — soweit möglich — den Rest der Prüfsubstanz mit Hilfe von Wasser oder eines anderen geeigneten Hautreinigungsverfahrens.

Alle Tiere müssen täglich beobachtet und Vergiftungssymptome sowie deren Beginn, Grad und Dauer aufgezeichnet werden. Die Beobachtungen sollten sich insbesondere auf Veränderungen von Haut, Fell, Augen, Schleimhäuten, des Atmungs- und Kreislaufssystems, des autonomen und zentralen Nervensystems sowie auf Somatomotorik und Verhaltensmuster erstrecken. Die Futteraufnahme und das Gewicht der Tiere werden wöchentlich bestimmt. Eine regelmäßige Beobachtung der Tiere ist erforderlich, um sicherzustellen, dass sich der Bestand an Tieren während der Studie nicht durch Kannibalismus, Autolyse der Gewebe bzw. Fehler beim Umsetzen der Tiere verringert. Nach Abschluss der Studie werden alle überlebenden Tiere, mit Ausnahme der Tiere der Satellitengruppe, seziert. Moribunde Tiere sollten ausgesondert, getötet und seziert werden.

Bei allen Tieren, einschließlich der Kontrolltiere, sind üblicherweise folgende Untersuchungen durchzuführen:

a) Eine ophthalmologische Untersuchung mit Hilfe eines Ophthalmoskops oder eines gleichwertigen geeigneten Geräts sollte vor der Exposition gegenüber der Prüfsubstanz und zum Abschluss der Studie — vorzugsweise bei allen Tieren, zumindest jedoch in der Gruppe mit der höchsten Dosierung und in der Kontrollgruppe — durchgeführt werden. Sind bei Versuchsende Veränderungen der Augen feststellbar, sind alle Tiere zu untersuchen.

b) Am Ende des Versuchs sind hämatologische Untersuchungen, einschließlich Hämatokritwert und Hämoglobinkonzentration, Erythrozytenzahl, Leukozytenzahl, Differenzialblutbild, Messungen der Gerinnungsfähigkeit, z. B. Gerinnungszeit, Prothrombinzeit, Thromboplastinzeit oder Thrombozytenzahl, durchzuführen.

c) Am Ende des Versuchs sind ebenfalls klinisch-chemische Untersuchungen des Blutes durchzuführen. Für diese Untersuchungen eignen sich folgende Analysen: Elektrolytbilanz, Kohlenhydratstoffwechsel, Leber- und Nierenfunktion. Die Durchführung spezifischer Analysen richtet sich nach der festgestellten Wirkungsweise der Prüfsubstanz. Vorgeschlagen werden folgende Bestimmungen: Kalzium, Phosphor, Chlorid, Natrium, Kalium, Nüchternglukose (mit auf die Tierart abgestimmter Fastenperiode), Serum-Glutamat-Pyruvat-Transaminase ( 28 ), Serum-Glutamat-Oxalacetat-Transaminase ( 29 ), Ornithin-Dekarboxylase, Gamma-Glutamyl-transpeptidase, Harnstickstoff, Albumin, Blutkreatinin, Gesamtbilirubin- und -serumeiweißmessungen. Weitere Analysen, die gegebenenfalls für eine geeignete toxikologische Bewertung erforderlich sind, umfassen: Lipide, Hormone, Säuren-Basen-Gleichgewicht, Methämoglobin, Cholinesteraseaktivität. Zusätzliche klinisch-chemische Analysen können erforderlich sein, um die Untersuchung der beobachteten Wirkungen zu vertiefen.

d) In der Regel ist eine Urinanalyse nicht notwendig, erscheint jedoch erforderlich, sofern eine toxische Wirkung zu erwarten oder zu beobachten ist.

Erweisen sich Daten aus vorangegangenen Versuchen als ungeeignet, sollte eine Bestimmung hämatologischer und klinisch-chemischer Parameter vor Versuchsbeginn in Betracht gezogen werden.

Autopsie

Bei allen im Versuch befindlichen Tieren wird eine vollständige Autopsie vorgenommen, einschließlich einer Untersuchung der Körperoberfläche, aller Körperöffnungen, sowie der Schädel, Brust- und Bauchhöhle einschließlich der jeweiligen Organe. Leber, Nieren, Nebennieren und Hoden werden so bald wie möglich nach der Sektion feucht gewogen, um ein Austrocknen zu verhindern. Die folgenden Organe und Gewebe sind für eine eventuelle spätere histopathologische Untersuchung in einem geeigneten Medium aufzubewahren: alle Organe mit makroskopischen Veränderungen, Gehirn, einschließlich Medulla/Pons, der Kleinhirn- und Großhirnrinde, der Hypophyse, der Schilddrüse/Nebenschilddrüse, des Thymusgewebes, von Trachea und Lungen, Herz, Aorta, (Speicheldrüse), Leber, Milz, Nieren, Nebennieren, Pankreas, Gonaden, Uterus, akzessorische Geschlechtsorgane, Gallenblase (sofern vorhanden), Oesophagus, Magen, Duodenum, Jejunum, Ileum, Coecum, Kolon, Rektum, Harnblase, repräsentative Lymphknoten (weibliche Brustdrüse), (Oberschenkelmuskulatur), Nerven des peripheren Systems, Brustbein mit Knochenmark (Augen), (Femur, einschließlich Gelenkoberfläche), (Wirbelsäule in drei Ebenen: Hals-, mittlerer Thorax- und Lendenbereich) sowie (extraorbitale Tränendrüse). Die in Klammern angegebenen Gewebe sind nur bei Anzeichen von Toxizität oder bei Einbeziehung des Zielorgans zu untersuchen.

Histopathologische Untersuchung

a) Bei allen Tieren der Kontrollgruppe und den Tieren mit der höchsten Dosis ist eine vollständige histopathologische Untersuchung der behandelten und der unbehandelten Hautflächen sowie der Organe und Gewebe durchzuführen.

b) Alle Organe mit makroskopischen Veränderungen sind zu untersuchen.

c) Die Zielorgane der Tiere der anderen Dosisgruppen sind zu untersuchen.

d) Werden Ratten benutzt, sind die Lungen der Tiere in der Gruppe mit niedriger und mittlerer Dosierung zur Feststellung einer möglichen Infektion histopathologisch so zu untersuchen, dass eine geeignete Beurteilung des Gesundheitszustandes der Tiere möglich ist. Weitere histopathologische Untersuchungen der Tiere dieser Gruppen sind routinemäßig nicht erforderlich, müssen jedoch bei den Tieren der Gruppe mit der höchsten Dosierung stets für alle geschädigten Organe durchgeführt werden.

e) Bei den Tieren der Satellitengruppe sind jene Organe und Gewebe histopathologisch zu untersuchen, die in den behandelten Gruppen auf die Prüfsubstanz reagierten.

2.   DATEN

Die Daten sind in tabellarischer Form zusammenzufassen. Daraus muss für jede Versuchsgruppe die Zahl der Tiere zu Beginn des Versuchs, die Zahl der Tiere mit Veränderungen, die Art der Veränderungen sowie der Prozentsatz der Tiere für jede Art der Veränderung hervorgehen. Die Ergebnisse sind durch ein geeignetes statistisches Verfahren zu bewerten. Hierzu ist eine anerkannte statistische Methode heranzuziehen.

3.   ABSCHLUSSBERICHT

3.1.   PRÜFBERICHT

Im Prüfbericht ist, wenn möglich, Folgendes anzugeben:

 Tierarten, Tierstamm, Herkunft, Haltungsbedingungen, Fütterung;

 Versuchsbedingungen;

 Dosierungen (ggf. Vehikel) und Konzentrationen;

 Daten über toxische Reaktionen nach Geschlecht und Dosierung;

 nichttoxische Dosis, sofern möglich;

 Zeitpunkt des Todes während des Versuchs bzw. Angabe, ob die Tiere den Versuch überlebten;

 Beschreibung toxischer oder anderer Wirkungen;

 Zeitpunkt der Beobachtung der einzelnen Vergiftungssymptome und deren weiterer Verlauf;

 Angaben über Futterverbrauch und Körpergewichtsentwicklung;

 ophthalmologische Befunde;

 hämatologische Tests und deren Ergebnisse;

 klinisch-chemische Tests und deren Ergebnisse (einschließlich Ergebnis einer evtl. Urinanalyse);

 Sektionsbefunde;

 detaillierte Beschreibung aller histopathologischen Befunde;

 statistische Auswertung der Ergebnisse, sofern möglich;

 Diskussion der Ergebnisse;

 Bewertung der Ergebnisse.

3.2.   INTERPRETATION

Siehe allgemeine Einleitung zu Teil B.

4.   LITERATUR

Siehe allgemeine Einleitung zu Teil B.

▼M4

B.29   PRÜFUNG AUF SUB-CHRONISCHE TOXIZITÄT NACH INHALATION — 90-TAGE-TEST

ZUSAMMENFASSUNG

Diese überarbeitete Prüfmethode B.29 wurde entwickelt, um die Toxizität der Prüfsubstanz nach Inhalation über einen subchronischen Zeitraum (90 Tage) umfassend zu beschreiben und um robuste Daten für die quantitative Bewertung des Inhalationsrisikos zu gewinnen. Gruppen von zehn männlichen und zehn weiblichen Nagern werden über einen Zeitraum von 90 Tagen (13 Wochen) 6 Stunden am Tag a) der Prüfsubstanz in drei oder mehr Konzentrationsstufen, b) gefilterter Luft (negative Kontrolle) und/oder c) dem Vehikel (Vehikelkontrolle) ausgesetzt. Im Allgemeinen werden die Tiere der Prüfsubstanz an fünf Tagen pro Woche ausgesetzt, aber auch sieben Tage pro Woche sind zulässig. Es werden immer männliche und weibliche Tiere geprüft, aber sie können unterschiedlichen Konzentrationsstufen ausgesetzt werden, wenn bekannt ist, dass ein Geschlecht empfindlicher auf eine bestimmte Prüfsubstanz reagiert als das andere. Bei dieser Methode hat der Studienleiter die Möglichkeit, Satellitengruppen (Reversibilitätsprüfung) aufzunehmen, Tiere im Verlauf der Studie zu töten, sowie eine bronchoalveoläre Lavage (BAL), neurologische Tests, zusätzliche klinische Pathologieuntersuchungen und histopathologische Untersuchungen durchzuführen, um die Toxizität einer Prüfsubstanz besser beschreiben zu können.

EINLEITUNG

1. Diese Prüfmethode entspricht der OECD-Prüfrichtlinie 413 (2009). Die ursprüngliche Prüfrichtlinie 413 (TG 413) zur subchronischen Inhalation wurde 1981 angenommen (1). Diese Prüfmethode B.29 (die der überarbeiteten TG 413 (2009) entspricht), wurde aktualisiert, um dem neuesten Stand der Wissenschaft Rechnung zu tragen und derzeitige und künftige Regulierungsanforderungen zu erfüllen.

2. Prüfungen auf subchronische Toxizität nach Inhalation haben hauptsächlich den Zweck, die in Vorschriften festzusetzenden Konzentration zu bestimmen, nach denen das Risiko für Arbeitnehmer im beruflichen Umfeld beurteilt wird. Sie werden auch verwendet, um das mit einer Exposition verbundene Risiko für den Menschen am Wohnort, im Verkehr und in der Umwelt zu beurteilen. Diese Methode ermöglicht die Beschreibung der schädlichen Wirkungen nach wiederholter täglicher inhalativer Exposition gegen eine Prüfsubstanz für einen Zeitraum von 90 Tagen (etwa 10 % der Lebenszeit einer Ratte). Die in Prüfungen auf subchronische Toxizität nach Inhalation gewonnenen Daten können für quantitative Risikobewertungen und für die Auswahl von Konzentrationen für chronische Prüfungen verwendet werden. Diese Prüfmethode ist nicht speziell für die Prüfung von Nanomaterialien bestimmt. Die im Zusammenhang mit dieser Prüfmethode verwendeten Begriffe werden am Ende dieses Kapitels und im Guidance Document (GD 39 (2)) definiert.

AUSGANGSÜBERLEGUNGEN

3. Um die Qualität der Studie zu verbessern und möglichst wenig Versuchstiere zu verwenden, sollte das Prüflabor vor Durchführung der Studie alle verfügbaren Informationen über die Prüfsubstanz berücksichtigen. Für die Auswahl der am besten geeigneten Prüfkonzentrationen könnten u. a. Informationen wie die Identität, die chemische Struktur und die physikalisch-chemischen Eigenschaften der Prüfsubstanz, Ergebnisse jeglicher In-vitro- oder In-vivo-Toxizitätsprüfungen, vorgesehene Verwendungen und die Möglichkeit der Exposition des Menschen, (Q)SAR-Daten und toxikologische Daten über strukturverwandte Substanzen sowie Daten aus anderen Studien mit wiederholter Exposition herangezogen werden. Falls Neurotoxizität erwartet oder im Verlauf der Studie beobachtet wird, kann der Studienleiter beschließen, geeignete Untersuchungen wie eine FOB (functional observational battery) und die Messung der motorischen Aktivität aufzunehmen. Obwohl die Expositionszeit bei bestimmten Untersuchungen ein kritischer Aspekt sein kann, darf die Durchführung dieser zusätzlichen Versuche die Auslegung der Hauptstudie nicht beeinträchtigen.

4. Verdünnungen ätzender oder reizender Prüfsubstanzen können in Konzentrationen geprüft werden, die den gewünschten Toxizitätsgrad erzielen. Weitere Informationen sind GD 39 (2) zu entnehmen. Wenn Versuchstiere diesen Stoffen ausgesetzt werden, sollten die Zielkonzentrationen so niedrig sein, dass sie keine starken Schmerzen oder Leiden verursachen; sie sollten aber ausreichen, um die Konzentrations-Wirkungs-Kurve so zu erweitern, dass das regulatorische und wissenschaftliche Ziel der Prüfung erreicht wird. Diese Konzentrationen sollten von Fall zu Fall festgelegt werden, möglichst auf Basis einer entsprechend ausgelegten Dosisfindungsstudie, die Informationen über den kritischen Endpunkt, eine etwaige Reizschwelle und den Zeitpunkt des Einsetzens der Wirkung liefert (siehe Nummern 11, 12 und 13). Die Wahl der Konzentration ist zu begründen.

5. Moribunde Tiere oder Tiere, die Anzeichen starker und andauernder Qualen zeigen, sollten tierschutzgerecht getötet werden. Moribunde Tiere werden auf die gleiche Weise gewertet wie während des Tests gestorbene Tiere. Kriterien für die Entscheidung, moribunde oder schwer leidende Tiere zu töten, sowie Hinweise zur Erkennung des absehbaren oder bevorstehenden Todes sind Gegenstand des OECD Guidance Document on Humane Endpoints (3).

BESCHREIBUNG DER METHODE

Auswahl von Versuchstierarten

6. Es sind junge, gesunde, adulte Nagetiere aus üblicherweise eingesetzten Laborstämmen zu verwenden. Bevorzugtes Versuchstier ist die Ratte. Wird eine andere Tierart eingesetzt, ist dies zu begründen.

Vorbereitung der Tiere

7. Die weiblichen Tiere dürfen weder bereits geworfen haben noch momentan trächtig sein. Am Tag der Randomisierung sollten die jungen, adulten Tiere 7 bis 9 Wochen alt sein; ihr Körpergewicht sollte innerhalb von ± 20 % des mittleren Gewichts für jedes Geschlecht liegen. Die Tiere werden nach Zufallskriterien ausgewählt, zur individuellen Identifizierung markiert und vor Beginn der Prüfung für einen Zeitraum von mindestens fünf Tagen in ihren Käfigen an die Laborbedingungen gewöhnt.

Tierhaltung

8. Um die Beobachtungen zu erleichtern und Verwechslungen auszuschließen, sollten die Tiere möglichst mit einem subkutanen Transponder einzeln gekennzeichnet werden. Die Temperatur in dem Raum, in dem die Versuchstiere gehalten werden, sollte 22 ± 3 °C betragen. Die relative Luftfeuchtigkeit sollte im Idealfall im Bereich zwischen 30 und 70 % liegen; bei Verwendung von Wasser als Vehikel könnte dies jedoch unmöglich sein. Die Tiere sollten vor und nach den Expositionen im Allgemeinen nach Geschlecht und Konzentration in Käfigen gruppiert werden, wobei aber die Anzahl der Tiere pro Käfig noch eine genaue Beobachtung der einzelnen Tiere ermöglichen muss und Verluste aufgrund von Kannibalismus oder Kämpfen minimiert werden sollten. Wenn die Tiere der Prüfsubstanz nur mit der Nase ausgesetzt werden sollen, müssen sie möglicherweise an die Restrainer gewöhnt werden. Die Restrainer sollten die Tiere weder körperlich noch in Bezug auf Wärme oder Fixierung übermäßig beeinträchtigen. Die Fixierung kann physiologische Endpunkte wie Körpertemperatur (Hyperthermie) und/oder das Atemminutenvolumen beeinflussen. Wenn generische Daten zeigen, dass keine derartigen Veränderungen in nennenswertem Ausmaß vorkommen, ist eine Eingewöhnung an die Restrainer nicht erforderlich. Bei der Ganzkörperexposition gegen ein Aerosol sollten die Tiere während der Exposition einzeln untergebracht sein, damit sie die Prüfsubstanz nicht durch das Fell ihrer Käfiggenossen filtriert einatmen. Außer während der Exposition kann herkömmliches und zertifiziertes Labortierfutter verwendet werden bei uneingeschränkter Versorgung mit Trinkwasser. Die Beleuchtung sollte künstlich sein und die Hell- und Dunkelphasen sollten sich im Abstand von 12 Stunden abwechseln.

Inhalationskammern

9. Bei der Auswahl einer Inhalationskammer sind die Art der Prüfsubstanz und der Gegenstand der Prüfung zu berücksichtigen. Das bevorzugte Verfahren ist die „Nose-only“-Exposition (dieser Begriff umfasst „nur Kopf“, „nur Nase“ oder „nur Schnauze“). Für die Untersuchung von Flüssigkeits- oder Feststoffaerosolen und für Dämpfe, die zu Aerosolen kondensieren können, wird im Allgemeinen die „Nose-only“-Exposition bevorzugt. Besondere Ziele der Untersuchung können möglicherweise mit einer Ganzkörperexposition besser erreicht werden, doch dies sollte im Prüfbericht begründet werden. Um bei Verwendung einer Ganzkörperkammer die Stabilität der Atmosphäre sicherzustellen, sollte das Gesamtvolumen der Versuchstiere 5 % des Volumens der Kammer nicht übersteigen. Die Grundzüge der „Nose-only“- und der Ganzkörperexposition sowie ihre jeweiligen Vor- und Nachteile sind in GD 39 (2) beschrieben.

TOXIZITÄTSSTUDIEN

Grenzkonzentrationen

10. Anders als bei Studien zur akuten Toxizität gibt es bei Prüfungen auf subchronische Toxizität nach Inhalation keine festgelegten Grenzkonzentrationen. Bei der Festlegung der maximalen Prüfkonzentration ist Folgendes zu beachten: 1) die höchste erreichbare Konzentration, 2) das maximale Expositionsniveau von Menschen (‚worst case), 3) die Notwendigkeit, eine ausreichende Sauerstoffversorgung aufrechtzuerhalten, und 4) Tierschutzerwägungen. Gibt es keine auf Daten basierenden Grenzwerte, können die akuten Grenzwerte der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 (13) zugrunde gelegt werden (d. h. bis zu einer Höchstkonzentration von 5 mg/l bei Aerosolen, 20 mg/l bei Dämpfen und 20 000 ppm bei Gasen); siehe GD 39 (2). Wenn diese Grenzen bei der Prüfung von Gasen oder hochflüchtigen Prüfsubstanzen (z. B. Kältemitteln) überschritten werden müssen, ist dies zu begründen. Die Grenzkonzentration muss eine eindeutige Toxizität hervorrufen, ohne den Tieren übermäßigen Stress zu bereiten oder ihre Lebensdauer zu beeinträchtigen (3).

Dosisfindungsstudie

11. Vor Beginn der Hauptstudie muss in der Regel eine Dosisfindungsstudie durchgeführt werden. Diese ist umfassender als eine Vorstudie, weil sie nicht auf die Wahl der Konzentration begrenzt ist. Die in einer Dosisfindungsstudie gewonnenen Erkenntnisse können zu einer erfolgreichen Hauptstudie führen. Sie kann z. B. technische Informationen zu den Analysemethoden, zur Partikelgröße, zur Erkennung toxischer Mechanismen, klinische Pathologiedaten und histopathologische Daten sowie Schätzungen möglicher NOAEL- und MTC-Konzentrationen in einer Hauptstudie liefern. Der Studienleiter kann entscheiden, mithilfe der Dosisfindungsstudie die Schwelle für die Reizung der Atemwege (z. B. durch histopathologische Untersuchung der Atemwege, Lungenfunktionsprüfung oder bronchoalveoläre Lavage), die höchste Konzentration, die von den Tieren ohne übermäßigen Stress toleriert wird, und die Parameter, die die Toxizität der Prüfsubstanz am besten beschreiben, zu identifizieren.

12. Eine Dosisfindungsstudie kann aus einer oder mehreren Konzentrationsstufen bestehen. Auf jeder Konzentrationsstufe sollten je nach den gewählten Endpunkten drei bis sechs männliche und drei bis sechs weibliche Tiere der Prüfsubstanz ausgesetzt werden. Eine Dosisfindungsstudie sollte mindestens fünf Tage und im Allgemeinen nicht mehr als 28 Tage dauern. Die Wahl der Konzentrationen für die Hauptstudie ist im Prüfbericht zu begründen. Ziel der Hauptstudie ist es, nachzuweisen, dass eine Beziehung zwischen der Konzentration und der Wirkung besteht, die am voraussichtlich empfindlichsten Endpunkt auftritt. Die niedrigste Konzentration sollte im Idealfall eine Konzentration sein, bei der keine zu beobachtenden schädlichen Wirkungen auftreten, und die höchste Konzentration sollte eine eindeutige Toxizität hervorrufen, ohne den Tieren übermäßigen Stress zu bereiten oder ihre Lebensdauer zu beeinträchtigen (3).

13. Bei der Auswahl der Konzentrationsstufen für die Dosisfindungsstudie sollten alle verfügbaren Informationen berücksichtigt werden, einschließlich der Struktur-Wirkungs-Beziehungen und der Daten über ähnliche Stoffe (siehe Nummer 3). Eine Dosisfindungsstudie kann bestätigen/widerlegen, welche Endpunkte nach mechanistischen Kriterien als die empfindlichsten Endpunkte angesehen werden, z. B. die Cholinesterasehemmung durch Organophosphate, die Methämoglobinbildung durch für Erythrozyten toxische Stoffe, Schilddrüsenhormone (T3, T4) im Fall von thyrotoxischen Stoffen, Proteine, LDH oder Neutrophile in bronchoalveolärer Lavage im Fall schwach löslicher unschädlicher Partikel oder lungenreizender Aerosole.

Hauptstudie

14. Die Hauptstudie zur Prüfung auf subchronische Toxizität umfasst im Allgemeinen drei Konzentrationsstufen sowie, falls erforderlich, eine gleichzeitige negative (Luft-)Kontrolle und/oder eine Vehikelkontrolle (siehe Nummer 18). Die Festlegung der geeigneten Expositionsstufen sollte sich auf alle verfügbaren Daten stützen, einschließlich der Ergebnisse systemischer Toxizitätsprüfungen, des Metabolismus und der Kinetik (hohe Konzentrationsstufen, die kinetische Prozesse sättigen, sind zu vermeiden). Jede Prüfgruppe umfasst zehn männliche und zehn weibliche Nager, die der Prüfsubstanz für einen Zeitraum von 13 Wochen an fünf Tagen in der Woche jeweils 6 Stunden pro Tag ausgesetzt werden (Gesamtdauer der Prüfung 90 Tage). Die Tiere können auch an sieben Tagen in der Woche exponiert werden (z. B. wenn inhalierte Arzneimittel geprüft werden). Ist bekannt, dass ein Geschlecht empfindlicher auf eine bestimmte Prüfsubstanz reagiert, können die Geschlechter unterschiedlichen Konzentrationsstufen ausgesetzt werden, um die Konzentrations-Wirkungs-Beziehung genauer zu bestimmen (siehe Nummer 15). Wenn für eine „Nose-only“-Exposition andere Nagetierarten als Ratten verwendet werden, kann die maximale Expositionsdauer angepasst werden, um artenspezifisches Leiden zu minimieren. Eine Expositionsdauer von weniger als 6 Stunden/Tag oder die Notwendigkeit einer Ganzkörperexpositionsstudie mit Langzeitexposition (z. B. 22 Stunden/Tag) ist zu begründen (siehe GD 39 (2). Während der Exposition sollte kein Futter verabreicht werden, es sei denn die Exposition dauert länger als 6 Stunden. Wasser kann während einer Ganzkörperexposition jederzeit angeboten werden.

15. Die gewählten Zielkonzentrationen sollen es ermöglichen, die Zielorgane zu identifizieren und eine deutliche Konzentrations-Wirkungs-Beziehung zu belegen:

 Die hohe Konzentrationsstufe sollte toxische Wirkungen hervorrufen, aber keine anhaltenden Symptome oder Todesfälle verursachen, die eine Auswertung der Ergebnisse beeinträchtigen würden.

 Der Abstand zwischen den mittleren Konzentrationsstufen muss eine Abstufung der toxischen Wirkungen zwischen der niedrigen und der hohen Konzentration ermöglichen.

 Die untere Konzentrationsstufe sollte praktisch keine Toxizitätszeichen hervorrufen.

Tötungen im Verlauf der Studie

16. Sollen im Verlauf des Versuchs Tiere getötet werden, so muss die Zahl der Tiere jeder Expositionsstufe um die Zahl der Tiere erhöht werden, die schon vor Versuchsende getötet werden sollen. Tötungen im Verlauf der Studie sind zu begründen und in den statistischen Analysen entsprechend zu berücksichtigen.

Satellitenstudie (Reversibilität)

17. Es kann eine Satellitenstudie durchgeführt werden, um die Tiere für einen angemessenen Zeitraum nach der Behandlung (mindestens 14 Tage) auf Reversibilität, Persistenz oder ein verzögertes Auftreten von Toxizität zu beobachten. Satellitengruppen bestehen aus zehn männlichen und zehn weiblichen Tieren, die der Prüfsubstanz gleichzeitig mit den Versuchstieren der Hauptstudie ausgesetzt werden. Dabei sollten sie der Prüfsubstanz auf der höchsten Konzentrationsstufe ausgesetzt werden, und erforderlichenfalls sollte es gleichzeitige Luft- und/oder Vehikelkontrollen geben (siehe Nummer 18).

Kontrolltiere

18. Eine gleichzeitige negative (Luft-)Kontrollgruppe ist genauso zu behandeln wie die Prüfgruppe, außer dass die Tiere nicht der Prüfsubstanz, sondern gefilterter Luft ausgesetzt werden. Wenn die Prüfatmosphäre mithilfe von Wasser oder einem anderen Stoff erzeugt wird, ist statt der negativen (Luft-)Kontrollgruppe eine Vehikelkontrollgruppe zu verwenden. Wenn möglich sollte Wasser als Vehikel benutzt werden. In diesem Fall sind die Tiere Luft mit derselben relativen Luftfeuchtigkeit auszusetzen wie die exponierten Gruppen. Das geeignete Vehikel ist auf der Grundlage einer geeigneten Vorstudie oder von historischen Daten auszuwählen. Ist die Toxizität eines Vehikels unklar, kann der Studienleiter beschließen, sowohl eine negative (Luft-)Kontrolle als auch eine Vehikelkontrolle zu verwenden; hiervon wird jedoch dringend abgeraten. Wenn historische Daten belegen, dass ein Vehikel nicht toxisch ist, besteht keine Notwendigkeit für eine negative (Luft-)Kontrollgruppe und es sollte nur eine Vehikelgruppe verwendet werden. Ergibt eine Vorstudie einer in einem Vehikel formulierten Prüfsubstanz, dass keine Toxizität vorliegt, ist das Vehikel folglich in der geprüften Konzentration nicht toxisch, und diese Vehikelkontrolle sollte verwendet werden.

EXPOSITIONSBEDINGUNGEN

Verabreichung der Konzentrationen

19. Die Tiere werden der Prüfsubstanz in Form von Gas, Dampf, Aerosol oder einer Kombination dieser Formen ausgesetzt. Der zu prüfende Aggregatzustand hängt von den physikalisch-chemischen Eigenschaften der Prüfsubstanz, den gewählten Konzentrationen und/oder der physikalischen Form ab, in der die Prüfsubstanz bei der Handhabung und Verwendung am wahrscheinlichsten vorliegt. Hygroskopische und chemisch reaktive Prüfsubstanzen sollten bei geringer Luftfeuchtigkeit geprüft werden. Dabei ist darauf zu achten, dass keine explosionsfähigen Konzentrationen erzeugt werden. Bei Partikeln kann die Partikelgröße durch mechanische Prozesse verringert werden. GD 39 (2) enthält nähere Hinweise.

Partikelgrößenverteilung

20. Bei allen Aerosolen und bei Dämpfen, die zu Aerosolen kondensieren können, sollte die Partikelgröße bestimmt werden. Damit alle relevanten Regionen der Atemwege der Prüfsubstanz ausgesetzt werden, werden mittlere aerodynamische Massendurchmesser (Mass Median Aerodynamic Diameter — MMAD) von 1 bis 3 μm mit einer geometrischen Standardabweichung (σg) von 1,5 bis 3,0 empfohlen (4). Wenngleich nach Möglichkeit versucht werden sollte, diese Werte zu erreichen, ist Fachwissen erforderlich, falls sie nicht erzielt werden können. Metalldampfpartikel liegen z. B. unter diesen Werten, geladene Partikel und Fasern dagegen können diese Werte überschreiten.

Vorbereitung der Prüfsubstanz in einem Vehikel

21. Im Idealfall sollte die Prüfsubstanz ohne ein Vehikel geprüft werden. Wenn für die Erzeugung einer geeigneten Prüfsubstanzkonzentration oder Partikelgröße ein Vehikel verwendet werden muss, ist Wasser zu bevorzugen. Wird eine Prüfsubstanz in einem Vehikel gelöst, so ist seine Stabilität nachzuweisen.

ÜBERWACHUNG DER EXPOSITIONSBEDINGUNGEN

Luftstrom in der Inhalationskammer

22. Der Luftstrom durch die Kammer sollte während jeder Exposition sorgfältig geregelt, kontinuierlich überwacht und mindestens stündlich protokolliert werden. Die Echtzeit-Überwachung der Konzentration (oder zeitlichen Stabilität) der Prüfatmosphäre ist eine integrale Messung aller dynamischen Parameter und gibt indirekt die Möglichkeit, alle relevanten dynamischen Inhalationsparameter zu messen. Wenn die Konzentration in Echtzeit überwacht wird, kann die Frequenz der Messung der Luftströme auf eine einzige Messung je Exposition und Tag reduziert werden. Es sollte besonders darauf geachtet werden, das erneute Einatmen in „Nose-only“-Expositionskammern zu vermeiden. Die Sauerstoffkonzentration sollte mindestens 19 % betragen, und die Kohlendioxidkonzentration sollte 1 % nicht überschreiten. Gibt es Grund zu der Annahme, dass diese Werte nicht eingehalten werden können, sind die Sauerstoff- und Kohlendioxidkonzentrationen zu messen. Wenn die Messungen am ersten Expositionstag die richtigen Werte dieser Gase bestätigen, sollten keine weiteren Messungen erforderlich sein.

Temperatur und relative Luftfeuchtigkeit in der Inhalationskammer

23. Die Temperatur in der Inhalationskammer sollte 22 ± 3 °C betragen. Sowohl bei der „Nose-only“- als auch bei der Ganzkörperexposition sollte die relative Luftfeuchtigkeit im Atembereich der Tiere kontinuierlich überwacht und während jeder Exposition möglichst stündlich dokumentiert werden. Die relative Luftfeuchtigkeit sollte möglichst zwischen 30 und 70 % liegen, was jedoch möglicherweise nicht erreichbar ist (z. B. bei der Prüfung von wasserbasierten Mischungen) oder wegen chemischer Interferenz mit der Prüfmethode nicht gemessen werden kann.

Prüfsubstanz: nominale Konzentration

24. Die nominale Konzentration in der Expositionskammer sollte möglichst berechnet und protokolliert werden. Die nominale Konzentration ist die Masse der erzeugten Prüfsubstanz dividiert durch das Gesamtvolumen der durch die Inhalationskammer geleiteten Luft. Sie wird nicht zur Beschreibung der Exposition der Tiere verwendet; vielmehr gibt ein Vergleich der nominalen Konzentration und der tatsächlichen Konzentration Aufschluss über die Effizienz des Prüfsystems bei der Erzeugung der Prüfkonzentration und kann daher für die Aufdeckung von Problemen bei dieser Erzeugung verwendet werden.

Prüfsubstanz: tatsächliche Konzentration

25. Die tatsächliche Konzentration ist die Konzentration der Prüfsubstanz im Atembereich der Tiere in einer Inhalationskammer. Die tatsächlichen Konzentrationen können entweder durch spezifische Methoden (z. B. direkte Probenahme, adsorptive Methoden oder chemische Reaktionsverfahren mit anschließender analytischer Charakterisierung) oder durch unspezifische Methoden wie Gravimetrie bestimmt werden. Die gravimetrische Methode ist lediglich für Aerosole mit nur einem Bestandteil in Pulverform oder Aerosole von Flüssigkeiten mit geringer Flüchtigkeit akzeptabel und sollte sich auf geeignete, vor der Studie zu erstellende und für die Prüfsubstanz spezifische Beschreibungen stützen. Die Konzentration von Aerosolen mit mehreren Bestandteilen in Pulverform kann ebenfalls gravimetrisch bestimmt werden. Hierzu muss jedoch mit Analysedaten belegt werden, dass die Schwebstoffe eine ähnliche Zusammensetzung haben wie das Ausgangsmaterial. Liegen diese Angaben nicht vor, muss die Prüfsubstanz (im Idealfall im Schwebezustand) möglicherweise im Verlauf der Studie in regelmäßigen Abständen neu analysiert werden. Bei aerosolisierten Agenzien, die verdunsten oder sublimieren können, sollte gezeigt werden, dass alle Phasen von der gewählten Methode erfasst wurden.

26. Für die gesamte Dauer der Studie sollte möglichst eine Partie der Prüfsubstanz verwendet werden; die Probe sollte unter Bedingungen aufbewahrt werden, die ihre Reinheit, Homogenität und Stabilität gewährleisten. Die Prüfsubstanz sollte vor Beginn der Studie mit Angaben zur Reinheit und, falls technisch machbar, zur Identität sowie zu Mengen identifizierter Schadstoffe und Verunreinigungen beschrieben werden. Hierzu können unter anderem die folgenden Daten verwendet werden: Retentionszeit und relative Peakfläche, durch Massenspektrometrie oder Gaschromatographie bestimmtes Molekulargewicht oder andere Werte. Das Prüflabor ist zwar nicht für die Identität der Probe verantwortlich, doch es kann ratsam sein, dass es die Beschreibung des Auftraggebers zumindest in gewissen Grenzen (z. B. Farbe, physikalische Beschaffenheit usw.) überprüft.

27. Die Expositionsatmosphäre ist so konstant wie möglich zu halten. Um die Stabilität der Expositionsbedingungen nachzuweisen, kann ein Echtzeitüberwachungsgerät verwendet werden, z. B. ein Aerosol-Photometer für Aerosole oder ein Gesamtkohlenwasserstoff-Analysator (THC) für Dämpfe. Die tatsächliche Konzentration in der Kammer sollte an jedem Expositionstag für jede Expositionsstufe mindestens dreimal gemessen werden. Falls dies wegen geringer Luftdurchflussraten oder niedriger Konzentrationen nicht möglich ist, reicht eine Probe je Expositionsperiode. Im Idealfall sollte diese Probe dann über die gesamte Expositionszeit gewonnen werden. Die einzelnen Proben der Konzentration in der Kammer sollten bei Gasen und Dämpfen nicht mehr als ± 10 % und bei Flüssig- oder Feststoffaerosolen nicht mehr als ± 20 % von der mittleren Kammerkonzentration abweichen. Die Zeit bis zum Erreichen eines Gleichgewichts in der Kammer (t95) ist zu berechnen und zu dokumentieren. Die Expositionsdauer erstreckt sich über den Zeitraum, in dem die Prüfsubstanz erzeugt wird. Dies schließt die Zeiten zur Erreichung des Gleichgewichts in der Kammer (t95) und zum Abbau der Konzentrationen ein. GD 39 (2) enthält Hinweise zur Einschätzung von t95.

28. Bei sehr komplexen Mischungen aus Gasen/Dämpfen und Aerosolen (z. B. Verbrennungsatmosphären und Prüfsubstanzen, die aus hierzu bestimmten Endverbraucherprodukten/-geräten gesprüht werden), kann sich jede Phase in einer Inhalationskammer anders verhalten. Daher sollte mindestens eine Indikatorsubstanz (Analyt), normalerweise der wichtigste Wirkstoff in der Mischung, von jeder Phase (Gas/Dampf und Aerosol) ausgewählt werden. Wenn die Prüfsubstanz eine Mischung ist, sollte die Analysekonzentration für die gesamte Mischung und nicht nur für den Wirkstoff oder die Indikatorsubstanz (Analyt) dokumentiert werden. Weitere Informationen zu tatsächlichen Konzentrationen sind in GD 39 (2) zu finden.

Prüfsubstanz: Partikelgrößenverteilung

29. Die Partikelgrößenverteilung von Aerosolen sollte auf jeder Konzentrationsstufe mindestens wöchentlich mit einem Kaskaden-Impaktor oder einem anderen Messgerät wie einem APS bestimmt werden. Kann nachgewiesen werden, dass die mit einem Kaskaden-Impaktor und dem alternativen Messgerät erzielten Ergebnisse gleichwertig sind, so kann das alternative Instrument während der gesamten Studie verwendet werden.

30. Parallel zum Hauptinstrument ist ein zweites Gerät wie ein Gravimetriefilter oder eine Gaswaschflasche zu verwenden, um den Abscheidegrad des Hauptinstruments zu bestätigen. Die durch die Partikelgrößenanalyse bestimmte Massenkonzentration sollte innerhalb vertretbarer Grenzen um die durch die Filteranalyse bestimmte Massenkonzentration liegen [siehe GD 39 (2)]. Wenn die Gleichwertigkeit bei allen geprüften Konzentrationen zu Beginn der Studie nachgewiesen werden kann, kann auf weitere bestätigende Messungen verzichtet werden. Aus Tierschutzgründen sollten Vorkehrungen getroffen werden, um unklare Daten zu minimieren, die dazu führen könnten, dass eine Exposition wiederholt werden muss.

31. Wenn die Möglichkeit besteht, dass Dampfkondensation zur Bildung eines Aerosols führen kann, oder wenn in einer Dampfatmosphäre mit dem Potenzial für gemischte Phasen Partikel nachgewiesen werden, sollte eine Partikelgrößenbestimmung für Dämpfe vorgenommen werden.

BEOBACHTUNGEN

32. Die Tiere sollten vor, während und nach der Exposition auf klinische Zeichen beobachtet werden. Je nach Reaktion der Tiere während der Exposition können häufigere Beobachtungen angezeigt sein. Wenn die Beobachtung der Tiere durch die Verwendung von Restrainern, wegen schlecht beleuchteter Ganzkörperkammern oder getrübter Atmosphäre erschwert ist, sind die Tiere nach der Exposition sorgfältig zu beobachten. Durch Beobachtungen vor der Exposition am folgenden Tag kann beurteilt werden, ob toxische Wirkungen sich zurückgebildet oder verschlimmert haben.

33. Sämtliche Beobachtungen werden in Einzelprotokollen dokumentiert, die für jedes Tier geführt werden. Wenn Tiere aus humanen Gründen getötet werden oder ihr Tod festgestellt wird, sollte der Todeszeitpunkt so genau wie möglich registriert werden.

34. Die Beobachtungen der Tiere sollten sich insbesondere auf Veränderungen an Haut, Fell, Augen, Schleimhäuten, des Atmungs- und Kreislaufsystems, des Nervensystems sowie auf Somatomotorik und Verhaltensmuster erstrecken. Besonderes Augenmerk ist auf Tremor, Konvulsionen, Salivation, Diarrhö, Lethargie, Schlaf und Koma zu richten. Die Messung der Rektaltemperatur kann zusätzliche Belege für mit der Behandlung oder Unterbringung zusammenhängende Reflex-Bradypnoe oder Hypo-/Hyperthermie liefern. Darüber hinaus können zusätzliche Aspekte wie Kinetik, Biomonitoring, Lungenfunktion, Retention schlecht löslicher Stoffe, die im Lungengewebe akkumulieren, und Verhaltensstörungen in das Studienprotokoll aufgenommen werden.

KÖRPERGEWICHT

35. Das Körpergewicht der einzelnen Tiere sollte kurz vor der ersten Exposition (Tag 0), danach zweimal wöchentlich (z. B. freitags und montags, um die Erholung während eines expositionsfreien Wochenendes nachzuweisen, oder in einem Zeitintervall, das die Beurteilung der systemischen Toxizität ermöglicht) und zum Zeitpunkt des Todes oder der Tötung dokumentiert werden. Treten in den ersten vier Wochen keine Wirkungen auf, kann das Körpergewicht während der restlichen Studiendauer wöchentlich gemessen werden. Satellitentiere (Reversibilitätsprüfung) (falls verwendet) sollten während der gesamten Erholungsphase weiterhin wöchentlich gewogen werden. Am Ende der Studie sollten alle Tiere kurz vor der Tötung gewogen werden, um eine objektive Berechnung der Organ-Körpergewicht-Verhältnisse zu ermöglichen.

FUTTER- UND WASSERAUFNAHME

36. Die Futteraufnahme sollte wöchentlich gemessen werden. Auch die Wasseraufnahme kann gemessen werden.

KLINISCHE PATHOLOGIE

37. An allen Tieren, auch an Kontroll- und Satellitentieren (Reversibilitätsprüfung) sollten klinische Pathologieuntersuchungen durchgeführt werden, wenn sie getötet werden. Der Zeitraum zwischen dem Ende der Exposition und der Blutentnahme ist zu protokollieren, insbesondere wenn der betreffende Endpunkt rasch zu seinem ursprünglichen Wert zurückkehrt. Für Parameter mit einer kurzen Plasmahalbwertszeit (z. B. COHb, CHE und MetHb) ist die Probenahme nach Ende der Exposition angezeigt.

38. In Tabelle 1 sind die im Allgemeinen für alle Toxikologiestudien erforderlichen klinischen Pathologieparameter aufgeführt. In der Regel ist eine Urinanalyse nicht notwendig, kann aber durchgeführt werden, wenn sie wegen erwarteter oder festgestellter Toxizität für nützlich gehalten wird. Der Studienleiter kann beschließen, zusätzliche Parameter zu bestimmen, um die Toxizität einer Prüfsubstanz genauer zu beschreiben (z. B. Cholinesterase, Lipide, Hormone, Säure-Basen-Gleichgewicht, Methämoglobin oder Heinz-Körper, Creatin-Kinase, Verhältnis von myeloiden zu erythroiden Zellen, Troponin, arterielle Blutgase, Lactatdehydrogenase, Sorbitdehydrogenase, Glutamatdehydrogenase und γ-Glutamyltranspeptidase).



Tabelle 1

Klinische Standardpathologieparameter

Hämatologische Untersuchung

Erythrozytenzahl

Hämatokrit

Hämoglobinkonzentration

Mittleres korpuskuläres Hämoglobin

Mittleres Erythrozyteneinzelvolumen

Mittlere korpuskuläre Hämoglobinkonzentration

Retikulozyten

Gesamtleukozytenzahl

Differentialleukozytenzahl

Thrombozytenzahl

Gerinnungsfähigkeit (einen Wert wählen):

— Prothrombinzeit

— Blutgerinnungszeit

— Partielle Thromboplastinzeit

Klinische Chemie

Glucose (1)

Gesamtcholesterin

Triglyceride

Harnstoff-N

Gesamtbilirubin

Kreatinin

Gesamteiweiß

Albumin

Globulin

Alanin-Aminotransferase

Aspartat-Aminotransferase

Alkalische Phosphatase

Kalium

Natrium

Calcium

Phosphor

Chlorid

Urinuntersuchung (fakultativ)

Aussehen (Farbe und Trübung)

Menge

Spezifisches Gewicht oder Osmolarität

pH-Wert

Gesamtprotein

Glucose

Blut/Blutzellen

(*1)   Da ein längerer Futterentzug die Glucosemessungen bei den behandelten gegenüber den Kontrolltieren verzerren kann, sollte der Studienleiter entscheiden, ob eine Futterkarenz angezeigt ist. Die Dauer des Futterentzugs muss auf die verwendete Art abgestimmt sein; bei der Ratte kann sie 16 Stunden betragen (nächtliche Futterkarenz). Der Nüchternglucosewert kann nach nächtlicher Futterkarenz in der letzten Expositionswoche oder nach nächtlicher Futterkarenz vor der Nekropsie (in letzterem Fall zusammen mit allen anderen klinischen Pathologieparametern) bestimmt werden.

39. Gibt es Anhaltspunkte dafür, dass die unteren Atemwege (d. h. die Alveolen) die Hauptablagerungs- und Retentionsorte sind, kann die bronchoalveoläre Lavage (BAL) die Methode der Wahl sein, um hypothesenbasierte Dosis-Wirkungs-Parameter quantitativ zu analysieren, wobei Alveolitis, Lungenentzündung und Phospholipidose im Vordergrund stehen. Auf diese Weise können Veränderungen der Dosis-Wirkungs-Beziehung und des zeitlichen Verlaufs alveolärer Läsionen angemessen untersucht werden. Die BAL-Flüssigkeit kann auf Gesamt- und Differenzialleukozytenzahl, Gesamtprotein und Laktatdehydrogenase analysiert werden. In Betracht gezogen werden können auch Parameter, die auf lysosomale Schäden, Phospholipidose, Fibrose und reizende oder allergische Entzündung hindeuten; dazu kann auch die Bestimmung entzündungsfördernder Zytokine/Chemokine gehören. BAL-Messungen dienen im Allgemeinen zur Ergänzung der Ergebnisse histopathologischer Untersuchungen, können sie aber nicht ersetzen. GD 39 (2) enthält eine Anleitung zur Durchführung der Lungenlavage.

OPHTHALMOLOGISCHE UNTERSUCHUNG

40. Mit einem Ophthalmoskop oder einem gleichwertigen Gerät werden vor der Verabreichung der Prüfsubstanz bei allen Tieren und nach Abschluss der Prüfung bei allen Hochkonzentrations- und Kontrollgruppen der Augenhintergrund, die brechenden Medien, die Iris und die Bindehaut untersucht. Werden Veränderungen der Augen festgestellt, sind alle Tiere in den anderen Gruppen, einschließlich der Satellitengruppe (Reversibilität) ebenfalls zu untersuchen.

MAKROSKOPISCHE PATHOLOGIE UND ORGANGEWICHTE

41. Alle Versuchstiere, einschließlich der Tiere, die während der Prüfung sterben oder aus Tierschutzgründen getötet und aus der Studie genommen werden, sind (falls möglich) vollständig zu entbluten und auf makroskopische Veränderungen zu untersuchen. Der Zeitabstand zwischen dem Ende der letzten Exposition des Tiers und seiner Tötung ist zu dokumentieren. Kann die Nekropsie nicht unmittelbar nach Auffinden eines toten Tieres erfolgen, sollte der Körper auf eine Temperatur gekühlt (nicht eingefroren) werden, die tief genug ist, um die Autolyse zu minimieren. Die Nekropsie ist baldmöglichst, in der Regel innerhalb von einem oder zwei Tagen durchzuführen. Alle makroskopischen Veränderungen sollten für jedes Tier protokolliert werden, wobei besonders auf Veränderungen der Atemwege zu achten ist.

42. In Tabelle 2 sind die Organe und Gewebe aufgeführt, die bei der Sektion zur histopathologischen Untersuchung in einem geeigneten Medium aufbewahrt werden sollten. Die Aufbewahrung der in [Klammern] gesetzten Organe und Gewebe sowie aller sonstigen Organe und Gewebe liegt im Ermessen des Studienleiters. Die durch Fettdruck hervorgehobenen Organe sind so bald wie möglich nach der Sektion von anhaftendem Gewebe zu befreien und feucht zu wiegen, um ein Austrocknen zu verhindern. Die Schilddrüse und die Nebenhoden sind nur zu wiegen, wenn dies notwendig ist, da ihre Befreiung von anhaftendem Gewebe die histopathologische Bewertung erschweren kann. Gewebe und Organe sind unmittelbar nach der Nekropsie und je nach verwendetem Fixierungsmittel mindestens 24-48 Stunden vor der Befreiung von anhaftendem Gewebe in 10 %ig gepuffertem Formalin oder einem anderen geeigneten Fixierungsmittel zu fixieren.

Tabelle 2

Bei der Nekropsie aufbewahrte Organe und Gewebe

Nebennieren

Aorta

Knochenmark (und/oder frisches Aspirat)

Gehirn (mit Schnitten von Cerebrum, Cerebellum und Medulla/Pons)

Caecum

Kolon

Duodenum

[Nebenhoden]

[Augen (Netzhaut, Sehnerv) und Lider]

Femur und Kniegelenk

Gallenblase (falls vorhanden)

[Hardersche Drüsen]

Herz

Ileum

Jejunum

Nieren

[Tränendrüsen (extraorbital)]

Larynx (3 Ebenen einschließlich der Basis der Epiglottis)

Leber

Lunge (alle Lungenlappen auf einer Ebene, einschließlich der Hauptbronchien)

Lymphknoten aus der Hilusregion der Lunge, insbesondere bei schlecht löslichen Prüfsubstanzen, die in Partikelform vorliegen. Für gründlichere Untersuchungen und/oder Studien mit immunologischem Schwerpunkt können zusätzliche Lymphknoten in Betracht gezogen werden, z. B. aus der mediastinalen, der cervicalen/submandibulären und/oder der aurikularen Region.

Lymphknoten (distal vom Eingangsort)

Brustdrüsen (weibliche)

Muskel (Oberschenkel)

Nasopharyngeale Gewebe (mindestens 4 Ebenen; 1 Ebene muss den Nasen-Rachen-Gang und das Lymphgewebe des Nasen-Rachen-Raums (NALT) umfassen.

Speiseröhre

[Riechkolben]

Ovarien

Pankreas

Nebenschilddrüsen

Periphere Nerven (N. ischiadicus oder N. tibialis, vorzugsweise in der Nähe des Muskels)

Hypophyse

Prostata

Rectum

Speicheldrüsen

Samenbläschen

Haut

Rückenmark (zervical, mittlerer Thoraxbereich und lumbar)

Milz

Brustbein

Magen

Zähne

Hoden

Thymus

Schilddrüse

[Zunge]

Trachea (mindestens 2 Ebenen mit einem Längsschnitt durch die Carina und 1 Querschnitt)

[Harnleiter]

[Harnröhre]

Harnblase

Uterus

Zielorgane

Alle makroskopischen Läsionen und Massen

43. Die Lungen sind in intaktem Zustand zu entfernen, zu wiegen und mit einem geeigneten Fixierungsmittel bei einem Druck von 20-30 cm Wasser zu behandeln, damit die Lungenstruktur erhalten bleibt (5). Die Schnitte werden bei allen Lungenlappen auf einer Ebene einschließlich der Hauptbronchien hergestellt; wenn eine Lungenlavage durchgeführt wird, ist der nicht gewaschene Lappen jedoch auf drei Ebenen zu schneiden (keine seriellen Schnitte).

44. Mindestens vier Ebenen der nasopharyngealen Gewebe sind zu untersuchen; eine der Ebenen sollte den Nasen-Rachen-Gang umfassen (5, 6, 7, 8, 9), damit das Plattenepithel, das (nicht Zilien-tragende respiratorische) Übergangsepithel, das (Zilien-tragende respiratorische) Flimmerepithel und das Riechepithel sowie das Lymphgewebe (NALT; 10,11) gründlich untersucht werden können. Drei Ebenen des Larynx sind zu untersuchen; eine dieser Ebenen sollte die Basis der Epiglottis enthalten (12). Mindestens zwei Ebenen der Trachea sind zu untersuchen, darunter ein Längsschnitt durch die Carina der Bifurkation der extrapulmonalen Bronchien und ein Querschnitt.

HISTOPATHOLOGIE

45. Die in Tabelle 2 aufgeführten Organe und Gewebe der Tiere in der Kontrollgruppe und der Gruppe mit der höchsten Konzentration und aller während der Studie gestorbenen oder getöteten Tiere sollten histopathologisch untersucht werden. Besonderes Augenmerk ist auf Atemwege, Zielorgane und makroskopische Veränderungen zu richten. Die Organe und Gewebe, die in der Gruppe mit der höchsten Konzentration makroskopische Veränderungen aufweisen, sollten in allen Gruppen untersucht werden. Der Studienleiter kann beschließen, histopathologische Untersuchungen bei zusätzlichen Gruppen durchzuführen, um eine eindeutige Konzentrationswirkung nachzuweisen. Umfasst eine Prüfung auch eine Satellitengruppe (Reversibilitätsprüfung), sind alle Gewebe und Organe histopathologisch zu untersuchen, bei denen in den Behandlungsgruppen Wirkungen aufgetreten sind. Treten in der Gruppe mit der höchsten Konzentration übermäßig viele frühzeitige Todesfälle oder andere Probleme auf, die die Signifikanz der Daten beeinträchtigen, so ist die nächstniedrigere Konzentration histopathologisch zu untersuchen. Man sollte versuchen, die makroskopischen Befunde mit den Ergebnissen der mikroskopischen Untersuchung zu korrelieren.

DATEN UND BERICHTERSTATTUNG

Daten

46. Körpergewichte, Futteraufnahme, Ergebnisse der klinischen Pathologie, makroskopische Befunde, Organgewichte und Ergebnisse der Histopathologie sind für die einzelnen Tiere anzugeben. Die Daten der klinischen Beobachtung sollten in tabellarischer Form zusammengefasst werden. Daraus müssen für jede Prüfgruppe die Anzahl der verwendeten Tiere, die Anzahl der Tiere mit spezifischen Toxizitätszeichen, die Anzahl der Tiere, die während der Prüfung tot aufgefunden oder vorzeitig getötet wurden, der Todeszeitpunkt der einzelnen Tiere, eine Beschreibung und der zeitliche Verlauf der toxischen Wirkungen und deren Reversibilität sowie die Sektionsbefunde ersichtlich sein. Sowohl die quantitativen als auch die gelegentlich erzielten Ergebnisse sind anhand eines geeigneten statistischen Verfahrens zu bewerten. Hierzu ist eine allgemein anerkannte Statistikmethode heranzuziehen; die Statistikmethoden sind bei der Auslegung der Studie festzulegen.

Prüfbericht

47. Der Prüfbericht sollte, soweit zutreffend, die folgenden Informationen enthalten:

Versuchstiere und Tierhaltung

 Beschreibung der Haltungsbedingungen mit Angaben zu Anzahl (oder Veränderung der Anzahl) der Tiere je Käfig, Einstreu, Umgebungstemperatur und relativer Luftfeuchtigkeit, Photoperiode und Futter,

 Art/Stamm und Begründung für die Verwendung einer anderen Art als der Ratte; Daten zur Herkunft der Tiere und historische Daten können angegeben werden, wenn sie Tiere mit ähnlichen Expositions-, Unterbringungs- und Futterkarenzbedingungen betreffen,

 Anzahl, Alter und Geschlecht der Tiere,

 Randomisierungsmethode,

 Beschreibung etwaiger Vorbereitung vor der Prüfung, einschließlich Ernährung, Quarantäne und Behandlung von Krankheiten.

Prüfsubstanz

 physikalische Beschaffenheit, Reinheit und, wenn maßgeblich, physikalisch-chemische Eigenschaften (einschließlich Isomerisierung),

 Angaben zur Identifikation und CAS-Nummer (Chemical Abstract Services), falls bekannt.

Vehikel

 Begründung für die Verwendung eines Vehikels sowie für die Wahl des Vehikels (falls nicht Wasser),

 historische oder parallel erzeugte Daten, die belegen, dass das Vehikel keinen Einfluss auf das Ergebnis der Studie hat.

Inhalationskammer

 ausführliche Beschreibung der Inhalationskammer mit Angabe des Volumens sowie ein Diagramm,

 Herkunft und Beschreibung der für die Exposition der Tiere sowie für die Erzeugung der Atmosphäre verwendeten Ausrüstung,

 Ausrüstung für die Messung von Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Partikelgröße und tatsächlicher Konzentration,

 Herkunft der Luft und Klimatisierungssystem,

 für die Kalibrierung der Ausrüstung verwendete Methoden, um eine homogene Prüfatmosphäre sicherzustellen,

 Druckunterschied (positiv oder negativ),

 Expositions-Öffnungen je Kammer („Nose-only“-Exposition); Anordnung der Tiere in der Kammer (Ganzkörperexposition),

 Stabilität der Prüfatmosphäre,

 Lage von Temperatur- und Feuchtigkeitssensoren und Ort der Probenahme der Prüfatmosphäre in der Kammer,

 Behandlung der zugeführten/entzogenen Luft,

 Luftdurchflussraten, Luftdurchflussrate/Expositions-Öffnung („Nose-only“-Exposition) oder Anzahl der Tiere je Kammer (Ganzkörperexposition),

 Zeit bis zum Erreichen des Gleichgewichts in der Inhalationskammer (t95),

 Zahl der Volumenänderungen pro Stunde,

 Messgeräte (falls zutreffend).

Expositionsdaten

 Begründung für die Wahl der Zielkonzentration in der Hauptstudie,

 nominale Konzentrationen (Gesamtmasse der in die Inhalationskammer eingeleiteten Prüfsubstanz dividiert durch das Volumen der durch die Kammer geleiteten Luft),

 im Atembereich der Tiere ermittelte tatsächliche Konzentrationen der Prüfsubstanz; bei Gemischen mit heterogenen physikalischen Formen (Gase, Dämpfe, Aerosole) kann jede Form getrennt analysiert werden,

 alle Luftkonzentrationen sollten in Masseneinheiten (z. B. mg/l, mg/m3 usw.) und nicht in Volumeneinheiten (z. B. ppm, ppb usw.) angegeben werden,

 Partikelgrößenverteilung, mittlerer aerodynamischer Massendurchmesser (MMAD) und geometrische Standardabweichung (σg), einschließlich der Berechnungsmethoden. Einzelne Partikelgrößenanalysen sind zu protokollieren.

Prüfbedingungen

 Angaben zur Vorbereitung der Prüfsubstanz, einschließlich Angaben zu den Verfahren zur Reduzierung der Partikelgröße von Feststoffen oder zur Herstellung von Lösungen der Prüfsubstanz,

 eine Beschreibung (möglichst mit Diagramm) der Ausrüstung, die zur Erzeugung der Prüfatmosphäre und zur Exposition der Tiere gegen die Prüfatmosphäre verwendet wurde,

 Angaben zur Ausrüstung, die für die Überwachung von Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Luftstrom in der Kammer verwendet wird (Erstellung einer Kalibrationskurve),

 Angaben zur Ausrüstung, mit der die Proben zur Bestimmung der Konzentration in der Kammer und der Partikelgrößenverteilung genommen werden,

 Angaben zur verwendeten chemischen Analysemethode und zur Validierung der Methode (einschließlich der Effizienz der Wiederfindung der Prüfsubstanz im Medium),

 Randomisierungsmethode für die Einteilung der Tiere in Prüf- und Kontrollgruppen,

 Angaben über Futter- und Wasserqualität (einschließlich Art/Herkunft des Futters, Wasserquelle),

 Begründung für die Wahl der Prüfkonzentrationen.

Ergebnisse

 tabellarische Darstellung von Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Luftstrom in der Kammer,

 tabellarische Darstellung von Daten zur nominalen und tatsächlichen Konzentration in der Kammer,

 tabellarische Darstellung der Partikelgrößendaten einschließlich Daten zur analytischen Probenahme, Partikelgrößenverteilung und Berechnung des MMAD und der σg,

 tabellarische Erfassung der erhobenen Daten und der Konzentration für jedes einzelne Tier (d. h. Tiere, die Anzeichen für Toxizität zeigen, einschließlich Mortalität, sowie Art, Schweregrad, Zeitpunkt des Einsetzens und Dauer der Wirkungen),

 tabellarische Darstellung des Körpergewichts der einzelnen Tiere,

 tabellarische Darstellung der Futteraufnahme,

 tabellarische Darstellung der klinischen Pathologieparameter,

 Sektionsbefunde und histopathologische Ergebnisse für jedes einzelne Tier, falls vorhanden.

Diskussion und Auswertung der Ergebnisse

 Besondere Aufmerksamkeit sollte der Beschreibung der Methoden gelten, die verwendet wurden, um die Kriterien dieser Prüfmethode zu erfüllen, z. B. die Grenzkonzentration oder die Partikelgröße.

 Die Lungengängigkeit von Partikeln vor dem Hintergrund der Gesamtbefunde sollte behandelt werden, insbesondere, wenn die Partikelgrößenkriterien nicht erfüllt werden konnten.

 Die Kohärenz der Methoden zur Bestimmung der nominalen und der tatsächlichen Konzentration sowie die Beziehung der tatsächlichen Konzentration zur nominalen Konzentration sind in die Gesamtbewertung der Studie aufzunehmen.

 Die wahrscheinliche Todesursache und die vorherrschende Wirkungsweise (systemisch oder lokal) sollten behandelt werden.

 Falls Tiere, die unter Schmerzen litten oder Zeichen für schweres und anhaltendes Leiden aufwiesen, auf humane Weise getötet werden mussten, ist eine Erklärung auf der Grundlage der Kriterien im OECD Guidance Document on Humane Endpoints (3) zu geben.

 Die Zielorgane sollten identifiziert werden.

 Der NOAEL und der LOAEL sollten bestimmt werden.

LITERATUR:

1. OECD (1981). Subchronic Inhalation Toxicity Testing, Original Test Guideline No 413, Environment Directorate, OECD, Paris.

2. OECD (2009). Guidance Document on Acute Inhalation Toxicity Testing, Environmental Health and Safety Monograph Series on Testing and Assessment No. 39, ENV/JM/MONO(2009)28, OECD, Paris.

3. OECD (2000). Guidance Document on the Recognition, Assessment and Use of Clinical Signs as Humane Endpoints for Experimental Animals Used in Safety Evaluation, Environmental Health and Safety Monograph Series on Testing and Assessment No. 19, ENV/JM/MONO(2000)7, OECD, Paris.

4. Whalan E and Redden JC (1994). Interim Policy for Particle Size and Limit Concentration Issues in Inhalation Toxicity Studies. Office of Pesticide Programs, United States Environmental Protection Agency.

5. Dungworth DL, Tyler WS, Plopper CE (1985). Morphological Methods for Gross and Microscopic Pathology (Chapter 9) in Toxicology of Inhaled Material, Witschi, H.P. and Brain, J.D. (eds), Springer Verlag Heidelberg, pp. 229-258.

6. Young JT (1981). Histopathological examination of the rat nasal cavity. Fundam. Appl. Toxicol. 1: 309-312.

7. Harkema JR (1990). Comparative pathology of the nasal mucosa in laboratory animals exposed to inhaled irritants. Environ. Health Perspect. 85: 231-238.

8. Woutersen RA, Garderen-Hoetmer A, van Slootweg PJ, Feron VJ (1994). Upper respiratory tract carcinogenesis in experimental animals and in humans. In: Waalkes MP and Ward JM (eds) Carcinogenesis. Target Organ Toxicology Series, Raven Press, New York, 215-263.

9. Mery S, Gross EA, Joyner DR, Godo M, Morgan KT (1994). Nasal diagrams: A tool for recording the distribution of nasal lesions in rats and mice. Toxicol. Pathol. 22: 353-372.

10. Kuper CF, Koornstra PJ, Hameleers DMH, Biewenga J, Spit BJ, Duijvestijn AM, Breda Vriesman van PJC, Sminia T (1992). The role of nasopharyngeal lymphoid tissue. Immunol. Today 13: 219-224.

11. Kuper CF, Arts JHE, Feron VJ (2003). Toxicity to nasal-associated lymphoid tissue. Toxicol. Lett. 140-141: 281-285.

12. Lewis DJ (1981). Mitotic Indices of Rat Laryngeal Epithelia. Journal of Anatomy 132(3): 419-428.

13. Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien 67/548/EWG und 1999/45/EG und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (ABl. L 353 vom 31.12.2008, S. 1).

Anlage 1

DEFINITION

Prüfsubstanz : jeder Stoff oder jedes Gemisch, der/das mit dieser Prüfmethode getestet wird.

B.30   PRÜFUNGEN AUF CHRONISCHE TOXIZITÄT

EINLEITUNG

1. Diese Prüfmethode entspricht der OECD-Prüfrichtlinie (TG) 452 (2009). Die ursprüngliche TG 452 wurde 1981 angenommen. Die Entwicklung dieser überarbeiteten Prüfmethode B.30 wurde für notwendig gehalten, um neueren Entwicklungen auf dem Gebiet des Tierschutzes sowie Regulierungsanforderungen Rechnung zu tragen (1) (2) (3) (4). Diese Prüfmethode B.30 wurde parallel zur Überarbeitung von Kapitel B.32 dieses Anhang „Prüfungen auf Kanzerogenität“ und Kapitel B.33 dieses Anhangs „Kombinierte Studien zur Prüfung auf chronische Toxizität und Kanzerogenität“ aktualisiert mit dem Ziel, zusätzliche Informationen von den in der Untersuchung verwendeten Tieren und detailliertere Angaben zur Wahl der Dosis zu gewinnen. Diese Prüfmethode ist dazu ausgelegt, für die Prüfung eines breiten Spektrums von chemischen Stoffen, einschließlich Pestiziden und Industriechemikalien, verwendet zu werden.

2. Bei den meisten Prüfungen auf chronische Toxizität werden Nagetierarten verwendet; diese Prüfmethode gilt daher hauptsächlich für Prüfungen an diesen Arten. Wenn solche Prüfungen an Nichtnagern erforderlich sind, können die in dieser Prüfmethode beschriebenen Grundsätze und Verfahren in Kombination mit denen des Kapitels B.27 dieses Anhangs „Prüfung auf subchronische orale Toxizität — 90-Tage-Toxizitätsstudie mit wiederholter Verabreichung an Nicht-Nagetieren“ (5), mit entsprechenden Änderungen, wie im OECD Guidance Document No. 116 on the Design and Conduct of Chronic Toxicity and Carcinogenicity Studies (6) beschrieben, ebenfalls angewendet werden.

3. Bei Prüfungen auf chronische Toxizität finden im Wesentlichen die orale, die dermale und die inhalative Verabreichung Anwendung. Die Wahl des Verabreichungswegs hängt von den physikalischen und chemischen Eigenschaften der Prüfsubstanz und der vorherrschenden Art der Exposition beim Menschen ab. Zusätzliche Informationen zur Wahl des Expositionswegs sind im OECD Guidance Document No. 116 (6) enthalten.

4. Bei dieser Prüfmethode steht die Exposition auf oralem Weg im Vordergrund. Dies ist der bei Prüfungen auf chronische Toxizität am häufigsten verwendete Expositionsweg. Zwar sind Prüfungen auf Langzeittoxizität mit Exposition über die Haut oder durch Inhalation möglicherweise auch notwendig, um das Risiko für die menschliche Gesundheit zu beurteilen, und/oder im Rahmen bestimmter Regelungen vorgeschrieben, aber diese beiden Expositionswege sind aus technischer Sicht außerordentlich komplex. Derartige Prüfungen sind von Fall zu Fall zu konzipieren, wobei die hier beschriebene Prüfmethode für die Bewertung und Evaluierung chronischer Toxizität bei oraler Verabreichung allerdings mit Bezug auf Empfehlungen für Behandlungszeiten, klinische und Pathologieparameter usw. als Grundlage für ein Protokoll für Inhalations- und/oder dermale Prüfungen dienen könnte. Es gibt OECD-Leitlinien für die Verabreichung von Prüfsubstanzen durch Inhalation (6) (7) und über die Haut (6). Bei der Konzeption länger dauernder Prüfungen mit Exposition durch Inhalation sind insbesondere Kapitel B.8 dieses Anhangs (8) und Kapitel B.29 dieses Anhangs (9) sowie das OECD Guidance Document über Prüfungen auf akute Toxizität nach Inhalation (7) zu berücksichtigen. Bei Prüfungen mit dermaler Applikation ist Kapitel B.9 dieses Anhangs (10) zu beachten.

5. Die Prüfung auf chronische Toxizität liefert Informationen über mögliche gesundheitliche Schädigungen, die durch wiederholte Exposition über einen beträchtlichen Teil der Lebensdauer der verwendeten Art entstehen können. Sie liefert Informationen über die toxischen Wirkungen der Prüfsubstanz und gibt Hinweise auf Zielorgane und die Möglichkeit der Akkumulation. Außerdem kann sie zur Ableitung eines NOAEL-Werts (Dosis ohne beobachtete schädigende Wirkung) beitragen, der zur Festlegung von Sicherheitskriterien für die Humanexposition herangezogen werden kann. Ferner wird die Notwendigkeit sorgfältiger klinischer Beobachtung der Tiere hervorgehoben, damit so viele Informationen wie möglich gewonnen werden können.

6. Zu den Zielen von Prüfungen nach dieser Prüfmethode gehören

 die Feststellung der chronischen Toxizität einer Prüfsubstanz,

 die Identifizierung von Zielorganen,

 die Beschreibung der Dosis-Wirkungs-Beziehung,

 die Bestimmung eines NOAEL-Werts (Dosis ohne beobachtete schädigende Wirkung) oder eines Ausgangspunkts für die Festlegung einer Benchmark-Dosis (BMD),

 die Vorhersage der Wirkungen chronischer Toxizität beim Expositionsniveau von Menschen,

 die Gewinnung von Daten zur Prüfung von Hypothesen über die Wirkungsweise (6).

AUSGANGSÜBERLEGUNGEN

7. Bei der Beurteilung und Bewertung der toxikologischen Eigenschaften einer Prüfsubstanz sollte das Prüflabor vor Durchführung der Studie alle verfügbaren Informationen über die Prüfsubstanz berücksichtigen, damit die Studienauslegung auf eine effizientere Prüfung des Potenzials für chronische Toxizität ausgerichtet und die Verwendung von Versuchstieren minimiert werden kann. Für die Auslegung der Studie könnten u. a. Informationen wie die Identität, die chemische Struktur und die physikalisch-chemischen Eigenschaften der Prüfsubstanz, sämtliche Informationen über die Wirkungsweise, Ergebnisse jeglicher In-vitro- oder In-vivo-Toxizitätsprüfungen, vorgesehene Verwendungen und die Möglichkeit der Exposition des Menschen, (Q)SAR-Daten und toxikologische Daten über strukturverwandte Substanzen, toxikokinetische Daten (Kinetik bei Einzel- und Mehrfachdosierung) sowie Daten aus anderen Studien mit wiederholter Exposition herangezogen werden. Die chronische Toxizität sollte erst bestimmt werden, wenn erste Informationen über die Toxizität aus Toxizitätsprüfungen mit wiederholter Gabe über 28 Tage und/oder 90 Tage vorliegen. Im Rahmen der Gesamtbewertung der potenziellen schädlichen Wirkungen einer bestimmten Prüfsubstanz auf die Gesundheit sollte bei der Prüfung auf chronische Toxizität etappenweise vorgegangen werden (11) (12) (13) (14).

8. Vor Beginn der Prüfung ist festzulegen, welche Statistikmethoden angesichts der Versuchsauslegung und der Ziele am besten für die Analyse der Ergebnisse geeignet sind. Dabei ist unter anderem festzulegen, ob bei der statistischen Auswertung Anpassungen in Bezug auf die Überlebensrate zu berücksichtigen sind und welche Art der Analyse bei vorzeitigem Tod der Tiere einer oder mehrerer Gruppen durchzuführen ist. Hinweise zu den geeigneten statistischen Analysen und wichtige Literaturverweise zu international anerkannten Statistikmethoden sind im Guidance Document No. 116 (6) sowie im Guidance Document No. 35 on the analysis and evaluation of chronic toxicity and carcinogenicity studies (15) zu finden.

9. Bei der Durchführung einer Prüfung auf chronische Toxizität sind stets die im OECD Guidance Document No. 19 on the recognition, assessment, and use of clinical signs as humane endpoints for experimental animals used in safety evaluation (16), insbesondere in Absatz 62, genannten Grundsätze und Erwägungen zu befolgen. In diesem Absatz heißt es: Wenn ein Tier in Studien mit wiederholter Verabreichung progressive klinische Anzeichen für eine fortschreitende Verschlechterung seines Zustands aufweist, ist eine informierte Entscheidung zu treffen, ob das Tier tierschutzgerecht getötet werden sollte oder nicht. Bei dieser Entscheidung sind Faktoren wie der Wert der Informationen, die bei Verbleiben des Tiers in der Studie gewonnen werden können, und der allgemeine Gesundheitszustand des Tiers gegeneinander abzuwägen. Wird beschlossen, das Tier in der Studie zu belassen, ist es entsprechend den Erfordernissen häufiger zu beobachten. Zur Linderung von Schmerzen oder Qualen kann auch die Verabreichung der Prüfsubstanz unterbrochen oder die Dosis verringert werden, sofern dabei der Zweck der Prüfung nicht beeinträchtigt wird.

10. Ausführliche Informationen und eine Diskussion der Prinzipien der Dosiswahl bei Prüfung auf chronische Toxizität und Kanzerogenität sind im Guidance Document No. 116 (6) sowie in zwei Veröffentlichungen des International Life Sciences Institute (17) (18) zu finden. Die grundlegende Strategie der Dosiswahl hängt von den Hauptzielen der Studie ab (Nummer 6). Bei der Auswahl der geeigneten Dosisstufen ist ein Gleichgewicht zwischen Gefahrenidentifizierung einerseits und der Beschreibung von Wirkungen bei geringer Dosierung und ihrer Relevanz andererseits herzustellen. Dieses Gleichgewicht ist bei einer kombinierten Studie zur Prüfung auf chronische Toxizität und auf Kanzerogenität (Kapitel B.33 dieses Anhangs) besonders wichtig (Nummer 11).

11. Es sollte in Betracht gezogen werden, statt der getrennten Durchführung einer Prüfung auf chronische Toxizität (diese Prüfmethode B.30) und einer Prüfung auf Kanzerogenität (Kapitel B.32 dieses Anhangs) eher eine kombinierte Prüfung auf chronische Toxizität und Kanzerogenität (Kapitel B.33 dieses Anhangs) durchzuführen. Die kombinierte Methode ist zeit- und kosteneffizienter als zwei getrennte Studien, ohne dass dabei die Qualität der Daten der chronischen Komponente oder der Kanzerogenitätskomponente beeinträchtigt würde. Bei Durchführung einer kombinierten Prüfung auf chronische Toxizität und Kanzerogenität (Kapitel B.33 dieses Anhangs) sind die Grundsätze der Dosiswahl (Nummer 9 und Nummern 20-25) jedoch genau zu beachten. Es wird allerdings anerkannt, dass im Rahmen bestimmter Regelungen möglicherweise getrennte Prüfungen vorgeschrieben sind.

12. Die im Zusammenhang mit dieser Prüfmethode verwendeten Begriffe werden am Ende dieses Kapitels und im Guidance Document 116 (6) definiert.

PRINZIP DER PRÜFMETHODE

13. Die Prüfsubstanz wird mehreren Gruppen von Versuchstieren täglich in abgestuften Dosen verabreicht, und zwar normalerweise über einen Zeitraum von 12 Monaten, wobei je nach Regulierungsanforderungen (siehe Nummer 33) auch eine längere oder kürzere Dauer gewählt werden kann. Die Dauer sollte ausreichend lang sein, damit sich etwaige Wirkungen kumulativer Toxizität manifestieren können, ohne dass sich die verzerrenden Wirkungen geriatrischer Veränderungen bemerkbar machen. Abweichungen von der 12-monatigen Expositionsdauer sind zu begründen, insbesondere wenn eine kürzere Dauer gewählt wird. Die Prüfsubstanz wird in der Regel oral verabreicht, aber auch die Verabreichung durch Inhalation oder auf dermalem Weg kann angebracht sein. Die Studienauslegung kann auch eine oder mehrere zwischenzeitliche Tötungen vorsehen, z. B. nach 3 und 6 Monaten; außerdem können zu diesem Zweck auch zusätzliche Gruppen von Versuchstieren aufgenommen werden (siehe Nummer 19). Während des Verabreichungszeitraums werden die Tiere sorgfältig auf Toxizitätszeichen beobachtet. Tiere, die im Verlauf der Prüfung sterben, und vorzeitig getötete Tiere werden seziert; die nach Abschluss der Prüfung überlebenden Tiere werden getötet und ebenfalls seziert.

BESCHREIBUNG DER METHODE

Auswahl von Versuchstierarten

14. Diese Prüfmethode betrifft hauptsächlich die Bewertung und Evaluierung chronischer Toxizität bei Nagetieren (Nummer 2). Bestimmte Regelungen können jedoch ähnliche Studien an Nichtnagern vorschreiben. Die Wahl der Tierart ist zu begründen. Wenn Prüfungen auf chronische Toxizität bei Nichtnagern erforderlich sind, sollten Auslegung und Durchführung der Versuche auf den Grundsätzen der vorliegenden Prüfmethode sowie denen von Kapitel B.27 dieses Anhangs — Prüfung auf subchronische orale Toxizität — 90-Tage-Toxizitätsstudie mit wiederholter Verabreichung an Nicht-Nagetieren (5) basieren. Zusätzliche Informationen zur Wahl der Tierart und des Stamms sind im Guidance Document No. 116 (6) enthalten.

15. Bei dieser Prüfmethode ist die Ratte die bevorzugte Nagetierart, doch können auch andere Nagetierarten, z. B. die Maus, verwendet werden. Ratten und Mäuse sind wegen ihrer relativ kurzen Lebenszeit, der weit verbreiteten Verwendung in pharmakologischen und toxikologischen Studien, ihrer Anfälligkeit für die Entstehung von Tumoren und der Verfügbarkeit ausreichend beschriebener Stämme die bevorzugten Versuchsmodelle. Daher liegen über ihre Physiologie und Pathologie umfangreiche Informationen vor. Es sind junge, gesunde, adulte Tiere aus üblicherweise eingesetzten Laborstämmen zu verwenden. Für die Prüfung auf chronische Toxizität sollten Tiere desselben Stamms und derselben Herkunft verwendet werden wie für die kürzere(n) Toxizitätsvorstudie(n). Die weiblichen Tiere dürfen weder bereits geworfen haben noch trächtig sein.

Haltungs- und Fütterungsbedingungen

16. Die Tiere können entweder einzeln oder in kleinen gleichgeschlechtlichen Gruppen in Käfigen untergebracht werden. Eine Einzelunterbringung ist nur in Betracht zu ziehen, wenn sie wissenschaftlich gerechtfertigt ist (19) (20) (21). Die Käfige sollten so angeordnet werden, dass etwaige Einflüsse der Käfigplatzierung minimiert werden. Die Temperatur im Versuchstierraum sollte 22 °C (± 3 °C) betragen. Die relative Luftfeuchtigkeit sollte mindestens 30 % betragen und — außer beim Reinigen des Raums — 70 % nicht überschreiten. Angestrebt werden sollte eine Luftfeuchtigkeit von 50-60 %. Die Beleuchtung sollte künstlich sein und die Hell- und Dunkelphasen sollten sich im Abstand von 12 Stunden abwechseln. An die Versuchstiere kann herkömmliches Laborfutter verfüttert werden, und eine unbegrenzte Trinkwasserversorgung ist zu gewährleisten. Das Futter sollte den Nährstoffbedarf der eingesetzten Tierart decken und möglichst wenig Schadstoffe wie z. B. Pestizidrückstände, persistente organische Schadstoffe, Phytoöstrogene, Schwermetalle und Mykotoxine enthalten, die das Ergebnis der Prüfung beeinflussen könnten. Das Futter ist regelmäßig, und zwar zumindest zu Beginn der Prüfung und bei Verwendung einer anderen Charge, auf den Nährstoff- und Schadstoffgehalt hin zu analysieren; die Ergebnisse sind im Abschlussbericht anzugeben. Ergebnisse von Analysen des in der Prüfung verwendeten Trinkwassers sind ebenfalls anzugeben. Die Auswahl des Futters wird eventuell dadurch beeinflusst, dass eine geeignete Beimischung einer Prüfsubstanz und die Deckung des Nährstoffbedarfs der Tiere sichergestellt werden muss, wenn die Prüfsubstanz mit dem Futter verabreicht wird.

Vorbereitung der Tiere

17. Es sind gesunde Tiere zu verwenden, die mindestens sieben Tage an die Laborbedingungen gewöhnt und zuvor nicht für andere Experimente verwendet wurden. Bei Nagetieren sollte die Verabreichung so bald wie möglich nach dem Absetzen und der Eingewöhnung beginnen, vorzugsweise bevor die Tiere 8 Wochen alt sind. Art, Stamm, Herkunft, Geschlecht, Gewicht und Alter der Versuchstiere sind anzugeben. Bei Beginn der Studie sollten die Gewichtsunterschiede bei den Tieren beider Geschlechter möglichst gering sein und ± 20 % des geschlechtsspezifischen Durchschnittsgewichts aller Tiere in der Studie nicht überschreiten. Die Tiere werden nach dem Zufallsprinzip in Kontroll- und Behandlungsgruppen eingeteilt. Nach der Randomisierung sollte sich das Durchschnittsgewicht der Tiere desselben Geschlechts von Gruppe zu Gruppe nicht signifikant unterscheiden. Gibt es statistisch signifikante Unterschiede, sollte die Randomisierung möglichst wiederholt werden. Jedes Versuchstier erhält zur sicheren Identifizierung eine eigene Nummer und wird durch Tätowierung, Mikrochipimplantat oder auf eine andere geeignete Weise mit dieser Nummer gekennzeichnet.

VERFAHREN

Zahl und Geschlecht der Versuchstiere

18. Es sind Tiere beider Geschlechter zu verwenden. Es sind so viele Tiere zu verwenden, dass am Ende der Studie in jeder Gruppe genug Tiere für eine gründliche biologische und statistische Auswertung zur Verfügung stehen. Bei Nagern sind in der Regel auf jeder Dosisstufe je Gruppe mindestens je 20 Tiere beider Geschlechter zu verwenden, bei Nichtnagern werden pro Gruppe mindestens je 4 Tiere beider Geschlechter empfohlen. Bei Studien an Mäusen werden in jeder Dosisgruppe möglicherweise zusätzliche Tiere benötigt, um alle erforderlichen hämatologischen Bestimmungen vornehmen zu können.

Tötungen im Verlauf der Studie, Satellitengruppen und Sentineltiere

19. Es kann vorgesehen werden, dass im Verlauf der Studie, z. B. nach sechs Monaten, Tiere getötet werden (mindestens 10 Tiere/Geschlecht/Gruppe), um Erkenntnisse über den Fortgang toxikologischer Veränderungen und mechanistische Informationen zu gewinnen, falls dies wissenschaftlich gerechtfertigt ist. Wenn diese Informationen bereits aus vorherigen Studien mit wiederholter Gabe der Prüfsubstanz vorliegen, sind zwischenzeitliche Tötungen möglicherweise wissenschaftlich nicht gerechtfertigt. Es können auch Satellitengruppen aufgenommen werden, um die Reversibilität etwaiger toxikologischer Veränderungen zu beobachten, die durch die Prüfsubstanz hervorgerufen werden. Satellitengruppen sind normalerweise auf die höchste Dosisgruppe der Studie zuzüglich einer Kontrolle beschränkt. Der Krankheitsstatus während der Studie kann erforderlichenfalls auch mit einer zusätzlichen Gruppe von Sentineltieren (normalerweise je fünf Tiere beider Geschlechter) überwacht werden (22). Sollen im Verlauf der Prüfung Tiere getötet werden oder Satelliten- oder Sentinelgruppen aufgenommen werden, ist die Zahl der Tiere in der Studienauslegung um die Zahl zu erhöhen, die vor Abschluss der Studie getötet werden sollen. Diese Tiere sind normalerweise in Bezug auf die Bestimmung des Körpergewichts und der Futter-/Wasseraufnahme, hämatologische und klinisch-biochemische Bestimmungen sowie pathologische Untersuchungen genauso zu behandeln wie die Tiere in der chronischen Toxizitätsphase der Hauptstudie; es kann allerdings vorgesehen werden, die Messungen (in den Gruppen mit im Verlauf der Studie zu tötenden Tieren) auf bestimmte Schlüsselaspekte wie Neurotoxizität oder Immunotoxizität zu beschränken.

Dosisgruppen und Dosierung

20. Das Guidance Document No. 116 (6) enthält Hinweise zu allen Aspekten der Dosiswahl und zu den Abständen der Dosisstufen. Es sollten mindestens drei Dosisstufen und eine gleichzeitige Kontrolle verwendet werden, es sei denn, ein Limit-Test wird durchgeführt (siehe Nummer 27). Die Dosisstufen werden im Allgemeinen auf der Grundlage der Ergebnisse von Studien mit kurzzeitiger wiederholter Verabreichung oder Dosisfindungsstudien festgelegt und sollten alle vorliegenden toxikologischen und toxikokinetischen Daten für die Prüfsubstanz oder verwandte Stoffe berücksichtigen.

21. Soweit keine Beschränkungen aufgrund der physikalisch-chemischen Beschaffenheit oder der biologischen Wirkungen der Prüfsubstanz bestehen, ist die höchste Dosisstufe normalerweise so zu wählen, dass zwar die Hauptzielorgane und die toxischen Wirkungen identifiziert werden können, aber Leiden, schwere Toxizität, Morbidität oder Tod der Tiere vermieden werden. Unter Berücksichtigung der unter Nummer 22 beschriebenen Faktoren ist die höchste Dosisstufe so zu wählen, dass Anzeichen von Toxizität hervorgerufen werden, die sich z. B. in einer verzögerten Körpergewichtsentwicklung äußern (etwa 10 %).

22. Je nach den Zielen der Studie (siehe Nummer 6) kann jedoch eine Höchstdosis festgelegt werden, die unter der zu Toxizitätszeichen führenden Dosis liegt, z. B. wenn eine Dosis eine besorgniserregende Wirkung auslöst, die sich aber nur geringfügig auf Lebensdauer oder Körpergewicht auswirkt. Die Höchstdosis darf 1 000 mg/kg Körpergewicht/Tag nicht übersteigen (Grenzdosis siehe Nummer 27).

23. Die Dosisstufen und die Abstände der Dosisstufen können so gewählt werden, dass auf der niedrigsten Dosisstufe eine Dosis-Wirkungs-Beziehung und ein NOAEL-Wert oder andere angestrebte Studienergebnisse, z. B. ein BMD (siehe Nummer 25), festgestellt werden können. Zu den Faktoren, die bei der Festlegung niedrigerer Dosen zu berücksichtigen sind, gehören die voraussichtliche Steigung der Dosis-Wirkungs-Kurve, die Dosen, bei denen wichtige Änderungen des Metabolismus oder der toxischen Wirkungsweise eintreten können, und das Niveau, bei dem eine Schwelle oder ein Ausgangspunkt für eine Extrapolation niedriger Dosen erwartet wird.

24. Welche Dosisstufenabstände gewählt werden, hängt von den Merkmalen der Prüfsubstanz ab und kann in dieser Prüfmethode nicht vorgeschrieben werden. Abstände mit einem Faktor von 2 bis 4 erweisen sich jedoch oft als gut geeignet für die Festsetzung abnehmender Dosisstufen. Außerdem ist es oft besser, statt der Verwendung sehr großer Intervalle (z. B. mit einem Faktor zwischen 6 und 10) zwischen den Dosierungen eine vierte Prüfgruppe einzurichten. Die Verwendung von Faktoren über 10 sollte im Allgemeinen vermieden bzw. gegebenenfalls begründet werden.

25. Entsprechend dem Guidance Document No. 116 (6) sind bei der Dosisfestlegung u. a. folgende Faktoren zu berücksichtigen:

 bekannte oder vermutete Nichtlinearitäten oder Wendepunkte der Dosis-Wirkungs-Kurve;

 Toxikokinetik und Dosisbereiche, bei denen die metabolische Induktion, die Sättigung oder die Nichtlinearität zwischen externen und internen Dosen auftritt oder nicht auftritt;

 Vorläuferläsionen, Wirkungsmarker oder Indikatoren für den Ablauf zugrunde liegender biologischer Schlüsselprozesse;

 wichtige (oder vermutete) Aspekte der Wirkungsweise, z. B. Dosen, ab denen Zytotoxizität auftritt, Hormonspiegel beeinflusst werden, homöostatische Mechanismen gestört werden usw.;

 Bereiche der Dosis-Wirkungs-Kurve, bei denen eine besonders genaue Schätzung erforderlich ist, z. B. im Bereich der voraussichtlichen BMD oder einer vermuteten Schwelle;

 Berücksichtigung voraussichtlicher Expositionsniveaus von Menschen.

26. Die Kontrollgruppe ist eine unbehandelte Gruppe oder eine Vehikelkontrollgruppe, sofern ein Vehikel zur Verabreichung der Prüfsubstanz verwendet wird. Abgesehen von der Behandlung mit der Prüfsubstanz sollten die Tiere der Kontrollgruppe genauso behandelt werden wie die Tiere in den Prüfgruppen. Wird ein Vehikel verwendet, erhält die Kontrollgruppe das Vehikel im höchsten bei den Dosisgruppen verwendeten Volumen. Wird eine Prüfsubstanz mit dem Futter verabreicht, und führt dies aus geschmacklichen Gründen zu einer verminderten Futteraufnahme, kann eine paarweise gefütterte Kontrollgruppe nützlich und eine bessere Kontrolle sein.

27. Wenn aufgrund von Informationen aus Vorstudien davon ausgegangen werden kann, dass eine Prüfung bei einer einzigen Dosisstufe von mindestens 1 000 mg/kg Körpergewicht/Tag unter Anwendung der für diese Studie beschriebenen Verfahren wahrscheinlich keine schädlichen Wirkungen hervorrufen wird und wenn aufgrund der Daten strukturverwandter Stoffe keine Toxizität zu erwarten ist, kann auf eine vollständige Studie mit drei Dosisstufen gegebenenfalls verzichtet werden. Sofern die Exposition des Menschen nicht die Prüfung bei einer höheren Dosis erforderlich erscheinen lässt, kann eine Grenze von 1 000 mg/kg Körpergewicht/Tag angewandt werden.

Zubereitung der Dosen und Verabreichung der Prüfsubstanz

28. Die Prüfsubstanz wird in der Regel oral, d. h. mit der Nahrung oder dem Trinkwasser, oder über eine Schlundsonde verabreicht. Zusätzliche Informationen zu Verabreichungswegen und -methoden sind im Guidance Document No. 116 (6) enthalten. Verabreichungsweg und -methode richten sich nach dem Zweck der Studie, den physikalisch-chemischen Eigenschaften der Prüfsubstanz, ihrer Bioverfügbarkeit und der vorherrschenden Art der Exposition beim Menschen. Der gewählte Verabreichungsweg und die Methode sollten begründet werden. Aus Tierschutzgründen sollte die Schlundsonde nur für Agenzien gewählt werden, bei denen dieser Weg und diese Methode der Verabreichung die potenzielle Humanexposition annähernd repräsentieren (z. B. Arzneimittel). Nahrungs- oder Umweltchemikalien einschließlich Pestizide werden normalerweise mit dem Futter oder dem Trinkwasser verabreicht. Für bestimmte Szenarios, z. B. berufliche Exposition, können andere Applikationswege besser geeignet sein.

29. Bei Bedarf wird die Prüfsubstanz in einem geeigneten Vehikel gelöst oder suspendiert. Zu berücksichtigen sind gegebenenfalls folgende Merkmale des Vehikels und anderer Additive: Auswirkungen auf die Resorption, die Verteilung, den Stoffwechsel oder die Retention der Prüfsubstanz, Auswirkungen auf die chemischen Eigenschaften der Prüfsubstanz, die deren toxische Eigenschaften verändern können, und ferner Auswirkungen auf die Futter- oder Wasseraufnahme oder den Ernährungszustand der Versuchstiere. Es empfiehlt sich, nach Möglichkeit zunächst die Verwendung einer wässrigen Lösung/Suspenion, sodann eine Lösung/Emulsion in Öl (z. B. Maisöl) und erst dann eine Lösung in anderen Vehikeln in Betracht zu ziehen. Bei anderen Vehikeln als Wasser müssen deren toxische Merkmale bekannt sein. Es sollten Informationen über die Stabilität der Prüfsubstanz und die Homogenität der Lösungen oder Futterrationen, die (je nach Fall) die Dosierung enthalten, unter den Verabreichungsbedingungen (z. B. mit dem Futter) vorliegen.

30. Für mit dem Futter oder dem Trinkwasser verabreichte Stoffe ist unbedingt sicherzustellen, dass die Mengen der jeweiligen Prüfsubstanz die normale Nahrungsaufnahme oder den Wasserhaushalt nicht beeinträchtigen. Um eine unausgewogene Ernährung zu vermeiden, sollte die Konzentration der Prüfsubstanz in Langzeittoxizitätsstudien mit Verabreichung über die Nahrung normalerweise eine Obergrenze von 5 % der Gesamtnahrung nicht übersteigen. Wenn die Prüfsubstanz mit dem Futter verabreicht wird, kann entweder eine konstante Futterkonzentration (mg/kg Futter oder ppm) oder eine konstante Dosierung in Relation zum Körpergewicht des Tiers (mg/kg Körpergewicht), berechnet auf Wochenbasis, verwendet werden. Die jeweils gewählte Verfahrensweise ist anzugeben.

31. Bei oraler Verabreichung erhalten die Tiere die Prüfsubstanz täglich (sieben Tage in der Woche), in der Regel für einen Zeitraum von 12 Monaten (siehe auch Nummer 33); je nach Regulierungsanforderungen kann auch eine längere Dauer erforderlich sein. Jede Abweichung von diesem Dosierungsplan, z. B. fünf Tage pro Woche, ist zu begründen. Bei dermaler Applikation werden die Tiere, wie in Kapitel B.9 dieses Anhangs (10) beschrieben, für einen Zeitraum von 12 Monaten an sieben Tagen in der Woche mindestens 6 Stunden pro Tag mit der Prüfsubstanz behandelt. Die Inhalationsexposition wird an sieben Tagen in der Woche für 6 Stunden pro Tag durchgeführt, aber auch fünf Tage in der Woche sind möglich, wenn dies gerechtfertigt ist. Die Expositionsdauer beträgt normalerweise 12 Monate. Wenn für eine „Nose-only“-Exposition andere Nagetierarten als Ratten verwendet werden, kann die maximale Expositionsdauer angepasst werden, um artenspezifisches Leiden zu minimieren. Eine Expositionsdauer von weniger als 6 Stunden pro Tag ist zu begründen. Siehe auch Kapitel B.8 dieses Anhangs (8).

32. Wird die Prüfsubstanz über eine Sonde verabreicht, so sollte dies unter Verwendung einer Schlundsonde oder einer geeigneten Intubationskanüle jeweils zur gleichen Tageszeit erfolgen. Normalerweise wird einmal am Tag eine einzige Dosis verabreicht; wenn es sich bei der Prüfsubstanz z. B. um einen lokal reizenden Stoff handelt, kann die Tagesdosis auf zwei Teilmengen aufgeteilt werden. Das maximale Flüssigkeitsvolumen, das einem Versuchstier jeweils verabreicht werden kann, hängt von der Größe des Versuchstiers ab. Das Volumen sollte so gering wie möglich sein und bei Nagetieren normalerweise 1 ml/100 g Körpergewicht nicht überschreiten (22). Die Variabilität der Prüfvolumina sollte durch Anpassung der Konzentration auf ein konstantes Volumen bei allen Dosen möglichst gering gehalten werden. Davon ausgenommen sind potenziell ätzende oder reizende Stoffe, die zur Vermeidung schwerwiegender lokaler Wirkungen verdünnt werden müssen. Die Prüfung in Konzentrationen, die wahrscheinlich eine ätzende oder reizende Wirkung für den Magen-Darm-Trakt haben, ist zu vermeiden.

Versuchsdauer

33. Diese Prüfmethode ist zwar hauptsächlich zur Prüfung auf chronische Toxizität über 12 Monate ausgelegt, aber je nach den Anforderungen bestimmter Regulierungsregelungen oder für spezifische mechanistische Zwecke sind auch kürzere (z. B. 6 oder 9 Monate) oder längere (z. B. 18 oder 24 Monate) Zeiträume möglich. Abweichungen von der 12-monatigen Expositionsdauer sind zu begründen, insbesondere wenn eine kürzere Dauer gewählt wird. Satellitengruppen zur Beobachtung der Reversibilität von toxikologischen Veränderungen, die durch die Prüfsubstanz hervorgerufen werden, sollten nach Beendigung der Exposition noch für einen Zeitraum von mindestens 4 Wochen, aber nicht länger als ein Drittel der Gesamtstudiendauer ohne Behandlung beibehalten werden. Weitere Hinweise, insbesondere in Bezug auf das Überleben der Versuchstiere, sind im Guidance Document No. 116 (6) zu finden.

BEOBACHTUNGEN

34. Alle Tiere sind in der Regel jeden Tag morgens und abends, auch am Wochenende und an Feiertagen, auf Anzeichen von Morbidität und Mortalität hin zu untersuchen. Allgemeine klinische Beobachtungen sollten mindestens einmal täglich, vorzugsweise zur selben Tageszeit, unter Berücksichtigung des Zeitraums, in dem der Wirkungsgipfel nach Verabreichung der Dosis über eine Schlundsonde zu erwarten ist, vorgenommen werden.

35. Bei allen Tieren sind mindestens einmal vor der ersten Exposition (für intraindividuelle Vergleiche), am Ende der ersten Studienwoche und danach monatlich gründliche klinische Beobachtungen vorzunehmen. Das Beobachtungsprotokoll ist so zu gestalten, dass Abweichungen zwischen den Beobachtern minimiert werden und von der Prüfgruppe unabhängig stattfinden. Diese Beobachtungen sollten außerhalb des Käfigs erfolgen, in dem die Tiere gehalten werden, und zwar vorzugsweise in einem Standardgehege jeweils zu denselben Zeiten. Sie sind sorgfältig zu dokumentieren, am besten nach einer speziell vom Prüflabor entwickelten Bewertungsskala. Die Beobachtungsbedingungen sollten möglichst konstant sein. Zu achten ist insbesondere auf Veränderungen an Haut, Fell, Augen, Schleimhäuten, auf Sekrete und Exkrete sowie autonome Aktivitäten (z. B. Tränensekretion, Piloerektion, Pupillengröße, ungewöhnliche Atemmuster). Gang- und Haltungsstörungen, ferner Reaktionen auf den Umgang mit den Tieren sowie etwaige klonische oder tonische Bewegungen, Stereotypien (z. B. übermäßiges Putzen, wiederholte Kreisbewegungen) oder abnormes Verhalten (z. B. Selbstverstümmelung, Rückwärtsgehen) sollten auch dokumentiert werden (24).

36. Alle Tiere sind vor der ersten Verabreichung der Prüfsubstanz mit einem Ophthalmoskop oder einem anderen geeigneten Instrument ophthalmologisch zu untersuchen. Am Ende der Studie ist diese Untersuchung möglichst bei allen, aber mindestens bei der Hochdosisgruppe und der Kontrollgruppe zu wiederholen. Wenn behandlungsbedingte Veränderungen an den Augen beobachtet werden, sind alle Tiere zu untersuchen. Wenn eine Strukturanalyse oder andere Informationen auf eine Toxizität für die Augen hindeuten, ist die Frequenz der Augenuntersuchungen zu erhöhen.

37. Bei Chemikalien, für die vorangegangene Toxizitätsprüfungen mit wiederholter Gabe über 28 und/oder 90 Tage auf potenzielle neurotoxische Wirkungen hindeuten, können vor Studienbeginn, in Abständen von drei Monaten nach Beginn einer Studie von bis zu 12 Monaten einschließlich sowie bei Beendigung der Studie (falls länger als 12 Monate) fakultativ die sensorische Reaktivität auf Reize verschiedener Art (24) (z. B. akustische, visuelle und propriozeptive Reize) (25), (26), (27), die Greifkraft (28) und die motorische Aktivität (29) bewertet werden. Weitere Einzelheiten zu den möglichen Untersuchungen finden sich in der Literatur. Allerdings können auch andere als dort genannte Verfahren angewendet werden.

38. Bei Chemikalien, für die vorangegangene Toxizitätsprüfungen mit wiederholter Gabe über 28 und/oder 90 Tage auf potenzielle immunotoxische Wirkungen hindeuten, können bei Beendigung der Studie fakultativ weitere Untersuchungen durchgeführt werden.

Körpergewicht, Futter-/Wasseraufnahme und Futtereffizienz

39. Alle Tiere sollten zu Beginn der Behandlung, in den ersten 13 Wochen mindestens einmal wöchentlich und danach mindestens monatlich gewogen werden. Futteraufnahme und Futtereffizienz sollten in den ersten 13 Wochen mindestens wöchentlich und danach mindestens monatlich bestimmt werden. Die Trinkwasseraufnahme sollte in den ersten 13 Wochen mindestens wöchentlich und danach mindestens monatlich gemessen werden, wenn die Prüfsubstanz mit dem Trinkwasser verabreicht wird. Bei Studien, in denen das Trinkverhalten der Tiere verändert ist, sollte auch die Trinkwasseraufnahme gemessen werden.

Hämatologie und klinische Biochemie

40. Bei Prüfungen an Nagetieren sind die hämatologischen Untersuchungen bei mindestens zehn männlichen und zehn weiblichen Tieren je Gruppe nach 3, 6 und 12 Monaten sowie bei Beendigung der Studie (falls sie länger als 12 Monate dauert) durchzuführen, wobei immer dieselben Tiere zu verwenden sind. Bei Mäusen werden möglicherweise Satellitentiere benötigt, um alle erforderlichen hämatologischen Bestimmungen vornehmen zu können (siehe Nummer 18). Bei Prüfungen an Nichtnagern werden die Proben wie bei Nagetieren beschrieben in den Zwischenphasen und bei Beendigung der Studie von einer kleineren Anzahl Tieren (z. B. vier Tiere je Geschlecht und je Gruppe in Hundestudien) genommen. Weder bei Nagern noch bei Nichtnagern brauchen Messungen nach drei Monaten vorgenommen zu werden, wenn bei den hämatologischen Parametern in einer vorangegangenen 90-Tage-Studie mit vergleichbaren Dosisstufen keine Wirkung erkennbar war. Die Blutproben müssen unter Anästhesie an einer benannten Stelle, z. B. durch Herzpunktion oder aus dem retrobulbären Venenplexus entnommen werden.

41. Die folgenden Parameter sind zu bestimmen (30): Gesamt- und Differenzialleukozytenzahl, Erythrozytenzahl, Thrombozytenzahl, Hämoglobinkonzentration, Hämatokrit, mittleres Erythrozyteneinzelvolumen (MCV), mittleres korpuskuläres Hämoglobin (MCH), mittlere korpuskuläre Hämoglobinkonzentration (MCHC), Prothrombinzeit und aktivierte partielle Thromboplastinzeit. Je nach Toxizität der Prüfsubstanz können gegebenenfalls auch weitere hämatologische Parameter wie Heinz-Körper oder andere atypische Erythrozytenmorphologie oder Methämoglobin gemessen werden. Insgesamt ist je nach den beobachteten und/oder erwarteten Wirkungen der Prüfsubstanz mit der entsprechenden Flexibilität vorzugehen. Wenn die Prüfsubstanz Auswirkungen auf die Hämatopoese hat, können auch eine Bestimmung der Retikulozytenzahl und eine Knochenmarkzytologie angezeigt sein; sie müssen aber nicht routinemäßig durchgeführt werden.

42. Klinisch-biochemische Bestimmungen zur Untersuchung der wichtigsten toxischen Wirkungen in Geweben, insbesondere der Wirkungen auf Nieren und Leber, sind an Blutproben durchzuführen, die von mindestens zehn männlichen und zehn weiblichen Tieren je Gruppe in den für die hämatologischen Untersuchungen angegebenen gleichen Zeitabständen entnommen werden, wobei immer dieselben Tiere zu verwenden sind. Bei Mäusen werden möglicherweise Satellitentiere benötigt, um alle erforderlichen klinisch-biochemischen Bestimmungen vornehmen zu können. Bei Prüfungen an Nichtnagern werden die Proben wie bei Nagetieren beschrieben in den Zwischenphasen und bei Beendigung der Studie von einer kleineren Anzahl Tieren (z. B. vier Tiere je Geschlecht und je Gruppe in Hundestudien) genommen. Weder bei Nagern noch bei Nichtnagern brauchen Messungen nach drei Monaten vorgenommen zu werden, wenn bei den klinisch-biochemischen Parametern in einer vorangegangenen 90-Tage-Studie mit vergleichbaren Dosisstufen keine Wirkung erkennbar war. Es empfiehlt sich eine Futterkarenz der Tiere (ausgenommen Mäuse) über Nacht, bevor die Blutproben entnommen werden. Die folgenden Parameter sind zu bestimmen (30): Glucose, Harnstoff (Harnstoff-Stickstoff), Kreatinin, Gesamtprotein, Albumin, Calcium, Natrium, Kalium, Gesamtcholesterin, mindestens zwei geeignete Parameter für die hepatozelluläre Evaluierung (Alanin-Aminotransferase, Aspartat-Aminotransferase, Glutamatdehydrogenase, Gesamtgallensäuren) (31) und mindestens zwei geeignete Parameter für die hepatobiliäre Evaluierung (alkalische Phosphatase, γ-Glutamyltransferase, 5’-Nucleotidase, Gesamtbilirubin, Gesamtgallensäuren) (31). Je nach Toxizität der Prüfsubstanz können gegebenenfalls auch weitere klinisch-chemische Parameter wie Nüchtern-Triglyceride, spezifische Hormone und Cholinesterase bestimmt werden. Insgesamt ist je nach den beobachteten und/oder erwarteten Wirkungen der Prüfsubstanz mit der entsprechenden Flexibilität vorzugehen.

43. An Proben, die von mindestens zehn männlichen und zehn weiblichen Tieren je Gruppe in den gleichen Abständen entnommen wurden wie die Proben für die hämatologische und die klinisch-chemische Untersuchung, sind Urinanalysen durchzuführen. Es brauchen keine Messungen nach drei Monaten vorgenommen zu werden, wenn bei der Urinanalyse in einer vorangegangenen 90-Tage-Studie mit vergleichbaren Dosisstufen keine Wirkung erkennbar war. Eine Empfehlung von Sachverständigen zu klinischen Pathologiestudien (30) enthält die folgende Liste von Parametern: Aussehen, Volumen, Osmolalität oder spezifisches Gewicht, pH-Wert, Gesamteiweiß und Glucose. Außerdem können Ketone, Urobilinogen, Bilirubin und okkultes Blut bestimmt werden. Sofern erforderlich, können weitere Parameter verwendet werden, um die Untersuchung beobachteter Wirkungen zu erweitern.

44. Bei Studien an Hunden werden im Allgemeinen Bestimmungen der Ausgangsdaten hämatologischer und klinisch-biochemischer Parameter für notwendig gehalten; bei Studien an Nagern müssen sie aber nicht bestimmt werden (30). Wenn keine ausreichenden historischen Ausgangsdaten vorliegen (siehe Nummer 50), sollten sie jedoch bestimmt werden.

Pathologie

Makroskopische Untersuchung

45. Normalerweise sind alle an der Studie beteiligten Tiere einer vollständigen, eingehenden makroskopischen Untersuchung zu unterziehen, die die sorgfältige Untersuchung der äußeren Körperoberfläche, aller Körperöffnungen sowie der Schädel-, Brust- und Bauchhöhlen und ihres Inhalts umfasst. Es kann jedoch auch vorgesehen werden, die Untersuchungen (in den Gruppen der Tiere, die im Verlauf der Studie getötet werden sollen, und in den Satellitengruppen) auf spezifische Schlüsselaspekte wie Neurotoxizität oder Immunotoxizität zu beschränken (siehe Nummer 19). Diese Tiere brauchen weder seziert noch den nachstehend beschriebenen Verfahren unterzogen zu werden. Sentineltiere können nach Ermessen des Studienleiters von Fall zu Fall seziert werden.

46. Die Organgewichte aller Tiere sind zu erfassen, außer von denen, die gemäß dem letzten Teil von Nummer 45 ausgenommen sind. Nebennieren, Gehirn, Nebenhoden, Herz, Nieren, Leber, Ovarien, Milz, Hoden, Schilddrüse (nach Fixierung gewogen, mit Nebenschilddrüsen) und Uterus (außer von moribund aufgefundenen und/oder zwischenzeitlich getöteten Tieren) sind in angemessener Form von anhaftendem Gewebe zu befreien, und ihr Nassgewicht ist so rasch wie möglich nach der Sektion festzustellen, um ein Austrocknen zu verhindern. Bei einer Studie an Mäusen ist das Wiegen der Nebennieren fakultativ.

47. Die folgenden Gewebe sind in dem für die betreffende Gewebeart und die vorgesehene anschließende histopathologische Untersuchung am besten geeigneten Fixierungsmittel aufzubewahren (32) (Gewebe in eckigen Klammern sind fakultativ):



alle makroskopischen Veränderungen

Herz

Pankreas

Magen (Vormagen, Drüsenmagen)

Nebennieren

Ileum

Nebenschilddrüse

[Zähne]

Aorta

Jejunum

periphere Nerven

Hoden

Gehirn (mit Schnitten von Cerebrum, Cerebellum und Medulla/Pons)

Nieren

Hypophyse

Thymus

Caecum

Tränendrüse (exorbital)

Prostata

Schilddrüse

Zervix

Leber

Rectum

[Zunge]

Koagulationsdrüse

Lunge

Speicheldrüse

Trachea

Kolon

Lymphknoten (sowohl oberflächliche als auch tiefe)

Samenbläschen

Harnblase

Duodenum

Brustdrüse (obligatorisch für Weibchen und, falls bei der Sektion erkennbar, für Männchen)

Skelettmuskel

Uterus (mit Zervix)

Nebenhoden

[obere Atemwege, einschließlich Nase, Nasenmuscheln und Nasennebenhöhlen]

Haut

[Harnleiter]

Auge (mit Netzhaut)

Speiseröhre

Rückenmark (auf 3 Ebenen: zervical, mittlerer Thoraxbereich und lumbar)

[Harnröhre]

[Femur mit Gelenk]

[Riechkolben]

Milz

Vagina

Gallenblase (bei anderen Arten als Ratten)

Ovarien

[Brustbein]

Knochenmarkschnitt und/oder ein frisches Knochenmark-Aspirat

Hardersche Drüse

 

 

 

Bei paarigen Organen, z. B. Nieren, Nebennieren, sind beide Organe aufzubewahren. Die klinischen und sonstigen Befunde können weitere Gewebeuntersuchungen erforderlich machen. Auch Organe, die aufgrund der bekannten Eigenschaften der Prüfsubstanz als mögliche Zielorgane in Frage kommen, sollten aufbewahrt werden. In Studien mit dermaler Applikation sind die in der Liste für orale Verabreichung aufgeführten Organe aufzubewahren; außerdem sind Proben der Haut an der Applikationsstelle zu nehmen und aufzubewahren. Bei Inhalationsstudien entspricht die Liste der aufzubewahrenden und zu untersuchenden Gewebe des Atemtrakts den Empfehlungen von Kapitel B.8 dieses Anhangs (8) und Kapitel B.29 dieses Anhangs (9). Was andere Organe/Gewebe betrifft, so sollten (zusätzlich zu den speziell konservierten Geweben aus dem Atemtrakt) die in der Liste für die orale Verabreichung genannten Organe untersucht werden.

Histopathologie

48. Es gibt Leitlinien für bewährte Praktiken bei der Durchführung toxikologischer Pathologiestudien (32). Histopathologisch zu untersuchen sind mindestens

 alle Gewebe der Tiere aus der Hochdosisgruppe und der Kontrollgruppe,

 alle Gewebe von während der Studie gestorbenen oder getöteten Tieren,

 alle Gewebe mit makroskopischen Abnormitäten,

 Zielgewebe oder Gewebe, die in der Hochdosisgruppe behandlungsbedingte Veränderungen aufwiesen, von allen Tieren in allen anderen Dosisgruppen,

 bei paarigen Organen, z. B. Nieren, Nebennieren, sind beide Organe zu untersuchen.

DATEN UND BERICHTERSTATTUNG

Daten

49. Für alle bestimmten Parameter sollen Daten zu den einzelnen Tieren angegeben werden. Darüber hinaus sollten alle Daten in Form einer Tabelle zusammengefasst werden, aus der für jede Prüfgruppe folgende Angaben hervorgehen: die Zahl der Tiere bei Beginn der Prüfung und die Zahl der während der Prüfung tot aufgefundenen oder aus Tierschutzgründen getöteten Tiere, ferner der Zeitpunkt des Todes oder der Tötung, die Zahl der Tiere, die Toxizitätszeichen aufweisen, eine Beschreibung der beobachteten Toxizitätszeichen, einschließlich des Zeitpunkts, zu dem die toxischen Wirkungen erstmalig aufgetreten sind, ihrer Dauer und ihres Schweregrads, die Zahl der Tiere mit Läsionen, die Art der Läsionen und der Prozentsatz der von jeder Läsion betroffenen Tiere. Die Mittelwerte und Standardabweichungen (für kontinuierliche Versuchsdaten) von Tieren, die toxische Wirkungen oder Läsionen aufweisen, sind zusätzlich zum Schweregrad der Läsionen in Übersichtstabellen anzugeben.

50. Historische Kontrolldaten können die Auswertung der Studienergebnisse erleichtern, z. B. wenn die Daten der gleichzeitigen Kontrollen erheblich von neueren Daten von Kontrolltieren aus derselben Versuchseinrichtung abweichen. Wenn historische Kontrolldaten bewertet werden, sollten sie von demselben Labor stammen, sich auf Tiere desselben Alters und Stamms beziehen und höchstens fünf Jahre vor der fraglichen Studie erhoben worden sein.

51. Wenn möglich, sind die numerischen Daten durch eine geeignete allgemein annehmbare statistische Methode auszuwerten. Die statistischen Methoden und die zu analysierenden Daten sind bei der Planung der Studie festzulegen (Nummer 8). Diese Auswahl sollte es ermöglichen, erforderlichenfalls Anpassungen je nach Überlebensrate vorzunehmen.

Prüfbericht

52. Der Prüfbericht sollte folgende Informationen enthalten:

Prüfsubstanz:

 physikalische Beschaffenheit, Reinheit und physikalisch-chemische Eigenschaften,

 Daten zur Identifikation,

 Herkunft des Stoffs,

 Chargennummer,

 Bescheinigung der chemischen Analyse.

Vehikel (wenn verwendet):

 Begründung der Wahl des Vehikel, sofern anders als Wasser.

Versuchstiere:

 Art/Stamm und Begründung für die getroffene Wahl,

 Anzahl, Alter und Geschlecht der Tiere bei Versuchsbeginn,

 Herkunft, Haltungsbedingungen, Futter usw.,

 Gewicht der einzelnen Tiere bei Versuchsbeginn.

Prüfbedingungen:

 Begründung für Verabreichungsweg und Festlegung der Dosis,

 gegebenenfalls die statistischen Methoden zur Analyse der Daten,

 Angaben zur Formulierung der Prüfsubstanz/Futterzubereitung,

 Analysedaten über die erreichte Konzentration, Stabilität und Homogenität der Zubereitung,

 Verabreichungsweg und Angaben zur Verabreichung der Prüfsubstanz,

 bei Inhalationsstudien: „Nose-only“- oder Ganzkörperexposition,

 tatsächliche Dosen (mg/kg Körpergewicht/Tag) und, sofern zutreffend, Angaben zur Umrechnung der Konzentration der Prüfsubstanz im Futter/Trinkwasser (mg/kg oder ppm) in die tatsächliche Dosis,

 Angaben zu Futter- und Wasserqualität.

Ergebnisse (zusammenfassende Übersichtstabellen und Daten für die einzelnen Tiere):

 Überlebensdaten,

 Körpergewicht/Änderungen des Körpergewichts,

 Futteraufnahme, gegebenenfalls Berechnungen der Futtereffizienz und der Wasseraufnahme, falls erfasst,

 Daten der toxischen Reaktionen nach Geschlecht und Dosis, einschließlich Toxizitätszeichen,

 Art, Inzidenz (und, falls bewertet, Schweregrad) sowie Dauer der klinischen Beobachtungen (sowohl vorübergehend als auch dauerhaft),

 Ergebnisse der ophthalmologischen Untersuchung,

 hämatologische Untersuchungen,

 klinisch-biochemische Untersuchungen,

 Urinuntersuchungen,

 Ergebnisse etwaiger Neurotoxizitäts- oder Immunotoxizitätsuntersuchungen,

 terminales Körpergewicht,

 Organgewichte (und gegebenenfalls Verhältnis Organ-/Körpergewicht),

 Sektionsbefunde,

 ausführliche Beschreibung aller behandlungsbedingten histopathologischen Befunde,

 Angaben zur Resorption, falls vorhanden.

Statistische Auswertung der Ergebnisse, soweit zutreffend

Diskussion der Ergebnisse einschließlich

 Dosis-Wirkungs-Beziehungen,

 Prüfung aller Informationen über die Wirkungsweise,

 Diskussion von Modellierungsansätzen,

 Bestimmung von BMD, NOAEL oder LOAEL,

 historische Kontrolldaten,

 Relevanz für Menschen.

Schlussfolgerungen

LITERATUR:

1. OECD (1995). Report of the Consultation Meeting on Sub-chronic and Chronic Toxicity/Carcinogenicity Testing (Rome, 1995), internal working document, Environment Directorate, OECD, Paris.

2. Combes RD, Gaunt I, Balls M (2004). A Scientific and Animal Welfare Assessment of the OECD Health Effects Test Guidelines for the Safety Testing of Chemicals under the European Union REACH System. ATLA 32: 163-208.

3. Barlow SM, Greig JB, Bridges JW et al. (2002). Hazard identification by methods of animal-based toxicology. Food. Chem. Toxicol. 40, 145-191.

4. Chhabra RS, Bucher JR, Wolfe M, Portier C (2003). Toxicity characterization of environmental chemicals by the US National Toxicology Programme: an overview. Int. J. Hyg. Environ. Health 206: 437-445.

5. Kapitel B.27 dieses Anhangs, Prüfung auf sub-chronische orale Toxizität — 90-Tage-Toxizitätsstudie mit wiederholter Verabreichung an Nicht-Nagetieren

6. OECD (2012). Guidance Document on the Design and Conduct of Chronic Toxicity and Carcinogenicity Studies, Supporting Test Guidelines 451, 452 and 453 — Second edition. Series on Testing and Assessment No. 116, abrufbar auf der öffentlichen OECD-Website für Prüfrichtlinien: www.oecd.org/env/testguidelines.

7. OECD (2009). Guidance Document on Acute Inhalation Toxicity Testing, Series on Testing and Assessment N°39, ENV/JM/MONO(2009)28, OECD, Paris.

8. Kapitel B.8 dieses Anhangs, Prüfung auf subakute Toxizität nach Inhalation -28-Tage-Test.

9. Kapitel B.29 dieses Anhangs, Prüfung auf sub-chronische Toxizität nach Inhalation — 90-Tage-Test.

10. Kapitel B.9 dieses Anhangs, Toxizität nach 28-tägiger Gabe (dermal)

11. Carmichael NG, Barton HA, Boobis AR et al. (2006). Agricultural Chemical Safety Assessment: A Multisector Approach to the Modernization of Human Safety Requirements. Critical Reviews in Toxicology 36: 1-7.

12. Barton HA, Pastoor TP, Baetcke T et al. (2006). The Acquisition and Application of Absorption, Distribution, Metabolism, and Excretion (ADME) Data in Agricultural Chemical Safety Assessments. Critical Reviews in Toxicology 36: 9-35.

13. Doe JE, Boobis AR, Blacker A et al. (2006). A Tiered Approach to Systemic Toxicity Testing for Agricultural Chemical Safety Assessment. Critical Reviews in Toxicology 36: 37-68.

14. Cooper RL, Lamb JS, Barlow SM et al. (2006). A Tiered Approach to Life Stages Testing for Agricultural Chemical Safety Assessment. Critical Reviews in Toxicology 36: 69-98.

15. OECD (2002). Guidance Notes for Analysis and Evaluation of Chronic Toxicity and Carcinogenicity Studies, Series on Testing and Assessment No. 35 and Series on Pesticides No. 14, ENV/JM/MONO(2002)19, OECD, Paris.

16. OECD (2000). Guidance Document on the recognition, assessment, and use of clinical signs as humane endpoints for experimental animals used in safety evaluation, No. 19, ENV/JM/MONO(2000)7, OECD, Paris.

17. Rhomberg LR, Baetcke K, Blancato J, Bus J, Cohen S, Conolly R, Dixit R, Doe J, Ekelman K, Fenner-Crisp P, Harvey P, Hattis D, Jacobs A, Jacobson-Kram D, Lewandowski T, Liteplo R, Pelkonen O, Rice J, Somers D, Turturro A, West W, Olin S (2007). Issues in the Design and Interpretation of Chronic Toxicity and Carcinogenicity Studies in Rodents: Approaches to Dose Selection Crit Rev. Toxicol. 37 (9): 729-837.

18. ILSI (International Life Sciences Institute) (1997). Principles for the Selection of Doses in Chronic Rodent Bioassays. Foran JA (Ed.). ILSI Press, Washington, DC.

19. Richtlinie 2010/63/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. September 2010 zum Schutz der für wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tiere (ABl. L 276 vom 20.10.2010, S. 33).

20. National Research Council, 1985. Guide for the care and use of laboratory animals. NIH Publication No. 86-23. Washington D.C., US. Dept. of Health and Human Services.

21. GV-SOLAS (Society for Laboratory Animal Science, Gesellschaft für Versuchstierkunde, 1988). Publication on the Planning and Structure of Animal Facilities for Institutes Performing Animal Experiments. ISBN 3-906255-04-2.

22. GV-SOLAS (Society for Laboratory Animal Science, Gesellschaft für Versuchstierkunde, 2006). Microbiological monitoring of laboratory animals in various housing systems.

23. Diehl K-H, Hull R, Morton D, Pfister R, Rabemampianina Y, Smith D, Vidal J-M, van de Vorstenbosch C. 2001. A good practice guide to the administration of substances and removal of blood, including routes and volumes. Journal of Applied Toxicology 21:15-23.

24. IPCS (1986). Principles and Methods for the Assessment of Neurotoxicity Associated with Exposure to Chemicals. Environmental Health Criteria Document No. 60.

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26. Gad SC (1982). A Neuromuscular Screen for Use in Industrial Toxicology. J. Toxicol.Environ. Health 9: 691-704.

27. Moser VC, McDaniel KM, Phillips PM (1991). Rat Strain and Stock Comparisons Using a Functional Observational Battery: Baseline Values and Effects of Amitraz. Toxicol. Appl. Pharmacol. 108: 267-283.

28. Meyer OA, Tilson HA, Byrd WC, Riley MT (1979). A Method for the RoutineAssessment of Fore- and Hind-limb Grip Strength of Rates and Mice. Neurobehav. Toxicol. 1: 233-236.

29. Crofton KM, Howard JL, Moser VC, Gill MW, Reiter LW, Tilson HA, MacPhail RC (1991). Interlaboratory Comparison of Motor Activity Experiments: Implication for Neurotoxicological Assessments. Neurotoxicol. Teratol. 13: 599-609.

30. Weingand K, Brown G, Hall R et al. (1996). Harmonisation of Animal Clinical Pathology Testing in Toxicity and Safety Studies. Fundam. & Appl. Toxicol. 29: 198-201.

31. EMEA (draft) document ‘Non-clinical guideline on drug-induced hepatotoxicity“ (Doc. Ref. EMEA/CHMP/SWP/a50115/2006).

32. Crissman JW, Goodman DG, Hildebrandt PK et al. (2004). Best Practices Guideline: Toxicological Histopathology. Toxicologic Pathology 32: 126-131.

Anlage 1

DEFINITION

Prüfsubstanz : jeder Stoff oder jedes Gemisch, der/das mit dieser Prüfmethode getestet wird.

▼B

B.31.   STUDIE ZUR PRÜFUNG AUF PRÄNATALE ENTWICKLUNGSTOXIZITÄT

1.   METHODE

Diese Methode entspricht der OECD TG 414 (2001).

1.1.   EINLEITUNG

Die vorliegende Methode zur Prüfung auf Entwicklungstoxizität ist darauf ausgerichtet, allgemeine Informationen über die Auswirkungen einer pränatalen Exposition auf das trächtige Versuchstier und den sich im Uterus entwickelnden Organismus zu liefern; dabei können sowohl Auswirkungen auf das Muttertier als auch Tod, strukturelle Abnormitäten oder Wachstumsstörungen im Fetus untersucht werden. Die Erfassung funktioneller Defizite ist kein integraler Bestandteil dieser Prüfmethode, auch wenn funktionelle Aspekte einen wichtigen Teil der Entwicklung darstellen. Diese können in einer gesonderten Studie untersucht oder als Ergänzung zu der vorliegenden Studie behandelt werden unter Einsatz der Methode zur Prüfung auf Entwicklungsneurotoxizität. Zur Information über die Prüfung auf Funktionsmängel und andere postnatale Auswirkungen ist gegebenenfalls die Methode zur Prüfung der Reproduktion über zwei Generationen sowie die Studie über die Entwicklungsneurotoxizität heranzuziehen.

In Einzelfällen bei Vorliegen spezieller Kenntnisse, z. B. über physikalisch-chemische oder toxikologische Eigenschaften der Prüfsubstanz, können bei dieser Prüfmethode besondere Anpassungen erforderlich sein. Eine solche Anpassung ist dann akzeptabel, wenn überzeugende wissenschaftliche Anhaltspunkte dafür sprechen, dass die Prüfung durch die Anpassung aussagekräftiger wird. Diese wissenschaftlichen Anhaltspunkte sind in einem solchen Fall im Prüfbericht sorgfältig zu dokumentieren.

1.2.   BEGRIFFSBESTIMMUNGEN

Entwicklungstoxikologie: ist die Untersuchung schädigender Wirkungen auf den sich entwickelnden Organismus, die aus einer Einwirkung vor der Empfängnis, während der pränatalen Entwicklung oder postnatal bis zur Geschlechtsreife auftreten können. Entwicklungstoxizität äußert sich in der Hauptsache durch 1) den Tod des Organismus, 2) strukturelle Abnormitäten, 3) Wachstumsstörungen und 4) Funktionsdefizite. Entwicklungstoxikologie wurde früher häufig als Teratologie bezeichnet.

Schädigende Wirkung; behandlungsbedingte Veränderung gegenüber dem Normalzustand, bei der die Fähigkeit eines Organismus zu überleben, sich fortzupflanzen oder an die Umwelt anzupassen beeinträchtigt wird. Im weitesten Sinne sind im Begriff Entwicklungstoxikologie auch alle Wirkungen mit eingeschlossen, die die normale Entwicklung des Conceptus vor und auch nach der Geburt stören.

Wachstumsstörung: Veränderung von Organ- oder Körpergröße oder -gewicht der Nachkommen.

Veränderungen (Anomalien): strukturelle Veränderungen in der Entwicklung, zu denen sowohl Fehlbildungen als auch Variationen gehören (28).

Fehlbildung/größere Abnormität: strukturelle Veränderung, die als für das Tier schädlich angesehen wird (und auch zum Tode führen kann) und im Allgemeinen in seltenen Fällen auftritt.

Variation/kleinere Abnormität: strukturelle Veränderung, bei der man von geringen oder gar keinen schädlichen Auswirkungen auf das Tier ausgeht; dabei kann es sich um eine vorübergehende Erscheinung handeln, und sie kann in der Kontrollpopulation relativ häufig vorkommen.

Conceptus: die Summe der Derivate eines befruchteten Eis zu jedem Zeitpunkt der Entwicklung von der Befruchtung bis zur Geburt, dazu gehören auch die extraembryonalen Membranen sowie der Embryo oder der Fetus.

Implantation (Einnistung): Anhaftung der Blastozyste an der Epithelauskleidung der Gebärmutter; dazu gehört auch die Wanderung der Blastozyste durch das Gebärmutterepithel und deren Einbettung in der Gebärmutterschleimhaut.

Embryo: das Frühstadium oder Entwicklungsstadium eines jeden Organismus, speziell das sich entwickelnde Produkt aus der Befruchtung eines Eis nach dem Entstehen der Längsachse und bis alle größeren Strukturen vorhanden sind.

Embryotoxizität: schädigend für die normale Struktur, die Entwicklung, das Wachstum und/oder die Lebensfähigkeit eines Embryos.

Fetus: der ungeborene Nachkomme in der postembryonalen Phase.

Fetotoxizität: schädigend für die normale Struktur, die Entwicklung, das Wachstum und/oder die Lebensfähigkeit eines Fetus.

Abort: die vorzeitige Ausstoßung der Empfängnisprodukte aus der Gebärmutter, d. h. des Embryos oder eines nicht lebensfähigen Fetus.

Resorption: ein Conceptus, der nach der Einnistung in der Gebärmutter abgestorben ist und resorbiert wird oder bereits resorbiert wurde.

Frühresorption: Anzeichen für eine Implantation, ohne dass ein Embryo/Fetus erkennbar ist.

Spätresorption: Toter Embryo oder Fetus mit äußeren degenerativen Veränderungen.

NOAEL: Abkürzung für no-observed-adverse-effect level und entspricht der höchsten Dosis oder Exposition, bei der keine schädigenden behandlungsbedingten Wirkungen festgestellt werden.

1.3.   REFERENZSTOFF

Keiner.

1.4.   PRINZIP DER PRÜFMETHODE

Im Normalfall wird die Prüfsubstanz trächtigen Tieren mindestens vom Zeitpunkt der Implantation bis einen Tag vor der geplanten Tötung verabreicht, welche möglichst unmittelbar vor dem normalen Tag der Geburt erfolgen soll, und ohne dabei Gefahr zu laufen, Daten infolge vorzeitiger Geburt zu verlieren. Mit der Prüfmethode sollen nicht nur die Phase der Organogenese (z. B. Tag 5 bis 15 bei Nagern und Tag 6 bis 18 bei Kaninchen), sondern auch Wirkungen während der Zeit vor der Einnistung, soweit angebracht, und über die gesamte Dauer der Gravidität bis zum Tag vor dem Kaiserschnitt untersucht werden. Kurz vor dem Kaiserschnitt werden die Weibchen getötet, der Gebärmutterinhalt untersucht und die Feten im Hinblick auf äußerlich erkennbare Anomalien sowie auf Veränderungen an Weichteilen und Skelett beurteilt.

1.5.   BESCHREIBUNG DER PRÜFMETHODE

1.5.1.   Auswahl der Versuchstierarten

Es wird empfohlen, die Prüfung mit den geeignetsten Tierarten durchzuführen und Labortierspezies und -stämme zu verwenden, die üblicherweise bei Untersuchungen zur pränatalen Entwicklungstoxizität zum Einsatz kommen. Die bevorzugte Nagerart ist die Ratte, die bevorzugte Nicht-Nagerart ist das Kaninchen, Wird eine andere Tierart eingesetzt, ist dies zu begründen.

1.5.2.   Haltung und Fütterung

Die Temperatur im Versuchstierraum soll bei Nagern 22 oC (± 3 oC) und bei Kaninchen 18 oC (± 3 oC) betragen. Obwohl die relative Luftfeuchte wenigstens 30 % betragen sollte und außer bei Reinigung des Raumes 70 % nicht übersteigen sollte, sollte sie vorzugsweise bei 50 bis 60 % liegen. Es ist eine künstliche Beleuchtung vorzusehen, wobei ein Hell-Dunkel-Zyklus von jeweils 12 Stunden eingehalten werden soll. Zur Fütterung kann übliches Laborfutter verwendet werden, und Trinkwasser kann in unbeschränkter Menge gegeben werden.

Die Verpaarung erfolgt in für diese Zwecke geeigneten Käfigen. Auch wenn verpaarte Tiere nach Möglichkeit einzeln untergebracht werden sollten, so ist auch eine Unterbringung in kleinen Gruppen akzeptabel.

1.5.3.   Vorbereitung der Tiere

Zu verwenden sind gesunde Tiere, die mindestens fünf Tage an die Laborbedingungen gewöhnt und zuvor nicht für andere Experimente verwendet wurden. Art, Stamm, Herkunft, Geschlecht, Gewicht und/oder Alter der Versuchstiere sind anzugeben. Die Tiere aller Testgruppen sollen so weit wie möglich gleiches Gewicht und Alter aufweisen. Jede Dosierung ist an jungen ausgewachsenen Weibchen einzusetzen, die vorher noch nicht geworfen haben. Die Weibchen werden mit Männchen derselben Art und desselben Stamms verpaart, die Verpaarung von Geschwistern ist zu vermeiden. Bei Nagern ist der Tag 0 der Gravidität der Tag, an dem ein Vaginalpfropf und/oder Spermien beobachtet werden; bei Kaninchen ist der Tag 0 im Allgemeinen der Tag des Koitus oder der künstlichen Befruchtung, sofern dieses Verfahren zum Einsatz kommt. Die Käfige sind so aufzustellen, dass etwaige durch den Standort bedingte Auswirkungen möglichst gering sind. Jedes Versuchstier erhält zur sicheren Identifizierung eine eigene Nummer. Nach der Verpaarung werden die Weibchen nach dem Zufallsprinzip auf die Kontroll- und Behandlungstiergruppen verteilt; erfolgt die Verpaarung der Weibchen in Gruppen, werden die Tiere in jeder Gruppe gleichmäßig auf die vorstehend genannten Gruppen verteilt. Entsprechend werden Weibchen, die von demselben Männchen begattet wurden, gleichmäßig auf die Gruppen verteilt.

1.6.   VERFAHREN

1.6.1   Anzahl und Geschlecht der Versuchstiere

Jede Versuchs- und Kontrollgruppe soll eine ausreichende Zahl von Weibchen enthalten, so dass etwa 20 Weibchen mit Implantationsstellen bei der Sektion zur Verfügung stehen. Gruppen mit weniger als 16 Tieren mit Implantationsstellen sind unter Umständen unzureichend. Durch Mortalität bei den Muttertieren wird die Studie nicht zwangsläufig invalide, sofern diese nicht mehr als etwa 10 % beträgt.

1.6.2.   Zubereitung der Dosen

Wird ein Vehikel oder ein anderer Zusatz zur leichterer Verabreichung der Prüfsubstanz verwendet, sind die folgenden Merkmale zu berücksichtigen: Auswirkungen auf die Absorption, die Verteilung, den Stoffwechsel und die Retention oder Exkretion der Prüfsubstanz; Auswirkungen auf die chemischen Eigenschaften der Prüfsubstanz, die deren toxische Eigenschaften verändern können; ferner Auswirkungen auf die Futter- oder Wasseraufnahme oder den Ernährungszustand der Versuchstiere. Das Vehikel soll weder entwicklungstoxisch sein noch Auswirkungen auf die Reproduktion haben.

1.6.3   Dosierung

Normalerweise soll die Prüfsubstanz täglich ab der Implantation (z. B. Tag 5 nach der Verpaarung) bis zum Tag vor dem geplanten Kaiserschnitt verabreicht werden. Sofern aus eventuell vorliegenden Vorstudien kein hohes Risiko eines Präimplantationsverlusts hervorgeht, kann die Behandlung auf die gesamte Graviditätszeit von der Verpaarung bis zum Tag vor der geplanten Tötung ausgeweitet werden. Bekanntermaßen kann eine unangemessene Behandlung oder Stress während der Gravidität zu pränatalen Verlusten führen. Zum Schutz vor pränatalen Verlusten durch nicht behandlungsbedingte Faktoren sind die unnötige Handhabung von trächtigen Tieren sowie Stress infolge von äußeren Faktoren, wie Lärm, zu vermeiden.

Mindestens drei Dosen und eine gleichzeitige Kontrolle werden verwendet. Gesunde Tiere werden nach dem Zufallsprinzip auf die Kontroll- und Behandlungstiergruppen verteilt. Die Dosierungen sollten so gewählt werden, dass eine Abstufung der toxischen Wirkungen erkennbar ist. Soweit keine Beschränkungen aufgrund der physikalischen/chemischen Beschaffenheit oder der biologischen Eigenschaften der Prüfsubstanz bestehen, wird die höchste Dosis so gewählt, dass zwar eine gewisse Entwicklungstoxizität und/oder maternale Toxizität (klinische Anzeichen oder eine Abnahme des Körpergewichts), jedoch kein Tod oder schweres Leiden herbeigeführt wird. Mindestens eine unter der höchsten Dosis liegende Dosis soll zu minimalen wahrnehmbaren toxischen Auswirkungen führen. Die niedrigste Dosis soll keine Anzeichen von Toxizität bei den Muttertieren oder Entwicklungstoxizität hervorrufen. Eine absteigende Folge von Dosierungen sollte so ausgewählt werden, dass die Dosisabhängigkeit der Reaktion und ein NOAEL belegt werden können. Dosisintervalle mit dem Faktor 2 bis 4 haben sich für die Festlegung absteigender Dosierungen häufig als optimal erwiesen. Gegenüber der Verwendung sehr großer Intervalle (z. B. mehr als Faktor 10) ist die Hinzunahme einer vierten Testgruppe häufig vorzuziehen. Auch wenn die Bestimmung eines NOAEL für die Muttertiere das Ziel ist, können auch Studien, bei denen eine solche Dosis nicht ermittelt wird, akzeptiert werden (1).

Bei der Auswahl der Dosierungen sollen eventuell vorliegende Toxizitätsdaten sowie zusätzliche Informationen über den Stoffwechsel und die Toxikokinetik der Prüfsubstanz oder verwandter Stoffe berücksichtigt werden. Diese Angaben sind außerdem nützlich, die Angemessenheit des Dosierungsplans zu belegen.

Eine gleichzeitige Kontrollgruppe soll verwendet werden. Diese Kontrollgruppe soll eine scheinbehandelte Gruppe oder eine Vehikelkontrollgruppe sein, sofern ein Vehikel zur Verabreichung der Prüfsubstanz verwendet wird. Allen Gruppen ist die gleiche Menge der Prüfsubstanz beziehungsweise des Vehikels zu verabreichen. Tiere der Kontrollgruppe(n) werden genauso behandelt wie die Tiere in der Prüfgruppe. Vehikelkontrollgruppen erhalten das Vehikel in der höchsten verwendeten Menge (wie die Behandlungsgruppe mit der niedrigsten Dosierung).

1.6.4.   Limit-Test

Ergibt eine Prüfung mit einer einzigen Dosierung von mindestens 1 000 mg/kg Körpergewicht/Tag bei oraler Verabreichung nach den für diese Studie beschriebenen Verfahren keine wahrnehmbare Toxizität bei den trächtigen Tieren oder deren Nachkommen und ist aufgrund von vorliegenden Daten Struktur- und/oder stoffwechselverwandter Stoffe keine Toxizität zu erwarten, kann auf eine vollständige Studie mit drei Dosisstufen gegebenenfalls verzichtet werden. Ist eine Exposition des Menschen zu erwarten, kann die Notwendigkeit einer höheren oralen Dosis im Limit-Test angezeigt sein. Bei anderen Arten der Verabreichung, wie z. B. Inhalation oder dermale Applikation, kann durch die physikalisch-chemischen Eigenschaften der Prüfsubstanz häufig die maximal erreichbare Expositionsdosis vorbestimmt und somit limitiert sein (beispielsweise soll ein Auftragen auf die Haut keine schwere lokale Toxizität verursachen).

1.6.5.   Verabreichung der Dosen

Die Prüfsubstanz oder das Lösungsmittel wird im Allgemeinen oral durch Schlundsonde verabreicht. Wird eine andere Form der Verabreichung gewählt, hat der Prüfer seine Wahl zu begründen, unter Umständen sind dann entsprechende Änderungen erforderlich (2) (3) (4). Die Prüfsubstanz ist jeden Tag in etwa zur selben Zeit zu verabreichen.

Die Dosis für das einzelne Tier beruht normalerweise auf dessen zuletzt bestimmtem Körpergewicht. Vorsicht ist jedoch bei der Anpassung der Dosis im letzten Trimester der Gravidität geboten. Zur Vermeidung von übermäßiger Toxizität bei den Muttertieren sind vorliegende Daten bei der Dosisauswahl heranzuziehen. Wird bei den behandelten Muttertieren übermäßige Toxizität festgestellt, sind diese Tiere auf humane Weise zu töten. Weisen verschiedene trächtige Tiere Anzeichen von übermäßiger Toxizität auf, ist die Tötung der ganzen Dosisgruppe zu erwägen. Wird die Prüfsubstanz über eine Sonde verabreicht, so soll dies möglichst in einer einmaligen Dosis unter Verwendung einer Magensonde oder einer geeigneten Intubationskanüle erfolgen. Das maximale Flüssigkeitsvolumen, das einem Versuchstier jeweils verabreicht werden kann, hängt von der Größe des Versuchstiers ab. Das Volumen soll 1 ml/100 g Körpergewicht nicht überschreiten, außer bei wässrigen Lösungen, bei denen 2 ml/100 g Körpergewicht gegeben werden können. Bei Verwendung von Maisöl als Lösungsmittel soll das Volumen 0,4 ml/100 g Körpergewicht nicht übersteigen. Schwankungen beim Applikationsvolumen sind durch entsprechende Dosierung so gering wie möglich zu halten, so dass bei allen Dosen ein gleich bleibendes Volumen gewährleistet ist.

1.6.6.   Beobachtung der Muttertiere

Klinische Beobachtungen sollen mindestens einmal täglich, vorzugsweise zum gleichen Zeitpunkt und unter Berücksichtigung des Zeitraums, in dem der Wirkungsgipfel nach Verabreichung der Dosis zu erwarten ist, vorgenommen und protokolliert werden. Der Zustand der Tiere ist dabei festzuhalten, d. h. Mortalität, Siechtum, relevante Verhaltensänderungen und alle Anzeichen akuter Toxizität.

1.6.7.   Körpergewicht und Futteraufnahme

Die Tiere sind am Tag 0 der Gravidität beziehungsweise nicht später als am Tag 3 der Gravidität, wenn gepaarte Tiere von einem externen Züchter unter Angabe der Paarungszeit geliefert werden, zu wiegen; weiterhin am ersten Tag der Verabreichung, mindestens alle drei Tage während der Verabreichungszeit und am Tag der geplanten Tötung.

Der Futterverbrauch ist in Abständen von drei Tagen zu protokollieren, an denselben Tagen ist auch das Körpergewicht zu bestimmen.

1.6.8.   Autopsie

Die Weibchen sind einen Tag vor der erwarteten Geburt zu töten. Weibchen, bei denen Anzeichen für einen Abort oder eine vorzeitige Geburt vor der geplanten Tötung vorliegen, sind zu töten und sorgfältig makroskopisch zu untersuchen.

Zum Zeitpunkt der Tötung oder bei vorzeitigem Tod im Verlauf der Studie ist das Muttertier makroskopisch auf etwaige strukturelle Abnormitäten oder pathologische Veränderungen zu untersuchen. Die Beurteilung der Muttertiere während des Kaiserschnitts und die anschließenden Untersuchungen der Feten sollen möglichst ohne Kenntnis der Behandlungsgruppe erfolgen, um etwaige Einflüsse durch Befangenheit so gering wie möglich zu halten.

1.6.9.   Untersuchung des Uterusinhalts

Unmittelbar nach der Tötung beziehungsweise so bald wie möglich nach dem Tod ist der Uterus zu entfernen und der Trächtigkeitsstatus des Tiers zu erheben. Weist der Uterus keine Anzeichen von Trächtigkeit auf, ist dieser weiter zu untersuchen (z. B. Färbung mit Ammoniumsulfid bei Nagern oder Salewski-Färbung oder ein geeignetes alternatives Verfahren für Kaninchen), um den nichtträchtigen Zustand zu bestätigen (5).

Der schwangere Uterus einschließlich der Zervix des trächtigen Tiers ist zu wiegen. Bei Tieren, die während der Studie tot aufgefunden werden, ist dieses Gewicht nicht zu bestimmen.

Bei den trächtigen Tieren ist die Anzahl der Gelbkörper zu bestimmen.

Der Uterusinhalt ist auf die Anzahl toter Embryonen oder Feten und lebensfähiger Feten zu untersuchen. Der Grad der Resorption ist zu beschreiben, um den relativen Todeszeitpunkt des Conceptus (siehe 1.2) zu bestimmen.

1.6.10.   Untersuchung der Feten

Für jeden Fetus sind Geschlecht und Körpergewicht zu bestimmen.

Jeder Fetus ist auf äußere Veränderungen zu untersuchen (6).

Die Feten sind auf Veränderungen an Skelett und Weichteilen (z. B. Abweichungen und Fehlbildungen oder Anomalien) zu untersuchen (7) (8) (9) (10) (11) (12) (13) (14) (15) (16) (17) (18) (19) (20) (21) (22) (23) (24). Nach Möglichkeit ist eine Kategorisierung fetaler Veränderungen vorzunehmen, auch wenn dies nicht zwingend erforderlich ist. Erfolgt eine Kategorisierung, sind die Kriterien zur Bestimmung jeder Kategorie eindeutig anzugeben. Besondere Beachtung erfordert der Reproduktionstrakt, der auf Anzeichen für eine veränderte Entwicklung zu untersuchen ist.

Bei Nagern sollte etwa eine Hälfte jedes Wurfs präpariert und auf Veränderungen am Skelett untersucht werden. Der Rest ist zu präparieren und auf Veränderungen an den Weichteilen zu untersuchen, wobei akzeptierte oder geeignete Methoden der Serienschnittherstellung oder sorgfältige makroskopische Schnitttechniken anzuwenden sind.

Bei anderen Tieren als Nagern, z. B. Kaninchen, sind sämtliche Feten sowohl auf Weichteil- als auch auf Skelettveränderungen zu untersuchen. Die Körper dieser Feten werden sorgfältig seziert und auf Weichteilveränderungen untersucht; das kann auch Verfahren zur weiteren Beurteilung der inneren Herzstruktur umfassen (25). Bei der Hälfte der auf diese Weise untersuchten Feten entfernt man die Köpfe und präpariert sie zur Untersuchung auf Weichteilveränderungen (einschließlich Augen, Hirn, Nasenwege und Zunge) unter Verwendung von Standardschnitttechniken (26) oder eines gleichermaßen empfindlichen Verfahrens. Die Körper dieser Feten und der übrigen intakten Feten werden präpariert und mit denselben Methoden wie für Nager beschrieben auf Skelettveränderungen untersucht.

2.   DATEN

2.1.   VERARBEITUNG DER ERGEBNISSE

Für die Muttertiere und deren Nachkommen werden die Daten jeweils einzeln protokolliert und in tabellarischer Form zusammengefasst; dabei werden für jede Prüfgruppe die Anzahl der Tiere zu Beginn der Prüfung, die Anzahl der während der Prüfung tot aufgefundenen Tiere beziehungsweise der aus humanen Gründen getöteten Tiere, der jeweilige Zeitpunkt des Todes beziehungsweise der Tötung, die Anzahl der trächtigen Weibchen, die Anzahl der Tiere mit Anzeichen von Toxizität, eine Beschreibung der beobachteten Anzeichen von Toxizität, einschließlich des Zeitpunkts, zu dem die toxischen Wirkungen eingetreten sind, deren Dauer und Schweregrad, die Arten von Beobachtungen an Embryonen/Feten und alle relevanten Daten zu den Würfen angegeben.

Numerische Ergebnisse werden mit Hilfe eines geeigneten statistischen Verfahrens ausgewertet, wobei als Bezugsgröße für die Datenanalyse der Wurf verwendet wird. Anzuwenden ist ein allgemein anerkanntes statistisches Verfahren; die statistischen Verfahren sind im Rahmen der Studienplanung auszuwählen und zu begründen. Auch Daten über Tiere, die nicht bis zur geplanten Tötung überlebt haben, sind zu protokollieren, Soweit relevant, können solche Daten in Gruppenmittelwerten berücksichtigt werden. Die Relevanz der von solchen Tieren stammenden Daten und demzufolge deren Einbeziehung in oder Ausschluss aus (einem) etwaig(en) Gruppenmittelwert(en) sind zu begründen und jeweils im Einzelfall zu beurteilen.

2.2.   BEWERTUNG DER ERGEBNISSE

Die Befunde der Studie zur pränatalen Entwicklungstoxizität sind anhand der beobachteten Wirkungen zu beurteilen. Die Bewertung soll die folgenden Informationen beinhalten:

 Ergebnisse von Prüfungen an Muttertieren und Embryonen/Feten, einschließlich Bewertung des bestehenden beziehungsweise nicht bestehenden Zusammenhangs zwischen der Exposition der Tiere gegenüber der Prüfsubstanz und der Häufigkeit und Schwere alter Befunde;

 Kriterien, die zur Kategorisierung von äußerlichen Veränderungen sowie von Weichteil- und Skelettveränderungen bei Feten herangezogen wurden, sofern eine Kategorisierung erfolgte;

 falls angebracht, historische Kontrolldaten zur besseren Interpretation der Studienergebnisse;

 die Zahlen, die bei der Berechnung alter Prozentangaben oder Indizes verwendet wurden;

 eine angemessene statistische Analyse der Studienbefunde, soweit angebracht, wobei hinreichende Informationen über die Analysemethode anzugeben sind, so dass ein unabhängiger Überprüfer/Statistiker die Analyse nachbewerten und nachvollziehen kann.

Für Prüfungen, bei denen keine toxischen Wirkungen nachgewiesen werden, sind weitere Untersuchungen zur Bestimmung von Absorption und Bioverfügbarkeit der Prüfsubstanz in Erwägung zu ziehen.

2.3.   INTERPRETATION DER ERGEBNISSE

Eine Studie zur Prüfung auf pränatale Entwicklungstoxizität liefert Informationen über die Auswirkungen einer wiederholten Exposition gegenüber einer Substanz während der Trächtigkeit auf die Muttertiere und auf die intrauterine Entwicklung ihrer Nachkommen. Die Ergebnisse der Studie sind in Verbindung mit Befunden aus Studien zur subchronischen Toxizität, Reproduktionstoxizität und Toxikokinetik sowie anderen Studien zu interpretieren. Da der Schwerpunkt sowohl auf allgemeine Toxizität im Sinne maternaler Toxizität als auch auf die Entwicklungstoxizität gelegt wird, bieten die Ergebnisse der Studie zu einem bestimmten Maß die Möglichkeit zur Unterscheidung zwischen Auswirkungen auf die Entwicklung, die nur bei Dosierungen ausgelöst werden, die auch für das Muttertier toxisch sind, und solchen ohne allgemeine Toxizität.

3.   BERICHTERSTATTUNG

3.1.   PRÜFBERICHT

Der Prüfbericht muss die folgenden konkreten Angaben enthalten: Prüfsubstanz:

Physikalische Beschaffenheit und, soweit relevant, physikalisch-chemische Eigenschaften;

 Identifizierung einschließlich CAS-Nummer, sofern bekannt/festgelegt;

 Reinheit.

 Vehikel (sofern zutreffend):

Begründung der Wahl des Vehikels, sofern nicht Wasser verwendet wurde.

 Versuchstiere:

Art und Stamm;

 Zahl und Alter der Versuchstiere;

 Herkunft, Haltungsbedingungen, Futter usw.;

 Einzelgewicht der Tiere zu Beginn der Prüfung.

 Prüfbedingungen:

Begründung der Wahl der Dosisabstufung;

 Einzelheiten der Formulierung der Prüfsubstanz/Futterzubereitung, erzielte Konzentration, Stabilität und Homogenität der Zubereitung;

 Angaben zur Verabreichung der Prüfsubstanz;

 Umrechnung der Prüfsubstanzkonzentration in Futter/Trinkwasser (ppm) auf die tatsächliche Dosis (mg/kg Körpergewicht/Tag), soweit zutreffend;

 Umgebungsbedingungen;

 Einzelheiten zur Futter- und Wasserqualität.

 Ergebnisse:

Dosisbezogene Daten zur toxischen Reaktion der Muttertiere, unter anderem:

Anzahl der Tiere zu Beginn der Prüfung, Anzahl der überlebenden Tiere, Anzahl der trächtigen Tiere sowie Anzahl der Aborte und Anzahl der Frühgeburten;

 Tag des Todes im Verlauf der Studie oder Angabe, ob Tiere bis zum Schluss überlebt haben;

 Daten von Tieren, die nicht bis zur geplanten Tötung überlebten, sind zwar zu protokollieren, nicht jedoch in die gruppenübergreifenden statistischen Vergleiche mit einzubeziehen;

 Tag der Beobachtung jedes anormalen klinischen Anzeichens und dessen weiterer Verlauf;

 Körpergewicht, Veränderung des Körpergewichts und Gewicht des Uterus in trächtigem Zustand, wahlweise einschließlich Veränderung der Körpergewichts korrigiert um das Gewicht des Uterus in trächtigem Zustand;

 Futteraufnahme und, sofern gemessen, Wasseraufnahme;

 Sektionsbefunde einschließlich Uterusgewicht;

 NOAEL-Werte für Auswirkungen auf die Muttertiere und auf die Entwicklung sind anzugeben.

 Dosisbezogene Entwicklungsparameter für Würfe mit Implantationen, einschließlich:

Anzahl Gelbkörper;

 Anzahl Implantationen, Anzahl und prozentualer Anteil von lebenden und toten Feten sowie von Resorptionen;

 Anzahl und prozentualer Anteil von Prä- und Postimplantationsverlusten.

 Dosisbezogene Entwicklungsparameter für Würfe mit lebenden Feten einschließlich:

Anzahl und prozentualer Anteil lebender Nachkommen;

 Verhältnis der Geschlechter;

 fetales Körpergewicht, möglichst jeweils getrennt nach Geschlechtern und für beide Geschlechter

 zusammen;

 äußere Weichteil- und Skelettmissbildungen und sonstige relevante Veränderungen;

 Kriterien für die Kategorisierung, sofern zutreffend;

 Gesamtanzahl und prozentualer Anteil von Feten und Würfen mit äußerlichen Veränderungen, Weichteil- oder Skelettveränderungen sowie Arten und Häufigkeiten einzelner Anomalien und sonstiger relevanter Veränderungen.

Diskussion der Ergebnisse.

Schlussfolgerungen.

4.   LITERATURHINWEISE

(1) Kavlock R.J. et al. (1996) A Simulation Study of the Influence of Study Design on the Estimation of Benchmark Doses for Developmental Toxicity, Risk Analysis 16; 399-410.

(2) Kimmel, C.A, and Francis, E.Z. (1990) Proceedings of the Workshop on the Acceptability and Interpretation of Dermal Developmental Toxicity Studies. Fundamental and Applied Toxicology 14; 386-398.

(3) Wong, B.A., et al. (1997) Developing Specialized Inhalation Exposure Systems to Address Toxicological Problems. CIIT Activities 17; 1-8.

(4) US Environmental Protection Agency (1985) Subpart E-Specific Organ/Tissue Toxicity, 40 CFR 798.4350: Inhalation Developmental Toxicity Study.

(5) Salewski, E. (1964) Faerbermethode zum makroskopischen Nachweis von Implantationsstellen am Uterus der Ratte. Naunyn-Schmeidebergs Archiv für Pharmakologie und Experimentelle Pathologie 247, 367.

(6) Edwards, J.A. (1968) The external Development of the Rabbit and Rat Embryo. In Advances in Teratology. D.H.M. Woolam (ed.) Vol. 3. Academic Press, NY.

(7) Inouye, M. (1976) Differential Staining of Cartilage and Bone in Fetal Mouse Skeleton by Alcian Blue and Alizarin Red S. Congenital Anomalies 16; 171-173.

(8) Igarashi, E. et al. (1992) Frequency Of Spontaneous Axial Skeletal Variations Detected by the Double Staining Technique for Ossified and Cartilaginous Skeleton in Rat Foetuses, Congenital Anomalies 32; 381-391.

(9) Kimmel, C.A. et al. (1993) Skeletal Development Following Heat Exposure in the Rat. Teratology 47, 229-242.

(10) Marr, M.C. et al. (1988) Comparison of Single and Double Staining for Evaluation of Skeletal Development: The Effects of Ethylene Glycol (EG) in CD Rats. Teratology 37; 476.

(11) Barrow, M.V. and Taylor, W.J. (1969) A Rapid Method for Detecting Malformations in Rat Foetuses. Journal of Morphology 127, 291-306.

(12) Fritz, H. (1974) Prenatal Ossification in Rabbits as Indicative of Foetal Maturity. Teratology 11; 313-320.

(13) Gibson, J.P. et al. (1966) Use of the Rabbit in Teratogenicity Studies. Toxicology and Applied Pharmacology 9; 398-408.

(14) Kimmel, C.A. and Wilson, J.G. (1973) Skeletal Deviation in Rats: Malformations or Variations? Teratology 8; 309-316.

(15) Marr, M.C. et al. (1992) Developmental Stages of the CD (Sprague-Dawley) Rat Skeleton after Maternal Exposure to Ethylene Glycol. Teratology 46; 169-181.

(16) Monie, I.W. et al. (1965) Dissection Procedures for Rat Foetuses Permitting Alizarin Red Staining of Skeleton and Histological Study of Viscera. Supplement to Teratology Workshop Manual, 163-173.

(17) Spark, C. and Dawson, A.B. (1928) The Order and Time of appearance of Centers of Ossification in the Fore and Hind Limbs of the Albino Rat, with Special Reference to the Possible Influence of the Sex Factor. American Journal of Anatomy 41; 411-445.

(18) Staples, R.E. and Schnell, V.L. (1964) Refinements in Rapid Clearing Technique in the KOH-Alizarin Red S Method for Fetal Bone. Stain Technology 39; 61-63.

(19) Strong, R.M. (1928) The Order Time and Rate of Ossification of the Albino Rat (Mus Norvegicus Albinus) Skeleton. American Journal of Anatomy 36; 313-355.

(20) Stuckhardt, J.L. and Poppe, S.M. (1984) Fresh Visceral Examination of Rat and Rabbit Foetuses Used in Teratogenicity Testing. Teratogenesis, Carcinogenesis, and Mutagenesis 4; 181-188.

(21) Walker, D.G. and Wirtschafter, Z.T. (1957) The Genesis of the Rat Skeleton. Thomas, Springfield, IL.

(22) Wilson, J.G. (1965) Embryological Considerations in Teratology. In Teratology: Principles and Techniques, Wilson J.G. and Warkany J. (eds). University of Chicago, Chicago, IL, 251-277.

(23) Wilson, J.G. and Fraser, F.C. (eds). (1977) Handbook of Teratology, Vol. 4. Plenum, NY.

(24) Varnagy, L. (1980) Use of Recent Fetal Bone Staining Techniques in the Evaluation of Pesticide Teratogenicity. Acta Vet. Acad. Sci. Hung, 28; 233-239.

(25) Staples, R.E. (1974) Detection of visceral Alterations in Mammalian Foetuses. Teratology 9; 37-38.

(26) Van Julsingha, E.B. and C.G. Bennett (1977) A Dissecting Procedure for the Detection of Anomalies in the Rabbit Foetal Head. In: Methods in Prenatal Toxicology Neubert, D., Merker, H.J. and Kwasigroch, T.E. (eds.). University of Chicago, Chicago, IL, 126-144.

(27) US Environmental Protection Agency (1991) Guidelines for Developmental Toxicity Risk Assessment. Federal Register 56; 63798-63826.

(28) Wise, D.L. et al. (1997) Terminology of Developmental Abnormalities in Common Laboratory Mammals (Version 1) Teratology 55; 249-292.

▼M4

B.32   PRÜFUNGEN AUF KANZEROGENITÄT

EINLEITUNG

1. Diese Prüfmethode entspricht der OECD-Prüfrichtlinie (TG) 451 (2009). Die ursprüngliche TG 451 über Prüfungen auf Kanzerogenität wurde 1981 angenommen. Die Entwicklung dieser überarbeiteten Prüfmethode B.32 wurde für notwendig gehalten, um neueren Entwicklungen auf dem Gebiet des Tierschutzes sowie Regulierungsanforderungen Rechnung zu tragen (2) (3) (4) (5) (6). Diese Prüfmethode B.32 wurde parallel zur Überarbeitung von Kapitel B.30 dieses Anhangs „Prüfungen auf chronische Toxizität“ und Kapitel B.33 dieses Anhang „Kombinierte Studien zur Prüfung auf chronische Toxizität und Kanzerogenität“ aktualisiert mit dem Ziel, zusätzliche Informationen von den in der Untersuchung verwendeten Tieren und detailliertere Angaben zur Wahl der Dosis zu gewinnen. Diese Prüfmethode B.32 ist dazu ausgelegt, für die Prüfung eines breiten Spektrums von chemischen Stoffen, einschließlich Pestiziden und Industriechemikalien, verwendet zu werden. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass bestimmte Details und Anforderungen für Pharmazeutika abweichen können (siehe Internationale Harmonisierungskonferenz (ICH) Guidance S1B on Testing for Carcinogenicity of Pharmaceuticals).

2. Bei den meisten Prüfungen auf Kanzerogenität werden Nagetierarten verwendet; diese Prüfmethode gilt daher hauptsächlich für Prüfungen, die an diesen Arten durchgeführt werden. Wenn solche Prüfungen an Nichtnagern erforderlich sind, gelten die Grundsätze und Verfahren dieser Prüfmethode in Kombination mit denen des Kapitels B.27 dieses Anhangs „Prüfung auf subchronische orale Toxizität — 90-Tage-Toxizitätsstudie mit wiederholter Verabreichung an Nicht-Nagetieren“ (6) mit entsprechenden Änderungen. Weitere Hinweise sind dem OECD Guidance Document No. 116 on the Design and Conduct of Chronic Toxicity and Carcinogenicity Studies (7) zu entnehmen.

3. Bei Prüfungen auf Kanzerogenität finden im Wesentlichen die orale, die dermale und die inhalative Verabreichung Anwendung. Die Wahl des Verabreichungswegs hängt von den physikalischen und chemischen Eigenschaften der Prüfsubstanz und der vorherrschenden Art der Exposition beim Menschen ab. Zusätzliche Informationen zur Wahl des Expositionswegs sind im Guidance Document No. 116 (7) enthalten.

4. Bei dieser Prüfmethode steht die Exposition auf oralem Weg im Vordergrund. Dies ist der bei Prüfungen auf Kanzerogenität am häufigsten verwendete Expositionsweg. Zwar sind Prüfungen auf Kanzerogenität mit Exposition über die Haut oder durch Inhalation möglicherweise auch notwendig, um das Risiko für die menschliche Gesundheit zu beurteilen, und/oder im Rahmen bestimmter Regelungen vorgeschrieben, aber diese beiden Expositionswege sind aus technischer Sicht außerordentlich komplex. Derartige Prüfungen sind von Fall zu Fall zu konzipieren, wobei die hier beschriebene Prüfmethode für die Bewertung und Evaluierung der Kanzerogenität bei oraler Verabreichung allerdings mit Bezug auf Empfehlungen für Behandlungszeiten, klinische und Pathologieparameter usw. als Grundlage für ein Protokoll für Inhalations- und/oder dermale Prüfungen dienen könnte. Es gibt OECD-Leitlinien für die Verabreichung von Prüfsubstanzen durch Inhalation (7) (8) und über die Haut (7). Bei der Konzeption längerfristiger Prüfungen mit Exposition durch Inhalation sind insbesondere Kapitel B.8 dieses Anhangs (9) und Kapitel B.29 dieses Anhangs (10) sowie das OECD Guidance Document über Prüfungen auf akute Toxizität nach Inhalation (8) zu berücksichtigen. Bei Prüfungen mit dermaler Applikation ist Kapitel B.9 dieses Anhangs (11) zu beachten.

5. Die Prüfung auf Kanzerogenität liefert Informationen über mögliche gesundheitliche Schädigungen, die durch wiederholte Exposition über einen Zeitraum entstehen können, der sich über die gesamte Lebensdauer der verwendeten Art erstrecken kann. Sie liefert Informationen über die toxischen Wirkungen der Prüfsubstanz, einschließlich der potenziellen Kanzerogenität, und kann Hinweise auf Zielorgane und die Möglichkeit der Akkumulation geben. Außerdem kann sie zur Ableitung eines NOAEL-Werts (Dosis ohne beobachtete schädigende Wirkung) für toxische Wirkungen und, im Fall von nicht genotoxischen Karzinogenen, für Tumorreaktionen beitragen, der zur Festlegung von Sicherheitskriterien für die Humanexposition herangezogen werden kann. Ferner wird die Notwendigkeit sorgfältiger klinischer Beobachtung der Tiere hervorgehoben, damit so viele Informationen wie möglich gewonnen werden können.

6. Zu den Zielen von Prüfungen auf Kanzerogenität nach dieser Prüfmethode gehören

 die Identifizierung der kanzerogenen Eigenschaften einer Prüfsubstanz, die im Vergleich zu gleichzeitigen Kontrollgruppen zu einer erhöhten Inzidenz von Neoplasmen, einem erhöhten Anteil maligner Neoplasmen oder einem schnelleren Auftreten von Neoplasmen führen,

 die Identifizierung des Zielorgans/der Zielorgane der Kanzerogenität,

 die Ermittlung der Zeit bis zum Auftreten von Neoplasmen,

 die Beschreibung der Beziehung zwischen der Dosis und der Tumorreaktion,

 die Bestimmung eines NOAEL-Werts (Dosis ohne beobachtete schädigende Wirkung) oder eines Ausgangspunkts für die Festlegung einer Benchmark-Dosis (BMD),

 die Extrapolation kanzerogener Wirkungen auf Expositionsniveaus von Menschen bei geringer Dosis,

 die Gewinnung von Daten zur Prüfung von Hypothesen über die Wirkungsweise (2) (7) (12) (13) (14) (15).

AUSGANGSÜBERLEGUNGEN

7. Bei der Beurteilung und Bewertung des Kanzerogenitätspotenzials einer Prüfsubstanz sollte das Prüflabor vor Durchführung der Studie alle verfügbaren Informationen über die Prüfsubstanz berücksichtigen, damit die Studienauslegung auf eine effizientere Prüfung des Kanzerogenitätspotenzials ausgerichtet und die Verwendung von Versuchstieren minimiert werden kann. Es ist wichtig, die Wirkungsweise eines vermutlichen Karzinogens zu kennen und zu berücksichtigen (2) (7) (12) (13) (14) (15), da die optimale Studienauslegung je nachdem, ob die Prüfsubstanz ein bekanntes oder vermutliches genotoxisches Karzinogen ist, unterschiedlich sein kann. Nähere Hinweise zu Aspekten der Wirkungsweise sind im Guidance Document No. 116 (7) zu finden.

8. Für die Auslegung der Studie könnten u. a. Informationen wie die Identität, die chemische Struktur und die physikalisch-chemischen Eigenschaften der Prüfsubstanz, Ergebnisse jeglicher In-vitro- oder In-vivo-Toxizitätsprüfungen einschließlich Genotoxizitätsprüfungen, vorgesehene Verwendungen und die Möglichkeit der Exposition des Menschen, (Q)SAR-Daten, Daten über Mutagenität/Genotoxizität, Kanzerogenität und andere toxikologische Daten über strukturverwandte Substanzen, toxikokinetische Daten (Kinetik bei Einzel- und Mehrfachdosierung) sowie Daten aus anderen Studien mit wiederholter Exposition herangezogen werden. Die Kanzerogenität sollte erst beurteilt werden, wenn erste Informationen über die Toxizität aus Toxizitätsprüfungen mit wiederholter Gabe über 28 Tage und/oder 90 Tage vorliegen. Auch Kurzzeitversuche zur Krebsinitiation-/promotion können nützliche Informationen liefern. Im Rahmen der Gesamtbewertung der potenziellen schädlichen Wirkungen einer bestimmten Prüfsubstanz auf die Gesundheit sollte bei der Prüfung auf Kanzerogenität etappenweise vorgegangen werden (16) (17) (18) (19).

9. Vor Beginn der Prüfung ist festzulegen, welche Statistikmethoden angesichts der Versuchsauslegung und der Ziele am besten für die Analyse der Ergebnisse geeignet sind. Dabei ist u. a. zu entscheiden, ob die Statistiken Anpassungen in Bezug auf die Überlebensrate, die Analyse kumulativer Tumorrisiken bezogen auf die Überlebensdauer, die Analyse des Zeitraums bis zum Auftreten eines Tumors und die Analyse bei vorzeitigem Tod der Tiere einer oder mehrerer Gruppen umfassen sollten. Hinweise zu den geeigneten statistischen Analysen und wichtige Literaturverweise zu international anerkannten Statistikmethoden sind im Guidance Document No. 116 (7) sowie im Guidance Document No. 35 on the analysis and evaluation of chronic toxicity and carcinogenicity studies (20) zu finden.

10. Bei der Durchführung einer Prüfung auf Kanzerogenität sind stets die im OECD Guidance Document No. 19 on the recognition, assessment, and use of clinical signs as humane endpoints for experimental animals used in safety evaluation (21), insbesondere in Absatz 62, genannten Grundsätze und Erwägungen zu befolgen. In diesem Absatz heißt es: Wenn ein Tier in Studien mit wiederholter Verabreichung progressive klinische Anzeichen für eine fortschreitende Verschlechterung seines Zustands aufweist, ist eine informierte Entscheidung zu treffen, ob das Tier tierschutzgerecht getötet werden sollte oder nicht. Bei dieser Entscheidung sind Faktoren wie der Wert der Informationen, die bei Verbleiben des Tiers in der Studie gewonnen werden können, und der allgemeine Gesundheitszustand des Tiers gegeneinander abzuwägen. Wird beschlossen, das Tier in der Studie zu belassen, ist es entsprechend den Erfordernissen häufiger zu beobachten. Zur Linderung von Schmerzen oder Qualen kann auch die Verabreichung der Prüfsubstanz unterbrochen oder die Dosis verringert werden, sofern dabei der Zweck der Prüfung nicht beeinträchtigt wird.

11. Ausführliche Informationen und eine Diskussion der Prinzipien der Dosiswahl bei Studien zur Prüfung auf chronische Toxizität und Kanzerogenität sind im Guidance Document No. 116 (7) sowie in zwei Veröffentlichungen des International Life Sciences Institute (22) (23) zu finden. Die grundlegende Strategie der Dosiswahl hängt von den Hauptzielen der Studie ab (Nummer 6). Bei der Auswahl der geeigneten Dosisstufen ist ein Gleichgewicht zwischen Gefahrenidentifizierung einerseits und der Beschreibung von Wirkungen bei geringer Dosierung und ihrer Relevanz andererseits herzustellen. Dieses Gleichgewicht ist bei einer kombinierten Studie zur Prüfung auf chronische Toxizität und auf Kanzerogenität (Kapitel B.33 dieses Anhangs) besonders wichtig (Nummer 12).

12. Es sollte in Betracht gezogen werden, statt einer getrennten Durchführung einer Prüfung auf chronische Toxizität (Kapitel B.30 dieses Anhangs) und einer Prüfung auf Kanzerogenität (diese Prüfmethode B.32) eher eine kombinierte Prüfung auf chronische Toxizität und Kanzerogenität (Kapitel B.33 dieses Anhangs) durchzuführen. Die kombinierte Methode ist zeit- und kosteneffizienter als zwei getrennte Studien, ohne dass dabei die Qualität der Daten der chronischen Komponente oder der Kanzerogenitätskomponente beeinträchtigt würde. Bei Durchführung einer kombinierten Prüfung auf chronische Toxizität und Kanzerogenität (Kapitel B.33 dieses Anhangs) sind die Grundsätze der Dosiswahl (Nummer 11 und Nummern 22-25) jedoch genau zu beachten. Es wird allerdings anerkannt, dass im Rahmen bestimmter Regelungen möglicherweise getrennte Prüfungen vorgeschrieben sind.

13. Die im Zusammenhang mit dieser Prüfmethode verwendeten Begriffe werden am Ende dieses Kapitels und im Guidance Document 116 (7) definiert.

PRINZIP DER PRÜFMETHODE

14. Die Prüfsubstanz wird mehreren Gruppen von Versuchstieren für den größeren Teil ihrer Lebenszeit täglich in abgestuften Dosen in der Regel oral verabreicht. Die Verabreichung durch Inhalation oder auf dermalem Weg kann ebenfalls angebracht sein. Die Tiere werden sorgfältig auf Toxizitätszeichen und das Auftreten neoplastischer Veränderungen beobachtet. Tiere, die im Verlauf der Prüfung sterben, und vorzeitig getötete Tiere werden seziert; die nach Abschluss der Prüfung überlebenden Tiere werden getötet und ebenfalls seziert.

BESCHREIBUNG DER METHODE

Auswahl von Versuchstierarten

15. Diese Prüfmethode betrifft hauptsächlich die Bewertung und Evaluierung der Kanzerogenität bei Nagetieren (Nummer 2). Die Verwendung anderer Arten als Nagetiere kann in Betracht gezogen werden, wenn die vorliegenden Daten darauf hindeuten, dass sie für die Vorhersage gesundheitlicher Wirkungen beim Menschen von größerer Relevanz sind. Die Wahl der Tierart ist zu begründen. Die bevorzugte Nagetierart ist die Ratte, doch können auch andere Nagetierarten, z. B. die Maus, verwendet werden. Obwohl die Verwendung der Maus in Prüfungen auf Kanzerogenität nur von begrenztem Nutzen sein mag (24) (25) (26), schreiben einige geltende Regulierungsprogramme nach wie vor Kanzerogenitätsprüfungen an der Maus vor, sofern nicht gezeigt werden kann, dass eine solche Studie wissenschaftlich nicht erforderlich ist. Ratten und Mäuse sind wegen ihrer relativ kurzen Lebenszeit, der weit verbreiteten Verwendung in pharmakologischen und toxikologischen Studien, ihrer Anfälligkeit für die Entstehung von Tumoren und der Verfügbarkeit ausreichend beschriebener Stämme die bevorzugten Versuchsmodelle. Daher liegen über ihre Physiologie und Pathologie umfangreiche Informationen vor. Zusätzliche Informationen zur Wahl der Tierart und des Stamms sind im Guidance Document No. 116 (7) enthalten.

16. Es sind junge, gesunde, adulte Tiere aus üblicherweise eingesetzten Laborstämmen zu verwenden. Für die Prüfung auf Kanzerogenität sollten möglichst Tiere desselben Stamms und derselben Herkunft verwendet werden wie für die kürzere(n) Toxizitätsvorstudie(n). Wenn jedoch bekannt ist, dass Tiere dieses Stamms und dieser Herkunft die allgemein anerkannten Überlebenskriterien für Langzeitstudien [siehe Guidance Document No. 116 (7)] nicht erfüllen, ist die Verwendung eines Tierstamms mit ausreichender Überlebensrate für die Langzeitstudie in Betracht zu ziehen. Die weiblichen Tiere dürfen weder bereits geworfen haben noch trächtig sein.

Haltung und Fütterung

17. Die Tiere können entweder einzeln oder in kleinen gleichgeschlechtlichen Gruppen in Käfigen untergebracht werden. Eine Einzelunterbringung ist nur in Betracht zu ziehen, wenn dies wissenschaftlich gerechtfertigt ist (27) (28) (29). Die Käfige sollten so angeordnet werden, dass etwaige Einflüsse der Käfigplatzierung minimiert werden. Die Temperatur im Versuchstierraum sollte 22 °C (± 3 °C) betragen. Die relative Luftfeuchtigkeit sollte mindestens 30 % betragen und — außer beim Reinigen des Raums — 70 % nicht überschreiten. Angestrebt werden sollte eine Luftfeuchtigkeit von 50-60 %. Die Beleuchtung sollte künstlich sein und die Hell- und Dunkelphasen sollten sich im Abstand von 12 Stunden abwechseln. An die Versuchstiere kann herkömmliches Laborfutter verfüttert werden, und eine unbegrenzte Trinkwasserversorgung ist zu gewährleisten. Das Futter sollte den Nährstoffbedarf der eingesetzten Tierart decken und möglichst wenig Schadstoffe wie z. B. Pestizidrückstände, persistente organische Schadstoffe, Phytoöstrogene, Schwermetalle und Mykotoxine enthalten, die das Ergebnis der Prüfung beeinflussen könnten. Das Futter ist regelmäßig, und zwar zumindest zu Beginn der Prüfung und bei Verwendung einer anderen Charge, auf den Nährstoff- und Schadstoffgehalt hin zu analysieren; die Ergebnisse sind im Abschlussbericht anzugeben. Ergebnisse von Analysen des in der Prüfung verwendeten Trinkwassers sind ebenfalls anzugeben. Die Auswahl des Futters wird eventuell dadurch beeinflusst, dass eine geeignete Beimischung einer Prüfsubstanz und die Deckung des Nährstoffbedarfs der Tiere sichergestellt werden muss, wenn die Prüfsubstanz mit dem Futter verabreicht wird.

Vorbereitung der Tiere

18. Es sind gesunde Tiere zu verwenden, die mindestens sieben Tage an die Laborbedingungen gewöhnt und zuvor nicht für andere Experimente verwendet wurden. Bei Nagetieren sollte die Verabreichung so bald wie möglich nach dem Absetzen und der Eingewöhnung beginnen, vorzugsweise bevor die Tiere 8 Wochen alt sind. Art, Stamm, Herkunft, Geschlecht, Gewicht und Alter der Versuchstiere sind anzugeben. Bei Beginn der Studie sollten die Gewichtsunterschiede bei den Tieren beider Geschlechter möglichst gering sein und ± 20 % des geschlechtsspezifischen Durchschnittsgewichts aller Tiere in der Studie nicht überschreiten. Die Tiere werden nach dem Zufallsprinzip in Kontroll- und Behandlungsgruppen eingeteilt. Nach der Randomisierung sollte sich das Durchschnittsgewicht der Tiere desselben Geschlechts von Gruppe zu Gruppe nicht signifikant unterscheiden. Gibt es statistisch signifikante Unterschiede, sollte die Randomisierung möglichst wiederholt werden. Jedes Versuchstier erhält zur sicheren Identifizierung eine eigene Nummer und wird durch Tätowierung, Mikrochipimplantat oder auf eine andere geeignete Weise mit dieser Nummer gekennzeichnet.

VERFAHREN

Zahl und Geschlecht der Versuchstiere

19. Es sind Tiere beider Geschlechter zu verwenden. Es sollten so viele Tiere verwendet werden, dass eine gründliche biologische und statistische Auswertung möglich ist. Jede Dosisgruppe und jede gleichzeitige Kontrollgruppe sollte daher mindestens 50 Tiere je Geschlecht umfassen. Je nach Ziel der Studie kann die statistische Aussagekraft von Schlüsselwerten durch ungleiche Verteilung der Tiere auf die verschiedenen Dosisgruppen erhöht werden, wobei z. B. zur Einschätzung des karzinogenen Potenzials bei niedrigen Dosen mehr als 50 Tiere in die Gruppen mit niedriger Dosis eingeteilt werden. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass eine mäßige Erhöhung der Gruppengröße nur zu einer relativ geringen Erhöhung der statistischen Aussagekraft der Studie führt. Weitere Informationen zur statistischen Auslegung der Studie und zur Wahl der Dosisstufen zwecks Maximierung der statistischen Aussagekraft sind im Guidance Document No. 116 (7) enthalten.

Tötungen im Verlauf der Studie und Satelliten-(Sentinel-)Gruppen

20. Es kann vorgesehen werden, dass Tiere im Verlauf der Studie, z. B. nach zwölf Monaten, getötet werden, um Erkenntnisse über den Fortgang neoplastischer Veränderungen und mechanistische Informationen zu gewinnen, falls dies wissenschaftlich gerechtfertigt ist. Wenn diese Informationen bereits aus vorherigen Toxizitätsstudien mit wiederholter Gabe der Prüfsubstanz vorliegen, sind zwischenzeitliche Tötungen möglicherweise wissenschaftlich nicht gerechtfertigt. Wenn vorgesehen ist, dass Tiere im Verlauf der Studie getötet werden, beträgt die Zahl der für derartige Tötungen vorgesehenen Tiere in jeder Dosisgruppe normalerweise je zehn Tiere beider Geschlechter, und die Gesamtzahl der Tiere in der Studie sollte um die Zahl der Tiere erhöht werden, die vor Beendigung der Studie getötet werden sollen. Der Krankheitsstatus während der Studie kann erforderlichenfalls mit einer zusätzlichen Gruppe von Sentineltieren (normalerweise je fünf Tiere beider Geschlechter) überwacht werden (30). Das Guidance Document No. 116 (7) enthält nähere Hinweise.

Dosisgruppen und Dosierung

21. Das Guidance Document No. 116 (7) enthält Hinweise zu allen Aspekten der Dosiswahl und zu den Abständen der Dosisstufen. Mindestens drei Dosisstufen und eine gleichzeitige Kontrolle sollten verwendet werden. Die Dosisstufen werden im Allgemeinen auf der Grundlage der Ergebnisse von Studien mit kurzzeitiger wiederholter Verabreichung oder Dosisfindungsstudien festgelegt und sollten alle vorliegenden toxikologischen und toxikokinetischen Daten für die Prüfsubstanz oder verwandte Stoffe berücksichtigen.

22. Soweit keine Beschränkungen aufgrund der physikalisch-chemischen Beschaffenheit oder der biologischen Wirkungen der Prüfsubstanz bestehen, ist die höchste Dosisstufe so zu wählen, dass zwar die Hauptzielorgane und die toxischen Wirkungen identifiziert werden können, aber Leiden, schwere Toxizität, Morbidität oder Tod der Tiere vermieden werden. Unter Berücksichtigung der unter Nummer 23 beschriebenen Faktoren ist die höchste Dosisstufe normalerweise so zu wählen, dass Anzeichen von Toxizität hervorgerufen werden, die sich z. B. in einer verzögerten Körpergewichtsentwicklung äußern (etwa 10 %). Je nach den Zielen der Studie (siehe Nummer 6) kann jedoch eine Höchstdosis festgelegt werden, die unter der zu Toxizitätszeichen führenden Dosis liegt, z. B. wenn eine Dosis eine besorgniserregende Wirkung auslöst, die sich aber nur geringfügig auf Lebensdauer oder Körpergewicht auswirkt.

23. Die Dosisstufen und die Abstände der Dosisstufen können so gewählt werden, dass auf der niedrigsten Dosisstufe eine Dosis-Wirkungs-Beziehung und, je nach Wirkungsweise der Prüfsubstanz, ein NOAEL-Wert oder andere angestrebte Studienergebnisse, z. B. ein BMD (siehe Nummer 25), festgestellt werden können. Zu den Faktoren, die bei der Festlegung niedrigerer Dosen zu berücksichtigen sind, gehören die voraussichtliche Steigung der Dosis-Wirkungs-Kurve, die Dosen, bei denen wichtige Änderungen des Metabolismus oder der toxischen Wirkungsweise eintreten können, und das Niveau, bei dem eine Schwelle oder ein Ausgangspunkt für eine Extrapolation niedriger Dosen erwartet wird.

24. Welche Dosisstufenabstände gewählt werden, hängt von den Merkmalen der Prüfsubstanz ab und kann in dieser Prüfmethode nicht vorgeschrieben werden. Abstände mit einem Faktor von 2 bis 4 erweisen sich jedoch oft als gut geeignet für die Festsetzung abnehmender Dosisstufen. Außerdem ist es oft besser, statt der Verwendung sehr großer Intervalle (z. B. mit einem Faktor zwischen 6 und 10) zwischen den Dosierungen eine vierte Prüfgruppe einzurichten. Die Verwendung von Faktoren über 10 sollte im Allgemeinen vermieden bzw. gegebenenfalls begründet werden.

25. Entsprechend dem Guidance Document No. 116 (7) sind bei der Dosisfestlegung u. a. folgende Faktoren zu berücksichtigen:

 bekannte oder vermutete Nichtlinearitäten oder Wendepunkte der Dosis-Wirkungs-Kurve;

 Toxikokinetik und Dosisbereiche, bei denen die metabolische Induktion, die Sättigung oder die Nichtlinearität zwischen externen und internen Dosen auftritt oder nicht auftritt;

 Vorläuferläsionen, Wirkungsmarker oder Indikatoren für den Ablauf zugrunde liegender biologischer Schlüsselprozesse;

 wichtige (oder vermutete) Aspekte der Wirkungsweise, z. B. Dosen, ab denen Zytotoxizität auftritt, Hormonspiegel beeinflusst werden, homöostatische Mechanismen gestört werden usw.;

 Bereiche der Dosis-Wirkungs-Kurve, bei denen eine besonders genaue Schätzung erforderlich ist, z. B. im Bereich der vorgesehenen BMD oder einer vermuteten Schwelle;

 Berücksichtigung voraussichtlicher Expositionsniveaus von Menschen.

26. Die Kontrollgruppe ist eine unbehandelte Gruppe oder eine Vehikelkontrollgruppe, sofern ein Vehikel zur Verabreichung der Prüfsubstanz verwendet wird. Abgesehen von der Behandlung mit der Prüfsubstanz sollten die Tiere der Kontrollgruppe genauso behandelt werden wie die Tiere in den Prüfgruppen. Wird ein Vehikel verwendet, erhält die Kontrollgruppe das Vehikel im höchsten bei den Dosisgruppen verwendeten Volumen. Wird eine Prüfsubstanz mit dem Futter verabreicht und führt dies aus geschmacklichen Gründen zu einer verminderten Futteraufnahme, kann eine paarweise gefütterte Kontrollgruppe nützlich und eine bessere Kontrolle sein.

Zubereitung der Dosen und Verabreichung der Prüfsubstanz

27. Die Prüfsubstanz wird in der Regel oral, d. h. mit der Nahrung oder dem Trinkwasser, oder über eine Schlundsonde verabreicht. Zusätzliche Informationen zu Verabreichungswegen und -methoden sind im Guidance Document No. 116 (7) enthalten. Verabreichungsweg und -methode richten sich nach dem Zweck der Studie, den physikalisch-chemischen Eigenschaften der Prüfsubstanz, ihrer Bioverfügbarkeit und der vorherrschenden Art der Exposition beim Menschen. Der gewählte Verabreichungsweg und die Methode sollten begründet werden. Aus Tierschutzgründen sollte die Schlundsonde nur für Agenzien gewählt werden, bei denen dieser Weg und diese Methode der Verabreichung die potenzielle Humanexposition annähernd repräsentieren (z. B. Arzneimittel). Nahrungs- oder Umweltchemikalien einschließlich Pestizide werden normalerweise mit dem Futter oder dem Trinkwasser verabreicht. Für bestimmte Szenarios, z. B. berufliche Exposition, können andere Applikationswege besser geeignet sein.

28. Bei Bedarf wird die Prüfsubstanz in einem geeigneten Vehikel gelöst oder suspendiert. Zu berücksichtigen sind gegebenenfalls folgende Merkmale des Vehikels und anderer Additive: Auswirkungen auf die Resorption, die Verteilung, den Stoffwechsel oder die Retention der Prüfsubstanz; Auswirkungen auf die chemischen Eigenschaften der Prüfsubstanz, die deren toxische Eigenschaften verändern können, und ferner Auswirkungen auf die Futter- oder Wasseraufnahme oder den Ernährungszustand der Versuchstiere. Es empfiehlt sich, nach Möglichkeit zunächst die Verwendung einer wässrigen Lösung/Suspenion, sodann eine Lösung/Emulsion in Öl (z. B. Maisöl) und erst dann eine Lösung in anderen Vehikeln in Betracht zu ziehen. Bei anderen Vehikeln als Wasser müssen deren toxische Merkmale bekannt sein. Es sollten Informationen über die Stabilität der Prüfsubstanz und die Homogenität der Lösungen oder Futterrationen, die (je nach Fall) die Dosierung enthalten, unter den Verabreichungsbedingungen (z. B. mit dem Futter) vorliegen.

29. Für mit dem Futter oder dem Trinkwasser verabreichte Stoffe ist unbedingt sicherzustellen, dass die Mengen der jeweiligen Prüfsubstanz die normale Nahrungsaufnahme oder den Wasserhaushalt nicht beeinträchtigen. Um eine unausgewogene Ernährung zu vermeiden, sollte die Konzentration der Prüfsubstanz in Langzeittoxizitätsstudien mit Verabreichung über die Nahrung normalerweise eine Obergrenze von 5 % der Gesamtnahrung nicht übersteigen. Wenn die Prüfsubstanz mit dem Futter verabreicht wird, kann entweder eine konstante Futterkonzentration (mg/kg Futter oder ppm) oder eine konstante Dosierung in Relation zum Körpergewicht des Tiers (mg/kg Körpergewicht), berechnet auf Wochenbasis, verwendet werden. Die jeweils gewählte Verfahrensweise ist anzugeben.

30. Bei oraler Verabreichung erhalten die Tiere die Prüfsubstanz täglich (sieben Tage in der Woche), im Fall von Nagetieren in der Regel für einen Zeitraum von 24 Monaten (siehe auch Nummer 32). Jede Abweichung von diesem Dosierungsplan, z. B. fünf Tage pro Woche, ist zu begründen. Bei dermaler Applikation werden die Tiere, wie in Kapitel B.9 dieses Anhangs (11) beschrieben, für einen Zeitraum von 24 Monaten an sieben Tagen in der Woche mindestens 6 Stunden pro Tag mit der Prüfsubstanz behandelt. Die Inhalationsexposition wird an sieben Tagen in der Woche für 6 Stunden pro Tag durchgeführt, aber auch fünf Tage in der Woche sind möglich, wenn dies gerechtfertigt ist. Die Expositionsdauer beträgt normalerweise 24 Monate. Wenn für eine „Nose-only“-Exposition andere Nagetierarten als Ratten verwendet werden, kann die maximale Expositionsdauer angepasst werden, um artenspezifisches Leiden zu minimieren. Eine Expositionsdauer von weniger als 6 Stunden pro Tag ist zu begründen. Siehe auch Kapitel B.8 dieses Anhangs (9).

31. Wird die Prüfsubstanz über eine Sonde verabreicht, so sollte dies unter Verwendung einer Schlundsonde oder einer geeigneten Intubationskanüle jeweils zur gleichen Tageszeit erfolgen. Normalerweise wird einmal täglich eine Einzeldosis verabreicht. Wenn es sich bei der Prüfsubstanz z. B. um einen lokal reizenden Stoff handelt, kann die Tagesdosis auf zwei Teilmengen aufgeteilt werden. Das maximale Flüssigkeitsvolumen, das einem Versuchstier jeweils verabreicht werden kann, hängt von der Größe des Versuchstiers ab. Das Volumen sollte so gering wie möglich sein und bei Nagetieren normalerweise 1 ml/100 g Körpergewicht nicht überschreiten (31). Die Variabilität der Prüfvolumina sollte durch Anpassung der Konzentration auf ein konstantes Volumen bei allen Dosen möglichst gering gehalten werden. Davon ausgenommen sind potenziell ätzende oder reizende Stoffe, die zur Vermeidung schwerwiegender lokaler Wirkungen verdünnt werden müssen. Die Prüfung in Konzentrationen, die wahrscheinlich eine verätzende oder reizende Wirkung für den Magen-Darm-Trakt haben, ist zu vermeiden.

Versuchsdauer

32. Die Studie dauert bei Nagetieren in der Regel 24 Monate, was dem größten Teil der normalen Lebenszeit der verwendeten Tiere entspricht. Eine kürzere oder längere Studiendauer ist je nach Lebenszeit der in der Studie verwendeten Tierart möglich, sollte aber begründet werden. Bei bestimmten Stämmen von Mäusen, z. B. die Stämme AKR/J, C3H/J oder C57BL/6J, ist eine Dauer von 18 Monaten möglicherweise besser geeignet. Im Folgenden werden Hinweise zu Dauer und Beendigung der Studie und dem Überleben der Tiere gegeben. Weitere Hinweise, u. a. zu der Frage, wieweit ein aus der Überlebensrate der Tiere resultierendes negatives Ergebnis einer Kanzerogenitätsstudie akzeptiert werden kann, sind im OECD Guidance Document No. 116 on the Design and Conduct of Chronic Toxicity and Carcinogenicity Studies (7) zu finden.

 Wenn die Anzahl der überlebenden Tiere in den Gruppen mit niedrigerer Dosierung oder in der Kontrollgruppe unter 25 % sinkt, ist die Beendigung der Studie in Betracht zu ziehen.

 Ist lediglich in der Hochdosisgruppe ein vorzeitiger Tod aufgrund von Toxizität festzustellen, muss dies nicht zwangsläufig zur Beendigung der Studie führen.

 Die Überlebensrate sollte nach Geschlechtern getrennt ausgewertet werden.

 Die Studie sollte nicht über den Punkt hinaus fortgesetzt werden, an dem die Daten aus der Studie nicht mehr ausreichen, um eine statistisch valide Bewertung vorzunehmen.

BEOBACHTUNGEN

33. Alle Tiere sind in der Regel jeden Tag morgens und abends, auch am Wochenende und an Feiertagen, auf Anzeichen von Morbidität und Mortalität hin zu untersuchen. Darüber hinaus sind die Tiere einmal am Tag auf spezielle Anzeichen von toxikologischer Bedeutung zu untersuchen, wobei der Zeitpunkt zu berücksichtigen ist, zu dem nach Verabreichung per Schlundsonde mit den maximalen Wirkungen zu rechnen ist. Die Entwicklung von Tumoren ist besonders aufmerksam zu verfolgen; dabei sind der Zeitpunkt der Entstehung, die Lokalisierung, das Ausmaß, das Erscheinungsbild und die Progression jedes deutlich sichtbaren oder fühlbaren Tumors festzuhalten.

Körpergewicht, Futter-/Wasseraufnahme und Futtereffizienz

34. Alle Tiere sollten zu Beginn der Behandlung, in den ersten 13 Wochen mindestens einmal wöchentlich und danach mindestens monatlich gewogen werden. Futteraufnahme und Futtereffizienz sollten in den ersten 13 Wochen mindestens wöchentlich und danach mindestens monatlich bestimmt werden. Die Trinkwasseraufnahme sollte in den ersten 13 Wochen mindestens wöchentlich und danach mindestens monatlich gemessen werden, wenn die Prüfsubstanz mit dem Trinkwasser verabreicht wird. Bei Studien, in denen das Trinkverhalten der Tiere verändert ist, sollte auch die Trinkwasseraufnahme gemessen werden.

Hämatologie, klinische Biochemie und sonstige Messungen

35. Um möglichst viele Informationen aus der Studie zu gewinnen, insbesondere in Bezug auf die Wirkungsweise der Prüfsubstanz, können nach Ermessen des Studienleiters Blutproben für hämatologische und klinisch-biochemische Untersuchungen genommen werden. Urinuntersuchungen können ebenfalls angezeigt sein. Weitere Hinweise zum Nutzen dieser Probenahmen im Rahmen einer Kanzerogenitätsprüfung sind im Guidance Document No. 116 (7) zu finden. Falls sie für angezeigt gehalten werden, können die Blutproben für hämatologische und klinisch-chemische Untersuchungen und Urinuntersuchungen im Rahmen einer Tötung im Verlauf der Studie (siehe Nummer 20) oder bei Beendigung der Studie bei mindestens je zehn Tieren beider Geschlechter je Gruppe genommen werden. Die Blutproben müssen unter Anästhesie an einer benannten Stelle, z. B. durch Herzpunktion oder aus dem retrobulbären Venenplexus entnommen und gegebenenfalls fachgerecht gelagert werden. Es können auch Blutausstriche zur Untersuchung angefertigt werden, insbesondere wenn das Knochenmark das Zielorgan zu sein scheint. Der Nutzen dieser Untersuchung für die Einschätzung des karzinogenen/onkogenen Potenzials ist jedoch fraglich (32).

PATHOLOGIE

Makroskopische Untersuchung

36. Alle an der Studie beteiligten Tiere, ausgenommen Sentineltiere (siehe Nummer 20) und andere Satellitentiere, sind einer vollständigen, eingehenden makroskopischen Untersuchung zu unterziehen, die die sorgfältige Untersuchung der äußeren Körperoberfläche, aller Körperöffnungen sowie der Schädel-, Brust- und Bauchhöhlen und ihres Inhalts umfasst. Sentineltiere und andere Satellitentiere können nach Ermessen des Studienleiters von Fall zu Fall seziert werden. Organgewichte werden bei einer Prüfung auf Kanzerogenität normalerweise nicht erfasst, da der Nutzen dieser Daten durch geriatrische Veränderungen und in späteren Stadien durch die Entstehung von Tumoren beeinträchtigt wird. Sie können jedoch für die Durchführung einer Weight-of-Evidence-Bewertung und insbesondere für Fragen der Wirkungsweise von Bedeutung sein. Wenn sie Teil einer Satellitenstudie sind, sollten sie nicht später als ein Jahr nach Studienbeginn erfasst werden.

37. Die folgenden Gewebe sind in dem für die betreffende Gewebeart und die vorgesehene anschließende histopathologische Untersuchung am besten geeigneten Fixierungsmittel aufzubewahren (33) (Gewebe in eckigen Klammern sind fakultativ):



alle makroskopischen Veränderungen

Herz

Pankreas

Magen (Vormagen, Drüsenmagen)

Nebennieren

Ileum

Nebenschilddrüse

[Zähne]

Aorta

Jejunum

periphere Nerven

Hoden

Gehirn (mit Schnitten von Cerebrum, Cerebellum und Medulla/Pons)

Nieren

Hypophyse

Thymus

Caecum

Tränendrüse (exorbital)

Prostata

Schilddrüse

Zervix

Leber

Rectum

[Zunge]

Koagulationsdrüse

Lunge

Speicheldrüse

Trachea

Kolon

Lymphknoten (sowohl oberflächliche als auch tiefe)

Samenbläschen

Harnblase

Duodenum

Brustdrüse (obligatorisch für Weibchen und, falls bei der Sektion erkennbar, für Männchen)

Skelettmuskel

Uterus (mit Zervix)

Nebenhoden

[obere Atemwege, einschließlich Nase, Nasenmuscheln und Nasennebenhöhlen]

Haut

[Harnleiter]

Auge (mit Netzhaut)

Speiseröhre

Rückenmark (auf 3 Ebenen: zervical, mittlerer Thoraxbereich und lumbar)

[Harnröhre]

[Femur mit Gelenk]

[Riechkolben]

Milz

Vagina

Gallenblase (bei anderen Arten als Ratten)

Ovarien

[Brustbein]

Knochenmarkschnitt und/oder ein frisches Knochenmark-Aspirat

Hardersche Drüse

 

 

 

Bei paarigen Organen, z. B. Nieren, Nebennieren, sind beide Organe aufzubewahren. Die klinischen und sonstigen Befunde können weitere Gewebeuntersuchungen erforderlich machen. Auch Organe, die aufgrund der bekannten Eigenschaften der Prüfsubstanz als mögliche Zielorgane in Frage kommen, sollten aufbewahrt werden. In Studien mit dermaler Applikation sind die in der Liste für orale Verabreichung aufgeführten Organe aufzubewahren; es sind Proben der Haut an der Applikationsstelle zu nehmen und aufzubewahren. Bei Inhalationsstudien sollte sich die Liste der aufzubewahrenden und zu untersuchenden Gewebe des Atemtrakts an den Empfehlungen der Kapitel B.8 und B.29 dieses Anhangs orientieren. Was andere Organe/Gewebe betrifft, so sollten (zusätzlich zu den speziell konservierten Geweben aus dem Atemtrakt) die in der Liste für die orale Verabreichung genannten Organe untersucht werden.

Histopathologie

38. Es gibt Leitlinien für bewährte Praktiken bei der Durchführung toxikologischer Pathologiestudien (33). Zu untersuchen sind mindestens folgende Gewebe:

 alle Gewebe der Tiere aus der Hochdosisgruppe und der Kontrollgruppe,

 alle Gewebe von während der Studie gestorbenen oder getöteten Tieren,

 alle Gewebe mit makroskopischen Abnormitäten einschließlich Tumoren,

 wenn behandlungsbedingte histopathologische Veränderungen in der Hochdosisgruppe festgestellt werden, sind diese Gewebe von allen Tieren in allen anderen Dosisgruppen zu untersuchen,

 bei paarigen Organen, z. B. Nieren, Nebennieren, sind beide Organe zu untersuchen.

DATEN UND BERICHTERSTATTUNG

Daten

39. Für alle bestimmten Parameter sollen Daten zu den einzelnen Tieren angegeben werden. Darüber hinaus sollten alle Daten in Form einer Tabelle zusammengefasst werden, aus der für jede Prüfgruppe folgende Angaben hervorgehen: die Zahl der Tiere bei Beginn der Prüfung und die Zahl der während der Prüfung tot aufgefundenen oder aus Tierschutzgründen getöteten Tiere, ferner der Zeitpunkt des Todes oder der Tötung, die Zahl der Tiere, die Toxizitätszeichen aufweisen, eine Beschreibung der beobachteten Toxizitätszeichen, einschließlich des Zeitpunkts, zu dem die toxischen Wirkungen erstmalig aufgetreten sind, ihrer Dauer und ihres Schweregrads, die Zahl der Tiere mit Läsionen, die Art der Läsionen und der Prozentsatz der von jeder Läsion betroffenen Tiere. Die Mittelwerte und Standardabweichungen (für kontinuierliche Versuchsdaten) von Tieren, die toxische Wirkungen oder Läsionen aufweisen, sind zusätzlich zum Schweregrad der Läsionen in Übersichtstabellen anzugeben.

40. Historische Kontrolldaten können die Auswertung der Studienergebnisse erleichtern, z. B. wenn die Daten der gleichzeitigen Kontrollen erheblich von neueren Daten von Kontrolltieren aus derselben Versuchseinrichtung abweichen. Wenn historische Kontrolldaten bewertet werden, sollten sie von demselben Labor stammen, sich auf Tiere desselben Alters und Stamms beziehen und höchstens fünf Jahre vor der fraglichen Studie erhoben worden sein.

41. Wenn möglich, sind die numerischen Daten durch eine geeignete allgemein annehmbare statistische Methode auszuwerten. Die statistischen Methoden und die zu analysierenden Daten sind bei der Planung der Studie festzulegen (Nummer 9). Diese Auswahl sollte es ermöglichen, erforderlichenfalls Anpassungen je nach Überlebensrate vorzunehmen.

Prüfbericht

42. Der Prüfbericht sollte folgende Informationen enthalten:

Prüfsubstanz:

 physikalische Beschaffenheit, Reinheit und physikalisch-chemische Eigenschaften,

 Daten zur Identifikation,

 Herkunft des Stoffs,

 Chargennummer,

 Bescheinigung der chemischen Analyse.

Vehikel (wenn verwendet):

 Begründung der Wahl des Vehikel, sofern anders als Wasser.

Versuchstiere:

 Art/Stamm und Begründung für die getroffene Wahl,

 Anzahl, Alter und Geschlecht der Tiere bei Versuchsbeginn,

 Herkunft, Haltungsbedingungen, Futter usw.,

 Gewicht der einzelnen Tiere bei Versuchsbeginn.

Prüfbedingungen:

 Begründung für Verabreichungsweg und Festlegung der Dosis,

 gegebenenfalls die statistischen Methoden zur Analyse der Daten,

 Angaben zur Formulierung der Prüfsubstanz/Futterzubereitung,

 Analysedaten über die erreichte Konzentration, Stabilität und Homogenität der Zubereitung,

 Verabreichungsweg und Angaben zur Verabreichung der Prüfsubstanz,

 bei Inhalationsstudien: „Nose-only“- oder Ganzkörperexposition,

 tatsächliche Dosen (mg/kg Körpergewicht/Tag) und, sofern zutreffend, Angaben zur Umrechnung der Konzentration der Prüfsubstanz im Futter/Trinkwasser (mg/kg oder ppm) in die tatsächliche Dosis,

 Angaben zur Futter- und Wasserqualität.

Ergebnisse (zusammenfassende Übersichtstabellen und Daten für die einzelnen Tiere):

Allgemeines

 Überlebensdaten,

 Körpergewicht/Änderungen des Körpergewichts,

 Futteraufnahme, gegebenenfalls Berechnungen der Futtereffizienz und der Wasseraufnahme, falls erfasst,

 toxikokinetische Daten, falls vorhanden,

 Ophthalmoskopie (falls zutreffend),

 Hämatologie (falls zutreffend),

 klinische Chemie (falls zutreffend).

Klinische Befunde

 Toxizitätszeichen,

 Inzidenz (und, falls bewertet, Schweregrad) jeder Abnormität,

 Art, Schweregrad und Dauer der klinischen Beobachtungen (sowohl vorübergehend als auch dauerhaft).

Nekropsiedaten

 terminales Körpergewicht,

 Organgewichte (und gegebenenfalls Verhältnis Organ-/Körpergewicht),

 Sektionsbefunde; Inzidenz und Schweregrad von Abnormitäten.

Histopathologie

 nicht neoplastische histopathologische Befunde,

 neoplastische histopathologische Befunde,

 Korrelation zwischen makroskopischen und mikroskopischen Befunden,

 ausführliche Beschreibung aller behandlungsbedingten histopathologischen Befunde mit Einstufung des Schweregrads,

 Bericht über eventuelle Peer-Reviews von Objektträgern.

Statistische Auswertung der Ergebnisse, soweit zutreffend

Diskussion der Ergebnisse einschließlich

 Diskussion von Modellierungsansätzen,

 Dosis-Wirkungs-Beziehungen,

 historische Kontrolldaten,

 Prüfung aller Informationen über die Wirkungsweise,

 Bestimmung von BMD, NOAEL oder LOAEL,

 Relevanz für Menschen.

Schlussfolgerungen

LITERATUR:

1. OECD (1995). Report of the Consultation Meeting on Sub-chronic and Chronic Toxicity/Carcinogenicity Testing (Rome, 1995), internal working document, Environment Directorate, OECD, Paris.

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6. Kapitel B.27 dieses Anhangs, Prüfung auf sub-chronische orale Toxizität — 90-Tage-Toxizitätsstudie mit wiederholter Verabreichung an Nicht-Nagetieren

7. OECD (2012). Guidance Document on the Design and Conduct of Chronic Toxicity and Carcinogenicity Studies, Supporting Test Guidelines 451, 452 and 453 — Second edition. Series on Testing and Assessment No. 116, available on the OECD public website for Test Guideline at www.oecd.org/env/testguidelines.

8. OECD (2009). Guidance Document on Acute Inhalation Toxicity Testing, Series on Testing and Assessment No. 39, ENV/JM/MONO(2009)28, OECD, Paris.

9. Kapitel B.8 dieses Anhangs, Prüfung auf subakute Toxizität nach Inhalation — 28-Tage-Test.

10. Kapitel B.29 dieses Anhangs, Prüfung auf sub-chronische Toxizität nach Inhalation — 90-Tage-Test.

11. Kapitel B.9 dieses Anhangs, Toxizität nach 28-tägiger Gabe (dermal).

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27. Richtlinie 2010/63/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. September 2010 zum Schutz der für wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tiere (ABl. L 276 vom 20.10.2010, S. 33).

28. National Research Council, 1985. Guide for the care and use of laboratory animals. NIH Publication No. 86-23. Washington, D.C., US Dept. of Health and Human Services.

29. GV-SOLAS (Society for Laboratory Animal Science, Gesellschaft für Versuchstierkunde, 1988). Publication on the Planning and Structure of Animal Facilities for Institutes Performing Animal Experiments. ISBN 3-906255-04-2.

30. GV-SOLAS (Society for Laboratory Animal Science, Gesellschaft für Versuchstierkunde, 2006). Microbiological monitoring of laboratory animals in various housing systems.

31. Diehl K-H, Hull R, Morton D, Pfister R, Rabemampianina Y, Smith D, Vidal J-M, van de Vorstenbosch C. (2001). A good practice guide to the administration of substances and removal of blood, including routes and volumes. Journal of Applied Toxicology 21:15-23.

32. Weingand K, et al. (1996). Harmonization of Animal Clinical Pathology Testing in Toxicity and Safety Studies. Fund. Appl. Toxicol. 29: 198-201.

33. Crissman J, Goodman D, Hildebrandt P, et al. (2004). Best Practices Guideline: Toxicological Histopathology. Toxicologic Pathology 32: 126-131.

Anlage 1

DEFINITION

Prüfsubstanz : jeder Stoff oder jedes Gemisch, der/das mit dieser Prüfmethode getestet wird.

B.33   KOMBINIERTE STUDIEN ZUR PRÜFUNG AUF CHRONISCHE TOXIZITÄT UND KANZEROGENITÄT

EINLEITUNG

1. Diese Prüfmethode entspricht der OECD-Prüfrichtlinie (TG) 453 (2009). Die ursprüngliche TG 453 wurde 1981 angenommen. Die Entwicklung dieser aktualisierten Prüfmethode B.33 wurde für notwendig gehalten, um neueren Entwicklungen auf dem Gebiet des Tierschutzes sowie Regulierungsanforderungen Rechnung zu tragen (1) (2) (3) (4) (5). Diese Prüfmethode B.33 wurde parallel zur Überarbeitung von Kapitel B.32 dieses Anhang „Prüfungen auf Kanzerogenität“ und Kapitel B.30 dieses Anhangs „Prüfungen auf chronische Toxizität“ aktualisiert mit dem Ziel, zusätzliche Informationen von den in der Untersuchung verwendeten Tieren und detailliertere Angaben zur Wahl der Dosis zu gewinnen. Diese Prüfmethode ist dazu ausgelegt, für die Prüfung eines breiten Spektrums von chemischen Stoffen, einschließlich Pestiziden und Industriechemikalien, verwendet zu werden. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass bestimmte Details und Anforderungen für Pharmazeutika abweichen können [siehe Internationale Harmonisierungskonferenz (ICH) Guidance S1B on Testing for Carcinogenicity of Pharmaceuticals].

2. Bei den meisten Prüfungen auf chronische Toxizität und Kanzerogenität werden Nagetierarten verwendet; diese Prüfmethode gilt daher hauptsächlich für Prüfungen, die an diesen Arten durchgeführt werden. Wenn solche Prüfungen an Nichtnagern erforderlich sind, können die beschriebenen Grundsätze und Verfahren mit entsprechenden Änderungen in Kombination mit denen des Kapitels B.27 dieses Anhangs „Prüfung auf subchronische orale Toxizität — 90-Tage-Toxizitätsstudie mit wiederholter Verabreichung an Nicht-Nagetieren“ (6), wie im OECD Guidance Document No. 116 on the Design and Conduct of Chronic Toxicity and Carcinogenicity Studies (7) beschrieben, ebenfalls angewendet werden.

3. Bei Prüfungen auf chronische Toxizität/Kanzerogenität finden im Wesentlichen die orale, die dermale und die inhalative Verabreichung Anwendung. Die Wahl des Verabreichungswegs hängt von den physikalischen und chemischen Eigenschaften der Prüfsubstanz und der vorherrschenden Art der Exposition beim Menschen ab. Zusätzliche Informationen zur Wahl des Expositionswegs sind im Guidance Document No. 116 (7) enthalten.

4. Bei dieser Prüfmethode steht die Exposition auf oralem Weg im Vordergrund. Dies ist der bei Prüfungen auf chronische Toxizität und Kanzerogenität am häufigsten verwendete Expositionsweg. Zwar sind Langzeitprüfungen mit Exposition über die Haut oder durch Inhalation möglicherweise auch notwendig, um das Risiko für die menschliche Gesundheit zu beurteilen, und/oder im Rahmen bestimmter Regelungen vorgeschrieben, aber diese beiden Expositionswege sind aus technischer Sicht außerordentlich komplex. Derartige Prüfungen sind von Fall zu Fall zu konzipieren, wobei die hier beschriebene Prüfmethode für die Bewertung und Evaluierung von Kanzerogenität und chronischer Toxizität bei oraler Verabreichung allerdings mit Bezug auf Empfehlungen für Behandlungszeiten, klinische und Pathologieparameter usw. als Grundlage für ein Protokoll für Inhalations- und/oder dermale Prüfungen dienen könnte. Es gibt OECD-Leitlinien für die Verabreichung von Prüfsubstanzen durch Inhalation (7) (8) und über die Haut (7). Bei der Konzeption längerfristiger Prüfungen mit Exposition durch Inhalation sind insbesondere Kapitel B.8 dieses Anhangs (9) und Kapitel B.29 dieses Anhangs (10) sowie das OECD Guidance (8) zu berücksichtigen. Bei Prüfungen mit dermaler Applikation ist Kapitel B.9 dieses Anhangs (11) zu beachten.

5. Die kombinierte Studie zur Prüfung auf chronische Toxizität/Kanzerogenität liefert Informationen über mögliche gesundheitliche Schädigungen, die durch wiederholte Exposition über einen Zeitraum entstehen können, der sich über die gesamte Lebensdauer der verwendeten Art erstrecken kann. Sie liefert Informationen über die toxischen Wirkungen der Prüfsubstanz, einschließlich der potenziellen Kanzerogenität, und gibt Hinweise auf Zielorgane und die Möglichkeit der Akkumulation. Außerdem kann sie zur Ableitung eines NOAEL-Werts (Dosis ohne beobachtete schädigende Wirkung) für toxische Wirkungen und, im Fall von nicht genotoxischen Karzinogenen, für Tumorreaktionen beitragen, der zur Festlegung von Sicherheitskriterien für die Humanexposition herangezogen werden kann. Ferner wird die Notwendigkeit sorgfältiger klinischer Beobachtung der Tiere hervorgehoben, damit so viele Informationen wie möglich gewonnen werden können.

6. Zu den Zielen von Prüfungen auf chronische Toxizität/Kanzerogenität nach dieser Prüfmethode gehören

 die Identifizierung der kanzerogenen Eigenschaften einer Prüfsubstanz, die im Vergleich zu gleichzeitigen Kontrollgruppen zu einer erhöhten Inzidenz von Neoplasmen, einem erhöhten Anteil maligner Neoplasmen oder einem schnelleren Auftreten von Neoplasmen führen,

 die Ermittlung der Zeit bis zum Auftreten von Neoplasmen,

 die Feststellung der chronischen Toxizität der Prüfsubstanz,

 die Identifizierung des Zielorgans/der Zielorgane der chronischen Toxizität und der Kanzerogenität,

 die Beschreibung der Dosis-Wirkungs-Beziehung,

 die Bestimmung eines NOAEL-Werts (Dosis ohne beobachtete schädigende Wirkung) oder eines Ausgangspunkts für die Festlegung einer Benchmark-Dosis (BMD),

 die Extrapolation kanzerogener Wirkungen auf Expositionsniveaus von Menschen bei geringer Dosis,

 die Vorhersage der Wirkungen chronischer Toxizität beim Expositionsniveau von Menschen,

 die Gewinnung von Daten zur Prüfung von Hypothesen über die Wirkungsweise (2) (7) (12) (13) (14) (15).

AUSGANGSÜBERLEGUNGEN

7. Bei der Beurteilung und Bewertung des Kanzerogenitätspotenzials und der chronischen Toxizität einer Prüfsubstanz sollte das Prüflabor vor Durchführung der Studie alle verfügbaren Informationen über die Prüfsubstanz berücksichtigen, damit die Studienauslegung auf eine effizientere Prüfung ihrer toxikologischen Eigenschaften ausgerichtet und die Verwendung von Versuchstieren minimiert werden kann. Es ist wichtig, die Wirkungsweise eines vermutlichen Karzinogens zu kennen und zu berücksichtigen (2) (7) (12) (13) (14) (15), da die optimale Studienauslegung je nachdem, ob die Prüfsubstanz ein bekanntes oder vermutliches genotoxisches Karzinogen ist, unterschiedlich sein kann. Nähere Hinweise zu Aspekten der Wirkungsweise sind im Guidance Document No. 116 (7) zu finden.

8. Für die Auslegung der Studie könnten u. a. Informationen wie die Identität, die chemische Struktur und die physikalisch-chemischen Eigenschaften der Prüfsubstanz, sämtliche Informationen über die Wirkungsweise, Ergebnisse jeglicher In-vitro- oder In-vivo-Toxizitätsprüfungen einschließlich Genotoxizitätsprüfungen, vorgesehene Verwendungen und die Möglichkeit der Exposition des Menschen, (Q)SAR-Daten, Daten über Mutagenität/Genotoxizität, Kanzerogenität und andere toxikologische Daten über strukturverwandte Substanzen, toxikokinetische Daten (Kinetik bei Einzel- und Mehrfachdosierung) sowie Daten aus anderen Studien mit wiederholter Exposition herangezogen werden. Die chronische Toxizität/Kanzerogenität sollte erst bestimmt werden, wenn erste Informationen über die Toxizität aus Toxizitätsprüfungen mit wiederholter Gabe über 28 Tage und/oder 90 Tage vorliegen. Auch Kurzzeitversuche zur Krebsinitiation-/promotion können nützliche Informationen liefern. Im Rahmen der Gesamtbewertung der potenziellen schädlichen Wirkungen einer bestimmten Prüfsubstanz auf die Gesundheit sollte bei der Prüfung auf Kanzerogenität etappenweise vorgegangen werden (16) (17) (18) (19).

9. Vor Beginn der Prüfung ist festzulegen, welche Statistikmethoden angesichts der Versuchsauslegung und der Ziele am besten für die Analyse der Ergebnisse geeignet sind. Dabei ist u. a. zu entscheiden, ob die Statistiken Anpassungen in Bezug auf die Überlebensrate, die Analyse kumulativer Tumorrisiken bezogen auf die Überlebensdauer, die Analyse des Zeitraums bis zum Auftreten eines Tumors und die Analyse bei vorzeitigem Tod der Tiere einer oder mehrerer Gruppen umfassen sollten. Hinweise zu den geeigneten statistischen Analysen und wichtige Literaturverweise zu international anerkannten Statistikmethoden sind im Guidance Document No. 116 (7) sowie im Guidance Document No. 35 on the analysis and evaluation of chronic toxicity and carcinogenicity studies (20) zu finden.

10. Bei der Durchführung einer Prüfung auf Kanzerogenität sind stets die im OECD Guidance Document No. 19 on the recognition, assessment, and use of clinical signs as humane endpoints for experimental animals used in safety evaluation (21), insbesondere in Absatz 62, genannten Grundsätze und Erwägungen zu befolgen. In diesem Absatz heißt es: Wenn ein Tier in Studien mit wiederholter Verabreichung progressive klinische Anzeichen für eine fortschreitende Verschlechterung seines Zustands aufweist, ist eine informierte Entscheidung zu treffen, ob das Tier tierschutzgerecht getötet werden sollte oder nicht. Bei dieser Entscheidung sind Faktoren wie der Wert der Informationen, die bei Verbleiben des Tiers in der Studie gewonnen werden können, und der allgemeine Gesundheitszustand des Tiers gegeneinander abzuwägen. Wird beschlossen, das Tier in der Studie zu belassen, ist es entsprechend den Erfordernissen häufiger zu beobachten. Zur Linderung von Schmerzen oder Qualen kann auch die Verabreichung der Prüfsubstanz unterbrochen oder die Dosis verringert werden, sofern dabei der Zweck der Prüfung nicht beeinträchtigt wird.

11. Ausführliche Informationen und eine Diskussion der Prinzipien der Dosiswahl bei Studien zur Prüfung auf chronische Toxizität und Kanzerogenität sind im Guidance Document No. 116 (7) sowie in zwei Veröffentlichungen des International Life Sciences Institute (22) (23) zu finden. Die grundlegende Strategie der Dosiswahl hängt von den Hauptzielen der Studie ab (Nummer 6). Bei der Auswahl der geeigneten Dosisstufen ist ein Gleichgewicht zwischen Gefahrenidentifizierung einerseits und der Beschreibung von Wirkungen bei geringer Dosierung und ihrer Relevanz andererseits herzustellen. Dieses Gleichgewicht ist bei einer kombinierten Studie zur Prüfung auf chronische Toxizität und auf Kanzerogenität besonders wichtig.

12. Es sollte in Betracht gezogen werden, statt einer getrennten Durchführung einer Prüfung auf chronische Toxizität (Kapitel B.30 dieses Anhangs) und einer Prüfung auf Kanzerogenität (Kapitel B.32 dieses Anhangs) eher diese kombinierte Prüfung auf chronische Toxizität und Kanzerogenität durchzuführen. Die kombinierte Methode ist zeit- und kosteneffizienter und benötigt weniger Versuchstiere als zwei getrennte Studien, ohne dass dabei die Qualität der Daten der chronischen Komponente oder der Kanzerogenitätskomponente beeinträchtigt würde. Bei Durchführung einer kombinierten Prüfung auf chronische Toxizität und Kanzerogenität sind die Grundsätze der Dosiswahl (Nummer 11 und Nummern 22-26) jedoch genau zu beachten. Es wird allerdings anerkannt, dass im Rahmen bestimmter Regelungen möglicherweise getrennte Prüfungen vorgeschrieben sind. Weitere Hinweise zur Planung der kombinierten Studie zur Prüfung auf chronische Toxizität und Kanzerogenität mit dem Ziel, die Effizienz der Studie zu maximieren, indem möglichst wenig Tiere verwendet und die verschiedenen Versuchsverfahren gestrafft werden, sind im Guidance Document No. 116 (7) zu finden.

13. Die im Zusammenhang mit dieser Prüfmethode verwendeten Begriffe werden am Ende dieses Kapitels und im Guidance Document No. 116 (7) definiert.

PRINZIP DER PRÜFMETHODE

14. Die Studie umfasst zwei parallele Phasen: eine chronische Phase und eine Kanzerogenitätsphase (zur jeweiligen Dauer siehe Nummern 34 bzw. 35). Die Prüfsubstanz wird in der Regel oral verabreicht, aber auch die Verabreichung durch Inhalation oder auf dermalem Weg kann angebracht sein. In der chronischen Phase wird die Prüfsubstanz mehreren Gruppen von Versuchstieren täglich in abgestuften Dosen verabreicht, eine Dosisstufe je Gruppe, und zwar normalerweise über einen Zeitraum von 12 Monaten, wobei je nach Regulierungsanforderungen (siehe Nummer 34) auch eine längere oder kürzere Dauer gewählt werden kann. Die Dauer sollte ausreichend lang sein, damit sich etwaige Wirkungen kumulativer Toxizität manifestieren können, ohne dass sich die verzerrenden Wirkungen geriatrischer Veränderungen bemerkbar machen. Die Studienauslegung kann auch eine oder mehrere zwischenzeitliche Tötungen vorsehen, z. B. nach 3 und 6 Monaten; außerdem können zu diesem Zweck auch zusätzliche Gruppen von Versuchstieren aufgenommen werden (siehe Nummer 20). In der Kanzerogenitätsphase wird die Prüfsubstanz mehreren Gruppen von Versuchstieren für den größeren Teil ihrer Lebenszeit täglich verabreicht. In beiden Phasen werden die Tiere sorgfältig auf Toxizitätszeichen und das Auftreten neoplastischer Veränderungen beobachtet. Tiere, die im Verlauf der Prüfung sterben, und vorzeitig getötete Tiere werden seziert; die nach Abschluss der Prüfung überlebenden Tiere werden getötet und ebenfalls seziert.

BESCHREIBUNG DER METHODE

Auswahl von Versuchstierarten

15. Diese Prüfmethode betrifft hauptsächlich die Bewertung und Evaluierung der chronischen Toxizität und der Kanzerogenität bei Nagetieren (Nummer 2). Die Verwendung anderer Arten als Nagetiere kann in Betracht gezogen werden, wenn die vorliegenden Daten darauf hindeuten, dass sie für die Vorhersage gesundheitlicher Wirkungen beim Menschen von größerer Relevanz sind. Die Wahl der Tierart ist zu begründen. Die bevorzugte Nagetierart ist die Ratte, doch können auch andere Nagetierarten, z. B. die Maus, verwendet werden. Obwohl die Verwendung der Maus in Prüfungen auf Kanzerogenität nur von begrenztem Nutzen sein mag (24) (25) (26), schreiben einige geltende Regulierungsprogramme nach wie vor Kanzerogenitätsprüfungen an der Maus vor, sofern nicht gezeigt werden kann, dass eine solche Studie wissenschaftlich nicht erforderlich ist. Ratten und Mäuse sind wegen ihrer relativ kurzen Lebenszeit, der weit verbreiteten Verwendung in pharmakologischen und toxikologischen Studien, ihrer Anfälligkeit für die Entstehung von Tumoren und der Verfügbarkeit ausreichend beschriebener Stämme die bevorzugten Versuchsmodelle. Daher liegen über ihre Physiologie und Pathologie umfangreiche Informationen vor. Wenn Prüfungen auf chronische Toxizität/Kanzerogenität bei Nichtnagern erforderlich sind, sollten Auslegung und Durchführung der Versuche auf den Grundsätzen der vorliegenden Prüfmethode sowie denen von Kapitel B.27 dieses Anhangs — Prüfung auf subchronische orale Toxizität — 90-Tage-Toxizitätsstudie mit wiederholter Verabreichung an Nicht-Nagetieren (6) basieren. Zusätzliche Informationen zur Wahl der Tierart und des Stamms sind im Guidance Document No. 116 (7) enthalten.

16. Es sind junge, gesunde, adulte Tiere aus üblicherweise eingesetzten Laborstämmen zu verwenden. Für die kombinierte Prüfung auf chronische Toxizität/Kanzerogenität sollten Tiere desselben Stamms und derselben Herkunft verwendet werden wie für die kürzere(n) Toxizitätsvorstudie(n). Wenn jedoch bekannt ist, dass Tiere dieses Stamms und dieser Herkunft die allgemein anerkannten Überlebenskriterien für Langzeitstudien [siehe Guidance Document No. 116 (7)] nicht erfüllen, ist die Verwendung eines Tierstamms mit ausreichender Überlebensrate für die Langzeitstudie in Betracht zu ziehen. Die weiblichen Tiere dürfen weder bereits geworfen haben noch trächtig sein.

Haltungs- und Fütterungsbedingungen

17. Die Tiere können entweder einzeln oder in kleinen gleichgeschlechtlichen Gruppen in Käfigen untergebracht werden. Eine Einzelunterbringung ist nur in Betracht zu ziehen, wenn dies wissenschaftlich gerechtfertigt ist (27) (28) (29). Die Käfige sollten so angeordnet werden, dass etwaige Einflüsse der Käfigplatzierung minimiert werden. Die Temperatur im Versuchstierraum sollte 22 °C (± 3 °C) betragen. Die relative Luftfeuchtigkeit sollte mindestens 30 % betragen und — außer beim Reinigen des Raums — 70 % nicht überschreiten. Angestrebt werden sollte eine Luftfeuchtigkeit von 50-60 %. Die Beleuchtung sollte künstlich sein und die Hell- und Dunkelphasen sollten sich im Abstand von 12 Stunden abwechseln. An die Versuchstiere kann herkömmliches Laborfutter verfüttert werden, und eine unbegrenzte Trinkwasserversorgung ist zu gewährleisten. Das Futter sollte den Nährstoffbedarf der eingesetzten Tierart decken und möglichst wenig Schadstoffe wie z. B. Pestizidrückstände, persistente organische Schadstoffe, Phytoöstrogene, Schwermetalle und Mykotoxine enthalten, die das Ergebnis der Prüfung beeinflussen könnten. Das Futter ist regelmäßig, und zwar zumindest zu Beginn der Prüfung und bei Verwendung einer anderen Charge, auf den Nährstoff- und Schadstoffgehalt hin zu analysieren; die Ergebnisse sind im Abschlussbericht anzugeben. Ergebnisse von Analysen des in der Prüfung verwendeten Trinkwassers sind ebenfalls anzugeben. Die Auswahl des Futters wird eventuell dadurch beeinflusst, dass eine geeignete Beimischung einer Prüfsubstanz und die Deckung des Nährstoffbedarfs der Tiere sichergestellt werden muss, wenn die Prüfsubstanz mit dem Futter verabreicht wird.

Vorbereitung der Tiere

18. Es sind gesunde Tiere zu verwenden, die mindestens sieben Tage an die Laborbedingungen gewöhnt und zuvor nicht für andere Experimente verwendet wurden. Bei Nagetieren sollte die Verabreichung so bald wie möglich nach dem Absetzen und der Eingewöhnung beginnen, vorzugsweise bevor die Tiere 8 Wochen alt sind. Art, Stamm, Herkunft, Geschlecht, Gewicht und Alter der Versuchstiere sind anzugeben. Bei Beginn der Studie sollten die Gewichtsunterschiede bei den Tieren beider Geschlechter möglichst gering sein und ± 20 % des geschlechtsspezifischen Durchschnittsgewichts aller Tiere in der Studie nicht überschreiten. Die Tiere werden nach dem Zufallsprinzip in Kontroll- und Behandlungsgruppen eingeteilt. Nach der Randomisierung sollte sich das Durchschnittsgewicht der Tiere desselben Geschlechts von Gruppe zu Gruppe nicht signifikant unterscheiden. Gibt es statistisch signifikante Unterschiede, sollte die Randomisierung möglichst wiederholt werden. Jedes Versuchstier erhält zur sicheren Identifizierung eine eigene Nummer und wird durch Tätowierung, Mikrochipimplantat oder auf eine andere geeignete Weise mit dieser Nummer gekennzeichnet.

VERFAHREN

Zahl und Geschlecht der Versuchstiere

19. Es sind Tiere beider Geschlechter zu verwenden. Es sollten so viele Tiere verwendet werden, dass eine gründliche biologische und statistische Auswertung möglich ist. Bei Nagetieren sollte daher jede Dosisgruppe (siehe Nummer 22) und jede gleichzeitige Kontrollgruppe für die Kanzerogenitätsphase der Studie mindestens je 50 Tiere beider Geschlechter umfassen. Je nach Ziel der Studie kann die statistische Aussagekraft von Schlüsselwerten durch ungleiche Verteilung der Tiere auf die verschiedenen Dosisgruppen erhöht werden, wobei z. B. zur Einschätzung des karzinogenen Potenzials bei niedrigen Dosen mehr als 50 Tiere in die Gruppen mit niedriger Dosis eingeteilt werden. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass eine mäßige Erhöhung der Gruppengröße nur zu einer relativ geringen Erhöhung der statistischen Aussagekraft der Studie führt. Bei Nagetieren sollte jede Dosisgruppe (siehe Nummer 22) und jede gleichzeitige Kontrollgruppe für die chronische Toxizitätsphase der Studie mindestens je 10 Tiere beider Geschlechter umfassen. Dies sind weniger Tiere als in der Studie zur Prüfung auf chronische Toxizität (Kapitel B.30 dieses Anhangs). Die Auswertung der Daten von der geringeren Anzahl Tiere je Gruppe in der chronischen Toxizitätsphase dieser kombinierten Studie wird jedoch durch die Daten von der größeren Anzahl Tiere in der Kanzerogenitätsphase unterstützt. Bei Studien an Mäusen sind in jeder Dosisgruppe der chronischen Toxizitätsphase möglicherweise zusätzliche Tiere nötig, um alle erforderlichen hämatologischen Bestimmungen vornehmen zu können. Weitere Informationen zur statistischen Auslegung der Studie und zur Wahl der Dosisstufen zwecks Maximierung der statistischen Aussagekraft sind im Guidance Document No. 116 (7) enthalten.

Tötungen im Verlauf der Studie, Satellitengruppen und Sentineltiere

20. Es kann vorgesehen werden, dass Tiere im Verlauf der Studie für die chronische Toxizitätsphase, z. B. nach sechs Monaten, getötet werden, um Erkenntnisse über den Fortgang nicht neoplastischer Veränderungen und mechanistische Informationen zu gewinnen, falls dies wissenschaftlich gerechtfertigt ist. Wenn diese Informationen bereits aus vorherigen Toxizitätsstudien mit wiederholter Gabe der Prüfsubstanz vorliegen, sind zwischenzeitliche Tötungen möglicherweise wissenschaftlich nicht gerechtfertigt. Die Tiere, die in der normalerweise 12 Monate dauernden chronischen Toxizitätsphase der Studie verwendet werden (Nummer 34) liefern Daten über zwischenzeitliche Tötungen für die Kanzerogenitätsphase, so dass insgesamt weniger Tiere verwendet werden müssen. In der chronischen Toxizitätsphase der Studie kann die Reversibilität toxikologischer Veränderungen, die durch die Prüfsubstanz hervorgerufen werden, auch mithilfe von Satellitengruppen überwacht werden. Diese können auf die höchste Dosisgruppe der Studie zuzüglich einer Kontrolle beschränkt werden. Der Krankheitsstatus während der Studie kann erforderlichenfalls mit einer zusätzlichen Gruppe von Sentineltieren (normalerweise je fünf Tiere beider Geschlechter) überwacht werden (30). Weitere Hinweise zur Planung der Studie in Bezug auf die Aufnahme von Tieren, die im Verlauf der Studie getötet werden sollen, sowie von Satelliten- und Sentineltieren unter gleichzeitiger Minimierung der Zahl der insgesamt verwendeten Tiere sind im Guidance Document No. 116 (7) zu finden.

21. Wenn Satellitentiere und/oder Tötungen von Tieren im Verlauf der Studie vorgesehen sind, beträgt die Zahl der für diese Zwecke aufgenommenen Tiere in jeder Dosisgruppe normalerweise je zehn Tiere beider Geschlechter, und die Gesamtzahl der Tiere in der Studie sollte um die Zahl der Tiere erhöht werden, die vor Beendigung der Studie getötet werden sollen. Tiere, die im Verlauf der Studie getötet werden sollen, und Satellitentiere sind normalerweise in Bezug auf die Bestimmung des Körpergewichts und der Futter-/Wasseraufnahme, hämatologische und klinisch-biochemische Bestimmungen sowie pathologische Untersuchungen genauso zu behandeln wie die Tiere in der chronischen Toxizitätsphase der Hauptstudie; es kann allerdings vorgesehen werden, die Messungen (in den Gruppen mit im Verlauf der Studie zu tötenden Tieren) auf bestimmte Schlüsselaspekte wie Neurotoxizität oder Immunotoxizität zu beschränken.

Dosisgruppen und Dosierung

22. Das Guidance Document No. 116 (7) enthält Hinweise zu allen Aspekten der Dosiswahl und zu den Abständen der Dosisstufen. Sowohl für die chronische als auch für die Kanzerogenitätsphase werden mindestens drei Dosisstufen und eine gleichzeitige Kontrolle verwendet. Die Dosisstufen werden im Allgemeinen auf der Grundlage der Ergebnisse von Studien mit kurzzeitiger wiederholter Verabreichung oder Dosisfindungsstudien festgelegt und sollten alle vorliegenden toxikologischen und toxikokinetischen Daten für die Prüfsubstanz oder verwandte Stoffe berücksichtigen.

23. Für die chronische Toxizitätsphase der Studie ist u. U. keine vollständige Prüfung mit drei Dosisstufen erforderlich, wenn davon ausgegangen werden kann, dass ein Versuch mit einer Dosisstufe, die mindestens 1 000 mg/kg Körpergewicht/Tag entspricht, wahrscheinlich keine schädlichen Wirkungen hervorruft. Die Entscheidung sollte sich auf Informationen aus Vorstudien stützen und darauf, dass angesichts der Daten für strukturverwandte Stoffe keine Toxizität zu erwarten ist. Sofern die Exposition des Menschen nicht die Prüfung bei einer höheren Dosis erforderlich erscheinen lässt, kann eine Grenze von 1 000 mg/kg Körpergewicht/Tag angewandt werden.

24. Soweit keine Beschränkungen aufgrund der physikalisch-chemischen Beschaffenheit oder der biologischen Wirkungen der Prüfsubstanz bestehen, ist die höchste Dosisstufe so zu wählen, dass zwar die Hauptzielorgane und die toxischen Wirkungen identifiziert werden können, aber Leiden, schwere Toxizität, Morbidität oder Tod der Tiere vermieden werden. Die höchste Dosisstufe ist normalerweise so zu wählen, dass Anzeichen von Toxizität hervorgerufen werden, die sich z. B. in einer verzögerten Körpergewichtsentwicklung äußern (etwa 10 %). Je nach den Zielen der Studie (siehe Nummer 6) kann jedoch eine Höchstdosis festgelegt werden, die unter der zu Toxizitätszeichen führenden Dosis liegt, z. B. wenn eine Dosis eine besorgniserregende Wirkung auslöst, die sich aber nur geringfügig auf Lebensdauer oder Körpergewicht auswirkt.

25. Die Dosisstufen und die Abstände der Dosisstufen können so gewählt werden, dass eine Dosis-Wirkungs-Beziehung und, je nach Wirkungsweise der Prüfsubstanz, ein NOAEL-Wert oder andere angestrebte Studienergebnisse, z. B. ein BMD (siehe Nummer 27), festgestellt werden können. Zu den Faktoren, die bei der Festlegung niedrigerer Dosen zu berücksichtigen sind, gehören die voraussichtliche Steigung der Dosis-Wirkungs-Kurve, die Dosen, bei denen wichtige Änderungen des Metabolismus oder der toxischen Wirkungsweise eintreten können, und das Niveau, bei dem eine Schwelle oder ein Ausgangspunkt für eine Extrapolation niedriger Dosen erwartet wird. Bei Durchführung einer kombinierten Prüfung auf Kanzerogenität und chronische Toxizität liegt der Schwerpunkt auf der Gewinnung von Informationen für die Einschätzung des Kanzerogenitätsrisikos, während die Gewinnung von Informationen über die chronische Toxizität normalerweise ein nachrangiges Ziel ist. Dies ist zu berücksichtigen, wenn die Dosisstufen und ihre Abstände für die Studie festgelegt werden.

26. Welche Dosisstufenabstände gewählt werden, hängt von den Zielen der Studie und den Merkmalen der Prüfsubstanz ab und kann in dieser Prüfmethode nicht im Einzelnen vorgeschrieben werden. Abstände mit einem Faktor von 2 bis 4 erweisen sich jedoch oft als gut geeignet für die Festsetzung abnehmender Dosisstufen. Außerdem ist es oft besser, statt der Verwendung sehr großer Intervalle (z. B. mit einem Faktor zwischen 6 und 10) zwischen den Dosierungen eine vierte Prüfgruppe einzurichten. Die Verwendung von Faktoren über 10 sollte im Allgemeinen vermieden bzw. gegebenenfalls begründet werden.

27. Entsprechend dem Guidance Document No. 116 (7) sind bei der Dosisfestlegung u. a. folgende Faktoren zu berücksichtigen:

 bekannte oder vermutete Nichtlinearitäten oder Wendepunkte der Dosis-Wirkungs-Kurve;

 Toxikokinetik und Dosisbereiche, bei denen die metabolische Induktion, die Sättigung oder die Nichtlinearität zwischen externen und internen Dosen auftritt oder nicht auftritt;

 Vorläuferläsionen, Wirkungsmarker oder Indikatoren für den Ablauf zugrunde liegender biologischer Schlüsselprozesse;

 wichtige (oder vermutete) Aspekte der Wirkungsweise, z. B. Dosen, ab denen Zytotoxizität auftritt, Hormonspiegel beeinflusst werden, homöostatische Mechanismen gestört werden usw.;

 Bereiche der Dosis-Wirkungs-Kurve, bei denen eine besonders genaue Schätzung erforderlich ist, z. B. im Bereich der vorgesehenen BMD oder einer vermuteten Schwelle;

 Berücksichtigung der voraussichtlichen Expositionsniveaus von Menschen, insbesondere bei der Wahl mittlerer und niedriger Dosen.

28. Die Kontrollgruppe ist eine unbehandelte Gruppe oder eine Vehikelkontrollgruppe, sofern ein Vehikel zur Verabreichung der Prüfsubstanz verwendet wird. Abgesehen von der Behandlung mit der Prüfsubstanz sollten die Tiere der Kontrollgruppe genauso behandelt werden wie die Tiere in den Prüfgruppen. Wird ein Vehikel verwendet, erhält die Kontrollgruppe das Vehikel im höchsten bei den Dosisgruppen verwendeten Volumen. Wird eine Prüfsubstanz mit dem Futter verabreicht, und führt dies aus geschmacklichen Gründen zu einer verminderten Futteraufnahme, kann eine paarweise gefütterte Kontrollgruppe nützlich und eine bessere Kontrolle sein.

Zubereitung der Dosen und Verabreichung der Prüfsubstanz

29. Die Prüfsubstanz wird in der Regel oral, d. h. mit der Nahrung oder dem Trinkwasser, oder über eine Schlundsonde verabreicht. Zusätzliche Informationen zu Verabreichungswegen und -methoden sind im Guidance Document No. 116 (7) enthalten. Verabreichungsweg und -methode richten sich nach dem Zweck der Studie, den physikalisch-chemischen Eigenschaften der Prüfsubstanz, ihrer Bioverfügbarkeit und der vorherrschenden Art der Exposition beim Menschen. Der gewählte Verabreichungsweg und die Methode sollten begründet werden. Aus Tierschutzgründen sollte die Schlundsonde nur für Agenzien gewählt werden, bei denen dieser Weg und diese Methode der Verabreichung die potenzielle Humanexposition annähernd repräsentieren (z. B. Arzneimittel). Nahrungs- oder Umweltchemikalien einschließlich Pestizide werden normalerweise mit dem Futter oder dem Trinkwasser verabreicht. Für bestimmte Szenarios, z. B. berufliche Exposition, können andere Applikationswege besser geeignet sein.

30. Bei Bedarf wird die Prüfsubstanz in einem geeigneten Vehikel gelöst oder suspendiert. Zu berücksichtigen sind gegebenenfalls folgende Merkmale des Vehikels und anderer Additive: Auswirkungen auf die Resorption, die Verteilung, den Stoffwechsel oder die Retention der Prüfsubstanz; Auswirkungen auf die chemischen Eigenschaften der Prüfsubstanz, die deren toxische Eigenschaften verändern können, und ferner Auswirkungen auf die Futter- oder Wasseraufnahme oder den Ernährungszustand der Versuchstiere. Es empfiehlt sich, nach Möglichkeit zunächst die Verwendung einer wässrigen Lösung/Suspension, dann eine Lösung/Emulsion in Öl (z. B. Maisöl) und erst dann eine Lösung in einem anderen Vehikel in Betracht zu ziehen. Bei anderen Vehikeln als Wasser müssen deren toxische Merkmale bekannt sein. Es sollten Informationen über die Stabilität der Prüfsubstanz und die Homogenität der Lösungen oder Futterrationen, die (je nach Fall) die Dosierung enthalten, unter den Verabreichungsbedingungen (z. B. mit dem Futter) vorliegen.

31. Für mit dem Futter oder dem Trinkwasser verabreichte Stoffe ist unbedingt sicherzustellen, dass die Mengen der jeweiligen Prüfsubstanz die normale Nahrungsaufnahme oder den Wasserhaushalt nicht beeinträchtigen. Um eine unausgewogene Ernährung zu vermeiden, sollte die Konzentration der Prüfsubstanz in Langzeittoxizitätsstudien mit Verabreichung über die Nahrung normalerweise eine Obergrenze von 5 % der Gesamtnahrung nicht übersteigen. Wenn die Prüfsubstanz mit dem Futter verabreicht wird, kann entweder eine konstante Futterkonzentration (mg/kg Futter oder ppm) oder eine konstante Dosierung in Relation zum Körpergewicht des Tiers (mg/kg Körpergewicht), berechnet auf Wochenbasis, verwendet werden. Die jeweils gewählte Verfahrensweise ist anzugeben.

32. Bei oraler Verabreichung erhalten die Tiere die Prüfsubstanz täglich (sieben Tage in der Woche) für einen Zeitraum von 12 Monaten (chronische Phase) oder 24 Monaten (Kanzerogenitätsphase), siehe auch Nummern 33 und 34. Jede Abweichung von diesem Dosierungsplan, z. B. fünf Tage pro Woche, ist zu begründen. Bei dermaler Applikation werden die Tiere, wie in Kapitel B.9 dieses Anhangs (11) beschrieben, für einen Zeitraum von 12 Monaten (chronische Phase) oder 24 Monaten (Kanzerogenitätsphase) an sieben Tagen in der Woche mindestens 6 Stunden pro Tag mit der Prüfsubstanz behandelt. Die Inhalationsexposition wird an sieben Tagen in der Woche für 6 Stunden pro Tag durchgeführt, aber auch fünf Tage in der Woche sind möglich, wenn dies gerechtfertigt ist. Die Expositionsdauer beträgt normalerweise 12 Monate (chronische Phase) oder 24 Monate (Kanzerogenitätsphase). Wenn für eine „Nose-only“-Exposition andere Nagetierarten als Ratten verwendet werden, kann die maximale Expositionsdauer angepasst werden, um artenspezifisches Leiden zu minimieren. Eine Expositionsdauer von weniger als 6 Stunden pro Tag ist zu begründen. Siehe auch Kapitel B.8 dieses Anhangs (9).

33. Wird die Prüfsubstanz über eine Sonde verabreicht, so sollte dies unter Verwendung einer Schlundsonde oder einer geeigneten Intubationskanüle jeweils zur gleichen Tageszeit erfolgen. Normalerweise wird einmal am Tag eine einzige Dosis verabreicht; wenn es sich bei der Prüfsubstanz z. B. um einen lokal reizenden Stoff handelt, kann die Tagesdosis auf zwei Teilmengen aufgeteilt werden. Das maximale Flüssigkeitsvolumen, das einem Versuchstier jeweils verabreicht werden kann, hängt von der Größe des Versuchstiers ab. Das Volumen sollte so gering wie möglich sein und bei Nagetieren normalerweise 1 ml/100 g Körpergewicht nicht überschreiten (31). Die Variabilität der Prüfvolumina sollte durch Anpassung der Konzentration auf ein konstantes Volumen bei allen Dosen möglichst gering gehalten werden. Davon ausgenommen sind potenziell ätzende oder reizende Stoffe, die zur Vermeidung schwerwiegender lokaler Wirkungen verdünnt werden müssen. Die Prüfung in Konzentrationen, die wahrscheinlich eine verätzende oder reizende Wirkung für den Magen-Darm-Trakt haben, ist zu vermeiden.

Versuchsdauer

34. Dosierungszeitraum und Dauer der chronischen Phase dieser Studie betragen normalerweise 12 Monate, aber je nach den Anforderungen bestimmter Regulierungsregelungen oder für spezifische mechanistische Zwecke sind auch kürzere (z. B. 6 oder 9 Monate) oder längere (z. B. 18 oder 24 Monate) Zeiträume möglich. Abweichungen von der 12-monatigen Expositionsdauer sind zu begründen, insbesondere wenn eine kürzere Dauer gewählt wird. Zur Bewertung der chronischen Toxizität und nicht neoplastischer pathologischer Läsionen wird die Behandlung aller Dosisgruppen dieser Phase zum festgelegten Zeitpunkt beendet. Satellitengruppen zur Beobachtung der Reversibilität von toxikologischen Veränderungen, die durch die Prüfsubstanz hervorgerufen werden, sollten nach Beendigung der Exposition noch für einen Zeitraum von mindestens 4 Wochen, aber nicht länger als ein Drittel der Gesamtstudiendauer ohne Behandlung beibehalten werden.

35. Die Kanzerogenitätsphase dieser Studie dauert bei Nagetieren in der Regel 24 Monate, was dem größten Teil der normalen Lebenszeit der verwendeten Tiere entspricht. Eine kürzere oder längere Studiendauer ist je nach Lebenszeit der in der Studie verwendeten Tierart möglich, sollte aber begründet werden. Bei bestimmten Stämmen von Mäusen, z. B. die Stämme AKR/J, C3H/J oder C57BL/6J, ist eine Dauer von 18 Monaten möglicherweise besser geeignet. Im Folgenden werden Hinweise zu Dauer und Beendigung der Studie und dem Überleben der Tiere gegeben. Weitere Hinweise, u. a. zu der Frage, wieweit ein aus der Überlebensrate der Tiere resultierendes negatives Ergebnis einer Kanzerogenitätsstudie akzeptiert werden kann, sind im OECD Guidance Document No. 116 on the Design and Conduct of Chronic Toxicity and Carcinogenicity Studies (7) zu finden.

 Wenn die Anzahl der überlebenden Tiere in den Gruppen mit niedrigerer Dosierung oder in der Kontrollgruppe unter 25 % sinkt, ist die Beendigung der Studie in Betracht zu ziehen.

 Ist lediglich in der Hochdosisgruppe ein vorzeitiger Tod aufgrund von Toxizität festzustellen, muss dies nicht zwangsläufig zur Beendigung der Studie führen.

 Die Überlebensrate sollte nach Geschlechtern getrennt ausgewertet werden.

 Die Studie sollte nicht über den Punkt hinaus fortgeführt werden, an dem die Daten aus der Studie nicht mehr ausreichen, um eine statistisch valide Bewertung vorzunehmen.

BEOBACHTUNGEN (CHRONISCHE TOXIZITÄTSPHASE)

36. Alle Tiere sind in der Regel jeden Tag morgens und abends, auch am Wochenende und an Feiertagen, auf Anzeichen von Morbidität und Mortalität hin zu untersuchen. Allgemeine klinische Beobachtungen sollten mindestens einmal täglich, vorzugsweise zur selben Tageszeit, unter Berücksichtigung des Zeitraums, in dem der Wirkungsgipfel nach Verabreichung der Dosis über eine Schlundsonde zu erwarten ist, vorgenommen werden.

37. Bei allen Tieren sind mindestens einmal vor der ersten Exposition (für intraindividuelle Vergleiche), am Ende der ersten Studienwoche und danach monatlich gründliche klinische Beobachtungen vorzunehmen. Das Beobachtungsprotokoll ist so zu gestalten, dass Abweichungen zwischen den Beobachtern minimiert werden und von der Prüfgruppe unabhängig sind. Diese Beobachtungen sollten außerhalb des Käfigs erfolgen, in dem die Tiere gehalten werden, und zwar vorzugsweise in einem Standardgehege jeweils zu denselben Zeiten. Sie sind sorgfältig zu dokumentieren, am besten nach einer speziell vom Prüflabor entwickelten Bewertungsskala. Die Beobachtungsbedingungen sollten möglichst konstant sein. Zu achten ist insbesondere auf Veränderungen an Haut, Fell, Augen, Schleimhäuten, auf Sekrete und Exkrete sowie autonome Aktivitäten (z. B. Tränensekretion, Piloerektion, Pupillengröße, ungewöhnliche Atemmuster). Gang- und Haltungsstörungen, ferner Reaktionen auf den Umgang mit den Tieren sowie etwaige klonische oder tonische Bewegungen, Stereotypien (z. B. übermäßiges Putzen, wiederholte Kreisbewegungen) oder abnormes Verhalten (z. B. Selbstverstümmelung, Rückwärtsgehen) sollten auch dokumentiert werden (32).

38. Alle Tiere sind vor der ersten Verabreichung der Prüfsubstanz mit einem Ophthalmoskop oder einem anderen geeigneten Instrument ophthalmologisch zu untersuchen. Am Ende der Studie ist diese Untersuchung möglichst bei allen Tieren, aber mindestens bei der Hochdosisgruppe und der Kontrollgruppe zu wiederholen. Wenn behandlungsbedingte Veränderungen an den Augen beobachtet werden, sind alle Tiere zu untersuchen. Wenn eine Strukturanalyse oder andere Informationen auf eine Toxizität für die Augen hindeuten, ist die Frequenz der Augenuntersuchungen zu erhöhen.

39. Bei Chemikalien, für die vorangegangene Toxizitätsprüfungen mit wiederholter Gabe über 28 und/oder 90 Tage auf potenzielle neurotoxische Wirkungen hindeuten, können vor Studienbeginn, in Abständen von drei Monaten nach Beginn einer Studie von bis zu 12 Monaten einschließlich sowie bei Beendigung der Studie (falls länger als 12 Monate) fakultativ die sensorische Reaktivität auf Reize verschiedener Art (32) (z. B. akustische, visuelle und propriozeptive Reize) (33), (34), (35), die Greifkraft (36) und die motorische Aktivität (37) bewertet werden. Weitere Einzelheiten zu den möglichen Untersuchungen finden sich in der Literatur. Allerdings können auch andere als dort genannte Verfahren angewendet werden.

40. Bei Chemikalien, für die vorangegangene Toxizitätsprüfungen mit wiederholter Gabe über 28 und/oder 90 Tage auf potenzielle immunotoxische Wirkungen hindeuten, können bei Beendigung der Studie fakultativ weitere Untersuchungen dieses Endpunkts durchgeführt werden.

Körpergewicht, Futter-/Wasseraufnahme und Futtereffizienz

41. Alle Tiere sollten zu Beginn der Behandlung, in den ersten 13 Wochen mindestens einmal wöchentlich und danach mindestens monatlich gewogen werden. Futteraufnahme und Futtereffizienz sollten in den ersten 13 Wochen mindestens wöchentlich und danach mindestens monatlich bestimmt werden. Die Trinkwasseraufnahme sollte in den ersten 13 Wochen mindestens wöchentlich und danach mindestens monatlich gemessen werden, wenn die Prüfsubstanz mit dem Trinkwasser verabreicht wird. Bei Studien, in denen das Trinkverhalten der Tiere verändert ist, sollte auch die Trinkwasseraufnahme gemessen werden.

Hämatologie und klinische Biochemie

42. Bei Prüfungen an Nagetieren sind die hämatologischen Untersuchungen an allen Versuchstieren (10 männliche und 10 weibliche Tiere je Gruppe) nach 3, 6 und 12 Monaten sowie bei Beendigung der Studie (falls sie länger als 12 Monate dauert) durchzuführen. Bei Mäusen werden möglicherweise Satellitentiere benötigt, um alle erforderlichen hämatologischen Bestimmungen vornehmen zu können (siehe Nummer 19). Bei Prüfungen an Nichtnagern werden die Proben wie bei Nagetieren beschrieben in den Zwischenphasen und bei Beendigung der Studie von einer kleineren Anzahl Tiere (z. B. vier Tiere je Geschlecht und je Gruppe in Hundestudien) genommen. Weder bei Nagern noch bei Nichtnagern brauchen Messungen nach drei Monaten vorgenommen zu werden, wenn bei den hämatologischen Parametern in einer vorangegangenen 90-Tage-Studie mit vergleichbaren Dosisstufen keine Wirkung erkennbar war. Die Blutproben müssen unter Anästhesie an einer benannten Stelle, z. B. durch Herzpunktion oder aus dem retrobulbären Venenplexus entnommen werden.

43. Die folgenden Parameter sind zu bestimmen (38): Gesamt- und Differenzialleukozytenzahl, Erythrozytenzahl, Thrombozytenzahl, Hämoglobinkonzentration, Hämatokrit, mittleres Erythrozyteneinzelvolumen (MCV), mittleres korpuskuläres Hämoglobin (MCH), mittlere korpuskuläre Hämoglobinkonzentration (MCHC), Prothrombinzeit und aktivierte partielle Thromboplastinzeit. Je nach Toxizität der Prüfsubstanz können gegebenenfalls auch weitere hämatologische Parameter wie Heinz-Körper oder andere atypische Erythrozytenmorphologie oder Methämoglobin gemessen werden. Insgesamt ist je nach den beobachteten und/oder erwarteten Wirkungen der Prüfsubstanz mit der entsprechenden Flexibilität vorzugehen. Wenn die Prüfsubstanz Auswirkungen auf die Hämatopoese hat, können auch eine Bestimmung der Retikulozytenzahl und eine Knochenmarkzytologie angezeigt sein; sie müssen aber nicht routinemäßig durchgeführt werden.

44. Klinisch-biochemische Bestimmungen zur Untersuchung der wichtigsten toxischen Wirkungen in Geweben, insbesondere der Wirkungen auf Nieren und Leber, sind an Blutproben durchzuführen, die von jedem Versuchstier (10 männliche und 10 weibliche Tiere je Gruppe) in den für die hämatologischen Untersuchungen angegebenen gleichen Zeitabständen entnommen werden. Bei Mäusen werden möglicherweise Satellitentiere benötigt, um alle erforderlichen klinisch-biochemischen Bestimmungen vornehmen zu können. Bei Prüfungen an Nichtnagern werden die Proben wie bei Nagetieren beschrieben in den Zwischenphasen und bei Beendigung der Studie von einer kleineren Anzahl Tiere (z. B. vier Tiere je Geschlecht und je Gruppe in Hundestudien) genommen. Weder bei Nagern noch bei Nichtnagern brauchen Messungen nach drei Monaten vorgenommen zu werden, wenn bei den klinisch-biochemischen Parametern in einer vorangegangenen 90-Tage-Studie mit vergleichbaren Dosisstufen keine Wirkung erkennbar war. Es empfiehlt sich eine Futterkarenz der Tiere (ausgenommen Mäuse) über Nacht, bevor die Blutproben entnommen werden ( 30 ). Die folgenden Parameter sind zu bestimmen (38): Glucose, Harnstoff (Harnstoff-Stickstoff), Kreatinin, Gesamtprotein, Albumin, Calcium, Natrium, Kalium, Gesamtcholesterin, mindestens zwei geeignete Parameter für die hepatozelluläre Evaluierung (Alanin-Aminotransferase, Aspartat-Aminotransferase, Glutamatdehydrogenase, Gesamtgallensäuren) (39) und mindestens zwei geeignete Parameter für die hepatobiliäre Evaluierung (alkalische Phosphatase, γ-Glutamyltransferase, 5’-Nucleotidase, Gesamtbilirubin, Gesamtgallensäuren) (39). Je nach Toxizität der Prüfsubstanz können gegebenenfalls auch weitere klinisch-chemische Parameter wie Nüchtern-Triglyceride, spezifische Hormone und Cholinesterase bestimmt werden. Insgesamt ist je nach den beobachteten und/oder erwarteten Wirkungen der Prüfsubstanz mit der entsprechenden Flexibilität vorzugehen.

45. An Proben, die allen Tieren in der Studie (zehn männliche und zehn weibliche Tiere je Gruppe) in den gleichen Abständen entnommen wurden wie die Proben für die hämatologische und die klinisch-chemische Untersuchung, sind Urinanalysen durchzuführen. Es brauchen keine Messungen nach drei Monaten vorgenommen zu werden, wenn bei der Urinanalyse in einer vorangegangenen 90-Tage-Studie mit vergleichbaren Dosisstufen keine Wirkung erkennbar war. Eine Empfehlung von Sachverständigen zu klinischen Pathologiestudien (38) enthält die folgende Liste von Parametern: Aussehen, Volumen, Osmolalität oder spezifisches Gewicht, pH-Wert, Gesamteiweiß und Glucose. Außerdem können Ketone, Urobilinogen, Bilirubin und okkultes Blut bestimmt werden. Sofern erforderlich, können weitere Parameter verwendet werden, um die Untersuchung beobachteter Wirkungen zu erweitern.

46. Bei Studien an Hunden werden im Allgemeinen Bestimmungen der Ausgangsdaten hämatologischer und klinisch-biochemischer Parameter vor der Behandlung für notwendig gehalten; bei Studien an Nagern müssen sie aber nicht bestimmt werden (38). Wenn keine ausreichenden historischen Ausgangsdaten vorliegen (siehe Nummer 58), sollten sie jedoch bestimmt werden.

PATHOLOGIE

Makroskopische Untersuchung

47. Alle an der Studie beteiligten Tiere müssen normalerweise einer vollständigen, eingehenden makroskopischen Untersuchung unterzogen werden, die die sorgfältige Untersuchung der äußeren Körperoberfläche, aller Körperöffnungen sowie der Schädel-, Brust- und Bauchhöhlen und ihres Inhalts umfasst. Es kann jedoch auch vorgesehen werden, die Untersuchungen (in den Gruppen der Tiere, die im Verlauf der Studie getötet werden sollen, und in den Satellitengruppen) auf spezifische Schlüsselaspekte wie Neurotoxizität oder Immunotoxizität zu beschränken (siehe Nummer 21). Diese Tiere brauchen weder seziert noch den nachstehend beschriebenen Verfahren unterzogen zu werden. Sentineltiere können nach Ermessen des Studienleiters von Fall zu Fall seziert werden.

48. Die Organgewichte aller Tiere sind zu erfassen, außer von denen, die gemäß dem letzten Teil von Nummer 47 ausgenommen sind. Nebennieren, Gehirn, Nebenhoden, Herz, Nieren, Leber, Ovarien, Milz, Hoden, Schilddrüse (nach Fixierung gewogen, mit Nebenschilddrüsen) und Uterus (außer der moribund aufgefundenen und/oder zwischenzeitlich getöteten Tiere) sind in angemessener Form von anhaftendem Gewebe zu befreien, und ihr Nassgewicht ist so rasch wie möglich nach der Sektion festzustellen, um ein Austrocknen zu verhindern.

49. Die folgenden Gewebe sind in dem für die betreffende Gewebeart und die vorgesehene anschließende histopathologische Untersuchung am besten geeigneten Fixierungsmittel aufzubewahren (40) (Gewebe in eckigen Klammern sind fakultativ):



alle makro-skopischen Veränderungen

Herz

Pankreas

Magen (Vormagen, Drüsenmagen)

Nebennieren

Ileum

Nebenschilddrüse

[Zähne]

Aorta

Jejunum

periphere Nerven

Hoden

Gehirn (mit Schnitten von Cerebrum, Cerebellum und Medulla/Pons)

Nieren

Hypophyse

Thymus

Caecum

Tränendrüse (exorbital)

Prostata

Schilddrüse

Zervix

Leber

Rectum

[Zunge]

Koagulationsdrüse

Lunge

Speicheldrüse

Trachea

Kolon

Lymphknoten (sowohl oberflächliche als auch tiefe)

Samenbläschen

Harnblase

Duodenum

Brustdrüse (obligatorisch für Weibchen und, falls bei der Sektion erkennbar, für Männchen)

Skelettmuskel

Uterus (mit Zervix)

Nebenhoden

[obere Atemwege, einschließlich Nase, Nasenmuscheln und Nasennebenhöhlen]

Haut

[Harnleiter]

Auge (mit Netzhaut)

Speiseröhre

Rückenmark (auf 3 Ebenen: zervical, mittlerer Thoraxbereich und lumbar)

[Harnröhre]

[Femur mit Gelenk]

[Riechkolben]

Milz

Vagina

Gallenblase (bei anderen Arten als Ratten)

Ovarien

[Brustbein]

Knochenmarkschnitt und/oder ein frisches Knochenmark-Aspirat

Hardersche Drüse

 

 

 

Bei paarigen Organen, z. B. Nieren, Nebennieren, sind beide Organe aufzubewahren. Die klinischen und sonstigen Befunde können weitere Gewebeuntersuchungen erforderlich machen. Auch Organe, die aufgrund der bekannten Eigenschaften der Prüfsubstanz als mögliche Zielorgane in Frage kommen, sollten aufbewahrt werden. In Studien mit dermaler Applikation sind die in der Liste für orale Verabreichung aufgeführten Organe zu untersuchen; außerdem sind Proben der Haut an der Applikationsstelle zu nehmen und aufzubewahren. Bei Inhalationsstudien entspricht die Liste der aufzubewahrenden und zu untersuchenden Gewebe des Atemtrakts den Empfehlungen von Kapitel B.8 dieses Anhangs (9) und Kapitel B.29 dieses Anhangs (10). Was andere Organe/Gewebe betrifft, so sollten (zusätzlich zu den speziell konservierten Geweben aus dem Atemtrakt) die in der Liste für die orale Verabreichung genannten Organe untersucht werden.

Histopathologie

50. Es gibt Leitlinien für bewährte Praktiken bei der Durchführung toxikologischer Pathologiestudien (40). Histopathologisch zu untersuchen sind mindestens

 alle Gewebe der Tiere aus der Hochdosisgruppe und der Kontrollgruppe,

 alle Gewebe von während der Studie gestorbenen oder getöteten Tieren,

 alle Gewebe mit makroskopischen Abnormitäten,

 Zielgewebe oder Gewebe, die in der Hochdosisgruppe behandlungsbedingte Veränderungen aufwiesen, von allen Tieren in allen anderen Dosisgruppen,

 bei paarigen Organen, z. B. Nieren, Nebennieren, sind beide Organe zu untersuchen.

BEOBACHTUNGEN (Kanzerogenitätsphase)

51. Alle Tiere sind in der Regel jeden Tag morgens und abends, auch am Wochenende und an Feiertagen, auf Anzeichen von Morbidität und Mortalität hin zu untersuchen. Darüber hinaus sind die Tiere einmal am Tag auf spezielle Anzeichen von toxikologischer Bedeutung zu untersuchen. Bei Studien mit Sondenapplikation sind die Tiere unmittelbar nach der Dosierung zu kontrollieren. Die Entwicklung von Tumoren ist mit besonderer Aufmerksamkeit zu verfolgen; dabei sind der Zeitpunkt der Entstehung, die Lokalisierung, das Ausmaß, das Erscheinungsbild und die Progression jedes deutlich sichtbaren oder fühlbaren Tumors festzuhalten.

52. Alle Tiere sollten zu Beginn der Behandlung, in den ersten 13 Wochen mindestens einmal wöchentlich und danach mindestens monatlich gewogen werden. Futteraufnahme und Futtereffizienz sollten in den ersten 13 Wochen mindestens wöchentlich und danach mindestens monatlich bestimmt werden. Die Trinkwasseraufnahme sollte in den ersten 13 Wochen mindestens wöchentlich und danach mindestens monatlich gemessen werden, wenn die Prüfsubstanz mit dem Trinkwasser verabreicht wird. Bei Studien, in denen das Trinkverhalten der Tiere verändert ist, sollte auch die Trinkwasseraufnahme gemessen werden.

Hämatologie, klinische Biochemie und sonstige Messungen

53. Um möglichst viele Informationen aus der Studie zu gewinnen, insbesondere in Bezug auf die Wirkungsweise der Prüfsubstanz, können nach Ermessen des Studienleiters Blutproben für hämatologische und klinisch-biochemische Untersuchungen genommen werden. Urinuntersuchungen können ebenfalls angezeigt sein. Daten über die Tiere, die in der normalerweise 12 Monate dauernden chronischen Toxizitätsphase der Studie (Nummer 34) verwendet wurden, liefern Informationen über diese Parameter. Weitere Hinweise zum Nutzen dieser Probenahmen im Rahmen einer Kanzerogenitätsprüfung sind im Guidance Document No. 116 (7) zu finden. Wenn Blutproben genommen werden, sollten sie am Ende des Prüfzeitraums kurz vor der Tötung oder als Teil des Tötungsvorgangs genommen werden. Sie müssen unter Anästhesie an einer benannten Stelle, z. B. durch Herzpunktion oder aus dem retrobulbären Venenplexus entnommen werden. Es können auch Blutausstriche zur Untersuchung angefertigt werden, insbesondere wenn das Knochenmark das Zielorgan zu sein scheint. Der Nutzen dieser Untersuchung von Blutausstrichen in der Kanzerogenitätsphase für die Einschätzung des karzinogenen/onkogenen Potenzials ist jedoch fraglich (38).

PATHOLOGIE

Makroskopische Untersuchung

54. Alle an der Studie beteiligten Tiere, ausgenommen Sentineltiere und andere Satellitentiere (siehe Nummer 20), müssen einer vollständigen, eingehenden makroskopischen Untersuchung unterzogen werden, die die sorgfältige Untersuchung der äußeren Körperoberfläche, aller Körperöffnungen sowie der Schädel-, Brust- und Bauchhöhlen und ihres Inhalts umfasst. Sentineltiere und andere Satellitentiere können nach Ermessen des Studienleiters von Fall zu Fall seziert werden. Organgewichte werden bei einer Prüfung auf Kanzerogenität normalerweise nicht erfasst, da der Nutzen dieser Daten durch geriatrische Veränderungen und in späteren Stadien durch die Entstehung von Tumoren beeinträchtigt wird. Sie können jedoch für die Durchführung einer Weight-of-Evidence-Bewertung und insbesondere für Fragen der Wirkungsweise von Bedeutung sein. Wenn sie Teil einer Satellitenstudie sind, sollten sie nicht später als ein Jahr nach Studienbeginn erfasst werden.

55. Die folgenden Gewebe sind in dem für die betreffende Gewebeart und die vorgesehene anschließende histopathologische Untersuchung am besten geeigneten Fixierungsmittel aufzubewahren (40) (Gewebe in eckigen Klammern sind fakultativ):



alle makro-skopischen Veränderungen

Herz

Pankreas

Magen (Vormagen, Drüsenmagen)

Nebennieren

Ileum

Nebenschilddrüse

[Zähne]

Aorta

Jejunum

periphere Nerven

Hoden

Gehirn (mit Schnitten von Cerebrum, Cerebellum und Medulla/Pons)

Nieren

Hypophyse

Thymus

Caecum

Tränendrüse (exorbital)

Prostata

Schilddrüse

Zervix

Leber

Rectum

[Zunge]

Koagulationsdrüse

Lunge

Speicheldrüse

Trachea

Kolon

Lymphknoten (sowohl oberflächliche als auch tiefe)

Samenbläschen

Harnblase

Duodenum

Brustdrüse (obligatorisch für Weibchen und, falls bei der Sektion erkennbar, für Männchen)

Skelettmuskel

Uterus (mit Zervix)

Nebenhoden

[obere Atemwege, einschließlich Nase, Nasenmuscheln und Nasennebenhöhlen]

Haut

[Harnleiter]

Auge (mit Netzhaut)

Speiseröhre

Rückenmark (auf 3 Ebenen: zervical, mittlerer Thoraxbereich und lumbar)

[Harnröhre]

[Femur mit Gelenk]

[Riechkolben]

Milz

Vagina

Gallenblase (bei anderen Arten als Ratten)

Ovarien

[Brustbein]

Knochenmarkschnitt und/oder ein frisches Knochenmark-Aspirat

Hardersche Drüse

 

 

 

Bei paarigen Organen, z. B. Nieren, Nebennieren, sind beide Organe aufzubewahren. Die klinischen und sonstigen Befunde können weitere Gewebeuntersuchungen erforderlich machen. Auch Organe, die aufgrund der bekannten Eigenschaften der Prüfsubstanz als mögliche Zielorgane in Frage kommen, sollten aufbewahrt werden. In Studien mit dermaler Applikation sind die in der Liste für orale Verabreichung aufgeführten Organe zu untersuchen; außerdem sind Proben der Haut an der Applikationsstelle zu nehmen und aufzubewahren. Bei Inhalationsstudien entspricht die Liste der aufzubewahrenden und zu untersuchenden Gewebe des Atemtrakts den Empfehlungen von Kapitel B.8 dieses Anhangs (8) und Kapitel B.29 dieses Anhangs (9). Was andere Organe/Gewebe betrifft, so sollten (zusätzlich zu den speziell konservierten Geweben aus dem Atemtrakt) die in der Liste für die orale Verabreichung genannten Organe untersucht werden.

Histopathologie

56. Es gibt Leitlinien für bewährte Praktiken bei der Durchführung toxikologischer Pathologiestudien (40). Zu untersuchen sind mindestens folgende Gewebe:

 alle Gewebe der Tiere aus der Hochdosisgruppe und der Kontrollgruppe,

 alle Gewebe von während der Studie gestorbenen oder getöteten Tieren,

 alle Gewebe mit makroskopischen Abnormitäten einschließlich Tumoren,

 wenn behandlungsbedingte histopathologische Veränderungen in der Hochdosisgruppe festgestellt werden, sind diese Gewebe von allen Tieren in allen anderen Dosisgruppen zu untersuchen,

 bei paarigen Organen, z. B. Nieren, Nebennieren, sind beide Organe zu untersuchen.

DATEN UND BERICHTERSTATTUNG (KANZEROGENITÄT UND CHRONISCHE TOXIZITÄT)

Daten

57. Für alle bestimmten Parameter sollen Daten zu den einzelnen Tieren angegeben werden. Darüber hinaus sollten alle Daten in Form einer Tabelle zusammengefasst werden, aus der für jede Prüfgruppe folgende Angaben hervorgehen: die Zahl der Tiere bei Beginn der Prüfung und die Zahl der während der Prüfung tot aufgefundenen oder aus Tierschutzgründen getöteten Tiere, ferner der Zeitpunkt des Todes oder der Tötung, die Zahl der Tiere, die Toxizitätszeichen aufweisen, eine Beschreibung der beobachteten Toxizitätszeichen, einschließlich des Zeitpunkts, zu dem die toxischen Wirkungen erstmalig aufgetreten sind, ihrer Dauer und ihres Schweregrads, die Zahl der Tiere mit Läsionen, die Art der Läsionen und der Prozentsatz der von jeder Läsion betroffenen Tiere. Die Mittelwerte und Standardabweichungen (für kontinuierliche Versuchsdaten) von Tieren, die toxische Wirkungen oder Läsionen aufweisen, sind zusätzlich zum Schweregrad der Läsionen in Übersichtstabellen anzugeben.

58. Historische Kontrolldaten können die Auswertung der Studienergebnisse erleichtern, z. B. wenn die Daten der gleichzeitigen Kontrollen erheblich von neueren Daten von Kontrolltieren aus derselben Versuchseinrichtung abweichen. Wenn historische Kontrolldaten bewertet werden, sollten sie von demselben Labor stammen, sich auf Tiere desselben Alters und Stamms beziehen und höchstens fünf Jahre vor der fraglichen Studie erhoben worden sein.

59. Wenn möglich, sind die numerischen Daten durch eine geeignete allgemein annehmbare statistische Methode auszuwerten. Die statistischen Methoden und die zu analysierenden Daten sind bei der Planung der Studie festzulegen (Nummer 9). Diese Auswahl sollte es ermöglichen, erforderlichenfalls Anpassungen je nach Überlebensrate vorzunehmen.

60. Der Prüfbericht sollte folgende Informationen enthalten:

Prüfsubstanz:

 physikalische Beschaffenheit, Reinheit und physikalisch-chemische Eigenschaften,

 Daten zur Identifikation,

 Herkunft des Stoffs,

 Chargennummer,

 Bescheinigung der chemischen Analyse.

Vehikel (wenn verwendet):

 Begründung der Wahl des Vehikel, sofern anders als Wasser.

Versuchstiere:

 Art/Stamm und Begründung für die getroffene Wahl,

 Anzahl, Alter und Geschlecht der Tiere bei Versuchsbeginn,

 Herkunft, Haltungsbedingungen, Futter usw.,

 Gewicht der einzelnen Tiere bei Versuchsbeginn.

Prüfbedingungen:

 Begründung für Verabreichungsweg und Festlegung der Dosis,

 gegebenenfalls die statistischen Methoden zur Analyse der Daten,

 Angaben zur Formulierung der Prüfsubstanz/Futterzubereitung,

 Analysedaten über die erreichte Konzentration, Stabilität und Homogenität der Zubereitung,

 Verabreichungsweg und Angaben zur Verabreichung der Prüfsubstanz,

 bei Inhalationsstudien: „Nose-only“- oder Ganzkörperexposition,

 tatsächliche Dosen (mg/kg Körpergewicht/Tag) und, sofern zutreffend, Angaben zur Umrechnung der Konzentration der Prüfsubstanz im Futter/Trinkwasser (mg/kg oder ppm) in die tatsächliche Dosis,

 Angaben zu Futter- und Wasserqualität.

Ergebnisse (zusammenfassende Übersichtstabellen und Daten für die einzelnen Tiere):

Allgemeines

 Überlebensdaten,

 Körpergewicht/Änderungen des Körpergewichts,

 Futteraufnahme, gegebenenfalls Berechnungen der Futtereffizienz und der Wasseraufnahme, falls erfasst,

 toxikokinetische Daten, falls vorhanden,

 Ophthalmoskopie (falls zutreffend),

 Hämatologie (falls zutreffend),

 klinische Chemie (falls zutreffend).

Klinische Befunde

 Toxizitätszeichen,

 Inzidenz (und, falls bewertet, Schweregrad) jeder Abnormität,

 Art, Schweregrad und Dauer der klinischen Beobachtungen (sowohl vorübergehend als auch dauerhaft).

Nekropsiedaten

 terminales Körpergewicht,

 Organgewichte (und gegebenenfalls Verhältnis Organ-/Körpergewicht),

 Sektionsbefunde; Inzidenz und Schweregrad von Abnormitäten.

Histopathologie

 nicht neoplastische histopathologische Befunde,

 neoplastische histopathologische Befunde,

 Korrelation zwischen makroskopischen und mikroskopischen Befunden,

 ausführliche Beschreibung aller behandlungsbedingten histopathologischen Befunde mit Einstufung des Schweregrads,

 Bericht über eventuelle Peer-Reviews von Objektträgern.

Statistische Auswertung der Ergebnisse, soweit zutreffend

Diskussion der Ergebnisse einschließlich

 Diskussion von Modellierungsansätzen

 Dosis-Wirkungs-Beziehungen

 historische Kontrolldaten

 Prüfung aller Informationen über die Wirkungsweise

 Bestimmung von BMD, NOAEL oder LOAEL

 Relevanz für Menschen

Schlussfolgerungen

LITERATUR:

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6. Kapitel B.27 dieses Anhangs, Prüfung auf sub-chronische orale Toxizität — 90-Tage-Toxizitätsstudie mit wiederholter Verabreichung an Nicht-Nagetieren

7. OECD (2012). Guidance Document on the Design and Conduct of Chronic Toxicity and Carcinogenicity Studies, Supporting Test Guidelines 451, 452 and 453 — Second edition. Series on Testing and Assessment No. 116, abrufbar auf der öffentlichen OECD-Website für Prüfrichtlinien: www.oecd.org/env/testguidelines.

8. OECD (2009). Guidance Document on Acute Inhalation Toxicity Testing. Series on Testing and Assessment No. 39, ENV/JM/MONO(2009)28, OECD, Paris.

9. Kapitel B.8 dieses Anhangs. Prüfung auf subakute Toxizität nach Inhalation — 28-Tage-Test.

10. Kapitel B.29 dieses Anhangs, Prüfung auf sub-chronische Toxizität nach Inhalation — 90-Tage-Test.

11. Kapitel B.9 dieses Anhangs, Toxizität nach 28-tägiger Gabe (dermal).

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35. Moser VC, McDaniel KM, Phillips PM (1991). Rat Strain and Stock Comparisons Using a Functional Observational Battery: Baseline Values and Effects of Amitraz. Toxicol. Appl. Pharmacol. 108: 267-283.

36. Meyer OA, Tilson HA, Byrd WC, Riley MT (1979). A Method for the RoutineAssessment of Fore- and Hind-limb Grip Strength of Rates and Mice. Neurobehav. Toxicol. 1: 233-236.

37. Crofton KM, Howard JL, Moser VC, Gill MW, Reiter LW, Tilson HA, MacPhail RC (1991). Interlaboratory Comparison of Motor Activity Experiments: Implication for Neurotoxicological Assessments. Neurotoxicol. Teratol. 13: 599-609.

38. Weingand K, Brown G, Hall R et al. (1996). Harmonisation of Animal Clinical Pathology Testing in Toxicity and Safety Studies. Fundam. & Appl. Toxicol. 29: 198-201.

39. EMEA-Dokument (Entwurf) „Non-clinical guideline on drug-induced hepatotoxicity“ (Doc. Ref. EMEA/CHMP/SWP/a50115/2006).

40. Crissman JW, Goodman DG, Hildebrandt PK et al. (2004). Best Practices Guideline: Toxicological Histopathology. Toxicologic Pathology 32: 126-131.

Anlage 1

DEFINITION

Prüfsubstanz : jeder Stoff oder jedes Gemisch, der/das mit dieser Prüfmethode getestet wird.

▼B

B.34.   PRÜFUNG AUF REPRODUKTIONSTOXIZITÄT WÄHREND EINER GENERATION

1.   METHODE

1.1.   EINLEITUNG

Siehe allgemeine Einleitung zu Teil B.

1.2.   DEFINITIONEN

Siehe allgemeine Einleitung zu Teil B.

1.3.   BEZUGSSUBSTANZEN

Keine.

1.4.   PRINZIP DER METHODE

Die Prüfsubstanz wird mehreren Gruppen männlicher und weiblicher Versuchstiere in abgestuften Dosierungen verabreicht. Den männlichen Tieren wird die Prüfsubstanz während der Wachstumsperiode und mindestens eines vollständigen Spermatogenesezyklus (etwa 56 Tage bei der Maus und 70 Tage bei der Ratte) verabreicht, um auf diese Weise negative Wirkungen der Prüfsubstanz auf die Spermiogenese feststellen zu können.

Den weiblichen Tieren der P-Generation wird die Prüfsubstanz während mindestens zweier vollständiger Östruszyklen verabreicht, um negative Wirkungen der Prüfsubstanz auf den Östrus beurteilen zu können, Anschließend werden die Tiere verpaart. Während der Paarungszeit wird die Prüfsubstanz beiden Geschlechtern verabreicht, anschließend nur den weiblichen Tieren während der Gravidität und der Laktation. Bei inhalativer Exposition sind Änderungen der Methode erforderlich.

1.5.   QUALITÄTSKRITERIEN

Keine.

1.6.   BESCHREIBUNG DER METHODE

Vorbereitungen

Vor Testbeginn werden gesunde, junge, ausgewachsene Tiere randomisiert und den Behandlungsgruppen zugeteilt. Die Tiere werden dann für einen Zeitraum von mindestens 5 Tagen vor dem Test unter versuchsnahen Unterbringungs- und Fütterungsbedingungen gehalten. Es wird empfohlen, die Prüfsubstanz mit dem Futter oder im Trinkwasser zu verabreichen. Andere Verabreichungswege sind ebenfalls zulässig. Während des eigentlichen Versuchsteils muss allen Tieren die Prüfsubstanz auf dem gleichen Wege appliziert werden. Wird ein Vehikel oder ein sonstiger Zusatz zur Erleichterung der Verabreichung benutzt, muss deren nichttoxische Wirkung gesichert sein. Die Verabreichung erfolgt an 7 Tagen pro Woche.

Versuchstiere

Bevorzugte Tierarten sind Ratte oder Maus. Tierstämme mit geringer Fruchtbarkeit sind auszuschließen und nur gesunde Tiere, die bisher noch keinen Versuchen unterzogen worden waren, einzusetzen. Die Versuchstiere sind nach Tierart, Tierstamm, Geschlecht, Gewicht und/oder Alter auszuwählen.

Um die Fruchtbarkeit ausreichend beurteilen zu können, müssen sowohl männliche als auch weibliche Tiere untersucht werden. Alle Versuchs- und Kontrolltiere müssen vor Verabreichung der Prüfsubstanz vom Muttertier entwöhnt sein.

Jede Versuchstier- und Kontrollgruppe muss so viele Tiere enthalten, dass darin etwa 20 trächtige Weibchen kurz vor bzw. zum Zeitpunkt der Geburt enthalten sind.

Auf diese Weise soll gewährleistet werden, dass genügend Graviditäten und Nachkommen erzeugt werden, um eine aussagekräftige Bewertung des Schädigungspotenzials der Prüfsubstanz für die Fertilität, Schwangerschaft, Verhalten des Muttertiers in der P-Generation sowie Säugen, Wachstum und Entwicklung der F1-Generation von der Konzeption bis zum Absetzen vom Muttertier vornehmen zu können.

Versuchsbedingungen

Futter und Wasser ist den Tieren ad libitum bereitzustellen. Kurz vor dem Geburtstermin werden die trächtigen Weibchen einzeln in Geburtskäfigen untergebracht, die gegebenenfalls mit Nestmaterial ausgestattet sind.

Dosierungen

Es sollten mindestens drei Behandlungs- und eine Kontrollgruppe eingesetzt werden. Wird ein Vehikel benutzt, muss die Kontrollgruppe das in der höchsten Dosierung applizierte Volumen erhalten. Wird die Nahrungsaufnahme oder -verwertung durch die Prüfsubstanz beeinträchtigt, könnte der Einsatz einer entsprechend restriktiv gefütterten Kontrollgruppe sinnvoll sein. Sofern die physikalisch-chemischen Eigenschaften bzw. die biologische Wirkungsweise der Prüfsubstanz es zulassen, sollte die höchste Dosierung möglichst so gewählt werden, dass bei den Elterntieren (P) zwar Vergiftungserscheinungen auftreten, aber keine Mortalität verursacht wird. Im günstigsten Falle sollte(n) die mittlere(n) Dosierung(en) minimale prüfsubstanzbedingte Vergiftungserscheinungen bewirken, die niedrigste Dosierung hingegen weder bei den Elterntieren noch bei den Nachkommen feststellbare negative Auswirkungen zeigen. Wird die Prüfsubstanz per Magensonde oder in Form von Kapseln verabreicht, muss die jeweilige Dosis entsprechend dem Körpergewicht unter Berücksichtigung der Veränderungen des Körpergewichts wöchentlich angepasst werden. Während der Gravidität kann die Dosierung bei den weiblichen Tieren entweder aufgrund des Körpergewichts am Tag 0 oder am Tag 6 der Gravidität bestimmt werden.

Limit-Test

Wenn im Falle einer Prüfsubstanz mit geringer Toxizität eine Dosierung von mindestens 1 000 mg/kg Körpergewicht nachweisbar keinen Einfluss auf die Reproduktionsfähigkeit hat, sind Untersuchungen mit anderen Dosierungen nicht notwendig. Konnten in einer Vorstudie mit hoher Dosierung, die eindeutige, prüfsubstanzbedingte Vergiftungserscheinungen beim Muttertier hervorrief, keinerlei nachteilige Auswirkungen auf die Fertilität festgestellt werden, können auch hier Untersuchungen mit anderen Dosierungen als nicht notwendig erachtet werden.

Versuchsdurchführung

Vorgehensweise

Die tägliche Verabreichung der Prüfsubstanz an die männlichen Elterntiere (P) sollte nach der Entwöhnung vom Muttertier und einer mindestens 5-tägigen Akklimatisierung im Alter von 5 bis 9 Wochen beginnen. Bei den Ratten wird die Applikation für weitere 10 Wochen (bei Mäusen 8 Wochen) bis zur Paarungszeit fortgesetzt. Die männlichen Tiere werden nach der Verpaarung entweder getötet und untersucht oder weiterhin bei der Versuchsdiät belassen, um gegebenenfalls zur Erzeugung eines zweiten Wurfs zur Verfügung zu stehen, sollten jedoch noch vor Abschluss der Studie getötet und untersucht werden. Die weiblichen Elterntiere (P) erhalten die Prüfsubstanz nach einer mindestens 5-tägigen Akklimatisierung bis mindestens 2 Wochen vor der Paarung. Die Behandlung der P-Weibchen wird während der 3-wöchigen Paarungszeit, der gesamten Gravidität bis zur Entwöhnung der F1-Nachkommen fortgesetzt. Eine Änderung des Verabreichungsschemas kann aufgrund sonstiger verfügbarer Informationen über die Prüfsubstanz, z. B. über Stoffwechselmechanismen oder Bioakkumulation, erforderlich sein.

Verpaarung

Bei Reproduktionsstudien über die toxikologischen Auswirkungen kann die Verpaarung entweder im Verhältnis 1:1 (ein männliches und ein weibliches Tier) oder 1:2 (ein männliches und zwei weibliche Tiere) erfolgen.

Bei der 1:1-Verpaarung wird das weibliche mit einem männlichen Tier bis zum Eintritt der Gravidität oder bis nach Ablauf von 3 Wochen zusammengebracht. Jeden Morgen werden die weiblichen Tiere auf Sperma oder Vaginalpfröpfe untersucht. Als Tag 0 der Gravidität gilt der Tag, an dem Vaginalpfröpfe oder Sperma festgestellt werden konnten.

Bei erfolgloser Verpaarung sollten die entsprechenden Tiere zur Beurteilung der Ursache für die Unfruchtbarkeit untersucht werden.

Dies bedeutet gegebenenfalls eine weitere Verpaarung mit einem Tier mit nachgewiesener Fruchtbarkeit, die mikroskopische Untersuchung der Reproduktionsorgane und die Untersuchung der Östruszyklen oder der Spermiogenese.

Wurfgrößen

Die während der Fruchtbarkeitsstudie behandelten Tiere können ihre Jungen auf natürlichem Wege zur Welt bringen und ohne jeden äußeren Eingriff bis zum Zeitpunkt der Entwöhnung großziehen.

Soll die Anzahl der geworfenen Jungtiere reduziert werden, wird folgendes Verfahren vorgeschlagen: Zwischen Tag 1 und Tag 4 nach der Geburt werden aus jedem Wurf so viele Jungtiere ausgesondert, bis möglichst 4 männliche und 4 weibliche Tiere verbleiben.

Ist es aufgrund der Geschlechter-Verteilung nicht möglich, in jedem Wurf 4 männliche und 4 weibliche Junge zu belassen, so ist eine partielle Anpassung zulässig (z. B. 5 männliche und 3 weibliche Tiere). Für Würfe mit weniger als 8 Jungtieren gilt diese Anpassung nicht.

Beobachtungen

Während der gesamten Testperiode werden die Tiere mindestens einmal täglich beobachtet. Auffallende Verhaltensstörungen, Anzeichen einer schweren oder verzögerten Geburt, alle Vergiftungserscheinungen, einschließlich Mortalität, sind aufzuzeichnen. Vor und während der Paarungszeit ist die Futteraufnahme wöchentlich zu bestimmen. Wahlweise kann die tägliche Bestimmung der Nahrungsaufnahme auch während der Gravidität durchgeführt werden. Nach der Geburt und während der Stillperiode soll die Bestimmung der Nahrungsaufnahme (und der Wasseraufnahme, sofern die Prüfsubstanz mit dem Trinkwasser verabreicht wird) am gleichen Tag wie das Wiegen der Jungtiere erfolgen. Männliche und weibliche Tiere der P-Generation müssen am ersten Tag der Behandlung und anschließend in wöchentlichen Abständen gewogen werden. Die Beobachtungen sind für jedes erwachsene Tier einzeln aufzuzeichnen.

Die Trächtigkeitsdauer wird vom Tag 0 der Gravidität an berechnet. Jeder Wurf ist so bald wie möglich nach der Geburt zu untersuchen, um die Anzahl und das Geschlecht der Nachkommen, Lebend- und Totgeburten und auffallende Anomalien feststellen zu können.

Tote und am Tag 4 getötete Jungtiere müssen asserviert und auf mögliche Fehlbildungen untersucht werden. Die lebend geborenen Jungtiere werden gezählt und der gesamte Wurf und die einzelnen Tiere am Morgen nach der Geburt, an den Tagen 4 und 7 und anschließend in wöchentlichen Abständen gewogen.

Bei den Muttertieren oder den Nachkommen zu beobachtende körperliche Anomalien oder Verhaltensstörungen müssen aufgezeichnet werden.

Pathologie

Autopsie

Die Tiere der P-Generation sollten zum Zeitpunkt der Tötung bzw. bei Eintritt des Todes während der Studie makroskopisch auf Anomalien oder pathologische Veränderungen, unter besonderer Berücksichtigung der Fortpflanzungsorgane, untersucht werden. Auch tote oder kranke Jungtiere sind auf Fehlbildungen zu untersuchen.

Histopathologie

Eierstöcke, Uterus, Zervix, Vagina, Hoden, Nebenhoden, Samenbläschen, Prostata, Koagulationsdrüse, Hirnanhangdrüse und Zielorgan(e) aller Tiere der P-Generation werden für die mikroskopische Untersuchung asserviert. Sollten diese Organe bisher nicht im Rahmen einer sonstigen Studie mit Mehrfachdosierung untersucht worden sein, ist in allen Versuchstiergruppen mit hoher Dosierung, bei den Kontrolltieren und den während der Studie gestorbenen Tieren — sofern durchführbar — eine mikroskopische Untersuchung vorzunehmen.

Alle Organe, die bei dieser Untersuchung pathologische Veränderungen aufweisen, müssen anschließend ebenfalls bei allen übrigen Tieren der P-Generation untersucht werden. In diesem Fall sollte eine mikroskopische Untersuchung aller Gewebe mit auffallenden pathologischen Veränderungen erfolgen.

Wie bereits im Abschnitt über die Verpaarung vorgeschlagen, sollten die Fortpflanzungsorgane aller Tiere bei Verdacht auf Unfruchtbarkeit mikroskopischen Untersuchungen unterzogen werden.

2.   DATEN

Die Daten sind in tabellarischer Form zusammenzufassen. Daraus müssen für jede Versuchsgruppe folgende Angaben hervorgehen: die Anzahl der Tiere zu Beginn des Versuchs, die Anzahl der fruchtbaren männlichen Tiere, die Anzahl der trächtigen Weibchen, die jeweilige Art der Veränderungen und der Prozentsatz der Tiere mit der jeweiligen Veränderung.

Sofern möglich, sollten die numerischen Ergebnisse anhand eines geeigneten statistischen Verfahrens bewertet werden. Hierzu ist eine anerkannte statistische Methode heranzuziehen.

3.   ABSCHLUSSBERICHT

3.1.   PRÜFBERICHT

Im Prüfbericht ist, wenn möglich, Folgendes anzugeben:

 verwendete Tierarten/Tierstamm;

 Daten über toxische Reaktionen nach Geschlecht und Dosierung, einschließlich Fruchtbarkeit, Trächtigkeit und Lebensfähigkeit;

 Zeitpunkt des Todes während der Studie bzw. Angabe, ob die Tiere bis zur geplanten Tötung bzw. zum Abschluss der Studie überlebten;

 Tabelle mit Gewichtsangaben für jeden Wurf, das durchschnittliche Gewicht der Jungtiere sowie das individuelle Gewicht der Jungtiere bei Abschluss der Studie;

 toxische oder andere Auswirkungen auf die Reproduktion, die Nachkommenschaft, das postnatale Wachstum usw.;

 Zeitpunkt der Beobachtung der jeweiligen Vergiftungssymptome und deren weiterer Verlauf;

 Körpergewicht der Tiere der P-Generation;

 Sektionsbefunde;

 detaillierte Beschreibung der mikroskopischen Befunde;

 statistische Auswertung der Ergebnisse, sofern möglich;

 Diskussion der Ergebnisse;

 Bewertung der Ergebnisse.

3.2.   INTERPRETATION

Siehe allgemeine Einleitung zu Teil B.

4.   LITERATUR

Siehe allgemeine Einleitung zu Teil B.

B.35.   ZWEIGENERATIONENSTUDIE ZUR PRÜFUNG AUF REPRODUKTIONSTOXIZITAT

1.   METHODE

Diese Methode entspricht der OECD TG 416 (2001).

1.1.   EINLEITUNG

Diese Methode zur Prüfung der Reproduktion über zwei Generationen ist darauf ausgerichtet, allgemeine Informationen über die Auswirkungen einer Prüfsubstanz auf die Integrität und die Leistung des männlichen und weiblichen Fortpflanzungssystems zu liefern; dazu gehören die Funktion der Keimdrüsen, der Östruszyklus, das Paarungsverhalten, die Empfängnis, die Gravidität, der Geburtsvorgang, das Säugen und Entwöhnen sowie das Wachstum und die Entwicklung der Nachkommen. Die Studie kann außerdem Informationen über die Auswirkungen der Prüfsubstanz auf die neonatale Morbidität und Mortalität sowie vorläufige Daten über die prä- und postnatale Entwicklungstoxizität erbringen und als Richtschnur für Anschlussprüfungen dienen. Neben der Untersuchung von Wachstum und Entwicklung der F1-Generation soll diese Prüfmethode des Weiteren dazu dienen, Integrität und Leistung des männlichen und weiblichen Fortpflanzungssystems sowie Wachstum und Entwicklung der F2-Generation zu beurteilen. Im Hinblick auf weitere Informationen über die Entwicklungstoxizität oder Funktionsdefizite können zusätzliche Studiensegmente in dieses Protokoll aufgenommen werden, wobei gegebenenfalls die Methode für die Prüfung auf pränatale Entwicklungstoxizität und/oder die Studie auf Entwicklungsneurotoxizität heranzuziehen sind; diese Endpunkte könnten aber auch mit Hilfe geeigneter Prüfmethoden in gesonderten Studien untersucht werden.

1.2.   PRINZIP DER PRÜFMETHODE

Die Prüfsubstanz wird verschiedenen Gruppen von männlichen und weiblichen Tieren in abgestuften Dosen verabreicht. Männchen der P-Generation (Elterntiere) erhalten die Dosen während des Wachstums und mindestens über einen vollständigen Spermatogenesezyklus hinweg (etwa 56 Tage bei der Maus und 70 Tage bei der Ratte), um etwaige schädigende Wirkungen auf die Spermatogenese zu klären. Auswirkungen auf die Samenzellen werden anhand verschiedener Spermienparameter (beispielsweise Spermienmorphologie und -motilität) und anhand von Gewebepräparaten mit ausführlicher histopathologischer Untersuchung bestimmt. Liegen Daten zur Spermatogenese aus einer früheren Studie mit wiederholter Verabreichung von hinreichender Dauer vor, beispielsweise einer 90-Tage-Studie, müssen Männchen der P-Generation nicht mit in die Beurteilung einbezogen werden. Empfohlen wird allerdings, Proben oder digitale Aufzeichnungen von Spermien der P-Generation für eine eventuelle spätere Beurteilung aufzuheben. Weibchen der P-Generation erhalten die Dosen während des Wachstums und über mehrere vollständige Östruszyklen hinweg, um eventuelle schädigende Auswirkungen auf den normalen Östruszyklus durch die Prüfsubstanz festzustellen. Die Prüfsubstanz wird den Elterntieren (P) während der Verpaarung, während der daraus entstehenden Trächtigkeit und während der Entwöhnung ihrer F1-Nachkommen verabreicht. Nach der Entwöhnung wird die Substanz den F1-Nachkommen während des Wachstums bis zum Erwachsenenalter, während der Paarung und Produktion einer F2-Generation weiter verabreicht, bis die F2-Generation entwöhnt wird.

Bei allen Tieren erfolgen klinische Beobachtungen und pathologische Untersuchungen auf Anzeichen für Toxizität; einen besonderen Schwerpunkt bilden dabei die Auswirkungen auf die Integrität und Leistung des männlichen und weiblichen Fortpflanzungssystems sowie auf das Wachstum und die Entwicklung der Nachkommen.

1.3.   BESCHREIBUNG DER PRÜFMETHODE

1.3.1.   Auswahl der Versuchstierarien

Die bevorzugte Versuchstierart ist die Ratte. Die Verwendung anderer Tierarten ist zu begründen und entsprechende Änderungen sind vorzunehmen. Stämme mit geringer Fruchtbarkeit oder bekannter hoher Häufigkeit von Entwicklungsdefekten sind nicht zu verwenden. Bei Beginn der Studie sollen die Gewichtsunterschiede der Tiere möglichst gering sein und 20 % des geschlechtsspezifischen mittleren Gewichts nicht überschreiten.

1.3.2.   Haltung und Fütterung

Die Temperatur im Versuchstierraum soll 22 oC (± 3 oC) betragen. Obwohl die relative Luftfeuchte wenigstens 30 % betragen sollte und außer bei Reinigung des Raumes 70 % nicht übersteigen sollte, sollte sie vorzugsweise bei 50 bis 60 % liegen. Es ist eine künstliche Beleuchtung vorzusehen, wobei ein Hell-Dunkel-Zyklus von jeweils 12 Stunden eingehalten werden soll. Zur Fütterung kann übliches Laborfutter verwendet werden, und Trinkwasser kann in unbeschränkter Menge gegeben werden. Die Auswahl des Futters kann dadurch beeinflusst werden, dass eine geeignete Beimischung einer Prüfsubstanz gewährleistet werden muss, wenn diese über das Futter verabreicht wird.

Die Tiere können einzeln oder in Käfigen mit kleinen Gruppen von Tieren gleichen Geschlechts untergebracht werden. Die Verpaarung erfolgt in für diesen Zweck geeigneten Käfigen. Wenn Anhaltungspunkte für die stattgefundene Kopulation vorliegen, sind die verpaarten Weibchen jeweils einzeln in Geburtskäfigen oder speziellen Käfigen für Muttertiere zu halten. Ratten können nach der Verpaarung auch in kleinen Gruppen gehalten und einen oder zwei Tage vor der Geburt getrennt werden. Kurz vor der Geburt soll verpaarten Tieren geeignetes und definiertes Material für den Nestbau zur Verfügung gestellt werden.

1.3.3.   Vorbereitung der Tiere

Zu verwenden sind junge gesunde Tiere, die mindestens 5 Tage an die Laborbedingungen gewöhnt und zuvor nicht für Experimente verwendet wurden. Art, Stamm, Herkunft, Geschlecht, Gewicht und/oder Alter der Versuchstiere sind anzugeben. Geschwisterbeziehungen unter den Tieren sollten bekannt sein, so dass eine Verpaarung von Geschwistern vermieden wird. Die Tiere sind den Kontroll- und Behandlungsgruppen nach dem Zufallsprinzip zuzuordnen (empfohlen wird eine körpergewichtsabhängige Gruppenbildung). Die Käfige sind so aufzustellen, dass etwaige durch den Standort bedingte Auswirkungen möglichst gering sind. Jedes Versuchstier erhält zur sicheren Identifizierung eine eigene Nummer. Für die P-Generation erfolgt dies, bevor mit der Behandlung begonnen wird. Für die F1-Generation wird dies nach Absetzen der Tiere, die für die Verpaarung ausgewählt wurden, durchgeführt. Für alle ausgewählten F1-Tiere sind Aufzeichnungen, aus denen der Wurf, dem sie entstammen, hervorgeht, zu führen. Darüber hinaus wird eine einzelne Kennzeichnung der Jungen so bald wie möglich nach der Geburt empfohlen, wenn ein Wiegen der einzelnen Jungen oder Funktionsprüfungen erwogen werden.

Die Elterntiere (P) sind bei Beginn der Verabreichung etwa 5 bis 9 Wochen alt. Die Tiere aller Testgruppen sollen so weit wie möglich gleiches Gewicht und Alter aufweisen.

1.4.   VERFAHREN

1.4.1.   Anzahl und Geschlecht der Versuchstiere

Jede Prüf- und Kontrollgruppe soll eine ausreichende Anzahl von Tieren umfassen, damit möglichst nicht weniger als 20 trächtige Weibchen, die gebären oder kurz davor stehen, vorhanden sind. Bei Substanzen, die unerwünschte behandlungsbedingte Wirkungen hervorrufen (z. B. Sterilität, übermäßige Toxizität bei hoher Dosis), ist dies unter Umständen nicht möglich. Es sollen genügend trächtige Weibchen vorhanden sein, so dass eine aussagekräftige Bewertung des Potenzials der Substanz, Fruchtbarkeit, Trächtigkeit, Verhalten des Muttertiers und Säugen, Wachstum und Entwicklung der F1-Generation von der Empfängnis bis zur Reife sowie die Entwicklung von deren Nachkommen (F2) bis zur Entwöhnung zu beeinträchtigen, sichergestellt ist. Wird die gewünschte Zahl an trächtigen Tieren (d. h. 20) nicht erreicht, bedeutet dies daher nicht notwendigerweise, dass die Studie invalide ist, dies ist jeweils von Fall zu Fall zu beurteilen.

1.4.2.   Zubereitung der Dosen

Empfohlen wird, die Prüfsubstanz oral (im Futter oder Trinkwasser oder über eine Magensonde) zu verabreichen, sofern nicht eine andere Form (z. B. Auftragen auf die Haut oder Einatmen) für besser geeignet gehalten wird.

Bei Bedarf wird die Prüfsubstanz in einem geeigneten Vehikel gelöst oder suspendiert. Es empfiehlt sich, nach Möglichkeit zunächst die Verwendung einer wässerigen Lösung/Suspension, dann eine Lösung/Emulsion in Öl (z. B. Maisöl) und erst dann eine Lösung in einem anderen Vehikel in Betracht zu ziehen. Bei anderen Vehikeln als Wasser müssen dessen toxische Merkmale bekannt sein. Die Stabilität der Prüfsubstanz in dem Vehikel ist zu bestimmen.

1.4.3.   Dosierung

Mindestens drei Dosen und eine entsprechende Kontrolle werden verwendet. Soweit keine Beschränkungen aufgrund der physikalisch-chemischen Beschaffenheit oder der biologischen Wirkungen der Prüfsubstanz bestehen, ist die höchste Dosierung so zu wählen, dass zwar Toxizität, jedoch nicht Tod oder schweres Leiden der Tiere herbeigeführt wird. Im Falle unerwarteter Mortalität wären Studien mit einer Mortalitätsrate von weniger als etwa 10 % bei den Elterntieren (P) normalerweise immer noch annehmbar. Eine absteigende Folge von Dosierungen sollte so ausgewählt werden, dass die Dosisabhängigkeit der Reaktion und ein NOAEL belegt werden können. Dosisintervalle mit dem Faktor 2 bis 4 haben sich für die Festlegung absteigender Dosierungen häufig als optimal erwiesen. Gegenüber der Verwendung sehr großer Intervalle (z. B. mehr als Faktor 10) ist die Hinzunahme einer vierten Testgruppe häufig vorzuziehen. Bei Fütterungsstudien soll der Konzentrationsunterschied nicht mehr als das Dreifache betragen. Bei der Auswahl der Dosen sind vorliegende Toxizitätsdaten, insbesondere Ergebnisse aus Studien mit wiederholter Dosierung, zu berücksichtigen. Vorhandene Informationen über den Stoffwechsel und die Kinetik der Prüfsubstanz oder verwandter Stoffe sind ebenfalls in Betracht zu ziehen. Diese Angaben helfen außerdem, die Angemessenheit des Dosierungsplans nachzuweisen. Die Kontrollgruppe ist eine unbehandelte Gruppe oder eine Vehikelkontrollgruppe, sofern ein Vehikel zur Verabreichung der Prüfsubstanz verwendet wird. Abgesehen von der Behandlung mit der Prüfsubstanz sollen die Tiere der Kontrollgruppe genauso wie die Tiere in den Testgruppen behandelt werden. Wird ein Vehikel verwendet, erhält die Kontrollgruppe das Vehikel im höchsten verwendeten Volumen. Wird eine Prüfsubstanz zusammen mit dem Futter verabreicht und führt dies zu einer geringeren Futteraufnahme oder -Verwertung, ist unter Umständen eine paarweise Fütterungskontrolle erforderlich. Alternativ können Daten aus kontrollierten Studien zur Bewertung der Auswirkungen einer verringerten Futteraufnahme auf Reproduktionsparameter anstelle einer gleichzeitigen paarweisen Fütterungskontrolle herangezogen werden.

Zu berücksichtigen sind die folgenden Merkmale des Vehikels und anderer Zusätze: Auswirkungen auf die Absorption, die Verteilung, den Stoffwechsel oder die Retention der Prüfsubstanz; Auswirkungen auf die chemischen Eigenschaften der Prüfsubstanz, die deren toxische Eigenschaften verändern können; ferner Auswirkungen auf die Futter- oder Wasseraufnahme oder den Ernährungszustand der Versuchstiere.

1.4.4.   Limit-Test

Ergibt eine orale Prüfung mit einer einzigen Dosierung von mindestens 1 000 mg/kg Körpergewicht/Tag oder bei einer Verabreichung in Futter oder Trinkwasser ein gleichwertiger prozentualer Anteil im Futter oder Trinkwasser nach den für diese Studie beschriebenen Verfahren keine wahrnehmbare Toxizität bei den Elterntieren oder deren Nachkommen und ist aufgrund von Daten struktur- und/oder stoffwechselverwandter Stoffe keine Toxizität zu erwarten, kann auf eine vollständige Studie mit verschiedenen Dosisabstufungen gegebenenfalls verzichtet werden. Der Limit-Test kann angebracht sein, es sei denn, die Exposition beim Menschen lässt die Prüfung bei einer höheren oralen Dosis angezeigt erscheinen. Bei anderen Arten der Verabreichung, wie z. B. Inhalation oder dermale Applikation, kann die maximal erreichbare Expositionsdosis in vielen Fällen gegebenenfalls durch die physikalisch-chemischen Eigenschaften der Prüfsubstanz, wie beispielsweise die Löslichkeit, vorbestimmt und somit limitiert sein.

1.4.5.   Verabreichung der Dosen

Den Tieren ist die Prüfsubstanz an 7 Tagen pro Woche zu verabreichen. Die Prüfsubstanz soll möglichst oral (im Futter oder Trinkwasser oder über eine Magensonde) verabreicht werden. Die Verwendung einer anderen Form der Verabreichung ist zu begründen und es sind unter Umständen entsprechende Änderungen vorzunehmen. Allen Tieren sind die Dosen während des entsprechenden Versuchszeitraums nach derselben Methode zu verabreichen. Wird die Prüfsubstanz über eine Sonde verabreicht, ist eine Magensonde zu verwenden. Das maximale Flüssigkeitsvolumen, das einem Versuchstier jeweils verabreicht wird, soll 1 ml/100 g Körpergewicht (maximal 0,4 ml/100 g Körpergewicht bei Maisöl) nicht übersteigen; bei wässrigen Lösungen können 2 ml/100 g Körpergewicht verabreicht werden. Außer für reizende oder ätzende Stoffe, die in der Regel bei höheren Konzentrationen eine Verschlimmerung der Wirkungen hervorrufen, soll die Veränderlichkeit des Prüfvolumens durch die Dosierung möglichst gering gehalten werden, um ein konstantes Volumen bei allen Dosen zu gewährleisten. Bei Studien, bei denen die Prüfsubstanz über eine Magensonde verabreicht wird, erhalten die Jungtiere die Prüfsubstanz im Normalfall nur indirekt über die Milch, bis für sie die direkte Verabreichung bei ihrer Entwöhnung beginnt. Bei Studien, bei denen die Prüfsubstanz über das Futter oder Trinkwasser verabreicht wird, erhalten die Jungtiere außerdem die Prüfsubstanz direkt, wenn sie selbst in der letzten Woche der Laktationszeit zu fressen beginnen.

Für mit dem Futter oder dem Trinkwasser verabreichte Stoffe ist unbedingt sicherzustellen, dass die Mengen der jeweiligen Prüfsubstanz den normalen Nahrungs- oder Wasserhaushalt nicht beeinträchtigen. Wenn die Prüfsubstanz mit dem Futter verabreicht wird, kann entweder auf eine konstante Futterkonzentration (ppm) oder eine konstante Dosierung im Verhältnis zum Körpergewicht des Versuchstiers geachtet werden. Welche Methode angewandt wird, ist zu spezifizieren. Eine mit einer Magensonde verabreichte Dosis soll jeweils zu denselben Tageszeiten gegeben und mindestens einmal pro Woche so angepasst werden, dass eine konstante Dosis im Verhältnis zum Körpergewicht aufrechterhalten wird. Bei einer Anpassung der über die Magensonde verabreichten Dosis an das Gewicht sind Informationen über die Verteilung in der Plazenta zu berücksichtigen.

1.4.6.   Versuchsablauf

Die Verabreichung der täglichen Dosis an die Männchen und Weibchen der Elterngeneration (P) beginnt, wenn diese zwischen 5 und 9 Wochen alt sind. Die Verabreichung der täglichen Dosis an die Männchen und Weibchen der F1-Generation beginnt bei der Entwöhnung; nicht vergessen werden sollte, dass bei einer Verabreichung der Prüfsubstanz über das Futter oder Trinkwasser F1-Nachkommen möglicherweise der Prüfsubstanz bereits während der Säugezeit unmittelbar ausgesetzt werden. Bei beiden Geschlechtern (P- und F1-Generation) wird die Verabreichung über einen Zeitraum von mindestens 10 Wochen vor der Paarungszeit durchgeführt. Die Verabreichung wird bei beiden Geschlechtern während der 2-wöchigen Paarungszeit fortgesetzt. Die Männchen sind, wenn sie für die Beurteilung der Auswirkungen auf die Fortpflanzung nicht mehr benötigt werden, auf humane Weise zu töten und zu untersuchen. Bei den Weibchen der Elterngeneration (P) wird die Verabreichung während der Gravidität bis zur Entwöhnung der F1-Nachkommen fortgesetzt. Gegebenenfalls sind Änderungen am Dosierungsplan vorzunehmen aufgrund von vorliegenden Informationen über die Prüfsubstanz, wie z. B. vorhandene Toxizitätsdaten, Induktion des Stoffwechsels oder Bioakkumulation. Die Dosis für einzelne Tiere beruht normalerweise auf deren zuletzt bestimmtem Körpergewicht. Vorsicht ist allerdings bei der Anpassung der Dosis im letzten Trimester der Gravidität geboten.

Die Behandlung der Männchen und Weibchen der P- und F1-Generation wird fortgesetzt, bis die Tiere getötet werden. Alle ausgewachsenen Männchen und Weibchen der P- und F1-Generation werden auf humane Weise getötet, wenn sie zur Beurteilung der Auswirkungen auf die Fortpflanzung nicht mehr benötigt werden. F1-Nachkommen, die nicht für die Verpaarung ausgewählt werden, und alle F2-Nachkommen werden nach der Entwöhnung auf humane Weise getötet.

1.4.7.   Verpaarung

1.4.7.1.   Verpaarung der Elterngeneration (P)

Für die Verpaarung wird jedes Weibchen zusammen mit einem Männchen, das die gleiche Dosierung erhallen hat (1:1-Paarung), zusammengebracht, bis es zur Kopulation kommt beziehungsweise ein Zeitraum von 2 Wochen verstrichen ist. Die Weibchen werden täglich auf vorhandene Spermien oder Vaginalpfropfen hin untersucht. Der Tag 0 der Trächtigkeit ist definiert als der Tag, an dem ein Vaginalpfropf oder Spermien gefunden werden. Bei einer erfolglosen Verpaarung kann gegebenenfalls die erneute Verpaarung von Weibchen mit bewährten Männchen der gleichen Gruppe erwogen werden. Miteinander verpaarte Paare sind in den Daten eindeutig zu kennzeichnen. Eine Verpaarung von Geschwistern ist zu vermeiden.

1.4.7.2.   Verpaarung der F1-Generation

Bei der Verpaarung der F1-Nachkommen werden mindestens ein Männchen und ein Weibchen zum Zeitpunkt der Entwöhnung aus jedem Wurf zur Verpaarung mit Jungtieren, die die gleiche Dosis erhalten haben, jedoch aus einem anderen Wurf stammen, für die Zeugung der F2-Generation ausgewählt. Die Auswahl der Jungtiere aus jedem Wurf erfolgt nach dem Zufallsprinzip, wenn sich die Tiere eines Wurfs in Bezug auf Körpergewicht oder Erscheinungsbild nicht nennenswert voneinander unterscheiden. Werden solche Unterschiede beobachtet, sind aus jedem Wurf die besten Vertreter auszuwählen. Pragmatisch erfolgt dies am besten anhand des Körpergewichts, unter Umständen kann jedoch das Erscheinungsbild besser geeignet sein. Eine Verpaarung der F1-Nachkommen soll erst dann erfolgen, wenn sie die volle Geschlechtsreife erreicht haben.

Bei Paaren ohne Nachkommen ist, soweit möglich, die Ursache der Unfruchtbarkeit zu ermitteln. Dazu können Verfahren wie zusätzliche Verpaarungsgelegenheiten mit anderen bewährten Vater- oder Muttertieren, eine mikroskopische Untersuchung der Fortpflanzungsorgane und die Untersuchung der Östruszyklen oder der Spermatogenese eingesetzt werden.

1.4.7.3.   Zweite Verpaarung

Unter gewissen Umständen wie z. B. bei behandlungsbedingten Veränderungen an der Wurfgröße oder der Beobachtung unklarer Auswirkungen bei der ersten Verpaarung wird eine zweite Verpaarung der ausgewachsenen P- oder F1-Tiere empfohlen, um einen zweiten Wurf zu produzieren. Empfohlen wird, Weibchen oder Männchen, die keinen Wurf gezeugt haben, mit Tieren des jeweils anderen Geschlechts erneut zu verpaaren, die ihre Fortpflanzungsfähigkeit unter Beweis gestellt haben. Wird ein zweiter Wurf in einer Generation für notwendig befunden, sind die Tiere etwa eine Woche nach der Entwöhnung des letzten Wurfs erneut zu verpaaren.

1.4.7.4.   Wurfgröße

Man lässt die Tiere normal werfen und ihre Nachkommen bis zur Entwöhnung aufziehen. Wahlweise kann eine Standardisierung der Wurfgrößen vorgenommen werden. Sofern standardisiert wird, ist das dabei verwendete Verfahren im Einzelnen zu beschreiben.

1.5.   BEOBACHTUNGEN

1.5.1.   Klinische Beobachtungen

Allgemeine klinische Beobachtungen sind einmal täglich vorzunehmen; wird die Dosis über die Magensonde verabreicht, ist der Wirkungsgipfel nach Verabreichung der Dosis bei der Wahl des Zeitpunkts zu berücksichtigen. Änderungen am Verhalten, Anzeichen für eine schwere oder langwierige Geburt sowie alle Anzeichen für Toxizität sind zu protokollieren. Darüber hinaus ist jedes Tier mindestens einmal pro Woche gründlicher zu untersuchen, dies kann beim Wiegen des Tiers erfolgen. Zweimal pro Tag, am Wochenende einmal täglich, soweit zutreffend, sind alle Tiere auf Morbidität und Mortalität zu überprüfen.

1.5.2.   Körpergewicht und Futter-/Wasseraufnahme der Elterntiere

Die Elterntiere (P und F1) werden am ersten Tag der Verabreichung und anschließend mindestens einmal pro Woche gewogen. Weibchen der Elterngeneration (P und F1) werden mindestens an den Graviditätstagen 0, 7, 14 und 20 oder 21 und während der Laktationszeit an den gleichen Tagen wie die Würfe sowie an dem Tag gewogen, an dem die Tiere getötet werden. Diese Beobachtungen sind für jedes ausgewachsene Tier einzeln zu protokollieren. In der Zeit vor der Verpaarung und während der Gravidität ist die Futteraufnahme mindestens einmal pro Woche zu messen. Sofern die Prüfsubstanz im Wasser verabreicht wird, ist die Wasseraufnahme zumindest einmal pro Woche zu messen.

1.5.3   Östruszyklus

Bei den Weibchen der Generation P und F1 werden Länge und normaler Verlauf des Östruszyklus mit Hilfe von Vaginalabstrichen vor der Verpaarung und optional während der Verpaarung beurteilt, bis Anhaltspunkte für eine stattgefundene Besamung gefunden werden. Vaginal-/Zervixzellen sind vorsichtig zu entnehmen, damit die Schleimhäute nicht gestört und dadurch anschließend eine Scheinträchtigkeit hervorgerufen wird (1).

1.5.4.   Spermienparameter

Bei allen Männchen der P- und F1-Generation wird das Gewicht von Hoden und Nebenhoden protokolliert, jeweils ein Organ wird für eine histopathologische Untersuchung konserviert (siehe 1.5.7 und 1.5.8.1). Von einer Teilmenge von mindestens 10 Männchen jeder Gruppe von P- und F1-Männchen werden die übrigen Hoden und Nebenhoden zur Zählung der homogenisierungsresistenten Spermatiden beziehungsweise der Spermien aus den Samenspeichern im Nebenhodenschwanz verwendet. Bei derselben Teilmenge von Männchen werden Spermien aus dem Nebenhodenschwanz oder dem Samenleiter zur Beurteilung von Spermienmotilität und -morphologie entnommen. Werden behandlungsbedingte Auswirkungen beobachtet oder liegen Anhaltspunkte für mögliche Auswirkungen auf die Spermatogenese aus anderen Studien vor, ist die Spermienuntersuchung an allen Männchen jeder Dosisgruppe durchzuführen; andernfalls kann die Zählung auf die P- und F1-Männchen der Kontrollgruppe und der Gruppe mit der hohen Prüfsubstanzdosis beschränkt werden.

Die Gesamtanzahl an homogenisierungsresistenten Hodenspermatiden und Spermien aus dem Nebenhodenschwanz ist zu bestimmen (2) (3). Samenspeicher im Nebenhodenschwanz lassen sich anhand von Spermienkonzentration und -volumen in der Suspension, die zur Vervollständigung der qualitativen Beurteilungen verwendet wird, und der Anzahl der Spermien ableiten, die bei der anschließenden Zerkleinerung und/oder Homogenisierung des restlichen Nebenhodenschwanzgewebes gewonnen werden. Die Zählung ist an der ausgewählten Teilmenge von Männchen aus allen Dosisgruppen unmittelbar nach der Tötung der Tiere vorzunehmen, ausgenommen es werden Videobilder oder digitale Aufzeichnungen gemacht oder die Proben werden eingefroren und später analysiert. Unter diesen Umständen können die Kontrolltiere und die Gruppe mit der hohen Dosierung zuerst analysiert werden. Werden keine behandlungsbedingten Auswirkungen (z. B. Auswirkungen auf Spermienzahl, -motilität oder -morphologie) festgestellt, brauchen die anderen Dosierungsgruppen nicht untersucht zu werden. Sind bei der Gruppe mit der hohen Dosierung behandlungsbedingte Auswirkungen festzustellen, dann sind auch die Gruppen mit den niedrigen Dosierungen zu beurteilen.

Die Motilität von Nebenhodenspermien (oder Spermien aus dem Samenleiter) ist unmittelbar nach der Tötung zu beurteilen oder auf Video aufzunehmen. Bei der Gewinnung der Spermien ist darauf zu achten, dass diese so wenig wie möglich geschädigt werden; für die Motilitätsanalyse sind die Spermien nach anerkannten Verfahren zu verdünnen (4). Der prozentuale Anteil an progressiv motilen Spermien ist subjektiv oder objektiv zu bestimmen. Bei einer computerunterstützten Spermienbewegungsanalyse (5) (6) (7) (8) (9) (10) beruht die Ableitung der progressiven Motilität auf benutzerdefinierten Schwellen für die durchschnittliche Streckengeschwindigkeit und Direktheit oder einem linearen Index. Werden zum Zeitpunkt der Sektion die Proben auf Video (11) aufgenommen oder die Bilder auf andere Weise aufgezeichnet, kann die Analyse der P- und F1-Männchen der Kontrollgruppe und der Gruppe, der die hohe Dosis verabreicht wurde, anschließend vorgenommen werden, es sei denn, behandlungsbedingte Auswirkungen wurden beobachtet; in diesem Fall sind auch die Gruppen mit den niedrigeren Dosierungen zu beurteilen. Liegt kein Video- oder digitales Bildmaterial vor, sind alle Proben aus allen Behandlungsgruppen bei der Sektion zu analysieren.

An einer Probe von Nebenhodenspermien (oder Spermien aus dem Samenleiter) ist eine morphologische Untersuchung durchzuführen. Dabei sind die Spermien (mindestens 200 je Probe) als fixierte Nasspräparate (12) zu untersuchen und als normal oder abnorm zu klassifizieren. Beispiele für morphologische Spermienabnormitäten sind Verschmelzungen, isolierte Köpfe und missgebildete Köpfe und/oder Schwänze. Die Untersuchungen sind an der ausgewählten Teilmenge von Männchen aller Dosisgruppen entweder unmittelbar nach der Tötung der Tiere oder zu einem späteren Zeitpunkt durchzuführen, sofern Videobilder oder digitale Aufzeichnungen vorliegen. Fixierte Abstriche können ebenfalls später ausgewertet werden. Unter diesen Umständen können die Kontrolltiere und die Gruppe mit der hohen Dosierung zuerst analysiert werden. Werden keine behandlungsbedingten Auswirkungen (z. B. Auswirkungen auf die Spermienmorphologie) festgestellt, brauchen die anderen Dosierungsgruppen nicht untersucht zu werden. Sind bei der Gruppe mit der hohen Dosierung behandlungsbedingte Auswirkungen festzustellen, dann sind auch die Gruppen mit den niedrigen Dosierungen zu beurteilen.

Wurden oben genannte Spermienparameter bereits im Rahmen einer systemischen Toxizitätsstudie von einer Dauer von mindestens 90 Tagen untersucht, kann auf eine Wiederholung in der Zweigenerationenstudie verzichtet werden. Empfohlen wird allerdings, Proben oder digitale Aufzeichnungen von Spermien der P-Generation für eine eventuell später erforderliche Beurteilung aufzuheben.

1.5.5.   Nachkommen

Jeder Wurf ist so bald wie möglich nach der Geburt (Laktationstag 0) zu untersuchen, um Anzahl und Geschlecht der Jungtiere, Tot- und Lebendgeburten sowie eventuell vorhandene makroskopische Anomalien festzustellen. Jungtiere, die am Tag 0 tot aufgefunden werden und noch nicht mazeriert sind, sind möglichst auf Defekte und die Todesursache zu untersuchen und zu konservieren. Lebende Jungtiere sind zu zählen und jeweils einzeln bei der Geburt (Laktationstag 0) oder am Tag 1 und danach regelmäßig z. B. am Laktationstag 4, 7, 14 und 21 zu wiegen. Beobachtete körperliche oder Verhaltensabnormitäten bei den Muttertieren oder Nachkommen sind zu protokollieren.

Die körperliche Entwicklung der Nachkommen ist in der Hauptsache anhand der Körpergewichtszunahme festzuhalten. Andere körperliche Parameter (z. B. Öffnung von Ohren und Augen, Zahndurchbruch, Haarwachstum) können zwar zusätzliche Informationen bieten, diese Daten sind aber möglichst im Zusammenhang mit Daten zur Geschlechtsreife zu bewerten (z. B. Alter und Körpergewicht zum Zeitpunkt der Vaginalöffnung oder der Balano-Präputial-Separation) (13). Funktionelle Untersuchungen der F1-Nachkommen (z. B. Motorik, Sensorik und Reflexontogenese) vor und/oder nach der Entwöhnung, insbesondere solche, die mit der Geschlechtsreife in Zusammenhang stehen, werden empfohlen, sofern derartige Untersuchungen nicht Bestandteil gesonderter Studien sind. Bei entwöhnten F1-Tieren, die für die Verpaarung ausgewählt wurden, ist das Alter zum Zeitpunkt der Vaginalöffnung und der Präputial-Separation zu bestimmen. Bei F2-Nachkommen ist der Anogenitalabstand am Tag 0 nach der Geburt zu messen, wenn Veränderungen am Verhältnis der Geschlechter in der F1-Generation oder dem Zeitpunkt der Geschlechtsreife aufgetreten sind.

Bei Gruppen, die ansonsten eindeutige Anzeichen für schädigende Auswirkungen aufweisen (z. B. signifikante Verminderung der Gewichtszunahme usw.), kann von funktionellen Beobachtungen Abstand genommen werden. Sofern funktionelle Untersuchungen erfolgen, sind sie nicht an den Jungtieren vorzunehmen, die für die Verpaarung ausgewählt wurden.

1.5.6.   Nekropsie

Bei der Tötung oder bei vorzeitigem Tod im Verlauf der Studie werden alle Elterntiere (P und F1) und alle Jungtiere mit äußeren Abnormitäten oder klinischen Anzeichen sowie jeweils ein nach dem Zufallsprinzip ausgewähltes Jungtier/Geschlecht/Wurf sowohl aus der F1- als auch aus der F2-Generation makroskopisch auf strukturelle Abnormitäten oder pathologische Veränderungen untersucht. Besondere Beachtung ist dabei den Fortpflanzungsorganen zu schenken. Auf humane Weise getötete moribunde Jungtiere und noch nicht mazerierte tote Jungtiere werden auf mögliche Defekte und/oder die Todesursache untersucht und konserviert.

Die Gebärmutter aller erstgebärenden Weibchen wird auf Vorhandensein und Anzahl von Implantationsstellen in einer Weise untersucht, die keine Auswirkungen auf die histopathologische Bewertung hat.

1.5.7.   Organgewichte

Bei der Tötung werden das Körpergewicht und das Gewicht der folgenden Organe bei allen P- und F1-Elterntieren bestimmt (paarweise vorhandene Organe sind einzeln zu wiegen):

 Uterus; Ovarien,

 Hoden und Nebenhoden (gesamt und Schwanzteil),

 Prostata,

 Samenbläschen mit Koagulationsdrüsen und deren Flüssigkeiten und Prostata (als eine Einheit),

 Gehirn, Leber, Nieren, Milz, Hypophyse, Schilddrüse und Nebennieren sowie bekannte Zielorgane.

Bei den F1- und F2-Jungtieren, die für die Nekropsie ausgewählt werden, ist das Körpergewicht bei der Tötung zu bestimmen. Das Gewicht folgender Organe ist an je einem Jungtier/Geschlecht/Wurf (siehe 1.5.6) zu bestimmen, das nach dem Zufallsprinzip ausgewählt wurde: Gehirn, Milz und Thymusdrüse.

Die Ergebnisse der Nekropsie und die Organgewichte sind, sofern möglich, im Zusammenhang mit Beobachtungen aus anderen Studien mit wiederholter Exposition zu bewerten.

1.5.8.   Histopathologische Untersuchungen

1.5.8.1.   Elterntiere

Die folgenden Organe und Gewebe von Elterntieren (P und Fl) beziehungsweise repräsentative Proben hiervon sind für die histopathologische Untersuchung zu fixieren und in einem geeigneten Medium aufzubewahren:

 Vagina, Uterus mit Zervix, Ovarien (konserviert in einem geeigneten Fixativ),

 ein Hoden (konserviert in Bouinschem Fixiermittel oder einem vergleichbaren Fixativ), ein Nebenhoden, Samenbläschen, Prostata und Koagulationsdrüse,

 zuvor ermittelte(s) Zielorgan(e) von allen P- und F1-Tieren, die für die Verpaarung ausgewählt wurden.

Eine vollständige histopathologische Untersuchung der oben genannten konservierten Organe und Gewebe ist bei allen P-und F1-Tieren aus der Gruppe mit der hohen Dosis und der Kontrollgruppe durchzuführen, die für die Verpaarung ausgewählt wurden. Die Untersuchung der Ovarien der P-Tiere kann wahlweise durchgeführt werden. Organe, bei denen man behandlungsbedingte Veränderungen feststellt, sind auch bei Tieren aus den Gruppen mit der niedrigen und mittleren Dosis zu untersuchen, um bei der Ermittlung des NOAEL zu helfen. Des weiteren sind die Fortpflanzungsorgane von Tieren mit der niedrigen und der mittleren Dosis, die im Verdacht einer verringerten Fertilität stehen, einer histopathologischen Untersuchung zu unterziehen, beispielsweise die Tiere, die sich nicht gepaart haben, die nicht empfangen oder gezeugt oder gesunde Nachkommen geboren haben oder bei denen die Regelmäßigkeit des Östruszyklus oder die Spermienanzahl, -motilität oder -morphologie beeinträchtigt waren. Alle makroskopischen Läsionen wie Atrophien oder Tumore sind zu untersuchen.

An den Hoden ist eine eingehende histopathologische Untersuchung vorzunehmen (z. B. Verwendung des Bouinschen Fixiermittels, Einbettung in Paraffin und transversale Schnitte von 4 bis 5 μm Dicke), um behandlungsbedingte Auswirkungen wie Retention von Spermatiden, fehlende Keimzellenschichten oder -typen, mehrkernige Riesenzellen oder die Ablösung von spermatogenen Zellen in das Lumen festzustellen (14). Bei der Untersuchung des intakten Nebenhodens sind Kopf, Körper und Schwanz mit einzubeziehen; dies kann durch Beurteilung eines Längsschnitts erfolgen. Der Nebenhoden ist auf die Infiltration mit Leukozyten, Veränderungen in der Prävalenz von Zelltypen, aberrante Zellarten und Phagozytose von Spermien zu untersuchen. Für die Untersuchung der männlichen Fortpflanzungsorgane kann eine PAS- und Hämatoxylinfärbung verwendet werden.

Nach Absetzen der Jungtiere sollte der Eierstock Primordialfollikel und wachsende Follikel sowie die großen Gelbkörper der Laktationsperiode enthalten. Bei der histopathologischen Untersuchung sollte die Abnahme der Primordialfollikel qualitativ erfasst werden. Bei den F1-Weibchen ist eine quantitative Beurteilung der Primordialfollikel vorzunehmen; die Anzahl der Tiere, die Auswahl der Eierstockquerschnitte und die Querschnittprobengröße sollten dabei für das herangezogene Bewertungsverfahren statistisch angemessen sein. Untersucht wird unter anderem die Anzahl der Primordialfollikel, die mit kleinen wachsenden Follikeln zusammengenommen werden können; dabei werden die Eierstöcke von behandelten Tieren und Kontrolltieren miteinander verglichen (15) (16) (17) (18) (19).

1.5.8.2.   Entwöhnte Tiere

Makroskopisch abnorme Gewebe und Zielorgane von allen Jungtieren mit äußerlich sichtbaren Abnormitäten oder klinischen Anzeichen sowie von je einem nach dem Zufallsprinzip ausgewählten Jungtier/Geschlecht/Wurf aus der F1- und der F2-Generation, die nicht für die Paarung ausgewählt wurden, werden für die histopathologische Untersuchung fixiert und in einem geeigneten Medium aufbewahrt. An dem konservierten Gewebe ist eine vollständige histopathologische Untersuchung durchzuführen, wobei besonderes Schwergewicht auf die Fortpflanzungsorgane gelegt wird.

2.   DATEN

2.1.   VERARBEITUNG DER ERGEBNISSE

Die Daten sind jeweils einzeln zu protokollieren und in tabellarischer Form zusammenzufassen; dabei werden für jede Prüfgruppe und für jede Generation die Anzahl der Tiere zu Beginn der Prüfung, die Anzahl der während der Prüfung tot aufgefundenen Tiere beziehungsweise der aus humanen Gründen getöteten Tiere, der jeweilige Zeitpunkt des Todes beziehungsweise der Tötung, die Anzahl der fruchtbaren Tiere, die Anzahl der trächtigen Weibchen, die Anzahl der Tiere mit Anzeichen von Toxizität, eine Beschreibung der beobachteten Anzeichen von Toxizität, einschließlich des Zeitpunkts, zu dem die toxischen Wirkungen eingetreten sind, deren Dauer und Schweregrad, die Arten von Beobachtungen an Elterntieren und Nachkommen, die Arten von histopathologischen Veränderungen und alle relevanten Daten zu den Würfen angegeben.

Zur Auswertung der numerischen Ergebnisse wird ein allgemein anerkanntes statistisches Verfahren angewendet; die statistischen Verfahren sind im Rahmen der Studienplanung auszuwählen und zu begründen. Für die Analyse der Daten können Verfahren zur Modellierung der Dosis-Wirkungs-Beziehung hilfreich sein. Der Bericht sollte hinreichende Informationen über das herangezogene Analyseverfahren und das verwendete Computerprogramm beinhalten, so dass ein unabhängiger Überprüfer/Statistiker die Analyse nachbewerten und nachvollziehen kann.

2.2.   BEWERTUNG DER ERGEBNISSE

Die Befunde dieser Zweigenerationenstudie zur Reproduktionstoxizität sind im Hinblick auf die beobachteten Wirkungen, einschließlich Nekropsie- und Mikroskopiebefunde, zu bewerten. Die Bewertung beinhaltet den vorhandenen beziehungsweise nicht vorhandenen Zusammenhang zwischen der Prüfsubstanzdosis und vorhandenen beziehungsweise nicht vorhandenen Abnormitäten sowie deren Häufigkeit und Schwere, einschließlich der makroskopischen Läsionen, identifizierten Zielorgane, beeinträchtigten Fertilität, klinischen Abnormitäten, beeinträchtigten Reproduktions- und Wurfleistungen, Körpergewichtsveränderungen, Auswirkungen auf die Mortalität und etwaige sonstige toxische Auswirkungen. Die physikalisch-chemischen Eigenschaften der Prüfsubstanz und Daten zur Toxikokinetik, soweit verfügbar, sind bei der Bewertung der Prüfergebnisse zu berücksichtigen.

Aus einer ordnungsgemäß durchgeführten Prüfung der Reproduktionstoxizität sollte der NOAEL in angemessener Weise abgeschätzt werden können und sollten schädigende Wirkungen auf Reproduktion, Geburtsvorgang, Laktation, postnatale Entwicklung einschließlich Wachstum und Geschlechtsentwicklung klar werden.

2.3.   INTERPRETATION DER ERGEBNISSE

Eine Zweigenerationenstudie zur Reproduktionstoxizität liefert Informationen über die Auswirkungen einer wiederholten Exposition gegenüber einem Stoff während aller Phasen des Reproduktionszyklus. Die Studie vermittelt insbesondere Informationen über die Reproduktionsparameter sowie über Entwicklung, Wachstum, Reifung und Überleben der Nachkommen. Die Ergebnisse der Studie sind in Verbindung mit Befunden aus Studien zur subchronischen Toxizität, pränatalen Entwicklungstoxizität und Toxikokinetik sowie anderen vorliegenden Studien zu interpretieren. Die Ergebnisse dieser Studie können bei der Beurteilung der Frage, ob Bedarf an einer weiteren Prüfung einer Chemikalie besteht, herangezogen werden. In gewissem Grad ist auch eine Extrapolation der Studienergebnisse auf den Menschen zulässig. Sie sind am besten für Informationen über NOAEL-Werte und zulässige Expositionen für den Menschen zu verwenden (20) (21) (22) (23).

3.   BERICHTERSTATTUNG

3.1.   PRÜFBERICHT

Der Prüfbericht muss folgende Informationen enthalten:

Prüfsubstanz:

 physikalische Beschaffenheit und, soweit relevant, physikalisch-chemische Eigenschaften,

 Daten zur Identifikation;

 Reinheit.

Vehikel (sofern zutreffend):

 Begründung der Wahl des Vehikels, sofern nicht Wasser verwendet wurde.

Versuchstiere:

 Art und Stamm;

 Zahl, Alter und Geschlecht der Tiere;

 Herkunft, Haltungsbedingungen, Futter, Material für den Nestbau usw.;

 Einzelgewicht der Tiere zu Beginn der Prüfung.

Prüfbedingungen:

 Begründung der Wahl der Dosisabstufung;

 nähere Angaben zur Prüfsubstanzformulierung/Futterzubereitung, erreichte Konzentrationen;

 Stabilität und Homogenität der Zubereitung;

 Angaben zur Verabreichung der Prüfsubstanz;

 Umrechnung der Prüfsubstanzkonzentration in Futter/Trinkwasser (ppm) auf die tatsächliche Dosis (mg/kg Körpergewicht/Tag), soweit zutreffend;

 Einzelheiten zur Futter- und Wasserqualität.

Ergebnisse:

 Futter- und Wasseraufnahme, soweit vorhanden, Futtereffizienz (Zunahme des Körpergewichts je Gramm aufgenommenes Futter) und Prüfsubstanzaufnahme bei P- und F1-Tieren, ausgenommen in der Zeit der Kohabitation und mindestens des letzten Drittels der Laktationszeit;

 Absorptionsdaten, soweit vorhanden;

 Körpergewichtsdaten für P- und F1-Tiere, die für die Verpaarung ausgewählt wurden;

 Gewichtsdaten für Wurf und Jungtiere;

 Körpergewicht bei Tötung sowie absolute und relative Organgewichtsdaten für die Elterntiere;

 Art, Schweregrad und Dauer der klinischen Beobachtungen (mit Angaben zur Reversibilität);

 Zeitpunkt des Todes im Verlauf der Studie oder Angabe, ob Tiere bis zum Schluss überlebt haben;

 Angaben zur geschlechts- und dosisspezifischen toxischen Reaktion, einschließlich Indizes zu Verpaarung, Fertilität, Gravidität, Geburt, Lebensfähigkeit und Laktation; der Bericht beinhaltet die Zahlen, die bei der Berechnung dieser Indizes verwendet wurden;

 toxische oder sonstige Wirkungen auf Reproduktion, Nachkommen, postnatales Wachstum usw.;

 Sektionsbefunde;

 ausführliche Beschreibung aller histopathologischen Befunde;

 Anzahl der P- und F1-Weibchen mit normalem Zyklusverlauf und Zykluslänge;

 Gesamtanzahl von Spermien im Nebenhodenschwanz, progressiv motile Spermien in Prozent, morphologisch normale Spermien in Prozent und abnorme Spermien in Prozent mit Angabe der jeweiligen festgestellten Abnormität;

 Zeit bis zur Besamung, einschließlich Anzahl Tage bis zur Besamung;

 Graviditätslänge;

 Anzahl Implantationen, Gelbkörper, Wurfgröße;

 Anzahl Lebendgeburten und Postimplantationsverluste;

 Anzahl Jungtiere mit makroskopisch erkennbaren Abnormitäten; sofern ermittelt, ist die Anzahl der Kümmerlinge eines Wurfs anzugeben;

 Daten zu physischen Entwicklungsmerkmalen bei Jungtieren und sonstige Daten zur postnatalen Entwicklung, physische Entwicklungsmerkmale, die erhoben wurden, sind zu begründen;

 Daten zu funktionellen Beobachtungen an Jungtieren und Erwachsenen, soweit machbar;

 statistische Bearbeitung der Ergebnisse, soweit angebracht.

Diskussion der Ergebnisse.

Schlussfolgerungen einschließlich NOAEL-Werte für Auswirkungen bei Elterntieren und Nachkommen.

4.   LITERATURHINWEISE

(l) Sadleir, R.M.F.S. (1979). Cycles and Seasons, In: Reproduction in Mammals: I. Germ Cells and Fertilization, C.R. Auston and R.V. Short (eds.), Cambridge, New York.

(2) Gray, L.E. et al. (1989). A Dose-Response Analysis of Methoxychlor-Induced Alterations of Reproductive Development and Function in the Rat. Fundamental and Applied Toxicology 12, 92-108.

(3) Robb, G.W. et al. (1978). Daily Sperm Production and Epididymal Sperm Reserves of Pubertal and Adult Rats. Journal of Reproduction and Fertility 54, 103-107.

(4) Klinefelter, G.R. et al. (1991). The Method of Sperm Collection Significantly Influences Sperm Motion Parameters Following Ethane Dimethanesulfonate Administration in the Rat. Reproductive Toxicology 5, 39-44.

(5) Seed, J. et al. (1996). Methods for Assessing Sperm Motility, Morphology, and Counts in the Rat, Rabbit, and Dog: a Consensus Report. Reproductive Toxicology 10(3), 237-244.

(6) Chapin, R.E. et al. (1992). Methods for Assessing Rat Sperm Motility. Reproductive Toxicology 6, 267-273.

(7) Klinefelter, G.R. et al. (1992). Direct Effects of Ethane Dimethanesulphonate on Epididymal Function in Adult Rats: an In Vitro Demonstration. Journal of Andrology 13, 409-421.

(8) Slott, V.L. et al. (1991). Rat Sperm Motility Analysis: Methodologic Considerations. Reproductive Toxicology 5, 449-458.

(9) Slott, V.L. and Perreault, S.D., (1993). Computer-Assisted Sperm Analysis of Rodent Epididymal Sperm Motility Using the Hamilton-Thorn Motility Analyzer. In: Methods in Toxicology, Part A., Academic, Orlando, Florida, 319-333.

(10) Toth, G.P. et al. (1989). The Automated Analysis of Rat Sperm Motility Following Subchronic Epichlorhydrin Administration: Methodologic and Statistical Considerations. Journal of Andrology 10, 401-415.

(11) Working, P.K. and M. Hurtt (1987). Computerized Videomicrographic Analysis of Rat Sperm Motility. Journal of Andrology 8, 330-337.

(12) Linder, R.E. et al. (1992). Endpoints of Spermatoxicity in the Rat After Short Duration Exposures to Fourteen Reproductive Toxicants. Reproductive Toxicology 6, 491-505.

(10) (13) Korenbrot, C.C. et al. (1977). Preputial Separation as an External Sign of Pubertal Development in the Male Rat. Biological Reproduction 17, 298303.

(14) Russell, L.D. et al. (1990). Histological and Histopathological Evaluation of the Testis, Cache River Press, Clearwater, Florida.

(15) Heindel, J.J. and R.E. Chapin, (eds.) (1993). Part B. Female Reproductive Systems, Methods in Toxicology, Academic, Orlando, Florida.

(16) Heindel, J.J. et al. (1989) Histological Assessment of Ovarian Follicle Number in Mice As a Screen of Ovarian Toxicity. In: Growth Factors and the Ovary, A.N. Hirshfield (ed.), Plenum, New York, 421-426.

(17) Manson, J.M. and Y.J. Kang (1989). Test Methods for Assessing Female Reproductive and Developmental Toxicology. In: Principles and Methods of Toxicology, A.W. Hayes (ed.), Raven, New York.

(18) Smith, B.J. et al. (1991). Comparison of Random and Serial Sections in Assessment of Ovarian Toxicity. Reproductive Toxicology 5, 379-383.

(19) Heindel, J.J. (1999). Oocyte Quantitation and Ovarian Histology. In: An Evaluation and Interpretation of Reproductive Endpoints for Human Health Risk Assessment, G. Daston, and C.A. Kimmel, (eds.), ILSI Press, Washington, DC.

(20) Thomas, J. A. (1991). Toxic Responses of the Reproductive System. In: Casarett and Doull's Toxicology, M.O. Amdur, J. Doull, and C.D. Klaassen (eds.), Pergamon, New York.

(21) Zenick, H. and E.D. Clegg (1989). Assessment of Male Reproductive Toxicity: A Risk Assessment Approach. In: Principles and Methods of Toxicology, A.W. Hayes (ed.), Raven Press, New York.

(22) Palmer, A.K. (1981). In: Developmental Toxicology, Kimmel, C.A. and J. Buelke-Sam (eds.), Raven Press, New York.

(23) Palmer, A.K. (1978). In Handbook of Teratology, Vol. 4, J.G. Wilson and F.C. Fraser (eds.), Plenum Press, New York.

▼M4

B.36   TOXIKOKINETIK

EINLEITUNG

1. Diese Methode entspricht der OECD TG 417 (2010). Studien zur Untersuchung der Toxikokinetik einer Prüfsubstanz werden durchgeführt, um geeignete Informationen über ihre Resorption, Verteilung, Biotransformation (d. h. ihren Metabolismus) und ihre Ausscheidung zu erhalten, um die Konzentration oder Dosis zur beobachteten Toxizität in Beziehung zu setzen und um mehr Erkenntnisse über den Mechanismus der Toxizität zu gewinnen. Die Toxikokinetik kann zum besseren Verständnis der Toxikologiestudien beitragen, indem gezeigt wird, dass die Versuchstiere der Prüfsubstanz systemisch ausgesetzt werden, und indem die Anteile des Ausgangsstoffs bzw. der Metaboliten im Blutkreislauf bestimmt werden. Die grundlegenden toxikokinetischen Parameter, die mithilfe dieser Studien bestimmt werden, geben auch Aufschluss über das Potenzial der Prüfsubstanz zur Akkumulation in Geweben und/oder Organen und über das Potenzial zur Induktion von Biotransformationsprozessen infolge der Exposition gegen die Prüfsubstanz.

2. Toxikokinetik-Daten können dazu beitragen, die Eignung und Relevanz von Toxizitätsdaten aus Tierversuchen für die Extrapolation von Gefahren für den Menschen und/oder die Risikobewertung zu beurteilen. Darüber hinaus können Toxikokinetikstudien wichtige Informationen für die Bestimmung der Dosisstufen in Toxizitätsstudien (lineare oder nicht-lineare Kinetik), mit dem Verabreichungsweg zusammenhängende Wirkungen und andere Aspekte der Studienauslegung liefern. Bestimmte toxikokinetische Daten können für die Entwicklung von physiologisch-basierten toxikokinetischen Modellen verwendet werden.

3. Daten über Metaboliten und Toxikokinetik sind in vielerlei Hinsicht von Bedeutung. Sie können insbesondere Aufschluss über eventuelle Toxizitäten und Wirkungsweisen sowie deren Zusammenhang mit der Dosisstufe und dem Expositionsweg geben. Ferner können Metabolismusdaten auch hilfreiche Informationen für die Einschätzung der toxikologischen Bedeutung der Exposition gegen exogene Metaboliten der Prüfsubstanz liefern.

4. Angemessene toxikokinetische Daten können die Akzeptanz und Anwendbarkeit von quantitativen Struktur-Wirkungs-Beziehungen, Read-across- oder Grouping-Ansätzen bei der Sicherheitsbewertung von chemischen Stoffen unterstützen. Kinetikdaten können auch zur Bewertung der toxikologischen Relevanz anderer Studien (z. B. in vivo/in vitro) herangezogen werden.

5. Wenn kein anderer Verabreichungsweg genannt wird (siehe insbesondere die Nummern 74-78), wird die Prüfsubstanz bei dieser Prüfmethode oral verabreicht.

AUSGANGSÜBERLEGUNGEN

6. Anforderungen und Erfordernisse in Bezug auf die Endpunkte und toxikokinetischen Parameter, die für verschiedene Klassen von Chemikalien (z. B. Pestizide, Biozide, Industriechemikalien) zu bestimmen sind, unterscheiden sich je nach Regulierungssystem. Anders als bei den meisten Prüfmethoden werden bei der vorliegenden Methode Versuche zur Toxikokinetik beschrieben, die mehrere Messungen und Endpunkte erfordern. In Zukunft könnten mehrere neue Prüfmethoden und/oder Leitfäden erarbeitet werden, um jeden Endpunkt einzeln und ausführlicher zu beschreiben. Welche Versuche oder Bewertungen vorgenommen werden, richtet sich bei dieser Prüfmethode nach den Anforderungen und/oder Erfordernissen jedes Regulierungssystems.

7. Es gibt zahlreiche Studien, mit denen das toxikokinetische Verhalten einer Prüfsubstanz zu Regulierungszwecken bestimmt werden könnte. Je nach Regulierungsanforderung oder Einzelfall sind jedoch möglicherweise nicht alle diese Studien für die Bewertung einer Prüfsubstanz erforderlich. Bei der Planung von Toxikokinetikstudien ist daher Flexibilität erforderlich, und die Eigenschaften der Prüfsubstanz müssen berücksichtigt werden. In manchen Fällen kann eine bestimmte Reihe von Fragen ausreichen, um die mit der Prüfsubstanz verbundenen Gefahren und Risiken zu ermitteln. Manchmal können die Toxikokinetikdaten bei der Auswertung anderer Toxikologiestudien erfasst werden. In anderen Fällen können je nach Regulierungsanforderungen und/oder wenn bei der Bewertung einer Prüfsubstanz neue Fragen auftreten, zusätzliche und/oder ausführlichere Toxikokinetikstudien erforderlich sein.

8. Um die Qualität der Studie zu verbessern und eine unnötige Verwendung von Versuchstieren zu vermeiden, sollte das Prüflabor vor Durchführung der Studie alle verfügbaren Informationen über die Prüfsubstanz und relevante Metaboliten und analoge Stoffe berücksichtigen. Dies kann Daten aus anderen relevanten Prüfmethoden umfassen (In-vivo-Studien, In-vitro-Studien und/oder In-silico-Bewertungen) Für die Studienplanung und die Interpretation der Ergebnisse können physikalisch-chemische Eigenschaften wie der Octanol-Wasser-Verteilungskoeffizient (ausgedrückt als POW), pKa, die Wasserlöslichkeit, der Dampfdruck und das Molekulargewicht eines chemischen Stoffs von Nutzen sein. Diese können mit geeigneten Methoden, die in den betreffenden Prüfmethoden beschrieben sind, bestimmt werden.

GRENZEN

9. Diese Prüfmethode ist weder für besondere Fälle wie trächtige oder säugende Weibchen oder Nachkommen noch für die Bewertung eventueller Rückstände in zur Lebensmittelerzeugung genutzten exponierten Tieren bestimmt. Die Daten aus der Studie gemäß Kapitel B.36 können jedoch als Orientierungshilfe für die Planung spezifischer Studien für derartige Untersuchungen dienen. Diese Prüfmethode ist nicht für die Prüfung von Nanomaterialien bestimmt. Ein Bericht über eine Vorprüfung von OECD-Prüfrichtlinien auf ihre Anwendbarkeit auf Nanomaterialien deutet darauf hin, dass die TG 417 (die dieser Prüfmethode B.36 entspricht) möglicherweise nicht auf Nanomaterialien anwendbar ist (1).

DEFINITIONEN

10. Die für die Zwecke dieser Prüfmethode verwendeten Begriffe sind in der Anlage definiert.

TIERSCHUTZERWÄGUNGEN

11. Hinweise zur tierschutzgerechten Behandlung von Tieren sind im OECD Guidance Document (GD) 19 (2) zu finden. Es wird empfohlen, das OECD GD 19 für alle in dieser Prüfmethode beschriebenen In-vivo- und In-vitro-Studien zu beachten.

BESCHREIBUNG DER METHODEN

Pilotstudien

12. Es wird empfohlen, die Versuchsparameter für die Toxikokinetikstudien (z. B. Metabolismus, Massenbilanz, Analyseverfahren, Dosisfindung, Ausatmung von CO2 usw.) auf der Grundlage von Pilotstudien festzulegen. Die Bestimmung dieser Parameter erfordert nicht in allen Fällen die Verwendung radiomarkierter Stoffe.

Auswahl von Versuchstieren

Tierart

13. Für die toxikokinetische Prüfung sollte möglichst dieselbe Tierart (und derselbe Stamm) verwendet werden wie für andere toxikologische Prüfungen der betreffenden Prüfsubstanz. Normalerweise sollte dies die Ratte sein, da sie häufig in toxikologischen Studien verwendet wird. Die Verwendung anderer oder zusätzlicher Tierarten kann gerechtfertigt sein, wenn wichtige Toxikologiestudien Hinweise auf starke Toxizität bei diesen Tierarten ergeben oder wenn gezeigt werden kann, dass die Toxizität/Toxikokinetik bei diesen Tierarten von größerer Bedeutung ist, um die Wirkungen bei Menschen einschätzen zu können. Die Wahl der Tierart und des Stamms ist zu begründen.

14. Sofern nichts anderes erwähnt ist, wird bei dieser Prüfmethode die Ratte als Versuchstier verwendet. Bei Verwendung anderer Versuchstierarten müssen bestimmte Aspekte der Methode möglicherweise geändert werden.

Alter und Stamm

15. Es sind junge, gesunde, adulte Tiere (zum Zeitpunkt der Dosierung normalerweise 6-12 Wochen alt) zu verwenden (siehe auch Nummern 13 und 14). Die Verwendung anderer als junger, adulter Tiere ist zu begründen. Alle Tiere sollten zu Beginn der Studie annähernd gleich alt sein. Das Gewicht der einzelnen Tiere sollte nicht um mehr als ± 20 % vom mittleren Gewicht der Prüfgruppe abweichen. Im Idealfall sollte derselbe Stamm verwendet werden wie für die Ableitung der toxikologischen Datenbasis für die Prüfsubstanz.

Zahl und Geschlecht der Versuchstiere

16. Für jede geprüfte Dosis sollten mindestens vier Tiere eines Geschlechts verwendet werden. Die Wahl des Geschlechts der verwendeten Tiere ist zu begründen. Gibt es Hinweise auf signifikante geschlechtsspezifische Unterschiede der Toxizität, ist die Verwendung beider Geschlechter (vier männliche und vier weibliche Tiere) in Betracht zu ziehen.

Haltungs- und Fütterungsbedingungen

17. Die Tiere sollten während der Prüfzeitraums im Allgemeinen einzeln untergebracht werden. Eine Unterbringung in Gruppen könnte unter besonderen Bedingungen gerechtfertigt sein. Die Beleuchtung sollte künstlich sein, und die Hell- und Dunkelphasen sollten sich im Abstand von 12 Stunden abwechseln. Die Temperatur im Versuchstierraum sollte 22 °C (± 3 °C) und die relative Luftfeuchtigkeit 30-70 % betragen. An die Versuchstiere kann herkömmliches Laborfutter verfüttert werden, wobei eine unbegrenzte Trinkwasserversorgung zu gewährleisten ist.

Prüfsubstanz

18. Für alle Aspekte der Studie, die mit der Massenbilanz und der Identifizierung von Metaboliten zusammenhängen, sollte eine mit 14C radioaktiv markierte Prüfsubstanz verwendet werden. Wenn jedoch nachgewiesen werden kann, dass

 die Massenbilanz und die Identifizierung von Metaboliten mit der nicht markierten Prüfsubstanz hinreichend beurteilt werden kann,

 die analytische Spezifität und Sensitivität der Methode, bei der eine nicht radioaktive Prüfsubstanz verwendet wird, genau so gut oder besser sind als die, die mit einer radiomarkierten Prüfsubstanz erzielt werden könnten,

braucht keine radioaktiv markierte Prüfsubstanz verwendet zu werden. Ferner können andere stabile radioaktive Isotope verwendet werden, insbesondere dann, wenn das Element für den toxischen Anteil der Prüfsubstanz verantwortlich oder Teil des toxischen Anteils ist. Die Radiomarkierung sollte möglichst in einen Kernbereich des Moleküls eingebaut werden, der metabolisch stabil ist (d. h. er ist nicht austauschbar, wird nicht metabolisch als CO2 ausgeschieden und wird nicht Teil des Einkohlenstoff-Pools des Organismus). Um die Metabolisierung der Prüfsubstanz zu verfolgen, müssen eventuell mehrere Stellen oder spezifische Regionen des Moleküls markiert werden.

19. Die radiomarkierten und nichtmarkierten Prüfsubstanzen sollten mit geeigneten Methoden analysiert werden, um ihre Reinheit und Identität festzustellen. Die radioaktive Prüfsubstanz sollte die höchste für die spezielle Substanz erreichbare radioaktive Reinheit aufweisen (im Idealfall über 95 %), und es sollte nach Möglichkeit versucht werden, Verunreinigungen von 2 % oder mehr zu identifizieren. Der Reinheitsgrad sowie Identität und Anteil etwaiger Verunreinigungen sind zu dokumentieren. Einzelne Regulierungsprogramme können zusätzliche Orientierungshilfen für die Festlegung und Spezifikation von aus Gemischen bestehenden Prüfsubstanzen sowie Methoden zur Bestimmung der Reinheit vorsehen.

Wahl der Dosis

Pilotstudie

20. Für die Pilotstudie ist in der Regel eine einzige orale Dosis ausreichend. Die Dosis sollte nicht toxisch, aber dennoch hoch genug sein, dass die Metaboliten in den Exkreta (und gegebenenfalls im Plasma) identifiziert werden können und dass der Zweck der Pilotstudie gemäß Nummer 12 dieser Prüfmethode erfüllt ist.

Hauptstudien

21. Bei den Hauptstudien sollten mindestens zwei Dosen verabreicht werden, da die Informationen aus mindestens zwei Dosisgruppen die Dosisfestsetzung in anderen Toxizitätsstudien erleichtern und zur Bewertung der Dosis-Wirkungs-Beziehung von bereits vorliegenden Toxizitätsversuchen beitragen können.

22. Wenn zwei Dosen verabreicht werden, sollten beide hoch genug sein, dass die Metaboliten in den Exkreta (und gegebenenfalls im Plasma) identifiziert werden können. Für die Festlegung der Dosis sind Informationen aus vorliegenden Toxizitätsdaten heranzuziehen. Liegen keine Informationen vor (z. B. aus Prüfungen auf akute orale Toxizität, die klinische Toxizitätszeichen identifizieren, oder aus Toxizitätsstudien mit wiederholter Verabreichung), so kann für die höhere Dosis ein Wert angesetzt werden, der unter dem Schätzwert für die LD50 (orale und dermale Verabreichung) oder die LC50 (Inhalation) oder unter dem unteren Wert des geschätzten Bereichs der akuten Toxizität liegt. Die niedrigere Dosis sollte ein Bruchteil der höheren Dosis sein.

23. Wird nur eine Dosisstufe geprüft, sollte die Dosis möglichst hoch genug sein, dass die Metaboliten in den Exkreta (und gegebenenfalls im Plasma) identifiziert werden können; sie sollte allerdings keine offensichtliche Toxizität hervorrufen. Es ist zu begründen, warum keine zweite Dosisstufe verwendet wurde.

24. Wenn die Wirkung der Dosis auf kinetische Prozesse bestimmt werden muss, reichen zwei Dosen möglicherweise nicht aus; mindestens eine Dosis sollte hoch genug sein, um diese Prozesse zu sättigen. Ist die Fläche unter der Plasmakonzentrations-Zeit-Kurve (AUC) zwischen zwei in der Hauptstudie verwendeten Dosisstufen nicht linear, so kann daraus geschlossen werden, dass zwischen diesen beiden Dosisstufen die Sättigung eines oder mehrerer der kinetischen Prozesse stattfindet.

25. Bei schwach toxischen Prüfsubstanzen ist eine Höchstdosis von 1 000 mg/kg Körpergewicht (orale und dermale Verabreichung) zu verwenden (bei Verabreichung durch Inhalation siehe Kapitel B.2 dieses Anhangs; diese Dosis sollte normalerweise nicht über 2 mg/l liegen). Je nach Regulierungsanforderungen können mit den chemischen Eigenschaften des Stoffs zusammenhängende Gründe eine höhere Dosis erfordern. Die Dosiswahl ist stets zu begründen.

26. Für die Bestimmung des Akkumulations- und/oder Persistenzpotenzials können Daten über die Toxikokinetik und die Gewebeverteilung auf der Grundlage einer Einzeldosis ausreichen. Unter bestimmten Umständen kann jedoch eine mehrmalige Verabreichung erforderlich sein, i) um das Akkumulations- und/oder Persistenzpotenzial oder Veränderungen der Toxikokinetik (z. B. Enzyminduktion und -hemmung) genauer zu untersuchen oder ii) um Regulierungsanforderungen zu erfüllen. In Studien mit mehrmaliger Dosierung ist die Verabreichung niedriger Dosen zwar im Allgemeinen ausreichend, aber unter bestimmten Umständen kann auch die mehrmalige Verabreichung hoher Dosen notwendig sein (siehe auch Nummer 57).

Verabreichung der Prüfsubstanz

27. Die Prüfsubstanz sollte homogen in demselben Vehikel gelöst oder suspendiert werden, das für die anderen mit dieser Prüfsubstanz durchgeführten Toxizitätsstudien mit oraler Gabe über eine Schlundsonde verwendet wurde, wenn diese Informationen vorliegen. Die Wahl des Vehikels ist zu begründen. Die Wahl des Vehikels und des Dosierungsvolumens sollten bei der Planung der Studie berücksichtigt werden. Die übliche Verabreichungsmethode ist die Schlundsonde. In bestimmten Fällen kann jedoch die Verabreichung in einer Gelatinekapsel oder als Futterbeimischung von Vorteil sein (beides ist zu begründen). Die jedem Versuchstier verabreichte tatsächliche Dosis ist zu überprüfen.

28. Das maximale Flüssigkeitsvolumen, das einem Versuchstier auf einmal oral über eine Schlundsonde verabreicht werden kann, hängt von der Größe des Versuchstiers, der Art des Vehikels und einer etwaigen Futterkarenz vor der Verabreichung der Prüfsubstanz ab. Die Verabreichung oder Einschränkung von Futter vor der Dosierung ist zu begründen. Sowohl bei wässrigen als auch bei nichtwässrigen Vehikeln ist das Volumen so gering wie möglich zu halten. Bei Nagetieren sollte das Dosisvolumen normalerweise 10 ml/kg Körpergewicht nicht übersteigen. Bei Vehikeln für lipophilere Prüfsubstanzen können Volumina ab 4 ml/kg Körpergewicht verwendet werden. Bei mehrmaliger Dosierung, wenn täglicher Futterentzug kontraindiziert wäre, sind geringere Dosisvolumen zu verwenden (z. B. 2-4 ml/kg Körpergewicht). Soweit möglich, sollten Dosisvolumen verwendet werden, die mit denen im Einklang stehen, die in anderen Studien mit oraler Gabe einer Prüfsubstanz über eine Schlundsonde verabreicht wurden.

29. Die Prüfsubstanz kann intravenös (IV) verabreicht und im Blut und/oder in den Exkreta gemessen werden, um die Bioverfügbarkeit oder die relative orale Resorption zu bestimmen. Bei dieser Art von Studie wird eine Einzeldosis der Prüfsubstanz (die normalerweise der unteren oralen Dosis entspricht, diese aber nicht übersteigt — siehe Dosiswahl) unter Verwendung eines geeigneten Vehikels verabreicht. Diese Dosis wird mindestens vier Tieren des geeigneten Geschlechts (falls gerechtfertigt, können beide Geschlechter verwendet werden — siehe Nummer 16) in einem geeigneten Volumen (z. B. 1 ml/kg Körpergewicht) an der gewählten Verabreichungsstelle verabreicht. Für die intravenöse Verabreichung muss die Prüfsubstanz vollständig in der Dosiszubereitung aufgelöst oder suspendiert sein. Das Vehikel für die intravenöse Verabreichung sollte die Integrität der Blutzellen oder die Durchblutung nicht beeinträchtigen. Wenn die Prüfsubstanz infundiert wird, ist die Infusionsgeschwindigkeit zu protokollieren; sie sollte für alle Tiere gleich sein, vorausgesetzt, es wird eine Infusionspumpe verwendet. Beim Legen einer Kanüle in die Vena jugularis (zur Verabreichung der Prüfsubstanz und/oder zur Blutabnahme) oder bei Verwendung der Arteria femoralis für die Verabreichung sollten die Tiere narkotisiert werden. Die Wahl der Anästhesieart muss wohl überlegt sein, da sie Auswirkungen auf die Toxikokinetik haben kann. Vor Injektion der Prüfsubstanz mit dem Vehikel müssen sich die Tiere ausreichend von der Anästhesie erholen können.

30. Für bestimmte Prüfsubstanzen können je nach ihren physikalisch-chemischen Eigenschaften und der voraussichtlichen Verwendung durch Menschen oder die Exposition von Menschen auch andere Verabreichungswege wie die Verabreichung über die Haut oder durch Inhalation (siehe Nummern 74-78) angebracht sein.

Messungen

Massenbilanz

31. Die Massenbilanz wird aufgestellt durch Addition des prozentualen Anteils der verabreichten (radioaktiven) Dosis, die in Urin, Fäzes und ausgeatmeter Luft ausgeschieden wurde, und des in Geweben, Tierkörper und Käfigreinigungsrückständen (siehe Nummer 46) vorliegenden prozentualen Anteils. Im Allgemeinen gilt eine Gesamtwiederfindungsrate im Bereich von > 90 % der verabreichten Prüfsubstanz (Radioaktivität) als ausreichend.

Resorption

32. Eine erste Schätzung der Resorption ergibt sich, wenn man den Prozentsatz der Dosis im Magen-Darm-Trakt und/oder in den Fäzes aus der Bestimmung der Massenbilanz ausschließt. Für die Berechnung der prozentualen Resorption siehe Nummer 33. Für die Untersuchung der Exkreta siehe Nummern 44-49. Wenn das genaue Ausmaß der Resorption nach oraler Gabe nicht auf der Grundlage der Massenbilanz festgestellt werden kann (z. B. wenn die Fäzes mehr als 20 % der verabreichten Dosis enthalten), könnten weitere Untersuchungen erforderlich sein. Hierbei kann es sich handeln 1) um die orale Verabreichung einer Prüfsubstanz und ihre Messung in der Gallenflüssigkeit oder 2) um die orale und intravenöse Verabreichung einer Prüfsubstanz und die Messung der Nettomenge der Substanz im Urin, in der ausgeatmeten Luft und im Körper bei beiden Verabreichungswegen. In beiden Fällen wird die Radioaktivitätsmessung als Ersatzmethode für die chemisch-spezifische Analyse der Prüfsubstanz und ihrer Metaboliten durchgeführt.

33. Zur Prüfung der biliären Ausscheidung wird die Prüfsubstanz normalerweise oral verabreicht. In dieser Studie sind Kanülen in die Gallengänge von mindestens vier Tieren des geeigneten Geschlechts (oder beider Geschlechter, falls gerechtfertigt) zu legen, und es ist eine Einzeldosis der Prüfsubstanz zu verabreichen. Nach Verabreichung der Prüfsubstanz ist die Ausscheidung der Radioaktivität/Prüfsubstanz in der Gallenflüssigkeit so lange zu überwachen, wie erforderlich ist, um den Prozentsatz der über diesen Weg ausgeschiedenen Dosis zu bestimmen; mit diesem Wert kann mithilfe nachstehender Formel unmittelbar das Ausmaß der oralen Resorption berechnet werden:

image

34. Bei bestimmten Klassen von Prüfsubstanzen kann eine direkte Sekretion der resorbierten Dosis durch die Darmmembranen erfolgen. In diesen Fällen gilt die Messung der prozentualen Dosis in den Fäzes nach einer oralen Dosis im kanülierten Gallengang der Ratte nicht als repräsentativ für die nicht resorbierte Dosis. Für Fälle, in denen von einer intestinalen Sekretion ausgegangen wird, wird empfohlen, den Prozentsatz der resorbierten Dosis auf die Resorption zu stützen, die aus einem Vergleich der Ausscheidung nach oraler und nach intravenöser Verabreichung (intakte Ratte oder Ratte mit Gallengangkanülierung) berechnet wird (siehe Nummer 35). Wenn die intestinale Sekretion quantifiziert werden muss, wird auch empfohlen, die Exkretion bei der Ratte mit Gallengangkanülierung nach IV-Verabreichung der Dosis zu messen.

Bioverfügbarkeit

35. Die Bioverfügbarkeit kann wie unter den Nummern 50, 51 und 52 beschrieben, aufgrund der Plasma-/Blutkinetik der oralen und intravenösen Gruppen durch spezifische chemische Analyse der Prüfsubstanz und/oder des/der relevanten Metaboliten bestimmt werden, d. h. es ist keine radiomarkierte Prüfsubstanz erforderlich. Die Bioverfügbarkeit (F) der Prüfsubstanz oder des/der relevanten Metaboliten kann dann wie folgt berechnet werden:

image

Dabei ist AUC die Fläche unter der Plasmakonzentrations-Zeit-Kurve und exp der Verabreichungsweg (oral, dermal oder Inhalation).

36. Für die Bewertung der Risiken in Bezug auf systemische Wirkungen wird im Allgemeinen die Bioverfügbarkeit der toxischen Komponente gegenüber der prozentualen Resorption bevorzugt, um die systemischen Konzentrationen aus Tierstudien mit analogen Biomonitoring-Daten aus Studien über die Exposition von Arbeitnehmern zu vergleichen. Die Situation kann allerdings komplizierter werden, wenn die Dosen im nicht linearen Bereich liegen. Daher ist es wichtig, dass die toxikokinetische Prüfung Dosen im linearen Bereich bestimmt.

Gewebeverteilung

37. Kenntnisse über die Verteilung einer Prüfsubstanz und/oder ihrer Metaboliten im Gewebe sind wichtig für die Identifizierung der Zielgewebe, für das Verständnis der zugrunde liegenden Toxizitätsmechanismen und für die Einschätzung des Akkumulations- und Persistenzpotenzials der Prüfsubstanz und ihrer Metaboliten. Der Prozentsatz der (radioaktiven) Gesamtdosis in den Geweben und im restlichen Tierkörper wird mindestens am Ende des Ausscheidungsversuchs gemessen (z. B. normalerweise sieben Tage nach der Dosierung oder weniger je nach spezifischem Verhalten der Prüfsubstanz). Wird am Ende der Studie keine Prüfsubstanz in den Geweben gefunden (z. B. weil die Prüfsubstanz wegen einer kurzen Halbwertzeit vor Ende der Studie eliminiert worden sein könnte), ist darauf zu achten, dass die Daten nicht falsch interpretiert werden. In diesem Fall ist die Gewebeverteilung zum Zeitpunkt der maximalen Plasma-/Blutkonzentration (Tmax) der Prüfsubstanz (und/oder Metaboliten) oder der maximalen Urinausscheidungsrate zu untersuchen (siehe Nummer 38). Darüber hinaus können Gewebeentnahmen zu zusätzlichen Zeitpunkten erforderlich sein, um die Gewebeverteilung der Prüfsubstanz und/oder ihrer Metaboliten zu bestimmen, (gegebenenfalls) die Zeitabhängigkeit zu beurteilen und die Aufstellung der Massenbilanz zu erleichtern und/oder wenn eine zuständige Behörde sie vorschreibt. Zu den zu entnehmenden Geweben gehören u. a. Leber, Fett, Magen-Darm-Trakt, Nieren, Milz, Vollblut, der restliche Tierkörper, Zielorgangewebe und sonstige Gewebe (z. B. Schilddrüse, Erythrozyten, Fortpflanzungsorgane, Haut, Augen (insbesondere bei pigmentierten Tieren)), die für die toxikologische Bewertung der Prüfsubstanz potenziell von Bedeutung sind. Die Analyse zusätzlicher Gewebe zu denselben Zeitpunkten ist in Betracht zu ziehen, um die Nutzung der Tiere zu maximieren und falls bei subchronischen oder chronischen Toxizitätsstudien Zielorgantoxizität festgestellt wird. Die Konzentration (radioaktiver) Rückstände und die Gewebe/Plasma-Verhältnisse (Gewebe/Blut-Verhältnisse) sollten ebenfalls angegeben werden.

38. Eine zuständige Behörde kann auch die Bewertung der Gewebeverteilung zu weiteren Zeitpunkten wie dem Zeitpunkt der maximalen Plasma-/Blutkonzentration (z. B. Tmax) oder der maximalen Urinausscheidungsrate, die in kinetischen Studien zu Plasma/Blut oder Ausscheidungen bestimmt wurde, benötigen oder vorschreiben. Diese Informationen können hilfreich sein, um die Toxizität und das Akkumulations- und Persistenzpotenzial der Prüfsubstanz und ihrer Metaboliten zu verstehen. Die Wahl der Proben ist zu begründen. Die zu analysierenden Proben sollten im Allgemeinen dieselben sein wie unter Nummer 37.

39. Für die Gewebeverteilungsstudien kann die Radioaktivität mithilfe von Organsektion, Homogenisierung, Verbrennung und/oder Solubilisierung und anschließender Flüssigszintillationszählung von aufgefangenen Rückständen quantitativ bestimmt werden. Bestimmte Techniken, die sich zurzeit in unterschiedlichen Entwicklungsphasen befinden, z. B. die quantitative Ganzkörper-Autoradiographie oder die mikroskopische Autoradiographie der Rezeptoren, können nützlich sein, um die Verteilung einer Prüfsubstanz in den Organen und/oder Geweben zu bestimmen (3) (4).

40. Bei anderer Exposition als auf oralem Weg sollten spezifische Gewebe entnommen und analysiert werden, z. B. die Lungen bei Inhalationsstudien und Haut bei Studien mit dermaler Applikation. Siehe Nummern 74-78.

Metabolismus

41. Zur Identifizierung und Quantifizierung der unveränderten Prüfsubstanz und der Metaboliten sollten Exkreta (und gegebenenfalls Plasma) gesammelt werden (siehe Nummern 44-49). Das Poolen von Exkreta zur leichteren Identifizierung von Metaboliten innerhalb eines Dosisgruppe ist zulässig. Es wird empfohlen, das Profil der Metaboliten jedes Zeitabschnitts der Studie zu erstellen. Ist dies mangels Proben und/oder Radioaktivität nicht möglich, können Urin und Fäzes von unterschiedlichen Zeitpunkten, aber nur von Tieren desselben Geschlechts, die die gleiche Dosis erhalten haben, gepoolt werden. Bei der Untersuchung von Urin, Fäzes, ausgeatmeter Radioaktivität von behandelten Tieren und gegebenenfalls Gallenflüssigkeit sind geeignete qualitative und quantitative Methoden anzuwenden.

42. Es sollte nach Möglichkeit versucht werden, alle Metaboliten, die zu 5 % oder mehr der verabreichten Dosis vorhanden sind, zu identifizieren und ein Metabolismusschema für die Prüfsubstanz zu erstellen. Prüfsubstanzen, von denen beschrieben wurde, dass sie zu 5 % oder mehr der verabreichten Dosis in Exkreta enthalten sind, sollten identifiziert werden. Die Identifizierung bezieht sich auf die genaue strukturelle Bestimmung der Komponenten. Die Identifizierung erfolgt normalerweise entweder durch Co-Chromatographie des Metaboliten mit bekannten Standards unter Verwendung von zwei unterschiedlichen Systemen oder durch Techniken, mit denen eine positive strukturelle Identifizierung erreicht werden kann, wie Massenspektrometrie, Kernspinresonanzspektroskopie (NMR) usw. Bei der Co-Chromatographie sind Verfahren, die zur Bestimmung der Identität von Metaboliten die gleiche stationäre Phase mit zwei unterschiedlichen Lösungsmittelsystemen verwenden, zu vermeiden, da die Methoden dann nicht unabhängig sind. Bei der Identifizierung mithilfe der Co-Chromatographie sind zwei unterschiedliche, analytisch unabhängige Systeme wie die Umkehr- und Normalphasen-Dünnschichtchromatographie (TLC) und die Hochleistungsflüssigchromatograpie (HPLC) anzuwenden. Wenn die chromatographische Trennung gut genug ist, braucht das Ergebnis nicht spektroskopisch bestätigt zu werden. Eine eindeutige Identifizierung auf der Grundlage struktureller Informationen kann auch mit folgenden Methoden erzielt werden: Flüssigchromatographie/Massenspektrometrie (LC-MS) oder Flüssigchromatographie/Tandem-Massenspektrometrie (LC-MS/MS), Gaschromatographie/Massen-spektrometrie (GC/MS) und Kernspinresonanzspektroskopie (NMR).

43. Ist die Identifizierung von Metaboliten, die 5 % oder mehr der verabreichten Dosis ausmachen, nicht möglich, ist dies im Abschlussbericht zu begründen/erläutern. Auch die Identifizierung von Metaboliten, die weniger als 5 % der verabreichten Dosis ausmachen, kann angezeigt sein, um den Metabolismusweg besser zu verstehen und die Gefahren und/oder Risiken der Prüfsubstanz bewerten zu können. Soweit möglich, ist eine Bestätigung der Struktur der Metaboliten anzugeben. Hierzu kann es erforderlich sein, ihr Profil im Plasma, im Blut oder in anderen Geweben zu erstellen.

Ausscheidung

44. Geschwindigkeit und Ausmaß der Ausscheidung der verabreichten Dosis sollten durch Messung der Prozentsatzes der aus Urin, Fäzes und ausgeatmeter Luft wiedergewonnenen (radioaktiven) Dosis bestimmt werden. Diese Daten tragen auch zur Aufstellung der Massenbilanz bei. Die Mengen der mit Urin, Fäzes und ausgeatmeter Luft ausgeschiedenen Prüfsubstanz (Radioaktivität) sollte in geeigneten Zeitabständen bestimmt werden (siehe Nummern 47, 48 und 49). Versuche mit wiederholter Verabreichung sollten so ausgelegt sein, dass Ausscheidungsdaten erfasst werden können, die die unter Nummer 26 genannten Ziele erfüllen. Dann können Vergleich mit Einzeldosisversuchen angestellt werden.

45. Wenn eine Pilotstudie ergeben hat, dass mit der ausgeatmeten Luft keine nennenswerten Mengen der Prüfsubstanz (Radioaktivität) (nach Nummer 49) ausgeschieden werden, braucht die ausgeatmete Luft in der Hauptstudie nicht aufgefangen zu werden.

46. Die Tiere sind getrennt in Stoffwechselkäfigen zu halten, damit die Exkreta (Urin, Fäzes und ausgeatmete Luft) aufgefangen werden können. Am Ende jedes Auffangzeitraums (siehe Nummern 47, 48 und 49) sind die Stoffwechselkäfige mit einem geeigneten Lösungsmittel durchzuspülen, um möglichst viel von der Prüfsubstanz (Radioaktivität) zurückzugewinnen. Das Auffangen von Exkreta sollte nach sieben Tagen beendet werden, oder wenn mindestens 90 % der verabreichten Dosis wiedergewonnen wurde, je nachdem was zuerst eintritt.

47. Die Gesamtmengen der Prüfsubstanz (Radioaktivität) im Urin sind am ersten Tag des Auffangens zu mindestens zwei Zeitpunkten, von denen einer 24 Stunden nach der Dosierung liegen sollte, und danach täglich bis zum Ende der Studie zu bestimmen. Es wird empfohlen, die Proben zu mehr als zwei Zeitpunkten am ersten Tag zu nehmen (z. B. nach 6, 12 und 24 Stunden). Die Ergebnisse der Pilotstudien sind auf Informationen zu alternativen oder zusätzlichen Auffangzeitpunkten zu analysieren. Die Auffangzeitpläne sind zu begründen.

48. Die Gesamtmengen der Prüfsubstanz (Radioaktivität) in den Fäzes sollte täglich und zwar erstmals 24 Stunden nach der Dosierung bis zum Ende der Studie bestimmt werden, es sei denn, aufgrund von Pilotstudien erscheinen andere oder zusätzliche Zeitpunkte für das Auffangen angebracht. Alternative Auffangzeitpläne sind zu begründen.

49. Ausgeatmetes CO2 und andere flüchtige Stoffe brauchen in einer Studie nicht mehr aufgefangen zu werden, wenn in der innerhalb von 24 Stunden aufgefangenen ausgeatmeten Luft weniger als 1 % der verabreichten Dosis gefunden wird.

Zeitverlaufsstudien

Plasma-/Blutkinetik

50. Zweck dieser Studien ist die Bestimmung grundlegender Toxikokinetikparameter [z. B. Cmax, Tmax Halbwertszeit (t1/2), AUC] der Prüfsubstanz. Die Studien können mit einer Einzeldosis durchgeführt werden, im Allgemeinen werden jedoch zwei oder mehr Dosen verwendet. Die Dosis ist je nach Art des Versuchs und/oder der zu untersuchenden Frage festzusetzen. Zur Klärung von Fragen wie z. B. zur Bioverfügbarkeit der Prüfsubstanz und/oder zur Feststellung des Effekts der Dosis auf die Clearance (z. B. um festzustellen, ob die Sättigung der Clearance dosisabhängig ist) können kinetische Daten benötigt werden.

51. Für diese Studien sind mindestens vier Tiere eines Geschlechts je Dosisgruppe zu verwenden. Die Wahl des Geschlechts der verwendeten Tiere ist zu begründen. Gibt es Hinweise auf signifikante geschlechtsspezifische Unterschiede der Toxizität, ist die Verwendung beider Geschlechter (vier männliche und vier weibliche Tiere) in Betracht zu ziehen.

52. Nach Verabreichung der (radiomarkierten) Prüfsubstanz werden jedem Tier zu angemessenen Zeitpunkten mit der geeigneten Methode Blutproben entnommen. Volumen und Anzahl der Blutproben, die je Tier genommen werden können, sind möglicherweise durch die potenziellen Wirkungen wiederholter Probenahmen auf die Gesundheit/Physiologie des Tiers und/oder durch die Sensitivität der Analysemethode begrenzt. Die Proben sind für jedes einzelne Tier zu analysieren. In bestimmten Fällen (z. B. Charakterisierung von Metaboliten) müssen Proben von mehreren Tieren gepoolt werden. Gepoolte Proben sind deutlich zu kennzeichnen, und das Poolen ist zu begründen. Wird eine radiomarkierte Prüfsubstanz verwendet, kann eine Analyse der vorhandenen Gesamtradioaktivität angebracht sein. In diesem Fall ist die Gesamtradioaktivität im Vollblut und im Plasma oder im Plasma und in den Erythrozyten zu bestimmen, damit das Blut/Plasmaverhältnis berechnet werden kann. In anderen Fällen können spezifischere Untersuchungen, die die Identifizierung der Ausgangssubstanz und/oder der Metaboliten erfordern, oder die Bewertung der Proteinbindung notwendig sein.

Sonstige Gewebekinetik

53. Diese Studien sollen Informationen über den zeitlichen Verlauf liefern, um so über die Bestimmung der Konzentrationen der Prüfsubstanz in verschiedenen Geweben Fragen zur Art und Weise der toxischen Wirkungen, zur Bioakkumulation und zur Biopersistenz klären zu können. Die Auswahl der Gewebe und die Anzahl der zu bewertenden Zeitpunkte richtet sich danach, welcher Aspekt untersucht werden soll und welche toxikologischen Daten über die Prüfsubstanz vorliegen. Bei der Planung dieser zusätzlichen gewebekinetischen Studien sind die gemäß den Nummern 37-40 gewonnenen Informationen zu berücksichtigen. Die Studien können mit einfacher oder mehrmaliger Dosierung durchgeführt werden. Die gewählte Methode ist ausführlich zu begründen.

54. Mögliche Gründe für die Durchführung weiterer gewebekinetischer Studien:

 Hinweise auf eine längere Halbwertszeit im Blut, die auf die Möglichkeit einer Akkumulation der Prüfsubstanz in verschiedenen Geweben hindeutet, oder

 Interesse daran herauszufinden, ob in bestimmten Geweben ein konstantes Niveau erreicht wurde. (In Studien mit wiederholter Verabreichung kann es z. B. selbst wenn sich offenbar ein konstanter Spiegel der Prüfsubstanz im Blut eingestellt hat, von Interesse sein, sich zu vergewissern, dass auch in den Zielgeweben ein konstantes Niveau erreicht wurde.)

55. Bei dieser Art von Zeitverlaufsstudien ist eine geeignete orale Dosis der Prüfsubstanz an mindestens vier Tiere je Dosis je Zeitpunkt zu verabreichen. Dann ist der zeitliche Verlauf der Verteilung in den ausgewählten Geweben zu überwachen. Sofern keine geschlechtsspezifische Toxizität beobachtet wird, braucht nur ein Geschlecht verwendet zu werden. Ob die Gesamtradioaktivität oder die Ausgangssubstanz und/oder ihre Metaboliten bestimmt werden, richtet sich nach der zu untersuchenden Fragestellung. Die Gewebeverteilung ist mithilfe der geeigneten Verfahren zu bewerten.

Enzyminduktion/-inhibition

56. Studien zu den möglichen Wirkungen der Enzyminduktion/-inhibition oder zur Biotransformation der Prüfsubstanz können in einem oder mehreren der folgenden Fälle erforderlich sein:

1. Die vorliegenden Erkenntnisse deuten auf eine Beziehung zwischen der Biotransformation der Prüfsubstanz und erhöhter Toxizität hin;

2. die vorliegenden Toxizitätsdaten deuten auf eine nicht lineare Beziehung zwischen Dosis und Metabolismus hin;

3. die Ergebnisse der Studien zur Metabolitenidentifizierung ergeben einen potenziell toxischen Metaboliten, der durch einen Enzymweg produziert worden sein könnte, der durch die Prüfsubstanz induziert wurde;

4. zur Erklärung der Wirkungen, die mit Phänomenen der Enzyminduktion verbunden sein sollen;

5. Wenn in In-vitro- oder In-vivo-Versuchen mit unterschiedlichen Tierarten oder unter unterschiedlichen Bedingungen toxikologisch signifikante Veränderungen des Metabolismusprofils der Prüfsubstanz beobachtet werden, kann eine Bestimmung des beteiligten Enzyms bzw. der beteiligen Enzyme erforderlich sein (z. B. Phase-I-Enzyme wie Isozyme des Cytochrom-P450-Monooxygenasesystems, Phase-II-Enzyme wie Isozyme von Sulfotransferase oder Uridin-Diphosphat-Glucuronosyltransferase oder jedes andere relevante Enzym). Diese Informationen können zur Beurteilung der Relevanz von Extrapolationen von einer Tierart zu einer anderen Tierart verwendet werden.

57. Zur Beurteilung der mit der Prüfsubstanz zusammenhängenden toxikokinetischen Veränderungen sind geeignete Studienprotokolle zu verwenden, die entsprechend validiert und gerechtfertigt sind. Die Studien können z. B. zwecks Bestimmung des Metabolismusprofils die mehrmalige Dosierung einer unmarkierten Prüfsubstanz, gefolgt von einer einzigen radiomarkierten Dosis an Tag 14 oder die mehrmalige Dosierung einer radiomarkierten Prüfsubstanz mit Probenahme an den Tagen 1, 7 und 14 vorsehen. Die mehrmalige Dosierung einer radiomarkierten Prüfsubstanz kann auch Aufschluss über die Bioakkumulation geben (siehe Nummer 26).

ZUSÄTZLICHE METHODEN

58. Mithilfe zusätzlicher Methoden, die über die in dieser Prüfmethode beschriebenen In-vivo-Versuche hinausgehen, können nützliche Informationen über Resorption, Verteilung, Metabolismus und Elimination einer Prüfsubstanz bei bestimmten Tierarten gewonnen werden.

Nutzung von in-vitro-informationen

59. Durch In-vitro-Studien mit geeigneten Testsystemen können mehrere Fragestellungen zum Metabolismus der Prüfsubstanz geklärt werden. Zur Untersuchung möglicher Metaboliten können frisch isolierte oder gezüchtete Hepatozyten und subzelluläre Fraktionen (z. B. Mikrosomen und Cytosol oder S9 Fraktion) von der Leber verwendet werden. Der lokale Metabolismus im Zielorgan, z. B. in der Lunge, kann für die Risikobewertung von Interesse sein. Für diese Zwecke können mikrosomale Fraktionen von Zielgeweben nützlich sein. Studien mit Mikrosomen können nützlich sein, um Unterschiede, die mit dem Geschlecht oder der Lebensphase zusammenhängen könnten, zu klären und Enzymparameter (Km und Vmax) zu beschreiben, die die Bewertung der Dosisabhängigkeit des Metabolismus bezogen auf die Expositionsstufen erleichtern können. Darüber hinaus können Mikrosome hilfreich sein, um die am Metabolismus der Prüfsubstanz beteiligten spezifischen mikrosomalen Enzyme zu identifizieren, die für die Extrapolation von einer Tierart zu einer anderen relevant sein können (siehe auch Nummer 56). Das Potenzial für die Induktion der Biotransformation kann auch mithilfe von subzellulären Fraktionen der Leber (z. B. Mikrosomen und Cytosol) von mit der Prüfsubstanz vorbehandelten Tieren durch In-vitro-Induktionsstudien an Hepatozyten oder auf der Grundlage spezifischer Zelllinien, die relevante Enzyme exprimieren untersucht werden. Unter bestimmten Bedingungen kann die Verwendung subzellulärer Fraktionen von menschlichen Geweben für die Bestimmung potenzieller artspezifischer Unterschiede in Betracht gezogen werden. Die Ergebnisse von In-vitro-Untersuchungen können auch für die Entwicklung von physiologisch-basierten toxikokinetischen Modellen von Nutzen sein (5).

60.  In-vitro-Hautresorptionsstudien können zusätzliche Informationen zur Beschreibung der Resorption liefern (6).

61. Mit primären Zellkulturen von Leberzellen und frischen Gewebeschnitten können ähnliche Fragen untersucht werden wie mit Lebermikrosomen. In bestimmten Fällen kann es möglich sein, spezifische Fragen mithilfe von Zelllinien, die das betreffende Enzym exprimieren, oder mit genetisch veränderten Zelllinien zu beantworten. In anderen Fällen kann es hilfreich sein, die Inhibition und Induktion spezifischer Cytochrom-P450-Isozyme (z. B. CYP1A1, 2E1, 1A2 und andere) und/oder Phase-II-Enzyme durch die Ausgangsverbindung mittels In-vitro-Studien zu untersuchen. Die so gewonnenen Informationen können für strukturverwandte Verbindungen nützlich sein.

Verwendung toxikokinetischer Daten aus Toxizitätsstudien als ergänzende Informationen

62. Die Analyse von Blut-, Gewebe- und/der Ausscheidungsproben, die im Verlauf anderer Toxizitätsstudien genommen wurden, kann Daten zur Bioverfügbarkeit, zu Veränderungen der Plasmakonzentration im Zeitverlauf (AUC, Cmax), zum Bioakkumulationspotenzial, zu den Clearance-Raten und zu Veränderungen des Metabolismus und der Kinetik liefern, die mit dem Geschlecht oder der Lebensphase der Tiere zusammenhängen.

63. Die Studienauslegung kann auch im Hinblick auf die Klärung folgender Aspekte angepasst werden: Sättigung der Resorption, Biotransformations- oder Ausscheidungswege bei höheren Dosisstufen, Funktion neuer Stoffwechselwege bei höheren Dosen und Begrenzung toxischer Metaboliten auf höhere Dosen.

64. Weitere Aspekte, die zur Beurteilung der Gefahren untersucht werden können:

 die altersbedingte Empfindlichkeit, die vom Zustand der Blut-Hirn-Schranke, der Nieren und/oder der Detoxifizierungskapazität abhängt;

 die Empfindlichkeit bestimmter Unterpopulationen aufgrund unterschiedlicher Biotransformationskapazitäten oder anderer toxikokinetischer Unterschiede;

 Ausmaß der Exposition des Fötus durch transplazentare Übertragung von chemischen Stoffen oder der Exposition von Neugeborenen durch das Säugen.

Verwendung toxikokinetischer Modelle

65. Toxikokinetische Modelle können für verschiedene Aspekte der Gefahren- und Risikobewertung von Nutzen sein, z. B. für die Vorhersage der systemischen Exposition und der die inneren Gewebe erreichenden Dosis. Außerdem können spezifische Fragen zur Wirkungsweise untersucht werden. Die Modelle können als Grundlage für die Extrapolation zwischen Tierarten, Expositionswegen und Dosierungsmustern sowie für die Bewertung des Risikos für den Menschen dienen. Zu den nützlichen Daten für die Entwicklung von physiologisch-basierten toxikokinetischen Modellen für eine Prüfsubstanz bei einer bestimmten Tierart gehören 1) die Verteilungskoeffizienten, 2) biochemische Konstanten und physiologische Parameter, 3) die für die verschiedenen Verabreichungswege spezifischen Resorptionsparameter und 4) In-vivo-Kinetikdaten für die Evaluierung der Modelle [z. B. Clearance-Parameter für relevante (> 10 %) Ausscheidungswege, Km und Vmax für den Metabolismus]. Die Versuchsdaten, die zur Entwicklung des Modells verwendet werden, sind mit wissenschaftlich fundierten Methoden zu erzeugen, und die Modellergebnisse sind zu validieren. Prüfsubstanz- und tierartspezifische Parameter wie Resorptionsraten, Blut-Gewebe-Verteilungskoeffizient und metabolische Umsatzraten werden oft bestimmt, um die Entwicklung von Nicht-Kompartiment-Modellen oder physiologisch basierten Modellen zu erleichtern (7).

DATEN UND BERICHTERSTATTUNG

66. Der Prüfbericht sollte ein Inhaltsverzeichnis enthalten.

Hauptteil des Berichts

67. Der Hauptteil des Berichts sollte die unter diese Prüfmethode fallenden Informationen enthalten, die wie folgt in Abschnitte und Absätze zu gliedern sind:

Zusammenfassung

68. Dieser Abschnitt des Berichts sollte eine Zusammenfassung der Studienauslegung und eine Beschreibung der angewandten Methoden enthalten. Er sollte außerdem die wichtigsten Erkenntnisse in Bezug auf die Massenbilanz, die Art und Menge der Metaboliten, die Rückstände der Prüfsubstanz in den Geweben, die Clearance-Rate, das Bioakkumulationspotenzial, geschlechtsspezifische Unterschiede usw. behandeln. Die Zusammenfassung muss so ausführlich sein, dass eine Bewertung der Ergebnisse möglich ist.

Einleitung

69. Dieser Abschnitt des Berichts sollte die Ziele der Studie, die Begründung und Auslegung sowie geeignete Literaturhinweise und Hintergrundinformationen enthalten.

Material und Methoden

70. Dieser Abschnitt des Berichts sollte ausführliche Erläuterungen aller einschlägigen Informationen enthalten. Dazu gehören:

a) Prüfsubstanz

Dieser Unterabschnitt sollte Angaben zur Prüfsubstanz enthalten: chemische Bezeichnung, Molekülstruktur, qualitative und quantitative Bestimmung der chemischen Zusammensetzung, chemische Reinheit und, soweit möglich, Art und Mengen etwaiger Verunreinigungen. Er sollte auch Angaben zu den physikalischen/chemischen Eigenschaften, insbesondere Aggregatzustand, Farbe, Löslichkeits- und/oder Verteilungskoeffizient, Stabilität und gegebenenfalls Ätzwirkung enthalten. Soweit vorhanden, sind Informationen zu Isomeren anzugeben. Ist die Prüfsubstanz radiomarkiert, sollte dieser Unterabschnitt folgende Informationen enthalten: Art des Radionuklids, Position der Markierung, spezifische Aktivität und radiochemische Reinheit.

Die Art des Vehikels, etwaige Verdünnungsmittel, Suspendierhilfen und Emulgatoren oder andere Stoffe, die zur Verabreichung der Prüfsubstanz verwendet werden, sind anzugeben.

b) Versuchstiere

Dieser Unterabschnitt sollte Informationen über die Versuchstiere mit Angaben zur Auswahl von Art, Stamm und Alter zu Beginn der Studie, Geschlecht, Körpergewicht, Gesundheitszustand und Tierhaltung sowie die entsprechenden Begründungen enthalten.

c) Methoden

Dieser Unterabschnitt sollte Angaben zur Studienauslegung und zur verwendeten Methodik enthalten. Hierzu gehört Folgendes:

1. Begründung für jede Änderung des Expositionswegs und der Expositionsbedingungen, falls zutreffend;

2. Begründung für die Auswahl der Dosisstufen;

3. falls zutreffend, Erläuterung der Pilotstudien, die für die Konzeption von Follow-up-Studien verwendet wurden; die den Pilotstudien zugrunde liegenden Daten sind anzugeben;

4. Zubereitungsweise der Dosierungslösung und Art des Lösungsmittels oder Vehikels, sofern verwendet;

5. Anzahl der Behandlungsgruppen und Anzahl der Tiere je Gruppe;

6. Dosierungsstufen und -volumen (sowie die spezifische Aktivität der Dosis bei Anwendung von Radioaktivität);

7. Verabreichungsweg(e) und -methode(n);

8. Frequenz der Dosierung;

9. Futterkarenz (falls zutreffend);

10. Gesamtradioaktivität je Tier;

11. Umgang mit den Tieren;

12. Entnahme/Auffangen von Proben und Aufbereitung;

13. für die Trennung, quantitative Bestimmung und Identifizierung von Metaboliten verwendete Analysemethoden;

14. Nachweisgrenzen der verwendeten Methoden;

15. sonstige durchgeführte experimentelle Messungen und Verfahren (einschließlich der Validierung von Methoden für die Analyse von Metaboliten).

d) Statistische Analysen

Werden die Studienergebnisse statistisch analysiert, so müssen ausreichende Informationen über das herangezogene Analyseverfahren und das verwendete Computerprogramm angegeben werden, damit ein unabhängiger Überprüfer/Statistiker die Analyse nachbewerten und nachvollziehen kann.

Bei Studien mit Systemmodellierung wie einem physiologisch-basierten toxikokinetischen Modell ist eine umfassende Beschreibung des Modells anzugeben, um eine unabhängige Rekonstruktion und Validierung des Modells zu ermöglichen (siehe Nummer 65 und Anlage: Definitionen).

Ergebnisse

71. Alle Daten sind entsprechend der Beschreibung im vorliegenden Absatz zusammenzufassen und mit einer angemessenen statistischen Auswertung in Tabellenform darzustellen. Die Daten der Radioaktivitätsmessung sind zusammenzufassen und in für die Studie geeigneter Weise darzustellen, d. h. normalerweise als Mikrogramm- oder Milligrammäquivalent je Probenmasse; es können auch andere Einheiten verwendet werden. Dieser Abschnitt sollte grafische Darstellungen der Befunde, die repräsentativen Chromatographie- und Spektrometriedaten, Angaben zur Identität/Menge der Metaboliten und den möglichen Stoffwechselwegen, einschließlich der Molekülstruktur der Metaboliten enthalten. Darüber hinaus sollte dieser Abschnitt, soweit zutreffend, die folgenden Informationen enthalten:

1. Menge und prozentualer Anteil der Wiedergewinnung der Radioaktivität in Urin, Fäzes, ausgeatmeter Luft und Käfigreinigungsrückständen.

 Bei Studien mit dermaler Applikation sind auch Daten über die Wiedergewinnung der Prüfsubstanz von der behandelten Haut und vom Abwaschen der Haut, Daten über die restliche Radioaktivität auf der Hautabdeckung und in den Stoffwechselkäfigen sowie die Ergebnisse der Hautwaschstudie anzugeben. Für weitere Erläuterungen siehe Nummern 74-77.

 Bei Inhalationsstudien sind auch Daten über die Wiedergewinnung der Prüfsubstanz aus den Lungen und Nasengeweben anzugeben (8). Für weitere Erläuterungen siehe Nummer 78;

2. die Gewebeverteilung, angegeben als Prozentsatz der verabreichten Dosis und als Konzentration (Mikrogrammäquivalent je Gramm Gewebe) und die Gewebe/Blut- oder Gewebe/Plasma-Verhältnisse;

3. die für jede Studie aufgestellte Materialbilanz mit Untersuchung von Körpergeweben und Ausscheidungen;

4. Plasmakonzentrationen und toxikokinetische Parameter (Bioverfügbarkeit, AUC, Cmax, Tmax, Clearance, Halbwertszeit) nach Verabreichung über den/die jeweilige(n) Expositionsweg(e);

5. Geschwindigkeit und Ausmaß der Resorption der Prüfsubstanz nach Verabreichung über den/die jeweilige(n) Expositionsweg(e);

6. in Ausscheidungen gefundene Mengen der Prüfsubstanz und Metaboliten (angegeben als Prozentsatz der verabreichten Dosis);

7. Verweis auf Daten in der Anlage, die Daten zu allen gemessenen Endpunkten für die einzelnen Tiere enthalten (z. B. Dosisverabreichung, prozentuale Wiedergewinnung, Konzentrationen, toxikokinetische Parameter usw.);

8. grafische Darstellung der vorgeschlagenen Stoffwechselwege und der Molekülstrukturen der Metaboliten.

Diskussion und Schlussfolgerungen

72. In diesem Abschnitt sollte(n) der/die Verfasser

1. auf der Grundlage des Metabolismus und der Eliminierung der Prüfsubstanz einen Stoffwechselweg vorschlagen;

2. potenzielle tierart- und geschlechtsspezifische Unterschiede bei der Eliminierung und/oder Biotransformation der Prüfsubstanz untersuchen;

3. die Identität und Bedeutung von Metaboliten, die Clearance-Raten, das Bioakkumulationspotenzial, die Menge an Rückständen des Ausgangsstoffs und/oder von Metaboliten in Geweben sowie gegebenenfalls dosisabhängige Veränderungen von toxikokinetischen Parametern tabellarisch darstellen und erläutern;

4. alle relevanten Toxikokinetik-Daten aufnehmen, die bei der Durchführung von Toxizitätsstudien gewonnen wurden;

5. eine kurze Schlussfolgerung formulieren, die durch die Ergebnisse der Studie gestützt werden kann;

6. (falls notwendig oder angebracht) Abschnitte hinzufügen.

73. Für bibliografische Angaben, Tabellen, Abbildungen, Anhänge usw. sind zusätzliche Abschnitte zu verwenden.

ALTERNATIVE EXPOSITIONSWEGE

Dermal

Dermale Applikation

74. Dieser Abschnitt enthält spezifische Informationen zur Untersuchung der Toxikokinetik der Prüfsubstanz bei dermaler Applikation. Für die Hautresorption ist Kapitel B.44 dieses Anhangs [Hautresorption: In-vivo-Methode (9)] zu beachten. Für andere Endpunkte wie Verteilung und Metabolismus kann diese Prüfmethode B.36 verwendet werden. Bei dermaler Applikation sollten eine oder mehrere Dosisstufen der Prüfsubstanz verwendet werden. Die Prüfsubstanz (z. B. reines, verdünntes oder formuliertes Material, das die auf die Haut aufgetragene Prüfsubstanz enthält) muss der Substanz entsprechen (oder ein realistisches Surrogat hiervon bilden), der Menschen oder andere mögliche Zielarten ausgesetzt sein können. Die Dosisstufe(n) ist/sind gemäß den Nummern 20-26 dieser Prüfmethode festzulegen. Dabei kann berücksichtigt werden, mit welcher Exposition von Menschen zu rechnen ist und/oder bei welchen Dosen in anderen Studien zur dermalen Toxizität Toxizitätszeichen beobachtet wurden. Die dermale Dosis ist erforderlichenfalls in einem geeigneten Vehikel aufzulösen und in einem angemessenen Volumen zu applizieren. Kurz vor Versuchsbeginn wird das Fell auf dem Rücken der Versuchstiere geschoren. Ein Abrasieren des Fells ist ebenfalls möglich, sollte jedoch etwa 24 Stunden vor dem Versuch erfolgen. Beim Scheren oder Abrasieren des Fells ist darauf zu achten, dass die Haut nicht verletzt wird, da dies ihre Durchlässigkeit verändern könnte. Etwa 10 % der Körperoberfläche sollten für die Applikation der Prüfsubstanz enthaart werden. Bei hochtoxischen Substanzen kann die behandelte Oberfläche kleiner als etwa 10 % sein, es sollte jedoch ein möglichst großer Bereich mit einer dünnen und einheitlichen Schicht bedeckt werden. Bei allen Gruppen, die der dermalen Prüfung unterzogen werden, sollte die gleiche Fläche behandelt werden. Die Bereiche, auf denen die Prüfsubstanz appliziert wurde, sind mit einer geeigneten Abdeckung, die befestigt wird, zu schützen. Die Tiere sind getrennt unterzubringen.

75. Um die Menge der applizierten Dosis der Prüfsubstanz zu bestimmen, die mit milder Seife und Wasser von der behandelten Hautfläche abgewaschen werden kann, ist eine Hautwaschstudie durchzuführen. Diese Studie kann auch bei der Aufstellung der Massenbilanz helfen, wenn die Prüfsubstanz über die Haut verabreicht wird. Bei dieser Hautwaschstudie wird zwei Tieren eine Einzeldosis der Prüfsubstanz appliziert. Die Dosisstufe ist gemäß Nummer 23 dieser Prüfmethode festzulegen (für die Dauer des Hautkontakts siehe auch Nummer 76). Anhand der beim Abwaschen wiedergewonnenen Menge der Prüfsubstanz kann die Wirksamkeit der Entfernung der Prüfsubstanz durch das Abwaschen bestimmt werden.

76. Sofern die Prüfsubstanz keine hautätzende Wirkung hat, sollte sie nach dem Auftragen mindestens 6 Stunden auf der Haut verbleiben. Dann ist die Abdeckung abzunehmen und die behandelte Fläche nach dem in der Hautwaschstudie beschriebenen Verfahren zu waschen (siehe Nummer 75). Sowohl die Abdeckung als auch die Waschflüssigkeit sind auf Rückstände der Prüfsubstanz zu analysieren. Am Ende der Studie werden die Tiere gemäß (2) tierschutzgerecht getötet und die behandelte Haut wird entfernt. Ein angemessener Teil der behandelten Haut ist auf Rückstände der Prüfsubstanz (Radioaktivität) zu analysieren.

77. Für die toxikokinetische Bewertung von Arzneimitteln können je nach Regulierungssystem unterschiedliche Verfahren erforderlich sein.

Inhalation

78. Für diese Prüfung ist eine einzige Konzentration der Prüfsubstanz zu verwenden (oder mehrere, falls erforderlich). Die Konzentration(en) ist/sind gemäß den Nummern 20-26 dieser Prüfmethode festzulegen. Um eine Resorption über andere Expositionswege zu verhindern, sind Inhalationsprüfungen mit einem „Nasentrichter“ oder einer „Head-only“-Vorrichtung durchzuführen (8). Wenn bei der Inhalationsexposition andere Bedingungen angewandt werden, ist die Änderung zu begründen. Die Dauer der Inhalationsexposition ist festzulegen und beträgt normalerweise 4-6 Stunden.

LITERATUR:

1. OECD (2009). Preliminary Review of OECD Test Guidelines for their Applicability to Manufactured Nanomaterials, Series on the Safety of Manufactured Nanomaterials No. 15, ENV/JM/MONO(2009)21, OECD, Paris.

2. OECD (2000). Guidance Document on Recognition, Assessment and Use of Clinical Signs as Humane Endpoints for Experimental Animals Used in Safety Evaluation; Environmental Health and Safety Publications, Series on Testing and Assessment N°19, ENV/JM/MONO(2000), OECD, Paris.

3. Solon E G, Kraus L (2002). Quantitative whole-body autoradiography in the pharmaceutical industry; Survey results on study design, methods, and regulatory compliance, J Pharm and Tox Methods 46: 73-81.

4. Stumpf WE (2005). Drug localization and targeting with receptor microscopic autoradiography. J. Pharmacological and Toxicological Methods 51: 25-40.

5. Loizou G, Spendiff M, Barton HA, Bessems J, Bois FY, d’Yvoire MB, Buist H, Clewell HJ 3rd, Meek B, Gundert-Remy U, Goerlitz G, Schmitt W. (2008). Development of good modelling practice for physiologically based pharmacokinetic models for use in risk assessment: The first steps. Regulatory Toxicology and Pharmacology 50: 400-411.

6. Kapitel B.45 dieses Anhangs, Hautresorption: In-vitro-Methode.

7. IPCS (2010). Characterization and application of Physiologically-BasedPharmacokinetic Models in Risk Assessment. IPCS Harmonization Project Document No 9. Geneva, World Health Organization, International Programme on Chemical Safety.

8. OECD (2009). Guidance Document on Acute Inhalation Toxicity Testing, Series on Testing and Assessment No. 39, ENV/JM/MONO(2009)28, OECD, Paris.

9. Kapitel B.44 dieses Anhangs, Hautresorption: In-vivo-Methode.

10. Barton HA, et al. (2006). The Acquisition and Application of Absorption, Distribution, Metabolism, and Excretion (ADME) Data in Agricultural Chemical Safety Assessments, Critical Reviews in Toxicology 36: 9-35.

11. Gibaldi M and Perrier D, (1982), Pharmacokinetics, 2nd edition, Marcel Dekker, Inc., New York.

Anlage

DEFINITIONEN

Resorption : Prozess(e) der Aufnahme von Chemikalien in oder über Gewebe. Die Resorption bezieht sich auf die Ausgangssubstanz und alle ihre Metaboliten. Nicht mit „Bioverfügbarkeit“ zu verwechseln.

Akkumulation (Bioakkumulation) : Zunahme der Menge einer Prüfsubstanz in den Geweben im Laufe der Zeit (normalerweise im Fettgewebe, nach wiederholter Exposition); wenn die Prüfsubstanz dem Körper in größeren Mengen zugeführt wird, als er sie ausscheidet, akkumuliert der Organismus die Prüfsubstanz, und es können toxische Konzentrationen des Stoffs erreicht werden.

ADME : Akronym für „Absorption, Distribution, Metabolism and Excretion“ (Resorption, Verteilung, Metabolismus und Ausscheidung).

AUC : (Fläche unter der Plasmakonzentrations-Zeit-Kurve): die Fläche unter der Konzentrations-Zeit-Kurve einer Prüfsubstanz im Plasma. Diese Fläche entspricht der Gesamtmenge der Prüfsubstanz, die vom Körper innerhalb eines festgelegten Zeitraums resorbiert wurde. Unter linearen Bedingungen ist die AUC (vom Zeitpunkt Null bis unendlich) proportional zur Gesamtmenge einer vom Körper resorbierten Prüfsubstanz, unabhängig von der Resorptionsgeschwindigkeit.

Autoradiographie : (Ganzkörper-Autoradiographie): wird verwendet zur qualitativen und/oder quantitativen Bestimmung des Aufenthaltsorts einer radioaktiven Prüfsubstanz im Gewebe. Bei dieser Technik werden Röntgenfilme oder in jüngerer Zeit digitale Phosphorbildplatten verwendet, um radioaktiv markierte Moleküle oder Molekülfragmente durch Aufzeichnung der im untersuchten Objekt emittierten Strahlung sichtbar zu machen. Die quantitative Ganzkörper-Autoradiographie ist für die Evaluierung der Verteilung der Prüfsubstanz und die Bewertung der Gesamtrückgewinnung und Auflösung von radioaktivem Material in Geweben möglicherweise besser geeignet als die Organsektion. Ein wichtiger Vorteil ist beispielsweise, dass sie in einem Versuchsmodell mit einem pigmentierten Tier verwendet werden kann, um die mögliche Assoziation der Prüfsubstanz mit Melanin zu bewerten, das sich an bestimmte Moleküle binden kann. Zwar lassen sich mit dieser Technik die Bindungsstellen mit hoher Kapazität und geringer Affinität im gesamten Körper gut darstellen, aber sie ist möglicherweise weniger gut geeignet für die Identifizierung bestimmter Zielorte wie Rezeptorbindungsstellen, an denen für den Nachweis eine relativ hohe Auflösung und eine hohe Sensitivität erforderlich sind. Wenn die Autoradiographie zum Einsatz kommt, sollten Versuche zur Aufstellung der Massenbilanz der verabreichten Verbindung mit einer getrennten Gruppe oder in einer von der Gewebeverteilungsstudie getrennten Studie durchgeführt werden, bei der alle Ausscheidungen (zu denen auch die ausgeatmete Luft gehören kann) und ganze Tierkörper homogenisiert und mithilfe der Flüssigszintillationszählung analysiert werden.

Biliäre Ausscheidung : Ausscheidung über die Gallengänge.

Bioakkumulation : siehe „Akkumulation“.

Bioverfügbarkeit : der Anteil einer verabreichten Dosis, die in den systemischen Kreislauf gelangt oder am Wirkort zur Verfügung gestellt wird. Die Bioverfügbarkeit einer Prüfsubstanz bezieht sich normalerweise auf den Ausgangsstoff; sie kann sich aber auch auf seine Metaboliten beziehen. Sie betrifft nur eine chemische Form. Hinweis: Bioverfügbarkeit und Resorption sind nicht identisch. Der Unterschied zwischen z. B. der oralen Resorption (d. h. dem Vorhandensein in der Darmwand und in der portalen Zirkulation) und der Bioverfügbarkeit (d. h. dem Vorhandensein im systemischen Blut und in Geweben) kann neben anderen Faktoren auf den chemischen Abbau aufgrund des Metabolismus der Darmwand oder auf Effluxtransport zurück zum Darmlumen oder auf präsystemischen Metabolismus in der Leber zurückzuführen sein (10). Die Bioverfügbarkeit der toxischen Komponente (Ausgangsstoff oder ein Metabolit) ist bei der Bewertung der Risiken für die menschliche Gesundheit ein kritischer Parameter (Extrapolation von hoher zu niedriger Dosis, Extrapolation von einem Verabreichungsweg zu einem anderen) für die Ableitung eines internen Werts vom externen NOAEL- oder BMD-Wert (applizierte Dosis). Für die Untersuchung der Wirkungen auf die Leber bei oraler Verabreichung reicht die orale Resorption aus. Bei jeder anderen Wirkung als am Eingangsort ist die Bioverfügbarkeit jedoch im Allgemeinen ein zuverlässigerer Parameter für die weitere Risikobewertung als die Resorption.

Biopersistenz : siehe „Persistenz“.

Biotransformation : (normalerweise enzymatische) chemische Umwandlung einer Prüfsubstanz in einen anderen Stoff innerhalb des Körpers. Synonym „Metabolismus“.

Cmax : entweder maximale (Peak-)Konzentration im Blut (Plasma/Serum) nach der Verabreichung oder maximale (Peak-)Ausscheidung (in Urin oder Fäzes) nach der Verabreichung.

Clearance-Rate : quantitatives Maß der Geschwindigkeit, mit der eine Prüfsubstanz je Zeiteinheit aus dem Blut, dem Plasma oder einem bestimmten Gewebe eliminiert wird.

Kompartiment : struktureller oder biochemischer Teil (oder strukturelle oder biochemische Einheit) eines Körpers, eines Gewebes oder einer Zelle, die vom Rest abgetrennt ist.

Detoxifizierungswege : eine Reihe von Schritten, durch die toxische Stoffe aus dem Körper eliminiert werden, entweder durch metabolische Umwandlung oder durch Ausscheidung.

Verteilung : Verbreitung einer Prüfsubstanz und ihrer Derivate im Organismus.

Enzyme/Isozyme : Proteine, die chemische Reaktionen katalysieren. Isozyme sind Enzyme, die ähnliche chemische Reaktionen katalysieren, sich aber in ihrer Aminosäurensequenz unterscheiden.

Enzymparameter : Km: Michaeliskonstante und Vmax: maximale Geschwindigkeit.

Ausscheidung : Prozess(e), mit dem/denen eine verabreichte Prüfsubstanz und/oder ihre Metaboliten aus dem Körper entfernt werden.

Exogen : von außen in den Organismus oder das System eingebracht oder außerhalb des Organismus oder des Systems erzeugt.

Extrapolation : Folgerung eines oder mehrerer unbekannter Werte aus dem, was bekannt ist oder beobachtet wurde.

Halbwertszeit (t1/2) : Zeit, in der die Konzentration der Prüfsubstanz in einem Kompartiment um die Hälfte sinkt. Die Halbwertszeit bezieht sich normalerweise auf die Plasmakonzentration oder die Menge der Prüfsubstanz im gesamten Körper.

Induktion/Enzyminduktion : Enzymsynthese als Reaktion auf einen Umweltreiz oder ein Induktormolekül.

Linearität/lineare Kinetik : In der Kinetik ist ein Prozess linear, wenn die Geschwindigkeiten aller Übertragungen zwischen den Kompartimenten proportional zu den vorhandenen Mengen oder Konzentrationen sind, d. h. 1. Ordnung. Folglich sind die Clearance- und Verteilungsvolumen konstant, ebenso die Halbwertszeiten. Die erreichten Konzentrationen sind proportional zur Dosierungsrate (Exposition), und die Akkumulation kann leichter vorhergesagt werden. Ob Linearität oder Nichtlinearität vorliegt, kann durch Vergleich der relevanten Parameter, z. B. AUC, nach unterschiedlichen Dosen oder nach Einzel- oder Mehrfachexposition festgestellt werden. Besteht keine Dosisabhängigkeit, so kann dies auf die Sättigung der an der Metabolisierung der Verbindung beteiligten Enzyme hindeuten; eine Vergrößerung der AUC nach wiederholter Exposition im Vergleich zu einer Einmalexposition kann ein Hinweis auf eine Stoffwechselhemmung, eine Verkleinerung der AUC ein Hinweis auf eine Stoffwechselinduktion sein [siehe auch (11)].

Massenbilanz : Erfassung der Massen der Prüfsubstanz, die in das System eingehen und es verlassen.

Materialbilanz : siehe „Massenbilanz“.

Toxizitätsmechanismus/Wirkungsmechanismus (Wirkungsweise) : Wirkungsmechanismus bezieht sich auf spezifische biochemische Wechselwirkungen, durch die eine Prüfsubstanz ihre Wirkung entfaltet. Wirkungsweise bezieht sich auf allgemeinere Phänomene, die zur Toxizität einer Prüfsubstanz führen.

Metabolismus : Synonym „Biotransformation“.

Metaboliten : Produkte des Metabolismus oder metabolischer Prozesse.

Orale Resorption : der Prozentsatz der Dosis der Prüfsubstanz, die ab dem Verabreichungsort (z. B. Magen-Darm-Trakt) resorbiert wird. Mit diesem wichtigen Parameter kann bestimmt werden, welcher Anteil der verabreichten Prüfsubstanz die Pfortader und anschließend die Leber erreicht.

Verteilungskoeffizient : ein Maß für die unterschiedliche Löslichkeit eines chemischen Stoffs in zwei Lösungsmitteln.

Maximale Blut-(Plasma-/Serum-)Spiegel : maximale (Peak-)Konzentration im Blut (Plasma/Serum) nach Verabreichung (siehe auch „Cmax“).

Persistenz (Biopersistenz) : das langfristige Vorhandensein einer Chemikalie (in einem biologischen System) aufgrund ihrer Abbau-/Eliminationsresistenz.

Read-across : Die Endpunktinformationen für eine oder mehrere Chemikalien werden verwendet, um eine Prognose über den Endpunkt für die Zielchemikalie abzugeben.

Rezeptor-Mikroautoradiographie : Mit dieser Technik kann die xenobiotische Interaktion mit spezifischen Gewebestellen oder Zellpopulationen untersucht werden, wie z. B. in Studien zur Rezeptorbindung oder zur spezifischen Wirkungsweise, die eine hohe Auflösung und hohe Sensitivität erfordern, die bei anderen Verfahren wie der Ganzkörperautoradiographie möglicherweise nicht erreichbar sind.

Verabreichungsweg (oral, IV, dermal, Inhalation usw.) : bezieht sich darauf, auf welche Weise chemische Stoffe dem Körper verabreicht werden (z. B. oral über eine Sonde, oral mit dem Futter, dermal, durch Inhalation, intravenös usw.)

Sättigung : Zustand, in dem sich einer oder mehrere kinetische Prozesse (z. B. Resorption, Metabolismus oder Clearance) an einem Maximum befinden (d. h. „gesättigt“ sind).

Sensitivität : Fähigkeit einer Methode oder eines Messinstruments, zwischen Reaktionen zu unterscheiden, die verschiedene Niveaus einer Zielvariablen darstellen.

Konstanter Blutspiegel (Plasmaspiegel) : Nichtgleichgewichtszustand eines offenen Systems, bei dem alle auf das System einwirkenden Kräfte genau durch entgegenwirkende Kräfte ausgeglichen werden, so dass alle Komponenten des Systems eine konstante Konzentration aufweisen, obwohl Materie durch das System fließt.

Systemmodellierung (physiologisch-basiert toxikokinetisch, pharmakokinetisch-basiert, physiologisch-basiert pharmakokinetisch, biologisch-basiert usw.) : abstraktes Modell, das das Verhalten eines Systems mathematisch beschreibt.

Zielgewebe : Gewebe, in dem sich eine wichtige schädliche Wirkung eines toxischen Stoffs manifestiert.

Prüfsubstanz : jeder Stoff oder jedes Gemisch, der/das mit dieser Prüfmethode getestet wird.

Gewebeverteilung : reversible Positionsveränderung einer Prüfsubstanz von einer Stelle im Körper an eine andere. Die Gewebeverteilung kann mithilfe von Organsektion, Homogenisation, Verbrennung und Flüssigkeitsszintillationszählung oder durch qualitative und/oder quantitative Ganzkörperautoradiographie untersucht werden. Die erste Methode ist gut geeignet, um die Konzentration und die prozentuale Wiedergewinnung in den Geweben und im Körper derselben Tiere zu bestimmen, hat aber möglicherweise eine zu geringe Auflösung für alle Gewebe und eine unter dem Idealwert liegende Gesamtwiedergewinnungsrate (< 90 %). Siehe auch die Definition der Autoradiographie.

Tmax : Zeit bis zum Erreichen von Cmax.

Toxikokinetik (Pharmakokinetik) : Untersuchung von Resorption, Verteilung, Metabolismus und Ausscheidung von chemischen Stoffen im Zeitverlauf.

Validierung von Modellen : Verfahren zur Bewertung der Eignung eines Modells, die verfügbaren toxikokinetischen Daten angemessen zu beschreiben. Modelle können durch einen statistischen und visuellen Vergleich ihrer Prognosen mit experimentellen Werten gegenüber einer gemeinsamen unabhängigen Variablen (z. B. der Zeit) bewertet werden. Der Umfang der Bewertung sollte in Bezug auf die vorgesehene Verwendung des Modells gerechtfertigt sein.

▼B

B.37.   VERZÖGERTE NEUROTOXIZITÄT PHOSPHORORGANISCHER SUBSTANZEN NACH AKUTER EXPOSITION

1.   METHODE

1.1.   EINLEITUNG

Bei der Abschätzung und Bewertung der toxischen Wirkungen von Substanzen muss auch das Potenzial bestimmter Substanzklassen für spezifische neurotoxische Wirkungen, die in anderen Toxizitätsstudien möglicherweise nicht nachweisbar sind, untersucht werden. Bei einigen phosphororganischen Verbindungen wurden verzögerte neurotoxische Wirkungen beobachtet, diese Substanzen kommen für eine Untersuchung mit der vorliegenden Methode in Frage.

In-vitro-Screening-Tests könnten verwendet werden, um Substanzen zu identifizieren, die eine verzögerte Polyneuropathie hervorrufen können; allerdings lassen negative Ergebnisse von In-vitro-Studien nicht darauf schließen, dass die Prüfsubstanz kein Neurotoxikum ist.

Siehe auch allgemeine Einleitung zu Teil B.

1.2.   DEFINITIONEN

Zu den phosphororganischen Substanzen zählen ungeladene phosphororganische Ester, Thioester oder Anhydride von Phosphinsäuren, Phosphonsäuren bzw. Phosphoramidsäuren oder die engverwandten Thiophosphinsäuren, Thiophosphonsäuren bzw. Thiophosphoramidsäuren oder sonstige Substanzen, welche die bei dieser Substanzklasse bisweilen zu beobachtende verzögerte Neurotoxizität aufweisen können.

Verzögerte Neurotoxizität ist ein Syndrom, das mit langsamem, verzögertem Auftreten von Ataxien, distalen Axonopathien in Rückenmarks- und peripheren Nerven sowie einer Hemmung und Alterung der Neuropathy Target Esterase (NTE) im Nervengewebe verbunden ist.

1.3.   REFERENZSUBSTANZEN

Eine Referenzsubstanz kann mit einer positiven Kontrollgruppe getestet werden, um nachzuweisen, dass sich die Reaktion der geprüften Spezies unter den Laborversuchsbedingungen nicht wesentlich verändert hat.

Ein Beispiel für ein weit verbreitetes Neurotoxikum ist das Tri-o-tolylphosphat (CAS 78-30-8, EINECS 201-103-5, CAS-Bezeichnung: Tris(2-methylphenyl)phosphorsäureester), das auch als Tris-o-cresylphosphat bezeichnet wird.

1.4.   PRINZIP DER PRÜFMETHODE

Die Prüfsubstanz wird oral als Einmalgabe an Haushühner verabreicht, die ggf. gegen akute cholinergische Wirkungen geschützt wurden. Die Tiere werden für die Dauer von 21 Tagen auf Verhaltensauffälligkeiten, Ataxien und Paralysen hin beobachtet. Biochemische Parameter, insbesondere die Neuropathy Target Esterase (NTE), werden im allgemeinen 24 und 48 Stunden nach Verabreichung bei Hennen bestimmt, die nach Zufallskriterien aus jeder Gruppe ausgewählt werden. 21 Tage nach der Exposition werden die verbliebenen Hennen getötet, und ausgewählte Nervengewebe werden histopathologisch untersucht.

1.5.   BESCHREIBUNG DER PRÜFMETHODE

1.5.1.   Vorbereitungen

Gesunde junge erwachsene Hennen, die frei von störenden Viruserkrankungen und Arzneimitteln sind und keine Gangstörungen aufweisen, werden randomisiert, der Behandlungs- oder der Kontrollgruppe zugeteilt und für die Dauer von mindestens 5 Tagen vor Beginn der Studie an die Laborbedingungen akklimatisiert.

Die Käfige oder Gehege sollten so groß sein, dass sich die Tiere frei bewegen können und ihr Gangbild gut zu beobachten ist.

Die Gabe der Prüfsubstanz erfolgt normalerweise auf oralem Wege mittels Magensonde, Gelatinekapseln oder einer vergleichbaren Methode. Flüssigkeiten können unverdünnt oder aufgelöst in einem geeigneten Vehikel wie z. B. Maisöl verabreicht werden. Feste Substanzen sollten nach Möglichkeit aufgelöst werden, da größere Dosen fester Stoffe in Gelatinekapseln möglicherweise nicht wirksam resorbiert werden. Bei nichtwässrigen Vehikeln sollten deren toxische Eigenschaften bekannt sein. Ist dies nicht der Fall, müssen sie vor der Prüfung bestimmt werden.

1.5.2.   Prüfbedingungen

1.5.2.1.   Versuchstiere

Junge erwachsene Legehennen (Gallus gallus domesticus) im Alter von 8 bis 12 Monaten werden für den Test empfohlen. Normalgroße Rassen sollten verwendet werden, und die Hennen sollten in der Regel unter Bedingungen aufgewachsen sein, unter denen sie sich frei bewegen konnten.

1.5.2.2.   Anzahl und Geschlecht

Neben der Behandlungsgruppe sollte eine Vehikelkontrollgruppe und eine positive Kontrollgruppe getestet werden. Die Vehikelkontrollgruppe ist, abgesehen von der Verabreichung der Prüfsubstanz, genauso zu behandeln wie die Behandlungsgruppe.

Die Anzahl der Tiere in jeder Gruppe sollte so bemessen sein, dass mindestens sechs Tiere zur Bestimmung biochemischer Parameter (jeweils drei Tiere zu zwei Beobachtungszeitpunkten) getötet werden können und sechs Tiere für die pathologische Untersuchung bis zum 21. Tag überleben.

Die positive Kontrollgruppe kann gleichzeitig getestet werden oder es kann sich um eine bereits zuvor untersuchte Kontrollgruppe handeln. Die Gruppe sollte aus mindestens sechs Hennen bestehen, die mit einem bekannten verzögerten Neurotoxikum behandelt wurden. Drei der Tiere sind für biochemische, drei für pathologische Untersuchungen nach Ende des Tests vorgesehen. Es empfiehlt sich eine regelmäßige Aktualisierung der Archivdaten. Neue positive Kontrolldaten sollten erarbeitet werden, wenn ein wesentlicher Aspekt des Testablaufs (z. B. Rasse, Futter, Haltungsbedingungen) vom durchführenden Labor geändert wurde.

1.5.2.3.   Dosierungen

In einer Vorstudie an einer geeigneten Zahl von Tieren und Dosisgruppen ist die in der Hauptstudie zu verwendende Dosis zu ermitteln. Hierbei sind in der Regel einige Todesfälle erforderlich, um eine angemessene Dosis für die Hauptstudie festlegen zu können. Um aber Todesfälle durch akute cholinerge Wirkungen zu vermeiden, kann Atropin oder ein anderer schützender Wirkstoff, von dem man weiß, dass er keinen Einfluss auf verzögerte neurotoxische Wirkungen hat, verabreicht werden. Zur Abschätzung der maximalen nicht letalen Dosis der Prüfsubstanz stehen eine Reihe verschiedener Methoden zur Auswahl (siehe Methode B.1 bis). Bereits vorliegende frühere Daten für Hennen oder andere toxikologische Daten können ebenfalls bei der Wahl der Dosis von Bedeutung sein.

Die Dosis der Prüfsubstanz in der Hauptstudie sollte unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Vorstudie zur Dosisfindung sowie der oberen Grenzdosis von 2 000 mg/kg Körpergewicht möglichst hoch sein. Auch wenn Todesfälle auftreten, sollten bis zum 21. Tag genügend Tiere für die biochemischen (sechs) und die histologischen Untersuchungen (sechs) überleben. Um Todesfälle infolge akuter cholinergischer Wirkungen auszuschließen, sollte Atropin oder ein anderer schützender Wirkstoff, der nachgewiesenermaßen keinen Einfluss auf verzögerte neurotoxische Wirkungen hat, gegeben werden.

1.5.2.4.   Limit-Test

Verursacht die Prüfung einer Dosis von mindestens 2 000 mg/kg Körpergewicht pro Tag unter Verwendung der für diese Studie beschriebenen Verfahren keine feststellbaren toxischen Wirkungen und ist aufgrund der Daten strukturverwandter Substanzen keine Toxizität zu erwarten, kann auf eine Studie mit einer höheren Dosis gegebenenfalls verzichtet werden. Der Limit-Test findet allerdings keine Anwendung, wenn die Expositionswirkungen beim Menschen die Prüfung in einer höheren Dosis angezeigt erscheinen lassen.

1.5.2.5.   Beobachtungszeitraum

Der Beobachtungszeitraum sollte 21 Tage betragen.

1.5.3.   Versuchsdurchführung

Nach Verabreichung eines schützenden Wirkstoffs zur Verhinderung von Todesfällen durch akute cholinergische Wirkungen wird die Prüfsubstanz als Einmalgabe verabreicht.

1.5.3.1.   Allgemeine Beobachtungen

Die Beobachtungen sollten unmittelbar nach der Exposition beginnen. Alle Hennen sind in den ersten beiden Tagen mehrmals am Tag und danach bis zum 21. Tag oder bis zur vorgesehenen Tötung mindestens einmal täglich zu beobachten. Alle Toxizitätszeichen, einschließlich Zeitpunkt des Beginns, Art, Schweregrad und Dauer von Verhaltensauffälligkeiten, sind zu dokumentieren. Die Ataxie wird auf einer Ordinalskala aus mindestens vier Stufen bewertet, und Paralysen werden dokumentiert. Mindestens zweimal wöchentlich sollten die für die pathologische Untersuchung vorgesehenen Hennen aus dem Käfig genommen und für einen bestimmten Zeitraum zu verstärkter motorischer Aktivität, z. B. durch Begehen einer Leiter, gezwungen werden, um die Beobachtung bereits geringster toxischer Wirkungen zu erleichtern. Moribunde Tiere und Tiere, bei denen schweres Leiden oder starke Schmerzen festgestellt werden, sollten ausgesondert, unter Verwendung einer tierschutzgerechten Methode getötet und seziert werden.

1.5.3.2.   Körpergewicht

Alle Hennen müssen unmittelbar vor der Verabreichung der Prüfsubstanz und danach mindestens einmal wöchentlich gewogen werden.

1.5.3.3.   Biochemische Untersuchungen

Je sechs Hennen, die nach Zufallskriterien aus der Behandlungs- und der Vehikelkontrollgruppe ausgewählt werden, sowie drei Hennen aus der positiven Kontrollgruppe (wenn diese Gruppe gleichzeitig getestet wird), sollten einige Tage nach der Gabe der Prüfsubstanz getötet werden, um Gehirn und lumbales Rückenmark zu präparieren und auf hemmende Aktivität gegen Neuropathy Target Esterase zu untersuchen. Auch die Präparation und Untersuchung des Ischiasnervengewebes auf hemmende Aktivität gegen Neuropathy Target Esterase kann aufschlussreich sein. In der Regel werden drei Tiere der Negativkontrolle sowie jeder Behandlungsgruppe nach 24 Stunden und drei nach 48 Stunden getötet, während die drei Hennen der Positivkontrolle nach 24 Stunden getötet werden sollten. Zeigt die Beobachtung der klinischen Zeichen der Intoxikation (z. B. durch Beobachtung des zeitlichen Beginns der cholinergen Zeichen), dass der toxische Wirkstoff möglicherweise ausgesprochen langsam eliminiert wird, empfiehlt es sich gegebenenfalls, von je drei Tieren zu jeweils zwei Zeitpunkten innerhalb von 24 bis spätestens 72 Stunden nach der Verabreichung der Prüfsubstanz Gewebeproben zu entnehmen.

An diesen Proben können auch Bestimmungen der Acetylcholinesterase (AChE) vorgenommen werden, wenn dies angezeigt erscheint. Allerdings kann es in vivo zur spontanen Reaktivierung von AChE kommen, so dass die Wirksamkeit der Prüfsubstanz als AChE-Hemmer unterschätzt wird.

1.5.3.4.   Autopsie

Alle Versuchstiere (sowohl die nach Plan getöteten als auch die aufgrund ihres moribunden Zustands getöteten) werden einer Autopsie zur Untersuchung von Gehirn und Rückenmark unterzogen.

1.5.3.5.   Histopathologische Untersuchung

Nervengewebe von Tieren, die die Beobachtungsdauer überleben und nicht für biochemische Untersuchungen vorgesehen sind, wird mikroskopisch untersucht. Die Gewebe werden in situ mittels Perfusionsverfahren fixiert. Gewebeschnitte werden unter anderem von Cerebellum (mittlere Längsebene), Medulla oblongata, Rückenmark und peripheren Nerven angefertigt. Die Rückenmarkschnitte sind vom oberen Halswirbelsegment, der mittleren thorakalen und der lumbosakralen Region zu entnehmen. Auch vom distalen Bereich des Nervus tibialis und seiner Verzweigungen zum Musculus gastrocnemius sowie vom Nervus sciaticus sollten Schnitte angefertigt werden. Die Schnitte werden mit geeigneten myelin- und axonspezifischen Färbemitteln angefärbt.

2.   DATEN

Negative Ergebnisse für die in dieser Methode gewählten Endpunkte (Biochemie, Histopathologie und Verhaltensbeobachtung) erfordern normalerweise keine weiteren Untersuchungen auf eine verzögerte Neurotoxizität. Zweifelhafte oder unklare Ergebnisse für diese Endpunkte erfordern ggf. weitere Untersuchungen.

Die Daten für die einzelnen Tiere sollten aufgeführt werden. Ferner sollten alle Daten in tabellarischer Form zusammengefasst werden. Daraus müssen für jede Prüfgruppe folgende Angaben hervorgehen: die Anzahl der verwendeten Tiere bei Beginn der Prüfung, die Anzahl der Tiere mit Läsionen, verhaltensbezogenen oder biochemischen Wirkungen, die Arten und Schweregrade dieser Läsionen bzw. Wirkungen sowie der Anteil der von den verschiedenen Arten und Schweregraden der Läsionen bzw. Wirkungen betroffenen Tiere.

Die Ergebnisse dieser Studie sind im Hinblick auf Häufigkeit, Schweregrad und Korrelation der verhaltensbezogenen, biochemischen und histopathologischen Wirkungen sowie sonstiger verzeichneter Wirkungen in den Behandlungs- und Kontrollgruppen zu bewerten.

Die numerischen Daten sind nach Möglichkeit durch geeignete und allgemein akzeptierte statistische Verfahren auszuwerten. Diese statistischen Verfahren sollten bei der Festlegung des Designs der Studie ausgewählt werden.

3.   ABSCHLUSSBERICHT

PRÜFBERICHT

Der Prüfbericht soll nach Möglichkeit folgende Angaben enthalten:

Versuchstiere:

 verwendete Rasse;

 Anzahl und Alter;

 Herkunft, Haltungsbedingungen usw.;

 Gewicht der einzelnen Tiere bei Prüfungsbeginn.

Prüfbedingungen:

 Angaben zur Zubereitung der Prüfsubstanz, zur Stabilität und ggf. zur Homogenität;

 Begründung für die Wahl des Vehikels;

 Angaben zur Verabreichung der Prüfsubstanz;

 Angaben über Futter- und Wasserqualität;

 Begründung für die Wahl der Dosis;

 Angabe der verabreichten Dosen mit Angaben zu Vehikel, Volumen und physikalischer Form des verabreichten Stoffes;

 Identität und Angaben zur Verabreichung eventueller schützender Wirkstoffe.

3.3. Ergebnisse:

 Angaben zum Körpergewicht;

 Daten der toxischen Reaktionen nach Gruppen, einschließlich Todesfälle;

 Art, Schweregrad und Dauer der klinischen Beobachtungen (mit Angaben zur Reversibilität);

 ausführliche Beschreibung der biochemischen Methoden und Befunde;

 Sektionsbefunde;

 ausführliche Beschreibung aller histopathologischen Befunde;

 ggf. statistische Auswertung der Ergebnisse.

Diskussion der Ergebnisse.

Schlussfolgerungen.

4.   LITERATUR

Diese Methode entspricht der OHCD TG 418.

B.38.   VERZÖGERTE NEUROTOXIZITÄT PHOSPHORORGANISCHER SUBSTANZEN BEI WIEDERHOLTER GABE ÜBER 28 TAGE

1.   METHODE

1.1.   EINLEITUNG

Bei der Abschätzung und Bewertung der toxischen Wirkungen von Substanzen muss auch das Potenzial bestimmter Substanzklassen für spezifische neurotoxische Wirkungen, die in anderen Toxizitätsstudien möglicherweise nicht nachweisbar sind, untersucht werden. Bei einigen phosphororganischen Verbindungen wurden verzögerte neurotoxische Wirkungen beobachtet; diese Substanzen kommen für eine Untersuchung mit der vorliegenden Methode in Frage.

In-vitro-Screening-Tests könnten verwendet werden, um Substanzen zu identifizieren, die eine verzögerte Polyneuropathie hervorrufen können; allerdings lassen negative Ergebnisse von In-vitro-Studien nicht darauf schließen, dass die Prüfsubstanz kein Neurotoxikum ist.

Diese Prüfung auf verzögerte Neurotoxizität nach 28-tägiger Gabe gibt Aufschluss über mögliche Gesundheitsgefahren infolge wiederholter Exposition über einen begrenzten Zeitraum. Die Prüfung erlaubt Rückschlüsse auf die Dosis-Wirkungs-Beziehung und ermöglicht die Abschätzung einer Schwellendosis, unterhalb der keine toxische Wirkung mehr feststellbar ist (NOAEL). Mit Hilfe des NOAEL lassen sich Sicherheitskriterien für die Exposition beim Menschen festlegen.

Siehe auch allgemeine Einleitung zu Teil B.

1.2.   DEFINITIONEN

Zu den phosphororganischen Substanzen zählen ungeladene phosphororganische Ester, Thioester oder Anhydride von Phosphinsäuren, Phosphonsäuren bzw. Phosphoramidsäuren oder die eng verwandten Thiophosphinsäuren, Thiophosphonsäuren bzw. Thiophosphoramidsäuren oder sonstige Substanzen, welche die bei dieser Substanzklasse bisweilen zu beobachtende verzögerte Neurotoxizität hervorrufen können.

Verzögerte Neurotoxizität ist ein Syndrom, das mit langsamem, verzögertem Auftreten von Ataxien, distalen Axonopathien in Rückenmarks- und peripheren Nerven sowie einer Hemmung und Alterung der Neuropathy Target Esterase (NTE) im Nervengewebe verbunden ist.

1.3.   PRINZIP DER PRÜFMETHODE

Die Prüfsubstanz wird 28 Tage lang einmal täglich oral an Haushühner verabreicht. Die Tiere werden bis 14 Tage nach der letzten Gabe mindestens einmal täglich auf auffälliges Verhalten, Ataxie und Paralysen hin beobachtet. Biochemische Parameter, insbesondere die Neuropathy Target Esterase (NTE), werden im allgemeinen 24 und 48 Stunden nach Verabreichung der letzten Dosis bei Hennen bestimmt, die nach Zufallskriterien aus jeder Gruppe ausgewählt werden. Zwei Wochen nach der letzten Gabe werden die verbliebenen Hennen getötet, und ausgewählte Nervengewebe werden histopathologisch untersucht.

1.4.   BESCHREIBUNG DER PRÜFMETHODE

1.4.1.   Vorbereitungen

Gesunde junge erwachsene Hennen, die frei von störenden Viruserkrankungen und Arzneimitteln sind und keine Gangstörungen aufweisen, werden randomisiert, der Behandlungs- oder der Kontrollgruppe zugeteilt und für die Dauer von mindestens 5 Tagen vor Beginn der Studie an die Laborbedingungen akklimatisiert.

Die Käfige oder Gehege sollten so groß sein, dass sich die Tiere frei bewegen können und ihr Gangbild gut zu beobachten ist.

Die orale Gabe der Prüfsubstanz an 7 Tagen in der Woche sollte vorzugsweise mittels Magensonde oder Verabreichung von Gelatinekapseln erfolgen. Flüssigkeiten können unverdünnt oder aufgelöst in einem geeigneten Vehikel wie z. B. Maisöl verabreicht werden. Feste Substanzen sollten nach Möglichkeit aufgelöst werden, da größere Dosen fester Stoffe in Gelatinekapseln möglicherweise nicht wirksam resorbiert werden. Bei nichtwässrigen Vehikeln sollten deren toxische Eigenschaften bekannt sein. Ist dies nicht der Fall, müssen sie vor der Prüfung bestimmt werden.

1.4.2.   Prüfbedingungen

1.4.2.1.   Versuchstiere

Junge erwachsene Legehennen (Gallus gallus domesticus) im Alter von 8 bis 12 Monaten werden für den Test empfohlen. Normalgroße Rassen sollten verwendet werden, und die Hennen sollten normalerweise unter Bedingungen aufgewachsen sein, unter denen sie sich frei bewegen konnten.

1.4.2.2.   Anzahl und Geschlecht

In der Regel sollten mindestens drei Behandlungsgruppen sowie eine Vehikelkontrollgruppe getestet werden. Die Vehikelkontrollgruppe ist, abgesehen von der Verabreichung der Prüfsubstanz, genauso zu behandeln wie die Behandlungsgruppen.

Die Anzahl der Tiere in jeder Gruppe sollte so bemessen sein, dass mindestens sechs zur Bestimmung biochemischer Parameter (jeweils drei Tiere zu zwei Beobachtungszeitpunkten) getötet werden können und mindestens sechs Tiere für die pathologische Untersuchung bis 14 Tage nach der letzten Gabe überleben.

1.4.2.3.   Dosierungen

Bei der Wahl der Dosisstufen sind die Ergebnisse einer Akutprüfung auf verzögerte Neurotoxizität sowie weitere vorliegende Daten zur Toxizität oder Kinetik der Prüfsubstanz berücksichtigt worden. Die höchste Dosis sollte so gewählt werden, dass zwar toxische Wirkungen, vorzugsweise eine verzögerte Neurotoxizität, aber keine Todesfälle oder schweres Leiden hervorgerufen werden. Anschließend sollte eine absteigende Folge von Dosisstufen gewählt werden, um dosisabhängige Wirkungen und die niedrigste Dosis ohne zu beobachtende unerwünschte Wirkungen nachzuweisen.

1.4.2.4.   Limit-Test

Verursacht die Prüfung einer Dosis von mindestens 1 000 mg/kg Körpergewicht pro Tag unter Verwendung der für diese Studie beschriebenen Verfahren keine feststellbaren toxischen Wirkungen und ist aufgrund der Daten strukturverwandter Substanzen keine Toxizität zu erwarten, kann auf eine Studie mit einer höheren Dosis gegebenenfalls verzichtet werden. Der Limit-Test findet allerdings keine Anwendung, wenn die Expositionswirkungen beim Menschen die Prüfung in einer höheren Dosis angezeigt erscheinen lassen.

1.4.2.5.   Beobachtungszeitraum

Alle Tiere werden während der Expositionsdauer und bis 14 Tage danach mindestens täglich beobachtet, sofern sie nicht für die Sektion vorgesehen sind.

1.4.3.   Versuchsdurchführung

Die Tiere erhalten die Prüfsubstanz für die Dauer von 28 Tagen an 7 Tagen in der Woche.

1.4.3.1.   Allgemeine Beobachtungen

Die Beobachtungen sollten unmittelbar nach Behandlungsbeginn beginnen. Alle Hennen sind an jedem der 28 Behandlungstage und an den 14 Tagen nach der letzten Gabe oder bis zur vorgesehenen Tötung mindestens einmal täglich zu beobachten. Alle Toxizitätszeichen, einschließlich Zeitpunkt ihres Beginns sowie Art, Schweregrad und Dauer, sind zu dokumentieren. Die Beobachtungen sollten auch, jedoch nicht nur, Verhaltensauffälligkeiten einschließen. Die Ataxie wird auf einer Ordinalskala aus mindestens vier Stufen bewertet, und Paralysen werden ebenfalls dokumentiert. Mindestens zweimal wöchentlich sollten die Hennen aus dem Käfig genommen und für einen bestimmten Zeitraum zu verstärkter motorischer Aktivität, z. B. durch Begehen einer Leiter, gezwungen werden, um die Beobachtung bereits geringster toxischer Wirkungen zu erleichtern. Moribunde Tiere und Tiere, bei denen schweres Leiden oder starke Schmerzen festgestellt werden, sollten ausgesondert, unter Verwendung einer tierschutzgerechten Methode getötet und seziert werden.

1.4.3.2.   Körpergewicht

Alle Hennen müssen unmittelbar vor der ersten Gabe der Prüfsubstanz und danach mindestens einmal wöchentlich gewogen werden.

1.4.3.3.   Biochemische Untersuchungen

Je sechs Hennen, die nach Zufallskriterien aus der Behandlungs- und der Vehikelkontrollgruppe ausgewählt werden, sollten einige Tage nach der letzten Gabe der Prüfsubstanz getötet werden, um Gehirn und lumbales Rückenmark zu präparieren und auf hemmende Aktivität gegen Neuropathy Target Esterase (NTE) zu untersuchen. Auch die Präparation und Untersuchung des Ischiasnervengewebes auf hemmende Aktivität gegen Neuropathy Target Esterase kann aufschlussreich sein. In der Regel werden drei Tiere der Kontrollgruppe sowie jeder Behandlungsgruppe nach 24 Stunden und drei 48 Stunden nach der letzten Dosis getötet. Sind aufgrund der Daten aus der Akutstudie oder aus anderen Untersuchungen (z. B. zur Toxikokinetik) andere Tötungszeiten nach der letzten Gabe der Prüfsubstanz angezeigt, sollte entsprechend vorgegangen und das geänderte Vorgehen begründet werden.

An diesen Proben können auch Bestimmungen der Acetylcholinesterase (AChE) vorgenommen werden, wenn dies angezeigt erscheint. Allerdings kann es in vivo zur spontanen Reaktivierung von AChE kommen, so dass die Wirksamkeit der Prüfsubstanz als AChE-Hemmer unterschätzt wird.

1.4.3.4.   Autopsie

Alle Versuchstiere (sowohl die nach Plan getöteten als auch die aufgrund ihres moribunden Zustands getöteten) werden einer Autopsie zur Untersuchung von Gehirn und Rückenmark unterzogen.

1.4.3.5.   Histopathologische Untersuchung

Nervengewebe von Tieren, die die Beobachtungsdauer überleben und nicht für biochemische Untersuchungen vorgesehen sind, wird mikroskopisch untersucht. Die Gewebe werden in situ mittels Perfusionsverfahren fixiert. Gewebeschnitte werden unter anderem von Cerebellum (mittlere Längsebene), Medulla oblongata, Rückenmark und peripheren Nerven angefertigt. Die Rückenmarkschnitte sind vom oberen Halswirbelsegment, der mittleren thorakalen und der lumbosakralen Region zu entnehmen. Auch vom distalen Bereich des Nervus tibialis und seiner Verzweigungen zum Musculus gastrocnemius sowie vom Nervus sciaticus sollten Schnitte angefertigt werden. Die Schnitte werden mit geeigneten myelin- und axonspezifischen Färbemitteln angefärbt. Die mikroskopischen Untersuchungen sind zunächst an den konservierten Geweben aller Tiere in der Kontrollgruppe sowie der höchsten Dosisgruppe vorzunehmen. Ergeben sich Anhaltspunkte für Wirkungen in der höchsten Dosisgruppe, sollte die mikroskopische Untersuchung auch bei den Hennen aus der mittleren und niedrigen Dosisgruppe erfolgen.

2.   DATEN

Negative Ergebnisse für die in dieser Methode gewählten Endpunkte (Biochemie, Histopathologie und Verhaltensbeobachtung) erfordern normalerweise keine weiteren Untersuchungen auf eine verzögerte Neurotoxizität. Zweifelhafte oder unklare Ergebnisse für diese Endpunkte erfordern ggf. weitere Untersuchungen.

Die Daten für die einzelnen Tiere sollten aufgeführt werden. Ferner sollten alle Daten in tabellarischer Form zusammengefasst werden. Daraus müssen für jede Prüfgruppe folgende Angaben hervorgehen: die Anzahl der verwendeten Tiere bei Beginn der Prüfung, die Anzahl der Tiere mit Läsionen, verhaltensbezogenen oder biochemischen Wirkungen, die Arten und Schweregrade dieser Läsionen bzw. Wirkungen sowie der Anteil der von den verschiedenen Arten und Schweregraden der Läsionen bzw. Wirkungen betroffenen Tiere.

Die Ergebnisse dieser Studie sind im Hinblick auf Häufigkeit, Schweregrad und Korrelation der verhaltensbezogenen, biochemischen und histopathologischen Wirkungen sowie sonstiger verzeichneter Wirkungen in den Behandlungs- und Kontrollgruppen zu bewerten.

Die numerischen Daten sind nach Möglichkeit durch geeignete und allgemein akzeptierte statistische Verfahren auszuwerten. Diese statistischen Verfahren sollten bei der Festlegung des Designs der Studie ausgewählt werden.

3.   ABSCHLUSSBERICHT

PRÜFBERICHT

Der Prüfbericht soll nach Möglichkeit folgende Angaben enthalten:

Versuchstiere:

 verwendete Rasse;

 Anzahl und Alter der Tiere;

 Herkunft, Haltungsbedingungen usw.;

 Gewicht der einzelnen Tiere bei Prüfungsbeginn.

Prüfbedingungen:

 Angaben zur Zubereitung der Prüfsubstanz, zur Stabilität und zur Homogenität;

 Begründung für die Wahl des Vehikels;

 Angaben zur Verabreichung der Prüfsubstanz;

 Angaben über Futter- und Wasserqualität;

 Begründung für die Wahl der Dosis;

 Angabe der verabreichten Dosen mit Angaben zu Vehikel, Volumen und physikalischer Form des verabreichten Stoffes;

 Begründung für die Wahl anderer Zeitpunkte zur Bestimmung der biochemischen Parameter (falls nicht nach 24 und 48 Stunden).

Ergebnisse:

 Angaben zum Körpergewicht;

 Daten der toxischen Reaktionen nach Dosisstufen, einschließlich Todesfälle;

 NOAEL;

 Art, Schweregrad und Dauer der klinischen Beobachtungen (mit Angaben zur Reversibilität);

 ausführliche Beschreibung der biochemischen Methoden und Befunde;

 Sektionsbefunde;

 ausführliche Beschreibung aller histopathologischen Befunde;

 ggf. statistische Auswertung der Ergebnisse.

Diskussion der Ergebnisse.

Schlussfolgerungen.

4.   LITERATUR

Diese Methode entspricht der OECD TG 419.

B.39.   IN-VIVO-TEST ZUR UNPLANMÄSSIGEN DNA-SYNTHESE (UDS) IN SÄUGETIERLEBERZELLEN

1.   METHODE

Diese Methode entspricht der OECD TG 486, Unscheduled DNA Synthesis (UDS) Test with Mammalian Liver Cells In Vivo (1997).

1.1.   EINLEITUNG

Der In-vivo-Test zur unplanmäßigen DNA-Synthese in Säugetierleberzellen dient zum Nachweis von Agenzien, die in den Leberzellen der behandelten Tiere eine DNA-Reparatur auslösen (1) (2) (3) (4).

Dieser In-vivo-Test ermöglicht die Untersuchung der gentoxischen Wirkung von Chemikalien in der Leber. Der ermittelte Endpunkt deutet auf eine DNA-Schädigung und anschließende Reparatur in Leberzellen hin. Die Leber ist in der Regel Hauptort des Stoffwechsels der resorbierten Verbindungen. Sie eignet sich also gut zur In-vivo-Bestimmung einer DNA-Schädigung.

Wenn Anzeichen dafür bestehen, dass die Prüfsubstanz das Zielgewebe nicht erreicht, ist dieser Test nicht geeignet.

Der Endpunkt der unplanmäßigen DNA-Synthese (UDS) wird durch die Bestimmung der Aufnahme markierter Nukleoside in Zellen, die keine planmäßige (S-Phasen-)DNA-Synthese durchlaufen, ermittelt. Das gängigste Verfahren ist die Bestimmung der Aufnahme von tritiummarkiertem Thymidin3H-TdR) durch Autoradiografie. Für In-vivo-UDS-Tests wird vorzugsweise die Leber von Ratten verwendet. Neben Lebergewebe kann auch anderes Gewebe Verwendung finden, doch ist dieses nicht Gegenstand dieser Methode.

Der Nachweis einer UDS-Reaktion hängt von der Zahl der ausgeschnittenen und ersetzten DNA-Basen am Ort der Schädigung ab. Der UDS-Test eignet sich daher insbesondere zum Nachweis der von einer Substanz induzierten „Long-patch“-Reparatur (20-30 Basen). Die „Short-patch“-Reparatur (1-3 Basen) lässt sich hingegen nur mit einem wesentlich geringeren Empfindlichkeitsgrad feststellen. Zudem können mutagene Ereignisse aus der Nichtreparatur, fehlerhaften Reparatur oder fehlerhaften Replikation der DNA-Läsionen herrühren. Das Ausmaß der UDS-Reaktion gibt keinen Aufschluss über die Genauigkeit des Reparaturprozesses. Darüber hinaus ist es möglich, dass ein Mutagen mit der DNA reagiert, die DNA-Schädigung aber nicht über einen Exzisionsreparaturprozess behoben wird. Die Tatsache, dass der UDS-Test keine spezifischen Informationen zur mutagenen Aktivität liefert, wird durch die potenzielle Empfindlichkeit dieses Endpunkts kompensiert, denn er wird im gesamten Genom ermittelt.

Siehe auch allgemeine Einleitung zu Teil B.

1.2.   DEFINITIONEN

In Reparatur befindliche Zellen: Nettokörnerzahl über dem Zellkern (NNG) oberhalb eines vorher festgelegten Schwellenwerts, der von dem jeweiligen Labor zu begründen ist.

Nettokörnerzahl über dem Zellkern (NNG): quantitative Maßzahl der UDS-Aktivität von Zellen bei autoradiografischen UDS-Tests, errechnet durch Subtraktion der durchschnittlichen Körnerzahl über kernäquivalenten Bereichen des Zytoplasmas (CG) von der Körnerzahl über dem Zellkern (NG): NNG = NG — CG. Die NNG wird für einzelne Zellen bestimmt, dann für alle Zellen in einer Kultur, in Parallelkulturen usw.

Unplanmäßige DNA-Synthese (UDS): DNA-Reparatursynthese nach Ausschneiden und Entfernen des Abschnitts eines DNA-Strangs, der eine Region mit einer durch chemische Substanzen oder physikalische Agenzien induzierten Schädigung enthält.

1.3.   PRINZIP DER PRÜFMETHODE

Der In-vivo-UDS-Test an Säugetierleberzellen erbringt den Nachweis einer DNA-Reparatursynthese nach Ausschneiden und Entfernen eines DNA-Abschnitts, der eine Region mit einer durch chemische Substanzen oder physikalische Agenzien induzierten Schädigung enthält. Der Test beruht gewöhnlich auf dem Einbau von3H-TdR in die DNA von Leberzellen, wo sich nur wenige Zellen in der S-Phase des Zellzyklus befinden. Die Aufnahme von3H-TdR wird in der Regel durch Autoradiografie bestimmt, da dieses Verfahren nicht so anfällig für eine Einwirkung durch S-Phasen-Zellen ist wie beispielsweise die Flüssigkeitsszintillationszählung (LSC).

1.4.   BESCHREIBUNG DER PRÜFMETHODE

1.4.1.   Vorbereitungen

1.4.1.1.   Versuchstiere

Gewöhnlich werden Ratten verwendet, doch kommen auch andere geeignete Säugetierarten in Frage. Es sollten junge gesunde und geschlechtsreife Tiere üblicher Labortierstämme zum Einsatz kommen. Zu Beginn des Versuchs sollte die Abweichung des Körpergewichts der Tiere vom Mittelwert so gering wie möglich sein und bei beiden Geschlechtern nicht mehr als ± 20 % betragen.

1.4.1.2.   Haltungs- und Fütterungsbedingungen

Es gelten die allgemeinen Bedingungen in der allgemeinen Einleitung zu Teil B, doch ist bei der Luftfeuchtigkeit ein Wert von 50-60 % anzustreben.

1.4.1.3.   Vorbereitung der Tiere

Gesunde und geschlechtsreife junge Tiere werden randomisiert und den einzelnen Kontroll- bzw. Behandlungsgruppen zugeteilt. Die Käfige sind so anzuordnen, dass sich ihre Position möglichst wenig auswirkt. Es erfolgt eine Einzelidentifizierung der Tiere. Vor Beginn der Studie werden die Tiere in ihren Käfigen über einen Zeitraum von mindestens 5 Tagen unter Laborbedingungen eingewöhnt.

1.4.1.4.   Prüfsubstanz/Vorbereitung

Feste Prüfsubstanzen sollten vor der Verabreichung an die Tiere in geeigneten Lösungsmitteln oder Vehikeln gelöst oder suspendiert und ggf. verdünnt werden. Flüssige Prüfsubstanzen können direkt verabreicht oder zuvor verdünnt werden. Es sind frische Zubereitungen der Prüfsubstanz zu verwenden, wenn die Stabilitätsdaten gegen eine Lagerung sprechen.

1.4.2.   Prüfbedingungen

1.4.2.1.   Lösungsmittel/Vehikel

Das Lösungsmittel/Vehikel sollte bei den gewählten Dosierungen keine toxischen Wirkungen hervorrufen und nicht im Verdacht stehen, mit der Prüfsubstanz eine chemische Reaktion einzugehen. Werden keine allgemein bekannten Lösungsmittel/Vehikel verwendet, so sind Referenzdaten zur Kompatibilität beizubringen. Es ist zu empfehlen, als erste Wahl möglichst die Verwendung eines wässrigen Lösungsmittels/Vehikels in Erwägung zu ziehen.

1.4.2.2.   Kontrollen

Für jeden gesondert vorgenommenen Teil des Versuchs sind gleichzeitig Positiv- und Negativ-(Lösungsmittel-/Vehikel-)Kontrollen anzulegen. Bis auf die Verabreichung der Prüfsubstanz sind die Tiere der Kontrollgruppe ebenso zu behandeln wie die Tiere der Behandlungsgruppen.

Die als Positivkontrollen verwendeten Substanzen sollten erwiesenermaßen eine UDS bei Expositionskonzentrationen hervorrufen, die voraussichtlich eine erkennbare Zunahme gegenüber dem Hintergrund ergeben. Positivkontrollen, die eine Stoffwechselaktivierung benötigen, sollten in Dosen verwendet werden, die eine mäßige Reaktion hervorrufen (4). Die Dosen sollten so gewählt werden, dass die Wirkungen eindeutig sind, aber beim Auswerten nicht sofort die Identität der kodierten Objektträger erkennen lassen. Es kommen beispielsweise folgende Positivkontrollsubstanzen in Frage:



Zeitpunkt der Probenahme

Substanz

CAS-Nr.

EINECS-Nr.

Früh (2-4 Std.)

N-Nitrosodimethylamin

62-75-9

200-249-8

Spät (12-16 Std.)

N-2-Fluorenylacetamid (2-AAF)

53-96-3

200-188-6

Auch andere geeignete Positivkontrollsubstanzen kommen in Betracht. Es ist vertretbar, dass die Positivkontrolle auf anderem Weg als die Prüfsubstanz verabreicht wird.

1.5.   VERFAHREN

1.5.1.   Anzahl und Geschlecht der Tiere

Es ist eine ausreichende Anzahl von Tieren zu verwenden, um die natürliche biologische Schwankungsbreite der Testreaktion zu berücksichtigen. Jede Gruppe sollte mindestens 3 analysierbare Tiere umfassen. Liegt ein größerer Bestand an historischen Daten vor, so sind für die gleichzeitigen Negativ- und Positivkontrollgruppen nur 1 oder 2 Tiere erforderlich.

Wenn zum Zeitpunkt der Studie Daten aus Untersuchungen zur gleichen Spezies und Expositionsform vorliegen, die belegen, dass zwischen den Geschlechtern kein nennenswerter Unterschied der Toxizität feststellbar ist, reicht die Prüfung von Tieren nur eines — vorzugsweise des männlichen — Geschlechts aus. Sollte es sich beim Menschen um eine geschlechtsspezifische Exposition handeln, z. B. bei bestimmten pharmazeutischen Wirkstoffen, ist der Versuch an Tieren des betreffenden Geschlechts durchzuführen.

1.5.2.   Behandlungsplan

Die Prüfsubstanzen werden in der Regel als Einmalgabe verabreicht.

1.5.3.   Dosierungen

Im Normalfall sind mindestens zwei Dosisstufen zu verwenden. Unter der Höchstdosis ist jene Dosis zu verstehen, die so deutliche Toxizitätszeichen hervorruft, dass höhere Dosisstufen bei gleichem Verabreichungsschema voraussichtlich zum Tode führen. Die geringere Dosis sollte in der Regel 50 % bis 25 % der hohen Dosis entsprechen.

Substanzen mit spezifischen biologischen Aktivitäten bei geringen nichttoxischen Dosen (wie Hormone und Mitogene) entsprechen möglicherweise nicht den Dosierungskriterien und sollten anhand einer Einzelfallprüfung bewertet werden. Wird eine Studie zur Dosisfindung durchgeführt, weil keine geeigneten Daten verfügbar sind, so sollte sie im gleichen Labor unter Verwendung der gleichen Spezies, des gleichen Stammes und Geschlechts und der gleichen Behandlungsform wie im Hauptversuch erfolgen.

Die Höchstdosis kann auch als jene Dosis definiert werden, die bestimmte Anzeichen von Toxizität in der Leber hervorruft (z. B. pyknotische Kerne).

1.5.4.   Limit-Test

Verursacht die Prüfung einer Dosis von mindestens 2 000 mg/kg Körpergewicht bei Einmalgabe oder Gabe von zwei Teilmengen am gleichen Tag keine feststellbaren toxischen Wirkungen und ist aufgrund der Daten strukturverwandter Substanzen keine Gentoxizität zu erwarten, kann auf eine vollständige Studie verzichtet werden. Die voraussichtlichen Expositionswirkungen beim Menschen können aber beim Limit-Test eine höhere Dosis angezeigt erscheinen lassen.

1.5.5.   Verabreichung

Die Prüfsubstanz wird in der Regel mittels Magen- oder Schlundsonde verabreicht. Auch andere Expositionsformen können bei entsprechender Begründung vertretbar sein. Eine intraperitoneale Injektion ist allerdings nicht zu empfehlen, da die Leber damit möglicherweise der Prüfsubstanz direkt und nicht über das Kreislaufsystem ausgesetzt wird. Das maximale Flüssigkeitsvolumen, das jeweils durch Sonde oder Injektion verabreicht werden kann, hängt von der Größe des Versuchstiers ab. Das Volumen sollte 2 ml/100 g Körpergewicht nicht übersteigen. Die Verwendung eines höheren Volumens ist zu begründen. Abgesehen von Reizstoffen oder ätzenden Stoffen, die in der Regel bei höheren Konzentrationen eine verstärkte Wirkung hervorrufen, ist die Variabilität des Prüfvolumens dadurch auf ein Mindestmaß zu reduzieren, dass eine Konzentration gewählt wird. die auf allen Dosisstufen ein konstantes Volumen gewährleistet.

1.5.6.   Präparation der Leberzellen

Die Präparation der Leberzellen behandelter Tiere erfolgt in der Regel 12-16 Stunden nach der Verabreichung. Im Allgemeinen ist zusätzlich eine frühere Aufarbeitung (gewöhnlich 2-4 Stunden nach der Behandlung) erforderlich, wenn nicht nach 12-16 Stunden eine eindeutige positive Reaktion vorliegt. Auf der Grundlage der toxikokinetischen Daten sind aber bei entsprechender Begründung auch Aufarbeitungen zu anderen Zeitpunkten möglich.

Kurzzeitkulturen von Säugetier-Leberzellen werden in der Regel dadurch angelegt, dass eine Perfusion der Leber in situ mit Collagenase erfolgt und es frisch gewonnenen Leberzellen ermöglicht wird, sich an eine geeignete Wachstumsfläche festzuheften. Die Leberzellen von Tieren der Negativkontrollgruppe sollten eine Lebensfähigkeit (5) von mindestens 50 % aufweisen.

1.5.7.   Bestimmung der UDS

Frisch isolierte Säugetier-Leberzellen werden über einen angemessenen Zeitraum, z. B. 3-8 Stunden, in einem3H-TdR enthaltenden Medium inkubiert. Nach Ablauf der Inkubationszeit sollte das Medium aus den Zellen entfernt werden, die dann mit einem überschüssiges unmarkiertes Thymidin enthaltenden Medium inkubiert werden können, um die nicht inkorporierte Radioaktivität zu verringern („cold chase“). Anschließend werden die Zellen gewaschen, fixiert und getrocknet. Bei längeren Inkubationszeiten ist eine „cold chase“ möglicherweise nicht erforderlich. Die Objektträger werden in Autoradiografieemulsion getaucht, im Dunkeln „belichtet“ (z. B. gekühlt für 7-14 Tage), entwickelt und gefärbt, und es werden die belichteten Silberkörner gezählt. Von jedem Tier werden zwei bis drei Objektträger hergestellt.

1.5.8.   Analyse

Die Objektträgerpräparate sollten eine ausreichende Anzahl von morphologisch normalen Zellen enthalten, um eine aussagefähige Bewertung der UDS zu ermöglichen. Die Präparate werden mikroskopisch auf Zeichen offener Zytotoxizität (z. B. Pyknose, verringerte Werte der radioaktiven Markierung) untersucht.

Vor der Bestimmung der Körnerzahl sind die Objektträger zu kodieren. In der Regel werden je Tier 100 Zellen von mindestens zwei Objektträgern ausgewertet. Die Auswertung von weniger als 100 Zellen/Tier ist zu begründen. Bei der Körnerzahlbestimmung erfolgt keine Zählung der S-Phasen-Kerne, doch kann der Anteil der S-Phasen-Zellen erfasst werden.

Das Ausmaß des3H-TdR-Einbaus im Zellkern und Zytoplasma morphologisch normaler Zellen, das an der Ablagerung von Silberkörnern ablesbar ist, sollte durch geeignete Verfahren ermittelt werden.

Die Körnerzahl wird über dem Zellkern (NG) und über kernäquivalenten Bereichen des Zytoplasmas (CG) ermittelt. Als CG-Wert kommt entweder die für den am stärksten markierten Bereich des Zytoplasmas ermittelte Körnerzahl oder der Durchschnittswert von zwei bis drei nach dem Zufallsprinzip ausgewählten Bereichen in Nähe des Zellkerns in Frage. Auch andere Zählverfahren (z. B. Ganzzellenzählung) können bei entsprechender Begründung angewendet werden (6).

2.   DATEN

2.1.   AUFBEREITUNG DER ERGEBNISSE

Es sind die Daten für die einzelnen Objektträger und Tiere zu dokumentieren. Zusätzlich sollten alle Daten in tabellarischer Form zusammengefasst werden. Die Nettokörnerzahl über dem Zellkern (NNG) ist für jede Zelle, für jedes Tier und für jede Dosis und jeden Zeitpunkt zu bestimmen, indem der CG-Wert vom NG-Wert subtrahiert wird. Werden die „in Reparatur befindlichen Zellen“ gezählt, so sollten die Kriterien für die Definition der „in Reparatur befindlichen Zellen“ begründet werden und auf historischen oder gleichzeitigen Negativkontrolldaten beruhen. Numerische Ergebnisse können mit Hilfe statistischer Verfahren bewertet werden. Kommen statistische Tests zur Anwendung, so sind sie vor Durchführung der Studie auszuwählen und zu begründen.

2.2.   BEWERTUNG UND INTERPRETATION DER ERGEBNISSE

Als Beispiele für Kriterien zur Bestimmung positiver/negativer Reaktionen seien genannt:



positiv

i)

NNG Werte oberhalb eines vorher festgelegten Schwellenwerts, der auf der Grundlage von historischen Daten des Labors zu begründen ist; oder

 

ii)

NNG Werte, die deutlich über den Werten der gleichzeitigen Kontrolle liegen;

negativ

i)

NNG Werte, die unterhalb des historisch begründeten Schwellenwerts liegen; oder

 

ii)

NNG Werte, die nicht wesentlich über den Werten der gleichzeitigen Kontrolle liegen.

Es ist die biologische Relevanz der Daten zu untersuchen, d. h., es sind Parameter wie Variabilität der Tiere, Dosis-Wirkungs-Verhältnis und Zytotoxizität zu berücksichtigen. Als Hilfsmittel bei der Bewertung der Versuchsergebnisse können statistische Methoden dienen. Die statistische Signifikanz sollte aber nicht der einzige bestimmende Faktor für eine positive Reaktion sein.

Auch wenn die meisten Versuche eindeutig positive oder negative Ergebnisse liefern, erlaubt der Datensatz in seltenen Fällen keine definitive Aussage über die Aktivität der Prüfsubstanz. Es kommt vor, dass sich die Ergebnisse unabhängig davon, wie oft der Versuch wiederholt wird, weiterhin als nicht eindeutig oder als fragwürdig erweisen.

Ein positiver Befund des In-vivo-UDS-Tests an Säugetierleberzellen deutet darauf hin, dass die Prüfsubstanz in vivo bei Säugetierleberzellen eine DNA-Schädigung hervorruft, die in vitro durch unplanmäßige DNA-Synthese repariert werden kann. Ein negativer Befund ist ein Anzeichen dafür, dass die Prüfsubstanz unter diesen Versuchsbedingungen keine mit diesem Test nachweisbare DNA-Schädigung induziert.

Zu erörtern ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Prüfsubstanz in den allgemeinen Blutkreislauf bzw. in das spezifische Zielgewebe gelangt (z. B. systemische Toxizität).

3.   ABSCHLUSSBERICHT

PRÜFBERICHT

Der Prüfbericht muss die folgenden Angaben enthalten:

Lösungsmittel/Vehikel:

 Begründung für die Wahl des Vehikels;

 Löslichkeit und Stabilität der Prüfsubstanz im Lösungsmittel/Vehikel, falls bekannt.

Versuchstiere:

 Spezies/Stamm;

 Anzahl, Alter und Geschlecht der Tiere;

 Herkunft, Haltungsbedingungen, Futter usw.;

 Gewicht der einzelnen Tiere bei Prüfungsbeginn, einschließlich Bereich des Körpergewichts, Mittelwert und Standardabweichung für jede Gruppe.

Prüfbedingungen:

 Positiv- und Negativ-(Vehikel-/Lösungsmittel-)Kontrollen;

 Daten aus einer ggf. durchgeführten Dosisfindungsstudie;

 Begründung der gewählten Dosisstufen;

 Angaben zur Zubereitung der Prüfsubstanz;

 Angaben zur Verabreichung der Prüfsubstanz;

 Begründung für den Verabreichungsweg;

 ggf. Methoden zur Überprüfung, ob die Prüfsubstanz in den allgemeinen Kreislauf oder in das Zielgewebe gelangt;

 ggf. Angaben zur Umrechnung der Konzentration der Prüfsubstanz im Futter/Wasser (ppm) in die entsprechende Dosis (mg/kg Körpergewicht/Tag);

 Angaben über Futter- und Wasserqualität;

 nähere Angaben zum Behandlungs- und Stichprobenentnahmeplan;

 Methoden zur Bestimmung der Toxizität;

 Methoden zur Leberzellenpräparation und -kultur;

 verwendetes autoradiografisches Verfahren;

 Anzahl der präparierten Objektträger und der ausgewerteten Zeilen;

 Bewertungskriterien;

 Kriterien zur Einstufung der Studien als positiv, negativ oder nicht eindeutig.

Ergebnisse:

 Mittelwerte der Körnerzahlen über dem Zellkern und über dem Zytoplasma sowie der Nettokörnerzahlen über dem Zellkern für jeden einzelnen Objektträger, jedes Tier und jede Gruppe;

 nach Möglichkeit Dosis-Wirkungs-Verhältnis;

 ggf. statistische Auswertung;

 Toxizitätszeichen;

 Daten zur gleichzeitigen Negativ-(Lösungsmittel-/Vehikel-)Kontrollen und Positivkontrollen;

 Daten zu historischen Negativ-(Lösungsmittel-/Vehikel-)Kontrollen und Positivkontrollen mit Bereichen, Mittelwerten und Standardabweichungen;

 Anzahl der „in Reparatur befindlichen Zellen“, falls ermittelt;

 Anzahl der S-Phasen-Zellen, falls ermittelt;

 Lebensfähigkeit der Zellen.

Diskussion der Ergebnisse.

Schlussfolgerungen.

4.   LITERATURHINWEISE

(1) Ashby, J., Lefevre, P. A., Burlinson, B. and Penman, M. G. (1985), An Assessment of the In Vivo Rat Hepatocyte DNA Repair Assay, Mutation Res., 156, 1-18.

(2) Butterworth, B. E., Ashby, J., Bermudez, E., Casciano, D., Mirsalis, J., Probst G. and Williams, G. (1987), A Protocol and Guide for the In Vivo Rat Hepatocyte DNA-Repair Assay, Mutation Res., 189, 123-133.

(3) Kennelly. J. C, Waters, R., Ashby, J., Lefevre, P. A., Burlinson B., Benford, D. J., Dean, S. W. and Mitchell I. de G. (1993), In Vivo Rat Liver UDS Assay, in: Kirkland D. J. and Fox M., (eds.), Supplementary Mutagenicity Tests: UKEM Recommended Procedures. UKEMS Subcommittee on Guidelines for Mutagenicity Testing Report. Part II revised, Cambridge University Press, Cambridge, New York, Port Chester, Melbourne, Sydney, 52-77.

(4) Madle, S., Dean, S. W., Andrae, U., Brambilla, G., Burlinson, B., Doolittle, D. J., Furihata, C., Hertner, T., McQueen, C. A. and Mori, H. (1993), Recommendations for the Performance of UDS Tests In Vitro and In Vivo. Mutations Res., 312, 263-285.

(5) Fautz, R., Hussain, B., Efstathiou, E. and Hechenberger-Freudl, C. (1993), Assessment of the Relation Between the Initital Viability and the Attachment of Freshly Isolated Rat Hepatocytes Used for the In Vivo/ln Vitro DNA Repair Assay (UDS), Mutation Res., 291, 21-27.

(6) Mirsalis, J. C, Tyson, C. K. and Butterworth, B. E. (1982), Detection of Genotoxic Carcinogens in the In Vivo/In Vitro Hepatocyte DNA Repair Assay, Environ Mutagen, 4, 553-562.

B.40.   IN-VITRO-PRÜFUNG AUF HAUTÄTZENDE WIRKUNG: TER-TEST (TRANSCUTANEOUS ELECTRICAL RESISTANCE TEST)

1.   METHODE

Diese Testmethode entspricht OECD TG 430 (2004).

1.1.   EINLEITUNG

Unter hautätzender Wirkung versteht man die irreversible Schädigung eines getesteten Gewebes nach Anwendung eines Testmaterials (gemäß Definition im Weltweit harmonisierten System zur Einstufung und Kennzeichnung von chemischen Substanzen und Gemischen (GHS — Globally Harmonised System for the Classification and Labelling of Chemical Substances and Mixtures)) (1). Die vorliegende Methode umfasst ein Verfahren, nach dem die Beurteilung der hautätzenden Wirkung nicht an lebenden Tieren durchgeführt wird.

Bei der Beurteilung der hautätzenden Wirkung wurden üblicherweise Labortiere als Versuchstiere eingesetzt (2). Bedenken hinsichtlich der Schmerzen und Leiden der hierfür verwendeten Tiere wurden bei der Überarbeitung von Testmethode B.4 berücksichtigt, mit der die hautätzende Wirkung durch alternative In-vitro-Methoden ermittelt werden kann und somit unnötige Schmerzen und Leiden vermieden werden.

Als erster Schritt auf dem Weg zur Erarbeitung alternativer Tests, die unter gesetzgeberischen Aspekten für die Prüfung auf hautätzende Wirkung eingesetzt werden können, werden Vorvalidierungsstudien (3) durchgeführt. Im Anschluss hieran erfolgte eine formelle Validierungsstudie von In-vitro-Methoden zur Beurteilung der hautätzenden Wirkung (4) (5) (6) (7) (8). Auf der Grundlage der Ergebnisse dieser Studien sowie weiterer Veröffentlichungen erging die Empfehlung, die nachstehenden Tests als geeignet für die In-vivo-Beurteilung auf hautätzende Wirkung einzustufen (9) (10) (11): der Test mit einem menschlichen Hautmodell (siehe Testmethode B.40 bis) sowie der TER-Test (transcutaneous electrical resistance test — die hier beschriebene Methode).

In einer Validierungsstudie und weiteren veröffentlichten Studien wurde festgestellt, dass beim TER-Test (transcutaneous electrical resistance assay) an Ratten (12) (13) zuverlässig zwischen bekannten hautätzenden Stoffen und solchen, die diese Eigenschaften nicht aufweisen, unterschieden werden kann (5) (9).

Der in der vorliegenden Methode beschriebene Test ermöglicht die Feststellung ätzend wirkender chemischer Stoffe und Gemische. Außerdem können damit Stoffe und Gemische festgestellt werden, die keine ätzende Wirkung aufweisen, wenn dies durch eine Weight-of-Evidence-Ermittlung unter Auswertung anderer vorliegender Informationen untermauert wird (z. B. pH-Struktur-Wirkungs-Beziehungen, menschliche und/oder tierische Daten) (1) (2) (11) (14). Informationen zu Hautreizungen vermittelt dieser Test nicht; außerdem ermöglicht er auch nicht die Unterkategorisierung hautätzender Stoffe gemäß den Zulässigkeitskriterien des GHS-Systems (1).

Zur umfassenden Beurteilung lokaler Wirkungen auf die Haut nach einmaliger dermaler Exposition wird empfohlen, die sequenzielle Teststrategie einzuhalten, die in der Anlage zu Testmethode B.4 (2) und im GHS-System (1) festgelegt ist. Diese Teststrategie umfasst die Durchführung von In-vitro-Tests auf hautätzende Wirkung (wie sie in dieser Methode beschrieben werden) und Hautreizungen, bevor Tests an lebenden Tieren in Betracht gezogen werden.

1.2.   DEFINITION

In-vivo-Prüfung auf hautätzende Wirkung: Herbeiführung irreversibler Schädigung des Hautgewebes: sichtbare Nekrose durch die Epidermis und in die Dermis nach Auftragen eines Teststoffs über einen Zeitraum von bis zu vier Stunden. Hautätzende Reaktionen sind typischerweise begleitet von Geschwüren, Blutungen, blutigem Schorf sowie am Ende des 14-tägigen Beobachtungszeitraums von Verfärbungen als Folge der Ausbleichung der Haut, Bereichen vollständiger Alopezie sowie Narbenbildung. Bei der Beurteilung fragwürdiger Schädigungen ist die Histopathologie mit zu berücksichtigen.

TER (Transcutaneous Electrical Resistance): ein Maß für den elektrischen Widerstand der Haut, angegeben als Widerstand in Ohm. Ein einfaches und stabiles Verfahren zur Beurteilung der Sperrfunktion, indem der Ionendurchtritt durch die Haut mithilfe einer Wheatstone-Messbrücke aufgezeichnet wird.

1.3.   REFERENZSTOFFE



Tabelle 1

Referenzchemikalien

Bezeichnung

EINECS-Nr.

CAS-Nr.

 

1,2-Diaminopropan

201-155-9

78-90-0

Stark hautätzend

Acrylsäure

201-177-9

79-10-7

Stark hautätzend

2-tert. Butylphenol

201-807-2

88-18-6

Hautätzend

Kaliumhydroxid(10 %)

215-181-3

1310-58-3

Hautätzend

Schwefelsäure (10 %)

231-639-5

7664-93-9

Hautätzend

Octansäure (Caprylsäure)

204-677-5

124-07-02

Hautätzend

4-Amino-1,2,4-Triazol

209-533-5

584-13-4

Nicht hautätzend

Eugenol

202-589-1

97-53-0

Nicht hautätzend

Phenethylbromid

203-130-8

103-63-9

Nicht hautätzend

Tetrachlorethylen

204-825-9

27-18-4

Nicht hautätzend

Isostearinsäure

250-178-0

30399-84-9

Nicht hautätzend

4-(Methylthio)-Benzaldehyd

222-365-7

3446-89-7

Nicht hautätzend

Die meisten der in obiger Liste angegebenen Chemikalien wurden der Liste der für die internationale Validierungsstudie der CEVMA ausgewählten Chemikalien entnommen (4). Die Auswahl stützt sich auf folgende Kriterien:

i) gleiche Anzahl hautätzender und nicht hautätzender Stoffe,

ii) gewerblich erhältliche Stoffe, die die meisten maßgeblichen chemischen Klassen abdecken,

iii) Aufnahme sowohl stark hautätzender als auch weniger hautätzender Stoffe, um eine Unterscheidung nach dem Grad der hautätzenden Wirkung zu ermöglichen,

iv) Auswahl von Chemikalien, die für eine Laborverwendung geeignet sind, ohne dass dabei — außer der hautätzenden Wirkung — anderweitige schwer wiegende Gefahren auftreten.

1.4.   PRINZIP DER TESTMETHODE

Das Testmaterial wird in einem Zweikammersystem bis zu 24 Stunden lang auf den Epidermisflächen von Hautstücken aufgebracht, wobei die Hautstücke als Trennwand zwischen den beiden Kammern fungieren. Die Hautstücke werden 28-30 Tage alten Ratten entnommen, die zuvor tierschutzgerecht getötet wurden. Hautätzende Materialien werden anhand ihrer Fähigkeit ermittelt, einen Verlust der normalen Beschaffenheit und Sperrfunktion der Hornhaut (Stratum Corneum) herbeizuführen, welcher als Senkung des TER unter einen bestimmten Schwellenwert (12) gemessen wird. Beim TER von Ratten wurde ein Grenzwert von 5 kΩ auf der Grundlage umfangreicher Datenbestände für ein breites Spektrum unterschiedlicher Chemikalien gewählt, wobei die überwiegende Mehrzahl der Werte entweder eindeutig deutlich oberhalb dieses Grenzwerts lag (oft > 10 kΩ) oder aber deutlich unterhalb dieses Werts (oft < 3 kΩ) (12). Im Allgemeinen sinkt der TER bei Materialien, die bei Tieren nicht hautätzend wirken, aber hautreizende bzw. nicht hautreizende Eigenschaften aufweisen, nicht bis unter diesen Schwellenwert. Außerdem kann sich durch die Verwendung anderer Hautherstellungen oder anderer Testgeräte der Schwellenwert verändern, wodurch eine zusätzliche Validierung notwendig wird.

Im Testverfahren ist zur Bestätigung der Tests auf positive Ergebnisse im TER (einschließlich Werten um ca. 5 kΩ) ein Farbbindungsschritt vorgesehen. Durch den Farbbindungsschritt wird festgestellt, ob die steigende Ionenpermeabilität auf die materielle Zerstörung der Hornhaut (Stratum Corneum) zurückzuführen ist. Durch die TER-Methode mit Rattenhaut konnte eine gute Vorhersagegenauigkeit der hautätzenden In-vivo-Wirkung bei dem nach Testmethode B.4 (2) untersuchten Kaninchen nachgewiesen werden. Zu beachten ist dabei, dass der In-vivo-Test an Hasen hinsichtlich der hautätzenden Wirkung und Hautreizung im Vergleich zum Test mit menschlichen Hautstücken ausgesprochen konservativ angelegt ist (15).

1.5.   BESCHREIBUNG DER TESTMETHODE

1.5.1.   Tiere

Für diesen Test werden Ratten verwendet, da die Empfindlichkeit der Haut dieser Tiere gegenüber Chemikalien in diesem Test bereits früher nachgewiesen wurde (10). Alter (wenn sich die Haut vollständig gebildet hat) und Abstammung der Ratte sind von besonderer Bedeutung, damit gewährleistet ist, dass sich die Fellfollikel in der Ruhephase befinden, bevor das Fellwachstum der erwachsenen Tiere beginnt.

An den jungen, ca. 22 Tage alten männlichen oder weiblichen Ratten (Wistar-Ratten oder vergleichbare Abstammung) wird das Fell am Rücken und an den Flanken mit einem geeigneten Instrument sorgfältig geschoren. Anschließend werden die Tiere mit vorsichtigen Wischbewegungen gewaschen, wobei die geschorenen Flächen in eine Antibiotikalösung getaucht werden (die Lösung enthält beispielsweise Streptomycin, Penicillin, Chloramphenicol und Amphotericin in Konzentrationen, die ein bakterielles Wachstum verhindern). Die Tiere werden dann am dritten oder vierten Tag nach dem ersten Waschvorgang erneut gewaschen und innerhalb von 3 Tagen nach dem zweiten Waschvorgang verwendet, wenn sich die Hornhaut vom Schervorgang erholt hat.

1.5.2.   Gewinnung der Hautstücke

Die Versuchstiere werden im Alter von 28-30 Tagen tierschutzgerecht getötet; dieses Alter ist von entscheidender Bedeutung. Die dorsal-laterale Haut der Tiere wird entfernt und von überschüssigem subkutanem Fett befreit, das von der Haut sorgfältig abgeschält wird. Es werden Hautstücke mit einem Durchmesser von je ca. 20 mm entnommen. Die Haut kann vor der Verwendung der Hautstücke eingelagert werden, wenn es sich zeigt, dass die positiven und negativen Kontrolldaten mit den an frischer Haut ermittelten Daten übereinstimmen.

Jedes Hautstück wird so über das Ende eines PTFE-(Polytetrafluorethylen)-Rohres gelegt, dass die Epidermisoberfläche auf dem Ende des Rohres aufliegt. Zur Fixierung des Hautstücks wird ein O-Ring aus Gummi straff über das Rohrende gezogen, so dass die Haut fixiert wird, und überflüssiges Hautgewebe wird abgeschnitten. Die Abmessungen des Rohrs und des O-Rings sind in Abbildung 2 angegeben. Der O-Ring wird sodann mit gereinigter Naturvaseline zum Ende des PTFE-Rohrs hin gründlich abgedichtet. Das Rohr wird durch eine Federklemme in einer Rezeptorkammer gehalten, die Magnesiumsulfatlösung (154 mM) enthält (Abbildung 1). Das Hautstück ist vollständig in die MgSO4-Lösung einzutauchen. Aus einer einzigen Rattenhaut können bis zu 10-15 Hautstücke entnommen werden.

Vor Beginn der Tests wird zu Qualitätssicherungszwecken bei jeder Tierhaut der elektrische Widerstand an zwei Hautstücken gemessen. Beide Hautstücke müssen einen Widerstand von mehr als 10 kΩ für die übrigen für den Test verwendeten Hautstücke aufweisen. Liegt der Widerstand unter 10 kΩ, sind die übrigen Hautstücke der betreffenden Tierhaut zu vernichten.

1.5.3.   Aufbringen der Test- und Kontrollsubstanzen

Für jede Studie sind gleichzeitige Positiv- und Negativ-Kontrollen zu verwenden, um eine angemessene Eignung des Experimentalmodells sicherzustellen. Es sind Hautstücke eines einzigen Tieres zu verwenden. Als Positiv- und Negativ-Kontrollsubstanzen werden 10 M Chlorwasserstoffsäure bzw. destilliertes Wasser zu verwenden.

Die flüssigen Testsubstanzen (150 μl) werden im Rohrinneren gleichmäßig auf die epidermale Oberfläche aufgebracht. Bei Tests an Feststoffen wird eine ausreichende Menge des Feststoffs gleichmäßig auf das Hautstück aufgebracht, so dass gewährleistet ist, dass die gesamte Epidermisoberfläche bedeckt ist. Auf den Feststoff wird entionisiertes Wasser (150 μl) aufgebracht und das Rohr vorsichtig bewegt. Um optimalen Kontakt der Testsubstanzen mit der Haut zu erreichen, müssen einige Feststoffe gegebenenfalls auf 30 oC erwärmt werden, so dass die Testsubstanz schmilzt oder weich wird, oder die Testsubstanz muss zu einem Granulat oder Pulver zermahlen werden.

Für jede Test- und Kontrollsubstanz werden je drei Hautstücke verwendet. Die Testsubstanzen werden 24 Stunden lang bei 20-23 oC aufgebracht. Die Testsubstanz wird durch Waschen unter fließendem Wasser bei maximal 30 oC gewaschen, bis kein weiteres Material mehr entfernt werden kann.

1.5.4.   TER-Messungen

Der Hautwiderstand wird als TER mit einer Wheatstone'schen Wechselstrom-Messbrücke mit niedriger Spannung gemessen (13). Die Kenndaten der Messbrücke lauten: Betriebsspannung 1-3 Volt, sinus- oder rechteckförmiger Wechselstrom mit 50-1 000 Hz, Messbereich mindestens 0,1 -30 kΩ. Die in der Validierungsstudie verwendete Datenbrücke misst Induktivität, Kapazität und Widerstand bis 2 000 H, 2 000 μF bzw. 2 MΩ bei Frequenzen von 100 Hz oder 1 kHz unter Verwendung serieller oder paralleler Werte. Für die TER-Messungen werden Messungen der hautätzenden Wirkung in Widerständen bei einer Frequenz von 100 Hz und unter Verwendung serieller Werte verwendet. Vor der Messung des elektrischen Widerstands wird die Oberflächenspannung der Haut durch Zugabe einer ausreichenden Menge von 70 %igem Ethanol verringert, so dass die Epidermis bedeckt ist. Nach einigen Sekunden wird das Ethanol aus dem Rohr entfernt und das Hautgewebe durch Hinzufügen von 3 ml MgSO4-Lösung (154 mM) befeuchtet. Zur Messung des Widerstands in kΩ/Hautstück (Abbildung 1) werden die Elektroden der Datenbrücke auf beiden Seiten des Hautstücks angebracht. Die Gesamtabmessungen der Elektroden sowie die Länge der Elektrode unterhalb der Abgreifklemmen sind in Abbildung 2 dargestellt. Die an der Innenelektrode angebrachte Abgreifklemme liegt während der Widerstandsmessung oben auf dem PTFE-Rohr auf, so dass stets eine gleich bleibende Elektrodenlänge in die MgSO4-Lösung eingetaucht bleibt. Die äußere Elektrode ist in der Rezeptorkammer so angeordnet, dass sie am Kammerboden ansteht. Der Abstand zwischen der Federklemme und dem unteren Ende des PTFE-Rohrs bleibt konstant (Abbildung 2), da dieser Abstand den erzielten Widerstandswert beeinflusst. Folglich muss auch der Abstand zwischen der Innenelektrode und dem Hautstück konstant und möglichst gering sein (1-2 mm).

Ist der gemessene Widerstand größer als 20 kΩ, so kann dies daran liegen, dass ein Rest der Testsubstanz die Epidermisoberfläche des Hautstücks bedeckt. Zur weiteren Entfernung dieser Schicht kann beispielsweise versucht werden, das PTFE-Rohr mit dem durch einen Gummihandschuh geschützten Daumen zu verschließen und das Rohr ca. 10 Sekunden lang zu schütteln; anschließend wird die MgSO4–Lösung weggeschüttet und die Widerstandsmessung mit frischer MgSO4-Lösung wiederholt.

Eigenschaften und Abmessungen der Testapparatur und das verwendete Versuchsverfahren können die ermittelten TER-Werte beeinflussen. Der Schwellenwert von 5 kΩ für hautätzende Wirkung wurde aus Daten entwickelt, die mit der/dem in dieser Methode beschriebenen speziellen Versuchsanordnung und Versuchsverfahren ermittelt wurden. Abweichende Schwellen- und Kontrollwerte gelten möglicherweise, wenn sich die Testbedingungen ändern oder eine andere Versuchsanordnung verwendet wird. Daher müssen die Schwellenwerte für die Methodik und den Widerstand durch Prüfung einer Reihe von Referenznormalen kalibriert werden, die aus den in der Validierungsstudie (4) (5) verwendeten Chemikalien ausgewählt wurden, oder aus Chemikalienklassen, die den untersuchten Chemikalien ähneln. Tabelle 1 gibt eine Übersicht über geeignete Referenzchemikalien.

1.5.5.   Farbbindungsmethoden

Bei bestimmten nicht hautätzenden Materialien, denen die Haut ausgesetzt ist, kann der Widerstand unter den Schwellenwert von 5 kΩ sinken, wodurch es zum Ionendurchtritt durch die Hornhaut kommt und der elektrische Widerstand absinkt (5). So können beispielsweise neutrale organische Stoffe und Chemikalien mit oberflächenaktiven Eigenschaften (u. a. Detergenzien, Emulgatoren und andere Tenside) die Hautlipide entziehen, wodurch die Trennschicht ionendurchlässiger wird. Liegen die TER-Werte der Testsubstanzen also unter oder um 5 kΩ und sind keine optischen Anzeichen einer Schädigung zu erkennen, ist eine Beurteilung des Farbeindringvermögens an den Kontroll- und behandelten Hautgeweben durchzuführen, um festzustellen, ob die ermittelten TER-Werte durch gestiegene Hautpermeabilität oder durch hautätzende Wirkung zustande kamen (3) (5). In letzterem Fall dringt, wenn eine Unterbrechung der Hornhaut vorliegt, der auf die Hautoberfläche aufgetragene Farbstoff Sulforhodamin B rasch ein und verursacht eine Verfärbung des darunter liegenden Hautgewebes. Dieser Farbstoff ist gegenüber einer breiten Palette von Chemikalien stabil und wird durch das nachstehend beschriebene Extraktionsverfahren nicht beeinflusst.

1.5.5.1.   Anwendung und Entfernung von Sulforhodamin-B-Farbstoff

Nach der Beurteilung der TER-Tests wird das Magnesiumsulfat aus dem Röhrchen abgeschüttet und die Haut sorgfältig auf erkennbare Schäden untersucht. Sind keine erkennbaren größeren Schädigungen festzustellen, wird Farbstoff Sulforhodamin B (Acid Red 52; C.I. 45100; EINECS-Nummer 222-529-8; CAS-Nummer 3520-42-1), 150 μl in einer 10 %igen (w/v) Verdünnung in destilliertem Wasser 2 Stunden lang auf die Epidermisoberfläche jedes Hautstücks aufgetragen. Diese Hautstücke werden anschließend bei einer Temperatur bis zur Raumtemperatur unter fließendem Wasser ca. 10 Sekunden lang abgewaschen, um überschüssige/ungebundene Farbe zu entfernen. Jedes Hautstück wird sorgfältig vom PTFE-Rohr entfernt und in ein Gefäß (z. B. ein 20-ml-Szintillationsfläschchen) eingelegt, das entionisiertes Wasser (8 ml) enthält. Die Fläschchen werden 5 Minuten lang vorsichtig geschüttelt, um restliche ungebundene Farbe zu entfernen. Nach Wiederholung des Spülvorgangs werden die Hautstücke entnommen und in Fläschchen eingelegt, die 5 ml 30 %iges (w/v) Natriumdodecylsulfat (SDS) in destilliertem Wasser enthalten, und über Nacht bei 60 oC aufbewahrt.

Nach dieser Inkubation werden die einzelnen Hautstücke entnommen und entsorgt und die verbleibende Lösung 8 Minuten lang bei 21 oC zentrifugiert (relative Zentrifugalkraft ~175 × g). Eine 1-ml-Probe des oberflächenaktiven Stoffs wird 1:5 (v/v) (d. h. 1 ml + 4 ml) mit 30 %igem (w/v) SDS in destilliertem Wasser verdünnt. Die optische Dichte (OD) der Lösung wird bei 565 nm gemessen.

1.5.5.2.   Berechnung des Farbgehalts

Der Gehalt an Sulforhodamin-B-Farbstoff je Hautstück wird mittels der OD-Werte (5) berechnet (molarer Extinktionskoeffizient von Sulforhodamin B bei 565 nm = 8,7 × 104, Molekulargewicht = 580). Der Farbstoffgehalt wird für jedes der drei Hautstücke durch eine entsprechende Kalibrierungskurve bestimmt und dann der mittlere Farbstoffgehalt für die Wiederholungs-Gleichtests berechnet.

2.   DATEN

Die Widerstandswerte (kΩ) und ggf. der mittlere Farbstoffgehalt (μg/Hautstück) für das Testmaterial sowie für Positiv- und Negativkontrollen sind in Tabellenform (Einzelversuchsdaten und Mittelwerte ± statistische Abweichung) einschließlich der Daten für Wiederholungs-Gleichtests und Mehrfachbestimmungen sowie der Mittelwerte und Einzelwerte in Berichten zusammenzufassen.

2.1.   INTERPRETATION DER ERGEBNISSE

Die mittleren TER-Werte werden akzeptiert, wenn die Ergebnisse der gleichzeitigen Positiv- und Negativkontrollen innerhalb der akzeptablen Bereiche für die Methode im Testlabor liegen. Die akzeptablen Widerstandsbereiche für die oben beschriebene Methode und Versuchsanordnung lauten wie folgt:



Kontrolle

Substanz

Widerstandsbereich (kΩ)

Positiv

10M Chlorwasserstoffsäure

0,5 - 1,0

Negativ

Destilliertes Wasser

10-25

Die ermittelten Mittelwerte der Farbbindung werden nur akzeptiert, sofern die Ergebnisse der gleichzeitig getesteten Kontrollen innerhalb definierter Akzeptanzgrenzen der betreffenden Methode liegen. Für die Kontrollsubstanzen der oben beschriebenen Methodik und Versuchsanordnung werden folgende Akzeptanzbereiche vorgeschlagen:



Kontrolle

Substanz

Farbgehaltsbereich (μg/Hautstück)

Positiv

10M Chlorwasserstoffsäure

40-100

Negativ

Destilliertes Wasser

15-35

Die Testsubstanz gilt als nicht hautätzend:

i) wenn der Mittelwert des für die Testsubstanz ermittelten TER-Werts größer als 5 kΩ ist oder

ii) wenn der Mittelwert des TER-Werts gleich 5 kΩ oder kleiner ist und

 das Hautstück keine wahrnehmbaren Veränderungen erkennen lässt, und

 der mittlere Farbstoffgehalt des Hautstücks deutlich unter dem mittleren Farbstoffgehalt des Hautstücks der gleichzeitig mit 10M HCl durchgeführten Positivkontrolle liegt.

Die Testsubstanz gilt als hautätzend:

i) wenn der Mittelwert des TER-Werts gleich 5 kΩ oder kleiner ist und das Hautstück offensichtliche Schädigungen aufweist oder

ii) wenn der Mittelwert des TER-Werts gleich 5 kΩ oder kleiner ist und

 das Hautstück keine offensichtlichen Schädigungen aufweist, aber

 der mittlere Farbstoffgehalt größer oder gleich dem mittleren Farbstoffgehalt der gleichzeitig mit 10M HCl ermittelten Positivkontrolle ist.

3.   BERICHTERSTATTUNG

3.1.   TESTBERICHT

Der Testbericht muss folgende Informationen enthalten:

Test- und Kontrollsubstanzen:

 chemische Bezeichnung(en) wie IUPAC oder CAS-Bezeichnung und CAS-Nummer, sofern bekannt;

 Reinheit und Zusammensetzung der Substanz oder Zubereitung (in Gewichts- %), physikalische Eigenschaften;

 physikalisch-chemische Eigenschaften wie physikalischer Zustand, pH-Wert, Stabilität, Wasserlöslichkeit, die für die Durchführung der Untersuchung relevant sind;

 Behandlung der Test-/Kontrollsubstanzen vor dem Test, sofern relevant (z. B. Erwärmen, Mahlen);

 Stabilität, sofern bekannt.

Versuchstiere:

 Abstammung und Geschlecht;

 Alter der Tiere zum Zeitpunkt der Verwendung als Spendertiere;

 Herkunft, Unterbringungsbedingungen, Ernährung usw.;

 Details der Herstellung der Hautstücke.

Testbedingungen:

 Eichkurven für die Versuchsapparaturen;

 Eichkurven für die Durchführung des Farbbindungstests;

 Details des Testverfahrens für die TER-Messungen;

 Details des Testverfahrens für die Beurteilung der Farbbindefähigkeit (sofern relevant);

 Beschreibung etwaiger an den Testverfahren vorgenommener Änderungen;

 Beschreibung der zugrunde gelegten Beurteilungskriterien.

Ergebnisse:

 Darstellung der Daten der TER- und Farbbindungstests in Tabellenform (sofern relevant) für Einzeltiere und einzelne Hautproben;

 Beschreibung etwaiger beobachteter Wirkungen.

Diskussion der Ergebnisse.

Schlussfolgerungen.

4.   LITERATURHINWEISE

(1) OECD (2001) Harmonised Integrated Classification System for Human Health and Environmental Hazards of Chemical Substances and Mixtures. OECD Series on Testing and Assessment Number 33. ENV/JM/MONO(2001)6, Paris. http://www.olis.oecd.org/olis/2001doc.nsf/LinkTo/env-jm-mono(2001)6.

(2) Testmethode B.4. Acute Toxicity: Dermal Irritation/Corrosion (Akute Toxizität: Hautreizung/hautätzende Wirkung).

(3) Botham, P.A., Chamberlain, M., Barratt, M.D., Curren, R.D., Esdaile, D.J., Gardner, J.R., Gordon, V.C., Hildebrand, B., Lewis, R.W., Liebsch, M., Logemann, P., Osborne, R., Ponec, M., Regnier, J.F., Steiling, W., Walker, A.P., and Balls, M. (1995). A prevalidation study on in vitro skin corrosivity testing. The report and recommendations of ECVAM Workshop 6. ATLA 23, 219-255.

(4) Barratt, M.D., Brantom, P.G., Fentem, J.H., Gerner, I., Walker, A.P., and Worth, A.P. (1998). The ECVAM international validation study on in vitro tests for skin corrosivity. 1. Selection and distribution of the test chemicals. Toxic. in Vitro 12, 471-482.

(5) Fentem, J.H., Archer, G.E.B., Balls, M., Botham, P.A., Curren, R.D., Earl, L.K., Esdaile, D.J., Holzhütter, H.-G., and Liebsch, M. (1998). The ECVAM international validation study on in vitro tests for skin corrosivity. 2. Results and evaluation by the Management Team. Toxic. in Vitro 12, 483-524.

(6) OECD (1996). Final Report of the OECD Workshop on Harmonization of Validation and Acceptance Criteria for Alternative Toxicological Test Methods, 62 S.

(7) Balls, M., Blaauboer, B.J., Fentem. J.H., Bruner. L., Combes, R.D., Ekwall, B., Fielder. R.J., Guillouzo, A., Lewis, R.W., Lovell, D.P., Reinhardt, C.A., Repetto, G., Sladowski. D., Spielmann, H., and Zucco, F. (1995). Practical aspects of the validation of toxicity test procedures. The report and recommendations of ECVAM workshops. ATLA 23, 129-147.

(8) ICCVAM (Interagency Coordinating Committee on the Validation of Alternative Methods). (1997). Validation and Regulatory Acceptance of Toxicological Test Methods. NIH Publication No. 97-3981. National Institute of Environmental Health Sciences, Research Triangle Park, NC, USA. http://iccvam.niehs.nih.gov/docs/guidelines/validate.pdf.

(9) ECVAM (1998). ECVAM News & Views. ATLA 26, 275-280.

(10) ICCVAM (Interagency Coordinating Committee on the Validation of Alternative Methods). (2002). ICCVAM evaluation of EpiDermTM, EPISKINTM (EPI-200), and the Rat Skin Transcutaneous Electrical Resistance (TER) assay: In Vitro test methods for assessing dermal corrosivity potential of chemicals. NIH Publication No. 02-4502. National Toxicology Program Interagency Center for the Evaluation of Alternative Toxicological Methods, National Institute of Environmental Health Sciences, Research Triangle Park, NC, USA. http://iccvam.niehs.nih.gov/methods/epiddocs/epis_brd.pdf.

(11) OECD (2002) Extended Expert Consultation Meeting on The In Vitro Skin Corrosion Test Guideline Proposal, Berlin, 1st –2nd November 2001, Secretariat's Final Summary Report, 27. März 2002, OECD ENV/EHS; auf Anfrage beim Sekretariat erhältlich.

(12) Oliver, G.J.A., Pemberton, M.A. and Rhodes, C. (1986). An in vitro skin corrosivity test — modifications and validation. Fd. Chem. Toxicol. 24, 507-512.

(13) Botham, P.A., Hall, T.J., Dennett, R., McCall, J.C., Basketter, D.A., Whittle, E., Cheeseman, M., Esdaile, D.J. and Gardner, J. (1992). The skin corrosivity test in vitro: results of an interlaboratory trial. Toxic, in Vitro 6, 191-194.

(14) Worth A.P, Fentem J.H., Balls M, Botham P.A, Curren R.D, Earl L.K, Esdaile D.J, Liebsch M. (1998). An Evaluation of the Proposed OECD Testing Strategy for Skin Corrosion. ATLA 26: 709-720.

(15) Basketter, D.A., Chamberlain, M., Griffiths, H.A., Rowson, M., Whittle, E., York, M. (1997). The classification of skin irritants by human patch test. Fd. Chem. Toxicol. 35, 845-852.

(16) Oliver G.J.A, Pemberton M.A. and Rhodes C. (1988). An In Vitro model for identifying skin-corrosive chemicals. I. Initial Validation. Toxic, in Vitro. 2, 7-17.

Abbildung 1

Apparatur für den TER-Test mit Rattenhaut

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Abbildung 2

Abmessungen der Polytetrafluorethylen- (PFTE-) und Rezeptorrohre und der verwendeten Elektroden

image

Kritische Faktoren der obigen Apparaturen

 Innendurchmesser des PTFE-Rohrs,

 Länge der Elektroden in Relation zum PTFE-Rohr und zum Rezeptorrohr, so dass die Hautscheibe nicht mit den Elektroden in Kontakt kommt und die Elektrode auf einer Standardlänge mit der MgSO4-Lösung in Kontakt steht,

 die Menge an MgSO4-Lösung im Rezeptorrohr muss in Relation zum Füllstand im PTFE-Rohr den in Abbildung 1 dargestellten Flüssigkeitsstand ergeben,

 das Hautstück muss so am PTFE-Rohr befestigt sein, dass der elektrische Widerstand ein richtiges Maß für die Hauteigenschaften darstellt.

B.40.bis.   IN-VITRO-PRÜFUNG AUF HAUTÄTZENDE WIRKUNG: TEST MIT MENSCHLICHEM HAUTMODELL

1.   METHODE

Diese Testmethode entspricht OECD TG 431 (2004).

1.1.   EINLEITUNG

Unter hautätzender Wirkung versteht man die irreversible Schädigung eines getesteten Gewebes nach Anwendung eines Testmaterials (gemäß Definition im weltweit harmonisierten System zur Einstufung und Kennzeichnung von chemischen Substanzen und Gemischen (GHS — Globally Harmonised System for the Classification and Labelling of Chemical Substances and Mixtures)) (1). Bei dieser Testmethode ist die Verwendung lebender Tiere oder tierischen Gewebes für die Beurteilung der hautätzenden Wirkung nicht erforderlich.

Bei der Beurteilung der hautätzenden Wirkung wurden üblicherweise Labortiere als Versuchstiere eingesetzt (2). Bedenken hinsichtlich der Schmerzen und Leiden der hierfür verwendeten Tiere wurden bei der Überarbeitung von Testmethode B.4 berücksichtigt, mit der die hautätzende Wirkung durch alternative In-vitro-Methoden ermittelt werden kann und somit unnötige Schmerzen und Leiden vermieden werden.

Als erster Schritt auf dem Weg zur Erarbeitung alternativer Tests, die unter gesetzgeberischen Aspekten für die Prüfung auf hautätzende Wirkung eingesetzt werden können, wurden Vorvalidierungsstudien (3) durchgeführt. Im Anschluss hieran erfolgte eine formelle Validierungsstudie von In-vitro-Methoden zur Beurteilung der hautätzenden Wirkung (4) (5) (6) (7) (8). Auf der Grundlage der Ergebnisse dieser Studien sowie weiterer Veröffentlichungen (9) erging die Empfehlung, die nachstehenden Tests als geeignet für die In-vivo-Beurteilung auf hautätzende Wirkung einzustufen (10) (11) (12) (13): den Test mit einem menschlichen Hautmodell (die hier beschriebene Testmethode) sowie den TER-Test (transcutaneous electrical resistance test — siehe Testmethode B.40).

In Validierungsstudien wurde festgestellt, dass bei Tests mit dem menschlichen Hautmodell (3) (4) (5) (9) zuverlässig zwischen bekannten hautätzenden Stoffen und solchen, die diese Eigenschaften nicht aufweisen, unterschieden werden kann. Das Testprotokoll kann auch Angaben zur Unterscheidung zwischen stark und weniger stark hautätzend wirkenden Substanzen liefern.

Der in der vorliegenden Methode beschriebene Test ermöglicht die Feststellung ätzend wirkender chemischer Stoffe und Gemische. Außerdem können damit Stoffe und Gemische festgestellt werden, die keine ätzende Wirkung aufweisen, wenn dies durch eine Weight-of-Evidence-Ermittlung unter Auswertung anderer vorliegender Informationen untermauert wird (z. B. pH, Struktur-Wirkungs-Beziehungen, menschliche und/oder tierische Daten) (1) (2) (13) (14). Informationen zu Hautreizungen vermittelt dieser Test normalerweise nicht; außerdem ermöglicht er auch nicht die Unterkategorisierung hautätzender Stoffe gemäß den Zulässigkeitskriterien des GHS-Systems (1).

Zur umfassenden Beurteilung lokaler Wirkungen auf die Haut nach einmaliger dermaler Exposition wird empfohlen, die sequenzielle Teststrategie einzuhalten, die in der Anlage zu Testmethode B.4 (2) und im GHS-System (1) festgelegt ist. Diese Teststrategie umfasst die Durchführung von In-vitro-Tests auf hautätzende Wirkung (wie sie in dieser Methode beschrieben werden) und Hautreizungen, bevor Tests an lebenden Tieren in Betracht gezogen werden.

1.2.   DEFINITIONEN

In-vivo-Prüfung auf hautätzende Wirkung: Herbeiführung irreversibler Schädigung des Hautgewebes: sichtbare Nekrose durch die Epidermis und in die Dermis nach Auftragen eines Teststoffs über einen Zeitraum von bis zu 4 Stunden. Hautätzende Reaktionen sind typischerweise begleitet von Geschwüren, Blutungen, blutigem Schorf sowie am Ende des 14-tägigen Beobachtungszeitraums von Verfärbungen als Folge der Ausbleichung der Haut, Bereichen vollständiger Alopezie sowie Narbenbildung. Bei der Beurteilung fragwürdiger Schädigungen ist die Histopathologie mit zu berücksichtigen.

Viabilität der Zellen: Parameter zur Messung der Gesamtaktivität einer Zellenpopulation (z. B. Fähigkeit der zellulären mitochondrialen Dehydrogenasen, die lebenswichtige Farbstoff-MTT zu reduzieren), die je nach gemessenem Endpunkt und verwendetem Testaufbau mit der Gesamtzahl und/oder Vitalität der Zellen korreliert.

1.3.   REFERENZSTOFFE



Tabelle 1

Referenzchemikalien

Bezeichnung

EINECS-Nr.

CAS-Nr.

 

1,2-Diaminopropan

201-155-9

78-90-0

Stark hautätzend

Acrylsäure

201-177-9

79-10-7

Stark hautätzend

2-tert. Butylphenol

201-807-2

88-18-6

Hautätzend

Kaliumhydroxid (10 %)

215-181-3

1310-58-3

Hautätzend

Schwefelsäure (10 %)

231-639-5

7664-93-9

Hautätzend

Octansäure (Caprylsäure)

204-677-5

124-07-02

Hautätzend

4-Amino-1,2,4-Triazol

209-533-5

584-13-4

Nicht hautätzend

Eugenol

202-589-1

97-53-0

Nicht hautätzend

Phenethylbromid

203-130-8

103-63-9

Nicht hautätzend

Tetrachlorethylen

204-825-9

27-18-4

Nicht hautätzend

Isostearinsäure

250-178-0

30399-84-9

Nicht hautätzend

4-(Methylthio)-Benzaldehyd

222-365-7

3446-89-7

Nicht hautätzend

Die meisten der in obiger Liste angegebenen Chemikalien wurden der Liste der für die internationale Validierungsstudie der CEVMA ausgewählten Chemikalien entnommen (4). Die Auswahl stützt sich auf folgende Kriterien:

i) gleiche Anzahl hautätzender und nicht hautätzender Stoffe,

ii) gewerblich erhältliche Stoffe, die die meisten maßgeblichen chemischen Klassen abdecken,

iii) Aufnahme sowohl stark hautätzender als auch weniger hautätzender Stoffe, um eine Unterscheidung nach dem Grad der hautätzenden Wirkung zu ermöglichen,

iv) Auswahl von Chemikalien, die für eine Laborverwendung geeignet sind, ohne dass dabei — außer der hautätzenden Wirkung — anderweitige schwer wiegende Gefahren auftreten.

1.4.   PRINZIP DER TESTMETHODE

Die Testsubstanz wird topisch auf ein dreidimensionales Modell menschlicher Haut aufgebracht, das mindestens eine rekonstruierte Epidermis mit funktionsfähiger Hornhaut aufweist. Ätzende Materialien werden aufgrund ihrer Fähigkeit ermittelt, bei einer spezifischen Expositionsdauer eine Verringerung der Viabilität (Lebensfähigkeit) der Zellen (dies kann beispielsweise mit dem MTT-Reduktionstest festgestellt werden (15)) unter festgelegte Schwellenwerte herbeizuführen. Dieses Testprinzip basiert auf der Hypothese, dass ätzende Chemikalien in der Lage sind, durch Diffusion oder Erosion die Hornhaut zu durchdringen, und darüber hinaus eine zytotoxische Wirkung auf die darunter liegenden Zellschichten ausüben.

1.4.1.   Testverfahren

1.4.1.1.   Modelle menschlicher Haut

Modelle menschlicher Haut können gewerblich aufgebaut oder bezogen werden (z. B. die Modelle EpiDerm™ und EPISKIN™) (16) (17) (18) (19) oder im Versuchslabor entwickelt oder aufgebaut werden (20) (21). Es versteht sich, dass die Verwendung menschlicher Haut einzelstaatlichen und internationalen ethischen Kriterien und Auflagen unterliegt. Jedes neue Modell ist zu validieren (mindestens in dem unter 1.4.1.1.2 beschriebenen Umfang). Modelle menschlicher Haut, die für diese Tests verwendet werden, müssen folgende Auflagen erfüllen:

1.4.1.1.1.    Allgemeine Bedingungen für die Modelle

Die Epithelschicht ist aus menschlichen Keratinozyten aufzubauen. Unter der funktionsfähigen Hornhaut müssen mehrere Lagen lebensfähiger Epithelzellen vorhanden sein. Das Hautmodell kann außerdem eine Schicht aus Stromalkomponenten aufweisen. Die Hornhaut muss aus mehreren Schichten bestehen und das notwendige Lipidprofil für den Aufbau einer funktionsfähigen Sperre aufweisen, die gegen das rasche Durchdringen zytotoxischer Markerstoffe beständig ist. Die Rückhalteeigenschaften des Modells müssen so gestaltet sein, dass der Durchtritt von Material rund um die Hornhaut in das lebensfähige Gewebe verhindert wird. Durch den Durchtritt der Testchemikalien um die Hornhaut kommt es zu einer mangelhaften Modellierung der Einwirkung auf die Haut. Das Hautmodell muss frei von bakterieller Kontamination (einschließlich Mykoplasma) und Pilzkontamination sein.

1.4.1.1.2.    Bedingungen für das Funktionsmodell

Die Größenordnung der Viabilität wird normalerweise durch die MTT oder andere metabolisch konvertierte vitale Farbstoffe quantifiziert. In diesen Fällen muss die optische Dichte (OD) des extrahierten (solubilisierten) Farbstoffs des negativen Kontrollgewebes mindestens dem Zwanzigfachen der OD des Extraktionslösemittels entsprechen (siehe Übersicht unter (22)). Das negative Kontrollgewebe muss während der Testexpositionsdauer in der Kultur stabile Eigenschaften aufweisen (d. h. zu ähnlichen Viabilitätsmessergebnissen führen). Die Hornhaut muss so robust sein, dass sie gegen das rasche Eindringen bestimmter zytotoxischer Markerchemikalien (z. B. 1 % Triton X-100) ausreichend beständig ist. Diese Eigenschaft kann anhand der Expositionszeit bestimmt werden, die notwendig ist, um die Zellviabilität um 50 % (ET50) zu reduzieren (bei den Modellen EpiDerm™ und EPISKIN™ liegt sie beispielsweise bei > 2 Stunden). Die Reproduktionsfähigkeit des Gewebes muss im zeitlichen Verlauf und vorzugsweise zwischen den Labors nachgewiesen werden. Darüber hinaus muss das Gewebe sich für die Vorhersage der hautätzenden Eigenschaften der Referenzchemikalien (siehe Tabelle 1) bei Verwendung im ausgewählten Testprotokoll eignen.

1.4.1.2.   Anwendung der Test- und Kontrollsubstanzen

Für jede Behandlung (Expositionszeit) einschließlich der Kontrollen werden zwei Wiederholungs-Gleichtests des Gewebes verwendet. Bei flüssigen Materialien muss eine ausreichende Menge der Testsubstanz gleichmäßig aufgetragen werden, so dass die Hautoberfläche bedeckt ist; hierfür ist eine Mindestmenge von 25 μl/cm2 zu verwenden. Bei Feststoffen ist eine ausreichende Menge der Testsubstanz gleichmäßig aufzutragen, so dass die Haut gleichmäßig bedeckt ist, und anschließend mit entionisiertem oder destilliertem Wasser zu befeuchten, so dass guter Kontakt mit der Haut gewährleistet ist. Soweit zweckmäßig, sind Feststoffe vor der Applikation zu einem Pulver zu mahlen. Es ist eine für die Testsubstanz geeignete Applikationsmethode zu wählen (siehe beispielsweise (5)). Am Ende der Expositionszeit ist das Testmaterial mit einer geeigneten Pufferlösung oder 0,9 %iger NaCl-Lösung sorgfältig von der Hautoberfläche abzuwaschen.

Zu jeder Studie sind gleichzeitige Positiv- und Negativkontrollen durchzuführen, damit eine angemessene Eignung des Experimentalmodells gewährleistet ist. Als Substanz für die Positivkontrolle wird Eisessig oder 8N KOH empfohlen. Als Substanz für die Negativkontrollen wird 0,9 %ige NaCl-Lösung oder Wasser empfohlen.

1.4.1.3.   Messungen der Zellviabilität

Zur Messung der Zellviabilität dürfen nur quantitative, validierte Methoden eingesetzt werden. Außerdem muss das Maß für die Viabilität mit der Verwendung in einem dreidimensionalen Gewebekonstrukt kompatibel sein. Eine unspezifische Farbstoffbindung darf die Viabilitätsmessung nicht beeinträchtigen. Protein-Bindefarbstoffe und solche Farbstoffe, bei denen keine metabolische Konversion erfolgt (z. B. Neutralrot), sind daher nicht geeignet. Der am häufigsten verwendete Test ist die MTT-Reduktion — 3-(4,5-Dimethylthiazol-2yl)-2,5-Diphenyltetrazol-Bromid, Thiazolylblau: EINECS-Nummer 206-069-5, CAS-Nummer 298-93-1 —, die nachweislich genaue und reproduzierbare Ergebnisse liefert (5); allerdings ist auch die Verwendung anderer Substanzen zulässig. Die Hautprobe wird ca. 3 Stunden in eine MTT-Lösung geeigneter Konzentration (z. B. 0,3 -1 mg/ml) bei einer geeigneten Inkubationstemperatur eingelegt. Die blaue Formazonausfällung wird anschließend mit einem Lösemittel (Isopropanol) extrahiert und die Formazonkonzentration durch Bestimmung des OD-Wertes bei einer Wellenlänge zwischen 540 und 595 nm gemessen.

Die chemische Wirkung des Testmaterials auf den Vitalfarbstoff kann die Wirkung des Zellmetabolismus nachahmen, wodurch es zu falschen Viabilitätsschätzungen kommen kann. Derartige Erscheinungen wurden in Fällen beobachtet, in denen das Testmaterial durch Spülen nicht vollständig von der Haut entfernt wurde (9). Wenn das Testmaterial direkt auf den Vitalfarbstoff wirkt, ist durch zusätzliche Kontrollen festzustellen, ob die Testsubstanzen die Viabilitätsmessungen beeinflussen (9) (23), und es sind ggf. entsprechende Korrekturen vorzunehmen.

2.   DATEN

Für jedes Gewebe sind die OD-Werte und die berechnete prozentuale Zellviabilität des Testmaterials, Positiv- und Negativkontrollen in Tabellenform im Bericht anzugeben, einschließlich der Daten von Mehrfachbestimmungen und Wiederholungstests sowie der Mittelwerte und Einzeldaten.

2.1.   INTERPRETATION DER ERGEBNISSE

Die für jede Testprobe ermittelten OD-Werte können zur Berechnung einer prozentualen Viabilität im Vergleich zur Negativkontrolle herangezogen werden, die willkürlich gleich 100 % gesetzt wird. Der Schwellenwert der prozentualen Zellviabilität, der zur Unterscheidung zwischen ätzenden und nicht ätzenden Testsubstanzen verwendet wird (bzw. zur Differenzierung des ätzenden Potenzials in weiteren Unterklassen), oder die statistischen Verfahren zur Beurteilung der Ergebnisse und Bestimmung ätzender Materialien müssen in eindeutiger Form definiert und dokumentiert werden, und es muss die Richtigkeit dieser Werte bestätigt werden. Im Allgemeinen werden diese Schwellenwerte bei der Testoptimierung festgelegt, während einer Vorvalidierungsphase getestet und in einer Validierungsstudie bestätigt. Die Vorhersage der hautätzenden Wirkung beim EpiDerm™-Modell lautet beispielsweise (9):

Die Testsubstanz gilt als „hautätzend“:

i) wenn die Viabilität nach einer 3-minütigen Exposition weniger als 50 % beträgt oder

ii) wenn die Viabilität nach einer 3-minütigen Exposition gleich 50 % oder höher ist und die Viabilität nach einer einstündigen Exposition weniger als 15 % beträgt.

Die Testsubstanz gilt als „nicht hautätzend“:

i) wenn die Viabilität nach einer 3-minütigen Exposition gleich 50 % oder höher ist und die Viabilität nach einer einstündigen Exposition gleich 15 % oder höher ist.

3.   BERICHTERSTATTUNG

3.1.   TESTBERICHT

Der Testbericht muss folgende Informationen enthalten:

Test- und Kontrollsubstanzen:

 chemische Bezeichnung(en) wie IUPAC oder CAS-Bezeichnung und CAS-Nummer, sofern bekannt;

 Reinheit und Zusammensetzung der Substanz oder Zubereitung (in Gewichtsprozent);

 physikalisch-chemische Eigenschaften wie physikalischer Zustand, pH-Wert, Stabilität, Wasserlöslichkeit, die für die Durchführung der Untersuchung relevant sind;

 Behandlung der Test-/Kontrollsubstanzen vor dem Test, sofern relevant (z. B. Erwärmen, Mahlen);

 Stabilität, sofern bekannt.

Begründung für das verwendete Hautmodell und Protokoll.

Testbedingungen:

 verwendetes Zellsystem;

 Eichdaten für das zur Messung der Zellviabilität verwendete Messgerät (z. B. Spektrofotometer);

 umfassende Begleitinformationen für das verwendete spezifische Hautmodell (einschließlich der Validität des Modells);

 Details zum verwendeten Testverfahren;

 verwendete Testdosen;

 Beschreibung etwaiger Änderungen am Testverfahren;

 Verweis auf historische Verlaufsdaten zu dem Modell.

 Beschreibung der zugrunde gelegten Beurteilungskriterien.

Ergebnisse:

 tabellarische Darstellung der Daten aus Einzelproben;

 Beschreibung sonstiger beobachteter Wirkungen.

Diskussion der Ergebnisse.

Schlussfolgerungen.

4.   HINWEISE

(1) OECD (2001) Harmonised Integrated Classification System for Human Health and Environmental Hazards of Chemical Substances and Mixtures. OECD Series on Testing and Assessment Number 33. ENV/JM/MONO(2001)6, Paris. http://www.olis.oecd.org/olis/2001 doc.nsf/LinkTo/env-jm-mono(2001)6.

(2) Testing Method B.4. Acute Toxicity: Dermal Irritation/Corrosion (akute Toxizität: Hautreizung/hautätzende Wirkung).

(3) Botham, P.A., Chamberlain, M., Barratt, M.D., Curren, R.D., Esdaile, D.J., Gardner, J.R., Gordon, V.C., Hildebrand, B., Lewis, R.W., Liebsch, M., Logemann, P., Osborne, R., Ponec, M., Regnier, J.F., Steiling, W., Walker, A.P., and Balls, M. (1995). A prevalidation study on in vitro skin corrosivity testing. The report recommendations of ECVAM Workshop 6 ATLA 23, 219-255.

(4) Barratt, M.D., Brantom, P.G., Fentem, J.H., Gerner, I., Walker, A.P., and Worth, A.P. (1998). The ECVAM international validation study on in vitro tests for skin corrosivity. 1. Selection and distribution of the test chemicals. Toxic. In Vitro 12, 471-482.

(5) Fentem, J.H., Archer, G.E.B., Balls, M., Botham, P.A., Curren, R.D., Earl, L.K., Esdaile, D.J., Holzhutter, H.G. and Liebsch, M. (1998). The ECVAM international validation study on in vitro tests for skin corrosivity. 2. Results and evaluation by the Management Team Toxic. In Vitro 12, 483-524.

(6) OECD (1996). Final Report of the OECD Workshop on Harmonization of Validation and Acceptance Criteria for Alternative Toxicological Test Methods, 62 S.

(7) Balls, M., Blaauboer, B.J., Fentem, J.H., Bruner, L., Combes, R.D., Ekwall, B., Fielder, R.J., Guillouzo, A., Lewis, R.W., Lovell, D.P., Reinhardt, CA., Repetto, G., Sladowski, D., Spielmann, H., and Zucco, F. (1995). Practical aspects of the validation of toxicity test procedures. Test report and recommendations of ECVAM workshops. ATLA 23, 129-147.

(8) ICCVAM (Interagency Coordinating Committee on the Validation of Alternative Methods). (1997). Validation and Regulatory Acceptance of Toxicological Test Methods. NIH Publication No. 97-3981. National Institute of Environmental Health Sciences, Research Triangle Park, NC, USA. http://iccvam.niehs.nih.gov/docs/guidelines/validate.pdf.

(9) Liebsch, M., Traue, D., Barrabas, C, Spielmann, H., Uphill, P., Wilkins, S., McPherson, J.P., Wiemann, C, Kaufmann, T., Remmele, M. and Holzhutter, H.G. (2000). The ECVAM prevalidation study on the use of EpiDerm for skin Corrosivity testing. ATLA 28, 371-401.

(10) ECVAM (1998). ECVAM News & Views. ATLA 26, 275-280.

(11) ECVAM (2000). ECVAM News & Views. ATLA 28, 365-67.

(12) ICCVAM (Interagency Coordinating Committee on the Validation of Alternative Methods). (2002). ICCVAM evaluation of EpiDerm™, EPISKIN™ (EPI-200) and the Rat Skin Transcutaneous Electrical Resistance (TER) assay: In Vitro test methods for assessing dermal corrosivity potential of chemicals. NIH Publication No. 02-4502. National Toxicology Program Interagency Center for the Evaluation of Alternative Toxicological Methods, National Institute of Environmental Health Sciences, Research Triangle Park, NC, USA. http:/iccvam.niehs.nih.gov/methods/epiddocs/epis^rd.pdf.

(13) OECD (2002) Extended Expert Consultation Meeting on The In Vitro Skin Corrosion Test Guideline Proposal, Berlin, 1st - 2nd November 2001, Secretariat's Final Summary Report, 27th March 2002, OECD ENV/EHS, auf Anfrage beim Sekretariat erhältlich.

(14) Worth AP, Fentem JH, Balls M, Botham PA, Curren RD, Earl LK, Esdaile DJ, Liebsch M (1998). An Evaluation of the Proposed OECD Testing Strategy for Skin Corrosion. ATLA 26, 709-720.

(15) Mosmann, T. (1983). Rapid colorimetric assay for cellular growth and survival: application to proliferation and cytotoxicity asssays. J.Immunol. Meth. 65, 55-63.

(16) Cannon, C.L., Neal, P.J., Southee, J.A., Kubilus, J., and Klausner, M., 1994. New epidermal model for dermal irritancy testing. Toxic. In Vitro 8, 889-891.

(17) Ponec, M., Boelsma, E., Weerheim, A., Mulder, A., Boutwstra, J., and Mommaas, M., 2000. Lipid and ultrastructural characterization of reconstructed skin models. International Journal of Pharmaceutics. 203, 211-225.

(18) Tinois E., Gaetani Q., Gayraud B., Dupont D., Rougier A., Pouradier D.X. (1994). The Episkin model: Successful reconstruction of human epidermis in vitro. In vitro Skin Toxicology. Edited by A. Rougier, A.M. Goldberg and H.I. Maibach: 133-140.

(19) Tinois E., Tiollier J., Gaucherand M., Dumas H., Tardy M., Thivolet J. (1991). In vitro and post -transplantation differentiation of human keratinocytes grown on the human type IV collagen film of a bilayered dermal substitute. Experimental Cell Research 193, 310-319.

(20) Parentau, N.L., Bilbo, P., Molte, C.J., Mason, V.S., and Rosenberg, H. (1992). The organotypic culture of human skin keratinocytes and fibroblasts to achieve form and function. Cytotechnology 9, 163-171.

(21) Wilkins, L.M., Watson, S.R., Prosky, S.J., Meunier, S.F., Parentau, N.L. (1994). Development of a bilayered living skin construct for clinical applications. Biotechnology and Bioengineering 43/8, 747-756.

(22) Marshall, N.J., Goodwin, C.J., Holt, S.J. (1995). A critical assessment of the use of microculture tetrazolium assays to measure cell growth and function. Growth Regulation 5, 69-84.

(23) Fentem, J.H., Briggs, D., Chesne', C, Elliot, G.R., Harbell, J.W., Heylings, J.R., Portes, P., Rouget, R., van de Sandt, J.J.M., and Botham, P.A. (2001). A prevalidation study on in vitro tests for acute skin irritation: results and evaluation by the Management Team. Toxic. InVitro 15, 57-93.

B.41.   IN-VITRO-3T3-NRU-FOTOTOXIZITÄTSTEST

1.   METHODE

Diese Methode entspricht OECD TG 432 (2004).

1.1.   EINLEITUNG

Unter Fototoxizität versteht man die toxische Reaktion eines auf den Körper aufgebrachten chemischen Stoffs, die bei anschließender Lichtexposition (in einer bei niedrigerer Dosierung wahrnehmbaren Form) entsteht oder verstärkt wird oder die durch Bestrahlung der Haut nach systematischer Verabreichung eines chemischen Stoffs induziert wird.

Der In-vitro-3T3-NRU-Fototoxizitätstest dient zur Erfassung des fototoxischen Potenzials einer Testsubstanz, das nach Lichtexposition durch die erkannte Chemikalie induziert wird. Bei diesem Test wird die Fotozytotoxizität anhand der relativen Reduktion der Viabilität der Zellen, die der Chemikalie ausgesetzt sind, unter Einwirkung bzw. Nichteinwirkung von Licht beurteilt. Die durch diesen Test festgestellten Substanzen zeigen nach systemischer Verabreichung und Aufbringung auf der Haut oder nach topischer Anwendung in vivo voraussichtlich fototoxische Wirkung.

Fototoxische Wirkung wurde bei zahlreichen Arten von Chemikalien beobachtet (1) (2) (3) (4). Gemeinsames Merkmal dieser Chemikalien ist, dass sie Lichtenergie im Sonnenlichtbereich absorbieren können. Nach dem ersten fotochemischen Gesetz (dem Grotthaus-Draperschen-Gesetz) ist für eine Fotoreaktion eine ausreichende Lichtquantenabsorption erforderlich. Bevor biologische Tests in Frage kommen, muss daher nach OECD Test Guideline 101 ein UV/vis-Absorptionsspektrum der Testchemikalie ermittelt werden. Es wird davon ausgegangen, dass — wenn der molare Extinktions-/Absorptionskoeffizient unter 10 Liter × mol-1 × cm-1 liegt — der chemische Stoff kein fotoreaktives Potenzial besitzt. Diese Chemikalie braucht dann evtl. nicht durch den In-vitro-3T3-NRU-Fototoxizitätstest oder einen anderen biologischen Test auf schädliche fotochemische Wirkungen getestet zu werden (1) (5). Siehe auch Anlage 1.

Zuverlässigkeit und Relevanz des In-vitro-3T3-NRU-Fototoxizitätstests wurden in neuerer Zeit untersucht (6) (7) (8) (9). Es wurde nachgewiesen, dass mit dem In-vitro-3T3-NRU-Fototoxizitätstest akute fototoxische Wirkungen bei Tieren und Menschen in vivo vorhergesagt werden können. Der Test ist nicht für die Vorhersage schädlicher Wirkungen ausgelegt, die sich aus einer kombinierten Wirkung eines chemischen Stoffs und von Licht ergeben, d. h., Fotogenotoxizität, Fotoallergie oder Fotokarzinogenität und andere Erscheinungen werden durch diesen Test nicht erfasst, und auch die Beurteilung der fototoxischen Potenz ist damit nicht möglich. Auch indirekte Mechanismen der Fototoxizität, Wirkungen der Stoffwechselprodukte der Testsubstanz oder Wirkungen der Gemische deckt dieser Test nicht ab.

Die Verwendung von metabolisierenden Systemen ist bei sämtlichen In-vitro-Tests eine generelle Voraussetzung für die Vorhersage des genotoxischen und karzinogenen Potenzials; allerdings liegen bis jetzt in der Fototoxikologie nur seltene Fälle vor, in denen eine metabolische Transformation erforderlich ist, damit die Chemikalie als In-vivo- oder In-vitro-Fototoxin wirken kann. Daher ist es derzeit weder notwendig noch wissenschaftlich gerechtfertigt, dass der vorliegende Test mit einem Stoffwechselaktivierungssystem durchgeführt wird.

1.2.   DEFINITIONEN

Bestrahlungsstärke: die Intensität des auf eine Oberfläche auftreffenden ultravioletten (UV) oder sichtbaren Lichts, gemessen in W/m2 oder mW/cm2.

Lichtdosis: die Menge (= Intensität × Zeit) der auf eine Oberfläche auftreffenden ultravioletten (UV) oder sichtbaren Strahlung, ausgedrückt in Joule (= W × s) je Fläche, z. B. J/m2 oder J/cm2.

UV-Licht, Bandbreiten: Die von der Internationalen Beleuchtungskommission (CIE) empfohlenen Bezeichnungen sind: UVA (315-400 nm), UVB (280-315 nm) und UVC (100-280 nm). Andere Bezeichnungen werden ebenfalls verwendet; die Trennung zwischen UVB und UVA erfolgt oft bei 320 nm; UVA kann in UV-A1 und UV-A2 unterteilt werden, wobei die Trennung bei ca. 340 nm liegt.

Zellviabilität: Parameter zur Messung der Gesamtaktivität einer Zellpopulation (z. B. Aufnahme des Vitalfarbstoffs „Neutralrot“ in Zell-Lysosomen), die je nach dem gemessenen Endpunkt und der angewandten Versuchsauslegung mit der Gesamtzahl und/oder der Vitalität der Zellen korreliert.

Relative Zellviabilität: Zellviabilität, ausgedrückt in Relation zu Negativkontrollen (Lösemittel), die das gesamte Testverfahren (entweder +Irr oder –Irr) durchlaufen, jedoch nicht mit einer Testchemikalie behandelt wurden.

PIF (Fotoirritationsfaktor): ein Faktor, der durch Vergleich von zwei gleich wirksamen zytotoxischen Konzentrationen (IC50) der chemischen Testsubstanz in Abwesenheit (–Irr) und in Anwesenheit (+Irr) nicht zytotoxischer Strahlung mit UVA/vis-Licht ermittelt wird.

IC 50 : Konzentration der Testchemikalie, bei der die Zellviabilität um 50 % reduziert wird.

MPE (Mean Photo Effect): eine Messgröße, die von einer mathematischen Analyse der Konzentrations-Wirkungs-Kurven hergeleitet wurde, die in Abwesenheit (–Irr) und in Anwesenheit (+Irr) nicht zytotoxischer Strahlung mit UVA/vis-Licht erzielt wurden.

Fototoxizität: eine akute toxische Reaktion, die nach der ersten Exposition der Haut mit bestimmten chemischen Stoffen bei anschließender Lichtexposition eintritt oder die auf ähnliche Weise durch Bestrahlung der Haut nach systemischer Verabreichung eines chemischen Stoffs induziert wird.

1.3.   PRINZIP DER TESTMETHODE

Der In-vitro-3T3-NRU-Fototoxizitätstest basiert auf dem Vergleich der Zytotoxizität eines chemischen Stoffs, der mit Exposition und ohne Exposition einer nicht zytotoxischen Dosis simulierten Sonnenlichts getestet wird. Die Zytotoxizität wird bei diesem Test ausgedrückt als konzentrationsabhängige Reduktion der Aufnahme des Vitalfarbstoffs Neutralrot, wenn diese 24 Stunden nach der Behandlung mit der Testchemikalie und Bestrahlung gemessen wird (10). Neutralrot (NR) ist ein schwach kationischer Farbstoff, der durch Nichtdiffusion rasch in Zellmembranen eindringt und sich intrazellulär in Lysosomen ansammelt. Veränderungen der Zellenoberfläche der sensitiven Lysosomalmembran führen zu lysosomaler Fragilität und weiteren Veränderungen, die nach und nach irreversibel werden. Derartige, durch die Wirkung von Xenobiotika verursachte Veränderungen bewirken eine verringerte Aufnahme und Bindung von Neutralrot (NR). Auf diese Weise ist eine Unterscheidung zwischen lebensfähigen (viablen), geschädigten und toten Zellen möglich; auf dieser Unterscheidung baut auch der hier beschriebene Test auf.

Balb/c-3T3-Zellen werden zwecks Bildung eines Monolayers 24 Stunden kultiviert. Zwei „96-well“-Platten je Testchemikalie werden sodann mit acht verschiedenen Konzentrationen der Chemikalie 1 Stunde lang vorinkubiert. Daraufhin wird eine der zwei Platten mit der höchsten nicht zytotoxischen Bestrahlungsdosis bestrahlt, während die andere Platte im Dunkeln aufbewahrt wird. In beiden Platten wird dann das Behandlungsmedium durch ein Kulturmedium ersetzt, und nach weiteren 24 Stunden Inkubation wird die Zellviabilität anhand der Neutralrot-Aufnahme bestimmt. Die Zellviabilität, ausgedrückt als Prozentsatz unbehandelter Lösemittelkontrollen, wird für jede Testkonzentration berechnet. Um das fototoxische Potenzial vorherzusagen, wird die mit und ohne Strahlung erzielte Konzentrations-Wirkungs-Kurve verglichen, in der Regel für den IC50-Wert (d. h. die Konzentration, die die Zellviabilität gegenüber unbehandelten Kontrollen um 50 % vermindert).

1.4.   BESCHREIBUNG DER TESTMETHODE

1.4.1.   Zubereitungen

1.4.1.1.   Zellen

Eine permanente Mäuse-Fibroblastenzelllinie — Balb/c 3T3, Klon 31 — entweder von der American Type Culture Collection (ATCC), Manassas, VA, USA, oder von der European Collection of Cell Cultures (ECACC), Salisbury, Wiltshire, Vereinigtes Königreich — wurde in der Validierungsstudie verwendet und wird daher zur Beschaffung aus einem qualifizierten Zellendepot empfohlen. Andere Zellen oder Zelllinien können erfolgreich mit demselben Testverfahren verwendet werden, wenn die Kulturbedingungen den spezifischen Bedürfnissen der Zellen angepasst werden, jedoch muss die gleichwertige Eignung der Zellen nachgewiesen werden.

Zellen sollten regelmäßig auf die Abwesenheit von Mykoplasma-Kontamination hin geprüft und nur verwendet werden, wenn keine derartige Kontamination festgestellt wird (11).

Die UV-Empfindlichkeit der Zellen muss regelmäßig nach den in der vorliegenden Verfahrensbeschreibung dargestellten Qualitätssicherungsverfahren kontrolliert werden. Da die UVA-Sensitivität von Zellen mit der erreichbaren Passagenzahl zunehmen kann, sollten Balb/c-3T3-Zellen mit einer möglichst niedrigen Passagenzahl, vorzugsweise weniger als 100, verwendet werden (siehe 1.4.2.2.2 und Anlage 2).

1.4.1.2.   Medien und Kulturbedingungen

Für Routine-Zellpassagen und während des Testverfahrens sollten geeignete Kulturmedien und Inkubationsbedingungen angewendet werden. Bei Balb/c-3T3-Zellen sind dies DMEM (Dulbecco's Modified Eagle's Medium) mit einem Zusatz von 10 % Serum neugeborener Kälber, 4 mM Glutamin, Penicillin (100 IU) und Streptomycin (100 (μg/ml) sowie Feuchtinkubation bei 37 oC, 5-7,5 % CO2 (je nach Puffer, siehe Abschnitt 1.4.1.4, zweiter Absatz). Es ist dabei besonders wichtig, dass die Zell-Kulturbedingungen eine Zellzykluszeit innerhalb des normalen historischen Bereichs der verwendeten Zellen oder Zelllinien sicherstellen.

1.4.1.3.   Ansetzen der Kulturen

Zellen aus tiefgefrorenen Mutterkulturen werden in einem Kulturmedium in angemessener Dichte ausgesät und mindestens einmal vor ihrer Verwendung im In-vitro-3T3-NRU-Fototoxizitätstest passagiert.

Für den Fototoxizitätstest werden Zellen in einem Kulturmedium in einer geeigneten Dichte ausgesät, die sicherstellt, dass die Kulturen zum Ende des Tests, d. h. wenn die Zellviabilität 48 Stunden nach dem Aussäen der Zellen bestimmt wird, ihre maximale Dichte (Konfluenz) noch nicht erreicht haben. Für Balb/c 3-T3-Zellen, die in „96-well“-Platten kultiviert werden, beträgt die empfohlene Zelldichte 1 × 104 Zellen je „well“.

Für jede Testchemikalie werden Zellen identisch in zwei separate „96-well“-Platten ausgesät, die sodann gleichzeitig während des gesamten Testverfahrens unter identischen Kulturbedingungen behandelt werden, abgesehen von dem Zeitraum, in dem eine der Platten (+Irr) bestrahlt und die andere im Dunkeln (–Irr) aufbewahrt wird.

1.4.1.4.   Zubereitung der Testsubstanzen

Testchemikalien müssen unmittelbar vor ihrer Verwendung frisch zubereitet werden, es sei denn, Haltbarkeitsdaten rechtfertigen eine Lagerung der Präparation. Es wird empfohlen, die Behandlung sämtlicher Chemikalien und die Erstbehandlung der Zellen unter Ausleuchtungsbedingungen durchzuführen, bei denen eine Fotoaktivierung oder Degradation der Testsubstanz vor der Bestrahlung vermieden wird.

Die Testchemikalien sollten in einer gepufferten Salzlösung, z. B. EBSS (Earle's Balanced Salt Solution), oder anderen physiologisch ausgewogenen Pufferlösungen, gelöst werden, die, um Interferenzen während der Bestrahlung zu vermeiden, frei sein müssen von Proteinbestandteilen und Licht absorbierenden Bestandteilen (z. B. pH-Indikationsfarben und Vitaminen). Da die Zellen während der Bestrahlung ca. 50 Minuten lang außerhalb des CO2-Inkubators aufbewahrt werden, ist sorgfältig darauf zu achten, dass eine Alkalisierung vermieden wird. Werden schwache Pufferlösungen wie EBSS verwendet, lässt sich dies erreichen, indem die Inkubation der Zellen unter 7,5 %igem CO2 erfolgt. Werden die Zellen bei nur 5 %igem CO2 inkubiert, ist eine stärkere Pufferlösung zu verwenden.

Testchemikalien mit eingeschränkter Wasserlöslichkeit sind in einem geeigneten Lösemittel zu lösen. Wird ein Lösemittel verwendet, muss es in allen Kulturen mit konstantem Volumen vorhanden sein, d. h. in den Negativkontrollen (Lösemittelkontrollen) sowie in sämtlichen Konzentrationen der Testchemikalie, und darf bei dieser Konzentration keine zytotoxische Wirkung zeigen. Die Konzentrationen der Testchemikalien sind so zu wählen, dass Ausfällungen oder Trübungen der Lösung vermieden werden.

Dimethylsulfoxid (DMSO) und Ethanol (EtOH) werden als Lösemittel empfohlen. Andere Lösemittel mit geringer Zytotoxizität sind unter Umständen ebenfalls geeignet. Vor der Verwendung sind jedoch alle Lösemittel sorgfältig auf spezifische Eigenschaften zu untersuchen, wie Reaktion mit der Testchemikalie, Auslöschen der fototoxischen Wirkung, Einfangen von Radikalen und/oder Stabilität der Chemikalie im Lösemittel.

Wirbelmischung (Vortex) und/oder Anwendung von Ultraschall und/oder Erwärmung auf geeignete Temperaturen kommen als Möglichkeiten in Betracht, um die Löslichkeit zu fördern, sofern hierdurch nicht die Stabilität der Testchemikalie beeinträchtigt wird.

1.4.1.5.   Bestrahlungsbedingungen

1.4.1.5.1.    Lichtquelle

Die Wahl der geeigneten Lichtquelle und geeigneter Filter ist ein kritischer Faktor bei den Fototoxizitätstests. Für fototoxische In-vivo-Reaktionen sind in der Regel UVA und sichtbare Bereiche verantwortlich (3) (12), während UVB weniger relevant, aber selbst hochgradig zytotoxisch ist, da seine Zytotoxizität zwischen 313 und 280 nm um ein Tausendfaches zunimmt (13). Kriterien für die Wahl einer geeigneten Lichtquelle müssen die wesentliche Voraussetzung einschließen, dass die Lichtquelle Wellenlängen aussendet, die von der chemischen Testsubstanz absorbiert werden (Absorptionsspektrum), und dass die (in einer akzeptablen Zeit erreichbare) Lichtdosis für den Nachweis bekannter fotozytotoxischer Chemikalien ausreichen muss. Darüber hinaus dürfen die jeweils verwendeten Wellenlängen und Dosen, z. B. der Wärmeemission (Infrarotbereich), für das Testsystem nicht unnötig schädlich sein.

Die Simulierung von Sonnenlicht mit Solarsimulatoren wird als optimale Kunstlichtquelle betrachtet. Die Strahlungsleistungsverteilung des gefilterten Solarsimulators muss der in (14) dargestellten Verteilung von Tageslicht im Freien entsprechen. Sowohl Xenon-Lichtbogenlampen als auch (dotierte) Quecksilber-Metallhalogenid-Lichtbogenlampen werden in Solarsimulatoren verwendet (15). Letztere haben den Vorteil, dass sie weniger Wärme emittieren und preiswerter sind, doch ist die Übereinstimmung mit dem Sonnenlicht weniger perfekt als bei Xenon-Lichtbogenlampen. Da alle Solarsimulatoren signifikante Mengen UVB aussenden, müssen sie mit geeigneten Filtern versehen werden, um die hoch zytotoxischen UVB-Wellenlängen zu mindern. Da die Kunststoffmaterialien für Zellkulturen UV-Stabilisatoren enthalten, muss das Spektrum durch den gleichen „96-well“-Plattendeckel gemessen werden, wie er auch in dem Versuch verwendet wird. Unabhängig von Maßnahmen zur Dämpfung eines Teils des Spektrums durch Filterung oder durch unvermeidbare Filtereffekte der Testeinrichtungen darf das unterhalb dieser Filter aufgezeichnete Spektrum nicht vom standardisierten Tageslicht im Freien abweichen (14). Die spektrale Energieverteilung des in der Validierungsstudie zum In-vitro-3T3-NRU-Fototoxizitätstest verwendeten gefilterten Solarsimulators wurde als Beispiel veröffentlicht (8) (16). Siehe dazu auch Anlage 2, Abbildung 1.

1.4.1.5.2.    Dosimetrie

Die Lichtintensität (Bestrahlungsstärke) sollte regelmäßig vor jedem Fototoxizitätstest unter Verwendung eines geeigneten Breitband-UV-Meters geprüft werden. Die Lichtintensität ist durch die gleiche Ausführung der „96-well“-Plattendeckel zu messen, wie sie auch in dem Versuch verwendet wird. Das UV-Meter muss für die Lichtquelle kalibriert sein. Die Leistungsfähigkeit des UV-Meters ist sicherzustellen. Zu diesem Zweck wird die Verwendung eines zweiten Referenz-UV-Meters des gleichen Typs und der gleichen Kalibrierung empfohlen. Im Idealfall sollte in größeren Abständen mit einem Spektroradiometer die spektrale Energieverteilung der gefilterten Lichtquelle gemessen und die Kalibrierung des Breitband-UV-Meters geprüft werden.

Eine Dosis von 5 J/cm2 (im UVA-Bereich gemessen) wurde als nicht zytotoxisch gegenüber Balb/c-3T3-Zellen und als ausreichend stark ermittelt, um fototoxische Chemikalien zu erkennen und damit fototoxische Reaktionen auszulösen (6) (17); so wurde beispielsweise die Bestrahlungsstärke auf 1,7 mW/cm2 eingestellt, um innerhalb von 50 Minuten 5 J/cm2 zu erreichen. Siehe hierzu Anlage 2, Abbildung 2. Wenn eine andere Zelllinie oder eine unterschiedliche Lichtquelle verwendet wird, muss die UVA-Dosis ggf. so angepasst werden, dass Unschädlichkeit gegenüber Zellen und eine ausreichende Stärke zur Erkennung von Standardfototoxinen gegeben ist. Die Zeit der Lichtexposition wird auf folgendem Wege berechnet:



image

(1 J = 1 Wsec)

1.4.2.   Testbedingungen

1.4.2.1.   Konzentrationen der Testsubstanz

Die in Anwesenheit (+Irr) und in Abwesenheit (–Irr) von Licht zu testenden Konzentrationsbereiche eines chemischen Stoffs sollten in Dosis-Vorversuchen auf angemessene Weise ermittelt werden. Ggf. empfiehlt es sich, die Löslichkeit eingangs und nach 60 min (bzw. nach der jeweils zugrunde gelegten Behandlungszeit) zu ermitteln, da sich die Löslichkeit zeitabhängig oder im Belichtungsverlauf ändern kann. Um eine durch ungeeignete Bedingungen der Kulturen oder hochgradig saure oder alkalische Chemikalien verursachte Toxizität zu vermeiden, muss der pH-Wert der Zellkulturen mit zugesetzter Testchemikalie im Bereich zwischen 6,5 und 7,8 liegen.

Die höchste Konzentration der Testsubstanz muss innerhalb der physiologischen Testbedingungen liegen, d. h., osmotischer Stress und pH-Stress sind zu vermeiden. Je nach Testchemikalie sind ggf. andere physikalisch-chemische Eigenschaften als Faktoren in Betracht zu ziehen, durch die die höchste Testkonzentration begrenzt wird. Bei relativ unlöslichen Substanzen, die bei Konzentrationen bis zum Sättigungspunkt nicht toxisch sind, ist die höchste erreichbare Konzentration zu verwenden. Grundsätzlich ist eine Ausfällung der Testchemikalie bei einer der Testkonzentrationen zu vermeiden. Die Maximalkonzentration der Testsubstanz darf 1 000 (μg/ml nicht überschreiten; die Osmolalität darf 10 mmol nicht überschreiten. Es ist eine geometrische Verdünnungsreihe von 8 Testsubstanzenkonzentrationen mit konstantem Verdünnungsfaktor zu verwenden (siehe Abschnitt 2.1, zweiter Absatz).

Liegen (aus Vorversuchen) Informationen darüber vor, dass die Testchemikalie bis zur Grenzkonzentration im Dunkelversuch (–Irr) nicht zytotoxisch ist, aber bei Bestrahlung (+Irr) hochgradig zytotoxisch ist, können die Konzentrationsbereiche, die für den (+Irr)-Versuch zugrunde gelegt werden müssen, von den Bereichen für den (–Irr)-Versuch abweichen, damit die Forderung einer ausreichenden Datenqualität erfüllt ist.

1.4.2.2.   Kontrollen

1.4.2.2.1.    Strahlungsempfindlichkeit der Zellen, Ermittlung historischer Daten

Die Zellen sind regelmäßig (etwa jede fünfte Passage) auf Empfindlichkeit gegenüber der Lichtquelle zu kontrollieren; dazu wird ihre Viabilität nach Belichtung mit steigenden Strahlungsdosen beurteilt. Bei dieser Beurteilung sind mehrere verschiedene Strahlungsdosen — einschließlich Dosen, die deutlich über denen des 3T3-NRU-Fototoxizitätstests liegen — zu verwenden. Eine Quantifizierung dieser Dosen ist am einfachsten durch Messung der UV-Anteile der Lichtquelle möglich. Die Zellen werden mit der im In-vitro-3T3-NRU-Fototoxizitätstest verwendeten und am darauf folgenden Tag bestrahlten Dichte ausgesät. Die Zellviabilität wird einen Tag später anhand der Aufnahme von Neutralrot ermittelt. Es muss sich nachweisen lassen, dass die resultierende höchste nicht zytotoxische Dosis (z. B. in der Validierungsstudie: 5 J/cm2 (UVA)) für eine korrekte Klassifizierung der Referenzchemikalien (Tabelle 1) ausreicht.

1.4.2.2.2.    Strahlungsempfindlichkeit, Kontrolle des laufenden Tests

Der Test erfüllt die Qualitätskriterien, wenn die bestrahlten Negativ-/Lösemittelkontrollen im Vergleich zu nicht bestrahlten Negativ-/Lösemittelkontrollen eine Viabilität von mehr als 80 % aufweisen.

1.4.2.2.3.    Viabilität der Lösemittelkontrollen

Die absolute optische Dichte (OD540 NRU) des aus den Lösemittelkontrollen extrahierten Neutralrot gibt an, ob die je „well“ ausgesäten 1 × 104 Zellen bei normaler Verdopplungszeit während der zwei Tages des Tests gut gewachsen sind. Der Test erfüllt die Akzeptanzkriterien, wenn der mittlere OD540 NRU der unbehandelten Kontrollen > 0,4 ist (d. h. rund das Zwanzigfache des Hintergrund-Lösemittelabsorptionsmaßes).

1.4.2.2.4.    Positivkontrolle

Ein bekannter fototoxischer chemischer Stoff soll zeitgleich mit jedem In-vitro-3T3-NRU-Fototoxizitätstest getestet werden. Chlorpromazin (CPZ) wird empfohlen. Für mit dem Standardprotokoll im In-vitro-3T3-NRU-Fototoxizitätstest getestetes CPZ wurden folgende Test-Akzeptanzkriterien festgelegt: bestrahltes CPZ (+Irr): IC50 = 0,1 bis 2,0 μg/ml, nicht bestrahltes CPZ (–Irr): IC50 = 7,0 bis 90,0 μg/ml. Der Fotoirritationsfaktor (PIF) sollte > 6 sein. Das historische Verhalten der Positivkontrolle ist zu überwachen.

Andere bekannte, für die Chemikalienklasse oder Löslichkeitsmerkmale der bewerteten Chemikalie geeignete fototoxische Chemikalien können an Stelle von Chlorpromazin als gleichzeitige Positivkontrollen verwendet werden.

1.4.3.   Testverfahren (6) (7) (8) (16) (17)

1.4.3.1.   l. Tag

100 μl Kulturmedium werden in die peripheren „wells“ einer „96-well“-Gewebekultur-Mikrotiterplatte gegeben (= Blindproben). In die übrigen „wells“ werden 100 μl der Zellsuspension von 1 × 105 Zellen/ml (= 1 × 104 Zellen/well) pipettiert. Für jede Reihe einzelner Testsubstanzkonzentrationen werden zwei Platten zubereitet; eine weitere Platte wird für die Lösemittel- und Positivkontrollen zubereitet.

Die Zellen werden 24 Stunden lang (siehe 1.4.1.2) inkubiert, bis sie einen halbkonfluenten Monolayer bilden. Diese Inkubationszeit ermöglicht die Erholung der Zellen, das Anhaften und ein exponentielles Wachstum.

1.4.3.2.   2. Tag

Nach der Inkubation wird das Kulturmedium dekantiert. Darauf folgt ein Waschgang mit der für die Inkubation verwendeten Pufferlösung. 100 μl der Pufferlösung, welche die geeignete Konzentration der Testchemikalie oder des Lösemittels (Lösemittelkontrolle) enthält, werden hinzugefügt. Es sind 8 verschiedene Konzentrationen der Testchemikalie zu verwenden. Die Zellen werden mit der Testchemikalie im Dunkeln 60 Minuten lang inkubiert (siehe Abschnitt 1.4.1.2 und Abschnitt 1.4.1.4, zweiter Absatz).

Aus den zwei für jede Reihe der Testsubstanzkonzentrationen und Kontrollen vorbereiteten Platten wird — normalerweise willkürlich — eine Platte für die Bestimmung der Zytotoxizität (–Irr) ausgewählt (d. h. die Kontrollplatte) sowie eine Platte (die Behandlungsplatte) für die Bestimmung der Fotozytotoxizität (+Irr).

Zur Durchführung der +Irr-Belichtung werden die Zellen bei Raumtemperatur 50 Minuten lang durch den Deckel der „96-well“-Platte mit der höchsten Strahlungsdosis bestrahlt, die nicht zytotoxisch ist (siehe auch Anlage 2). Nicht bestrahlte Platten (–Irr) werden 50 Minuten lang (= Lichtexpositionszeit) bei Raumtemperatur in einem dunklen Kasten gehalten.

Die Testflüssigkeit wird dekantiert. Es folgen zwei Waschgänge mit 150 μl der für die Inkubation verwendeten Pufferlösung, jedoch ohne das Testmaterial. Die Pufferlösung wird durch ein Kulturmedium ersetzt und über Nacht (18-22 h) inkubiert (siehe 1.4.1.2).

1.4.3.3.   3. Tag

1.4.3.3.1.    Mikroskopische Evaluierung

Die Zellen werden unter einem Phasen-Kontrast-Mikroskop auf Wachstum, Morphologie und Intaktheit der Monolayer untersucht. Morphologische Veränderungen der Zelle und Wirkungen auf das Zellwachstum sind aufzuzeichnen.

1.4.3.3.2.    Neutralrot-Aufnahme-Test

Die Zellen werden mit 150 μl vorgewärmter Pufferlösung gewaschen. Die Waschlösung wird durch vorsichtiges Absaugen entfernt. 100 μl einer 50 μg/ml Neutralrotsubstanz (NR) (3-Amino-7-Dimethylamino-2-Methylphenazin-Hydrochlorid, EINECS-Nummer 209-035-8, CAS-Nummer 553-24-2, C.I. 50040) in einem Medium ohne Serum werden hinzugefügt (16) und 3 Stunden lang gemäß den Angaben in Abschnitt 1.4.1.2 inkubiert. Nach der Inkubation wird das NR-Medium entfernt, und die Zellen werden mit 150 μl Pufferlösung gewaschen. Die überschüssige Pufferlösung wird vollkommen dekantiert und durch Absaugen oder Zentrifugieren entfernt.

Es werden genau 150 μl NR-Desorptionslösung (frisch zubereitet aus 49 Teilen Wasser + 50 Teilen Ethanol + 1 Teil Essigsäure) hinzugefügt.

Die Mikrotiter-Platte wird 10 Minuten lang auf einem Mikrotiter-Platten-Schüttler vorsichtig geschüttelt, bis das NR aus den Zellen extrahiert ist und eine homogene Lösung bildet.

Die optische Dichte der NR-Extrakte wird bei 540 nm in einem Spektralfotometer gemessen, wobei die Blindproben als Referenz verwendet werden. Die Daten sind in angemessenem Dateiformat für spätere Analysen aufzuzeichnen.

2.   DATEN

2.1.   QUALITÄT UND QUANTITÄT DER DATEN

Die Testdaten sollten eine sinnvolle Analyse der in Anwesenheit und in Abwesenheit von Strahlung ermittelten Konzentrations-Wirkungs-Reaktionen sowie, wenn möglich, die Konzentration der Testchemikalien, bei der die Zellviabilität auf 50 % (IC50) sinkt, ermöglichen. Sofern Zytotoxizität festgestellt wird, sollten sowohl der Konzentrationsbereich als auch der Abstand einzelner Konzentrationen so gewählt sein, dass die experimentellen Daten in einer Kurve dargestellt werden können.

Bei klar positiven und klar negativen Ergebnissen (siehe Abschnitt 2.3, erster Absatz) ist gegebenenfalls der Hauptversuch — begleitet von einem oder mehreren Vorversuchen — ausreichend.

Mehrdeutige, grenzwertige oder unklare Ergebnisse sind durch weitere Tests abzuklären (siehe hierzu auch Abschnitt 2.4, zweiter Absatz). In derartigen Fällen ist auch eine Änderung der Versuchsbedingungen in Betracht zu ziehen. Zu den Versuchsbedingungen, die geändert werden könnten, zählen der Konzentrationsbereich und -raum, die Vorinkubationszeit und die Strahlungsexpositionszeit. Für Chemikalien, die in Wasser instabil sind, ist evtl. eine kürzere Expositionszeit ausreichend.

2.2.   ERGEBNISBEWERTUNG

Zur Evaluierung der Daten kann ein Fotoirritationsfaktor (PIF) oder der Mean Photo Effect (MPE) berechnet werden.

Zur Berechnung der Maße für die Fotozytotoxizität (siehe unten) müssen die Dosis-Wirkungs-Werte näherungsweise durch eine geeignete kontinuierliche Dosis-Wirkungs-Kurve (Modell) dargestellt werden. Die Anpassung der Kurve an die Daten erfolgt normalerweise nach dem nichtlinearen Regressionsverfahren (18). Zur Beurteilung des Einflusses der Datenvariabilität auf die angepasste Kurve wird die Verwendung eines Bootstrap-Verfahrens empfohlen.

Der Fotoirritationsfaktor (PIF) wird nach der folgenden Formel berechnet:

image

Ist die Berechnung von IC50 bei Anwesenheit oder Abwesenheit von Licht nicht möglich, kann der PIF des Testmaterials nicht ermittelt werden. Der MPE (Mean Photo Effect) basiert auf dem Vergleich der vollständigen Konzentrations-Wirkungs-Kurven (19). Er wird definiert als der gewichtete Durchschnitt einer repräsentativen Gruppe von Fotoeffektwerten.

image

Der Fotoeffekt PEc bei einer beliebigen Konzentration C ist definiert als das Produkt des Wirkungseffekts REc und des Dosiseffekts DEc, d. h. PEc = REc × DEc. Der Wirkungseffekt REc bezeichnet die Differenz zwischen den bei Abwesenheit und Anwesenheit von Licht ermittelten Wirkungen, d. h. REc = Rc (–Irr) — Rc (+Irr). Der Dosiseffekt wird ausgedrückt durch

image

Dabei stellt C* die Äquivalenzkonzentration dar, d. h. die Konzentration, bei der die +Irr-Wirkung der –Irr-Wirkung bei Konzentration C entspricht. Kann C* nicht ermittelt werden, weil die Wirkungswerte der +Irr-Kurve systematisch über oder unter RC(–Irr) liegen, wird der Dosiseffekt gleich 1 gesetzt. Die Gewichtungsfaktoren wi werden durch den höchsten Wirkungswert ausgedrückt, d. h. wi = MAX {Ri (+Irr), Ri (–Irr)}. Das Konzentrationsgitter Ci wird so gewählt, dass die gleiche Anzahl Punkte in jedes der Konzentrationsintervalle fällt, die durch die im Versuch verwendeten Konzentrationswerte definiert sind. Die Berechnung von MPE wird auf den maximalen Konzentrationswert beschränkt, bei dem mindestens eine der beiden Kurven noch einen Wirkungswert von mindestens 10 % aufweist. Liegt diese Maximalkonzentration über der höchsten Konzentration, die im +Irr-Versuch verwendet wurde, wird der restliche Teil der +Irr-Kurve gleich dem Wirkungswert „0“ gesetzt. Je nachdem, ob der MPE-Wert größer als ein auf geeignete Weise gewählter Schwellenwert (MPEc = 0,15 ) ist oder nicht, wird die Chemikalie als fototoxisch eingestuft.

Ein Softwarepaket für die Berechnung von PIF und MPE ist bei (20) erhältlich.

2.3.   INTERPRETATION DER ERGEBNISSE

Nach der Validierungsstudie (8) bedeutet eine Testsubstanz mit PIF < 2 oder MPE < 0,1 die Prognose „keine Fototoxizität“. Ein PIF > 2 und < 5 oder ein MPE > 0,1 und < 0,15 entspricht der Prognose: „Fototoxizität wahrscheinlich“; ein PIF > 5 oder ein MPE > 0,15 bedeutet: „Fototoxizität“.

Bei jedem Labor, das den einleitenden Aufbau dieses Versuchs vornimmt, sind die in Tabelle 1 aufgeführten Referenzmaterialien zu testen, bevor die Testsubstanzen zur fototoxischen Beurteilung getestet werden. Die PIF- oder MPE-Werte müssen in Nähe der in Tabelle 1 angegebenen Werte liegen.



Tabelle 1

Bezeichnung der Chemikalie

EINECS-Nr.

CAS-Nr.

PIF

MPE

Absorptionspeak

Lösemittel (1)

Amiodaron HCl

243-293-2

[19774-82-4]

>3,25

0,27 - 0,54

242 nm

300 nm

(Schulter)

Ethanol

Choloropromazin HCl

200-701-3

[69-09-0]

>14,4

0,33 - 0,63

309 nm

Ethanol

Norfloxacin

274-614-4

[70458-96-7]

>71,6

0,34 - 0,90

316 nm

Acetonitril

Anthracen

204-371-1

[120-12-7]

>18,5

0,19 - 0,81

356 nm

Acetonitril

Protoporphyrin IX, Dinatrium

256-815-9

[50865-01-5]

>45,3

0,54 - 0,74

402 nm

Ethanol

L-Histidin

 

[7006-35-1]

kein PIF

0,05 - 0,10

211 nm

Wasser

Hexacholorophen

200-733-8

[70-30-4]

1,1 - 1,7

0,00 - 0,05

299 nm

317 nm

(Schulter)

Ethanol

Natriumlaurylsulfat

205-788-1

[151-21-3]

1,0 - 1,9

0,00 - 0,05

Keine Absorption

Wasser

(1)   Lösemittel für die Messung der Absorption.

2.4.   INTERPRETATION DER DATEN

Werden fototoxische Wirkungen nur bei der höchsten Testkonzentration festgestellt (insbesondere bei wasserlöslichen Testchemikalien), sind zur Gefahrenbeurteilung evtl. noch weitere Gesichtspunkte in Betracht zu ziehen, so z. B. Daten zur Absorption über die Haut sowie zur Ansammlung der Chemikalie in der Haut und/oder Daten aus anderen Tests, z. B. In-vitro-Tests der Chemikalie auf tierischer bzw. menschlicher Haut oder Hautmodellen.

Wird keine Toxizität nachgewiesen (+Irr und –Irr) und sind die Konzentrationen, die getestet werden können, durch mangelhafte Löslichkeit begrenzt, ist die Vergleichbarkeit der Testsubstanz mit dem durchgeführten Test zweifelhaft; in diesem Fall ist die Durchführung konfirmativer Tests, z. B. mit einem anderen Modell, in Betracht zu ziehen.

3.   BERICHTERSTATTUNG

TESTBERICHT

Der Testbericht muss mindestens folgende Informationen umfassen:

Testsubstanz:

 Kenndaten, übliche generische Namen und IUPAC- und CAS-Nummern, sofern bekannt,

 physikalische Eigenschaften und Reinheit,

 physikalisch-chemische Eigenschaften, die für die Durchführung der Studie relevant sind,

 UV/vis-Absorptionsspektrum,

 Stabilität und Fotostabilität, sofern bekannt;

Lösemittel:

 Begründung der Wahl des Lösemittels,

 Löslichkeit der Testchemikalie in diesem Lösemittel,

 Prozentsatz des in dem Behandlungsmedium vorhandenen Lösemittels;

Zellen:

 Art und Quelle der Zellen,

 Fehlen von Mykoplasma,

 Zahl der Zellpassagen, sofern bekannt,

 Strahlungssensitivität von Zellen, bestimmt mit dem im In-vitro-3T3-NRU-Fototoxizitätstest verwendeten Bestrahlungsgerät;

Testbedingungen (1); Inkubation vor und nach der Behandlung:

 Art und Zusammensetzung des Kulturmediums,

 Inkubationsbedingungen (CO2-Konzentration, Temperatur, Feuchtigkeit),

 Inkubationsdauer (Vorbehandlung, Nachbehandlung);

Testbedingungen (2); Behandlung mit der Chemikalie:

 Begründung der Wahl der in Anwesenheit und in Abwesenheit von Strahlungseinwirkung verwendeten Konzentrationen der Testchemikalie,

 im Falle beschränkter Löslichkeit der Testchemikalie und bei Abwesenheit von Zytotoxizität: Begründung der höchsten getesteten Konzentration,

 Art und Zusammensetzung des Behandlungsmediums (gepufferte Salzlösung),

 Dauer der chemischen Behandlung;

Testbedingungen (3); Bestrahlung:

 Begründung der Wahl der verwendeten Lichtquelle,

 Hersteller und Art der Lichtquelle und des Radiometers,

 Charakterisierung der spektralen Energieverteilung der Lichtquelle,

 Durchlass-/Absorptionsmerkmale des bzw. der verwendeten Filter

 Merkmale des Strahlenmessgeräts und Einzelheiten der Kalibrierung,

 Abstand der Lichtquelle vom Testsystem,

 UVA-Strahlung bei dieser Entfernung, ausgedrückt in mW/cm2,

 Dauer der UV/vis-Lichtexposition,

 UVA-Dosis (Strahlung × Zeit), ausgedrückt in J/cm2,

 Temperatur der Zellkulturen während der Bestrahlung und der gleichzeitig im Dunkeln gehaltenen Zellkulturen;

Testbedingungen (4); Neutralrot-Viabilitätstest:

 Zusammensetzung des Neutralrot-Mediums,

 Dauer der Neutralrot-Inkubation,

 Inkubationsbedingungen (CO2-Konzentration, Temperatur, Feuchtigkeit),

 Neutralrot-Extraktionsbedingungen (Extraktionsmittel, Dauer),

 Wellenlänge, die für die fotometrische Messung der optischen Dichte von Neutralrot verwendet wurde,

 zweite Referenzwellenlänge, sofern verwendet,

 Inhalt der fotometrischen Referenz (Blindprobe), sofern verwendet;

Ergebnisse:

 bei den einzelnen Konzentrationen der Testchemikalie ermittelte Zellviabilität, ausgedrückt als Prozentsatz der mittleren Viabilität der Lösemittelkontrollen,

 Konzentrations-Wirkungs-Kurven (Konzentration der Testchemikalie vs. relative Zellviabilität) der gleichzeitig durchgeführten +Irr- und –Irr-Versuche,

 Analyse der Konzentrations-Wirkungs-Kurven: sofern möglich, Angabe der IC50(+Irr)- und IC50(–Irr)-Werte,

 Vergleich der zwei in Anwesenheit und in Abwesenheit von UVA/vis-Bestrahlung ermittelten Konzentrations-Wirkungs-Kurven entweder durch Berechnung des Fotoirritationsfaktors (PIF) oder durch Berechnung des Mean Photo Effect (MPE),

 Testakzeptanzkriterien; Lösemittelkontrolle des Tests,

 absolute Viabilität (optische Dichte des NR-Extrakts) von bestrahlten und nicht bestrahlten Zellen,

 historische Daten zur Negativkontrolle, Mittelwerte und Standardabweichungen,

 Testakzeptanzkriterien, Positivkontrolle des Tests,

 IC50(+Irr) und IC50(–Irr) und PIF/MPE der Positivkontroll-Chemikalie,

 historische Daten zur Positivkontroll-Chemikalie: IC50(+Irr) und IC50(–Irr) und PIF/MPE, Mittelwerte und Standardabweichungen;

Diskussion der Ergebnisse;

Schlussfolgerungen.

4.   LITERATURHINWEISE

(1) Lovell W.W. (1993). A scheme for in vitro screening of substances for photoallergenic potential. Toxic. In Vitro 7, 95-102.

(2) Santamaria, L. and Prino, G. (1972). List of the photodynamic substances. In „Research Progress in Organic, Biological and Medicinal Chemistry“ Vol. 3 part 1. North Holland Publishing Co. Amsterdam, XI-XXXV.

(3) Spielmann, H., Lovell, W.W., Hölzle, E., Johnson, B.E., Maurer, T., Miranda, M.A., Pape, W.J.W., Sapora, O., and Sladowski, D. (1994). In vitro phototoxicity testing: The report and recommendations of ECVAM Workshop 2. ATLA, 22, 314-348.

(4) Spikes, J.D. (1989). Photosensitization. In „The science of Photobiology“ Edited by K.C. Smith. Plenum Press, New York. 2nd edition, 79-110.

(5) OECD (1997) Environmental Health and Safety Publications, Series on Testing and Assessment No.7 „Guidance Document On Direct Phototransformation Of Chemicals In Water“ Environment Directorate, OECD, Paris.

(6) Spielmann, H., Balls, M., Döring, B., Holzhütter, H.G., Kalweit, S., Klecak, G., L'Eplattenier, H., Liebsch, M., Lovell, W.W., Maurer, T., Moldenhauer. F. Moore. L., Pape, W., Pfannbecker, U., Potthast, J., De Silva, O., Steiling, W., and Willshaw, A. (1994). EEC/COLIPA project on in vitro phototoxicity testing: First results obtained with a Balb/c 3T3 cell phototoxicity assay. Toxic. In Vitro 8, 793-796.

(7) Anon (1998). Statement on the scientific validity of the 3T3 NRU PT test (an in vitro test for phototoxicity), European Commission, Joint Research Centre: ECVAM and DGXI/E/2, 3. November 1997, ATLA, 26, 7-8.

(8) Spielmann, H., Balls, M., Dupuis, J., Pape, W.J.W., Pechovitch, G. De Silva, O., Holzhütter, H.G., Clothier, R., Desolle, P., Gerberick, F., Liebsch, M., Lovell, W.W., Maurer, T., Pfannenbecker, U., Potthast, J. M., Csato, M., Sladowski, D., Steiling, W., and Brantom, P. (1998). The international EU/COLIPA In vitro phototoxicity validation study: results of phase II (blind trial), part 1: the 3T3 NRU phototoxicity test. Toxic. In Vitro 12, 305-327.

(9) OECD (2002) Extended Expert Consultation Meeting on The In Vitro 3T3 NRU Phototoxicity Test Guideline Proposal, Berlin, 30th-31th October 2001, Secretariat's Final Summary Report, 15th March 2002, OECD ENV/EHS; auf Anfrage beim Sekretariat erhältlich.

(10) Borenfreund, E., and Puerner, J.A. (1985). Toxicity determination in vitro by morphological alterations and neutral red absorption. Toxicology Lett., 24, 119-124.

(11) Hay, RJ. (1988) The seed stock concept and quality control for cell lines. Analytical Biochemistry 171, 225-237.

(12) Lambert L.A, Warner W.G., and Kornhauser A. (1996) Animal models for phototoxicity testing. In „Dermatotoxicology“, edited by F.N. Marzulli and H.I. Maibach. Taylor & Francis, Washington DC. 5th Edition, 515-530.

(13) Tyrrell R.M., Pidoux M (1987) Action spectra for human skin cells: estimates of the relative cytotoxicity of the middle ultraviolet, near ultraviolet and violet regions of sunlight on epidermal keratinocytes. Cancer Res., 47, 1825-1829.

(14) ISO 10977. (1993). Photography — Processed photographic colour films and paper prints — Methods for measuring image stability.

(15) Sunscreen Testing (UV.B) TECHNICALREPORT, CIE, International Commission on Illumnation, Publication No. 90, Vienna, 1993, ISBN 3900734275

(16) ZEBET/ECVAM/COLIPA — Standard Operating Procedure: In Vitro 3T3 NRU Phototoxicity Test. Final Version, 7 September, 1998. 18 S.

(17) Spielmann, H., Balls, M., Dupuis, J., Pape, W.J.W., De Silva, O., Holzhütter, H.G., Gerberick, F., Liebsch, M., Lovell, W.W., and Pfannenbecker, U. (1998) A study on UV filter chemicals from Annex VII of the European Union Directive 76/768/EEC, in the in vitro 3T3 NRU phototoxicity test. ATLA 26, 679-708.

(18) Holzhütter, H.G., and Quedenau, J. (1995) Mathematical modeling of cellular responses to external signals. J. Biol. Systems 3, 127-138.

(19) Holzhütter, H.G. (1997). A general measure of in vitro phototoxicity derived from pairs of dose-response curves and its use for predicting the in vivo phototoxicity of chemicals. ATLA, 25, 445-462.

(20) http://www.oecd.org/document/55/0.2340.en_2649_34377_2349687_l_l_l_1.00. html

Anlage 1

Rolle des 3T3 NRU-PT in einer sequenziellen Prüfstrategie für Fototoxizitätstests von Chemikalien

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Anlage 2

Abbildung 1

Spektrale Leistungsverteilung eines gefilterten Solarsimulators

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(Siehe 1.4.1.5, zweiter Absatz)

Abbildung 1 zeigt ein Beispiel für eine akzeptable spektrale Leistungsverteilung eines gefilterten Solarsimulators. Sie stammt aus der Quelle mit dotiertem Metallhalid, die im Validierungsversuch des 3T3-NRU-PT verwendet wurde (6) (8) (17). Die Wirkung der beiden verschiedenen Filter und der zusätzliche Filtereffekt des Deckels einer „96-well“-Zellkulturplatte werden hier dargestellt. Der H2-Filter wurde nur mit Testsystemen verwendet, die eine größere UVB-Menge tolerieren können (Hautmodelltest und Fotohämolysetest mit roten Blutzellen). Im 3T3-NRU-PT wurde der H1-Filter verwendet. Die Abbildung zeigt, dass der zusätzliche Filtereffekt des Plattendeckels in erster Linie im UVB-Bereich beobachtet wurde, so dass im Bestrahlungsspektrum noch genug UVB verbleibt, um Chemikalien zu erkennen, die typischerweise im UVB-Bereich absorbiert werden, z. B. Amiodaron (siehe Tabelle 1).

Abbildung 2

Bestrahlungsempfindlichkeit von Balb/c-3T3-Zellen (im UVA-Bereich gemessen)

Zellviabilität (Aufnahme von Neutralrot in % bei Dunkelkontrollen)

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(Siehe 1.4.1.5.2, zweiter Absatz, 1.4.2.2.1, 1.4.2.2.2)

Empfindlichkeit der Balb/c-3T3-Zellen gegen Bestrahlung durch den Solarsimulator, der im Validierungsversuch des 3T3-NRU-Fototoxizitätstests (nach Messung im UVA-Bereich) verwendet wird. Die Abbildung zeigt die in sieben verschiedenen Labors in der Vorvalidierungsstudie ermittelten Ergebnisse (1). Die beiden Kurven mit offenen Symbolen wurden mit gealterten Zellen ermittelt (hohe Passagenzahl), die durch neue Zellenbestände ersetzt werden mussten. Die Kurven mit fett gedruckten Symbolen zeigen Zellen mit einer ausreichenden Bestrahlungstoleranz.

Aus diesen Daten wurde die höchste nicht zytotoxische Bestrahlungsdosis von 5 J/cm2 abgeleitet (senkrechte gestrichelte Linie). Die waagerechte gestrichelte Linie zeigt zusätzlich die in Abschnitt 1.4.2.2 angegebene maximal zulässige Bestrahlungswirkung.

▼M3

B.42.    HAUTSENSIBILISIERUNG: LOKALER LYMPHKNOTENTEST

EINLEITUNG

1. Die OECD-Richtlinien für die Prüfung von Chemikalien und die auf ihnen beruhenden EU-Prüfmethoden werden regelmäßig überarbeitet, um dem wissenschaftlichen Fortschritt, sich ändernden Rechtsvorgaben und Belangen des Tierschutzes gerecht zu werden. Die ursprüngliche Prüfmethode zur Bestimmung der Hautsensibilisierung bei der Maus, der Lokale Lymphknotentest (Local Lymph Node Assay bzw. LLNA; OECD-Prüfrichtlinie 429; Kapitel B.42 dieses Anhangs), wurde bereits vor einiger Zeit zugelassen (1). Verschiedene Veröffentlichungen (2) (3) (4) (5) (6) (7) (8) (9) (10) (11) gehen genauer auf die Validierung des LLNA und auf die mit ihm verbundenen wissenschaftlichen Arbeiten ein. Der aktualisierte LLNA beruht auf der Auswertung von Experimenten und wissenschaftlichen Daten (12). Es handelt sich um die zweite Prüfmethode zur Bewertung des Hautsensibilisierungspotenzials von Chemikalien (Stoffen und Gemischen) bei Tieren. Die andere Prüfmethode (OECD-Prüfrichtlinie 406; Kapitel B.6 dieses Anhangs), namentlich der Meerschweinchen-Maximierungstest und der Bühler-Test, stützt sich auf Tests am Meerschweinchen (13). Der LLNA bietet gegenüber B.6 und OECD-Prüfrichtlinie 406 (13) gewisse Vorteile im Hinblick auf den Tierschutz. Die vorliegende aktualisierte LLNA-Prüfmethode beinhaltet eine Reihe von Leistungsstandards (Anlage 1) in Übereinstimmung mit den Grundsätzen des OECD-Leitliniendokuments Nr. 34 (14). Diese können zur Bewertung des Validierungsstatus neuer und/oder modifizierter Prüfmethoden herangezogen werden, die dem LLNA in funktionaler oder mechanistischer Weise ähnlich sind.

2. Bei dem LLNA wird die Induktionsphase der Hautsensibilisierung untersucht, und der Test liefert quantitative Daten für die Dosis-Wirkungs-Bewertungen. Es wird darauf hingewiesen, dass die leichten/mittelgradigen Sensibilisatoren, die als geeignete Positivkontrollen bei Prüfmethoden für Meerschweinchen empfohlen werden (B.6; OECD-Prüfrichtlinie 406) (13), ebenfalls für die Verwendung beim LLNA geeignet sind (6) (8) (15). Eine LLNA-Methode mit reduziertem Versuchstierbedarf (rLLNA), bei der bis zu 40 % weniger Tiere eingesetzt werden, wird ebenfalls als Option dieser Prüfmethode beschrieben (16) (17) (18). Der rLLNA kann verwendet werden, wenn aufgrund von Rechtsvorschriften lediglich die Bestätigung einer negativen Prädiktion des Hautsensibilisierungspotenzials gefordert ist, vorausgesetzt dass alle anderen Spezifikationen des LLNA-Protokolls, wie in dieser Prüfmethode beschrieben, eingehalten werden. Die Prädiktion eines negativen Ergebnisses sollte auf der Grundlage aller verfügbaren Informationen vorgenommen werden, wie in Absatz 4 beschrieben. Vor Anwendung der rLLNA-Methode sollten entsprechende Erläuterungen und eine wissenschaftliche Begründung für ihre Verwendung vorgelegt werden. Sollte der rLLNA entgegen allen Erwartungen zu einem positiven oder nicht eindeutigen Ergebnis führen, können weitere Tests erforderlich sein, um diese Daten zu deuten oder zu präzisieren. Der rLLNA sollte nicht für die Feststellung schädlicher Wirkungen von Prüfsubstanzen mit Hautsensibilisierungspotenzial verwendet werden, wenn Informationen über die Dosis-Wirkungs-Beziehung benötigt werden, wie z. B. als Unterkategorisierung für die Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen und das Global Harmonisierte System zur Einstufung und Kennzeichnung von Chemikalien der Vereinten Nationen.

BEGRIFFSBESTIMMUNGEN

3. Die verwendeten Begriffsbestimmungen sind in Anlage 2 aufgeführt.

AUSGANGSÜBERLEGUNGEN UND BEGRENZUNGEN

4. Mit dem LLNA steht eine alternative Methode zum Nachweis von Chemikalien mit potenziell hautsensibilisierenden Eigenschaften zur Verfügung. Dies bedeutet nicht notwendigerweise, dass der LLNA zwingend in jedem Fall anstelle der Meerschweinchen-Tests (B.6; OECD-Prüfrichtlinie 406) (13) eingesetzt werden muss. Vielmehr erweist er sich als gleichermaßen wertvoller Test und kann als Alternative gewählt werden, bei der im Allgemeinen keine weitere Bestätigung von positiven wie auch negativen Ergebnissen erforderlich ist. Das Prüflabor sollte vor der Durchführung der Studie alle verfügbaren Informationen über die Prüfsubstanz auswerten und berücksichtigen. Zu diesen Informationen zählen die Identität und die chemische Struktur der Prüfsubstanz, ihre physikalisch-chemischen Eigenschaften, die Ergebnisse aller sonstigen in vitro- oder in vivo-Toxizitätsprüfungen der Prüfsubstanz sowie toxikologische Daten zu strukturell verwandten Chemikalien. Diese Informationen sind zu berücksichtigen, um die Eignung des LLNA für die jeweilige Substanz festzustellen (bestimmte chemische Stoffe sind mit dem LLNA nicht kompatibel — siehe Absatz 5) und die Festlegung der Dosis zu erleichtern.

5. Beim LLNA handelt es sich um eine in vivo-Methode. Das bedeutet, dass die kontaktsensibilisierenden Eigenschaften weiterhin an Tieren bewertet werden. Der Test erlaubt es jedoch, die Anzahl der für diesen Zweck benötigten Tiere zu reduzieren. Es kommt hinzu, dass der LLNA eine substanzielle Verfeinerung (weniger Schmerzen und Leiden) im Hinblick auf die Behandlung der Versuchstiere bei Tests auf allergische Kontaktsensibilisierung darstellt. Der LLNA beruht auf der Bewertung immunologischer Reaktionen, die während der Induktionsphase der Sensibilisierung durch chemische Stoffe ausgelöst werden. Anders als die Tests an Meerschweinchen (B.6; OECD-Prüfrichtlinie 406) (13), erfordert der LLNA nicht, dass provozierte Überempfindlichkeitsreaktionen der Haut ausgelöst werden. Außerdem wird beim LLNA, anders als beim Meerschweinchen-Maximierungstest, auf den Einsatz eines Adjuvans verzichtet (13). Daher erleiden die Tiere beim LLNA weniger Schmerzen und Qualen. Trotz der Vorteile, die der LLNA gegenüber B.6 und OECD-Prüfrichtlinie 406 aufweist, sollte nicht verkannt werden, dass er mit gewissen Einschränkungen behaftet ist, die die Anwendung von Kapitel B.6 oder OECD-Prüfrichtlinie 406 (13) erforderlich machen können (z. B. falsch negative Ergebnisse des LLNA bei bestimmten Metallen, falsch positive Ergebnisse bei bestimmten hautreizenden Stoffen [wie etwa bei tensidähnlichen Chemikalien] (19) (20), oder Löslichkeit der Prüfsubstanz). Zudem können chemische Klassen oder Substanzen mit Funktionsgruppen, die erwiesenermaßen als potenzielle Verwechslungsfaktoren wirken können (21), den Einsatz von Meerschweinchen-Tests erforderlich machen (B.6; OECD-Prüfrichtlinie 406) (13). Angesichts der begrenzten Validierungsdaten, die im Wesentlichen auf Pestizidformulierungen beruhen, ist die Wahrscheinlichkeit positiver Ergebnisse für diese Art von Prüfsubstanzen beim LLNA größer als beim Meerschweinchen-Test (22). Bei der Prüfung von Formulierungen könnte man jedoch in Erwägung ziehen, ähnliche Stoffe mit bekannten Ergebnissen als Vergleichssubstanzen einzuschließen, um das ordnungsgemäße Funktionieren des LLNA nachzuweisen (siehe Absatz 16). Abgesehen von diesen bekannten Beschränkungen dürfte der LLNA für die Prüfung aller Substanzen geeignet sein, sofern mit diesen Substanzen keine Eigenschaften verbunden sind, die die Genauigkeit des LLNA beeinträchtigen könnten.

PRINZIP DER PRÜFMETHODE

6. Der LLNA beruht auf dem Prinzip, dass sensibilisierende Stoffe eine Lymphozytenproliferation in den drainierenden Lymphknoten an der Stelle der Applikation des chemischen Stoffes induzieren. Diese Proliferation verläuft proportional zur Dosis und zur Wirkstärke des applizierten Allergens und bietet sich als einfache Möglichkeit an, eine quantitative Messung der Sensibilisierung zu erhalten. Die Proliferation wird gemessen, indem man die mittlere Proliferation jeder Prüfgruppe mit der mittleren Proliferation der mit Vehikel behandelten Kontrollgruppe (VK) vergleicht. Das Verhältnis der mittleren Proliferation in jeder Behandlungsgruppe zu dem in der gleichzeitigen Vehikelkontrollgruppe, auch als Stimulationsindex (SI) bezeichnet, wird festgelegt und sollte ≥ 3 betragen, ehe eine Prüfsubstanz als potenzieller Hautsensibilisator klassifiziert wird. Die hier beschriebenen Methoden beruhen auf der Nutzung der radioaktiven in vivo-Markierung zur Messung einer erhöhten Anzahl proliferierender Zellen in den drainierenden aurikulären Lymphknoten. Allerdings kann man sich bei der Bewertung der Anzahl proliferierender Zellen auch auf andere Endpunkte stützen, sofern die Leistungsstandards vollständig eingehalten werden (Anlage 1).

BESCHREIBUNG DER PRÜFMETHODE

Auswahl von Versuchstierarten

7. Für diesen Test ist die Maus die Spezies der Wahl. Es werden junge ausgewachsene weibliche Mäuse (CBA/Ca- oder CBA/J-Stamm) verwendet, die weder geworfen haben noch trächtig sind. Bei Versuchsbeginn sollten die Tiere 8-12 Wochen alt sein; die Gewichtsunterschiede sollten minimal sein und 20 % des mittleren Gewichts nicht übersteigen. Alternativ können Tests an anderen Stämmen und männlichen Tieren erfolgen, wenn anhand von hinlänglich großen Datenangaben nachgewiesen werden kann, dass keine signifikanten stamm- und/oder geschlechtsspezifischen Unterschiede in der Reaktion auf den LLNA bestehen.

Haltungs- und Fütterungsbedingungen

8. Mäuse sollten in Gruppen gehalten werden (23), wenn nicht angemessene wissenschaftliche Begründungen eine Einzelhaltung nahelegen. Die Temperatur im Versuchsraum sollte 22 ± 3 °C betragen. Obwohl die relative Luftfeuchtigkeit mindestens 30 % betragen und zu anderen Zeiten als während der Reinigung vorzugsweise nicht über 70 % liegen soll, ist ein Wert von 50-60 % anzustreben. Die Beleuchtung sollte künstlich sein und die Hell- und Dunkelphasen sollten sich im Abstand von 12 Stunden abwechseln. An die Versuchstiere kann herkömmliches Laborfutter verfüttert werden, und eine unbegrenzte Trinkwasserversorgung ist zu gewährleisten.

Vorbereitung der Tiere

9. Die Tiere werden nach Zufallskriterien ausgewählt, zur individuellen Identifizierung gekennzeichnet (aber nicht am Ohr) und vor Beginn der Dosierung für einen Zeitraum von mindestens 5 Tagen in ihren Käfigen an die Laborbedingungen gewöhnt. Vor Behandlungsbeginn werden alle Tiere untersucht, um sicherzustellen, dass keine sichtbaren Hautverletzungen bestehen.

Vorbereitung der Dosierlösungen

10. Feste Chemikalien sollten vor der Applikation in ein Mäuseohr in Lösungsmitteln/Vehikeln gelöst oder suspendiert und ggf. verdünnt werden. Flüssige Chemikalien können direkt appliziert oder zuvor verdünnt werden. Unlösliche Chemikalien, wie sie in der Regel in Medizinprodukten vorliegen, sollten vor der Applikation in ein Mäuseohr in einem geeigneten Lösungsmittel einer übertrieben starken Extraktion unterzogen werden, um alle extrahierbaren Inhaltsstoffe vor der Prüfung sichtbar zu machen. Die Prüfsubstanzen sollten täglich zubereitet werden, es sei denn, die Stabilität der Substanz bei Lagerung wird nachgewiesen.

Überprüfung der Zuverlässigkeit:

11. Anhand von positiven Kontrollchemikalien (PC) wird die ordnungsgemäße Leistung des Tests nachgewiesen. Hierzu ist eine angemessene und reproduzierbare Empfindlichkeit der Reaktion auf eine sensibilisierende Prüfsubstanz erforderlich, wobei die Reaktionsstärke gut charakterisiert ist. Es wird die Einbeziehung einer gleichzeitigen Positivkontrolle empfohlen, da diese die Fähigkeit des Labors belegt, jeden Test erfolgreich durchzuführen und eine Bewertung der Wiederholbarkeit und Vergleichbarkeit zwischen verschiedenen Labors ermöglicht. Eine Positivkontrolle für jede Studie wird auch von einigen Regulierungsbehörden vorgeschrieben. Daher wird Anwendern empfohlen, vor Durchführung des LLNA die zuständigen Behörden zu konsultieren. Dementsprechend wird die routinemäßige Verwendung einer gleichzeitigen Positivkontrolle angeraten, um die Notwendigkeit zusätzlicher Tierversuche zur Erfüllung von Anforderungen, die aus der Verwendung einer nur periodischen Positivkontrolle resultieren könnten, zu vermeiden (siehe Absatz 12). Die PC sollte eine positive Reaktion auf den LLNA bei einem Expositionsniveau hervorrufen, das einen Anstieg des Stimulationsindex (SI > 3 im Vergleich zur Negativkontrollgruppe, NK) bewirkt. Die positive Kontrolldosis soll so gewählt werden, dass sie keine übermäßige Hautreizung oder systemische Toxizität verursacht und die Induktion reproduzierbar, aber nicht exzessiv ist (d. h. ein SI > 20 wäre exzessiv). Bevorzugte positive Kontrollstoffe sind 25 % Hexylcinnaminaldehyd (Chemical Abstracts Service [CAS]-Nr. 101-86-0) in Aceton: Olivenöl (4:1, v/v) und 5 % Mercaptobenzothiazol (CAS-Nr. 149-30-4) in N,N-Dimethylformamid (siehe Anhang 1, Tabelle 1). Unter bestimmten Umständen können in ausreichend begründeten Fällen andere Kontrollsubstanzen eingesetzt werden, die den genannten Kriterien entsprechen.

12. Obwohl die Einbeziehung einer gleichzeitigen Positivkontrollgruppe empfohlen wird, können in gewissen Situationen periodische Prüfungen (d. h. in Abständen ≤ 6 Monaten) der Positivkontrolle für Labors ausreichen, die den LLNA regelmäßig (d. h. mindestens einmal pro Monat) durchführen und über eine etablierte historische Kontrolldatenbasis verfügen, die die Fähigkeit des Labors bestätigt, reproduzierbare und genaue Ergebnisse mit Positivkontrollen zu erzielen. Eine angemessene Beherrschung des LLNA kann erfolgreich nachgewiesen werden, indem durchgehend positive Ergebnisse mit den positiven Kontrollchemikalien in mindestens 10 unabhängigen Prüfungen erzielt werden, die innerhalb eines angemessenen Zeitraums (d. h. in weniger als einem Jahr) durchgeführt wurden.

13. Eine gleichzeitige Positivkontrollgruppe sollte immer einbezogen werden, wenn Verfahrensänderungen im LLNA auftreten (z. B. Wechsel des geschulten Personals, Änderung der Materialien bei den Prüfmethoden und/oder der Reagenzien, Änderung der Ausrüstung, Änderung der Herkunft der Versuchstiere). Solche Änderungen sollten in Laborberichten dokumentiert werden. Ferner ist der Einfluss dieser Änderungen auf die Aussagefähigkeit der zuvor eingerichteten historischen Datenbank zu bedenken. Dabei sollte die Notwendigkeit überdacht werden, eine neue historische Datenbank einzurichten, um die gleichbleibende Qualität der positiven Kontrollergebnisse zu dokumentieren.

14. Die Prüfer sollten sich der Tatsache bewusst sein, dass die Entscheidung, eine PC-Studie periodisch statt gleichzeitig durchzuführen, Auswirkungen auf die Aussagefähigkeit und Akzeptanz negativer Studienergebnisse haben kann, die ohne gleichzeitige Positivkontrolle im Zeitraum zwischen den einzelnen periodischen PC-Studien auftreten können. Wenn zum Beispiel ein falsch negatives Ergebnis in der periodischen PC-Studie auftritt, können negative Ergebnisse für die Prüfsubstanz, die in dem Zeitraum zwischen der letzten akzeptablen periodischen PC-Studie und der inakzeptablen periodischen PC-Studie aufgetreten waren, in Frage gestellt werden. Die Auswirkungen solcher Ergebnisse sollten sorgfältig bedacht werden, wenn entschieden wird, ob gleichzeitige oder nur periodische PC-Studien durchgeführt werden sollen. Auch ist die Verwendung einer geringeren Anzahl an Versuchstieren bei der gleichzeitigen Positivkontroll-Gruppe zu bedenken, wenn dies wissenschaftlich zu begründen ist und wenn das Labor auf der Grundlage laborspezifischer historischer Daten nachweist, dass eine geringere Anzahl an Mäusen ausreicht (12).

15. Obwohl eine positive Kontrollchemikalie in dem Vehikel geprüft werden sollte, von dem bekannt ist, dass es eine gleichbleibende Reaktion hervorruft (z. B. Aceton: Olivenöl; 4:1, v/v), können in bestimmten Rechtssituationen auch Prüfungen in einem Nichtstandard-Vehikel (klinisch/chemisch relevante Formulierung) erforderlich sein (24). Wenn die gleichzeitige Positivkontrolle in einem anderen Vehikel als der Prüfsubstanz getestet wird, sollte eine gesonderte Vehikelkontrolle für die gleichzeitige PC einbezogen werden.

16. In Fällen, in denen Prüfsubstanzen einer bestimmten chemischen Klasse oder eine Reihe von Reaktionen bewertet werden, können Referenzsubstanzen nützlich sein, um nachzuweisen, dass die Prüfmethode zur Feststellung des Hautsensibilisierungspotenzials dieser Art von Substanzen ordnungsgemäß funktioniert. Geeignete Referenzsubstanzen sollten die folgenden Eigenschaften haben:

 strukturelle und funktionale Ähnlichkeit mit der Klasse der getesteten Prüfsubstanz;

 bekannte physikalische/chemische Eigenschaften;

 zugrunde liegende Daten aus dem LLNA;

 zugrunde liegende Daten aus anderen Tiermodellen und/oder von Menschen.

TESTVERFAHREN

Anzahl der Versuchstiere und Dosierungen

17. Mindestens vier Tiere pro Dosisgruppe mit jeweils mindestens drei Konzentrationen der Prüfsubstanz werden benötigt; zusätzlich braucht man eine Negativkontrollgruppe, die nur mit dem Vehikel für die Prüfsubstanz behandelt wird, sowie eine Positivkontrolle (gleichzeitig oder jüngeren Datums, auf der Grundlage der Laborvorschriften in den relevanten Abschnitten 11-14. Tests mit Mehrfachdosen der PC sollten in Erwägung gezogen werden, insbesondere wenn die Positivkontrolle intermittierend getestet wird. Bis auf die Verabreichung der Prüfsubstanz sind die Tiere der Kontrollgruppen ebenso zu behandeln wie die Tiere der Behandlungsgruppen.

18. Die Auswahl der Dosis und des Vehikels soll anhand der Empfehlungen in (3) (5) erfolgen. Für aufeinanderfolgende Dosierungen werden normalerweise geeignete abgestufte Konzentrationen gewählt, wie z. B. 100 %, 50 %, 25 %, 10 %, 5 %, 2,5 %, 1 %, 0,5 % usw. Die Auswahl der Konzentrationsfolge sollte angemessen wissenschaftlich begründet werden. Alle vorhandenen toxikologischen Angaben (z. B. über die akute Toxizität und Hautreizung) sowie strukturelle und physiochemische Angaben zu der jeweiligen Prüfsubstanz (und/oder strukturverwandten Substanzen) sollten bei der Festlegung von drei aufeinander folgenden Konzentrationen berücksichtigt werden, so dass bei der höchsten Konzentration einerseits die Exposition maximiert und andererseits eine systemische Toxizität und/oder eine übermäßige lokale Hautreizung ausgeschlossen werden (3) (25). Mangels solcher Informationen kann ein anfänglicher Dosisfindungstest erforderlich sein (siehe Absätze 21-24).

19. Das Vehikel sollte das Testergebnis nicht beeinflussen oder beeinträchtigen und sollte so gewählt werden, dass die Löslichkeit zur Erzielung einer möglichst hohen Konzentration maximiert und gleichzeitig eine für das Applizieren der Prüfsubstanz geeignete Lösung/Suspension hergestellt werden kann. Empfohlene Vehikel sind Aceton: Olivenöl (4:1, v/v), N,N-Dimethylformamid, Methylethylketon, Propylenglykol und Dimethylsulphoxid (19), wobei mit hinreichender wissenschaftlicher Begründung auch andere Vehikel verwendet werden können. Unter bestimmten Umständen muss ein klinisch relevantes Lösungsmittel oder die handelsübliche Zubereitung, in der die Prüfsubstanz vermarktet wird, als zusätzliche Kontrolle genutzt werden. Besondere Sorgfalt sollte darauf verwendet werden, zu gewährleisten, dass in das Vehikelsystem durch die Verwendung geeigneter Lösungsvermittler (z. B. 1 % Pluronic® L92) hydrophile Stoffe eingearbeitet werden, die die Haut befeuchten und nicht sofort ablaufen. Folglich sind vollständig wässrige Vehikel zu vermeiden.

20. Die Bearbeitung von Lymphknoten einzelner Mäuse ermöglicht die Bewertung der Variabilität von Tieren sowie einen statistischen Vergleich zwischen der Prüfsubstanz und Messungen an der Vehikelkontrollgruppe (siehe Absatz 35). Zudem besteht eine realistische Möglichkeit, die Anzahl der Mäuse in der Positivkontrollgruppe zu verringern, wenn Einzeltierdaten erhoben werden (12). Außerdem verlangen einige Regulierungsbehörden die Erhebung von Daten einzelner Tiere. Dennoch werden gepoolte Tierdaten von einigen Regulierungsbehörden als akzeptabel erachtet. In dieser Situation können Benutzer wahlweise einzelne oder gepoolte Tierdaten verwenden.

Dosisfindungstest

21. Wenn über die höchst mögliche Dosierung keine Informationen vorliegen (siehe Absatz 18), sollte ein Dosisfindungstest durchgeführt werden, um die geeignete Dosierung für den LLNA festzulegen. Der Dosisfindungstest soll eine Orientierung bei der Auswahl der höchst möglichen Dosisstufe für die Hauptuntersuchung des LLNA in Fällen liefern, in denen keine Informationen über Konzentrationen vorliegen, die zur systemischen Toxizität (siehe Absatz 24) und/oder zu übermäßiger Hautreizung führen (siehe Absatz 23). Die höchsten geprüften Dosisstufen sollten 100 % der Prüfsubstanz bei Flüssigkeiten bzw. die höchst möglichen Konzentrationen bei Feststoffen oder Suspensionen sein.

22. Der Dosisfindungstest wird unter Bedingungen durchgeführt, die denen der Hauptstudie des LLNA genau entsprechen. Allerdings gibt es hier keine Bewertung der Lymphknotenproliferation und es können weniger Tiere pro Dosisgruppe eingesetzt werden. Es werden ein oder zwei Tiere pro Dosisgruppe empfohlen. Alle Mäuse werden täglich auf klinische Zeichen für systemische Toxizität oder lokale Reizungen an der Applikationsstelle untersucht. Das Körpergewicht wird vor dem Test und vor dem Abschluss (Tag 6) protokolliert. Beide Ohren jeder Maus werden auf Anzeichen für Erytheme untersucht und mit Hilfe von Tabelle 1 bewertet (25). Die Ohrdicke wird mit Hilfe eines Ohrdickenmessgeräts (z. B. digitaler Mikrometer oder Peacock Dickenmessuhr) an Tag 1 vor der Dosierung, Tag 3 (ca. 48 Stunden nach der ersten Dosis) und Tag 6 bestimmt. Zusätzlich kann an Tag 6 die Ohrdicke durch die Gewichtsbestimmung von Ohrstanzproben ermittelt werden. Dies sollte nach der tierschutzgerechten Tötung der Tiere erfolgen. Eine übermäßige lokale Hautreizung wird durch eine Erythem-Punktzahl von ≥ 3 und/oder eine Zunahme der Ohrdicke von ≥ 25 % an jedem beliebigen Messtag angezeigt (26) (27). Als höchste Dosis für die Hauptuntersuchung des LLNA wird die nächst niedrigere Dosis in der Konzentrationsreihe des Dosisfindungstests gewählt (siehe Absatz 18), die keine systemische Toxizität und/oder übermäßige lokale Hautreizung verursacht.



Tabelle 1

Erythem-Klassifizierung

Beobachtung

Punktzahl

Kein Erythem

0

Sehr leichtes Erythem (kaum wahrnehmbar)

1

Klar abgegrenztes Erythem

2

Mäßiges bis ausgeprägtes Erythem

3

Schweres Erythem (dunkelrot) bis hin zur Schorfbildung, so dass eine Bewertung nicht möglich ist

4

23. Zusätzlich zu einer Zunahme der Ohrdicke um 25 % (26) (27) wurde ein statistisch signifikanter Anstieg der Ohrdicke bei den behandelten Mäusen im Vergleich zu den Kontrollmäusen zugrunde gelegt, um Reizstoffe in dem LLNA zu identifizieren (28) (29) (30) (31) (32) (33) (34). Obwohl ein statistisch signifikanter Anstieg der Ohrdicke von weniger als 25 % auftreten kann, konnte kein spezifischer Zusammenhang mit einer übermäßigen Hautreizung festgestellt werden (30) (32) (33) (34).

24. Die folgenden klinischen Beobachtungen können, sofern sie Bestandteil einer Gesamtbewertung sind, auf systemische Toxizität hinweisen (35) (36) und somit die höchst mögliche Dosisstufe für die Hauptuntersuchung des LLNA anzeigen: Änderungen der Funktionen des Nervensystems (z. B. Piloerektion, Ataxie, Tremor und Krämpfe); Verhaltensänderungen (z. B. Aggressivität, Änderungen bei der Fellpflege, auffallende Änderung des Aktivitätsniveaus); Änderungen des Atemmusters (d. h. Änderung der Häufigkeit und Intensität des Atmens wie Dyspnoe, Keuchen, rasselnder Atem) sowie Änderungen der Futter- und Wasseraufnahme. Zusätzlich sollten Anzeichen von Lethargie und/oder Teilnahmslosigkeit sowie alle klinischen Anzeichen für mehr als leichte oder momentane Schmerzen und Qual, eine Gewichtsreduktion von > 5 % zwischen Tag 1 und Tag 6 und die Sterblichkeit in der Bewertung berücksichtigt werden. Moribunde Tiere oder Tiere, die Anzeichen starker und andauernder Qualen zeigen, sollten tierschutzgerecht getötet werden (37).

Versuchsplan der Hauptuntersuchung

25. Der Versuchsplan des Tests ist wie folgt:

Tag 1 : Jedes Tier wird einzeln gekennzeichnet und das Gewicht sowie jede klinische Beobachtung werden protokolliert. Es werden 25 μL der Prüfsubstanz in der geeigneten Verdünnung, des Vehikels allein oder der Positivkontrolle (gleichzeitig oder jüngeren Datums gemäß den Laborvorschriften in den relevanten Abschnitten 11-15) auf die Rückseite jedes Ohrs appliziert.

Tage 2 und 3 : Die am Tag 1 durchgeführte Applikationsprozedur wird wiederholt.

Tage 4 und 5 : Keine Behandlung.

Tag 6 : Das Gewicht jedes Tiers wird protokolliert. Es werden 250 μL sterile phosphatgepufferte Kochsalzlösung (PBS) mit 20 μCi (7,4×105 Bq) von tritiiertem (3H)-Methylthymidin in die Schwanzvenen aller Mäuse in den Prüf- und Kontrollgruppen injiziert. Alternativ dazu können 250 μL sterile PBS mit 2 μCi (7,4×104 Bq) von 125I-Ioddeoxyuridin und 10-5M Fluorodeoxyuridin in die Schwanzvenen aller Mäuse injiziert werden. Fünf Stunden (5 h) später werden die Tiere tierschutzgerecht getötet. Die drainierenden aurikulären Lymphknoten jedes Mäuseohrs werden entfernt und für jedes Tier in PBS gepoolt (Einzeltiermethode); alternativ hierzu können auch die Lymphknoten jedes Ohrs entfernt und für jede der Versuchsgruppen in PBS gepoolt werden (Methode der gepoolten Behandlungsgruppe). Einzelheiten und Diagramme der Lymphknotenidentifikation und -entfernung sind unter Referenz (12) aufgeführt. Zur weiteren Kontrolle der lokalen Hautreaktion in der Hauptuntersuchung können zusätzliche Parameter wie die Auswertung des Ohr-Erythems oder Ohrdickemessungen (mittels eines Dickenmessgeräts oder durch die Gewichtsbestimmung von Ohrstanzproben bei der Nekropsie) in das Untersuchungsprotokoll aufgenommen werden.

Vorbereitung der Zellsuspensionen

26. Aus den Lymphknotenzellen (LNC), die mittels der Einzeltiermethode oder mittels der Methode der gepoolten Behandlungsgruppe paarweise entnommen wurden, wird durch vorsichtigen mechanischen Aufschluss in einem Edelstahlfilter mit einer Maschenweite von 200 Mikron oder mittels einer anderen geeigneten Technik eine Einzelzellsuspension hergestellt. Die LNC werden zweimal mit einem Überschuss an PBS gewaschen und die DNA wird bei 4 °C 18 Stunden lang mit 5 %iger Trichloressigsäure (TCA) ausgefällt (3). Die Pellets werden entweder in 1 mL TCA resuspendiert und in Szintillationsfläschchen eingetragen, die 10 mL einer Szintillationsflüssigkeit für die 3H-Zählung enthalten, oder direkt in Gammazähler zur 125I-Bestimmung überführt.

Bestimmung der Zellproliferation (der aufgenommenen Radioaktivität)

27. Die Aufnahme von 3H-Methylthymidin wird mittels β-Szintillationszählung als Zerfallsereignisse pro Minute (disintegrations per minute; DPM) gemessen. Die Aufnahme von 125I-Ioddeoxyuridin wird mittels 125I-Zählung bestimmt und ebenfalls als DPM angegeben. In Abhängigkeit von der genutzten Methode wird die Aufnahme als DPM/Maus (Einzeltiermethode) oder als DPM/Behandlungsgruppe (Methode der gepoolten Behandlungsgruppe) angegeben.

Reduzierter LLNA

28. In gewissen Situationen, in denen aufgrund von Rechtsvorschriften lediglich die Bestätigung einer negativen Prädiktion über das Hautsensibilisierungspotenzial gefordert ist, kann ein optionales rLLNA-Protokoll (16) (17) (18) mit weniger Versuchstieren verwendet werden, vorausgesetzt dass alle anderen Protokollspezifikationen für den LLNA in dieser Prüfmethode eingehalten werden. Vor Einsatz des rLLNA sollten entsprechende Erläuterungen und eine wissenschaftliche Begründung für seine Verwendung vorgelegt werden. Sollte ein positives oder nicht eindeutiges Ergebnis erzielt werden, können weitere Tests erforderlich sein, um diese Daten zu deuten oder zu klären.

29. Die zahlenmäßige Reduktion der Dosisgruppen ist der einzige Unterschied zwischen den Prüfmethodenprotokollen des LLNA und des rLLNA. Aus diesem Grund liefert der rLLNA keine Informationen über die Dosis-Wirkungs-Beziehung. Der rLLNA sollte folglich nicht eingesetzt werden, wenn Informationen über die Dosis-Wirkungs-Beziehung benötigt werden. Ebenso wie im Multidosis-LLNA sollte die im rLLNA bewertete Konzentration der Prüfsubstanz die höchst mögliche Konzentration sein, die keine offensichtliche systemische Toxizität und/oder übermäßige lokale Hautreizung bei der Maus verursacht (siehe Absatz 18).

BEOBACHTUNGEN

Klinische Beobachtungen

30. Jede Maus sollte mindestens einmal täglich sorgfältig auf klinische Zeichen, d. h. lokale Reizung an der Applikationsstelle, oder auf systemische Toxizität untersucht werden. Alle Beobachtungen werden systematisch in Einzelprotokollen dokumentiert, die für jedes Tier geführt werden. Die Überwachungspläne sollten Kriterien beinhalten, anhand derer Mäuse mit systemischer Toxizität, übermäßiger lokaler Hautreizung oder Hautätzung schnell zu Zwecken der schmerzlosen Tötung identifiziert werden können (37).

Körpergewicht

31. In Abschnitt 25 wurde bereits ausgeführt, dass das Körpergewicht der einzelnen Tiere zu Versuchsbeginn und zum Zeitpunkt der tierschutzgerechten Tötung der Tiere laut Versuchsplan festgestellt werden soll.

BERECHNUNG DER ERGEBNISSE

32. Die Ergebnisse für jede Behandlungsgruppe werden als Stimulationsindex (SI) angegeben. Bei Einsatz der Einzeltiermethode erhält man den SI durch Teilen der mittleren DPM pro Maus innerhalb jeder Prüfgruppe und der Positivkontrollgruppe durch die mittleren DPM pro Maus für die Lösungsmittel/Vehikelkontrollgruppe. Der durchschnittliche SI beträgt demnach für die mit Vehikel behandelten Kontrollen 1. Bei Einsatz der Methode der gepoolten Behandlungsgruppe erhält man den SI, indem die für jede Behandlungsgruppe ermittelte Gesamtaufnahme an Radioaktivität durch die Aufnahme in der gepoolten Vehikelkontrollgruppe dividiert wird; hieraus ergibt sich der mittlere SI.

33. In dem Entscheidungsprozess gilt ein Ergebnis als positiv, wenn der SI ≥ 3 ist. Die Stärke der Dosis-Wirkung, die statistische Signifikanz und die gleichbleibende Qualität der Lösungsmittel-/Vehikel-Reaktion sowie der Reaktion der Positivkontrolle können aber auch benutzt werden, um festzulegen, ob ein Grenzergebnis als positiv bezeichnet werden soll (4) (5) (6).

34. Sofern Klärungsbedarf in Bezug auf die Ergebnisse besteht, sollten die verschiedenen Eigenschaften der Prüfsubstanz beachtet werden, wobei es unter anderem zu klären gilt, ob ein struktureller Zusammenhang mit bekannten Hautsensibilisatoren besteht, ob sie eine übermäßige lokale Hautreizung bei der Maus hervorruft und wie die festgestellte Art der Reaktion bezüglich der Dosis ist. Diese und weitere Aspekte werden an anderer Stelle ausführlich erörtert (7).

35. Werden die Daten zur Radioaktivität für jede einzelne Maus erhoben, kann eine statistische Analyse zu Vorhandensein und Grad des Dosis-Wirkungs-Verhältnisses in den Daten durchgeführt werden. Jede statistische Auswertung könnte eine Bewertung der Dosis-Wirkungs-Beziehung sowie geeignete Testgruppen-Vergleiche beinhalten (z. B. Gruppe mit paarweiser Dosierung gegen gleichzeitige Vehikelkontrollgruppe). Die statistischen Analysen könnten z. B. die lineare Regression, den Williams-Test zur Bewertung von Dosis-Wirkungs-Trends oder den Dunnett-Test für paarweise Vergleiche beinhalten. Bei der Auswahl einer geeigneten Methode für die statistische Analyse sollte sich der Prüfer möglicher ungleicher Varianzen und anderer damit zusammenhängender Probleme stets bewusst sein, denn diese erfordern unter Umständen eine Datentransformation oder ein nicht-parametrisches statistisches Verfahren. Auf jeden Fall muss der Prüfer unter Umständen SI-Berechnungen und statistische Analysen mit und ohne bestimmte Datenpunkte (manchmal als „Ausreißer“ bezeichnet) vornehmen.

DATEN UND BERICHTERSTATTUNG

Daten

36. Die Daten sind in tabellarischer Form zusammenzufassen. Bei Einsatz der Einzeltiermethode sollten sie die DPM-Einzelwerte, die mittleren DPM-Gruppenwerte pro Tier, die damit verbundene Fehlervariable (z. B. SD, SEM) und den mittleren SI für jede Dosisgruppe, verglichen mit der gleichzeitigen Vehikelkontrollgruppe angeben. Bei Einsatz der Methode der gepoolten Behandlungsgruppe werden die mittleren/medianen DPM und der mittlere SI für jede Dosisgruppe mit der gleichzeitigen Vehikelkontrollgruppe verglichen.

Prüfbericht

37. Der Testbericht sollte folgende Angaben enthalten:

Prüf- und Kontrollsubstanzen:

 Angaben zur Identität (z. B. CAS-Nummer und EG-Nummer, falls vorhanden; Bezugsquelle; Reinheit; bekannte Verunreinigungen; Chargennummer);

 physikalische Beschaffenheit und physikalisch-chemische Eigenschaften (z. B. Flüchtigkeit, Stabilität, Löslichkeit);

 bei Mischungen Zusammensetzung und relative Anteile der Bestandteile in Prozent;

Lösungsmittel/Vehikel:

 Angaben zur Identität (Reinheit, Konzentration, gegebenenfalls verwendete Mengen);

 Begründung für die Wahl des Vehikels;

Versuchstiere:

 Herkunft der CBA-Mäuse;

 mikrobiologischer Status der Tiere, soweit bekannt;

 Anzahl und Alter der Tiere;

 Herkunft der Tiere, Haltungsbedingungen, Futter usw.;

Prüfbedingungen:

 Angaben zur Vorbereitung und Applikation der Prüfsubstanz;

 Begründung der gewählten Dosierung (mit Ergebnissen des eventuell durchgeführten Dosisfindungstests);

 verwendete Konzentrationen des Vehikels und der Prüfsubstanz sowie Gesamtmenge der applizierten Prüfsubstanz;

 Angaben über Futter- und Wasserqualität (einschließlich Art/Herkunft des Futters, Wasserquelle);

 nähere Angaben zum Behandlungs- und Stichprobenentnahmeplan;

 Methoden zur Bestimmung der Toxizität;

 Kriterien zur Einstufung der Studien als positiv oder negativ;

 Einzelheiten zu eventuellen Protokollabweichungen und eine Erklärung dazu, wie sich diese Abweichung auf Prüfdesign und Ergebnisse auswirkt.

Überprüfung der Zuverlässigkeit:

 Zusammenfassende Darstellung der Ergebnisse der letzten Überprüfung der Zuverlässigkeit mit Angaben zu verwendeten Prüfsubstanzen, Konzentration und Vehikel;

 gleichzeitige und/oder historische PC und gleichzeitige Daten zur NK für das Prüflabor;

 wenn keine gleichzeitige PC eingeschlossen war, Datum und Laborbericht über die jüngste periodische PC sowie ein Bericht mit ausführlichen Angaben über die historischen positiven Kontrolldaten des Labors mit Angabe der Gründe, warum keine gleichzeitige PC genutzt wurde;

Ergebnisse:

 Gewicht der einzelnen Tiere bei Beginn der Prüfung und zum Zeitpunkt der Tötung laut Versuchsplan, sowie mittlere und zugehörige Fehlervariable (z. B. SD, SEM) für jede Behandlungsgruppe;

 Beginn und zeitlicher Verlauf der toxischen Erscheinungen für jedes Tier, einschließlich gegebenenfalls Hautreizungen an der Stelle der Verabreichung;

 eine Tabelle der DPM-Werte sowie der SI-Werte jeder einzelnen Maus (Einzeltiermethode) oder der mittleren/medianen Werte (Methode der gepoolten Behandlungsgruppe) jeder Behandlungsgruppe;

 mittlere verbundene Fehlervariable (z. B. SD, SEM) für DPM/Maus für jede Behandlungsgruppe sowie die Ergebnisse der Ausreißer-Analyse für jede Behandlungsgruppe bei Einsatz der Einzeltiermethode;

 berechneter SI und geeignete Messung der Variabilität, welche die Variabilität der Tiere sowohl in der Behandlungsgruppe als auch in der Kontrollgruppe berücksichtigt, sofern die Einzeltiermethode benutzt wird;

 Dosis-Wirkungs-Beziehung;

 gegebenenfalls statistische Analysen;

Diskussion der Ergebnisse:

 kurze Kommentierung der Ergebnisse, der Dosis-Wirkungs-Beziehung und gegebenenfalls statistische Analysen mit Schlussfolgerungen zur Frage, ob die Prüfsubstanz als Hautsensibilisator eingestuft werden soll.

LITERATUR

(1) OECD (2002), Skin Sensitisation: Local Lymph Node Assay. OECD Guideline for the Testing of Chemicals No 429, Paris. Abrufbar unter: [http://www.oecd.org/env/testguidelines]

(2) Kimber, I. and Basketter, D.A. (1992), The murine local lymph node assay; collaborative studies and new directions: A commentary, Food Chem. Toxicol., 30, 165-169.

(3) Kimber, I., Dearman, R.J., Scholes, E.W. and Basketter, D.A. (1994), The local lymph node assay: developments and applications, Toxicol., 93, 13-31.

(4) Kimber, I., Hilton, J., Dearman, R.J., Gerberick, G.F., Ryan, C.A., Basketter, D.A., Lea, L., House, R.V., Ladies, G.S., Loveless, S.E. and Hastings, K.L. (1998), Assessment of the skin sensitisation potential of topical medicaments using the local lymph node assay: An interlaboratory exercise, J. Toxicol. Environ. Health, 53, 563-79.

(5) Chamberlain, M. and Basketter, D.A. (1996), The local lymph node assay: status of validation, Food Chem. Toxicol., 34, 999-1002.

(6) Basketter, D.A., Gerberick, G.F., Kimber, I. and Loveless, S.E. (1996), The local lymph node assay: A viable alternative to currently accepted skin sensitisation tests, Food Chem. Toxicol., 34, 985-997.

(7) Basketter, D.A., Gerberick, G.F. and Kimber, I. (1998), Strategies for identifying false positive responses in predictive sensitisation tests, Food Chem. Toxicol., 36, 327-33.

(8) Van Och, F.M.M., Slob, W., De Jong, W.H., Vandebriel, R.J. and Van Loveren, H. (2000), A quantitative method for assessing the sensitising potency of low molecular weight chemicals using a local lymph node assay: employment of a regression method that includes determination of uncertainty margins, Toxicol., 146, 49-59.

(9) Dean, J.H., Twerdok, L.E., Tice, R.R., Sailstad, D.M., Hattan, D.G., Stokes, W.S. (2001), ICCVAM evaluation of the murine local lymph node assay: II. Conclusions and recommendations of an independent scientific peer review panel, Reg. Toxicol. Pharmacol, 34: 258-273.

(10) Haneke, K.E., Tice, R.R., Carson, B.L., Margolin, B.H., Stokes, W.S. (2001), ICCVAM evaluation of the murine local lymph node assay: III. Data analyses completed by the national toxicology program interagency center for the evaluation of alternative toxicological methods, Reg. Toxicol. Pharmacol, 34, 274-286.

(11) Sailstad, D.M., Hattan, D., Hill, R.N., Stokes, W.S. (2001), ICCVAM evaluation of the murine local lymph node assay: I. The ICCVAM review process, Reg. Toxicol. Pharmacol, 34: 249-257.

(12) ICCVAM (2009), Recommended Performance Standards: Murine Local Lymph Node Assay, NIH Publication Number 09-7357, Research Triangle Park, NC: National Institute of Environmental Health Sciences. Abrufbar unter: [http://iccvam.niehs.nih.gov/docs/immunotox_docs/llna-ps/LLNAPerfStds.pdf]

(13) OECD (1992), Skin Sensitisation. OECD Guideline for Testing of Chemicals No 406, OECD, Paris. Abrufbar unter: [http://www.oecd.org/env/testguidelines]

(14) OECD (2005), Guidance Document on the Validation and International Acceptance of New or Updated Test Methods for Hazard Assessment, Environment, Health and Safety Monograph, Series on Testing and Assessment No. 34, ENV/JM/MONO (2005)14, OECD, Paris. Abrufbar unter: [http://www.oecd.org/env/testguidelines]

(15) Dearman, R.J., Hilton, J., Evans, P., Harvey, P., Basketter, D.A. and Kimber, I. (1998), Temporal stability of local lymph node assay responses to hexyl cinnamic aldehyde, J. Appl. Toxicol., 18, 281-284.

(16) Kimber, I., Dearman, R.J., Betts, C.J., Gerberick, G.F., Ryan, C.A., Kern, P.S., Patlewicz, G.Y. and Basketter, D.A. (2006), The local lymph node assay and skin sensitisation: a cut-down screen to reduce animal requirements? Contact Dermatitis, 54, 181-185.

(17) ESAC (2007), Statement on the Reduced Local Lymph Node Assay (rLLNA), European Commission Directorate General, Joint Research Centre, Institute for Health and Consumer Protection, European Centre for the Validation of Alternative Methods, April 2007. Abrufbar unter: [http://ecvam.jrc.it/ft_doc/ESAC26_statement_rLLNA_20070525-1.pdf]

(18) ICCVAM (2009), The Interagency Coordinating Committee on the Validation of Alternative Methods (ICCVAM) Test Method Evaluation Report. The Reduced Murine Local Lymph Node Assay: An Alternative Test Method Using Fewer Animals to Assess the Allergic Contact Dermatitis Potential of Chemicals and Products, NIH Publication Number 09-6439, Research Triangle Park, NC: National Institute of Environmental Health Sciences. Abrufbar unter: [http://iccvam.niehs.nih.gov/]

(19) ICCVAM (1999), The Murine Local Lymph Node Assay: A Test Method for Assessing the Allergic Contact Dermatitis Potential of Chemicals/Compounds, The Results of an Independent Peer Review Evaluation Coordinated by the Interagency Coordinating Committee on the Validation of Alternative Methods (ICCVAM) and the National Toxicology Program Interagency Center for the Evaluation of Alternative Toxicological Methods (NICEATM), NIH Publication No. 99-4494, Research Triangle Park, NC: National Institute of Environmental Health Sciences. Abrufbar unter: [http://iccvam.niehs.nih.gov/docs/immunotox_docs/llna/llnarep.pdf]

(20) Kreiling, R., Hollnagel, H.M., Hareng, L., Eigler, L., Lee, M.S., Griem, P., Dreessen, B., Kleber, M., Albrecht, A., Garcia, C. and Wendel, A. (2008), Comparison of the skin sensitising potential of unsaturated compounds as assessed by the murine local lymph node assay (LLNA) and the guinea pig maximization test (GPMT), Food Chem. Toxicol., 46, 1896-1904.

(21) Basketter, D., Ball, N., Cagen, S., Carrilo, J.C., Certa, H., Eigler, D., Garcia, C., Esch, H., Graham, C., Haux, C., Kreiling, R. and Mehling, A. (2009), Application of a weight of evidence approach to assessing discordant sensitisation datasets: implications for REACH, Reg. Toxicol. Pharmacol., 55, 90-96.

(22) ICCVAM (2009), ICCVAM Test Method Evaluation Report. Assessment of the Validity of the LLNA for Testing Pesticide Formulations and Other Products, Metals, and Substances in Aqueous Solutions, NIH Publication Number 10-7512, Research Triangle Park, NC: National Institute of Environmental Health Sciences, Abrufbar unter: [http://iccvam.niehs.nih.gov/]

(23) ILAR (1996), Institute of Laboratory Animal Research (ILAR) Guide for the Care and Use of Laboratory Animals, 7th ed. Washington, DC: National Academies Press.

(24) McGarry, H.F. (2007), The murine local lymph node assay: regulatory and potency considerations under REACH, Toxicol., 238, 71-89.

(25) OECD (2002), Acute Dermal Irritation/Corrosion. OECD Guideline for Testing of Chemicals No. 404, Paris, France. Abrufbar unter: [http://www.oecd.org/document/40/0,3343,en_2649_34377_37051368_1_1_1_1,00.html]

(26) Reeder, M.K., Broomhead, Y.L., DiDonato, L. and DeGeorge, G.L. (2007), Use of an enhanced local lymph node assay to correctly classify irritants and false positive substances, Toxicologist, 96, 235.

(27) ICCVAM (2009), Non-radioactive Murine Local Lymph Node Assay: Flow Cytometry Test Method Protocol (LLNA: BrdU-FC) Revised Draft Background Review Document, Research Triangle Park, NC: National Institute of Environmental Health Sciences. Abrufbar unter: [http://iccvam.niehs.nih.gov/methods/immunotox/fcLLNA/BRDcomplete.pdf]

(28) Hayes, B.B., Gerber, P.C., Griffey, S.S. and Meade, B.J. (1998), Contact hypersensitivity to dicyclohexylcarbodiimide and diisopropylcarbodiimide in female B6C3F1 mice, Drug. Chem. Toxicol., 21, 195-206.

(29) Homey, B., von Schilling, C., Blumel, J., Schuppe, H.C., Ruzicka, T., Ahr, H.J., Lehmann, P. and Vohr, V.W. (1998), An integrated model for the differentiation of chemical-induced allergic and irritant skin reactions, Toxicol. Appl. Pharmacol., 153, 83-94.

(30) Woolhiser, M.R., Hayes, B.B. and Meade, B.J. (1998), A combined murine local lymph node and irritancy assay to predict sensitisation and irritancy potential of chemicals, Toxicol. Meth., 8, 245-256.

(31) Hayes, B.B. and Meade, B.J. (1999), Contact sensitivity to selected acrylate compounds in B6C3F1 mice: relative potency, cross reactivity, and comparison of test methods, Drug. Chem. Toxicol., 22, 491-506.

(32) Ehling, G., Hecht, M., Heusener, A., Huesler, J., Gamer, A.O., van Loveren, H., Maurer, T., Riecke, K., Ullmann, L., Ulrich, P., Vandebriel, R. and Vohr, H.W. (2005), A European inter-laboratory validation of alternative endpoints of the murine local lymph node assay: first round. Toxicol., 212, 60-68.

(33) Vohr, H.W. and Ahr, H.J. (2005), The local lymph node assay being too sensitive? Arch. Toxicol., 79, 721-728.

(34) Patterson, R.M., Noga, E. and Germolec, D. (2007), Lack of evidence for contact sensitisation by Pfiesteria extract, Environ. Health Perspect., 115, 1023-1028.

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(36) ICCVAM (2009), Report on the ICCVAM-NICEATM/ECVAM/JaCVAM Scientific Workshop on Acute Chemical Safety Testing: Advancing In Vitro Approaches and Humane Endpoints for Systemic Toxicity Evaluations. Research Triangle Park, NC: National Institute of Environmental Health Sciences, Abrufbar unter: http://iccvam.niehs.nih.gov/methods/acutetox/Tox_workshop.htm]

(37) OECD (2000), Guidance Document on the Recognition, Assessment and Use of Clinical Signs as Humane Endpoints for Experimental Animals Used in Safety Evaluation, Environmental Health and Safety Monograph, Series on Testing and Assessment No. 19, ENV/JM/MONO(2000)7, OECD, Paris. Abrufbar unter: [http://www.oecd.org/env/testguidelines]

Anlage 1

Leistungsstandards für die Bewertung vorgeschlagener ähnlicher oder modifizierter Llna-Prüfmethoden zur Einschätzung der Hautsensibilisierung

EINLEITUNG

1. Ziel der Leistungsstandards (Performance Standards; PS) ist es, die Grundlage zu vermitteln, auf der neue Prüfmethoden, seien diese geschützt (d. h. per Urheberrecht, Handelsmarken, eingetragene Marken) oder nicht geschützt, als ausreichend genau und zuverlässig für spezifische Prüfzwecke beurteilt werden können. Diese auf validierten und akzeptierten Prüfmethoden basierenden Leistungsstandards können verwendet werden, um die Zuverlässigkeit und Genauigkeit anderer vergleichbarer Methoden (umgangssprachlich als „Me-too“-Tests bezeichnet) zu bewerten, die auf ähnlichen wissenschaftlichen Prinzipien beruhen und denselben biologischen oder toxischen Effekt messen oder vorhersagen (14).

2. Vor der Annahme modifizierter Methoden (d. h. vorgeschlagener potenzieller Verbesserungen einer genehmigten Prüfmethode) sollte eine Bewertung erfolgen, um die Auswirkung der vorgeschlagenen Änderungen auf die Leistung des Tests und das Maß zu bewerten, in dem eine solche Änderung die verfügbare Information für andere Elemente des Validierungsprozesses beeinflusst. Je nach Anzahl und Art der vorgeschlagenen Änderungen, den generierten Daten und der Begleitdokumentation für diese Änderungen, sollten sie entweder dem für neue Tests beschriebenen Validierungsprozess, oder — gegebenenfalls — einer begrenzten Zuverlässigkeits- und Relevanzprüfung nach etablierten Leistungsstandards unterzogen werden (14).

3. Vorgeschlagene vergleichbare oder modifizierte Methoden zur Verwendung nach der vorliegenden Prüfmethode sollten anhand von Chemikalien, die die volle Bandbreite der LLNA-Einstufungen repräsentieren, auf ihre Zuverlässigkeit und Genauigkeit untersucht werden. Um den ungerechtfertigten Einsatz von Tieren zu vermeiden, wird Modell-Entwicklern nachdrücklich empfohlen, sich vor Beginn der Validierungsstudien in Übereinstimmung mit den in dieser Prüfmethode niedergelegten Leistungsstandards und Leitlinien an die zuständigen Behörden zu wenden.

4. Diese Leistungsstandards beruhen auf den US-ICCVAM, EC-ECVAM sowie den harmonisierten japanischen Leistungsstandards JaCVAM (12) und können zur Bewertung der Validität vergleichbarer oder modifizierter Versionen des LLNA herangezogen werden. Diese Leistungsstandards umfassen die wesentlichen Elemente der Prüfmethoden, empfohlene Referenzsubstanzen und die Standards für Genauigkeit und Zuverlässigkeit, welche die vorgeschlagene Methode erfüllen oder übertreffen sollten.

I.    Wesentliche Elemente der Prüfmethode

5. Um sicherzustellen, dass eine vergleichbare oder modifizierte LLNA-Methode dem LLNA funktionell und mechanistisch entspricht und dass sie dieselben biologischen Wirkungen misst, sollten die folgenden Elemente in das Protokoll der Prüfmethode aufgenommen werden:

 Die Prüfsubstanz sollte oberflächlich an beiden Mäuseohren appliziert werden.

 Die Lymphozytenproliferation sollte in den drainierenden Lymphknoten an der Stelle der Applikation der Prüfsubstanz gemessen werden.

 Die Lymphozytenproliferation sollte während der Induktionsphase der Hautsensibilisierung gemessen werden.

 Bei Prüfsubstanzen sollte die gewählte Höchstdosis die höchstmögliche Konzentration sein, die keine systemische Toxizität und/oder übermäßige lokale Hautreizung bei der Maus verursacht. Bei positiven Referenzsubstanzen sollte die höchste Dosis mindestens so hoch sein wie die LLNA EC3-Werte der entsprechenden Referenzsubstanzen (siehe Tabelle 1), ohne dass eine systemische Toxizität und/oder übermäßige lokale Hautreizung bei der Maus verursacht wird.

 In jede Studie sollte eine gleichzeitige Vehikelkontrolle aufgenommen werden sowie gegebenenfalls eine gleichzeitige Positivkontrolle.

 Es sollten mindestens vier Tiere pro Dosisgruppe verwendet werden.

 Es können entweder Einzeltierdaten oder gepoolte Daten verwendet werden.

Ist eines dieser Kriterien nicht erfüllt, können diese Leistungsstandards nicht zur Validierung der vergleichbaren oder modifizierten Methode verwendet werden.

II.    Mindestliste der Referenzsubstanzen

6. Die US-ICCVAM, EC-ECVAM und die harmonisierten japanischen Leistungsstandards JaCVAM PS (12) geben 18 Mindest-Referenzsubstanzen an, die verwendet werden sollten, sowie vier wahlfreie in den Leistungsstandards des LLNA enthaltene Referenzsubstanzen (Substanzen, die im Vergleich zu den Ergebnissen von Tests am Menschen oder am Meerschweinchen (B.6, oder OECD-Prüfrichtlinie 406) (13) im LLNA entweder falsch positive oder falsch negative Ergebnisse hervorriefen und daher möglicherweise eine gleichwertige oder bessere Leistung als der LLNA nachweisen könnten). Die Auswahl dieser chemischen Stoffe erfolgte nach folgenden Kriterien:

 die Liste der Referenzsubstanzen enthielt die Typen von Stoffen, die üblicherweise auf ihr Hautsensibilisierungspotenzial untersucht werden sowie die ganze Bandbreite der Reaktionen, die mittels des LLNA gemessen oder vorhergesagt werden können;

 die Substanzen hatten klar definierte chemische Strukturen;

 für jede Substanz lagen LLNA-Daten aus Meerschweinchen-Tests (B.6; OECD-Prüfrichtlinie 406) (13) und (soweit möglich) Daten aus Tests am Menschen vor, und

 die Substanzen waren problemlos im Handel erhältlich.

Die empfohlenen Referenzsubstanzen sind in Tabelle 1 aufgeführt. Studien mit den vorgeschlagenen Referenzsubstanzen sollten in dem Vehikel bewertet werden, mit dem sie in Tabelle 1 aufgelistet sind. Sollte eine angegebene Substanz nicht verfügbar sein, können andere Substanzen, die die genannten Auswahlkriterien erfüllen, mit entsprechender Begründung verwendet werden.



Tabelle 1

Empfohlene chemische Rreferenzsubstanzen für die Leistungsstandards des LLNA

Nummer

Chemikalien (1)

CAS-Nr.

Form

Veh (2)

EC3 % (3)

(4)

0,5 x — 2,0 x EC3

Tatsächlicher EC3-Bereich

LLNA vs. GP

LLNA vs. Test am Menschen

1

5-Chloro-2-methyl-4-isothiazolin-3-on (CMI)/2-methyl-4-isothiazolin-3-on (MI) (5)

26172-55-4/2682-20-4

Liq

DMF

0,009

1

0,0045-0,018

NC

+/+

+/+

2

DNCB

97-00-7

Sol

AOO

0,049

15

0,025-0,099

0.02-0.094

+/+

+/+

3

4-Phenylenediamin

106-50-3

Sol

AOO

0,11

6

0,055-0,22

0.07-0.16

+/+

+/+

4

Cobaltchlorid

7646-79-9

Sol

DMSO

0,6

2

0,3-1,2

0.4-0.8

+/+

+/+

5

Isoeugenol

97-54-1

Liq

AOO

1,5

47

0,77-3,1

0.5-3.3

+/+

+/+

6

2-Mercaptobenzothiazol

149-30-4

Sol

DMF

1,7

1

0,85-3,4

NC

+/+

+/+

7

Citral

5392-40-5

Liq

AOO

9,2

6

4,6-18,3

5,1-13

+/+

+/+

8

HCA

101-86-0

Liq

AOO

9,7

21

4,8-19,5

4,4-14,7

+/+

+/+

9

Eugenol

97-53-0

Liq

AOO

10,1

11

5,05-20,2

4,9-15

+/+

+/+

10

Phenylbenzoat

93-99-2

Sol

AOO

13,6

3

6,8-27,2

1,2-20

+/+

+/+

11

Zimtalkohol

104-54-1

Sol

AOO

21

1

10,5-42

NC

+/+

+/+

12

Imidazolidinylharnstoff

39236-46-9

Sol

DMF

24

1

12-48

NC

+/+

+/+

13

Methylmethacrylat

80-62-6

Liq

AOO

90

1

45-100

NC

+/+

+/+

14

Chlorbenzol

108-90-7

Liq

AOO

25

1

NA

NA

–/–

–/ (1)

15

Isopropanol

67-63-0

Liq

AOO

50

1

NA

NA

–/–

–/+

16

Milchsäure

50-21-5

Liq

DMSO

25

1

NA

NA

–/–

–/ (1)

17

Methylsalicylat

119-36-8

Liq

AOO

20

9

NA

NA

–/–

–/–

18

Salicylsäure

69-72-7

Sol

AOO

25

1

NA

NA

–/–

–/–

Wahlfreie Substanzen zum Nachweis einer verbesserten Leistung im Vergleich zum LLNA

19

Natriumlaurylsulphat

151-21-3

Sol

DMF

8,1

5

4,05-16,2

1,5-17,1

+/–

+/–

20

Ethylenglykoldimethacrylat

97-90-5

Liq

MEK

28

1

14-56

NC

+/–

+/+

21

Xylol

1330-20-7

Liq

AOO

95,8

1

47,9-100

NC

+/ (2)

+/–

22

Nickelchlorid

7718-54-9

Sol

DMSO

5

2

NA

NA

–/+

–/+

(*1)   Gilt als nicht sensibilisierend beim Menschen, da keine Ergebnisse klinischer Epikutantests (Patch-Tests) vorliegen, da es nicht als Allergen im Patch-Test-System aufgeführt ist und keine Fallberichte für die Sensibilisierung beim Menschen verfügbar sind.

(*2)   GP-Daten nicht verfügbar.

(1)   Die Prüfsubstanzen sollten täglich zubereitet werden, es sei denn, die Stabilität der Substanz bei Lagerung wird nachgewiesen.

(2)   Aufgrund der potenziellen Beeinträchtigung der Leistung des LLNA durch die Verwendung abweichender Vehikel sollte stets das empfohlene Vehikel für jede Referenzsubstanz verwendet werden (24) (32).

(3)   Mittelwert wenn mehr als ein EC3-Wert vorlag. Bei negativen Substanzen (d. h. mit einem Stimulationsindex < 3) wird die höchste getestete Konzentration angegeben.

(4)   Zahl der LLNA-Studien, von denen Daten vorliegen.

(5)   Im Handel als Kathon CG (CAS-Nr. 55965-84-9) erhältlich; es handelt sich um ein 3:1-Gemisch aus CMI und MI. Die relativen Konzentrationen jedes Bestandteils liegen zwischen 1,1 % und 1,25 % (CMI) bzw. 0,3 % und 0,45 % (MI). Die nicht wirksamen Bestandteile sind Magnesiumsalze (21,5 % bis 24 %) und Kupfernitrat (0,15 % bis 0,17 %); 74 % bis 77 % sind Wasser. Kathon CG ist bei Sigma-Aldrich und Rohm and Haas (nun Dow Chemical Corporation) erhältlich.

Abkürzungen: AOO = Aceton: Olivenöl (4:1, v/v); CAS-Nr. = Chemical Abstracts Service Number; DMF = N,N-Dimethylformamid; DMSO = Dimethylsulfoxid; DNCB = 2,4-Dinitrochlorobenzol; EC3 = geschätzte Konzentration, die zur Erzeugung des Stimulationsindex von 3 benötigt wird; GP = Ergebnis des Meerschweinchen-Tests (B. 6 oder OECD-Prüfrichtlinie 406) (13); HCA = Hexylcinnaminaldehyd; Liq = flüssig; LLNA = Ergebnis des lokalen Lymphknotentests an der Maus (B. 42 oder OECD-Prüfrichtlinie 429) (1); MEK = Methylethylketon; NA = nicht zutreffend, da Stimulationsindex < 3; NC = nicht berechnet, da Daten aus Einzelstudie stammen; Sol = fest; Veh = Testvehikel.

III.    Vorgegebene Zuverlässigkeits- und Genauigkeitsstandards

7. Die Genauigkeit einer vorgeschlagenen vergleichbaren oder modifizierten LLNA-Methode sollte bei ihrer Bewertung anhand der 18 zu verwendenden Mindest-Referenzsubstanzen die Genauigkeit der LLNA-Leistungsstandards erreichen oder übertreffen. Die neue oder modifizierte Methode sollte zu der richtigen Einstufung auf der Grundlage einer „Ja/Nein“-Entscheidung führen. Es könnte allerdings sein, dass die neue oder modifizierte Methode nicht zur richtigen Einstufung aller zu verwendenden Mindest-Referenzsubstanzen führt. Wenn zum Beispiel einer der schwach sensibilisierenden Stoffe falsch klassifiziert wird, sollten eine wissenschaftliche Begründung für die falsche Einstufung sowie die Vorlage zusätzlicher Daten (z. B. Testergebnisse, die korrekte Einstufungen für andere Stoffe mit physikalischen, chemischen und sensibilisierenden Eigenschaften zeigen, die denen der falsch eingestuften Referenzsubstanz gleichen) in Erwägung gezogen werden, um eine gleichwertige Leistung nachzuweisen. Unter diesen Umständen würde der Validierungsstatus der neuen oder modifizierten LLNA-Prüfmethode für jeden Einzelfall bewertet werden.

8. Zur Bestimmung der Intra-Labor-Reproduzierbarkeit sollte eine neue oder modifizierte LLNA-Methode unter Verwendung einer sensibilisierenden Substanz beurteilt werden, die im LLNA bereits gut bekannt ist. Daher basieren die LLNA-Leistungsstandards auf der Variabilität der Ergebnisse aus wiederholten Tests an Hexylcinnaminaldehyd (HCA). Um die Intra-Labor-Zuverlässigkeit zu bewerten, werden die Werte für die geschätzte Konzentrationsschwelle (ECt) für HCA zu vier verschiedenen Zeitpunkten ermittelt, zwischen denen jeweils mindestens eine Woche liegen sollte. Eine akzeptable Intra-Labor-Reproduzierbarkeit zeigt sich in der Fähigkeit eines Labors, in jedem HCA-Test ECt-Werte zwischen 5 % und 20 % zu erzielen, was einer Bandbreite von 0,5-2,0 mal dem mittleren spezifizierten EC3-Wert für HCA (10 %) im LLNA entspricht (siehe Tabelle 1).

9. Zur Bestimmung der Inter-Labor-Reproduzierbarkeit sollte eine neue oder modifizierte LLNA-Methode unter Verwendung von zwei sensibilisierenden Substanzen beurteilt werden, die im LLNA bereits gut bekannt sind. Die LLNA-Leistungsstandards basieren auf der Variabilität der Ergebnisse aus Tests an HCA und 2,4-Dinitrochlorobenzol (DNCB) in unterschiedlichen Laboratorien. Die ECt-Werte sollten unabhängig aus einer einzelnen Studie abgeleitet werden, die in mindestens drei gesonderten Laboratorien durchgeführt wurde. Zum Nachweis einer akzeptablen Inner-Labor-Reproduzierbarkeit sollte jedes Labor ECt-Werte zwischen 5 % und 20 % für HCA und 0,025 % bis 0,1 % für DNCB erzielen, was einer Bandbreite von jeweils 0,5-2,0 mal den mittleren spezifizierten EC3-Konzentrationen für HCA (10 %) und DBCB (0,05 %) im LLNA entspricht (siehe Tabelle 1).

Anlage 2

Begriffsbestimmungen

Genauigkeit : Der Grad an Übereinstimmung zwischen Testergebnissen und akzeptierten Referenzwerten. Die Genauigkeit ist ein Maß der Leistung der Prüfmethode und ein Aspekt der Relevanz. Der Begriff wird oft im Sinne von „Übereinstimmung“ verwendet und bezeichnet den Anteil der korrekten Ergebnisse einer Prüfmethode (14).

Vergleichssubstanz : Eine sensibilisierende oder nicht sensibilisierende Substanz, die als Standard zu Vergleichszwecken für eine Prüfsubstanz verwendet wird. Eine Vergleichssubstanz sollte die folgenden Eigenschaften haben: i) gleichbleibende und verlässliche Quelle(n); ii) strukturelle und funktionelle Ähnlichkeit mit der Klasse der zu prüfenden Stoffe; iii) bekannte physikalisch-chemische Eigenschaften; iv) unterstützende Daten zu bekannten Effekten und v) bekannte Wirksamkeit im Bereich der erwünschten Reaktion.

Geschätzte Konzentrationsschwelle (ECt) : Geschätzte Konzentration einer Prüfsubstanz, die benötigt wird, um einen Stimulationsindex zu erzeugen, der eine positive Reaktion anzeigt.

Effektive Konzentration drei (EC3) : Geschätzte Konzentration einer Prüfsubstanz, die benötigt wird, um einen Stimulationsindex von drei hervorzurufen.

Falsch negativ : Eine Prüfsubstanz, die durch eine Prüfmethode fälschlich als negativ oder nicht wirksam charakterisiert wird, obwohl sie in Wirklichkeit positiv bzw. wirksam ist.

Falsch positiv : Eine Prüfsubstanz, die durch eine Prüfmethode fälschlich als positiv oder wirksam charakterisiert wird, obwohl sie in Wirklichkeit negativ bzw. nicht wirksam ist.

Gefahr : Potenzial eines schädlichen Effekts für Gesundheit oder Umwelt. Die schädliche Wirkung manifestiert sich nur, wenn es zu einem ausreichenden Expositionsniveau kommt.

Inter-Labor-Reproduzierbarkeit : Das Ausmaß, in dem unterschiedliche qualifizierte Laboratorien, die dasselbe Protokoll verwenden und dieselben Prüfsubstanzen testen, qualitativ und quantitativ vergleichbare Ergebnisse erzielen können. Die Inter-Labor-Reproduzierbarkeit wird während der Prävalidierungs- und Validierungsverfahren ermittelt und zeigt das Maß an, in dem ein Test erfolgreich zwischen Laboratorien übertragen werden kann. Im englischen Sprachgebrauch spricht man in diesem Zusammenhang auch von „Between-laboratory reproducibility“ (14).

Intra-Labor-Reproduzierbarkeit : Das Ausmaß, in dem qualifizierte Personen innerhalb desselben Labors, die dasselbe spezifische Protokoll zu unterschiedlichen Zeiten verwenden, erfolgreich dieselben Ergebnisse replizieren können. In diesem Zusammenhang spricht man auch von laborinterner Reproduzierbarkeit (14).

Me-too-Test : Umgangssprachliche Bezeichnung einer Prüfmethode, die strukturell und funktionell mit einer validierten und akzeptierten Referenzprüfmethode vergleichbar ist. Eine solche Prüfmethode käme für die Catch-up-Validierung in Frage. Gleichbedeutend mit vergleichbarer Prüfmethode verwendet (14).

Ausreißer : Ein Ausreißer ist ein Messwert, der sich beträchtlich von anderen Werten in einem zufällig ausgewählten Muster in einer Population unterscheidet.

Leistungsstandards (PS) : Auf einer validierten Prüfmethode beruhende Normen, auf deren Grundlage die Vergleichbarkeit einer vorgeschlagenen, funktionell und mechanistisch ähnlichen Prüfmethode bewertet werden kann. Sie umfassen i) wesentliche Elemente der Prüfmethode; ii) ein Mindestverzeichnis von Referenzsubstanzen, ausgewählt aus den Substanzen, die zum Nachweis der akzeptablen Leistung der validierten Referenzmethode verwendet werden; und iii) je nach den für die validierte Referenzmethode erzielten Ergebnissen ähnliche Genauigkeits- und Zuverlässigkeitswerte, die die vorgeschlagene Prüfmethode bei der Bewertung anhand des Mindestverzeichnisses von Referenzsubstanzen demonstrieren sollte (14).

Geschützte Prüfmethode : Eine Prüfmethode, deren Herstellung und Vertrieb durch Patente, Urheberrechte, Handelsmarken usw. beschränkt sind.

Qualitätssicherung : Ein Managementprozess, mittels dessen die Einhaltung von Laborprüfnormen, Anforderungen und Aufzeichnungsverfahren sowie die Genauigkeit des Datentransfers durch Individuen bewertet wird, die von den testenden Personen unabhängig sind.

Referenzsubstanzen : Chemikalien, die zur Verwendung im Validierungsprozess ausgewählt werden und für die die Reaktionen innerhalb des in vitro- oder in vivo-Referenztestsystems oder der untersuchten Spezies bereits bekannt sind. Diese Chemikalien sollten repräsentativ für die Chemikalienklassen sein, für die die Prüfmethode voraussichtlich verwendet werden soll; ferner sollten sie die ganze Bandbreite an Reaktionen abdecken, die von den Zielchemikalien erwartet werden kann — von stark über schwach bis negativ. Für die unterschiedlichen Stadien des Validierungsprozesses, für verschiedene Prüfmethoden und Testverwendungen können unterschiedliche Reihen von Referenzchemikalien benötigt werden (14).

Relevanz : Dieser Begriff bezieht sich auf das Verhältnis zwischen dem Test und der betreffenden Wirkung und auf die Frage, ob er aussagekräftig und nützlich für einen bestimmten Zweck ist. Er beschreibt das Ausmaß, in dem der Test die untersuchte biologische Wirkung korrekt misst oder vorhersagt. Die Relevanz beinhaltet eine Beurteilung der Genauigkeit (Übereinstimmung) einer Prüfmethode (14).

Zuverlässigkeit : Maß der Verlässlichkeit der Reproduzierbarkeit der Prüfmethode innerhalb von und zwischen Laboratorien in einem bestimmten Zeitintervall bei einheitlichem Protokoll. Sie wird durch Berechnung der Intra- und Interlabor-Reproduzierbarkeit bewertet (14).

Hautsensibilisierung : Ein immunologischer Prozess, der auftritt, wenn ein empfindliches Individuum oberflächlich einem induzierenden chemischen Allergen ausgesetzt ist, das eine kutane Immunreaktion auslöst, die zur Entwicklung einer Kontaktsensibilisierung führen kann.

Stimulationsindex (SI) : Ein Wert, der zur Bewertung des Hautsensibilisierungspotenzials einer Prüfsubstanz berechnet wird. Der SI ist das Verhältnis der Proliferation in behandelten Gruppen zu dem der gleichzeitigen Vehikelkontrollgruppe.

Prüfsubstanz (auch Prüfchemikalie) : Jeder Stoff oder jedes Gemisch, der/das mit dieser Prüfmethode getestet wird.

Validierte Prüfmethode : Eine Prüfmethode, für die Validierungsstudien durchgeführt wurden, um die Relevanz (einschließlich Genauigkeit) und Zuverlässigkeit für einen bestimmten Verwendungszweck zu bestimmen. Es ist zu beachten, dass die Leistungsfähigkeit einer validierten Prüfmethode im Hinblick auf Genauigkeit und Zuverlässigkeit unter Umständen nicht den Anforderungen eines vorgeschlagenen Verwendungszwecks genügt (14).

▼B

B.43.   PRÜFUNG AUF NEUROTOXIZITÄT BEI NAGETIEREN

1.   METHODE

Diese Methode entspricht der OECD TG 424 (1997).

Diese Prüfmethode wurde zur Gewinnung von Informationen entwickelt, die benötigt werden, um die potenzielle Neurotoxizität von Chemikalien bei ausgewachsenen Tieren zu bestätigen oder näher zu charakterisieren. Sie kann entweder mit bestehenden Testmethoden für Prüfungen auf Toxizität bei wiederholter Verabreichung kombiniert oder als Einzelstudie durchgeführt werden. Es wird empfohlen, das OECD Guidance Document on Neurotoxicity Testing Strategies and Methods (1) als Hilfe hinzuzuziehen, wenn auf der Basis dieser Prüfmethode Studien entwickelt werden. Dies ist besonders dann wichtig, wenn Änderungen der für die routinemäßige Anwendung dieser Methode empfohlenen Beobachtungen und Testverfahren in Betracht gezogen werden. Das Guidance Document wurde erarbeitet, um die Auswahl abweichender Testverfahren für spezifische Anwendungsbedingungen zu vereinfachen.

Die Beurteilung einer Entwicklungs-Neurotoxizität ist nicht Ziel dieser Methode.

1.1.   EINLEITUNG

Bei der Beurteilung und Bewertung der toxischen Eigenschaften von Chemikalien muss das Potenzial für neurotoxische Wirkungen berücksichtigt werden. Die Prüfmethode für systemische Toxizität bei wiederholter Verabreichung umfasst bereits Untersuchungen, mit denen auf potenzielle Neurotoxizität getestet wird. Diese Prüfmethode kann zur Entwicklung einer Studie eingesetzt werden, die zu weiteren Informationen über neurotoxische Wirkungen führt, die bei den Studien zur systemischen Toxizität bei wiederholter Verabreichung beobachtet wurden, oder diese Wirkungen bestätigt. Überlegungen zur potenziellen Neurotoxizität bestimmter Chemikalienklassen können jedoch zu der Vermutung führen, dass mit Hilfe dieser Methode eine zweckmäßigere Auswertung möglich ist, auch wenn vorherige Studien zur systemischen Toxizität bei wiederholter Verabreichung nicht auf eine potenzielle Neurotoxizität dieser Chemikalien hingewiesen haben. Anhaltspunkte für Überlegungen dieser Art können beispielsweise sein:

 Beobachtung neurologischer Anzeichen oder neuropathologische Befunde bei anderen Toxizitätsstudien als Studien zur systemischen Toxizität bei wiederholter Verabreichung oder

 strukturelle Verwandtschaft mit bekannten neurotoxischen Substanzen oder sonstige Informationen, durch die sie mit diesen in Verbindung gebracht werden.

Darüber hinaus sind weitere Fälle vorstellbar, in denen die Anwendung dieser Prüfmethode sinnvoll ist (siehe (1)).

Bei der Entwicklung dieser Methode wurde darauf geachtet, dass sie in spezielle Anforderungen angepasst werden kann, um die spezifische histopathologische und verhaltensbezogene Neurotoxizität einer Chemikalie zu bestätigen und eine Charakterisierung und Quantifizierung der neurologischen Wirkungen zu ermöglichen.

In der Vergangenheit wurde Neurotoxizität mit Neuropathie in Form von neuropathologischen Befunden oder neurologischen Funktionsstörungen wie Krämpfen, Lähmungen oder Tremor gleichgesetzt. Neuropathie ist eine wichtige Ausprägung einer neurotoxischen Wirkung; heute ist jedoch unstrittig, dass noch viele weitere Anzeichen toxischer Wirkungen auf das Nervensystem in Betracht kommen (z. B. Verlust der motorischen Koordination, sensorische Defizite, Funktionsstörungen hinsichtlich Lernfähigkeit und Gedächtnis), die in der Neuropathie oder in anderweitigen Studien eventuell nicht berücksichtigt werden.

Diese Methode zur Prüfung auf Neurotoxizität wurde für die Erkennung deutlicher verhaltensbezogener und neuropathologischer Wirkungen bei ausgewachsenen Nagetieren entwickelt. Verhaltensbezogene Wirkungen können einen schädlichen Einfluss auf den Organismus widerspiegeln, selbst wenn keine morphologischen Veränderungen auftreten; nicht aber alle Verhaltensänderungen sind für das Nervensystem spezifisch. Daher sollen alle beobachteten Änderungen im Zusammenhang mit korrelierenden histopathologischen, hämatologischen oder biochemischen Daten sowie mit Daten zu anderen Arten systemischer Toxizität ausgewertet werden. Die Untersuchungen, die bei dieser Methode zur Charakterisierung und Quantifizierung der neurotoxischen Wirkungen erforderlich sind, beinhalten spezifische histopathologische und verhaltensbezogene Verfahren, die durch elektrophysiologische und/oder biochemische Untersuchungen (1) (2) (3) (4) weiter unterstützt werden können.

Innerhalb des Nervensystems können neurotoxische Stoffe über eine Vielzahl von Mechanismen und auf eine Anzahl verschiedener Zielgewebe wirken. Da keine einzelne Versuchsreihe in der Lage ist, das neurotoxische Potenzial sämtlicher Substanzen umfassend zu testen, kann der Einsatz weiterer In-vivo- oder In-vitro-Tests erforderlich sein, die für den beobachteten oder erwarteten Typ einer Neurotoxizität spezifisch sind.

Diese Prüfmethode kann auch in Verbindung mit den Hinweisen im OECD Guidance Document on Neurotoxicity Testing Strategies and Methods (1) für die Entwicklung von Studien verwendet werden, welche die Dosis-Wirkungs-Quantifizierung näher charakterisieren oder ihre Empfindlichkeit erhöhen sollen, um eine Dosis ohne beobachtete schädliche Wirkungen (NOAEL) besser abschätzen oder bekannte oder vermutete Gefahren einer Chemikalie bestätigen zu können. Beispielsweise können Studien entwickelt werden, die zur Ermittlung und Beurteilung der neurotoxischen Mechanismen oder zur Ergänzung der aus der Anwendung grundlegender verhaltensbezogener und neuropathologischer Beobachtungsverfahren bereits gewonnenen Daten dienen. Derartige Studien sollen keine Daten replizieren, die bei der Anwendung der in dieser Methode empfohlenen Standardverfahren gewonnen würden, wenn entsprechende Daten bereits vorliegen und nicht als erforderlich für die Interpretation der Ergebnisse der Studie angesehen werden.

Diese Prüfung auf Neurotoxizität führt, sowohl für sich allein als auch in Kombination mit anderen Studien, zu Informationen,

 mit denen beurteilt werden kann, ob das Nervensystem durch die getestete Chemikalie dauerhaft oder reversibel geschädigt wird,

 die dazu beitragen können, die Veränderungen des Nervensystems zu charakterisieren, die mit der Exposition gegenüber der Chemikalie in Verbindung stehen, und die zugrunde liegenden Mechanismen zu verstehen, und

 die helfen können, den Zusammenhang zwischen Dosis/Zeit und Dosis/Wirkung zu bestimmen, um eine Dosis ohne beobachtete schädliche Wirkungen (NOAEL) abzuschätzen (die dann für die Festlegung von Sicherheitskriterien für die betreffende Chemikalie genutzt werden kann).

Bei dieser Prüfmethode wird die Testsubstanz oral verabreicht. Andere Verabreichungswege (z. B. dermal oder inhalativ) können besser geeignet sein und eine Modifizierung der empfohlenen Verfahren erforderlich machen. Überlegungen zur Wahl des Verabreichungswegs sind vom menschlichen Expositionsprofil und von den verfügbaren toxikologischen oder kinetischen Informationen abhängig.

1.2.   BEGRIFFSBESTIMMUNGEN

Schädliche Wirkung: jede behandlungsbedingte Abweichung von den Basiswerten, welche die Fähigkeit eines Organismus herabsetzt, zu überleben, sich zu vermehren oder sich an die Umgebung anzupassen.

Dosis: verabreichte Menge der Testsubstanz; die Dosis wird als Gewicht (g, mg), als Gewicht der Testsubstanz, pro Gewichtseinheit des Versuchstiers (z. B. mg/kg) oder als konstante Konzentration in der Nahrung (ppm) angegeben.

Dosierung: ein genereller Begriff, der sich aus Dosis, Häufigkeit und Dauer der Verabreichung zusammensetzt.

Neurotoxizität: schädliche Veränderung der Struktur oder Funktion des Nervensystems, die infolge der Exposition gegenüber einem chemischen, biologischen oder physikalischen Agens entsteht.

Neurotoxisches Agens: jedes chemische, biologische oder physikalische Agens, das neurologisch wirken kann.

NOAEL: ist die Abkürzung für „No-Observed-Adverse-Effect Level“ (Dosis ohne beobachtete schädigende Wirkung); entspricht der höchsten Dosis, bei der keine behandlungsbedingten schädigenden Wirkungen festgestellt werden.

1.3.   PRINZIP DER PRÜFMETHODE

Die Testchemikalie wird bei oralem Applikationsweg in einer Reihe von Dosierungen mehreren Gruppen von Labor-Nagetieren verabreicht. In der Regel ist eine wiederholte Gabe erforderlich, wobei der Dosierungszeitplan 28 Tage, 90 Tage (subchronisch) oder 1 Jahr und mehr (chronisch) abdecken kann. Das für diese Prüfmethode beschriebene Verfahren kann auch für eine Studie zur akuten Neurotoxizität angewandt werden. Durch die Tests an den Versuchstieren soll die Erkennung oder Charakterisierung von verhaltensbezogenen und/oder neurologischen Anomalien ermöglicht werden. In jedem Beobachtungszeitraum wird eine Reihe von Verhaltensmerkmalen beurteilt, die durch ein neurotoxisches Agens beeinträchtigt werden könnten. Am Ende des Versuchs wird aus jeder Gruppe eine Teilmenge von Tieren beiderlei Geschlechts in situ mittels Perfusion fixiert, und es werden Gewebeschnitte von Gehirn, Rückenmark und peripheren Nerven angefertigt und untersucht.

Wenn die Untersuchung als Einzelstudie durchgeführt wird, um eine Prüfung auf Neurotoxizität durchzuführen oder um neurotoxische Wirkungen zu charakterisieren, können die Tiere in jeder Gruppe, die nicht für eine Perfusionsfixation und anschließende Histopathologie verwendet werden (siehe Tabelle 1), für spezifische verhaltensbezogene, neuropathologische, neurochemische oder elektrophysiologische Verfahren eingesetzt werden, die als Ergänzung zu den Daten dienen können, die bei den für diese Methode erforderlichen Standarduntersuchungen gewonnen wurden (1). Diese ergänzenden Verfahren können dann besonders nützlich sein, wenn empirische Beobachtungen oder erwartete Wirkungen auf einen spezifischen Typ oder ein spezifisches Zielgewebe für die Neurotoxizität einer Chemikalie hindeuten. Alternativ können die verbleibenden Tiere für Auswertungen verwendet werden, wie sie bei Prüfmethoden an Nagetieren zur Prüfung der Toxizität bei wiederholter Verabreichung erforderlich sind.

Wenn die Verfahren dieser Prüfmethode mit denen anderer Prüfungen kombiniert werden, muss die Anzahl der Versuchstiere ausreichend groß sein, um die Anforderungen für die Untersuchungen beider Studien zu erfüllen,

1.4.   BESCHREIBUNG DER PRÜFMETHODE

1.4.1.   Auswahl der Tierspezies

Die bevorzugte Nagetierspezies ist die Ratte, es können aber bei entsprechender Begründung auch andere Spezies verwendet werden. Es sind junge, gesunde, ausgewachsene Tiere üblicher Laborstämme zu verwenden. Die weiblichen Tiere dürfen weder bereits geworfen haben noch trächtig sein. Die Verabreichung soll normalerweise so bald wie möglich nach der Entwöhnung beginnen, vorzugsweise spätestens im Alter von 6 Wochen, in jedem Fall aber vor dem Alter von 9 Wochen. Wenn diese Studie allerdings mit anderen Studien kombiniert wird, müssen diese Altersanforderungen eventuell angepasst werden. Zu Beginn der Studie sollen die Gewichtsunterschiede zwischen den Tieren ± 20 % des geschlechtsspezifischen Durchschnittsgewichts nicht überschreiten. Wenn eine kurzzeitige Studie mit wiederholter Verabreichung als Vorstudie für eine Langzeitstudie durchgeführt wird, sollen bei beiden Studien Tiere des gleichen Stamms und derselben Herkunft verwendet werden.

1.4.2.   Haltung und Fütterung

Die Temperatur im Versuchstierraum soll 22 oC (± 3 oC) betragen. Die relative Luftfeuchtigkeit soll mindestens 30 % betragen und außer während der Reinigung vorzugsweise nicht über 70 % liegen; anzustreben ist ein Wert von 50-60 %. Die Beleuchtung soll künstlich sein, und die Heil- und Dunkelphasen sollen sich im Abstand von 12 Stunden abwechseln. Kurzzeitige laute Geräusche sollen auf ein Minimum reduziert werden. An die Versuchstiere kann herkömmliches Laborfutter verfüttert werden, wobei eine unbegrenzte Trinkwasserversorgung zu gewährleisten ist. Die Auswahl des Futters wird eventuell dadurch beeinflusst, dass eine geeignete Beimischung der Testsubstanz sichergestellt werden muss, wenn die Testsubstanz auf diese Art verabreicht werden soll. Die Tiere können entweder einzeln oder in kleinen gleichgeschlechtlichen Gruppen in Käfigen untergebracht werden.

1.4.3.   Vorbereitung der Versuchstiere

Für die Behandlungs- und Kontrollgruppen werden gesunde Jungtiere nach Zufallskriterien ausgewählt. Die Käfige sollen so angeordnet werden, dass etwaige Einflüsse der Käfigplatzierung minimiert werden. Die Tiere werden eindeutig gekennzeichnet und für eine Dauer von mindestens 5 Tagen vor Versuchsbeginn in ihren Käfigen gehalten, damit sie sich an die Laborbedingungen gewöhnen können.

1.4.4.   Verabreichungsweg und Vorbereitung der Testsubstanz

Diese Prüfmethode behandelt ausdrücklich die orale Verabreichung der Testsubstanz. Die orale Verabreichung kann per Sondenfütterung („gavage“), im Futter, im Trinkwasser oder in Form von Kapseln erfolgen. Andere Verabreichungswege (z. B. dermal oder inhalativ) können ebenfalls verwendet werden, machen aber eventuell eine Modifizierung der empfohlenen Verfahren erforderlich. Die Wahl des Verabreichungswegs ist vom zu erwartenden menschlichen Expositionsprofil und von den verfügbaren toxikologischen oder kinetischen Informationen abhängig. Die Entscheidung für einen geeigneten Verabreichungsweg sowie entsprechende Änderungen der Verfahrensweisen bei dieser Prüfmethode sind zu begründen.

Im Bedarfsfall kann die Testsubstanz gelöst oder in einem geeigneten Vehikel suspendiert werden. Es wird empfohlen, zunächst die Verwendung einer wässrigen Lösung/Suspension in Betracht zu ziehen, dann eine Lösung/Suspension in Öl (z. B. Maisöl) und erst an dritter Stelle eine Lösung/Suspension in einem anderen Vehikel. Die toxischen Eigenschaften des Vehikels müssen bekannt sein. Darüber hinaus sollen die folgenden Eigenschaften des Vehikels berücksichtigt werden: Wirkungen des Vehikels auf Absorption, Verteilung, Verstoffwechslung oder Retention der Testsubstanz, durch die sich ihre toxischen Eigenschaften ändern können, sowie Wirkungen auf den Futter- oder Trinkwasserverzehr oder den Ernähungszustand der Tiere.

1.5.   VERSUCHSDURCHFÜHRUNG

1.5.1.   Anzahl und Geschlecht der Tiere

Wenn die Untersuchung als Einzelstudie durchgeführt wird, sind mindestens 20 Tiere (10 weibliche und 10 männliche Tiere) in jeder Dosierungs- und Kontrollgruppe zur Auswertung der detaillierten klinischen und funktionsbezogenen Beobachtungen einzusetzen. Mindestens 5 männliche und 5 weibliche Tiere, die aus diesen 10 männlichen und 10 weiblichen Tieren ausgewählt wurden, sollen am Ende der Studie in situ mittels Perfusion fixiert und für eine ausführliche Neurohistopathologie verwendet werden. In Fällen, wo nur eine begrenzte Anzahl von Tieren in einer bestimmten Dosierungsgruppe Anzeichen für neurotoxische Wirkungen zeigt, sollte erwogen werden, diese Tiere gleichfalls in die Gruppe der für die Perfusionsfixation ausgewählten Tiere aufzunehmen. Wenn die Studie in Verbindung mit einer Prüfung auf Toxizität bei wiederholter Verabreichung durchgeführt wird, sollte die Anzahl der Versuchstiere groß genug sein, um die Zielvorgaben beider Studien erfüllen zu können. Die Mindestzahl der Tiere pro Gruppe ist in Tabelle 1 für verschiedene Kombinationen von Studien angegeben, Wenn zwischenzeitliche Tötungen oder Erholungsgruppen zur Beobachtung von Reversibilität, Persistenz oder verzögertem Auftreten von toxischen Wirkungen nach der Behandlung vorgesehen sind oder wenn ergänzende Untersuchungen erwogen werden, sollte die Anzahl der Versuchstiere erhöht werden, um zu gewährleisten, dass genügend Tiere zur Beobachtung und für die Histopathologie zur Verfügung stehen.

1.5.2.   Behandlungs- und Kontrollgruppe

Es sollen mindestens drei Dosierungsgruppen und eine Kontrollgruppe eingesetzt werden; wenn aber angesichts der Beurteilung anderer Daten bei einer wiederholten Dosis von 1 000 mg pro kg Körpergewicht und Tag keine Wirkungen zu erwarten sind, kann ein Limit-Test durchgeführt werden. Wenn keine geeigneten Daten zur Verfügung stehen, kann als Hilfe zur Ermittlung der zu verwendenden Dosierungen eine Dosisfindungsstudie durchgeführt werden. Abgesehen von der Behandlung mit der Testsubstanz sollen die Tiere in der Kontrollgruppe unter identischen Bedingungen behandelt werden wie die Versuchstiere in der Testgruppe. Wenn bei der Verabreichung der Testsubstanz ein Vehikel verwendet wird, sollte die Kontrollgruppe die gröβte verwendete Volumenmenge des Vehikels erhalten.

1.5.3.   Überprüfung der Zuverlässigkeit

Das Labor, das die Untersuchung durchführt, soll Daten vorlegen, die seine Befähigung zur Durchführung der Studie sowie die Empfindlichkeit der eingesetzten Verfahren belegen. Diese Daten sollen zeigen, dass Änderungen bei den verschiedenen für die Beobachtung empfohlenen Endpunkten erkannt und quantifiziert weiden können, z. B. autonome Anzeichen, sensorisches Reaktionsvermögen, Greifkraft der Extremitäten und motorische Aktivität. Informationen zu Chemikalien, die neurotoxische Reaktionen verschiedener Art auslösen und als positive Kontrollsubstanzen eingesetzt werden können, sind den Quellen (2) bis (9) zu entnehmen. Historische Kontrolldaten können verwendet werden, wenn die wesentlichen Aspekte der Versuchsabläufe gleich bleiben. Eine regelmäßige Aktualisierung der historischen Kontrolldaten wird empfohlen. Wenn ein wesentliches Element der Versuchsdurchführung oder der Verfahrensweisen durch das ausführende Labor verändert wurde, sollen neue Daten erarbeitet werden, welche die unveränderte Empfindlichkeit der Verfahren belegen.

1.5.4.   Wahl der Dosierungen

Bei der Wahl der Dosierungen sollen zuvor ermittelte toxikologische und kinetische Daten berücksichtigt werden, die für die zu testende Verbindung oder verwandte Materialien zur Verfügung stehen, Die höchste Dosis solle mit dem Ziel gewählt werden, neurotoxische Wirkungen oder deutliche systemische toxische Wirkungen auszulösen. Anschließend soll eine absteigende Folge von Dosierungsstufen ausgewählt werden, um dosisabhängige Wirkungen und die niedrigste Dosis ohne zu beobachtende schädliche Wirkungen (NOAEL) zu bestimmen. Grundsätzlich sollen die Dosierungen so gewählt werden, dass primäre toxische Wirkungen auf das Nervensystem von Wirkungen in Zusammenhang mit systemischer Toxizität unterschieden werden können. Häufig sind zwei bis drei Intervalle das Optimum, und die Ergänzung durch eine vierte Testgruppe ist häufig der Anwendung sehr langer Intervalle (d. h. größer als Faktor 10) zwischen den Verabreichungen vorzuziehen. Sofern eine realistische Expositionsabschätzung für Menschen vorhanden ist, soll diese ebenfalls berücksichtigt weiden.

1.5.5.   Limit-Test

Wenn bei einer Untersuchung mit einer Dosierung von mindestens 1 000 mg pro kg Körpergewicht und Tag bei Anwendung der beschriebenen Verfahren keine neurotoxischen Wirkungen festzustellen und aufgrund der Daten für strukturverwandte Verbindungen keine toxischen Wirkungen zu erwarten sind, ist eine vollständige Untersuchung mit drei Dosierungen eventuell nicht erforderlich. Je nach der für Menschen zu erwartenden Exposition kann die Verwendung einer höheren oralen Dosierung beim Limit-Test notwendig sein. Bei anderen Verabreichungsformen, z. B. Inhalation oder dermale Applikation, wird der maximal erzielbare Expositionsgrad in vielen Fällen durch die physikalisch-chemischen Eigenschaften der Testsubstanz bestimmt. Bei der Durchführung einer Studie zur akuten oralen Toxizität soll die Dosis für einen Limit-Test mindestens 2 000 mg/kg betragen,

1.5.6.   Verabreichung der Dosen

Die Testsubstanz wird den Tieren mindestens 28 Tage lang, sieben Tage pro Woche, täglich verabreicht. Wenn eine Verabreichung an nur fünf Tagen pro Woche oder eine kürzere Expositionsdauer gewählt wird, muss dies begründet werden. Wenn die Testsubstanz per Sondenfütterung verabreicht wird, soll dies in Form einer Einzeldosis über einen Magenschlauch oder eine geeignete Intubationskanüle erfolgen. Welches Flüssigkeitsvolumen jeweils höchstens auf einmal verabreicht werden kann, hängt von der Größe des Versuchstiers ab. Das Volumen soll 1 ml pro 100 g Körpergewicht nicht überschreiten. Bei wässrigen Lösungen kann jedoch auch die Verwendung von bis zu 2 ml pro 100 g Körpergewicht in Betracht gezogen werden. Außer bei reizenden oder ätzenden Stoffen, die bei höheren Konzentration normalerweise heftigere Wirkungen hervorrufen, sollen Veränderungen des Testvolumens durch Anpassung der Konzentration so minimiert werden, dass bei allen Dosierungen ein gleich bleibendes Volumen gewährleistet ist.

Bei Substanzen, die im Futter oder Trinkwasser verabreicht werden, ist es wichtig, sicherzustellen, dass die eingesetzte Menge der Testsubstanz die normale Nahrungsaufnahme oder den Wasserhaushalt nicht beeinträchtigt. Wenn die Testsubstanz im Futter verabreicht wird, kann entweder eine konstante Konzentration im Futter (ppm) oder eine konstante Dosis, bezogen auf das Körpergewicht des Tieres, verwendet werden; die jeweils gewählte Verfahrensweise muss angegeben werden. Bei Verabreichung der Prüfsubstanz durch Sondenfütterung soll die Dosis jeden Tag zu ähnlichen Zeiten gegeben und nach Bedarf angepasst werden, um, bezogen auf das Körpergewicht der Tiere, eine konstante Dosierung einzuhalten, Wenn eine Prüfung mit wiederholter Verabreichung als Vorbereitung zu einer Langzeituntersuchung durchgeführt wird, soll bei beiden Studien ein ähnliches Futter verwendet werden. Bei Studien zur akuten Toxizität kann die Dosis, sofern die Verabreichung als Einzeldosis nicht möglich ist, über einen Zeitraum von maximal 24 Stunden in kleineren Teilmengen verabreicht werden,

1.6.   BEOBACHTUNGEN

1.6.1.   Häufigkeit der Beobachtungen und Untersuchungen

Bei Prüfungen mit wiederholter Verabreichung soll der Beobachtungszeitraum den gesamten Verabreichungszeitraum abdecken. Bei Studien zur akuten Toxizität soll ein Zeitraum von 14 Tagen nach der Behandlung beobachtet werden. Bei Tieren in Satelittengruppen, die wahrend eines auf die Behandlung folgenden Zeitraums ohne Exposition gehalten werden, sollen die Beobachtungen diesen Zeitraum ebenfalls abdecken.

Die Beobachtungen sollen ausreichend häufig erfolgen, damit verhaltensbezogene und/oder neurologische Anomalien mit möglichst großer Wahrscheinlichkeit erkannt werden. Die Beobachtungen sollen vorzugsweise jeden Tag zur gleichen Uhrzeit erfolgen, wobei die Zeit der nach der Verabreichung erwarteten maximalen Wirkungen zu berücksichtigen ist. Die Häufigkeit der klinischen Beobachtungen und Funktionstests ist in Tabelle 2 zusammengefasst. Wenn kinetische oder andere Daten, die aus einer früheren Studie gewonnen wurden, es notwendig erscheinen lassen, abweichende Beobachtungs- oder Testzeitpunkte oder andere Zeiträume nach der Beobachtung zu verwenden, sollte ein alternativer Zeitplan verwendet werden, um möglichst viele Informationen gewinnen zu können. Änderungen des Zeitplans sollen begründet werden.

1.6.1.1.   Beobachtungen zum allgemeinen Gesundheitszustand und zur Mortalität/Morbidität

Alle Versuchstiere sollen mindestens einmal täglich gründlich auf ihren Gesundheitszustand sowie mindestens zweimal täglich auf Morbidität und Mortalität untersucht werden.

1.6.1.2.   Detaillierte klinische Beobachtungen

Detaillierte klinische Beobachtungen sollen an allen für diesen Zweck ausgewählten Tieren durchgeführt werden (siehe Tabelle 1), und zwar einmal vor der ersten Exposition (um Vergleiche zwischen den Versuchstieren zu ermöglichen) sowie anschließend je nach Dauer der Untersuchung in unterschiedlichen Intervallen (siehe Tabelle 2). Am Ende des Erholungszeitraums sollen detaillierte klinische Beobachtungen an den Satellitengruppen vorgenommen werden. Die detaillierten klinischen Beobachtungen sollen außerhalb des Unterbringungskäfigs in einer üblichen Untersuchungsumgebung erfolgen. Diese Beobachtungen sollen anhand von Bewertungssystemen sorgfältig registriert werden, die Kriterien oder Bewertungsskalen für jede bei den Beobachtungen vorgenommene Messung enthalten. Die verwendeten Kriterien oder Skalen sollen vom Versuchslabor explizit festgelegt werden. Es soll versucht werden, dafür zu sorgen, dass Abweichungen der Versuchsbedingungen minimal sind (und nicht systematisch mit der Behandlung in Verbindung stehen) und dass die Beobachtungen von geschulten Beobachtern durchgeführt werden, denen die Behandlung des gegenwärtig beobachteten Tieres nicht bekannt ist.

Es wird empfohlen, die Beobachtungen in einer strukturierten Form durchzuführen, wobei auf jedes Versuchstier zu jedem Beobachtungszeitpunkt genau definierte Kriterien (einschließlich der Definition des „Normalbereichs“) auf systematische Weise angewandt werden. Der „Normalbereich“ soll auf geeignete Weise dokumentiert werden. Alle beobachteten Anzeichen sollen registriert werden. Wann immer möglich, sollte auch die Größenordnung der beobachteten Anzeichen registriert werden. Die klinischen Beobachtungen sollen mindestens, aber nicht ausschließlich Veränderungen an Haut, Fell, Augen und Schleimhäuten sowie das Auftreten von Sekreten, Ausscheidungen und autonomen Aktivitäten umfassen (z. B. Tränenfluss, Haaraufrichtung, Pupillengröβe, ungewöhnliche Atemmuster und/oder Mundatmung, ungewöhnliche Anzeichen von Urin- oder Kotabsonderung sowie Urin mit Farbabweichungen).

Ungewöhnliche Reaktionen hinsichtlich Körperhaltung, Aktivitätsgrad (z. B. verminderte oder verstärkte Erkundung der üblichen Untersuchungsumgebung) sowie Bewegungskoordination sollen ebenfalls vermerkt werden. Veränderungen des Gangs (z. B. watschelnder Gang, Ataxie), der Haltung (z. B. Buckelhaltung) und des Reaktionsverhaltens beim Aufnehmen oder Umsetzen des Versuchstiers oder anderen Umgebungsstimuli sowie Auftreten von klonischen oder tonischen Bewegungen, Krämpfen oder Tremors, Stereotypien (z. B. übermäßige Fellpflege, ungewöhnliche Kopfbewegungen, repetitives Laufen im Kreis) oder auffälliges Verhalten (z. B. Beißen oder übermäßiges Lecken, Selbstverstümmelung, Rückwärtslaufen, Lautäußerungen) oder Aggressionen sollen registriert werden.

1.6.1.3.   Funktionstests

Ähnlich wie die detaillierten klinischen Beobachtungen sollen auch die Funktionstests bei allen für diesen Zweck ausgewählten Versuchstieren einmal vor der ersten Exposition und mehrmals danach durchgeführt werden (siehe Tabelle 1). Die Häufigkeit der Funktionstests ist ebenfalls von der Dauer der Studie abhängig (siehe Tabelle 2). Zusätzlich zu den in Tabelle 2 genannten Beobachtungszeiträumen sollen auch funktionsbezogene Beobachtungen an weiteren Erholungsgruppen so nahe wie möglich am Zeitpunkt der endgültigen Tötung erfolgen. Funktionstests sollen die sensorische Reaktionsfähigkeit auf Stimuli verschiedener Art (z. B. akustische, visuelle und propriozeptive Stimuli (5) (6) (7)) berücksichtigen und die Beurteilung der Greifkraft der Extremitäten (8) sowie die Beurteilung der motorischen Aktivität (9) beinhalten. Die motorische Aktivität soll mit Hilfe eines automatischen Geräts gemessen werden, mit dem sowohl eine Abnahme als auch eine Zunahme der Aktivität festgestellt werden kann. Wenn ein anderes definiertes System eingesetzt wird, sollte es quantitativ ausgerichtet sein; Empfindlichkeit und Zuverlässigkeit des Systems sollen nachgewiesen werden. Jedes Gerät soll getestet. werden, um die Langzeit-Zuverlässigkeit und die Vergleichbarkeit unterschiedlicher Geräte sicherzustellen. Weitere Informationen zu den anwendbaren Verfahren sind den jeweiligen Literaturhinweisen zu entnehmen. Wenn keine Daten (z. B. Strukturaktivität, epidemiologische Daten, weitere toxikologische Studien) vorhanden sind, die auf potenzielle neurotoxische Wirkungen hindeuten, soll die Einbeziehung speziellerer Tests der sensorischen und motorischen Funktionen sowie der Lern- und Gedächtnisfähigkeit in Betracht gezogen werden, um diese möglichen Wirkungen gründlicher zu untersuchen. Weitere Informationen über speziellere Tests und ihre Anwendung sind (1) zu entnehmen.

Im Ausnahmefall können Tiere, die Anzeichen für Toxizität in einem Maß aufweisen, das die Funktionstests deutlich beeinträchtigen würde, von dem betreffenden Test ausgeschlossen werden. Wenn einzelne Tiere von einem Funktionstest ausgeschlossen wurden, sollte hierfür eine Begründung angegeben werden.

1.6.2.   Körpergewicht und Futter-/Trinkwasserverbrauch

Bei Prüfungen mit einer Dauer von bis zu 90 Tagen sollen alle Tiere mindestens einmal wöchentlich gewogen werden, und es sollen mindestens in wöchentlichem Abstand Messungen des Futterverbrauchs (sowie des Wasserverbrauchs, wenn die Testsubstanz auf diesem Wege verabreicht wird) durchgeführt werden. Bei Langzeitstudien sollen alle Tiere während der ersten 13 Wochen mindestens einmal wöchentlich sowie anschließend mindestens einmal alle 4 Wochen gewogen werden. Messungen des Futterverbrauchs (sowie des Wasserverbrauchs, wenn die Testsubstanz auf diesem Wege verabreicht wird) sollen während der ersten 13 Wochen mindestens einmal sowie anschließend in etwa dreimonatigem Abstand durchgeführt werden, sofern der Gesundheitszustand oder Veränderungen des Körpergewichts nicht ein anderes Vorgehen erforderlich machen.

1.6.3.   Ophthalmologie

Bei Prüfungen mit einer Dauer von über 28 Tagen soll vor der Verabreichung der Testsubstanz und am Ende der Studie eine ophthalmologische Untersuchung mit einem Ophthalmoskop oder einem vergleichbaren Instrument durchgeführt werden; die Untersuchung soll vorzugsweise bei allen Versuchstieren, zumindest aber bei den Tieren in der Gruppe mit hoher Dosierung und in der Kontrollgruppe vorgenommen werden. Wenn Veränderungen an den Augen festgestellt werden oder wenn klinische Anzeichen dies erforderlich erscheinen lassen, sollen alle Tiere untersucht werden. Bei Langzeitstudien soll außerdem nach 13 Wochen eine ophthalmologische Untersuchung durchgeführt werden. Ophthalmologische Untersuchungen sind nicht erforderlich, wenn diese Daten bereits aus anderen Studien mit ähnlicher Dauer und ähnlichen Dosierungen zur Verfügung stehen.

1.6.4.   Hämatologie und klinische Biochemie

Wenn die Prüfung auf Neurotoxizität in Verbindung mit einer Studie zur systemischen Toxizität bei wiederholter Verabreichung durchgeführt wird, sollen hämatologische Untersuchungen und klinische biochemische Untersuchungen durchgeführt werden, wie in der entsprechenden Methode für die Prüfung auf systemische Toxizität beschrieben. Die Werte sollen so erfasst werden, dass potenzielle verhaltensbezogene Wirkungen minimiert werden.

1.6.5.   Histopathologie

Die neuropathologische Untersuchung soll darauf abzielen, die während der In-vivo-Phase der Studie gemachten Beobachtungen zu ergänzen und zu erweitern. Gewebeproben von mindestens 5 Tieren pro Geschlecht und Gruppe (siehe Tabelle 1 und nächsten Abschnitt) sollen mit Hilfe allgemein anerkannter Perfusions- und Fixierungsverfahren in situ perfundiert und fixiert werden (siehe (3), Kapitel 5, und (4), Kapitel 50). Alle erkennbaren makroskopischen Veränderungen sollen registriert werden. Wenn die Studie als Einzeltest auf Neurotoxizität oder zur Charakterisierung von neurotoxischen Wirkungen durchgeführt wird, können die restlichen Tiere entweder für spezifische verhaltensbezogene (10) (11), neuropathologische (10) (11) (12) (13), neurochemische (10) (11) (14) (15) oder elektrophysiologische (10) (11) (16) (17) Untersuchungen verwendet werden, die eine Ergänzung zu den hier beschriebenen Verfahren und Untersuchungen bilden, oder für histopathologische Untersuchungen eingesetzt werden, um die Anzahl der Versuchstiere zu vergrößern. Diese ergänzenden Untersuchungen sind dann besonders sinnvoll, wenn empirische Beobachtungen oder erwartete Wirkungen auf einen bestimmten Typ oder ein bestimmtes Zielgewebe für die Neurotoxizität einer Chemikalie hindeuten (2) (3). Alternativ können die verbleibenden Tiere auch für pathologische Routineauswertungen verwendet werden, wie bei der Methode für Studien mit wiederholter Verabreichung beschrieben.

Bei allen in Paraffin eingebetteten Gewebeproben soll ein übliches Färbeverfahren, z. B. Hämatoxylin und Eosin (H&E), angewandt und eine mikroskopische Untersuchung durchgeführt werden. Wenn Anzeichen einer peripheren Neuropathie beobachtet oder vermutet werden, sollen an Kunststoff eingebettete Proben des peripheren Nervengewebes untersucht werden. Klinische Anzeichen können auch auf weitere zu untersuchende Bereiche hinweisen oder die Anwendung von speziellen Färbeverfahren nahelegen. Hinweise zu weiteren zu untersuchenden Bereichen finden sich in (3) (4). Geeignete Spezial-Färbeverfahren zur Sichtbarmachung bestimmter pathologischer Veränderungen können ebenfalls nützlich sein (18).

Repräsentative Gewebeschnitte aus dem zentralen und peripheren Nervensystem sollen histologisch untersucht werden (siehe (3), Kapitel 5, und (4), Kapitel 50). Dabei sollen normalerweise die folgenden Bereiche untersucht werden: Vorderhirn, Mitte des Großhirns einschließlich eines Anschnitts durch den Hippokampus, Mittelhirn, Kleinhirn, Brücke, verlängertes Mark, Auge mit Sehnerv und Netzhaut, Rückenmark an den zervikalen und lumbalen Verdickungen, dorsale Wurzelganglien, dorsale und ventrale Nervenwurzelfasern, proximaler Ischiasnerv, proximaler Schienbeinnerv (am Knie) und Wadenmuskel-Äste des Schienbeinnervs. Die Gewebeschnitte durch Rückenmark und peripheres Nervengewebe sollen sowohl Quer- als auch Längsschnitte umfassen. Auf die Gefäßversorgung des Nervensystems soll geachtet werden. Es soll auch eine Probe eines Skelettmuskels, insbesondere eines Wadenmuskels, untersucht werden. Bereiche mit Zell- und Faserstruktur und -muster im ZNS und PNS, bei denen eine besondere Anfälligkeit für neurotoxische Stoffe bekannt ist, sollen besonders beachtet werden.

Anmerkungen zu neuropathologischen Veränderungen, die typischerweise durch Exposition gegenüber neurotoxischen Stoffen entstehen, sind den Quellen (3) (4) zu entnehmen. Es wird eine schrittweise Untersuchung der Gewebeproben empfohlen, wobei zunächst Gewebeschnitte aus der Gruppe mit hoher Dosis mit denen der Kontrollgruppe verglichen werden. Wenn bei den Proben aus diesen Gruppen keine neuropathologischen Veränderungen festgestellt werden, ist eine anschließende Analyse nicht erforderlich. Wenn bei der Gruppe mit hoher Dosis neuropathologische Veränderungen beobachtet werden, soll anschließend eine Probe von jedem der potenziell betroffenen Gewebebereiche aus der Gruppe mit mittlerer und niedriger Dosis kodiert und nacheinander untersucht werden.

Wenn sich bei der qualitativen Untersuchung ein Hinweis auf neuropathologische Veränderungen ergibt, sollte in allen Bereichen des Nervensystems, die diese Veränderungen zeigen, eine zweite Untersuchung durchgeführt werden, Gewebeschnitte aus allen Dosierungsgruppen und aus jeder der potenziell betroffenen Regionen sollen kodiert und ohne Kenntnis des Kodes nach Zufallskriterien untersucht werden. Die Häufigkeit und der Schweregrad jedes Befunds sollen registriert werden. Nachdem in allen Dosierungsgruppen sämtliche Regionen bewertet wurden, kann die Kodierung aufgehoben und eine statistische Analyse durchgeführt werden, um die Dosis-Wirkungs-Beziehungen auszuwerten. Beispiele für die unterschiedlichen Schweregrade der einzelnen Befunde sollen beschrieben werden.

Die neuropathologischen Ergebnisse sollen in Zusammenhang mit verhaltensbezogenen Beobachtungen und Messungen sowie mit anderen Daten ausgewertet werden, die aus vorausgegangenen und gleichzeitig durchgeführten Studien zur systemischen Toxizität der Testsubstanz stammen.

2.   DATEN

2.1.   BEHANDLUNG DER ERGEBNISSE

Es sollen Einzeldaten zur Verfügung gestellt werden. Darüber hinaus sollen sämtliche Daten in Form einer Tabelle zusammengefasst werden, die für jede Test- oder Kontrollgruppe die folgenden Informationen enthält: die Anzahl der Tiere zu Beginn des Tests, die Anzahl der Tiere, deren Tod während des Tests festgestellt wurde oder die aus Gründen des Tierschutzes getötet wurden, sowie der jeweilige Todes- oder Tötungszeitpunkt, die Anzahl der Tiere mit Anzeichen einer toxischen Wirkung, eine Beschreibung der beobachteten Toxizitätszeichen einschließlich des Zeitpunkts des Einsetzens, der Dauer und des Schweregrads etwaiger toxischer Wirkungen, die Anzahl der Tiere, die pathologische Befunde aufweisen, einschließlich der Art und des Schweregrads.

2.2.   AUSWERTUNG UND INTERPRETATION DER ERGEBNISSE

Die Ergebnisse der Studie sollen hinsichtlich Häufigkeit, Schweregrad und Wechselbeziehung der verhaltensbezogenen und neuropathologischen Wirkungen (auch der neurochemischen oder elektrophysiologischen Wirkungen, sofern ergänzende Untersuchungen ebenfalls durchgeführt wurden) sowie im Hinblick auf sonstige beobachtete schädliche Wirkungen ausgewertet werden. Wenn möglich, sollen die numerischen Ergebnisse mittels einer geeigneten und allgemein anerkannten statistischen Methode ausgewertet werden. Die statistische Methode soll in der Entwurfsphase der Studie ausgewählt werden.

3.   BERICHT

3.1.   PRÜFBERICHT

Der Prüfbericht muss folgende Angaben enthalten:

Testsubstanz:

 physikalische Beschaffenheit (einschließlich Isomerie, Reinheit und physikalisch-chemischen Eigenschaften);

 Identifizierungsdaten.

Vehikel (wenn verwendet):

 Begründung für die Wahl des Vehikels.

Versuchstiere:

 verwendete Spezies/Stamm;

 Anzahl, Alter und Geschlecht der Tiere;

 Herkunft/Züchter der Tiere, Haltungsbedingungen, Eingewöhnung, Futter usw.;

 Gewicht der einzelnen Tiere bei Versuchsbeginn.

Testbedingungen:

 Angaben über die Zubereitung der Testsubstanz/Futterzubereitung, erzielte Konzentration, Stabilität und Homogenität der Zubereitung;

 Angabe zu den verabreichten Dosen, einschließlich Angaben über Vehikel, Volumen und physikalische Form des verabreichten Materials;

 Angaben über die Verabreichung der Testsubstanz;

 Begründung für die gewählten Dosierungen;

 Begründung für den gewählten Applikationsweg und die Dauer der Exposition;

 Umrechnung von der Konzentration der Testsubstanz im Futter/Trinkwasser (ppm) auf die tatsächliche Dosis (mg pro kg Körpergewicht und Tag), wenn maßgeblich;

 Angaben über die Futter- und Trinkwasserqualität.

Beobachtungen- und Testverfahren:

 Angaben über die Zuordnung der Tiere in den einzelnen Gruppen zu den Untergruppen für die Perfusionsfixation;

 Angaben über die Bewertungssysteme, einschließlich der Kriterien und Bewertungsskalen für jede Messung im Rahmen der detaillierten klinischen Beobachtungen;

 Angaben zu den Funktionstests für die sensorische Reaktionsfähigkeit auf Stimuli verschiedener Art (z. B. akustisch, visuell und propriozeptiv), für die Beurteilung der Greifkraft der Extremitäten, für die Beurteilung der motorischen Aktivität (einschließlich Angaben über automatische Geräte zur Aktivitätserkennung) sowie Angaben zu anderen eingesetzten Verfahren;

 Angaben zu ophthalmologischen Untersuchungen und gegebenenfalls hämatologischen Untersuchungen und klinischen biochemischen Tests mit den entsprechenden Nominalwerten;

 Angaben zu den einzelnen verhaltensbezogenen, neuropathologischen, neurochemischen oder elektrophysiologischen Untersuchungen.

Ergebnisse:

 Körpergewicht/Änderungen des Körpergewichts einschließlich Körpergewicht zum Zeitpunkt der Tötung;

 Futterverbrauch und Trinkwasserverbrauch, wenn maßgeblich;

 Daten zur toxischen Wirkung nach Geschlecht und Dosierung, einschließlich Anzeichen für Toxizität oder Mortalität;

 Art, Schweregrad und Dauer (Zeitpunkt des Einsetzens und weiterer Verlauf) der detaillierten klinischen Beobachtungen (reversibel oder irreversibel);

 detaillierte Beschreibung sämtlicher Ergebnisse der Funktionstests;

 Sektionsbefunde;

 ausführliche Beschreibung sämtlicher verhaltensbezogenen, neuropathologischen und neurochemischen oder neurophysiologischen Ergebnisse, sofern verfügbar;

 Angaben zur Resorption und Metabolismus, sofern verfügbar;

 statistische Auswertung der Ergebnisse, wenn möglich.

Diskussion der Ergebnisse:

 Dosis-Wirkungs-Informationen;

 Zusammenhang zwischen anderen toxischen Wirkungen und einer Schlussfolgerung bezüglich des neurotoxischen Potenzials der Testchemikalie;

 Dosis ohne beobachtete schädigende Wirkungen (NOAEL).

Schlussfolgerungen:

 Eine konkrete Aussage über die Gesamt-Neurotoxizität der Testchemikalie ist wünschenswert.

4.   LITERATUR

(1) OECD Guidance Document on Neurotoxicity Testing Strategies and Test Methods. OECD, Paris, in Vorbereitung.

(2) Test Guideline for a Developmental Neurotoxicity Study, OECD Guidelines for the Testing of Chemicals, in Vorbereitung.

(3) World Health Organization (WHO) (1986). Environmental Health Criteria document 60: Principles and Methods for the Assessment of Neurotoxicity associated with Exposure to Chemicals.

(4) Spencer, P.S. and Schaumburg, H.H. (1980) Experimental and Clinical Neurotoxicology, Eds. Spencer, P.S. and Schaumburg, H.H. eds, Williams and Wilkins, Baltimore/London.

(5) Tupper, D.E. and Wallace, R.B. (1980). Utility of the Neurological Examination in Rats. Acta Neurobiol. Exp., 40, 999-1003.

(6) Gad, S.C. (1982). A Neuromuscular Screen for Use in Industrial Toxicology. J. Toxicol. Environ. Health, 9, 691704.

(7) Moser, V.C., McDaniel, K.M. and Phillips, P.M. (1991). Rat Strain and Stock Comparisons Using a Functional Observational Battery: Baseline Values and Effects of amitraz. Toxic. Appl. Pharmacol., 108, 267-283.

(8) Meyer, O.A., Tilson, H.A., Byrd, W.C. and Riley, M.T. (1979). A Method for the Routine Assessment of Fore- and Hind- limb Grip Strength of Rats and Mice. Neurobehav. Toxicol., 1, 233-236.

(9) Crofton, K.M., Haward, J.L., Moser, V.C., GUI, M.W., Reirer, L.W., Tilson, H.A. and MacPhail, R.C. (1991) Interlabotatory Comparison of Motor Activity Experiments: Implication for Neurotoxicological Assessments, Neurotoxicol. Teratol., 13, 599-609.

(10) Tilson, H.A., and Mitchell, C.L. eds. (1992). Neurotoxicology Target Organ Toxicology Series. Raven Press, New York.

(11) Chang, L.W., ed. (1995). Principles of Neurotoxicology. Marcel Dekker, New York.

(12) Broxup, B. (1991). Neuopathology as a screen for Neurotoxicity Assessment. J. Amer. Coll, Toxicol., U), 689-695.

(13) Moser, V.C, Anthony, D.C., Sette, W.R and MacPhail, R.C, (1992). Comparison of Subchronic Neurotoxicity of 2- Hydroxyethyl Acrylate and Acrylamide in Rats. Fund. Appl.Toxicol., 18, 343-352.

(14) O'Callaghan, J.P. (1988). Neurorypic and Gliotypic Proteins as Biochemical Markers of Neurotoxicity. Eurotoxicol. Teratol., 10, 445-452.

(15) O'Callaghan J.P. and Miller, D.B. (1988). Acute Exposure of the Neonatal Rat to Triethyltin Results in Persistent Changes in Neurotypic and Gliotypic Proteins. J. Pharmacol. Exp. Ther., 244, 368-378.

(16) Fox. D.A., Lowndes, H.E. and Birkamper, G.G. (1982). Electrophysiological Techniques in Neurotoxicology. In: Nervous System Toxicology. Mitchell, C.L. ed. Raven Press, New York, pp 299-335.

(17) Johnson, B.L. (1980). Electrophysiological Methods in neuroloxicity Testing. In: Experimental and Clinical Neurotoxicology. Spencer, P.S. and Schaumburg, H.H. eds., Williams and Wilkins Co., Baltimore/London, 726- 742.

(18) Bancroft, J.D. and Steven A. (1990). Theory and Pratice of Histological Techniques. Chapter 17, Neuropathological Techniques. Lowe, James and Cox, Gordon eds. Churchill Livingstone.



Tabelle 1

Benötigte Mindestanzahl der Tiere pro Gruppe, abhängig davon, ob die Prüfung auf Neurotoxizität als Einzelstudie oder in Verbindung mit anderen Studien durchgeführt wird

 

DURCHFÜHRUNG DER PRÜFUNG AUF NEUROTOXIZITÄT ALS:

Einzelstudie

Kombinierte Prüfung in Verbindung mit 28-Tage-Studie

Kombinierte Prüfung in Verbindung mit 90-Tage-Studie

Kombinierte Prüfung in Verbindung mit Studie zur chronischen Toxizität

Gesamtzahl der Tiere pro Gruppe

10 männliche und 10 weibliche Tiere

10 männliche und 10 weibliche Tiere

15 männliche und 15 weibliche Tiere

25 männliche und 25 weibliche Tiere

Anzahl der für Funktionstests einschließlich detaillierter klinischer Beobachtungen ausgewählten Tiere

10 männliche und 10 weibliche Tiere

10 männliche und 10 weibliche Tiere

10 männliche und 10 weibliche Tiere

10 männliche und 10 weibliche Tiere

Anzahl der für ln-situ-Perfusionsfixation und Neurohistopathologie ausgewählten Tiere

5 männliche und 5 weibliche Tiere

5 männliche und 5 weibliche Tiere

5 männliche und 5 weibliche Tiere

5 männliche und 5 weibliche Tiere

Anzahl der für die Beobachtungen (Toxizität bei wiederholter Verabreichung/subchronische Toxizität/chronische Toxizität, Hämatologie, klinische Biochemie, Histopathologie usw.) ausgewählten Tiere, wie in den entsprechenden Prüfrichtlinien (Guidelines) angegeben

 

5 männliche und 5 weibliche Tiere

10 männliche () und 10 weibliche Tiere ()

20 männliche () und 20 weibliche Tiere ()

Ergänzende Beobachtungen nach Bedarf

5 männliche und 5 weibliche Tiere

 

 

 

†  Einschließlich 5 Tiere, die für Funktionstests und detaillierte klinische Beobachtungen im Rahmen der Neurotoxizitätsstudie ausgewählt werden.



Tabelle 2

Häufigkeit der klinischen Beobachtungen und Funktionstests

Art der Beobachtung

Dauer der Studie

Akut

28 Tage

90 Tage

Chronisch

Bei allen Tieren

Allgemeiner Gesundheitszustand

Täglich

Täglich

Täglich

Täglich

Mortalität/Morbidität

Zweimal täglich

Zweimal täglich

Zweimal täglich

Zweimal täglich

Bei den für Funktionsbeobachtungen ausgewählten Tieren

Detaillierte klinische Beobachtungen

— vor der ersten Exposition

— binnen 8 Stunden nach Verabreichung zum Zeitpunkt der erwarteten maximalen Wirkung

— am 7 und 14. Tag nach Verabreichung

— vor der ersten Exposition

— anschließend einmal wöchentlich

— vor der ersten Exposition

— einmal während der ersten oder zweiten Expositionswoche

— anschließend monatlich

— vor der ersten Exposition

— einmal am Ende des ersten Expositionsmonats

— anschließend alle drei Monate

Funktionstests

— vor der ersten Exposition

— binnen 8 Stunden nach Verabreichung zum Zeitpunkt der erwarteten maximalen Wirkung

— am 7. und 14. Tag nach Verabreichung

— vor der ersten Exposition

— während der vierten Behandlungswoche möglichst nahe am Ende des Expositionszeitraums

— vor der ersten Exposition

— einmal während der ersten oder zweiten Expositionswoche

— anschließend monatlich

— vor der ersten Exposition

— einmal am Ende des ersten Expositionsmonats

— anschließend alle drei Monate

B.44.   HAUTRESORPTION: IN-VIVO-METHODE

1.   METHODE

Diese Testmethode entspricht OECD TG 427 (2004).

1.1.   EINLEITUNG

Die meisten Chemikalien wirken über die Haut auf den Körper ein, während bei den meisten an Labortieren durchgeführten toxikologischen Studien die Chemikalie oral verabreicht wird. Die in dieser Richtlinie beschriebene Untersuchung der perkutanen In-vivo-Resorption stellt die Verbindung her, die bei der Sicherheitsbewertung im Anschluss an dermale Exposition für die Extrapolation der Ergebnisse oraler Studien notwendig ist.

Eine Substanz muss eine große Zahl von Hautschichten durchdringen, bevor sie in den Kreislauf gelangen kann. Bei den meisten Substanzen wird die Penetrationsgeschwindigkeit durch die aus toten Zellen bestehende Hornhaut (Stratum Corneum) bestimmt. Die Permeabilität der Haut wird sowohl von der Lipophilie der Chemikalie als auch von der Dicke der äußeren Epidermisschicht sowie durch Faktoren wie dem Molgewicht und der Stoffkonzentration bestimmt. Im Allgemeinen ist die Haut von Ratten und Hasen permeabler als die menschliche Haut, während die Permeabilität der Haut von Meerschweinchen und Affen der Permeabilität der menschlichen Haut ähnelt.

Die Methoden zur Messung der perkutanen Resorption lassen sich in zwei Kategorien einteilen: in vivo und in vitro. Die In-vivo-Methode liefert bei unterschiedlichen Labortierarten gute Informationen zur Hautresorption. In jüngerer Zeit wurden ergänzend In-vitro-Methoden entwickelt. Bei diesen wird der Transport durch die menschliche oder tierische Haut in ihrer vollständigen oder teilweisen Dicke in einem Flüssigkeitsbehälter untersucht. Die In-vitro-Methode wird in einer separaten Testverfahrensbeschreibung (1) beschrieben. Es wird empfohlen, das OECD Guidance Document for the Conduct of Skin Absorption Studies (2) als Hilfe bei der Wahl der für den jeweiligen Fall geeignetsten Methode zu Rate zu ziehen; dieses Dokument enthält nähere Angaben zur Eignung der In-vivo- und In-vitro-Methoden.

Die hier beschriebene In-vivo-Methode ermöglicht die Bestimmung der Penetration der Testsubstanz durch die Haut in den Kreislauf. Dieses Verfahren findet seit Jahren weithin Anwendung (3) (4) (5) (6) (7). Zwar sind In-vitro-Studien zur perkutanen Resorption in zahlreichen Fällen geeignet, doch können die benötigten Daten in bestimmten Fällen nur durch In-vivo-Studien gewonnen werden.

Die Vorteile der In-vivo-Methode bestehen darin, dass dabei ein physiologisch und metabolisch intaktes System und eine zahlreichen Toxizitätsstudien gemeinsame Tierart verwendet wird und dass diese Methode für die Verwendung mit anderen Arten modifiziert werden kann. Nachteile sind die Verwendung lebender Tiere und die Notwendigkeit, radioaktiv markiertes Material einzusetzen, damit zuverlässige Ergebnisse gewährleistet sind, ferner Schwierigkeiten bei der Bestimmung der Frühresorptionsphase und die unterschiedliche Permeabilität der Haut der bevorzugt verwendeten Art (Ratten) und der menschlichen Haut. Tierische Haut ist im Allgemeinen durchlässiger, d. h., die perkutane Resorption der menschlichen Haut könnte demzufolge überschätzt werden (6) (8) (9). Ätzende Materialien sollten an lebenden Tieren nicht getestet werden.

1.2.   DEFINITIONEN

Unresorbierte Dosis: Dies entspricht der nach der Exposition von der Hautoberfläche abgewaschenen Dosis sowie der ggf. in der nicht okkludierten Abdeckung enthaltenen Dosis, einschließlich etwaiger Dosen, bei denen nachgewiesen wird, dass sie sich während der Exposition auf der Haut verflüchtigen.

Resorbierte Dosis (in vivo): Diese umfasst die im Urin, in Käfigreinigungsrückständen, Fäzes, ausgeatmeter Luft (soweit diese gemessen wird), im Blut, Gewebe (sofern erfasst) und dem übrigen Körper verbliebene Dosis nach Entfernung der Haut an der Stelle, an der die Substanz aufgetragen wurde.

Resorbierbare Dosis: Diese stellt die nach dem Waschen auf oder in der Haut vorhandene Dosis dar.

1.3.   PRINZIP DER PRÜFMETHODE

Die Testsubstanz wird — möglichst in radioaktiv markierter Form — in einer oder mehreren geeigneten Dosierungen als repräsentative praktische Präparation auf der geschorenen Haut der Tiere aufgebracht. Die Testpräparation bleibt während einer bestimmten Zeitdauer unter einer geeigneten (nicht okklusiven, semi-okklusiven oder okklusiven) Abdeckung mit der Haut in Kontakt. Am Ende des Expositionszeit wird die Abdeckung entfernt und die Haut mit einem geeigneten Reinigungsmittel gereinigt; Abdeckung und Reinigungsmittel werden zur Analyse aufbewahrt, und es wird eine frische Abdeckung angebracht. Die Tiere werden vor, während und nach der Expositionszeit in Stoffwechsel-Einzelkäfigen untergebracht, und die während dieses Zeitraums anfallenden Exkremente und die ausgeatmete Luft werden zu Analysezwecken gesammelt. Die Sammlung der ausgeatmeten Luft kann entfallen, wenn ausreichende Angaben darüber vorliegen, dass nur wenig oder gar keine flüchtigen radioaktiven Stoffwechselprodukte gebildet werden. Im Rahmen der Studien werden normalerweise mehrere Tiergruppen der Testpräparation ausgesetzt. Eine Gruppe wird am Ende der Expositionszeit getötet. Andere Gruppen werden zu festgelegten späteren Zeitpunkten getötet (2). Am Ende der Probenahmephase werden die verbleibenden Tiere getötet, Blut zu Analysezwecken entnommen, die Auftragsstelle zur Analyse entnommen und der Körper auf etwaige nicht ausgeschiedene Stoffe untersucht. Die Stichproben werden durch entsprechende Mittel untersucht und der Grad der perkutanen Resorption näherungsweise ermittelt (6) (8) (9).

1.4.   BESCHREIBUNG DER TESTMETHODE

1.4.1.   Auswahl von Versuchstierarten

Üblicherweise werden Ratten verwendet, allerdings können auch haarlose Stämme und Arten, deren Hautresorptionsrate denen der menschlichen Haut näherkommt, verwendet werden (3) (6) (7) (8) (9). Es sind junge, ausgewachsene und gesunde Tiere gleichen Geschlechts (standardmäßig männliche Tiere) üblicherweise verwendeter Laborstämme zu verwenden. Zu Beginn der Studie dürfen die Gewichtsunterschiede der verwendeten Tiere eine Grenze von ± 20 % des mittleren Gewichts nicht überschreiten. So sind beispielsweise männliche Ratten mit einem Gewicht von 200-250 g geeignet, insbesondere Tiere in der oberen Hälfte dieses Gewichtsbereichs.

1.4.2.   Zahl und Geschlecht der Versuchstiere

Zur Vorbereitung des Tests und für jeden Beendigungszeitpunkt ist je eine Gruppe von mindestens 4 Tieren gleichen Geschlechts zu verwenden. Jede Gruppe von Tieren wird nach unterschiedlichen Zeitintervallen getötet, beispielsweise nach Ende der Expositionszeit (typischerweise 6 oder 24 Stunden) bzw. zu späteren Zeitpunkten (z. B. nach 48 und 72 Stunden). Liegen Daten vor, anhand deren erhebliche Unterschiede der dermalen Toxizität bei männlichen und weiblichen Tieren nachgewiesen werden, ist das empfindlichere Geschlecht zu wählen. Liegen keine diesbezüglichen Daten vor, ist die Wahl des Geschlechts freigestellt.

1.4.3.   Unterbringungs- und Fütterungsbedingungen

Die Temperatur im Tierversuchsraum muss 22 oC (± 3 oC) betragen. Die relative Luftfeuchte muss mindestens 30 % betragen und sollte 70 % — außer beim Reinigen des Raums — nicht überschreiten. Angestrebt werden sollte eine Luftfeuchte von 50-60 %. Für die Beleuchtung ist Kunstlicht zu verwenden und so zu schalten, dass sich 12 Stunden Licht mit 12 Stunden Dunkelheit abwechseln. Zur Ernährung sind herkömmliche Labornahrungsmittel zu verwenden, die unrationiert mit einer unbegrenzten Menge Trinkwasser zur Verfügung stehen sollten. Während der Studie sowie vorzugsweise auch während der Eingewöhnungsphase werden die Tiere einzeln in Stoffwechselkäfigen untergebracht. Da die Ergebnisse durch verschüttetes Nahrungsmittel und Wasser beeinträchtigt würden, ist die Wahrscheinlichkeit derartiger Störungen zu minimieren.

1.4.4.   Präparation der Tiere

Die Tiere werden markiert, damit sie einzeln identifiziert werden können. Vor Beginn der Studie werden sie mindestens 5 Tage lang in ihren Käfigen gehalten, so dass eine Gewöhnung an die Laborbedingungen erfolgen kann.

Nach der Akklimatisierungsphase und rund 24 Stunden vor der Verabreichung der Dosis wird an jedem Tier ein Hautbereich im Schulter- und Rückenbereich geschoren. Da geschädigte Haut andere Permeationseigenschaften als intakte Haut aufweist, ist Abrieb der Hautoberfläche zu vermeiden. Nach der Schur und rund 24 Stunden vor Auftragen der Testsubstanz auf die Haut (siehe Abschnitt 1.4.7) ist die Hautoberfläche mit Aceton abzuwischen, um das Sebum zu entfernen. Zusätzliches Waschen mit Seife und Wasser ist nicht zu empfehlen, da Seifenrückstände die Resorption der Testsubstanz fördern könnten. Der Bereich muss so groß sein, dass eine zuverlässige Berechnung der resorbierten Menge der Testchemikalie je cm2 Haut gewährleistet ist, vorzugsweise also mindestens 10 cm2. Ein solcher Bereich kann an Ratten mit einem Körpergewicht von 200-250 g hergestellt werden. Nach der Vorbereitung werden die Tiere wieder in die Stoffwechselkäfige platziert.

1.4.5.   Testsubstanz

Als Testsubstanz wird der Stoff verwendet, dessen Penetrationseigenschaften untersucht werden sollen. Idealerweise ist die Testsubstanz radioaktiv zu markieren.

1.4.6.   Testpräparation

Die Präparation der Testsubstanz (z. B. reines, verdünntes oder formuliertes Material, das die auf der Haut aufgetragene Testchemikalie enthält) muss der Substanz entsprechen (oder ein realistisches Surrogat hiervon bilden), der Menschen oder andere betroffene Gruppen ausgesetzt sein können. Etwaige Abweichungen von der in der Praxis verwendeten Präparation sind zu begründen. Bei Bedarf wird die Prüfsubstanz in einem geeigneten Medium gelöst oder suspendiert. Bei anderen Trägermedien als Wasser müssen die Resorptionseigenschaften und mögliche Wechselwirkungen mit der Testsubstanz bekannt sein

1.4.7.   Aufbringen auf die Haut

Auf der Hautoberfläche wird eine Applikationsstelle mit einer bestimmten Fläche festgelegt. Eine bekannte Menge der Testpräparation wird gleichmäßig auf dieser Stelle aufgetragen. Diese Menge muss im Regelfall die potenzielle Exposition wiedergeben, der der Mensch ausgesetzt ist, typischerweise bei Feststoffen 1-5 mg/cm2 oder bei Flüssigkeiten bis zu 10 μl/cm2. Abweichende Mengen müssen aufgrund der zu erwartenden Verwendungsbedingungen, der Untersuchungsziele oder der physikalischen Eigenschaften der Testpräparation gerechtfertigt sein. Nach dem Auftrag ist die behandelte Stelle gegen Überstreichen zu schützen. Eine typische Vorrichtung hierfür ist in Abbildung 1 dargestellt; normalerweise wird die Hautstelle, an der der Auftrag erfolgte, durch eine nicht okklusive Abdeckung geschützt (z. B. eine permeable Nylongazeabdeckung). Bei infiniter Applikation ist die Applikationsstelle jedoch zu okkludieren. Falls durch die Verdunstung semiflüchtiger Testsubstanzen die Rückgewinnungsrate der Testsubstanz in einem inakzeptablen Maß verringert wird (siehe auch Abschnitt 1.4.10, erster Absatz), muss die verdunstete Substanz in einem Aktivkohlefilter über der Applikationsvorrichtung aufgefangen werden (siehe Abbildung 1). Derartige Vorrichtungen dürfen die Haut nicht schädigen und die Testpräparation weder absorbieren noch mit ihr reagieren. Die Tiere werden anschließend wieder in ihre Stoffwechsel-Einzelkäfige gesetzt, damit die Exkremente aufgefangen werden können.

1.4.8.   Dauer der Exposition und Probenahme

Die Expositionsdauer entspricht der Zeitdauer zwischen Auftrag und Entfernung der Testpräparation durch Waschen der Haut. Dabei ist eine aussagefähige Expositionszeit (normalerweise 6 oder 24 Stunden) entsprechend der beim Menschen zu erwartenden Expositionsdauer einzuhalten. Nach der Expositionsdauer verbleiben die Tiere bis zum planmäßigen Ende der Studie in den Stoffwechselkäfigen. Während der gesamten Dauer der Studie sind die Tiere in regelmäßigen Intervallen auf Anzeichen toxischer Wirkungen/abnormaler Reaktionen zu beobachten. Am Ende der Expositionszeit ist die behandelte Hautfläche auf sichtbare Anzeichen einer Reizung zu untersuchen.

Die Stoffwechselkäfige müssen so eingerichtet sein, dass Urin und Fäzes während der gesamten Untersuchungsdauer separat gesammelt werden können. Die Sammlung von 14C-Kohlendioxid und flüchtigen 14C-Kohlenstoffverbindungen muss möglich sein; diese Verbindungen sind, wenn sie in entsprechender Menge anfallen (> 5 %), zu analysieren. Urin, Exkremente und in der Auffangvorrichtung zurückgehaltene Flüssigkeiten (z. B. 14C-Kohlendioxid und flüchtige 14C-Verbindungen) sind zu den einzelnen Probenahmezeitpunkten aus jeder Gruppe einzeln zu sammeln. Liegen ausreichende Angaben darüber vor, dass kaum oder keine flüchtigen radioaktiven Stoffwechselprodukte gebildet werden, können auch offene Käfige verwendet werden.

Die Exkremente werden während der Dauer der Exposition, bis zu 24 Stunden nach dem erstmaligen Hautkontakt und anschließend täglich bis zum Ende des Versuchs gesammelt. Normalerweise sind drei Intervalle für die Sammlung von Exkrementen ausreichend, je nach beabsichtigtem Zweck der Testpräparation oder vorliegenden kinetischen Daten können jedoch auch geeignetere oder zusätzliche Zeitpunkte für eine Untersuchung in Betracht kommen.

Am Ende des Expositionszeitraums wird die Schutzvorrichtung von den Tieren entfernt und separat zur weiteren Analyse verwahrt. An allen Tieren ist die behandelte Haut mindestens dreimal mit geeigneten Tupfern zu waschen. Dabei ist darauf zu achten, dass keine anderen Körperteile kontaminiert werden. Das Reinigungsmittel muss typisch für die bei normaler Körperhygiene verwendeten Produkte sein, z. B. eine wässrige Seifenlösung. Abschließend ist die Haut zu trocknen. Sämtliche Tupfer und Waschrückstände sind zur Analyse aufzubewahren. Bei Tieren jener Gruppen, die bis zu einem späteren Zeitpunkt untersucht werden, ist zum Schutz der behandelten Hautstelle eine neue Abdeckung anzubringen, bevor diese wieder in ihre Einzelkäfige verbracht werden.

1.4.9.   Abschließende Schritte

Die Tiere der einzelnen Gruppen sind zum festgelegten Zeitpunkt zu töten, und das Blut ist zur Analyse aufzufangen. Die Schutzvorrichtung bzw. -abdeckung ist zur Analyse zu entfernen. Die Haut an der Applikationsstelle und ein ähnlicher Bereich unbehandelter, rasierter Haut sind zur separaten Analyse bei jedem Tier zu entfernen. Die Applikationsstelle kann zerlegt werden, wobei das Stratum corneum von der darunter liegenden Epidermis getrennt wird und daraus weitere Informationen zur Verteilung der Testchemikalie gewonnen werden. Durch die Ermittlung der Ablagerung über einen bestimmten Zeitraum nach der Expositionszeit lassen sich Angaben zum Verbleib bzw. Verhalten der einzelnen Testchemikalien im Stratum corneum gewinnen. Um die Fraktionierung der Haut zu erleichtern (nachdem die Haut letztmalig gewaschen und das Tier getötet wurde), werden die einzelnen Schutzabdeckungen entfernt. Die Applikationsstelle auf der Haut sowie ein angrenzender ringförmiger Hautbereich werden aus dem Rattenkörper herausgeschnitten und auf einer Unterlage befestigt. Ein Klebestreifen wird mit leichtem Druck auf der Hautoberfläche angedrückt und das Klebeband zusammen mit einem Teil des Stratum corneum abgezogen. Anschließend werden weitere Klebestreifen aufgebracht, bis das Klebeband nicht mehr an der Hautoberfläche haftet; dann ist das gesamte Stratum corneum entfernt. Sämtliche Klebestreifen eines jeden Tieres können in einem einzigen Behälter gemeinsam verwahrt werden; diesem Behälter wird ein Gewebeauflösungsmittel zur Auflösung des Stratum corneum zugesetzt. Bestimmte für die Untersuchung bestimmte Gewebe können zur separaten Messung entnommen werden, bevor der Tierkörper auf die resorbierte Körperdosis untersucht wird. Die Körper der einzelnen Tiere sind zu Analysezwecken aufzubewahren. Normalerweise reicht die Analyse des Gesamtgehalts aus. Zur Untersuchung vorgesehene Organe können zur separaten Analyse entnommen werden (wenn dies durch andere Studien angezeigt ist). Der zum Zeitpunkt der Tötung in der Blase enthaltene Urin ist zu dem zuvor gesammelten Urin zu geben. Nachdem die Exkremente zum Zeitpunkt der Tötung aus den Stoffwechselkäfigen gesammelt wurden, sind die Käfige und ihre Auffangvorrichtungen mit einem geeigneten Lösemittel zu waschen. Andere möglicherweise verunreinigte Geräte sind ebenfalls zu analysieren.

1.4.10.   Analyse

In allen Studien ist eine ausreichende Rückgewinnung (d. h. ein Mittelwert von 100 ± 10 % der Radioaktivität) anzustreben. Rückgewinnungsraten außerhalb dieses Sollbereichs sind zu begründen. Die Menge der in jeder Probe verabreichten Dosis ist durch in geeigneter Weise validierte Verfahren zu analysieren.

Als Teil der statistischen Untersuchung ist bei den Wiederholungen jeder Anwendung ein Maß für die Streuung zu berücksichtigen.

2.   DATEN

An sämtlichen Tieren sind bei jeder Probenahme der Testchemikalie und/oder der Stoffwechselprodukte die unten stehenden Messungen durchzuführen. Zusätzlich zu Einzeldaten sind die entsprechend den Probenahmezeiten zu Gruppen zusammengefassten Daten als Mittelwerte in den Bericht aufzunehmen:

 Menge, die den Schutzvorrichtungen zugeordnet wird,

 Menge, die aus der Haut gelöst werden kann,

 Menge in/auf der Haut, die nicht von der Haut abgewaschen werden kann,

 Menge in der Blutprobe,

 Menge in den Exkrementen und der ausgeatmeten Luft (falls maßgeblich),

 im Körper und in zu separaten Analysen entnommenen Organen verbleibende Menge.

Anhand der in den Exkrementen, der ausgeatmeten Luft, im Blut und im Körper enthaltenen Menge der Testsubstanz und/oder der Metaboliten kann die zu den jeweiligen Zeitpunkten resorbierte Gesamtmenge bestimmt werden. Außerdem ist eine Berechnung der Menge der Testchemikalie möglich, die je cm2 der während der Expositionszeit der Testsubstanz ausgesetzten Haut resorbiert wurde.

3.   BERICHTERSTATTUNG

3.1.   ABSCHLUSSBERICHT

Der Testbericht muss die im Protokoll festgelegten Anforderungen einschließlich einer Begründung für das verwendete Testsystem sowie folgende Angaben enthalten:

Prüfsubstanz

 Kenndaten, z. B. CAS-Nummer, sofern vorhanden, Quelle, Reinheit (radiochemische Reinheit), bekannte Verunreinigungen, Partienummer;

 physikalische Beschaffenheit, physikalisch-chemische Eigenschaften (z. B. pH-Wert, Flüchtigkeit, Löslichkeit, Stabilität, Molgewicht und log Pow).

Testpräparation:

 Formulierung und Begründung für die Verwendung;

 Details der Testpräparation, aufgetragene Menge, erreichte Konzentration, Vehikel, Stabilität und Homogenität.

Versuchstier:

 Art/Stamm;

 Zahl, Alter und Geschlecht der Tiere;

 Herkunft der Tiere, Unterbringungsbedingungen, Ernährung usw.;

 Gewicht der einzelnen Tiere bei Versuchsbeginn.

Prüfbedingungen:

 Details zur Verabreichung der Testpräparation (Applikationsort, Testmethoden, Okklusion/Nicht-Okklusion, Volumen, Extraktion, Nachweis);

 Angaben zu Futter- und Wasserqualität.

Ergebnisse:

 etwaige Anzeichen von Toxizität;

 in Tabellenform dargestellte Resorptionsdaten (angegeben als Geschwindigkeit, Menge oder Prozentwert);

 Gesamtrückgewinnungsrate aus dem Versuch;

 Auswertung der Ergebnisse, Vergleich mit bereits vorliegenden Daten zur perkutanen Resorption der Testverbindung.

Erörterung der Ergebnisse.

Schlussfolgerungen.

4.   LITERATURHINWEISE

1. Testing Method B.45. Skin Absorption: In vitro Method.

2. OECD (2002). Guidance Document for the Conduct of Skin Absorption Studies. OECD, Paris.

3. ECETOC (1993) Percutaneous Absorption. European Centre for Ecotoxicology and Toxicology of Chemicals, Monograph No. 20.

4. Zendzian R.P. (1989) Skin Penetration Method suggested for Environmental Protection Agency Requirements. J. Am. Coll. Toxicol. 8(5), 829-835.

5. Kemppainen B.W., Reifenrath W.G. (1990) Methods for skin absorption. CRC Press Boca Raton, FL, USA.

6. EPA (1992) Dermal Exposure Assessment: Principles and Applications. Exposure Assessment Group, Office of Health and Environmental Assessment.

7. EPA (1998) Health Effects Test Guidelines, OPPTS 870-7600, Dermal Penetration. Office of Prevention, Pesticides and Toxic Substances.

8. Bronaugh R.L., Wester R.C., Bucks D., Maibach H.I. and Sarason R. (1990) In vivo percutaneous absorption of fragrance ingredients in reshus monkeys and humans. Fd. Chem. Toxic. 28, 369-373.

9. Feldman R.J. and Maibach H.I. (1970) Absorption of some organic compounds through the skin in man. J. Invest Dermatol. 54, 399-404.

Abbildung 1

Beispiel für die Gestaltung einer typischen Vorrichtung zur Begrenzung und zum Schutz der dermalen Applikationsstelle bei In-vivo-Studien zur perkutanen Resorption

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B.45.   HAUTRESORPTION: IN-VITRO-METHODE

1.   METHODE

Diese Testmethode entspricht OECD TG 428 (2004).

1.1.   EINLEITUNG

Diese Methode soll Aufschluss über die Resorption einer auf ein ausgeschnittenes Hautstück aufgebrachten Testsubstanz geben. Sie kann entweder mit der Hautresorptionsmethode: In-vivo-Methode (1) kombiniert oder separat durchgeführt werden. Für die Gestaltung von Studien auf der Grundlage dieser Methode wird empfohlen, das OECD Guidance Document for the Conduct of Skin Absorption Studies (2) zu Rate zu ziehen. Diese Richtlinie soll Hilfestellung bei der Wahl geeigneter In-vitro-Verfahren für bestimmte Anwendungsfälle leisten, damit die Zuverlässigkeit der durch dieses Verfahren gewonnenen Ergebnisse gewährleistet ist.

Die Methoden zur Messung der Hautresorption und des dermalen Eintrags lassen sich in zwei Kategorien unterteilen: in vivo und in vitro. In-vivo-Methoden zur Untersuchung der Hautresorption sind seit langem etabliert und liefern pharmakokinetische Angaben zu verschiedenen Tierarten. Eine In-vivo-Methode wird in einer weiteren Testmethode (1) beschrieben. In-vitro-Methoden werden seit Jahren ebenfalls zur Messung der Hautresorption eingesetzt. Offizielle Validierungsstudien der In-vitro-Methoden, die unter die vorliegende Testmethode fallen, wurden zwar nicht durchgeführt, doch wurde von den OECD-Experten im Jahr 1999 festgestellt, dass der Umfang der evaluierten Daten als Bestätigung der In-vitro-Methode ausreicht (3). Weitere Details zur Untermauerung dieser Bestätigung — darunter umfangreiche direkte Vergleiche von In-vitro- und In-vivo-Methoden — sind in der unter (2) angegebenen Richtlinie (Guidance Document) enthalten. Dieses Thema wurde bereits in zahlreichen Monografien dargestellt, die auch ausführliche Hintergrundinformationen zum Einsatz von In-vitro-Methoden enthalten (4) (5) (6) (7) (8) (9) (10) (11) (12). Mit In-vitro-Methoden wird die Diffusion von Chemikalien in und durch die Haut in einen Flüssigkeitstank gemessen, wobei an nicht lebensfähiger Haut die reine Diffusion oder an frischer, stoffwechselaktiver Haut gleichzeitig Diffusion und Hautstoffwechsel gemessen werden können. Derartige Methoden finden insbesondere Verwendung als Raster für den Vergleich des Eintrags von Chemikalien aus unterschiedlichen Formulierungen in und durch die Haut und bieten sich darüber hinaus als nützliche Modelle für die Beurteilung der perkutanen Resorption beim Menschen an.

Die In-vitro-Methode eignet sich möglicherweise nicht für sämtliche Situationen und Chemikalienklassen. Möglicherweise kann die In-vitro-Testmethode zur einleitenden qualitativen Evaluierung der Penetration durch die Haut verwendet werden. In bestimmten Fällen muss dies durch In-vivo-Daten untermauert werden. Zur weiteren Vertiefung jener Fälle, in denen die In-vitro-Methode geeignet wäre, ist die unter (2) angegebene Richtlinie (Guidance Document) heranzuziehen. Weitere detaillierte Informationen zur Untermauerung der Entscheidungsfindung sind in (3) nachzulesen.

Die hier beschriebene Methode gibt Aufschluss über die grundlegenden Prinzipien der Messung der dermalen Resorption und des Eintrags einer Testsubstanz auf ausgeschnittenen Hautstücken. Hierfür können Hautproben zahlreicher Säugetierarten — auch menschliche Haut — verwendet werden. Die Permeabilitätseigenschaften der Haut bleiben nach dem Ausschneiden des Hautstücks aus dem Körper erhalten, da die abgestorbene Hornhaut (Stratum corneum) die Hauptdiffusionssperre bildet; ein aktiver Transport von Chemikalien durch die Haut wurde nicht festgestellt. Es wurde nachgewiesen, dass die Haut in der Lage ist, bei der perkutanen Resorption bestimmte Chemikalien in Stoffwechselprodukte umzusetzen (6); allerdings tritt bei diesem Prozess hinsichtlich der tatsächlich resorbierten Dosis keine Begrenzung der Geschwindigkeit ein, jedoch kann die Art des in den Blutkreislauf gelangenden Materials davon beeinflusst werden.

1.2.   DEFINITIONEN

Unresorbierte Dosis: Dies entspricht der nach der Exposition von der Hautoberfläche abgewaschenen Dosis sowie der ggf. in der nicht okkludierten Abdeckung enthaltenen Dosis, einschließlich etwaiger Dosen, bei denen nachgewiesen wird, dass sie sich während der Exposition auf der Haut verflüchtigen.

Resorbierte Dosis (in vitro): Masse der Testsubstanz, die innerhalb einer bestimmten Zeit in den Rezeptor-Flüssigkeits- oder -Systemkreislauf gelangt.

Resorbierbare Dosis (in vitro): die nach dem Abwaschen auf oder in der Haut vorhandene Dosis.

1.3.   PRINZIP DER PRÜFMETHODE

Die Testsubstanz, die radioaktiv markiert werden kann, wird auf die Oberfläche eines Hautprobestücks aufgetragen, das die beiden Kammern einer Diffusionszelle voneinander trennt. Die Chemikalie verbleibt unter festgelegten Bedingungen eine bestimmte Zeit lang auf der Haut, bevor sie durch ein geeignetes Reinigungsverfahren entfernt wird. Von der Rezeptorflüssigkeit werden zu bestimmten Zeitpunkten während des Versuchs Proben genommen und auf die Testchemikalie und/oder Metaboliten analysiert.

Bei Verwendung stoffwechselaktiver Systeme können die Metaboliten der Testchemikalie durch geeignete Verfahren analysiert werden. Am Ende des Experiments werden die Verteilung der Testchemikalie und ggf. deren Metaboliten quantifiziert.

Unter entsprechenden Bedingungen, die in der vorliegenden Methode und in Richtlinie (2) beschrieben sind, wird durch Analyse der Rezeptorflüssigkeit und der behandelten Haut die während eines bestimmten Zeitraums erfolgte Resorption einer Testsubstanz gemessen. Die auf der Haut verbleibende Testsubstanz ist als resorbiert zu betrachten, es sei denn, es kann nachgewiesen werden, dass die Resorption anhand der Werte der Rezeptorflüssigkeit alleine ermittelt werden kann. Anhand der Analyse der übrigen Bestandteile (von der Haut abgewaschenes und zwischen den Hautschichten verbleibendes Material) kann eine weitere Evaluierung der Daten vorgenommen werden, unter anderem auch die Gesamtverteilung der Testsubstanz und die prozentuale Rückgewinnung.

Als Nachweis für die Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit des Testsystems müssen die Ergebnisse der relevanten Referenzchemikalien vorliegen und mit dem veröffentlichten Schrifttum zu der verwendeten Methode übereinstimmen. Diese Anforderung könnte erfüllt werden, indem die Tests mit einer geeigneten Referenzsubstanz (deren Lipophilie vorzugsweise den Werten der Testsubstanz näherungsweise entsprechen sollte) zeitgleich mit der Testsubstanz durchgeführt werden oder indem ausreichende historische Daten für verschiedene Referenzsubstanzen unterschiedlicher Lipophilie vorgelegt werden (z. B. Koffein, Benzoesäure und Testosteron).

1.4.   BESCHREIBUNG DER PRÜFMETHODE

1.4.1.   Diffusionszelle

Die Diffusionszelle besteht aus einer Spenderkammer und einer Rezeptorkammer, zwischen denen die Haut angeordnet wird (ein Beispiel für einen typischen Aufbau einer solchen Kammer ist in Abbildung 1 dargestellt). Die Zelle muss so aufgebaut werden, dass die Haut dicht umschlossen wird, die Probenahme auf einfache Weise möglich ist und eine gute Durchmischung der Rezeptorlösung erreicht wird, die mit der Hautunterseite in Berührung kommt, und außerdem eine gute Temperaturregelung der Zelle und ihres Inhalts möglich ist. Es sind sowohl statische Diffusionszellen als auch Durchfluss-Diffusionszellen zulässig. Normalerweise sind die Spenderkammern bei der Exposition gegenüber einer finiten Dosis einer Testpräparation nicht okkludiert. Bei infiniten Applikationen und bestimmten bei finiten Dosen vorkommenden Szenarien können die Spenderkammern jedoch auch okkludiert werden.

1.4.2.   Rezeptorflüssigkeit

Vorzugsweise ist eine physiologisch geeignete Rezeptorflüssigkeit zu verwenden, allerdings sind auch andere Flüssigkeitsarten zulässig, sofern deren Verwendung begründet werden kann. Die genaue Zusammensetzung der Rezeptorflüssigkeit ist anzugeben. Eine ausreichende Löslichkeit der Testchemikalie in der Rezeptorflüssigkeit ist nachzuweisen, damit sie nicht als Resorptionssperre wirkt. Außerdem darf die Rezeptorflüssigkeit die Intaktheit des Hautstücks nicht beeinträchtigen. In einem Durchflusssystem darf die Durchflussgeschwindigkeit die Diffusion der Testsubstanz in die Rezeptorflüssigkeit nicht behindern. In einem statischen Zellensystem muss die Flüssigkeit ständig umgerührt werden, und es sind regelmäßig Proben zu entnehmen. Wird der Stoffwechsel untersucht, muss die Rezeptorflüssigkeit so beschaffen sein, dass die Viabilität der Haut während des gesamten Verlaufs des Experiments unterstützt wird.

1.4.3.   Herstellung der Hautstücke

Es kann menschliche oder tierische Haut verwendet werden. Natürlich unterliegt die Verwendung menschlicher Haut einzelstaatlichen und internationalen ethischen Kriterien und Auflagen. Vorzugsweise sollte lebensfähige Haut verwendet werden, allerdings ist auch die Verwendung von abgestorbener Haut zulässig, sofern die Intaktheit der Haut nachgewiesen werden kann. Es sind entweder Epidermismembranen (die durch Enzyme, durch Wärme oder auf chemischem Wege separiert wurden) oder geteilte Hautlagen (typischerweise mit einer Dicke von 200-400 μm), die mit einem Dermatom hergestellt wurden, zulässig. Es kann auch die volle Hautdicke verwendet werden, allerdings ist eine übermäßige Hautdicke (ca. > 1 mm) zu vermeiden, sofern dies nicht zur Feststellung der Testchemikalie in den einzelnen Hautlagen erforderlich ist. Die Wahl der Arten, die anatomische Entnahmestelle und das Präparationsverfahren sind zu begründen. Es müssen akzeptable Daten aus mindestens vier Wiederholungs-Gleichtests je Testpräparation vorliegen.

1.4.4.   Intakte Beschaffenheit des hergestellten Hautstücks

Eine sachgemäße Herstellung des Hautstücks ist von größter Bedeutung. Durch unsachgemäße Handhabung kann die Hornhaut (Stratum corneum) beschädigt werden; daher ist das hergestellte Hautstück auf intakte Beschaffenheit zu kontrollieren. Bei der Untersuchung des Hautstoffwechsels ist die frisch ausgeschnittene Haut möglichst zeitnah und unter Bedingungen, die nachgewiesenermaßen eine Stoffwechselaktivität unterstützen, zu verwenden. Als Richtwert gilt dabei, dass frisch ausgeschnittene Haut innerhalb von 24 Stunden zu verwenden ist; die zulässige Lagerungsdauer kann jedoch je nach dem an der Metabolisierung beteiligten Enzymsystem und den Lagertemperaturen variieren (13). Wurden die hergestellten Hautstücke vor der Verwendung gelagert, ist nachzuweisen, dass die Barrierefunktion erhalten bleibt.

1.4.5.   Testsubstanz

Als Testsubstanz gilt der Stoff, dessen Penetrationseigenschaften untersucht werden sollen. Idealerweise sollte die Testsubstanz radioaktiv markiert werden.

1.4.6.   Testpräparation

Die Präparation der Testsubstanz (z. B. reines, verdünntes oder formuliertes Material, das die auf der Haut aufgetragene Testchemikalie enthält) muss der Substanz entsprechen (oder ein realistisches Surrogat hiervon bilden), der Menschen oder andere mögliche Zielarten ausgesetzt sein können. Etwaige Abweichungen von der in der Praxis verwendeten Präparation sind zu begründen.

1.4.7.   Konzentrationen und Formulierungen von Testsubstanzen

Normalerweise wird mehr als eine Konzentration der Testsubstanz verwendet; dies deckt die Obergrenze der potenziell beim Menschen auftretenden Expositionswerte ab. Analog ist die Durchführung von Tests mit verschiedenen typischen Formulierungen in Betracht zu ziehen.

1.4.8.   Aufbringen auf die Haut

Unter den normalen Bedingungen der Chemikalienexposition beim Menschen kommen üblicherweise finite Dosen vor. Bei Applikationen, bei denen die Exposition beim Menschen nachgestellt wird, sind bei Feststoffen normalerweise 1-5 mg/cm2 Haut und bei Flüssigkeiten bis zu 10 μl/cm2 anzusetzen. Die verwendete Menge ist durch die zu erwartenden Einsatzbedingungen, die Ziele der Studie und die physikalischen Kenngrößen der Testpräparation zu begründen. So kann das Aufbringen auf die Haut beispielsweise in infiniter Form erfolgen, wenn größere Volumina je Flächeneinheit aufgebracht werden.

1.4.9.   Temperatur

Die passive Diffusion der Chemikalien (und damit ihre Hautresorption) wird durch die Temperatur beeinflusst. Die Diffusionskammer und die Haut müssen auf konstanter Temperatur in Nähe der normalen Hauttemperatur von 32 ±1 oC gehalten werden. Bei unterschiedlichem Zellaufbau sind auch unterschiedliche Wasserbad- oder Heizblocktemperaturen erforderlich, damit sich der Rezeptor bzw. die Haut innerhalb der physiologischen Normbedingungen befindet. Die Luftfeuchte sollte möglichst zwischen 30 und 70 % liegen.

1.4.10.   Dauer der Exposition und Probenahme

Die Exposition der Haut gegenüber der Testpräparation kann sich über die gesamte Versuchsdauer oder über kürzere Zeiträume erstrecken (z. B. zur Nachahmung einer bestimmten Expositionsart beim Menschen). Überschüssige Rückstände der Testpräparation sind mit einem geeigneten Reinigungsmittel von der Haut abzuwaschen und die Spülrückstände zur Analyse aufzufangen. Das Verfahren zur Entfernung der Testpräparation ist von den erwarteten Einsatzbedingungen abhängig und ist zu begründen. Normalerweise ist eine 24-stündige Probenahmephase erforderlich, um das Resorptionsprofil angemessen charakterisieren zu können. Da bereits nach 24 Stunden eine Verschlechterung der Hautbeschaffenheit eintreten kann, sollte die Probenahmedauer normalerweise einen Zeitraum von 24 Stunden nicht überschreiten. Bei Testsubstanzen, die rasch in die Haut eindringen, ist dies möglicherweise nicht erforderlich, bei Testsubstanzen mit einer sehr langsamen Penetrationsgeschwindigkeit ist evtl. ein längerer Untersuchungszeitraum erforderlich. Die Probenahmefrequenz der Rezeptorflüssigkeit muss so ausgelegt sein, dass das Resorptionsprofil der Testsubstanz grafisch dargestellt werden kann.

1.4.11.   Abschließende Schritte

Alle Komponenten des Testsystems sind zu analysieren, und die Rückgewinnungsrate ist zu ermitteln. Hierin einbezogen werden die Spenderkammer, die Spülung der Hautoberfläche, das hergestellte Hautstück und die Rezeptorflüssigkeit/-kammer. In bestimmten Fällen kann die Haut in den der Testsubstanz ausgesetzten Hautbereich und den Hautbereich unter dem Zellenflansch sowie zu separaten Analysen in die Hornhaut, die Epidermis und die Dermis aufgeteilt werden.

1.4.12.   Analyse

In sämtlichen Studien sollte eine angemessene Rückgewinnungsrate angestrebt werden (anzustreben ist ein Mittelwert von 100 ± 10 % der radioaktiven Substanz; etwaige Abweichungen sind zu begründen). Die Menge der Testsubstanz in der Rezeptorflüssigkeit, in dem hergestellten Hautstück, den Waschrückständen von der Hautoberfläche und dem Spülwasser aus dem Versuchsaufbau sind durch ein geeignetes Verfahren zu analysieren.

2.   DATEN

Die Analyse der Rezeptorflüssigkeit, die Verteilung der Testsubstanz im Testsystem und der zeitliche Verlauf des Resorptionsprofils sind darzustellen. Im Fall einer Exposition mit finiten Dosen sind die von der Haut abgewaschene Menge, die der Haut zugeordnete Menge (und die Menge in den verschiedenen Lagen der Haut, sofern diese analysiert werden) und die in der Rezeptorflüssigkeit enthaltene Menge (Geschwindigkeit und Menge bzw. Prozentsatz der applizierten Dosis) zu berechnen. Die Hautresorption kann in bestimmten Fällen auch nur anhand der Rezeptorflüssigkeitsdaten alleine ausgedrückt werden. Verbleibt die Testsubstanz am Ende der Studie jedoch in der Haut, muss sie evtl. in die resorbierte Gesamtmenge einbezogen werden (siehe Abschnitt 66 in Quelle (3)). Im Fall einer Exposition mit infiniten Dosen kann mithilfe der Daten die Permeabilitätskonstante (Kp) ermittelt werden. Unter den letzteren Bedingungen ist der resorbierte Prozentsatz nicht relevant.

3.   BERICHTERSTATTUNG

3.1.   ABSCHLUSSBERICHT

Der Testbericht muss die im Protokoll angegebenen Anforderungen erfüllen und eine Begründung für das verwendete Testsystem sowie folgende Einzelangaben enthalten:

Testsubstanz:

 physikalische Beschaffenheit, physikalisch-chemische Eigenschaften (zumindest Molgewicht und log Pow), Reinheit (radiochemische Reinheit);

 Kenndaten (z. B. Chargennummer);

 Löslichkeit in der Rezeptorflüssigkeit.

Testpräparation:

 Formulierung und Begründung für die Verwendung;

 Homogenität.

Prüfbedingungen:

 Herkunft und Lage der Haut, Herstellungsmethode, Lagerungsbedingungen vor der Verwendung, etwaige Vorbehandlung (Reinigung, Antibiotikabehandlungen usw.), Messung der Unversehrtheit der Haut, Stoffwechselstatus, Begründung der Verwendung;

 Zellenaufbau, Zusammensetzung der Rezeptorflüssigkeit, Durchflussrate der Rezeptorflüssigkeit bzw. Probenahmezeiten und -verfahren;

 Details für die Aufbringung der Testpräparation und Quantifizierung der aufgebrachten Dosis;

 Expositionsdauer;

 Details zur Entfernung der Testpräparation von der Haut, z. B. Spülen der Haut;

 Details zur Hautanalyse und zu den zum Nachweis der Verteilung in der Haut verwendeten Fraktionierungstechniken;

 Verfahren zum Waschen der Zelle und der Geräte;

 Testmethoden, Extraktionsverfahren, Detektionsgrenzen und Validierung der Analysenmethoden.

Ergebnisse:

 Gesamtrückgewinnungsrate aus dem Experiment (aufgebrachte Dosis = Waschrückstände von der Haut + Haut + Rezeptorflüssigkeit + Waschrückstände aus der Zelle);

 tabellarische Darstellung der rückgewonnenen Mengen für die einzelnen Zellen in jeder Zellenkammer;

 Resorptionsprofil;

 tabellarische Darstellung der Resorptionsdaten (als Rate, Betrag oder Prozentwert angegeben).

Erörterung der Ergebnisse.

Schlussfolgerungen.

4.   LITERATURHINWEISE

1. Testing Method B.44. Skin Absorption: In vivo Method.

2. OECD (2002). Guidance Document for the Conduct of Skin Absorption Studies. OECD, Paris.

3. OECD (2000). Report of the Meeting of the OECD Extended Steering Committee for Percutaneous Absorption Testing, Annex 1 to ENV/JM/TG(2000)5. OECD, Paris.

4. Kemppainen B.W and Reifenrath W.G. (1990). Methods for skin absorption. CRC Press, Boca Raton.

5. Bronaugh R.L. and Collier, S.W. (1991). Protocol for In vitro Percutaneous Absorption Studies, in In vitro Percutaneous Absorption: Principles, Fundamentals and Applications, R.L. Bronaugh and H.I. Maibach, Eds., CRC Press, Boca Raton, 237-241.

6. Bronaugh R.L. and Maibach H.I.. (1991). In vitro Percutaneous Absorption: Principles, Fundamentals and Applications. CRC Press, Boca Raton.

7. European Centre for Ecotoxicology and Toxicology of Chemicals (1993). Monograph No. 20, Percutaneous Absorption, ECETOC, Brussels.

8. Diembeck W., Beck H., Benech-Kieffer F., Courtellemont P., Dupuis J., Lovell W., Paye M., Spengler J., Steiling W. (1999). Test Guidelines for In Vitro Assessment of Dermal Absorption and Percutaneous Penetration of Cosmetic Ingredients, Fd Chem Tox, 37, 191-205.

9. Recommended Protocol for In vitro Percutaneous Absorption Rate Studies (1996). US Federal Register, Vol. 61, No. 65.

10. Howes D., Guy R., Hadgraft J., Heylings J.R. et al. (1996). Methods for assessing Percutaneous absorption. ECVAM Workshop Report ATLA 24, 81 R10.

11. Schaefer H. and Redelmeier T.E. (1996). Skin barrier: principles of percutaneous absorption. Karger, Basel.

12. Roberts M.S. and Walters K.A. (1998). Dermal absorption and toxicity assessment. Marcel Dekker, New York.

13. Jewell, C., Heylings, J.R., Clowes, H.M. and Williams, F.M. (2000). Percutaneous absorption and metabolism of dinitrochlorobenzene in vitro. Arch Toxicol 74: 356-365.

Abbildung 1

Beispiel für den typischen Aufbau einer statischen Diffusionszelle für perkutane In-vitro-Resorptionsstudien

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▼M3

B.46.    IN-VITRO-HAUTREIZUNG: TEST AN REKONSTRUIERTEN MODELLEN HUMANER EPIDERMIS

EINLEITUNG

1. Unter einer Hautreizung versteht man das Auslösen einer reversiblen Hautschädigung nach Applikation einer Prüfsubstanz für die Dauer von bis zu 4 Stunden [Definition nach dem Globalen Harmonisierten System (GHS) zur Einstufung und Kennzeichnung von Chemikalien der Vereinten Nationen (UN) und nach Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen (1) (3)]. Mit der vorliegenden Prüfmethode steht ein in vitro-Verfahren zur Verfügung, das zur Ermittlung schädlicher Wirkungen von hautreizenden Chemikalien (Stoffen und Gemischen) gemäß UN GHS und EU CLP-Verordnung Kategorie 2 (1) (2) (3) herangezogen werden kann. In der EU und in anderen Regionen, die die optionale Kategorie (leichte Reizstoffe) nach UN GHS nicht übernommen haben, kann diese Prüfmethode auch zur Identifizierung nicht klassifizierter Chemikalien, d. h. „Keine Kategorie“ nach UN GHS und EU CLP, verwendet werden (1) (3). Die vorliegende Prüfmethode kann außerdem als eigenständiger Ersatztest für in vivo-Tests auf Hautreizungen innerhalb einer sequenziellen Teststrategie eingesetzt werden, um das Hautreizungspotenzial von Chemikalien zu bestimmen (4 und Kapitel B.4 in diesem Anhang).

2. Hautreizungen werden bislang in der Regel anhand von Versuchstieren bewertet [OECD-Prüfrichtlinie 404; Kapitel B.4 in diesem Anhang] (4). Um dem Tierschutzaspekt Rechnung zu tragen, wurde Methode B.4 2004 überarbeitet und sieht nun vor, dass Hautätzungen/-reizungen auch im Wege einer sequenziellen Teststrategie bestimmt werden können, bei der validierte in vitro- oder ex vivo-Prüfmethoden angewandt werden, die den Tieren Schmerzen und Leiden ersparen. Drei validierte in vitro-Prüfmethoden wurden als OECD-Prüfrichtlinien 430, 431 und 435 (5) (6) (7) verabschiedet, und zwei von ihnen — Kapitel B.40 und B.40bis dieses Anhangs — können für den Hautätzungen betreffenden Teil der sequenziellen Teststrategie der Testmethode in Kapitel B.4 oder der OECD-Prüfrichtlinie 404 (4) eingesetzt werden.

3. Die vorliegende Prüfmethode bezieht sich auf Hautreizungen mit dem Endpunkt der menschlichen Gesundheit. Sie beruht auf Modellen rekonstruierter humaner Epidermis (RhE), die in ihrer allgemeinen Ausgestaltung (Verwendung von menschlichen, nicht transformierten Keratinozyten als zellulärem Ausgangsmaterial zum Aufbau einer repräsentativen Gewebe- und Zellarchitektur) die biochemischen und physiologischen Eigenschaften der menschlichen Oberhaut, d. h. der Epidermis, weitgehend widerspiegeln. Diese Prüfmethode umfasst auch eine Reihe von Leistungsstandards (Anlage 2) für die Bewertung ähnlicher und modifizierter Verfahren auf der Grundlage von RhE-Modellen, die vom Europäischen Zentrum zur Validierung alternativer Methoden (EC-ECVAM) (8) in Übereinstimmung mit den Grundsätzen des OECD-Leitliniendokuments Nr. 34 (9) entwickelt wurden.

4. Drei validierte Verfahren entsprechen derzeit der vorliegenden Prüfmethode. Für ein in vitro Verfahren (10) (11) (12) (13) (14) (15) (16) (17) (18) (19) (20), das ein rekonstruiertes Modell menschlicher Epidermis verwendet und im Handel als EpiSkinTM erhältlich ist (auch als validierte Referenzmethode; VRM bezeichnet), wurden Prävalidierungs-, Optimierungs- und Validierungsstudien abgeschlossen. Zwei weitere im Handel erhältliche in vitro-Verfahren auf der Grundlage von RhE-Modellen zeigten nach Validierungsstudien auf der Basis der Leistungsstandards (21) ähnliche Ergebnisse wie das VRM. Hierbei handelt es sich um die auf rekonstruierten Modellen menschlicher Epidermis beruhenden Methoden EpiDermTM SIT (EPI-200) und SkinEthicTM (22).

5. Bevor ein ähnliches oder modifiziertes in vitro Verfahren mit anderen RhE-Modellen — außer der VRM und außer EpiDermTM SIT (EPI-200) oder SkinEthicTM — für regulatorische Zwecke verwendet werden kann, sollten nach den in der vorliegenden Prüfmethode vorgegebenen Leistungsstandards (Anlage 2) Verlässlichkeit, Relevanz (Genauigkeit) und die Grenzen des Verfahrens für den vorgeschlagenen Verwendungszweck bestimmt werden, um sicherzustellen, dass es mit der VRM vergleichbar ist. Zudem empfiehlt es sich, das OECD-Hintergrunddokument („Explanatory Background Document“) (23) über in vitro-Hautreizungstests zu konsultieren, bevor ähnliche oder modifizierte in vitro-Methoden mit RhE-Modellen entwickelt, validiert und den Regulierungsbehörden zur Anerkennung vorgelegt werden.

BEGRIFFSBESTIMMUNGEN

6. Die verwendeten Begriffsbestimmungen sind in Anlage 1 aufgeführt.

AUSGANGSÜBERLEGUNGEN UND BEGRENZUNGEN

7. Eine Begrenzung der Prüfmethode, wie durch die Validierungsstudie (16) nachgewiesen, besteht insofern, als keine Einstufung von Stoffen in die optionale Kategorie 3 (leichte Reizstoffe) des UN GHS-Systems möglich ist (1). Sollte sie in diesen Fällen als teilweiser Ersatztest verwendet werden, könnten weitere in vivo-Tests erforderlich sein, um das Hautreizungspotenzial vollständig zu charakterisieren (4 und Kapitel B.4 in diesem Anhang). Die Verwendung menschlicher Haut unterliegt anerkanntermaßen ethischen Überlegungen und Bedingungen auf nationaler und internationaler Ebene.

8. Diese Prüfmethode bezieht sich auf die in vitro-Komponente von Hautreizungen innerhalb der sequenziellen Teststrategie nach B.4 (OECD-Prüfrichtlinie 404) zur Ermittlung von Hautätzung/Hautreizung (4). Obwohl diese Prüfmethode keine angemessene Information über Hautätzungen liefert, wird darauf hingewiesen, dass B.40bis (OECD-Prüfrichtlinie 431) über Hautätzung auf demselben Testsystem anhand eines RhE-Modells beruht, aber ein anderes Protokoll verwendet (Kapitel B.40bis). Die vorliegende Methode beruht auf Modellen unter Verwendung menschlicher Keratinozyten, die in vitro das Zielorgan der zu schützenden Spezies repräsentieren. Darüber hinaus bildet sie den Anfangsschritt der Entzündungskaskade bzw. des Wirkmechanismus ab (Zell- und Gewebeschädigung mit resultierendem lokalisiertem Trauma), der während der Reizung in vivo auftritt. Für die dieser Prüfmethode zugrunde liegende Validierung wurden Chemikalien unterschiedlicher Klassen getestet. Die empirische Datenbasis der Validierungsstudie umfasste insgesamt 58 chemische Stoffe (16) (18) (23), einschließlich Feststoffen, Flüssigkeiten, halbfesten Stoffe und Wachsen. Flüssigkeiten können wässrig oder nicht wässrig sein; Feststoffe in Wasser löslich oder unlöslich. Sofern möglich, sollten Feststoffe vor der Applikation zu Feinpulver gemahlen werden; eine weitere Behandlung der Probe ist nicht nötig. Gase und Aerosole wurden bislang in keiner Validierungsstudie bewertet (24). Obwohl deren Prüfung mit den RhE-Verfahren prinzipiell vorstellbar ist, erlaubt die vorliegende Prüfmethode das Testen von Gasen und Aerosolen nicht. Zu beachten ist auch, dass stark gefärbte Chemikalien mit den Zellviabilitätsmessungen interferieren können und daher die Verwendung geeigneter Kontrollen zur Korrektur erfordern (siehe Absätze 24-26).

9. Vorausgesetzt der Test liefert ein eindeutiges Ergebnis, genügt ein einziger Testdurchlauf mit drei parallel geprüften Replikat-Geweben. Bei Grenzergebnissen, wie z. B. nicht übereinstimmenden Replikatmessungen und/oder einer mittleren prozentualen Viabilität von 50 ± 5 %, sollte ein zweiter Durchlauf in Betracht gezogen werden bzw. ein dritter bei abweichenden Ergebnissen der ersten beiden Durchläufe.

PRINZIP DER PRÜFMETHODE

10. Die Prüfsubstanz wird oberflächlich auf ein RhE-Modell aufgetragen, bestehend aus nicht veränderten humanen epidermalen Keratinozyten, die zu einem mehrschichtigen, ausdifferenzierten Modell humaner Epidermis kultiviert wurden, das aus geordneten Basal-, Stachel- und Körnerzellschichten und einer mehrlagigen Hornschicht (stratum corneum) besteht, die interzelluläre lamellare Fettschichten enthält, deren dominierende Lipidklassen dem in vivo gefundenen Lipidmuster entsprechen.

11. Durch Chemikalien hervorgerufene Reizungen der Haut manifestieren sich als Erytheme und Ödeme. Diese Symptome sind das Ergebnis einer Kaskade von Ereignissen, an deren Beginn das Eindringen in das stratum corneum mit nachfolgender Schädigung der darunter liegenden Keratinozytenschicht steht. Die absterbenden Keratinozyten setzen Mediatorsubstanzen frei, die die Entzündungskaskade in den Zellen der Dermis, insbesondere in den Stromalzellen und Endothelzellen, einleiten. Die Dilatation und erhöhte Durchlässigkeit der Endothelzellen erzeugen letztendlich das festgestellte Erythem bzw. Ödem (24). Die Verfahren auf der Grundlage des RhE Modells erlauben die Messung der Ereignisse zu Beginn der Kaskade.

12. Die Zellviabilität an Modellen rekonstruierter menschlicher Epidermis wird durch Enzymkonversion des Vitalfarbstoffs MTT [3-(4,5-Dimethylthiazol-2-yl)-2,5-Diphenyltetrazoliumbromid, Thiazolyl-Blau; CAS-Nummer 298-93-1], zu einem blauen Formazan-Salz gemessen, das nach seiner Extraktion aus Geweben quantifiziert wird (25). Reizstoffe werden anhand ihrer Fähigkeit erkannt, die Zellviabilität unter vorgegebene Schwellenwerte zu senken (d. h. ≤ 50 % bei Reizstoffen der UN GHS-/EU CLP Kategorie 2). Bezogen auf die regulatorischen Rahmenbedingungen, in denen die Ergebnisse dieser Prüfmethode verwendet werden, können Chemikalien, die eine Zellviabilität oberhalb des vorgegebenen Grenzwerts erzeugen, als nicht-reizend eingestuft werden (d. h. > 50 %, Keine Kategorie).

NACHWEIS DER LEISTUNGFÄHIGKEIT

13. Bevor eines der drei validierten Verfahren, die den Anforderungen der vorliegenden Prüfmethode genügen, routinemäßig angewandt werden kann, sollten Laboratorien anhand von zehn der in Tabelle 1 aufgeführten Referenzsubstanzen die technische Leistungsfähigkeit der Methode nachweisen. Für im Rahmen dieser Prüfmethode entwickelte ähnliche Verfahren oder für Modifikationen einer der drei validierten Methoden sollten die in Anlage 2 dieser Prüfmethode beschriebenen Leistungsstandards erfüllt werden, bevor die Methode für Regulierungszwecke eingesetzt wird.

14. Als Teil des Nachweises der Leistungsfähigkeit sollte der Benutzer die von dem Hersteller des Hautmodells spezifizierten Barriereeigenschaften der Gewebe nach Erhalt überprüfen. Dies ist besonders wichtig, wenn die Gewebe über große Entfernungen/Zeiträume transportiert werden. Sobald eine Methode erfolgreich etabliert und ihre Leistungsfähigkeit demonstriert wurde, ist diese Überprüfung nicht mehr routinemäßig erforderlich. Allerdings empfiehlt es sich auch bei routinemäßig angewandten Methoden, die Barriereeigenschaften in regelmäßigen Abständen zu kontrollieren.



Tabelle 1

Referenzsubstanzen (1)

Substanz

CAS-Nr.

In vivo- Punktzahl (2)

Aggregatzustand

UN GHS/EU CLP Kategorie

Naphthalen-Essigsäure

86-87-3

0

fest

Keine Kat.

Isopropanol

67-63-0

0,3

flüssig

Keine Kat.

Methylstearat

112-61-8

1

fest

Keine Kat.

Heptyl-Butyrat

5870-93-9

1,7

flüssig

Keine Kat.

(wahlfrei Kat. 3(3) (4)

Hexyl-Salicylat

6259-76-3

2

flüssig

Keine Kat.

(wahlfrei Kat.3(3)(4)

Cyclamenaldehyd

103-95-7

2,3

flüssig

Kat. 2

1-Bromohexan

111-25-1

2,7

flüssig

Kat. 2

Kaliumhydroxid (5 % aq.)

1310-58-3

3

flüssig

Kat. 2

1-Methyl-3-phenyl-1-piperazin;

5271-27-2

3,3

fest

Kat. 2

Heptanal

111-71-7

3,4

flüssig

Kat. 2

(1)   Diese Referenzsubstanzen sind eine Untergruppe der in der Validierungsstudie verwendeten Referenzsubstanzen.

(2)    In vivo- Punktzahl in Übereinstimmung mit B.4 und OECD-Prüfrichtlinie 404 (4).

(3)   Im Rahmen dieser Prüfmethode wird die wahlfreie UN GHS Kategorie 3 (leichte Reizstoffe) (1) als Keine Einstufung betrachtet.

(4)   Die wahlfreie UN GHS Kategorie 3 ist auf das EU CLP nicht anwendbar.

VERFAHREN

15. Es folgt eine Beschreibung der Elemente und Verfahrensschritte eines Hautreizungstests am RhE-Modell. Ein RhE-Modell sollte rekonstruiert sein und kann selbst hergestellt oder im Handel erworben werden. Standardarbeitsweisen (SOP's) für EpiSkinTM, EpiDermTM SIT (EPI-200) und SkinEthicTM RHE sind verfügbar (26) (27) (28). Die Tests sollten wie folgt durchgeführt werden:

Elemente der RhE-Prüfmethode

Allgemeine Bedingungen

16. Die Epithelschicht sollte aus normalen menschlichen Keratinozyten gebildet werden. Unter der funktionsfähigen Hornschicht (stratum corneum) sollten mehrere Lagen lebensfähiger Epithelzellen (Basalzellschicht, stratum spinosum, stratum granulosum) vorhanden sein. Die Hornschicht sollte mehrlagig sein und das zur Erzeugung einer funktionsfähigen Barriere essenzielle Lipidprofil aufweisen. Die Barriere muss robust genug sein, um das schnelle Eindringen zytotoxischer Markersubstanzen wie Natriumdodecylsulfat (SDS) oder Triton X-100 zu verhindern. Die Barrierefunktion kann entweder durch Bestimmung der Konzentration, in der eine Markersubstanz die Viabilität der Gewebe nach einer vorgegebenen Expositionsdauer um 50 % verringert (IC50), oder durch die Bestimmung der Expositionszeit bewertet werden, die erforderlich ist, um die Zellviabilität bei Anwendung der Markersubstanz in einer vorgegebenen festen Konzentration um 50 % zu reduzieren (ET50). Die Konstruktionseigenschaften des Behältnisses zum RhE-Modell muss ausschließen, dass Material rund um die Hornschicht in lebensfähiges Gewebe eindringt, was zu einer mangelhaften Modellierung der Hautexposition führen würde. Das RhE-Modell sollte nicht mit Bakterien, Viren, Mykoplasma oder Pilzen kontaminiert sein.

Funktionale Bedingungen

Viabilität

17. Die Größenordnung der Viabilität wird vorzugsweise anhand des MTT-Tests bestimmt (25). Die Anwender des RhE-Modells sollten sicherstellen, dass jede Charge des verwendeten Modells die vorgegebenen Kriterien für die Negativkontrolle (NK) erfüllt. Die optische Dichte (OD) des Extraktionslösungsmittels allein sollte ausreichend gering sein, d. h. OD < 0,1. Von dem Entwickler/Hersteller des Hautmodells wird ein Akzeptanzbereich (obere und untere Grenze) für OD-Werte der Negativkontrolle (unter den gleichen Bedingungen der Prüfmethode für Hautreizungen) bereitgestellt. Die Akzeptanzbereiche für die 3 validierten Verfahren sind in Tabelle 2 aufgeführt. Es sollte dokumentiert werden, dass die mit der Negativkontrolle behandelten Gewebe über die gesamte Dauer der Exposition stabil bleiben (bzw. vergleichbare Viabilitätsmessungen ergeben).



Tabelle 2

Akzeptanzbereiche für OD-Werte der Negativkontrolle

 

Untere Akzeptanzgrenze

Obere Akzeptanzgrenze

EpiSkinTM (SM)

≥ 0,6

≤ 1,5

EpiDermTM SIT (EPI-200)

≥ 1,0

≤ 2,5

SkinEthicTM RHE

≥ 1,2

≤ 2,5

Barrierefunktion

18. Das stratum corneum und die Zusammensetzung seiner Fette sollten das schnelle Eindringen zytotoxischer Markersubstanzen wie z. B. SDS oder Triton X-100 verhindern. Dies wird durch die Ermittlung von IC50 oder ET50 bestimmt (Tabelle 3).

Morphologie

19. Bei der histologischen Untersuchung des RhE-Modells sollte nachgewiesen werden, dass das Modell eine der menschlichen Epidermis ähnliche Struktur (einschließlich mehrlagigem stratum corneum) aufweist.

Reproduzierbarkeit

20. Die Ergebnisse der Positivkontrolle (PK) und der Negativkontrollen (NK) der Prüfmethode sollen die Reproduzierbarkeit über längere Zeit belegen.

Qualitätskontrolle (QK)

21. Der Entwickler/Hersteller des RhE-Modells sollte sicherstellen und nachweisen, dass jede Charge des verwendeten Hautmodells bestimmten Freigabekriterien genügt, von denen die Kriterien der Viabilität (Absatz 17), der Barrierefunktion (Absatz 18) und der Morphologie (Absatz 19) die wichtigsten sind. Diese Daten sollten den Benutzern der Methode zur Verfügung gestellt werden, damit diese sie in ihre Prüfberichte aufnehmen können. Der Entwickler/Hersteller des Hautmodells (oder — bei Verwendung eines hauseigenen Modells — der Prüfer) sollte eine Akzeptanzspanne (oberer und unterer Grenzwert) für IC50 oder ET50 festlegen. Nur mit geeigneten Geweben erzielte Ergebnisse können für eine zuverlässige Vorhersage für die Einstufung von Reizwirkungen akzeptiert werden. Beispiele für Akzeptanzspannen für die drei validierten Verfahren sind in Tabelle 3 aufgeführt.



Tabelle 3

Beispiele für Chargenfreigabekriterien im Rahmen der Qualitätskontrolle

 

Untere Akzeptanzgrenze

Obere Akzeptanzgrenze

EpiSkinTM (SM)

(18-stündige Behandlung mit SDS) (26)

IC50 = 1,0 mg/ml

IC50 = 3,0 mg/ml

EpiDermTM SIT (EPI-200)

(1 % Triton X-100) (27)

ET50 = 4,8 h

ET50 = 8,7 h

SkinEthicTM RHE

(1 % Triton X-100) (28)

ET50 = 4,0 h

ET50 = 9,0 h

Applikation der Prüf- und Kontrollsubstanzen

22. Für jede Prüfsubstanz und für die Kontrollen bei jedem Durchgang sollten mindestens drei Replikate verwendet werden. Bei flüssigen und festen Substanzen sollte eine ausreichende Menge Prüfsubstanz gleichmäßig auf die gesamte Oberfläche der Epidermis aufgetragen werden; überschüssige Dosen sind zu vermeiden, d. h. es sollten mindestens 25 μL/cm2 oder 25 mg/cm2 verwendet werden. Bei festen Stoffen sollte die Epidermis-Oberfläche vor der Applikation mit deionisiertem oder destilliertem Wasser angefeuchtet werden, um guten Hautkontakt zu gewährleisten. Feststoffe sollten nach Möglichkeit als Feinpulver getestet werden. Am Ende der Expositionszeit sollte die Prüfsubstanz mit wässriger Pufferlösung oder 0,9 % NaCl von der Hautoberfläche abgewaschen werden. Je nachdem, welches Modell rekonstruierter menschlicher Epidermis verwendet wird, kann die Expositionszeit 15 bis 60 Minuten betragen und die Inkubationstemperatur zwischen 20 und 37 °C liegen. Diese Expositionszeiten und -temperaturen werden für jedes RhE-Verfahren der jeweiligen Hautmodelle optimiert und bilden die Unterschiede der Verfahren dieser Prüfmethode ab. Für Einzelheiten siehe Standardarbeitsanweisungen (Standard Operating Procedures; SOP) der Methoden (26) (27) (28).

23. Bei jeder Studie sollten gleichzeitig Negativkontrollen (NK) und Positivkontrollen (PK) verwendet werden, um nachweisen zu können, dass die Viabilität (mit der NK), die Barrierefunktion und die daraus resultierende Empfindlichkeit der Gewebe (mit der PK) innerhalb einer vorgegebenen historischen Akzeptanzspanne liegen. Als PK-Substanz wird 5 % wässrige SDS empfohlen. Als NK-Substanzen empfehlen sich Wasser oder Phosphatpuffer (PBS).

Zellviabilitätsmessungen

24. Wichtigstes Element des Testverfahrens ist es, dass Viabilitätsmessungen nicht unmittelbar nach dem Kontakt mit den Prüfsubstanzen, sondern nach einer ausreichend langen Inkubationszeit der abgespülten Gewebe (nach der Behandlung) in einem frischen Medium erfolgen. Während dieser Zeit kann sich das Gewebe von milden zytotoxischen Wirkungen erholen bzw. deutliche zytotoxische Effekte können sich herausbilden. Während der Phase der Testoptimierung (11) (12) (13) (14) (15) hat sich eine Inkubationszeit von 42 Stunden nach der Behandlung als optimal erwiesen.

25. Der MTT-Test ist eine validierte quantitative Methode, die zur Messung der Zellviabilität nach dieser Prüfmethode angewandt werden sollte. Sie ist zur Anwendung in einem dreidimensionalen Gewebemodell geeignet. Die Gewebeprobe wird für 3 Stunden in eine MTT-Lösung geeigneter Konzentration (z. B. 0,3-1 mg/mL) gelegt. Der blaue Formazan-Niederschlag wird sodann mit Hilfe eines Lösungsmittels (z. B. Isopropanol, Säure-Isopropanol) aus dem Gewebe extrahiert, und die Formazankonzentration wird durch Bestimmung des OD-Werts bei 570 nm innerhalb einer Filter-Bandbreite von maximal ± 30 nm gemessen.

26. Optische Eigenschaften der Prüfsubstanz oder ihre chemische Wirkung auf MTT können mit dem Test interferieren und (weil die Prüfsubstanz die Farbbildung sowohl verhindern oder auch hervorrufen kann) zu einer falschen Viabilitätsschätzung führen. Dies kann der Fall sein, wenn eine bestimmte Prüfsubstanz nicht komplett von dem Gewebe abgewaschen wurde oder wenn sie in die Epidermis eindringt. Wirkt sich die Prüfsubstanz unmittelbar auf MTT aus (MTT-Reduktionsmittel), ist sie natürlich gefärbt oder verfärbt sie sich während der Gewebebehandlung, so sollten zum Nachweis und zur Korrektur einer etwaigen Interferenz der Prüfsubstanz mit der Viabilitätsmesstechnik zusätzliche Kontrollen verwendet werden. Für eine genaue Beschreibung der richtigen Durchführung der Korrektur der direkten MTT-Reduktion und der Interferenzen durch Färbemittel siehe die Standardarbeitsanweisungen für die drei validierten Methoden (26) (27) (28).

Akzeptanzkriterien

27. Bei jeder Prüfung mit validen Chargen des betreffenden RhE-Modells (siehe Absatz 21) sollten mit der Negativkontrolle behandelte Gewebe OD-Werte aufweisen, die die Gewebequalität nach abgeschlossenen Beförderungs- und Annahmevorgängen und sämtlichen Schritten des Protokolls belegen. Die OD-Werte der Kontrollen sollten nicht unter historisch etablierten unteren Grenzwerten liegen. Gleichzeitig sollten mit der Positivkontrolle, d. h. 5 % wässrige SDS, behandelte Gewebe die Fähigkeit der Gewebe reflektieren, unter den Bedingungen der Prüfmethode auf hautreizende Chemikalien zu reagieren (26) (27) (28). Es sollten entsprechende und geeignete Maße der Variabilität zwischen Gewebereplikaten festgelegt werden (werden z. B. Standardabweichungen (SD) verwendet, sollten sie innerhalb des aufgrund historischer Daten berechneten einseitigen Toleranzintervalls von 95 % liegen; für die VRM gilt, dass die SD < 18 % betragen sollen).

Auswertung der Ergebnisse und Prädiktionsmodell

28. Die für jede Prüfsubstanz erhaltenen OD-Werte können zur Berechnung einer prozentualen Zellviabilität im Vergleich zur Negativkontrolle, die auf 100 % festgesetzt ist, herangezogen werden. Der Grenzwert der prozentualen Zellviabilität, der zwischen Reizstoff und bisher nicht klassifizierten Prüfsubstanzen unterscheidet, und das (die) statistische(n) Verfahren zur Auswertung der Ergebnisse und zur Identifizierung von Reizstoffen sollten genau definiert und dokumentiert werden und nachweislich geeignet sein. Die Grenzwerte für die Vorhersage der Reizung sind nachstehend angegeben:

 Die Prüfsubstanz gilt als hautreizend im Sinne von UN GHS/EU CLP Kategorie 2, wenn die Gewebeviabilität nach der Exposition und der Inkubation nach der Behandlung weniger als oder gleich (≤) 50 % beträgt.

 Je nach dem regulatorischen Rahmen, in dem die Ergebnisse dieser Prüfmethode verwendet werden, gilt die Prüfsubstanz als nicht hautreizend im Sinne der Einstufung Keine Kategorie nach UN GHS/EU CLP, wenn die Gewebeviabilität nach der Exposition und der Inkubation nach der Behandlung mehr als (>) 50 % beträgt.

DATEN UND BERICHTERSTATTUNG

Daten

29. Für jeden Durchgang sollten Daten aus einzelnen Replikatgeweben (z. B. OD-Werte und Daten über die berechnete prozentuale Zellviabilität für jede Prüfsubstanz, einschließlich Einstufung), gegebenenfalls auch Daten aus Wiederholungsversuchen, tabellarisch zusammengefasst werden. Darüber hinaus sollten für jeden Durchgang die Mittelwerte ± Standardabweichung übermittelt werden. Außerdem sollten für jede geprüfte Substanz festgestellte Interaktionen mit dem MTT-Reagens und Testfarbstoffen berichtet werden.

Prüfbericht

30. Der Prüfbericht sollte folgende Angaben enthalten:

Prüf- und Kontrollsubstanzen:

 Chemische Bezeichnung(en) wie CAS-Bezeichnung und CAS-Nummer, EG-Name und EG-Nummer, soweit bekannt;

 Reinheit und Zusammensetzung der Substanz (in Gewichtsprozent);

 physikalisch-chemische Eigenschaften (z. B. Aggregatzustand, Stabilität, Flüchtigkeit, pH-Wert, Wasserlöslichkeit, soweit bekannt), die für die Durchführung der Studie relevant sind;

 Behandlung der Prüf-/Kontrollsubstanzen vor dem Test, sofern relevant (z. B. Erwärmen, Mahlen);

 Lagerbedingungen;

Gründe für die Verwendung des betreffenden Hautmodells und Protokolle

Prüfbedingungen:

 Verwendetes Zellsystem;

 umfassende Begleitdokumentation für das betreffende Hautmodell, einschließlich seiner Leistung. Diese sollte unter anderem die folgenden Aspekte beinhalten:

 

i) Viabilität

ii) Barrierefunktion

iii) Morphologie

iv) Reproduzierbarkeit und Prädiktivität

v) Qualitätskontrollen (QK) des Modells

 Einzelheiten der angewandten Methode;

 verwendete Testdosen, Dauer der Exposition und der Inkubationszeit nach der Behandlung;

 Beschreibung etwaiger Änderungen im Prüfverfahren;

 Verweis auf historische Modelldaten. Diese sollte unter anderem die folgenden Aspekte beinhalten:

 

i) Akzeptanz der QK-Daten mit Verweis auf historische Chargendaten

ii) Akzeptanz der Positiv- und Negativkontrollwerte mit Verweis auf die Mittelwerte und Spannbreiten der Positiv- und Negativkontrollen

 Beschreibung der angewandten Auswertungskriterien, einschließlich Begründung der Wahl des (der) Schwellenwerte(s) für das Vorhersagemodell;

 Verweis auf historische Kontrolldaten.

Ergebnisse:

 Tabellarische Darstellung der Daten aus Einzelproben für jeden Durchgang und jede Replikatmessung;

 Angabe verwendeter Kontrollen für direkte MTT-Reduktionsmittel und/oder Testfarbstoffe;

 Beschreibung sonstiger beobachteter Wirkungen.

Diskussion der Ergebnisse

Schlussfolgerung

LITERATUR

(1) Globales Harmonisiertes System (GHS) zur Einstufung und Kennzeichnung von Chemikalien der Vereinten Nationen (UN) 2009, dritte überarbeitete Fassung, UN New York und Genf. Abrufbar unter: [http://www.unece.org/trans/danger/publi/ghs/ghs_rev03/03files_e.html]

(2) EC-ECVAM (2009), Statement on the „Performance under UN GHS of three in vitro assays for skin irritation testing and the adaptation of the Reference Chemicals and Defined Accuracy Values of the ECVAM skin irritation Performance Standards“, issued by the ECVAM Scientific Advisory Committee (ESAC30), 9 April 2009. Abrufbar unter: [http://ecvam.jrc.ec.europa.eu]

(3) Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien 67/548/EWG und 1999/45/EG, und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006. ABl. L 353 vom 31.12.2008, S. 1.

(4) OECD (2004), Acute Dermal Irritation/Corrosion, OECD Guideline for the Testing of Chemicals No. 404, OECD, Paris. Abrufbar unter: [http://www.oecd.org/env/testguidelines]

(5) OECD (2004), In Vitro Skin Corrosion: Transcutaneous Electrical Resistance (TER), OECD Guideline for the Testing of Chemicals No. 430, OECD, Paris. Abrufbar unter: [http://www.oecd.org/env/testguidelines]

(6) OECD (2004), In Vitro Skin Corrosion: Human Skin Model Test, OECD Guideline for the Testing of Chemicals No. 431, OECD, Paris. Abrufbar unter: [http://www.oecd.org/env/testguidelines]

(7) OECD (2006), In Vitro Membrane Barrier Test Method for Skin Corrosion, OECD Guideline for the Testing of Chemicals No. 435, OECD, Paris. Abrufbar unter: [http://www.oecd.org/env/testguidelines]

(8) EC-ECVAM (2009), Performance Standards for in vitro skin irritation test methods based on Reconstructed human Epidermis (RhE). Abrufbar unter: [http://ecvam.jrc.ec.europa.eu]

(9) OECD (2005), Guidance Document on the Validation and International Acceptance of New or Updated Test Methods for Hazard Assessment, OECD Series on Testing and Assessment No. 34, OECD, Paris. Abrufbar unter: [http://www.oecd.org/env/testguidelines]

(10) Fentem, J.H., Briggs, D., Chesné, C., Elliot, G.R., Harbell, J.W., Heylings, J.R., Portes, P., Roguet, R., van de Sandt, J.J. M. and Botham, P. (2001), A prevalidation study on in vitro tests for acute skin irritation, Results and evaluation by the Management Team, Toxicol. in Vitro 15, 57-93.

(11) Portes, P., Grandidier, M.-H., Cohen, C. and Roguet, R. (2002), Refinement of the EPISKIN protocol for the assessment of acute skin irritation of chemicals: follow-up to the ECVAM prevalidation study, Toxicol. in Vitro 16, 765–770.

(12) Kandárová, H., Liebsch, M., Genschow, E., Gerner, I., Traue, D., Slawik, B. and Spielmann, H. (2004), Optimisation of the EpiDerm test protocol for the upcoming ECVAM validation study on in vitro skin irritation tests, ALTEX 21, 107–114.

(13) Kandárová, H., Liebsch, M., Gerner, I., Schmidt, E., Genschow, E., Traue, D. and Spielmann, H. (2005), The EpiDerm test protocol for the upcoming ECVAM validation study on in vitro skin irritation tests — An assessment of the performance of the optimised test, ATLA 33, 351-367.

(14) Cotovio, J., Grandidier, M.-H., Portes, P., Roguet, R. and Rubinsteen, G. (2005), The in vitro acute skin irritation of chemicals: optimisation of the EPISKIN prediction model within the framework of the ECVAM validation process, ATLA 33, 329-349.

(15) Zuang, V., Balls, M., Botham, P.A., Coquette, A., Corsini, E., Curren, R.D., Elliot, G.R., Fentem, J.H., Heylings, J.R., Liebsch, M., Medina, J., Roguet, R., van De Sandt, J.J.M., Wiemann, C. and Worth, A. (2002), Follow-up to the ECVAM prevalidation study on in vitro tests for acute skin irritation, The European Centre for the Validation of Alternative Methods Skin Irritation Task Force report 2, ATLA 30, 109-129.

(16) Spielmann, H., mailto: Hoffmann, S., Liebsch, M., Botham, P., Fentem, J., Eskes, C., Roguet, R., Cotovio, J., Cole, T., Worth, A., Heylings, J., Jones, P., Robles, C., Kandárová, H., mailto: Gamer, A., Remmele, M., Curren, R., Raabe, H., Cockshott, A., Gerner, I. and Zuang, V. (2007), The ECVAM international validation study on in vitro tests for acute skin irritation: Report on the validity of the EPISKIN and EpiDerm assays and on the skin integrity function test, ATLA 35, 559-601.

(17) Hoffmann, S. (2006), ECVAM skin irritation validation study phase II: Analysis of the primary endpoint MTT and the secondary endpoint IL1-α. Available at: [http://ecvam.jrc.ec.europa.eu]

(18) Eskes, C., Cole, T., Hoffmann, S., Worth, A., Cockshott, A., Gerner, I. and Zuang, V. (2007), The ECVAM international validation study on in vitro tests for acute skin irritation: selection of test chemicals, ATLA 35, 603-619.

(19) Cotovio, J., Grandidier, M.-H., Lelièvre, D., Roguet, R., Tinois-Tessonneaud, E. and Leclaire, J. (2007), In vitro acute skin irritancy of chemicals using the validated EPISKIN model in a tiered strategy — Results and performances with 184 cosmetic ingredients, AATEX, 14, 351-358.

(20) EC-ECVAM (2007), Statement on the validity of in vitro tests for skin irritation, issued by the ECVAM Scientific Advisory Committee (ESAC26), 27 April 2007. Abrufbar unter: [http://ecvam.jrc.ec.europa.eu]

(21) EC-ECVAM (2007), Performance Standards for applying human skin models to in vitro skin irritation testing. Abrufbar unter: [http://ecvam.jrc.ec.europa.eu]

(22) EC-ECVAM (2008), Statement on the scientific validity of in vitro tests for skin irritation testing, issued by the ECVAM Scientific Advisory Committee (ESAC29), 5 November 2008. Abrufbar unter: [http://ecvam.jrc.ec.europa.eu]

(23) OECD (2010), Explanatory background document to the OECD draft Test Guideline on in vitro skin irritation testing. OECD Series on Testing and Assessment, No. 137, OECD, Paris. Abrufbar unter: [http://www.oecd.org/document/24/0,3746,en_2649_34377_47858904_1_1_1_1,00.html]

(24) Welss, T., Basketter, D.A. and Schröder, K.R. (2004), In vitro skin irritation: fact and future. State of the art review of mechanisms and models, Toxicol. in Vitro 18, 231-243.

(25) Mosmann, T. (1983), Rapid colorimetric assay for cellular growth and survival: application to proliferation and cytotoxicity assays, J. Immunol. Methods 65, 55-63.

(26) EpiSkinTM SOP, Version 1.8 (February 2009), ECVAM Skin Irritation Validation Study: Validation of the EpiSkinTM test method 15 min — 42 hours for the prediction of acute skin irritation of chemicals. Abrufbar unter: [http://ecvam.jrc.ec.europa.eu]

(27) EpiDermTM SOP, Version 7.0 (Revised March 2009), Protocol for: In vitro EpiDermTM skin irritation test (EPI-200-SIT), For use with MatTek Corporation’s reconstructed human epidermal model EpiDerm (EPI-200). Abrufbar unter: [http://ecvam.jrc.ec.europa.eu]

(28) SkinEthicTM RHE SOP, Version 2.0 (February 2009), SkinEthic skin irritation test-42bis test method for the prediction of acute skin irritation of chemicals: 42 minutes application + 42 hours post-incubation. Abrufbar unter: [http://ecvam.jrc.ec.europa.eu]

(29) Harvell, J.D., Lamminstausta, K., and Maibach, H.I. (1995), Irritant contact dermatitis, In: Practical Contact Dermatitis, pp 7-18, (Ed. Guin J. D.). Mc Graw-Hill, New York.

(30) Richtlinie 2001/59/EG der Kommission vom 6. August 2001 zur 28. Anpassung der Richtlinie 67/548/EWG des Rates zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten für die Einstufung, Verpackung und Kennzeichnung gefährlicher Stoffe an den technischen Fortschritt, ABl. L 225 vom 21.8.2001, S. 1.

(31) Basketter, D.A., York, M., McFadden, J.P. and Robinson, M.K. (2004), Determination of skin irritation potential in the human 4-h patch test. Contact Dermatitis 51, 1-4.

(32) Jirova, D., Liebsch, M., Basketter, D., Spiller, E., Kejlova, K., Bendova, H., Marriott, M. and Kandarova, H. (2007), Comparison of human skin irritation and photo-irritation patch test data with cellular in vitro assays and animalin vivo data, ALTEX, 14, 359-365.

(33) Jírová, D., Basketter, D., Liebsch, M., Bendová, H., Kejlová, K., Marriott, M. and Kandárová, H. (2010), Comparison of human skin irritation patch test data with in vitro skin irritation assays and animal data, Contact Dermatitis, 62, 109-116.

Anlage 1

Begriffsbestimmungen

Genauigkeit : Der Grad an Übereinstimmung zwischen Testergebnissen und akzeptierten Referenzwerten. Die Genauigkeit ist ein Maß der Leistung der Prüfmethode und ein Aspekt der Relevanz. Der Begriff wird oft im Sinne von „Übereinstimmung“ verwendet und bezeichnet den Anteil der korrekten Ergebnisse einer Prüfmethode (9).

Zellviabilität : Parameter zur Messung der Gesamtaktivität einer Zellpopulation, z. B. Fähigkeit zellulärer mitochondrialer Dehydrogenasen, den Vitalfarbstoff MTT (3-(4,5-Dimethylthiazol-2-yl)-2,5-Diphenyltetrazoliumbromid, Thiazolyl-Blau) zu reduzieren, der je nach gemessenem Endpunkt und angewandtem Testkonzept der Gesamtzahl und/oder der Vitalität lebender Zellen entspricht.

Übereinstimmung : Die Übereinstimmung ist ein Maß der Leistung einer Prüfmethode für Prüfverfahren mit kategorialen Ergebnissen und ein Aspekt der Relevanz. Der Begriff wird gleichbedeutend mit Genauigkeit verwendet und wird als Anteil aller geprüften Chemikalien definiert, die korrekt als positiv oder negativ eingestuft werden. (9).

ET50 : Die Expositionszeit, die erforderlich ist, um die Zellviabilität bei Anwendung der Markersubstanz in vorgegebener fester Konzentration um 50 % zu reduzieren, siehe auch IC50.

EU CLP (Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen) : führt das UN GHS-System über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Chemikalien (Stoffe und Gemische) in der Europäischen Union ein (3).

GHS (Globales Harmonisiertes System zur Einstufung und Kennzeichnung von Chemikalien der Vereinten Nationen (UN)) : Ein System zur Klassifizierung von Substanzen und Gemischen nach standardisierten Typen und Stufen physikalischer, gesundheitlicher und ökologischer Gefahren und zur entsprechenden Kennzeichnung durch Piktogramme, Signalwörter, Gefahrenhinweise, Sicherheitshinweise und Sicherheitsdatenbögen, um zum Schutz des Menschen (einschließlich Arbeitgeber, Arbeiter, Spediteure, Verbraucher und Notfall-Einsatzkräfte) und der Umwelt Informationen über die schädlichen Wirkungen der betreffenden Chemikalien zu verbreiten (1).

IC50 : Die Konzentration, bei der eine Markersubstanz die Viabilität der Gewebe nach einer vorgegebenen Expositionszeit um 50 % (IC50) reduziert, siehe auch ET50.

Überschüssige Dosis : Die Menge der auf die Haut aufgetragenen Prüfsubstanz, die über die zur vollständigen und gleichmäßigen Bedeckung der Hautoberfläche erforderliche Menge hinausgeht.

Me-too-Test : Umgangssprachliche Bezeichnung einer Prüfmethode, die strukturell und funktionell mit einer validierten und akzeptierten Referenzprüfmethode vergleichbar ist. Eine solche Prüfmethode käme für die Catch-up-Validierung in Frage. Gleichbedeutend mit vergleichbarer Prüfmethode verwendet (9).

Leistungsstandards (PS) : Auf einer validierten Prüfmethode beruhende Normen, auf deren Grundlage die Vergleichbarkeit einer vorgeschlagenen, mechanistisch und funktionell ähnlichen Prüfmethode bewertet werden kann. Sie umfassen (i) wesentliche Elemente der Prüfmethode; (ii) ein Mindestverzeichnis von Referenzsubstanzen, ausgewählt aus den Substanzen, die zum Nachweis der akzeptablen Leistung der validierten Referenzmethode verwendet werden; und (iii) je nach den für die validierte Referenzmethode erzielten Ergebnissen die vergleichbaren Genauigkeits- und Zuverlässigkeitswerte, die die vorgeschlagene Prüfmethode bei der Bewertung anhand des Mindestverzeichnisses von Referenzsubstanzen demonstrieren sollte (9).

Referenzsubstanzen : Chemikalien, die zur Verwendung im Validierungsprozess ausgewählt werden und für die die Reaktionen innerhalb des in vitro- oder in vivo-Referenztestsystems oder der untersuchten Spezies bereits bekannt sind. Diese Chemikalien sollten repräsentativ für die Chemikalienklassen sein, für die die Prüfmethode voraussichtlich verwendet werden soll; ferner sollten sie die ganze Bandbreite an Reaktionen abdecken, die von den Zielchemikalien erwartet werden kann — von stark über schwach bis negativ. Für die unterschiedlichen Stadien des Validierungsprozesses, für verschiedene Prüfmethoden und Testverwendungen können unterschiedliche Reihen von Referenzchemikalien benötigt werden (9).

Relevanz : Dieser Begriff bezieht sich auf das Verhältnis zwischen dem Test und der betreffenden Wirkung und auf die Frage, ob er aussagekräftig und nützlich für einen bestimmten Zweck ist. Er beschreibt das Ausmaß, in dem der Test die untersuchte biologische Wirkung korrekt misst oder vorhersagt. Die Relevanz schließt eine Beurteilung der Genauigkeit (Übereinstimmung) einer Prüfmethode ein (9).

Zuverlässigkeit : Maß der Verlässlichkeit der Reproduzierbarkeit der Prüfmethode innerhalb von und zwischen Laboratorien in einem bestimmten Zeitintervall bei einheitlichem Protokoll. Sie wird durch Berechnung der Intra- und Interlabor-Reproduzierbarkeit bewertet (9).

Ersatztest : Ein Test der einen routinemäßig angewandten Test zur Identifikation von Gefahren und/oder zur Risikobewertung ersetzen soll, und der im Vergleich zu dem akzeptierten Test nachweislich in allen möglichen Prüfsituationen und mit allen Stoffen einen gleichwertigen oder besseren Schutz der Gesundheit von Mensch oder Tier oder der Umwelt gewährleistet, je nachdem, was zutrifft (9).

Sensitivität : Der Anteil aller positiven/wirkenden Prüfsubstanzen, die durch den Test korrekt eingestuft werden. Die Sensitivität ist ein Maß der Genauigkeit einer Prüfmethode mit kategorialen Ergebnissen und ein wichtiger Aspekt bei der Bewertung ihrer Relevanz (9).

Hautreizung : Das Auslösen einer reversiblen Hautschädigung nach Applikation einer Prüfsubstanz für die Dauer von bis zu 4 Stunden. Eine Hautreizung ist eine lokal auftretende, nicht immunogene Reaktion, die kurz nach der Stimulation eintritt (29). Ihr Hauptmerkmal ist ihr umkehrbarer Prozess, der mit Entzündungsreaktionen und den bei Entzündungen gängigsten klinischen Reizsymptomen (Erythema, Ödeme, Juckreiz und Schmerzen) einhergeht.

Spezifizität : Der Anteil aller negativen/wirkungslosen Prüfsubstanzen, die durch den Test korrekt eingestuft werden. Die Spezifität ist ein Maß der Genauigkeit einer Prüfmethode mit kategorialen Ergebnissen und ein wichtiger Aspekt bei der Bewertung ihrer Relevanz (9).

Sequenzielle Teststrategie : Teststrategie, in der Prüfmethoden in aufeinanderfolgender Weise eingesetzt werden; dabei werden die in jeder folgenden Stufe gewählten Prüfmethoden auf der Grundlage der in früheren Stufen erzielten Ergebnisse ausgewählt (9).

Prüfchemikalie (auch Prüfsubstanz) : Jeder Stoff oder jedes Gemisch, der/das mit dieser Prüfmethode getestet wird.

Anlage 2

Leistungsstandards zur Bewertung vorgeschlagener vergleichbarer oder modifizierter Prüfmethoden für die Hautreizung, die auf in vitro rekonstruierter humaner Epidermis beruhen (RhE)

EINLEITUNG

1. Ziel der Leistungsstandards (Performance Standards; PS) ist es, die Grundlage zu vermitteln, auf der neue Methoden, seien diese geschützt (d. h. per Urheberrecht, Handelsmarken, eingetragene Marken) oder nicht geschützt, als ausreichend genau und zuverlässig für spezifische Prüfzwecke beurteilt werden können. Diese auf validierten und akzeptierten Methoden basierenden Leistungsstandards können auch verwendet werden, um die Zuverlässigkeit und Genauigkeit anderer analoger Methoden (umgangssprachlich als „Me-too“-Tests bezeichnet) zu bewerten, die auf ähnlichen wissenschaftlichen Prinzipien beruhen und denselben biologischen oder toxischen Effekt messen oder vorhersagen (9).

2. Vor der Anerkennung modifizierter Methoden (d. h. vorgeschlagener potenzieller Verbesserungen einer anerkennten Prüfmethode) sollten die Auswirkung der vorgeschlagenen Änderungen auf die Leistung des Tests, sowie das Maß in dem Änderungen die verfügbare Information für andere Elemente des Validierungsprozesses beeinflusst, bewertet werden. Je nach Anzahl und Art der vorgeschlagenen Änderungen, den generierten Daten und der Begleitdokumentation für diese Änderungen, sollten sie entweder dem für neue Tests beschriebenen Validierungsprozess, oder — gegebenenfalls — einer begrenzten Zuverlässigkeits- und Relevanzprüfung nach etablierten Leistungsstandards unterzogen werden (9).

3. Vergleichbare (Me-too-) oder modifizierte Verfahren in Bezug auf die drei validierten Verfahren [EpiSkinTM (Validierte Referenzmethode; VRM), EpiDermTM SIT (EPI-200) und SkinEthicTM RHE], deren Verwendung in der vorliegenden Prüfmethode empfohlen wird, sollten anhand von Chemikalien, die die volle Bandbreite der Draize-Reizstufen repräsentieren, auf ihre Zuverlässigkeit und Genauigkeit untersucht werden. Vorgeschlagene vergleichbare oder modifizierte Methoden, die mittels der 20 empfohlenen Referenzsubstanzen der Leistungsstandards (Tabelle 1) bewertet werden, sollten Zuverlässigkeits- und Genauigkeitswerte haben, die die Werte nach der VRM (Tabelle 2) erreichen oder übertreffen (2) 16). Die Zuverlässigkeits- und Genauigkeitswerte, die erreicht werden sollten, sind in den Absätzen 8 bis 12 dieser Anlage aufgeführt. Nicht eingestufte chemische Stoffe (UN GHS/EU CLP Keine Kategorie) und eingestufte chemische Stoffe der Kategorie 2 (UN GHS/EU CLP) (1), die unterschiedliche chemische Klassen bilden, werden ebenfalls einbezogen, so dass Zuverlässigkeit und Genauigkeit (Empfindlichkeit, Spezifizität und Gesamtgenauigkeit) der vorgeschlagenen Methode mit der der validierten Referenzmethode verglichen werden können. Die Zuverlässigkeit der Methode sowie ihre Fähigkeit, Reizstoffe der UN GHS/EU CLP Kategorie 2 korrekt einzustufen, und — je nach dem regulatorischen Rahmen, für den die Daten erzeugt werden — ebenso ihre Fähigkeit, chemische Stoffe mit der Einstufung Keine Kategorie nach UN GHS/EU CLP korrekt einzustufen, sollte vor ihrer Verwendung zum Testen neuer Prüfsubstanzen nachgewiesen werden.

4. Diese Leistungsstandards basieren auf den EC-ECVAM Leistungsstandards (8), aktualisiert nach den UN GHS- und EU CLP-Systemen zur Einstufung und Kennzeichnung (1) (3). Die ursprünglichen Leistungsstandards wurden nach Abschluss der Validierungsstudie (21) festgelegt und beruhen auf dem Einstufungssystem der EU gemäß der Richtlinie 2001/59/EG der Kommission vom 6. August 2001 zur 28. Anpassung der Richtlinie 67/548/EWG des Rates zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten für die Einstufung, Verpackung und Kennzeichnung gefährlicher Stoffe an den technischen Fortschritt ( 31 ). Infolge der Annahme des UN GHS-Systems für die Einstufung und Kennzeichnung durch die EU (EU CLP) (3), die zwischen der Finalisierung der Validierungsstudie und dem Abschluss dieser Prüfmethode erfolgte, wurden die Leistungsstandards aktualisiert (8). Diese Überarbeitung bezieht sich hauptsächlich auf Änderungen (i) der Reihe der Referenzsubstanzen für die Leistungsstandards und (ii) der vorgegebenen Zuverlässigkeits- und Genauigkeitswerte (2) (23).

LEISTUNGSSTANDARDS FÜR PRÜFMETHODEN ANHAND VON IN VITRO REKONSTRUIERTEN MODELLEN MENSCHLICHER EPIDERMIS ZUR BEWERTUNG DER HAUTREIZUNG

5. Die Leistungsstandards umfassen die folgenden drei Elemente (9):

I) Wesentliche Elemente der Prüfmethode

II) Mindestliste der Referenzsubstanzen

III) Vorgegebene Zuverlässigkeits- und Genauigkeitswerte

I)    Wesentliche Elemente der Prüfmethode

6. Diese bestehen aus wesentlichen strukturellen, funktionellen und verfahrenstechnischen Elementen einer validierten Methode, die in das Protokoll einer vorgeschlagenen, mechanistisch und funktionell vergleichbaren oder modifizierten Methode aufgenommen werden sollten. Diese Elemente beinhalten spezifische Merkmale der Methode, kritische verfahrenstechnische Angaben sowie Maßnahmen zur Qualitätskontrolle. Die Einhaltung der wesentlichen Elemente der Prüfmethode trägt dazu bei, zu gewährleisten, dass eine vorgeschlagene vergleichbare oder modifizierte Methode auf denselben Konzepten beruht wie die entsprechende validierte Referenzmethode (9). Die wesentlichen Elemente der Prüfmethode sind ausführlich in den Absätzen 16 bis 21 der Prüfmethode beschrieben. Die Tests sollten unter Einhaltung der folgenden Bestandteile erfolgen:

 Allgemeine Bedingungen (Absatz 16)

 Funktionelle Bedingungen, darunter:

 

 Viabilität (Absatz 17);

 Barrierefunktion (Absatz 18);

 Morphologie (Absatz 19);

 Reproduzierbarkeit (Absatz 20) und

 Qualitätskontrolle (Absatz 21)

II)    Mindestliste der Referenzsubstanzen

7. Referenzsubstanzen werden genutzt, um festzustellen, ob Zuverlässigkeit und Genauigkeit eines vorgeschlagenen vergleichbaren oder modifizierten Verfahrens, das in Struktur und Funktion nachweislich mit der VRM vergleichbar ist oder sich geringfügig von einer der drei validierten Verfahren unterscheidet, mit denen der VRM vergleichbar oder besser sind (2) (8) (16) (23). Die in Tabelle 1 aufgeführten 20 empfohlenen Referenzsubstanzen umfassen Stoffe aus unterschiedlichen chemischen Klassen (d. h. chemischen Kategorien auf der Basis funktioneller Gruppen) und repräsentieren die volle Bandbreite der Draize-Reizstufen (von nicht reizend bis stark reizend). Die in dieser Liste enthaltenen Stoffe umfassen 10 Chemikalien der UN GHS/EU CLP Kategorie 2 und 10 nicht kategorisierte Chemikalien, darunter 3 Stoffe der optionalen UN GHS Kategorie 3. Im Rahmen dieser Prüfmethode wird die optionale UN GHS Kategorie 3 als Keine Kategorie bezeichnet. Die in Tabelle 1 aufgeführten Chemikalien werden im Hinblick auf Funktionalität und Aggregatzustand unter den Stoffen ausgewählt, die in der Optimierungsphase nach der Prävalidierung, sowie in der Validierungsstudie der VRM verwendet wurden (14) (18). Diese Referenzsubstanzen bilden die Mindestzahl an Chemikalien, die zur Bewertung der Genauigkeit und Zuverlässigkeit einer vorgeschlagenen vergleichbaren oder modifizierten Methode herangezogen werden sollten. Sie sollten jedoch nicht zur Entwicklung neuer Methoden verwendet werden. Sollte ein aufgeführter chemischer Stoff nicht verfügbar sein, können andere Substanzen verwendet werden, für die angemessene in vivo-Referenzdaten vorliegen. Diese sind vorzugsweise unter den Stoffen auszuwählen, die in der Optimierungsphase nach der Prävalidierung, oder in der Validierungsstudie der VRM verwendet wurden. Um die Genauigkeit der vorgeschlagenen Methode weitergehend zu bewerten, kann die Mindestliste der Referenzsubstanzen auf Wunsch um zusätzliche Chemikalien anderer chemischer Klassen erweitert werden, sofern für diese entsprechende in vivo-Referenzdaten vorliegen.



Tabelle 1

Mindestliste der Referenzsubstanzen für die Bestimmung der Genauigkeits- und Zuverlässigkeitswerte für vergleichbare oder modifizierte Verfahren zur Untersuchung von Hautreizungen auf der Grundlage von RhE-Modellen (1)

Substanz

CAS-Nummer

Aggregatzustand

In vivo- Punktzahl

VRM in vitro Kat.

UN GHS/EU CLP in vivo Kat.

1-Bromo-4-chlorobutan

6940-78-9

Flüssig

0

Kat. 2

Keine Kat.

Diethylphthalat

84-66-2

Flüssig

0

Keine Kat.

Keine Kat.

Naphthalen-Essigsäure

86-87-3

Fest

0

Keine Kat.

Keine Kat.

Allylphenoxyacetat

7493-74-5

Flüssig

0,3

Keine Kat.

Keine Kat.

Isopropanol

67-63-0

Flüssig

0,3

Keine Kat.

Keine Kat.

4-Methylthiobenzaldehyd

3446-89-7

Flüssig

1

Kat. 2

Keine Kat.

Methylstearat

112-61-8

Fest

1

Keine Kat.

Keine Kat.

Heptyl-Butyrat

5870-93-9

Flüssig

1,7

Keine Kat.

Keine Kat.

Hexyl-Salicylat

6259-76-3

Flüssig

2

Keine Kat.

Keine Kat.

Cinnamaldehyd

104-55-2

Flüssig

2

Kat. 2

Keine Kat.

(wahlfrei Kat.3(3)

1-Decanol (2)

112-30-1

Flüssig

2,3

Kat. 2

Kat. 2

Cyclamenaldehyd

103-95-7

Flüssig

2,3

Kat. 2

Kat. 2

1-Bromohexan

111-25-1

Flüssig

2,7

Kat. 2

Kat. 2

2-Chloromethyl-3,5-dimethyl-4-methoxypyridin HCl

86604-75-3

Fest

2,7

Kat. 2

Kat. 2

Di-n-Propyldisulphid (2)

629-19-6

Flüssig

3

Keine Kat.

Kat. 2

Kaliumhydroxid (5 % aq.)

1310-58-3

Flüssig

3

Kat. 2

Kat. 2

Benzenethiol, 5-(1,1-Dimethylethyl)-2-methyl

7340-90-1

Flüssig

3,3

Kat. 2

Kat. 2

1-Methyl-3-phenyl-1-piperazin;

5271-27-2

Fest

3,3

Kat. 2

Kat. 2

Heptanal

111-71-7

Flüssig

3,4

Kat. 2

Kat. 2

Tetrachloroethylen

127-18-4

Flüssig

4

Kat. 2

Kat. 2

(1)   Die Auswahl der Chemikalien basiert auf den folgenden Kriterien: i) die Substanzen sind im Handel erhältlich; ii) sie repräsentieren die volle Bandbreite der Draize-Reizstufen (von nicht reizend bis stark reizend); iii) sie haben eine klar definierte chemische Struktur; iv) sie sind repräsentativ für die im Validierungsprozess verwendete chemische Funktionalität, v) sie weisen kein extrem toxisches Profil auf (z. B. krebserregend oder toxisch für das Reproduktionssystem) und sie sind nicht mit unerschwinglichen Entsorgungskosten verbunden.

(2)   Chemische Stoffe, die beim Kaninchen reizend sind, deren nicht reizende Wirkung beim Menschen jedoch zuverlässig nachgewiesen wurde (31) (32) (33).

(3)   Nach dem UN GHS, nicht im EU CLP.

III)    Vorgegebene Zuverlässigkeits- und Genauigkeitswerte

8. Zur Bewertung der Zuverlässigkeit und Relevanz vorgeschlagener vergleichbarer oder modifizierter Verfahren, die zwischen einzelnen Laboratorien ausgetauscht werden sollen, müssen alle 20 Referenzsubstanzen in Tabelle 1 in mindestens drei Laboratorien getestet werden. Wenn die vorgeschlagene Methode allerdings nur in einem einzigen Labor verwendet werden soll, sind Prüfungen in mehreren Laboratorien zu Validierungszwecken nicht erforderlich. Wesentlich ist jedoch, dass solche Validierungsstudien unabhängig von internationalen Validierungsstellen in Übereinstimmung mit internationalen Leitlinien bewertet werden (9). In jedem Labor sollten alle 20 Referenzsubstanzen in drei unabhängigen Durchgängen mit unterschiedlichen Gewebechargen und zu ausreichend weit auseinander liegenden Zeitpunkten getestet werden. Jeder Durchgang sollte mindestens drei gleichzeitig getestete Gewebereplikate für jede in der Prüfung enthaltene Prüfsubstanz, sowie Negativkontrolle und Positivkontrolle, umfassen.

9. Die Berechnung der Zuverlässigkeits- und Genauigkeitswerte des vorgeschlagenen Verfahrens sollte unter Berücksichtigung aller vier unten genannten Kriterien erfolgen, wobei sicherzustellen ist, dass die Zuverlässigkeits- und Relevanzwerte auf vorgegebene und gleichbleibende Weise berechnet werden:

1. Nur die Daten von vollständigen Durchgangsfolgen kommen für die Berechnung der Intra- und Inter-Labor-Variabilität und für die Vorhersagefähigkeit (Genauigkeit) in Frage.

2. Die abschließende Einstufung für alle Referenzsubstanzen in jedem teilnehmenden Labor sollte ermittelt werden, indem bei sämtlichen Durchgängen einer vollständigen Durchgangsfolge der mittlere Viabilitätswert zugrunde gelegt wird.

3. Nur die ermittelten Daten für Substanzen mit vollständigen Durchgangsfolgen in allen teilnehmenden Laboratorien kommen für die Berechnung der Inter-Labor-Variabilität in Frage.

4. Die Berechnung der Genauigkeitswerte sollte auf der Grundlage der individuellen Laborvorhersagen für die 20 Referenzsubstanzen durch die unterschiedlichen teilnehmenden Laboratorien erfolgen.

In diesem Zusammenhang besteht eine Durchgangsfolge aus drei unabhängigen Durchgängen eines Labors für eine Prüfsubstanz. Eine vollständige Durchgangsfolge ist eine Durchgangsfolge eines Labors für eine Prüfsubstanz, in der alle drei Durchgänge gültig sind. Das bedeutet, dass jeder einzelne ungültige Durchgang eine ganze Durchgangsfolge von drei Durchgängen ungültig macht.

10. Bei der Bewertung der laborinternen Reproduzierbarkeit sollte die Übereinstimmung der Einstufungen (UN GHS/EU CLP Kategorie 2 und Keine Kategorie), aus unterschiedlichen und voneinander unabhängigen Testdurchgängen innerhalb eines Labors mit den 20 Referenzsubstanzen ermittelt, gleich oder höher (≥) 90 % sein.

11. Eine Bewertung der Inter-Labor-Reproduzierbarkeit ist nicht erforderlich, wenn die vorgeschlagene Methode nur in einem einzigen Labor verwendet werden soll. Für Methoden, die zwischen Laboratorien ausgetauscht werden sollen, sollte die Übereinstimmung zwischen den Einstufungen (UN GHS/EU CLP Kategorie 2 und Keine Kategorie) aus unterschiedlichen und voneinander unabhängigen Testdurchgängen mit den 20 Referenzsubstanzen, die vorzugsweise in mindestens drei Laboratorien durchgeführt wurden, zwischen diesen Laboratorien gleich oder höher (≥) 80 % sein.

12. Die Genauigkeit (Sensitivität, Spezifizität und Gesamtgenauigkeit) der vorgeschlagenen vergleichbaren oder modifizierten Methode sollte die der validierten Referenzmethode erreichen oder übertreffen, wobei auch zusätzliche Informationen zur Relevanz für die betreffende Spezies zu berücksichtigen sind (Tabelle 2). Die Sensitivität sollte gleich oder höher (≥) 80 % sein (2) (8) (23). Eine weitere spezifische Einschränkung gilt allerdings für die Sensitivität der vorgeschlagenen in vitro-Methode insofern, als nur zwei Chemikalien der in vivo-Kategorie 2, 1-Decanol und D-n-propyldisulphid, von mehr als einem teilnehmenden Labor als Keine Kategorie fehleingestuft werden dürfen. Die Spezifizität sollte gleich oder höher (≥) 70 % sein (2) (8) (23). Es gibt keine weitere Einschränkung für die Spezifizität der vorgeschlagenen in vitro-Methode, d. h. jedes teilnehmende Labor kann jede Chemikalie mit der in vivo Einstufung Keine Kategorie fehleinstufen, solange die Endspezifizität der Prüfmethode innerhalb der akzeptablen Bandbreite liegt. Die Gesamtgenauigkeit sollte gleich oder höher (≥) 75 % sein (2) (8) (23). Obwohl die Empfindlichkeit der validierten Referenzmethode für die in Tabelle 1 aufgeführten 20 Referenzsubstanzen gleich 90 % ist, wird der vorgegebene minimale Empfindlichkeitswert, der erreicht werden muss, damit ein vergleichbares oder modifiziertes Verfahren als valide angesehen werden kann, auf 80 % festgelegt, da sowohl 1-Decanol (eine Grenzchemikalie) als auch Di-n-propyldisulphid (ein falsch negatives Ergebnis der VRM) als nicht reizend beim Menschen bekannt sind (31) (32) (33), obgleich sie im Kaninchentest als Reizstoffe eingestuft wurden. Da rekonstruierte Modelle menschlicher Epidermis auf Zellen menschlichen Ursprungs basieren, können sie die nicht reizenden Eigenschaften dieser Chemikalien vorhersagen (UN GHS/EU CLP Keine Kategorie).



Tabelle 2

Für die Gültigkeit einer vergleichbaren oder modifizierten Methode benötigte prädiktive Werte im Hinblick auf Empfindlichkeit, Spezifizität und Gesamtgenauigkeit.

Empfindlichkeit

Spezifizität

Gesamtgenauigkeit

≥ 80 %

≥ 70 %

≥ 75 %

13. Es ist möglich, dass einer oder mehrere Tests im Zusammenhang mit einer oder mehreren Prüfsubstanzen die Akzeptanzkriterien für die Prüf- und Kontrollsubstanzen nicht erfüllt/erfüllen oder aus anderen Gründen nicht akzeptabel ist/sind. Um fehlende Daten zu ergänzen, sind für jede Prüfsubstanz maximal zwei zusätzliche Prüfungen zulässig („Erneute Prüfung“). Genauer gesagt, da im Fall einer erneuten Prüfung auch PK und NK gleichzeitig getestet werden müssen, dürfen maximal zwei zusätzliche Durchgänge für jede Prüfsubstanz durchgeführt werden.

14. Möglicherweise wird selbst nach der erneuten Prüfung die für jede Prüfsubstanz vorgeschriebene Mindestzahl von drei gültigen Durchgängen nicht für jede Referenzsubstanz in jedem beteiligten Labor erreicht, was zu einer unvollständigen Datenmatrix führen würde. In solchen Fällen sollten alle folgenden drei Kriterien erfüllt werden, damit die Datensätze akzeptiert werden können:

1. Alle 20 Referenzsubstanzen sollten mindestens eine vollständige Durchgangsfolge haben.

2. In jedem der mindestens drei teilnehmenden Laboratorien müssen mindestens 85 % der Durchgangsfolgen vollständig sein (für 20 Chemikalien; d. h. in einem einzelnen Labor sind 3 ungültige Durchgangsfolgen zulässig).

3. Mindestens 90 % aller möglichen Durchgangsfolgen aus mindestens drei Laboratorien müssen vollständig sein (für 20 Chemikalien, die in 3 Laboratorien geprüft werden; d. h. insgesamt sind 6 ungültige Durchgangsfolgen zulässig).

▼M7

B.47.   TRÜBUNGS- UND DURCHLÄSSIGKEITSTEST AN DER RINDERHORNHAUT ZWECKS IDENTIFIZIERUNG VON I) CHEMIKALIEN, DIE SCHWERE AUGENSCHÄDEN VERURSACHEN, UND II) CHEMIKALIEN, DIE KEINE EINSTUFUNG ALS AUGENREIZEND ODER SCHWER AUGENSCHÄDIGEND ERFORDERN

EINLEITUNG

Diese Prüfmethode entspricht der OECD-Prüfrichtlinie 437 (2013). Der Trübungs- und Durchlässigkeitstest an der Rinderhornhaut (Bovine Corneal Opacity and Permeability, BCOP) wurde vom Organisationsübergreifenden Koordinationsausschuss zur Validierung alternativer Methoden (Interagency Coordinating Committee on the Validation of Alternative Methods, ICCVAM) unter Mitwirkung des Europäischen Zentrums zur Validierung alternativer Methoden (European Centre for the Validation of Alternative Methods, ECVAM) und des Japanischen Zentrums zur Validierung alternativer Methoden (Japanese Centre for the Validation of Alternative Methods, JaCVAM) in den Jahren 2006 und 2010 evaluiert (1) (2). Im Rahmen der ersten Evaluierung wurde der BCOP-Test im Hinblick auf seine Eignung zur Identifizierung von Chemikalien (Stoffen und Gemischen) überprüft, die schwere Augenschäden verursachen (1). Im Rahmen der zweiten Evaluierung wurde der BCOP-Test im Hinblick auf seine Eignung zum Nachweis von Chemikalien (Stoffen und Gemischen) überprüft, die nicht als augenreizende oder schwer augenschädigende Stoffe eingestuft wurden (2). Die BCOP-Validierungsdatenbank enthielt insgesamt 113 Stoffe und 100 Gemische (2)(3). Auf der Grundlage dieser Evaluierungen und zugehöriger Peer-Reviews wurde die Schlussfolgerung gezogen, dass sich die Prüfmethode sowohl zum Nachweis von Chemikalien (Stoffen und Gemischen) eignet, die schwere Augenschäden verursachen (Kategorie 1), als auch von Chemikalien, bei denen keine Einstufung aufgrund von Augenreizung oder schweren Augenschäden gemäß Definition im Globalen Harmonisierten System zur Einstufung und Kennzeichnung von Chemikalien (GHS) der Vereinten Nationen (4) und der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen ( 32 ) erforderlich ist, weshalb sie für beide Zwecke als wissenschaftlich gültig anerkannt wurde. Unter schweren Augenschäden sind Gewebeschäden im Auge oder eine schwerwiegende Verschlechterung des Sehvermögens nach Applikation einer Prüfchemikalie auf die Oberfläche des Auges zu verstehen, die innerhalb von 21 Tagen nach der Applikation nicht vollständig reversibel sind. Prüfchemikalien, die schwere Augenschäden hervorrufen, werden als Stoffe der UN-GHS-Kategorie 1 eingestuft. Chemikalien, die nicht als augenreizende oder schwer augenschädigende Stoffe eingestuft werden, sind als Stoffe definiert, die nicht den Anforderungen zur Einstufung in die UN-GHS-Kategorie 1 oder 2 (2A oder 2B) entsprechen, d. h. sie werden als Stoffe der UN-GHS-Kategorie „Keine Einstufung“ bezeichnet. Diese Prüfmethode berücksichtigt die empfohlenen Einsatzbereiche und Einsatzgrenzen des BCOP-Tests auf Grundlage der zugehörigen Evaluierungen. Zu den wichtigsten Unterschieden zwischen der ursprünglichen Fassung der OECD-Prüfrichtlinie aus dem Jahr 2009 und der aktualisierten Fassung von 2013 gehören u. a. die Verwendung der BCOP-Prüfmethode zur Identifizierung von Chemikalien, die keine Einstufung nach dem UN-GHS-Klassifizierungssystem erfordern (Nummern 2 und 7), Klarstellungen zur Anwendbarkeit der BCOP-Prüfmethode für die Prüfung von Alkoholen, Ketonen und Feststoffen (Nummern 6 und 7) sowie von Stoffen und Gemischen (Nummer 8), Klarstellungen zur Art der Prüfung von oberflächenaktiven Stoffen und tensidhaltigen Gemischen (Nummer 28), Aktualisierungen und Klarstellungen zu Positivkontrollen (Nummern 39 und 40), eine Aktualisierung der Entscheidungskriterien der BCOP-Prüfmethode (Nummer 47), eine Aktualisierung der Gültigkeitskriterien der Studie (Nummer 48), eine Aktualisierung der Bestandteile des Prüfberichts (Nummer 49), eine Aktualisierung der Anlage 1 zu Definitionen, die Ergänzung von Anlage 2 zur Vorhersagefähigkeit der BCOP-Prüfmethode unter verschiedenen Klassifizierungssystemen, eine Aktualisierung der Anlage 3 zur Liste der Leistungschemikalien und eine Aktualisierung der Anlage 4 zum BCOP-Hornhauthalter (Nummer 1) und zum Opazimeter (Nummern 2 und 3).

Gegenwärtig herrscht allgemeiner Konsens darüber, dass der In-vivo-Draize-Augentest in absehbarer Zukunft nicht durch einen einzigen In-vitro-Augenreizungstest ersetzt werden kann, der in der Lage ist, das gesamte Spektrum an Augenreizungen für verschiedene Chemikalienklassen vorherzusagen. Unter Umständen ist es jedoch möglich, den Draize-Augentest durch strategische Kombinationen mehrerer alternativer Prüfmethoden im Rahmen einer (gestuften) Prüfstrategie zu ersetzen (5). Der Top-Down-Ansatz (5) wird verwendet, wenn auf Basis der vorliegenden Informationen davon auszugehen ist, dass eine Chemikalie ein hohes Reizpotenzial aufweist. Umgekehrt wird der Bottom-Up-Ansatz (5) verwendet, wenn auf Basis der vorliegenden Informationen davon auszugehen ist, dass eine Chemikalie keine ausreichende Augenreizung erzeugt und somit keine Einstufung erfordert. Die BCOP-Prüfmethode ist eine In-vitro-Prüfmethode, die unter bestimmten Bedingungen und mit bestimmten Grenzen zur Einstufung und Kennzeichnung von Chemikalien mit augengefährdender Wirkung angewendet werden kann. Auch wenn der Test den In-vivo-Kaninchenaugentest nicht absolut ersetzen kann, wird die BCOP-Prüfmethode als erster Schritt im Rahmen einer Prüfstrategie wie des von Scott et al. vorgeschlagenen Top-Down-Ansatzes (5) empfohlen, um ohne weitere Tests (4) schwer augenschädigende Chemikalien, d. h. Chemikalien, die in die UN-GHS-Kategorie 1 einzustufen sind, zu identifizieren. Die BCOP-Prüfmethode wird auch für die Identifizierung von Chemikalien empfohlen, die keine Einstufung als augenreizend oder schwer augenschädigend gemäß UN-GHS („Keine Einstufung“ ) (4) erfordern, und kann daher im Rahmen einer Prüfstrategie z. B. mit Bottom-up-Ansatz verwendet werden (5). Im Falle einer Chemikalie, bei der anhand der BCOP-Prüfmethode nicht vorhergesagt werden kann, dass sie schwere Augenschäden verursacht oder keine Einstufung als augenreizend/schwer augenschädigend erfordert, müssten jedoch weitere Tests (in vitro und/oder in vivo) durchgeführt werden, um eine eindeutige Einstufung vornehmen zu können.

Diese Prüfmethode beschreibt die Verfahrensschritte für die Beurteilung des augengefährdenden Potenzials einer Prüfchemikalie, gemessen als ihre Fähigkeit, bei isolierten Rinderhornhäuten Trübungs- und verstärkte Durchlässigkeitseffekte hervorzurufen. Toxische Effekte für die Hornhaut sind messbar durch: i) verminderte Lichtübertragung (Trübung) und ii) den verstärkten Durchtritt von Fluorescein-Natrium-Farbstoff (Durchlässigkeit). Die Trübungs- und Durchlässigkeitsbewertungen der Hornhaut nach Applikation einer Prüfchemikalie ergeben in Kombination einen In-Vitro-Reizwert (In Vitro Irritancy Score, IVIS), der für die Einstufung des Reizpotenzials der Prüfchemikalie maßgeblich ist.

Definitionen sind Anlage 1 zu entnehmen.

VORBEMERKUNGEN UND EINSATZGRENZEN

Diese Prüfmethode basiert auf dem BCOP-Testprotokoll des Organisationsübergreifenden Koordinationsausschusses zur Validierung alternativer Methoden (Interagency Coordinating Committee on the Validation of Alternative Methods, ICCVAM) (6)(7), das ursprünglich auf Informationen des Instituts für In-vitro- Forschung (Institute for In Vitro Sciences, IIVS) und auf dem INVITTOX-Protokoll 124 (8) beruht. Letzteres Protokoll wurde für die von der Europäischen Gemeinschaft finanzierte Prävalidierungsstudie aus den Jahren 1997-1998 herangezogen. Beide Protokolle beruhen auf der BCOP-Prüfmethodik, wie sie von Gautheron et al. (9) erstmals beschrieben wurde.

Die BCOP-Prüfmethode kann zur Identifizierung von schwer augenschädigenden Chemikalien gemäß UN-GHS-Definition, d. h. Chemikalien, die in die UN-GHS-Kategorie 1 einzustufen sind, angewendet werden (4). Gemessen an Daten aus In-vivo-Kaninchenaugentests, die nach dem UN-GHS-Klassifizierungssystem eingestuft wurden, weist die BCOP-Prüfmethode für diesen Zweck eine allgemeine Genauigkeit von 79 % (150/191), eine Falsch-Positiv-Rate von 25 % (32/126) und eine Falsch-Negativ-Rate von 14 % (9/65) auf (3) (siehe Anlage 2, Tabelle 1). Werden Prüfchemikalien einer bestimmten Chemikalienklasse (Alkohole, Ketone) oder mit bestimmten physikalischen Eigenschaften (Feststoffe) aus der Datenbank ausgeschlossen, so liegt die allgemeine Genauigkeit der BCOP-Prüfmethode gemessen am UN-GHS-Klassifizierungssystem bei 85 % (111/131), die Falsch-Positiv-Rate bei 20 % (16/81) und die Falsch-Negativ-Rate bei 8 % (4/50) (3). Potenzielle Mängel der BCOP-Prüfmethode bei der Identifizierung von schwer augenschädigenden Chemikalien (UN-GHS-Kategorie 1) gründen auf hohen Falsch-Positiv-Raten für Alkohole und Ketone und hohen Falsch-Negativ-Raten für Feststoffe, die in den Validierungsdaten beobachtet wurden (1)(2)(3). Da jedoch nicht für alle Alkohole und Ketone durch die BCOP-Prüfmethode zu hohe Werte vorhergesagt werden und einige korrekt als Stoffe der UN-GHS-Kategorie 1 eingestuft werden, werden diese beiden organischen funktionellen Gruppen nicht als Stoffe außerhalb des Anwendungsbereichs dieser Prüfmethode betrachtet. Es muss also bei der Anwendung dieser Prüfmethode entschieden werden, ob eine gegebenenfalls zu hohe Vorhersage für einen Alkohol oder ein Keton vertretbar ist oder ob weitere Tests mit einem evidenzbasierten Bewertungsansatz durchgeführt werden sollten. Bezüglich der Falsch-Negativ-Raten für Feststoffe ist zu beachten, dass Feststoffe beim In-vivo-Draize-Augenreizungstest zu variablen und extremen Expositionsbedingungen führen können, aus denen sich möglicherweise irrelevante Vorhersagen über das tatsächliche Reizungspotenzial ableiten (10). Es ist ferner zu beachten, dass keine der Falsch-Negativ-Raten, die in den ICCVAM-Validierungsdaten (2)(3) im Zusammenhang mit der Identifizierung von schwer augenschädigenden Chemikalien (UN-GHS-Kategorie 1) festgestellt wurden, im Ergebnis zu einem IVIS ≤ 3 führten, dem Kriterium zur Identifizierung einer Prüfchemikalie als Stoff der UN-GHS-Klasse „Keine Einstufung“ . Des Weiteren gelten Falsch-Negativ-Raten der BCOP-Prüfmethode in diesem Zusammenhang nicht als kritisch, da alle Prüfchemikalien mit einem Wert von 3 < IVIS ≤ 55 nachfolgend, je nach den gesetzlichen Anforderungen und unter Verwendung einer sequentiellen Prüfstrategie mit einem evidenzbasierten Bewertungsansatz, anhand weiterer, angemessen validierter In-vitro-Tests oder als letzte Option an Kaninchen getestet werden würden. Angesichts der Tatsache, dass einige feste Chemikalien anhand der BCOP-Prüfmethode korrekterweise als Stoffe der UN-GHS-Kategorie 1 vorhergesagt werden, wird auch nicht davon ausgegangen, dass diese physikalischen Eigenschaften außerhalb des Anwendungsbereichs dieser Prüfmethode liegen. Prüfer können diese Prüfmethode für alle Arten von Chemikalien einsetzen und ein IVIS-Wert > 55 sollte als Indikator für eine schwer augenschädigende Wirkung gelten, nach der eine Einstufung in UN-GHS-Kategorie 1 ohne weitere Tests vorzunehmen ist. Wie bereits erwähnt, sollten Positivergebnisse bei Verwendung von Alkoholen oder Ketonen angesichts des Risikos der Vorhersage zu hoher Werte jedoch mit einer gewissen Zurückhaltung interpretiert werden.

Die BCOP-Prüfmethode kann auch zur Identifizierung von Chemikalien angewendet werden, die keine Einstufung als augenreizend oder schwer augenschädigend gemäß dem UN-GHS-Klassifizierungssystem erfordern (4). Gemessen an Daten aus In-vivo-Kaninchenaugentests, die nach dem UN-GHS-Klassifizierungssystem eingestuft wurden, weist die BCOP-Prüfmethode für diesen Zweck eine allgemeine Genauigkeit von 69 % (135/196), eine Falsch-Positiv-Rate von 69 % (61/89) und eine Falsch-Negativ-Rate von 0 % (0/107) auf (3) (siehe Anlage 2, Tabelle 2). Die erhaltene Falsch-Positiv-Rate (In-vivo-Chemikalien der UN-GHS-Klasse „Keine Einstufung“ mit einem IVIS-Wert > 3, siehe Nummer 47) ist zwar recht hoch, gilt in diesem Zusammenhang jedoch nicht als kritisch, da alle Prüfchemikalien mit einem Wert von 3 < IVIS ≤ 55 nachfolgend, je nach den gesetzlichen Anforderungen und unter Verwendung einer sequentiellen Prüfstrategie mit einem evidenzbasierten Bewertungsansatz, anhand weiterer, angemessen validierter In-vitro-Tests oder als letzte Option an Kaninchen getestet werden würden. Die BCOP-Prüfmethode weist keine nennenswerten Mängel für die Untersuchung von Alkoholen, Ketonen und Feststoffen auf, sofern das Ziel die Identifizierung von Chemikalien ist, die keine Einstufung als augenreizend oder schwer augenschädigend (UN-GHS-Klasse „Keine Einstufung“ ) erfordern (3). Prüfer können diese Prüfmethode jedoch für alle Arten von Chemikalien einsetzen, und ein Negativergebnis (IVIS ≤ 3) sollte als Indikator dafür gelten, dass keine Einstufung vorzunehmen ist (UN-GHS-Klasse „Keine Einstufung“ ). Da mit der BCOP-Prüfmethode nur 31 % der Chemikalien richtig identifiziert werden können, die keine Einstufung als augenreizend oder schwer augenschädigend erfordern, sollte diese Prüfmethode nicht die erste Wahl sein, wenn als erster Schritt ein Bottom-up-Ansatz verwendet werden soll (5), sofern andere validierte und akzeptierte In-vitro-Verfahren mit ähnlich hoher Empfindlichkeit, jedoch einer höheren Spezifität zur Verfügung stehen.

Die BCOP-Validierungsdatenbank enthielt insgesamt 113 Stoffe und 100 Gemische (2)(3). Die BCOP-Prüfmethode gilt demnach als für die Prüfung von Stoffen und Gemischen gleichermaßen anwendbar.

Aufgrund der beträchtlichen Anzahl von Chemikalien der UN-GHS-Kategorie 1, die zu niedrig in die UN-GHS-Kategorien 2, 2A oder 2B eingestuft sind, und von Chemikalien, die keine Einstufung erfordern, jedoch zu hoch in die UN-GHS-Kategorien 2, 2A oder 2B eingestuft sind, wird die BCOP-Prüfmethode nicht für die Identifizierung von Prüfchemikalien empfohlen, die als augenreizend (d. h. UN-GHS-Kategorie 2 oder Kategorie 2A) oder leicht augenreizend (UN-GHS-Kategorie 2B) eingestuft werden sollten (2)(3). Diesbezüglich können weitere Tests mit einer anderen geeigneten Methode erforderlich sein.

Bei allen Verfahren, die Rinderaugen und Rinderhornhäute involvieren, sollten die geltenden Regeln und Verfahrensvorschriften der Prüfanstalt für den Umgang mit Tiermaterial (u. a. Gewebe und Gewebeflüssigkeiten) eingehalten werden. Universelle Laborregeln sollten beachtet werden (11).

Bindehaut- und Irisverletzungen werden bei der BCOP-Prüfmethode zwar außer Acht gelassen, doch werden Auswirkungen auf die Hornhaut berücksichtigt, die wesentliche Einflussfaktoren für die In-vivo-Klassifizierung nach dem UN-GHS-Klassifizierungssystem bilden. Die Reversibilität von Hornhautläsionen lässt sich per se mit der BCOP-Prüfmethode nicht beurteilen. Doch wurde ausgehend von Kaninchenaugenstudien vorgeschlagen, eine Bewertung der anfänglichen Tiefe der Hornhautverletzung heranzuziehen, um einige Arten irreversibler Wirkungen zu identifizieren (12). Allerdings sind weitere wissenschaftliche Erkenntnisse erforderlich, um zu verstehen, wie irreversible Wirkungen auftreten, die nicht mit einer anfänglichen starken Verletzung im Zusammenhang stehen. Schließlich sei auch erwähnt, dass das Potenzial für eine mit der Augenexposition verbundene systemische Toxizität nach der BCOP-Methode nicht bewertet werden kann.

Diese Prüfmethode wird regelmäßig aktualisiert, um neue Informationen und Daten zu berücksichtigen. Beispielsweise können histopathologische Befunde potenziell nützlich sein, wenn eine umfassendere Charakterisierung der Hornhautschädigung erforderlich ist. Wie im OECD-Leitfaden Nr. 160 (13) umrissen, sollten Anwender Hornhäute aufbewahren und histopathologische Proben zubereiten, die zum Aufbau einer Datenbank und zur Entwicklung von Entscheidungskriterien herangezogen werden können, mit denen sich die Genauigkeit dieser Prüfmethode weiter verbessern lässt.

Laboratorien, die diese Prüfmethode zum ersten Mal anwenden, sollten die in Anlage 3 genannten Leistungschemikalien verwenden. Laboratorien können diese Chemikalien verwenden, um ihre technische Kompetenz zur Durchführung der BCOP-Prüfmethode nachzuweisen, bevor sie BCOP-Testdaten für Zwecke der vorschriftsmäßigen Gefahrenklassifizierung einreichen.

TESTPRINZIP

Die BCOP-Prüfmethode ist ein organtypisches Modell, das die normalen physiologischen und biochemikalischen Funktionen von Rinderhornhäuten in vitro kurzfristig aufrechterhält. Bei dieser Methode werden durch die Prüfchemikalie hervorgerufene Schäden bewertet, indem Veränderungen von Trübung und Durchlässigkeit der Hornhaut mithilfe eines Opazimeters bzw. eines VIS-Spektrofotometers quantitativ gemessen werden. Die beiden Messwerte dienen der Berechnung eines In-vitro-Reizwertes (IVIS), der seinerseits herangezogen wird, um zwecks Prädiktion des Augenreizpotenzials einer Prüfchemikalie am lebenden Objekt (in vivo) eine Zuordnung zu einer Gefahrenkategorie aufgrund des In-vitro-Reizungspotenzials des Stoffes vorzunehmen (siehe Entscheidungskriterien unter Nummer 48).

Für die BCOP-Prüfmethode werden isolierte Hornhäute der Augen frisch geschlachteter Rinder verwendet. Die Hornhauttrübung wird quantitativ bestimmt als Menge der die Hornhaut durchdringenden Lichtstrahlung. Die Durchlässigkeit der Hornhaut wird quantitativ bestimmt als die Menge an Natrium-Fluorescein, die die gesamte Dicke der Hornhaut durchdringt und im Medium in der Hinterkammer nachgewiesen wird. Die Applikation der Prüfchemikalien auf die Epitheloberfläche der Hornhaut erfolgt durch Zugabe der Stoffe in die Vorderkammer des Hornhauthalters. Anlage 4 enthält eine Beschreibung sowie ein Schaubild einer Halterung, wie sie für die BCOP-Prüfmethode verwendet wird. Hornhauthalter sind im Handel erhältlich oder können als Bausatz bezogen werden.

Bezugsquelle und Alter der Rinderaugen und Auswahl der Tiere

Schlachtrinder werden in der Regel für den menschlichen Verzehr oder für andere gewerbliche Zwecke getötet. Nur gesunde und für die menschliche Nahrungskette geeignet befundene Tiere kommen als Bezugsquelle für Augenhornhäute für den BCOP-Test in Frage. Da Rinder je nach Rasse, Alter und Geschlecht eine große Gewichtsspanne aufweisen, gibt es keine Gewichtsempfehlung für die Tiere zum Zeitpunkt der Schlachtung.

Augenhornhäute von Tieren verschiedener Altersklassen sind mitunter unterschiedlich groß. Hornhäute mit einem horizontalen Durchmesser > 30,5 mm und einer zentralen Hornhautdicke (CCT) mit Werten ≥ 1 100  μm stammen in der Regel von über acht Jahre alten Rindern, während Hornhäute mit einem horizontalen Durchmesser < 28,5 mm und CCT-Werten < 900 μm im Allgemeinen von weniger als fünf Jahre alten Tieren stammen (14). Deshalb werden Augen von über 60 Monate alten Tieren in der Regel nicht verwendet. Traditionsgemäß werden keine Augen von weniger als 12 Monate alten Rindern verwendet, da die Augen dieser Tiere noch nicht ausgewachsen sind und Hornhautdicke sowie Hornhautdurchmesser wesentlich kleiner sind als bei ausgewachsenen Rindern. Hornhäute von Jungtieren (d. h. Tiere im Alter von sechs bis 12 Monaten) sind aufgrund ihrer Vorteile jedoch zulässig: Sie sind beispielsweise leichter erhältlich, die Altersspanne ist geringer und das Laborpersonal ist in geringerem Maße BSE-gefährdet (15). Da eine weitere Evaluierung des Einflusses von Hornhautgröße oder Hornhautdicke auf die Wirkung verätzender oder reizender Stoffe nützlich wäre, sollten Anwender das geschätzte Alter und/oder das Gewicht der Tiere, von denen die für eine Studie verwendeten Hornhäute stammen, mitteilen.

Gewinnung und Beförderung der Augen zum Labor

Die Augen werden im Schlachthof gewonnen. Um jede mechanische und sonstige Schädigung der Augen auf ein Minimum zu beschränken, sollten die Augen nach der Tötung des Tieres so bald wie möglich ausgeschält und unmittelbar danach sowie während der Beförderung gekühlt werden. Damit die Augen nicht mit potenziellen Reizstoffen in Berührung kommen, sollte das Schlachthofpersonal zum Abspülen des Schädels keine Detergenzien verwenden.

Die Augen sollten in einem angemessen großen Behältnis vollständig in HBSS eingelegt und so zum Labor befördert werden, dass sich ihr Zustand möglichst nicht verschlechtert und/oder es möglichst nicht zu einer bakteriellen Kontamination kommt. Da die Augen während des Schlachtprozesses gewonnen werden, könnten sie mit Blut und anderen biologischen Stoffen wie Bakterien und sonstigen Mikroorganismen in Berührung kommen. Deshalb muss unbedingt sichergestellt werden, dass das Kontaminationsrisiko auf ein Mindestmaß begrenzt wird (z. B. indem das für die Beförderung der Augen verwendete Behältnis auf Nasseis gelagert und die zur Lagerung der Augen während der Beförderung verwendete HBSS-Lösung mit Antibiotika (z. B. 100 IU/ml Penizillin und 100 μg/ml Streptomycin) angereichert wird).

Der Zeitabstand zwischen der Gewinnung der Augen und der Verwendung der Hornhäute im BCOP-Test sollte möglichst gering sein (im Idealfall sollten die Hornhäute am selben Tag gewonnen und verwendet werden) und die Testergebnisse nachweislich nicht kompromittieren. Letztere basieren auf den Auswahlkriterien für die Augen sowie auf den Reaktionen der Positiv- und Negativkontrollen. Alle für die Prüfung verwendeten Augen sollten aus einer an ein und demselben Tag gewonnenen Partie Augen stammen.

Auswahlkriterien für Augen, die im BCOP-Test eingesetzt werden

Unmittelbar nach ihrer Ankunft im Labor werden die Augen sorgfältig auf Mängel wie unter anderem verstärkte Trübung, Kratzer und Neovaskularisation untersucht. Nur Hornhäute von Augen, die keine derartigen Mängel aufweisen, dürfen verwendet werden.

Die Qualität jeder Hornhaut wird auch in späteren Testphasen geprüft. Hornhäute, die nach einer ersten einstündigen Äquilibrierung mehr als sieben Trübungseinheiten oder einen vergleichbaren Wert für das verwendete Opazimeter und die verwendeten Hornhauthalterungen aufweisen (ANMERKUNG: der Opazimeter sollte nach den Trübungsnormen kalibriert werden, die auch zur Festlegung der Trübungseinheiten verwendet werden; siehe Anlage 4), sind zu verwerfen.

Jede Behandlungsgruppe (Prüfchemikalie sowie gleichzeitige Negativ- und Positivkontrollen) umfasst mindestens drei Augen. Für die Negativkontrollen des BCOP-Tests sollten drei Hornhäute verwendet werden. Da die Hornhäute operativ vom Augapfel entfernt und in die Hornhautkammern eingespannt werden, kann es infolge dieser Handgriffe bei einzelnen Hornhäuten zu veränderten Trübungs- und Durchlässigkeitswerten kommen (auch bei der Negativkontrolle). Außerdem werden die Trübungs- und Durchlässigkeitswerte von Hornhäuten der Negativkontrolle dazu verwendet, die Trübungs- und Durchlässigkeitswerte der mit der Prüfchemikalie behandelten Hornhäute und der Hornhäute der Positivkontrolle bei den IVIS-Berechnungen zu korrigieren.

VERFAHREN

Vorbereitung der Augen

Unbeschädigte Hornhäute werden seziert, wobei ein 2 bis 3 mm breiter Sklera-Rand belassen wird, um das anschließende Manipulieren zu erleichtern; dabei ist darauf zu achten, dass die Epithel- und Endothelzellschicht der Hornhaut nicht beschädigt wird. Die isolierten Hornhäute werden in speziell entwickelte Hornhauthalter eingespannt, die aus Vorder- und Hinterkammern bestehen, welche die Schnittstellen zur Epithel- bzw. Endothelseite der Hornhäute bilden. Beide Kammern (Hinterkammer zuerst) werden bis zum Überlaufen mit vorgewärmtem phenolrotfreiem EMEM-Medium gefüllt, wobei sicherzustellen ist, dass sich keine Luftblasen bilden. Das Gerät wird sodann bei 32 ± 11 °C für mindestens eine Stunde äquilibriert, um die Hornhäute mit dem Medium zu äquilibrieren und so weit wie möglich eine normale Stoffwechseltätigkeit zu gewährleisten (die ungefähre Temperatur der Hornhautoberfläche beträgt in vivo 321 °C).

Nach der Äquilibrierung wird frisches vorgewärmtes, phenolrotfreies EMEM-Medium in beide Kammern gegeben, und für jede Hornhaut werden Referenztrübungswerte abgelesen. Hornhäute, die makroskopische Gewebeschäden (z. B. Kratzer, Pigmentierung, Neovaskularisation) oder über sieben Trübungseinheiten bzw. einen für das verwendete Opazimeter und die verwendeten Hornhauthalterungen vergleichbaren Wert aufweisen, werden verworfen. Mindestens drei Hornhäute werden für die Negativ-(oder Lösungsmittel-)Kontrolle ausgewählt. Die restlichen Hornhäute werden in Behandlungs- und Positivkontrollgruppen aufgeteilt.

Da die Wärmekapazität von Wasser höher ist als die Wärmekapazität von Luft, bietet Wasser stabilere Temperaturbedingungen für die Inkubation. Deshalb wird ein Wasserbad empfohlen, um Hornhauthalter samt Inhalt auf einer Temperatur von 32 ± 11 °C zu halten. Es können jedoch auch Luftinkubatoren verwendet werden, sofern alle erforderlichen Vorkehrungen getroffen wurden, um die Temperatur stabil zu halten (z. B. durch Vorwärmen der Halterungen und Medien).

Applikation der Prüfchemikalie

Es werden zwei unterschiedliche Behandlungsprotokolle verwendet — eines für Flüssigkeiten und Tenside (Feststoffe oder Flüssigkeiten) und eines für nichttensidische Feststoffe.

Flüssigkeiten werden unverdünnt, halbfeste Stoffe, Cremes und Wachse werden in der Regel als Flüssigkeiten getestet. Unverdünnte Tenside werden in einer Konzentration von 10 % w/v in 0,9 % Natriumchloridlösung, destilliertem Wasser oder einem anderen Lösungsmittel, welches das Testsystem nachweislich nicht beeinträchtigt, getestet. Sofern alternative Lösungskonzentrationen verwendet werden, ist dies angemessen zu begründen. Tensidhaltige Gemische können unverdünnt getestet oder zunächst auf eine geeignete Konzentration entsprechend der jeweiligen In-vivo-Exposition verdünnt werden. Die getestete Konzentration ist angemessen zu begründen. Die Hornhäute werden den Flüssigkeiten und Tensiden für die Dauer von zehn Minuten ausgesetzt. Bei anderen Expositionszeiten sollten diese wissenschaftlich begründet werden. Vgl. Anlage 1 bezüglich einer Definition für „Tensid“ und „tensidhaltiges Gemisch“ .

Nichttensidische Feststoffe werden in der Regel als Lösungen oder Suspensionen in einer Konzentration von 20 % w/v in 0,9 % Natriumchloridlösung, destilliertem Wasser oder einem anderem Lösungsmittel, welches das Testsystem nachweislich nicht beeinträchtigt, getestet. Unter bestimmten Bedingungen und sofern wissenschaftlich begründet, können Feststoffe auch unverdünnt durch direkte Applikation auf die Hornhautoberfläche getestet werden, wobei die offene Methode (open chamber method, siehe Nummer 32) angewandt wird. Die Hornhäute werden den Feststoffen für die Dauer von vier Stunden ausgesetzt; soweit wissenschaftlich fundiert können jedoch auch, wie bei Flüssigkeiten und Tensiden, alternative Expositionszeiten verwendet werden.

Je nach den physikalischen und chemischen Eigenschaften der Prüfchemikalie (z. B. fest, flüssig, zähflüssig oder nicht zähflüssig) können unterschiedliche Behandlungsmethoden angewandt werden. Der kritische Faktor besteht darin sicherzustellen, dass die Prüfchemikalie die Epitheloberfläche angemessen bedeckt und während der Spülungen sachgemäß entfernt wird. Die geschlossene Methode (closed chamber method) wird in der Regel für nicht zähflüssige bis leicht zähflüssige Prüfchemikalien eingesetzt, während die offene Methode eher für halbzähflüssige und zähflüssige Prüfchemikalien sowie für unverdünnte Feststoffe verwendet wird.

Bei der geschlossenen Methode wird über die Dosieröffnungen auf der Oberseite der Kammer so viel Prüfchemikalie (750 μl) in die Vorderkammer gegeben, dass die Epithelseite der Hornhaut bedeckt ist; die Öffnungen werden anschließend für die gesamte Expositionsdauer mit den Kammerverschlüssen abgedichtet. Es muss unbedingt sichergestellt werden, dass alle Hornhäute der Prüfchemikalie für eine angemessene Dauer ausgesetzt werden.

Bei der offenen Methode werden vor der Behandlung Scheibenverschlussring und Glasscheibe von der Vorderkammer entfernt. Die Kontroll- oder die Prüfchemikalie (750 μl bzw. genügend Prüfchemikalie, um die Hornhaut komplett zu bedecken) wird mit einer Mikropipette direkt auf die Epitheloberfläche der Hornhaut appliziert. Erweist sich das Pipettieren einer Prüfchemikalie als schwierig, so kann diese zur leichteren Dosierung mittels Druckausgleich in eine Direktverdrängungspipette geladen werden. Die Spitze der Direktverdrängungspipette wird in die Dosierspitze der Spritze eingeführt, damit das Material unter Druck in die Spitze der Verdrängungspipette geladen werden kann. Lässt man den Bedienknopf langsam zurückgleiten, fährt der Kolben der Pipette nach oben. Treten in der Pipettenspitze Luftbläschen auf, wird die Prüfchemikalie verworfen (ausgestoßen) und der Prozess wird so lange wiederholt, bis die Spitze ohne Luftblasen gefüllt ist. Erforderlichenfalls kann eine normale Spritze (ohne Nadel) verwendet werden, denn sie gestattet das Abmessen einer akkuraten Menge Prüfchemikalie und erleichtert die Applikation auf die Epitheloberfläche der Hornhaut. Nach der Dosierung wird die Glasscheibe wieder auf die Vorderkammer gesetzt, um das System wieder zu schließen.

Inkubation nach der Exposition

Nach Ablauf der Expositionszeit werden Prüfchemikalie, Negativkontrolle oder Positivkontrolle aus der Vorderkammer entfernt, und das Epithel wird mindestens drei Mal (oder bis keine Prüfchemikalie mehr sichtbar ist) mit (phenolrothaltigem) EMEM-Medium gewaschen. Phenolrot wird zum Abspülen verwendet, da sich aufgrund der Farbveränderung bei Phenolrot die Wirksamkeit des Abspülens saurer oder alkalischer Prüfchemikalien bestimmen lässt. Die Hornhäute werden mehr als drei Mal gewaschen, wenn die Farbveränderung (ins Gelbe oder Lila) anhält oder wenn die Prüfchemikalie nach wie vor sichtbar ist. Sobald das Medium frei von der Prüfchemikalie ist, werden die Hornhäute ein letztes Mal mit EMEM-Medium (ohne Phenolrot) abgespült. Das EMEM-Medium (ohne Zusatz von Phenolrot) wird als letzte Spülung verwendet, um sicherzustellen, dass der Phenolrot-Farbstoff vor der Trübungsmessung aus der Vorderkammer entfernt wurde. Die Vorderkammer wird sodann wieder mit nicht phenolrothaltigem frischem EMEM-Medium aufgefüllt.

Bei Flüssigkeiten oder Tensiden werden die Hornhäute nach dem Abspülen für weitere zwei Stunden bei 32 ± 11 °C inkubiert. Unter bestimmten Umständen könnte sich nach der Exposition eine längere Inkubationszeit als zweckdienlich erweisen; dies sollte auf Fallbasis geprüft werden. Mit Feststoffen behandelte Hornhäute werden nach Ablauf der vierstündigen Exposition gründlich abgespült; eine längere Inkubation ist nicht erforderlich.

Nach Ablauf der auf die Exposition folgenden Inkubation (Flüssigkeiten und Tenside) bzw. nach Ablauf der vierstündigen Exposition (nichttensidische Feststoffe) werden Trübung und Durchlässigkeit der einzelnen Hornhäute aufgezeichnet. Außerdem wird jede Hornhaut visuell geprüft, und relevante Befunde (z. B. Gewebeabschälung, Reste der Prüfchemikalie, uneinheitliche Trübungsmuster) werden aufgezeichnet. Diese Daten könnten insofern wichtig sein, als sie Abweichungen der Opazimeter-Messwerte bestätigen könnten.

Kontrollchemikalien

Jeder Versuch beinhaltet gleichzeitige Negativ- oder Lösungsmittel-/Vehikelkontrollen und Positivkontrollen.

Für Tests von Flüssigstoffen zu 100 % sieht der BCOP-Test eine gleichzeitige Negativkontrolle (z. B. 0,9 % Natriumchloridlösung oder destilliertes Wasser) vor, damit unspezifische Veränderungen im Testsystem festgestellt werden können und ein Referenzwert für die Test-Endpunkte ermittelt werden kann. Auf diese Weise wird auch sichergestellt, dass die Testbedingungen nicht zu einer unerwünschten Reizwirkung führen.

Für Tests von verdünnten Flüssigkeiten, Tensiden oder Feststoffen sieht der BCOP-Test eine Gruppe gleichzeitiger Lösungsmittel-/Vehikelkontrollen vor, damit unspezifische Veränderungen im Testsystem festgestellt werden können und ein Referenzwert für die Test-Endpunkte ermittelt werden kann. Es sind nur Lösungsmittel/Vehikel zulässig, die das Testsystem nachweislich nicht beeinträchtigen.

Jeder Versuch beinhaltet als gleichzeitige Positivkontrolle eine bekannte augenreizende Chemikalie, damit die Integrität des Testsystems und seine korrekte Durchführung überprüft werden können. Um sicherzustellen, dass im Zeitverlauf auftretende Wirkungsschwankungen bei der Positivkontrolle bewertet werden können, sollte die Reaktion jedoch nicht zu heftig sein.

Beispiele für Positivkontrollen für flüssige Prüfchemikalien sind 100 %iges Ethanol oder 100 %iges Dimethylformamid. Für feste Prüfchemikalien käme 20 %iges (Gewichtsprozent) Imidazol in 0,9 % Natriumchloridlösung als Positivkontrolle in Frage.

Referenzchemikalien sind nützlich für die Evaluierung des Augenreizpotenzials unbekannter Chemikalien einer bestimmten Chemikalien- oder Produktklasse oder zur Evaluierung des relativen Reizpotenzials eines Augenreizstoffes innerhalb einer spezifischen Spanne von Reizwirkungen.

Gemessene Endpunkte

Die Trübung wird durch Messung der durch die Hornhaut durchgehenden Lichtstrahlung bestimmt. Die quantitative Messung der Hornhauttrübung erfolgt mithilfe eines Opazimeters, eines Messgeräts, bei dem die Trübungswerte kontinuierlich gemessen werden.

Die Durchlässigkeit wird durch Messung der Menge Fluorescein-Natrium bestimmt, die alle Zellschichten der Hornhaut (d. h. von der Epithelzellschicht auf der äußeren Hornhautoberfläche bis zur Endothelzellschicht auf der inneren Hornhautfläche) passiert. Die Vorderkammer des Hornhauthalters, die die Verbindung zur Epithelseite der Hornhaut bildet, wird mit 1 ml Fluorescein-Natrium-Lösung (4 oder 5 mg/ml bei Flüssigkeiten und Tensiden bzw. nichttensidischen Feststoffen) aufgefüllt, während die Hinterkammer, die die Verbindung zur Endothelseite der Hornhaut bildet, mit frischem EMEM-Medium gefüllt wird. Die Halterung wird sodann in horizontaler Position für 90 ± 5 Minuten bei 32 ± 11 °C inkubiert. Die Menge an Fluorescein-Natrium, die in die Hinterkammer eindringt, wird mithilfe eines UV/VIS-Spektrofotometers gemessen. Bei 490 nm ausgewertete spektrofotometrische Messungen werden als Werte für optische Dichte (OD490) oder Absorbanzwerte aufgezeichnet, die kontinuierlich gemessen werden. Zur Bestimmung der Fluorescein-Durchlässigkeit werden OD490-Werte herangezogen, die mithilfe eines VIS-Spektrofotometers bei einer Standardpfadlänge von 1 cm ermittelt wurden.

Alternativ kann ein Plattenleser für 96-Mulden-Mikrotiterplatten verwendet werden, sofern i) der lineare Messbereich des Plattenlesers für die Bestimmung der Fluorescein- OD490-Werte festgelegt werden kann und ii) in der 96-Mulden-Mikrotiterplatte Fluorescein-Proben in der richtigen Menge verwendet werden, um OD490-Werte zu ergeben, die der Standardpfadlänge von 1 cm entsprechen (dies könnte vollständig gefüllte Mulden [in der Regel 360 μl] erfordern).

DATEN UND BERICHTERSTATTUNG

Datenauswertung

Sobald die Trübungs- und die mittleren Durchlässigkeits-(OD490-)Werte um die Hintergrundtrübungswerte und die OD490-Durchlässigkeitswerte der Negativkontrolle korrigiert wurden, werden die mittleren Trübungs- und OD490-Durchlässigkeitswerte für jede Behandlungsgruppe in einer empirisch abgeleiteten Formel kombiniert, um für jede Behandlungsgruppe einen In-vitro-Reizwert (IVIS) zu berechnen:

IVIS = mittlerer Trübungswert + (15 × mittlerer OD490-Durchlässigkeitswert)

Nach Sina et al. (16) wurde diese Formel aus Labor- und Interlaborstudien abgeleitet. Die für eine Serie von 36 Verbindungen in einer Multilaborstudie generierten Daten wurden einer multivariaten Analyse unterzogen, um die Best-fit-Gleichung zwischen In-vivo- und In-vitro-Daten zu ermitteln. Diese Analyse wurde von Wissenschaftlern zweier separater Unternehmen durchgeführt, die zu quasi identischen Gleichungsergebnissen gelangten.

Die Trübungs- und Durchlässigkeitswerte sollten auch unabhängig voneinander bestimmt werden, um feststellen zu können, ob eine Prüfchemikalie für nur einen der beiden Endpunkte (siehe Entscheidungskriterien) eine augenverätzende oder stark augenreizende Wirkung verursachte.

Entscheidungskriterien

Die IVIS-Schwellenwerte zur Identifizierung von schwer augenschädigenden Chemikalien (UN-GHS-Kategorie 1) und Chemikalien, die keine Einstufung als augenreizend oder schwer augenschädigend erfordern (UN-GHS-Klasse „Keine Einstufung“ ) sind nachfolgend aufgeführt:



IVIS

UN-GHS

≤ 3

Keine Einstufung

> 3; ≤ 55

Keine Vorhersage möglich

> 55

Kategorie 1

Studienakzeptanzkriterien

Ein Test gilt als akzeptabel, wenn die Positivkontrolle einen IVIS-Wert innerhalb von zwei Standardabweichungen des geltenden historischen Mittelwertes ergibt, der mindestens alle drei Monate bzw. immer dann aktualisiert werden muss, wenn Laboratorien, die nur selten Testungen vornehmen (d. h. weniger als einmal im Monat), einen akzeptablen Test durchführen. Die Negativ- oder Lösungsmittel-/Vehikelkontrollen sollten Trübungs- und Durchlässigkeitswerte ergeben, die geringer sind als die Obergrenzen, die für Hintergrundtrübungs- und Durchlässigkeitswerte für Rinderhornhäute vorgegeben sind, welche mit der jeweiligen Negativ- bzw. Lösungsmittel-/Vehikelkontrolle behandelt wurden. Kann eine eindeutige Klassifizierung vorgenommen werden, so ist ein einziger Testlauf, der aus mindestens drei Hornhäuten besteht, ausreichend. Kommt es jedoch im ersten Testlauf zu grenzwertigen Ergebnissen, sollte ein zweiter Testlauf in Erwägung gezogen werden (ist jedoch nicht unbedingt erforderlich) und darüber hinaus ein dritter, sollte es beim ersten und zweiten Testlauf zu abweichenden mittleren IVIS-Ergebnissen kommen. In diesem Zusammenhang gilt ein Ergebnis im ersten Testlauf als grenzwertig, wenn die Vorhersagen aus den 3 Hornhäuten nicht übereinstimmend waren, und zwar wie folgt:

 2 der 3 Hornhäute ergaben Vorhersagen, die mit dem Mittelwert aller 3 Hornhäute nicht übereinstimmen, ODER

 1 der 3 Hornhäute ergab eine Vorhersage, die mit dem Mittelwert aller 3 Hornhäute nicht übereinstimmt, UND das nicht-übereinstimmende Ergebnis lag mehr als 10 IVIS-Einheiten über dem Schwellenwert von 55.

 Bestätigt die Vorhersage aus dem Wiederholungstestlauf das Ergebnis des ersten Testlaufs (basierend auf dem mittleren IVIS-Wert), kann eine endgültige Entscheidung getroffen werden, ohne weitere Tests durchzuführen. Ergibt der Wiederholungstestlauf eine mit dem ersten Testlauf nicht übereinstimmende Vorhersage (basierend auf dem mittleren IVIS-Wert), sollte ein dritter und letzter Testlauf erfolgen, um nicht eindeutige Vorhersagen zu klären und die Prüfchemikalie einzustufen. Wenn eine Prüfchemikalie in einem Testlauf nach der Vorhersage in die UN-GHS-Kategorie 1 einzustufen ist, kann von weiteren Tests zur Klassifizierung und Kennzeichnung abgesehen werden.

Prüfbericht

Der Prüfbericht sollte die folgenden Informationen umfassen, soweit sie für die Studie relevant sind:

Prüfchemikalien und Kontrollchemikalien

 chemische Bezeichnung(en) wie der vom Chemical Abstracts Service (CAS) benutzte strukturelle Name, gefolgt von anderen Bezeichnungen, soweit bekannt; die CAS-Registrierungsnummer (CAS-Nr.), soweit bekannt;

 Reinheit und Zusammensetzung der Prüfchemikalien/Kontrollchemikalien (in Gewichtsprozent), soweit diesbezügliche Informationen vorliegen;

 physikalisch-chemische Eigenschaften wie physikalischer Zustand, Flüchtigkeit, pH-Wert, Stabilität, Chemikalienklasse, Wasserlöslichkeit, soweit sie für die Studie relevant sind;

 Behandlung der Prüfchemikalien/Kontrollchemikalien vor der Testung, soweit zutreffend (z. B. Erwärmung, Zerkleinerung);

 Stabilität, soweit bekannt.

Informationen zu Auftraggeber und Prüfanstalt

 Name und Anschrift des Auftraggebers, der Prüfanstalt und des Studienleiters.

Testbedingungen

 verwendetes Opazimeter (z. B. Modell und Spezifikationen) und Geräteeinstellungen;

 Kalibrierungsdaten zu den für die Messung der Trübung und Durchlässigkeit verwendeten Geräten (z. B. Opazimeter und Spektrofotometer) zur Gewährleistung linearer Messungen;

 Typ des verwendeten Hornhauthalters (z. B. Modell und Spezifikationen);

 Beschreibung weiterer verwendeter Geräte;

 das zur Gewährleistung der Integrität (d. h. der Genauigkeit und Zuverlässigkeit) der Prüfmethode im Zeitverlauf angewandte Verfahren (z. B. regelmäßige Testung von Leistungschemikalien).

Testakzeptanzkriterien

 akzeptable gleichzeitige Positiv- und Negativkontrollen auf der Grundlage historischer Daten;

 gegebenenfalls akzeptable Reihen gleichzeitiger Referenzkontrollen auf der Grundlage historischer Daten.

Gewinnung und Vorbereitung der Augen

 Angaben zur Identifizierung der Bezugsquelle der Augen (d. h. Einrichtung, in der sie gewonnen wurden);

 Hornhautdurchmesser als Maß für das Alter des Herkunftstiers und seine Eignung für den Test;

 Lager- und Transportbedingungen der Augen (z. B. Datum und Uhrzeit der Gewinnung, Zeitspanne vor Testbeginn, Transportmedien und Temperaturbedingungen, eventuell verwendete Antibiotika);

 Vorbereitung und Einspannen der Rinderhornhäute, einschließlich Angaben zu ihrer Qualität, zur Temperatur der Hornhauthalter und zu den Kriterien für die Auswahl der bei den Tests verwendeten Hornhäute.

Testverfahren

 Anzahl der verwendeten Replikate;

 Identität der verwendeten Negativ- und Positivkontrollen (soweit zutreffend, auch der Lösungsmittel- und Referenzkontrollen);

 verwendete Prüfchemikalienkonzentration(en), Applikations- und Expositionsdauer sowie Inkubationsdauer nach der Exposition;

 Beschreibung der angewandten Bewertungs- und Entscheidungskriterien;

 Beschreibung der angewandten Studienakzeptanzkriterien;

 Beschreibung etwaiger Änderungen am Testverfahren;

 Beschreibung der angewandten Entscheidungskriterien.

Ergebnisse

 tabellarische Aufstellung von Daten aus einzelnen Testproben (z. B. Trübungs- und OD490-Werte und berechnete IVIS-Werte für die Prüfchemikalie und die Positiv-, Negativ- und Referenzkontrollen [soweit einbezogen], einschließlich Daten aus Wiederholungsversuchen, soweit durchgeführt, sowie Mittelwerte ± Standardabweichung für jeden Versuch);

 Beschreibung anderer beobachteter Wirkungen;

 gegebenenfalls die abgeleitete In-vitro-Klassifizierung nach UN GHS.

Erörterung der Ergebnisse

Schlussfolgerung

LITERATURHINWEISE

(1) ICCVAM (2006). Test Method Evaluation Report — In Vitro Ocular Toxicity Test Methods for Identifying Ocular Severe Irritants and Corrosives. Interagency Coordinating Committee on the Validation of Alternative Methods (ICCVAM) and the National Toxicology Program (NTP) Interagency Center for the Evaluation of Alternative Toxicological Methods (NICEATM). NIH-Veröffentlichung Nr. 07-4517. Verfügbar unter: http://iccvam.niehs.nih.gov/methods/ocutox/ivocutox/ocu_tmer.htm.

(2) ICCVAM (2010). ICCVAM Test Method Evaluation Report: Current Validation Status of In Vitro Test Methods Proposed for Identifying Eye Injury Hazard Potential of Chemicals and Products. NIH-Veröffentlichung Nr. 10-7553: Research Triangle Park, NC: National Institute of Environmental Health Sciences. Verfügbar unter: http://iccvam.niehs.nih.gov/methods/ocutox/MildMod-TMER.htm.

(3) OECD (2013). Streamlined Summary Document supporting the Test Guideline 437 for eye irritation/corrosion. Series on Testing and Assessment, No. 189, OECD, Paris.

(4) UN (2011). United Nations Globally Harmonized System of Classification and Labelling of Chemicals (GHS), ST/SG/AC.10/30 Rev 4, New York und Genf: United Nations. Verfügbar unter: http://www.unece.org/trans/danger/publi/ghs/ghs_rev04/04files_e.html.

(5) Scott, L., Eskes, C., Hoffman, S., Adriaens, E., Alepee, N., Bufo, M., Clothier, R., Facchini, D., Faller, C., Guest, R., Hamernik, K., Harbell, J., Hartung, T., Kamp, H., Le Varlet, B., Meloni, M., Mcnamee, P., Osborn, R., Pape, W., Pfannenbecker, U., Prinsen, M., Seaman, C., Spielmann, H., Stokes, W., Trouba, K., Vassallo, M., Van den Berghe, C., Van Goethem, F., Vinardell, P., Zuang, V (2010), A proposed eye irritation testing strategy to reduce and replace in vivo studies using Bottom-Up and Top-Down approaches. Toxicol. in Vitro 24:1-9.

(6) ICCVAM (2006). ICCVAM Recommended BCOP Test Method Protocol. In: ICCVAM Test Method Evaluation Report — in vitro Ocular Toxicity Test Methods for Identifying Ocular Severe Irritants and Corrosives. Interagency Coordinating Committee on the Validation of Alternative Methods (ICCVAM) and the National Toxicology Program (NTP) Interagency Center for the Evaluation of Alternative Toxicological Methods (NICEATM). NIH-Veröffentlichung Nr. 07-4517. Verfügbar unter: http://iccvam.niehs.nih.gov/methods/ocutox/ivocutox/ocu_tmer.htm.

(7) ICCVAM (2010). ICCVAM Recommended BCOP Test Method Protocol. In: ICCVAM Test Method Evaluation Report — Current Validation Status of In Vitro Test Methods Proposed for Identifying Eye Injury Hazard Potential of Chemicals and Products. Interagency Coordinating Committee on the Validation of Alternative Methods (ICCVAM) and the National Toxicology Program (NTP) Interagency Center for the Evaluation of Alternative Toxicological Methods (NICEATM). NIH-Veröffentlichung Nr. 10-7553A. Verfügbar unter: http://iccvam.niehs.nih.gov/methods/ocutox/MildMod-TMER.htm.

(8) INVITTOX (1999). Protokoll Nr. 124: Bovine Corneal Opacity and Permeability Assay — SOP of Microbiological Associates Ltd. Ispra, Italien: European Centre for the Validation of Alternative Methods (ECVAM).

(9) Gautheron, P., Dukic, M., Alix, D. and Sina, J.F. (1992). Bovine corneal opacity and permeability test: An in vitro assay of ocular irritancy. Fundam. Appl. Toxicol. 18:442-449.

(10) Prinsen, M.K. (2006). The Draize Eye Test and in vitro alternatives; a left-handed marriage? Toxicol. in Vitro 20:78-81.

(11) Siegel, J.D., Rhinehart, E., Jackson, M., Chiarello, L. und das Healthcare Infection Control Practices Advisory Committee (2007), Guideline for Isolation Precautions: Preventing Transmission of Infectious Agents in Healthcare Settings. Verfügbar unter: [http://www.cdc.gov/ncidod/dhqp/pdf].

(12) Maurer, J.K., Parker, R.D. und Jester, J.V. (2002). Extent of corneal injury as the mechanistic basis for ocular irritation: key findings and recommendations for the development of alternative assays. Reg. Tox. Pharmacol., 36:106-117.

(13) OECD (2011). Guidance Document on The Bovine Corneal Opacity and Permeability (BCOP) and Isolated Chicken Eye (ICE) Test Methods: Collection of Tissues for Histological Evaluation and Collection of Data on Non-severe Irritants. Series on Testing and Assessment, No. 160. Angenommen am 25. Oktober 2011. Paris: Organisation for Economic Co-operation and Development.

(14) Doughty, M.J., Petrou, S. and Macmillan, H. (1995). Anatomy and morphology of the cornea of bovine eyes from a slaughterhouse. Can. J. Zool. 73:2159-2165.

(15) Collee, J. and Bradley, R. (1997). BSE: A decade on — Part I. The Lancet 349: 636-641.

(16) Sina, J.F., Galer, D.M., Sussman, R.S., Gautheron, P.D., Sargent, E.V., Leong, B., Shah, P.V., Curren, R.D., and Miller, K. (1995). A collaborative evaluation of seven alternatives to the Draize eye irritation test using pharmaceutical intermediates. Fundam. Appl. Toxicol. 26:20-31.

(17) Kapitel B.5 dieses Anhangs, Akute Augenreizung/-verätzung.

(18) ICCVAM (2006). Current Status of In Vitro Test Methods for Identifying Ocular Corrosives and Severe Irritants: Bovine Corneal Opacity and Permeability Test Method. NIH-Veröffentlichung Nr. 06-4512. Research Triangle Park: National Toxicology Program. Verfügbar unter: [http://iccvam.niehs.nih.gov/methods/ocutox/ivocutox/ocu_brd_bcop.htm].

(19) OECD (1998). Series on Good Laboratory Practice and Compliance Monitoring. No. 1: OECD Principles on Good Laboratory Practice (revised in 1997).

Verfügbar unter: http://www.oecd.org/document/63/0,3343,en_2649_34381_2346175_1_1_1_1,00.html

Anlage 1

DEFINITIONEN

Augenreizung : Erzeugen von Veränderungen am Auge nach Applikation einer Prüfchemikalie auf die Oberfläche des Auges, die innerhalb von 21 Tagen nach der Applikation vollständig reversibel sind. Austauschbar mit „Reversible Wirkungen am Auge“ und mit der „UN-GHS-Kategorie 2“ (4).

Bottom-Up-Ansatz : Schrittweiser Ansatz für eine Chemikalie, von der vermutet wird, dass sie keine Einstufung als augenreizend oder schwer augenschädigend erfordert. Dabei werden zuerst Chemikalien, die keine Einstufung erfordern (negatives Ergebnis), von anderen Chemikalien (positives Ergebnis) unterschieden.

Chemikalie : Stoff oder Gemisch.

Evidenzbasierte Bewertung : Prüfung der Stärken und Schwächen verschiedener Informationen, um über das Gefahrenpotenzial einer Prüfchemikalie entscheiden zu können und diese Entscheidung zu untermauern.

Falsch-Negativ-Rate : Der Anteil aller positiven Chemikalien, die von einer Prüfmethode fälschlicherweise als negativ identifiziert werden. Sie ist ein Leistungsindikator der Prüfmethode.

Falsch-Positiv-Rate : Der Anteil aller negativen Chemikalien, die von einer Prüfmethode fälschlicherweise als positiv identifiziert werden. Sie ist ein Leistungsindikator der Prüfmethode.

Gefahr : Inhärente Eigenschaft eines Stoffes oder eines Umfelds mit dem Potenzial, einen Organismus, ein System oder eine (Sub)population bei Exposition gegenüber diesem Stoff zu schädigen.

Gemisch : Gemisch oder Lösung aus zwei oder mehr Stoffen, die nicht miteinander reagieren (4).

Genauigkeit : Der Grad der Übereinstimmung zwischen Testergebnissen und anerkannten Referenzwerten. Die Genauigkeit ist ein Maß der Leistung der Prüfmethode und ein Aspekt der „Relevanz“. Der Begriff wird oft im Sinne von „Übereinstimmung“ verwendet und bezeichnet den Anteil der korrekten Ergebnisse einer Prüfmethode.

Gestufte Prüfstrategie : Eine schrittweise Prüfstrategie, bei der alle vorhandenen Informationen über eine Prüfchemikalie in einer vorgegebenen Reihenfolge überprüft werden, wobei auf jeder Stufe nach dem evidenzbasierten Bewertungsansatz (weight-of-evidence) vorgegangen wird, um feststellen zu können, ob genügend Informationen für eine Gefahrenklassifizierung vorliegen, bevor zur nächsten Stufe übergegangen wird. Wenn das Reizpotenzial einer Prüfchemikalie auf Basis der vorliegenden Informationen zugeordnet werden kann, sind keine weiteren Testungen erforderlich. Ist dies nicht der Fall, müssen schrittweise sequenzielle Tierversuche durchgeführt werden, bis eine eindeutige Klassifizierung vorgenommen werden kann.

Globales Harmonisiertes System zur Einstufung und Kennzeichnung von Chemikalien der Vereinten Nationen (UN-GHS) : Ein System zur Klassifizierung von Chemikalien (Stoffen und Gemischen) nach standardisierten Typen und Stufen physikalischer, gesundheitlicher und ökologischer Gefahren und zur entsprechenden Kennzeichnung durch Piktogramme, Signalwörter, Gefahrenhinweise, Sicherheitshinweise und Sicherheitsdatenblätter, um zum Schutz des Menschen (einschließlich Arbeitgeber, Arbeiter, Spediteure, Verbraucher und Notfall-Einsatzkräfte) und der Umwelt Informationen über die schädlichen Wirkungen der betreffenden Chemikalien zu verbreiten (4).

Hornhaut : Der Iris und Pupille überdeckende transparente vordere Teil des Augapfels, über den Licht ins Augeninnere übertragen wird.

Hornhautdurchlässigkeit : Quantitativer Messwert für die Schädigung der Epithelzellschicht der Hornhaut, ermittelt durch Bestimmung der Menge an Fluorescein-Natrium, die alle Zellschichten der Hornhaut durchdringt.

Hornhauttrübung : Messwert für die Undurchsichtigkeit der Hornhaut nach Applikation einer Prüfchemikalie. Eine verstärkte Hornhauttrübung ist ein Indikator für die Schädigung der Hornhaut. Die Trübung kann subjektiv (Draize-Kaninchenaugentest) oder objektiv (mithilfe eines Messgeräts, z. B. eines Opazimeters) bestimmt werden.

In-vitro-Reizwert (In Vitro Irritancy Score, IVIS) : Eine bei der BCOP-Prüfmethode verwendete empirisch abgeleitete Formel, bei der der mittlere Trübungs- und der mittlere Durchlässigkeitswert für jede Behandlungsgruppe in einem einzigen In-Vitro-Wert zusammengefasst werden. IVIS = mittlerer Trübungswert + (15 × mittlerer Durchlässigkeitswert).

Irreversible Wirkungen am Auge : Siehe „Schwere Augenschädigung“

Keine Einstufung nach UN-GHS : Chemikalien, die die Voraussetzungen für eine Einstufung in die UN-GHS-Kategorien 1 oder 2 (2A oder 2B) nicht erfüllen. Austauschbar mit „Nicht eingestuft“.

Lösungsmittel-/Vehikelkontrolle : Eine unbehandelte Probe, die alle Komponenten eines Testsystems enthält, einschließlich des Lösungsmittels oder Vehikels, und die mit den prüfchemikalienbehandelten Proben und anderen Kontrollproben mitgeführt wird, um die Referenzreaktion für die mit der Prüfchemikalie behandelten Proben, die im selben Lösungsmittel oder Vehikel aufgelöst wurden, zu bestimmen. Bei der Testung mit einer gleichzeitigen Negativkontrolle zeigt diese Probe außerdem an, ob das Lösungsmittel oder Vehikel mit dem Testsystem interagiert.

Negativkontrolle : Ein unbehandeltes Replikat, das alle Komponenten eines Testsystems enthält. Diese Probe wird mit prüfchemikalienbehandelten Proben und anderen Kontrollproben mitgeführt, um festzustellen, ob das Lösungsmittel mit dem Testsystem interagiert.

Nicht eingestuft : Chemikalien, die nicht als augenreizend (UN-GHS-Kategorie 2, 2A oder 2B) oder schwer augenschädigend (UN-GHS-Kategorie 1) eingestuft sind. Austauschbar mit der UN-GHS-Klasse „Keine Einstufung“.

Opazimeter : Ein Instrument zur Messung der „Hornhauttrübung“ durch quantitative Evaluierung der Lichtübertragung durch die Hornhaut. Das Gerät besteht in der Regel aus zwei Kammern, beide mit eigener Lichtquelle und Fotozelle. Eine Kammer wird für die behandelte Hornhaut verwendet, die zweite zur Kalibrierung und Nulleinstellung des Instruments. Licht aus einer Halogenleuchte wird durch eine Kontrollkammer (leere Kammer ohne Fenster oder Flüssigkeit) zu einer Fotozelle geleitet und mit dem Lichtstrahl verglichen, der durch die Versuchskammer, welche die Kammer mit der Hornhaut enthält, zu einer Fotozelle geleitet wird. Der Unterschied bei der Lichtübertragung aus den Fotozellen wird errechnet und als numerischer Trübungswert digital angezeigt.

Positivkontrolle : Ein Replikat, das alle Komponenten eines Testsystems enthält und mit einer Chemikalie behandelt wird, die bekanntermaßen eine positive Reaktion hervorruft. Um sicherzustellen, dass Abweichungen bei der Positivkontrollreaktion im Zeitverlauf bewertet werden können, sollte die Reaktion nicht zu heftig sein.

Prüfchemikalie : Stoff oder Gemisch, der bzw. das nach dieser Prüfmethode getestet wird.

Referenzchemikalie : Eine zum Vergleich mit einer Prüfchemikalie verwendete Bezugsgröße. Eine Referenzchemikalie sollte die folgenden Eigenschaften aufweisen: i) beständige und zuverlässige Quelle(n); ii) strukturelle und funktionelle Ähnlichkeit zur Klasse der geprüften Chemikalien; iii) bekannte physikalische/chemische Eigenschaften; iv) unterstützende Daten zu bekannten Wirkungen und v) bekannte Potenz innerhalb der gewünschten Wirkungsspanne.

Reversible Wirkungen am Auge : Siehe „Augenreizung“.

Schwere Augenschädigung : Erzeugen von Gewebeschäden im Auge oder eine schwerwiegende Verschlechterung des Sehvermögens nach Applikation einer Prüfchemikalie auf die Oberfläche des Auges, die innerhalb von 21 Tagen nach der Applikation nicht vollständig reversibel sind. Austauschbar mit „Irreversible Wirkungen am Auge“ und mit der „UN-GHS-Kategorie 1“ (4).

Stoff : Chemische Elemente und ihre Verbindungen in natürlicher Form oder durch ein Produktionsverfahren hergestellt, einschließlich der zur Wahrung der Produktstabilität notwendigen Zusatzstoffe und der bei der Herstellung entstehenden Verunreinigungen, mit Ausnahme von Lösungsmitteln, die von dem Stoff ohne Beeinträchtigung seiner Stabilität und ohne Änderung seiner Zusammensetzung abgetrennt werden können (4).

Tensid : Auch als oberflächenaktiver Stoff bezeichnet. Hierbei handelt es sich um Stoffe, wie waschaktive Substanzen (Detergenzien), die die Oberflächenspannung einer Flüssigkeit herabsetzen und so die Bildung von Schaum oder das Eindringen in feste Stoffe ermöglichen; auch bekannt als Netzmittel.

Tensidhaltiges Gemisch : Im Kontext dieser Prüfmethode ein Gemisch mit einem oder mehreren Tensiden in einer Endkonzentration von > 5 %.

Top-Down-Ansatz : Schrittweiser Ansatz für eine Chemikalie, von der vermutet wird, dass sie schwere Augenschäden verursacht. Dabei werden zuerst Chemikalien, die schwere Augenschäden verursachen (positives Ergebnis), von anderen Chemikalien (negatives Ergebnis) unterschieden.

UN-GHS-Kategorie 1 : Siehe „Schwere Augenschädigung“

UN-GHS-Kategorie 2 : Siehe „Augenreizung“.

Validierte Prüfmethode : Eine Prüfmethode, für die zwecks Bestimmung ihrer Relevanz (einschließlich Genauigkeit) und Zuverlässigkeit für einen bestimmten Zweck Validierungsstudien abgeschlossen wurden. Es wird darauf hingewiesen, dass eine validierte Prüfmethode möglicherweise nicht genau und zuverlässig genug ist, um für den vorgeschlagenen Zweck akzeptiert zu werden.

Zuverlässigkeit : Maß der Reproduzierbarkeit einer Prüfmethode innerhalb von und zwischen Laboratorien über einen längeren Zeitraum und bei einheitlichem Protokoll. Die Zuverlässigkeit wird durch Berechnung der Intra- und Interlabor-Reproduzierbarkeit und Intralabor-Wiederholbarkeit bewertet.

Anlage 2

VORHERSAGEFÄHIGKEIT DER BCOP-PRÜFMETHODE



Tabelle 1

Vorhersagefähigkeit der BCOP-Prüfmethode für die Ermittlung von Chemikalien, die schwere Augenschäden verursachen ([UN-GHS/EU-CLP Kategorie 1 vs. nicht Kategorie 1 (Kategorie 2 + Keine Einstufung); US-EPA-Kategorie I vs. nicht Kategorie I (Kategorie II + Kategorie III + Kategorie IV)]

Klassifizierungssystem

Nr.

Genauigkeit

Empfindlichkeit

Falsche Negative

Spezifität

Falsche Positive

%

Nr.

%

Nr.

%

Nr.

%

Nr.

%

Nr.

UN-GHS

EU-CLP

191

78,53

150/191

86,15

56/65

13,85

9/65

74,60

94/126

25,40

32/126

US-EPA

190

78,95

150/190

85,71

54/63

14,29

9/63

75,59

96/127

24,41

31/127



Tabelle 2

Vorhersagefähigkeit der BCOP-Prüfmethode für die Ermittlung von Chemikalien, die keine Einstufung als augenreizend oder schwer augenschädigend erfordern („Stoffe ohne Reizwirkung“) [UN-GHS/EU-CLP Keine Einstufung vs. nicht Keine Einstufung (Kategorie 1 + Kategorie 2); US-EPA-Kategorie IV vs. nicht Kategorie IV (Kategorie I + Kategorie II + Kategorie III)]

Klassifizierungssystem

Nr.

Genauigkeit

Empfindlichkeit

Falsche Negative

Spezifität

Falsche Positive

%

Nr.

%

Nr.

%

Nr.

%

Nr.

%

Nr.

UN-GHS

EU-CLP

196

68,88

135/196

100

107/107

0

0/107

31,46

28/89

68,54

61/89

US-EPA

190

82,11

156/190

93,15

136/146

6,85

10/146

45,45

20/44

54,55

24/44

Anlage 3

LEISTUNGSCHEMIKALIEN FÜR DIE BCOP-PRÜFMETHODE

Vor der routinemäßigen Anwendung dieser Prüfmethode sollten Laboratorien ihre technische Kompetenz nachweisen, indem sie die 13 in Tabelle 1 empfohlenen Chemikalien in die richtige Augengefährdungsklasse einstufen. Die Chemikalien wurden so ausgewählt, dass sie die Bandbreite von Augengefährdungen repräsentieren, die auf den Ergebnissen des In-vivo-Kaninchenaugentests (TG 405) (17) und dem UN-GHS-Klassifizierungssystem (d. h. den Kategorien 1, 2A, 2B oder „Nicht eingestuft“) basieren (4). Weitere Auswahlkriterien betrafen die Erhältlichkeit der Chemikalien im Handel, die Verfügbarkeit hochwertiger In-vivo-Referenzdaten und das Vorhandensein hochwertiger In-vitro-Daten aus der BCOP-Prüfmethode. Referenzdaten können aus dem Streamlined Summary Document (3) und den Background Review Documents des ICCVAM für die BCOP-Prüfmethode bezogen werden (2) (18).



Tabelle 1

Empfohlene Chemikalien für den Nachweis der technischen Kompetenz von Laboratorien zur Durchführung des BCOP-Tests

Chemikalie

CAS-Nr.

Chemikalienklasse (1)

Physikalischer Zustand

In Vivo-Klassifizierung (2)

BCOP-Klassifizierung

Benzalkoniumchlorid (5 %)

8001-54-5

Oniumverbindung

flüssig

Kategorie 1

Kategorie 1

Chlorhexidin

55-56-1

Amin, Amidin

fest

Kategorie 1

Kategorie 1

Dibenzoyl-D-Weinsäure

2743-38-6

Carbonsäure, Ester

fest

Kategorie 1

Kategorie 1

Imidazol

288-32-4

heterocyclisch

fest

Kategorie 1

Kategorie 1

Trichloressigsäure (30 %)

76-03-9

Carbonsäure

flüssig

Kategorie 1

Kategorie 1

2,6-Dichlorbenzoyl-chlorid

4659-45-4

Acylhalogenid

flüssig

Kategorie 2A

Keine genaue/zuverlässige Vorhersage möglich

Ethyl-2-methylaceto-acetat

609-14-3

Ketone, Ester

flüssig

Kategorie 2B

Keine genaue/zuverlässige Vorhersage möglich

Ammoniumnitrat

6484-52-2

Anorganisches Salz

fest

Kategorie 2 (3)

Keine genaue/zuverlässige Vorhersage möglich

EDTA (Ethylendiamintetraessigsäure), Di-Kaliumsalz

25102-12-9

Amin, Carbonsäure (Salz)

fest

Nicht eingestuft

Nicht eingestuft

Tween 20

9005-64-5

Ester, Polyether

flüssig

Nicht eingestuft

Nicht eingestuft

2-Mercaptopyrimidin

1450-85-7

Acylhalogenid

fest

Nicht eingestuft

Nicht eingestuft

Phenylbutazon

50-33-9

heterocyclisch

fest

Nicht eingestuft

Nicht eingestuft

Polyoxyethylen-23-laurylether (BRIJ-35) (10 %)

9002-92-0

Alkohol

flüssig

Nicht eingestuft

Nicht eingestuft

(1)   Jede Prüfchemikalie wurde anhand einer Standard-Klassifizierungsregelung auf Basis des Klassifizierungssystems der National Library of Medicine Medical Subject Headings (MeSH) einer Chemikalienklasse zugeordnet (verfügbar unter http//www.nlm.nih.gov/mesh).

(2)   Gestützt auf Ergebnisse aus dem In-vivo-Kaninchenaugentest (OECD TG 405) (17) unter Verwendung des UN-GHS (4).

(3)   Die Einstufung in die Kategorie 2A oder 2B ist von der Auswertung der Kriterien des UN-GHS zur Unterscheidung zwischen diesen beiden Kategorien abhängig, d. h. für eine Einstufung in die Kategorie 2A müssen an 1 von 3 gegenüber 2 von 3 Tieren Wirkungen an Tag 7 beobachtet werden. Die In-vivo-Studie umfasste drei Tiere. Alle Endpunkte mit Ausnahme einer Bindehautrötung bei einem Tier, gingen bis Tag 7 oder früher auf einen Wert von null zurück. Das eine Tier, das sich bis Tag 7 nicht vollständig regeneriert hatte, wies (an Tag 7) einen Bindehautrötungswert von 1 auf, der an Tag 10 ganz zurückging.

Abkürzungen: CAS-Nr. = Registernummer des Chemical Abstracts Service

Anlage 4

BCOP-HORNHAUTHALTER

BCOP-Hornhauthalter sind aus einem trägen Material (z. B. Polypropylen) gefertigt. Sie bestehen aus zwei Hälften (einer Vorder- und einer Hinterkammer) sowie zwei identischen zylindrischen Innenkammern. Jede Kammer hat ein Fassungsvermögen von ca. 5 ml und schließt mit einer Glasscheibe ab, durch die die Trübungsmesswerte abgelesen werden. Jede Innenkammer hat einen Durchmesser von 1,7 cm und ist 2,2 cm tief ( 33 ). Ein auf der Hinterkammer positionierter Dichtungsring verhindert Leckagen. Die Hornhäute werden mit der Endothel-Seite nach unten auf den Dichtungsring der Hinterkammern platziert, während die Vorderkammern auf die Epithel-Seite der Hornhäute gesetzt werden. Die Kammern werden mit drei Schrauben aus rostfreiem Stahl an den Außenkanten der Kammer fixiert. Jede Kammer schließt mit einer Glasscheibe ab, die für den leichten Zugang zur Hornhaut abgenommen werden kann. Um Leckagen zu verhindern, befindet sich zwischen Glasscheibe und Kammer ein weiterer Dichtungsring. Zwei Öffnungen auf der Oberseite jeder Kammer gestatten den Ein- und Auslass des Mediums und der Prüfchemikalien. Sie werden während der Behandlung und der Inkubation mit Gummistöpseln verschlossen. Die Lichtübertragung durch die Hornhauthalter kann sich potenziell verändern, da Lichtstreuung oder Reflexion durch Abnutzung oder Ablagerung bestimmter chemischer Rückstände an den Bohrungen der Innenkammer oder an der Glasscheibe beeinflusst werden können. Dies könnte höhere oder niedrigere Referenzwerte für die Lichtübertragung durch die Hornhauthalter (und umgekehrt niedrigere oder höhere Referenztrübungswerte) zur Folge haben und sich als deutliche Veränderungen bei den erwarteten ersten Referenzmessungen der Hornhauttrübung in den einzelnen Kammern bemerkbar machen (d. h. die anfänglichen Hornhauttrübungswerte bei spezifischen einzelnen Hornhauthaltern können regelmäßig um mehr als zwei oder drei Trübungseinheiten von den erwarten Referenzwerten abweichen). Jedes Labor sollte in Erwägung ziehen, ein Programm zur Evaluierung der Veränderungen der Lichtübertragung durch die Hornhauthalter einzurichten, das die Art der geprüften Chemikalien und die Häufigkeit des Gebrauchs der Kammern berücksichtigt. Zur Festlegung von Referenzwerten können die Hornhauthalter vor dem regelmäßigen Einsatz durch Messung der Referenztrübungswerte (oder Lichtübertragung) der vollständig mit dem Medium gefüllten Kammern, ohne Hornhäute, geprüft werden. Anschließend werden die Hornhauthalter während ihres Einsatzes in regelmäßigen Abständen auf Veränderungen der Lichtübertragung kontrolliert. Jedes Labor kann die Häufigkeit der Kontrollen der Hornhauthalter abhängig von der Art der geprüften Chemikalien, der Häufigkeit des Gebrauchs und der beobachteten Veränderungen der Referenzwerte für die Hornhauttrübung festlegen. Werden deutliche Veränderungen in der Lichtübertragung durch die Hornhauthalter festgestellt, sind eine Reinigung und/oder Polierung der Innenfläche der Hornhauthalter mit geeigneten Verfahren oder ein Austausch in Betracht zu ziehen.

Hornhauthalter: Explosionsdarstellung

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Anlage 5

OPAZIMETER

Der Opazimeter ist ein Gerät zur Messung der Lichtübertragung. Bei dem zur Validierung des BCOP-Tests verwendeten Gerät OP-KIT von Electro Design (Riom, Frankreich) wird beispielsweise Licht aus einer Halogenleuchte durch eine Kontrollkammer (leere Kammer ohne Fenster oder Flüssigkeit) zu einer Fotozelle geleitet und mit dem Lichtstrahl verglichen, der durch die Versuchskammer, welche die Kammer mit der Hornhaut enthält, zu einer Fotozelle geleitet wird. Der Unterschied bei der Lichtübertragung aus den Fotozellen wird errechnet und als numerischer Trübungswert digital angezeigt. Die Trübungseinheiten sind vorgegeben. Andere Arten von Opazimetern mit einem anderen Aufbau (bei denen z. B. keine parallelen Messungen der Kontrollkammer und Versuchskammer erforderlich sind) können verwendet werden, wenn sie nachweislich ähnliche Ergebnisse wie das validierte Gerät liefern.

Der Opazimeter sollte eine lineare Reaktion innerhalb eines Bereichs von Trübungsmesswerten ergeben, der den Schwellenwerten für die vom Vorhersagemodell beschriebenen unterschiedlichen Klassifizierungen (d. h. bis zu dem Schwellenwert, der die verätzende/stark reizende Wirkung bestimmt) Rechnung trägt. Um lineare und akkurate Messwerte bis zu 75-80 Trübungseinheiten zu gewährleisten, muss der Opazimeter mit einer Reihe von Kalibratoren geeicht werden. Die Kalibratoren werden in die Kalibrierkammer (eine für die Aufnahme der Kalibratoren konzipierte Hornhautkammer) platziert und auf dem Opazimeter abgelesen. Die Kalibrierkammer ist derart konzipiert, dass die Kalibratoren in ungefähr demselben Abstand zu Lichtquelle und Fotozelle gehalten werden, in dem sich die Hornhäute bei der Trübungsmessung befinden würden. Die Referenzwerte und der anfängliche Sollwert sind von der Art des verwendeten Geräts abhängig. Die Linearität der Trübungsmessungen sollte durch geeignete (instrumentspezifische) Verfahren sichergestellt werden. Beim Gerät OP-KIT von Electro Design (Riom, Frankreich) wird der Opazimeter beispielsweise zunächst auf null Trübungseinheiten geeicht, wobei die Kalibrierkammer ohne Kalibrator verwendet wird. Anschließend werden nacheinander drei unterschiedliche Kalibratoren in die Kalibrierkammer gesetzt, und die Trübungswerte werden gelesen. Die Kalibratoren 1, 2 und 3 sollten Trübungswerte ergeben, die ihren eingestellten Werten von 75, 150 bzw. 225 Trübungseinheiten ± 5 % entsprechen.

B.48.   TEST AM ISOLIERTEN HÜHNERAUGE ZUR IDENTIFIZIERUNG VON I) CHEMIKALIEN, DIE SCHWERE AUGENSCHÄDEN VERURSACHEN, UND II) CHEMIKALIEN, DIE KEINE EINSTUFUNG ALS AUGENREIZEND ODER SCHWER AUGENSCHÄDIGEND ERFORDERN

EINLEITUNG

Diese Prüfmethode entspricht der OECD-Prüfrichtlinie 438 (2013). Der Test am isolierten Hühnerauge (Isolated Chicken Eye, ICE) wurde vom Organisationsübergreifenden Koordinationsausschuss zur Validierung alternativer Methoden (Interagency Coordinating Committee on the Validation of Alternative Methods, ICCVAM) unter Mitwirkung des Europäischen Zentrums zur Validierung alternativer Methoden (European Centre for the Validation of Alternative Methods, ECVAM) und des Japanischen Zentrums zur Validierung alternativer Methoden (Japanese Centre for the Validation of Alternative Methods, JaCVAM) in den Jahren 2006 und 2010 evaluiert (1) (2) (3). Bei der ersten Evaluierung wurde der ICE-Test als wissenschaftlich fundierte Prüfmethode für den Einsatz als Screening-Test zur Identifizierung von Chemikalien (Stoffen und Gemischen), die schwere Augenschäden (Kategorie 1) gemäß Definition im Globalen Harmonisierten System zur Einstufung und Kennzeichnung von Chemikalien (GHS) der Vereinten Nationen (UN) (1) (2) (4) und der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen ( 34 ) verursachen, anerkannt. Bei der zweiten Evaluierung wurde der ICE-Test im Hinblick auf seine Eignung als Screening-Test zur Identifizierung von Chemikalien, die nicht als augenreizend oder schwer augenschädigend gemäß UN-GHS einzustufen sind, beurteilt (3) (4). Die Ergebnisse der Validierungsstudie und die Empfehlungen der Peer-Review-Gruppe bestätigten die ursprüngliche Empfehlung, den ICE-Test für die Einstufung von schwer augenschädigenden Chemikalien (UN-GHS-Kategorie 1) zu verwenden, da sich die verfügbare Datenbank seit der ursprünglichen Validierung des ICCVAM nicht geändert hat. In jener Phase wurden keine weiteren Empfehlungen für eine Erweiterung des Anwendungsbereichs des ICE-Tests auch auf andere Kategorien ausgesprochen. Es wurde eine Neubewertung des in der Validierungsstudie verwendeten In-Vitro- und In-vivo--Datensatzes durchgeführt. Der Schwerpunkt lag dabei auf der Evaluierung der Zweckmäßigkeit des ICE-Tests für die Identifizierung von Chemikalien, die keine Einstufung als augenreizend oder schwer augenschädigend (5) erfordern. Die Neubewertung führte zu dem Ergebnis, dass der ICE-Test auch verwendet werden kann, um Chemikalien zu identifizieren, die keine Einstufung als augenreizend oder schwer augenschädigend gemäß UN-GHS (4) (5) erfordern. Diese Prüfmethode berücksichtigt die empfohlenen Einsatzbereiche und Einsatzgrenzen des ICE-Tests auf Grundlage dieser Evaluierungen. Die Hauptunterschiede zwischen der ursprünglichen Fassung der OECD-Prüflinie aus dem Jahr 2009 und der aktualisierten Fassung von 2013 sind u. a. die Verwendung des ICE-Tests zur Identifizierung von Chemikalien, die keine Einstufung nach dem UN-GHS-Klassifizierungssystem erfordern, eine Aktualisierung der Elemente des Prüfberichts, eine Aktualisierung der Definitionen in Anlage 1 sowie eine Aktualisierung der Leistungschemikalien in Anlage 2.

Gegenwärtig herrscht allgemeiner Konsens darüber, dass der In-vivo-Draize-Augentest in absehbarer Zukunft nicht durch einen einzigen In-vitro-Augenreizungstest ersetzt werden kann, der in der Lage ist, das gesamte Spektrum an Augenreizungen für verschiedene Chemikalienklassen vorherzusagen. Unter Umständen ist es jedoch möglich, den Draize-Augentest durch strategische Kombinationen mehrerer alternativer Prüfmethoden im Rahmen einer (gestuften) Prüfstrategie zu ersetzen (6). Der Top-Down-Ansatz (7) wird verwendet, wenn auf Basis der vorliegenden Informationen davon auszugehen ist, dass eine Chemikalie ein hohes Reizpotenzial aufweist. Umgekehrt wird der Bottom-Up-Ansatz (7) verwendet, wenn auf Basis der vorliegenden Informationen davon auszugehen ist, dass eine Chemikalie keine ausreichende Augenreizung für eine Einstufung hervorruft. Der ICE-Test ist eine In-vitro-Prüfmethode, die unter bestimmten Bedingungen und mit bestimmten Grenzen, wie unter den Nummern 8 bis 10 erläutert, zur Einstufung und Kennzeichnung von Chemikalien mit augengefährdender Wirkung angewendet werden kann. Auch wenn der Test den In-vivo-Kaninchenaugentest nicht absolut ersetzen kann, wird der ICE-Test als erster Schritt im Rahmen einer Prüfstrategie wie des von Scott et al. vorgeschlagenen Top-Down-Ansatzes (7) empfohlen, um ohne weitere Tests (4) schwer augenschädigende Chemikalien, d. h. Chemikalien, die in die UN-GHS-Kategorie 1 einzustufen sind, zu identifizieren. Der ICE-Test wird auch für die Identifizierung von Chemikalien empfohlen, die keine Einstufung als augenreizend oder schwer augenschädigend gemäß UN-GHS (Keine Einstufung (No Category), NC) (4) erfordern, und kann daher als erster Schritt im Rahmen einer Prüfstrategie mit Bottom-up-Ansatz verwendet werden (7). Im Falle einer Chemikalie, bei der mit dem ICE-Test nicht vorhergesagt werden kann, dass sie schwere Augenschäden verursacht oder keine Einstufung als augenreizend/schwer augenschädigend erfordert, müssten jedoch weitere Tests (in vitro und/oder in vivo) durchgeführt werden, um eine eindeutige Einstufung festzulegen. Außerdem sollten die zuständigen Regulierungsbehörden konsultiert werden, bevor der ICE-Test in einem Bottom-Up-Ansatz unter einer anderen Klassifizierungsregelung als dem UN-GHS angewendet wird.

Diese Prüfmethode beschreibt die Verfahrensschritte für die Beurteilung des augengefährdenden Potenzials einer Prüfchemikalie, gemessen als ihre Fähigkeit, im isolierten Hühnerauge eine toxische Wirkung hervorzurufen oder nicht. Toxische Wirkungen auf die Hornhaut werden gemessen durch i) qualitative Bewertung der Trübung, ii) qualitative Bewertung der Schädigung der Epithel-Zellschicht durch Applikation von Fluorescein auf das Auge (Fluorescein-Verfärbung), iii) quantitative Messung verstärkter Dicke (Schwellung) und iv) qualitative Beurteilung makroskopischer morphologischer Oberflächenschädigungen. Hornhauttrübungen, Hornhautschwellungen und Hornhautschädigungen nach Applikation einer Prüfchemikalie werden zunächst einzeln bewertet und anschließend zwecks Klassifizierung des Augenreizwertes (Eye Irritancy Classification) kombiniert.

Definitionen sind Anlage 1 zu entnehmen.

VORBEMERKUNGEN UND EINSATZGRENZEN

Diese Prüfmethode basiert auf dem im OECD Guidance Document 160 (8) empfohlenen Protokoll, das im Anschluss an eine internationale Validierungsstudie des ICCVAM (1) (3) (9) und unter Mitwirkung des Europäischen Zentrums zur Validierung alternativer Methoden (European Centre for the Validation of Alternative Methods), des Japanischen Zentrums zur Validierung alternativer Methoden (Japanese Center for the Validation of Alternative Methods) und der Abteilung Toxikologie und angewandte Pharmakologie des niederländischen Forschungsinstituts TNO Quality of Life entwickelt wurde. Das Protokoll beruht auf Informationen aus veröffentlichten Protokollen und auf dem von TNO derzeit verwendeten Protokoll (10) (11) (12) (13) (14).

Bei der dieser Prüfmethode zugrunde liegenden Validierung wurde ein breites Spektrum von Chemikalien getestet. Die empirische Datenbank der Validierungsstudie umfasste 152 Chemikalien (72 Stoffe und 80 Gemische) (5). Die Prüfmethode ist auf Feststoffe, Flüssigkeiten, Emulsionen und Gele anwendbar. Die Flüssigkeiten können wässrig oder nichtwässrig, die Feststoffe wasserlöslich oder wasserunlöslich sein. Gase und Aerosole wurden in einer Validierungsstudie bisher noch nicht bewertet.

Der ICE-Test kann zur Identifizierung von schwer augenschädigenden Chemikalien, d. h. Chemikalien, die in die UN-GHS-Kategorie 1 (4) einzustufen sind, angewendet werden. In diesem Anwendungsbereich beruhen die anerkannten Einsatzgrenzen des ICE-Tests auf den hohen Falsch-Positiv-Raten für Alkohole und den hohen Falsch-Negativ-Raten für Feststoffe und Tenside (1) (3) (9). Die Falsch-Negativ-Raten sind in diesem Kontext (UN-GHS-Kategorie 1 wird als nicht UN-GHS-Kategorie 1 erkannt) jedoch nicht maßgeblich, da alle Prüfchemikalien mit negativem Ergebnis anschließend im Rahmen anderer angemessen validierter In-vitro-Tests oder als letzte Möglichkeit — je nach Vorschriften — an Kaninchen anhand einer sequenziellen Prüfstrategie mit einem evidenzbasierten Bewertungsansatz (weight-of-evidence approach) geprüft werden. Es ist zu beachten, dass Feststoffe beim In-vivo-Draize-Augenreizungstest zu variablen und extremen Expositionsbedingungen führen können, aus denen sich möglicherweise irrelevante Vorhersagen über das tatsächliche Reizungspotenzial ableiten (15). Prüfer können diese Prüfmethode jedoch für alle Arten von Chemikalien einsetzen und ein Positivergebnis als Indikator für eine schwer augenschädigende Wirkung, d. h. eine Einstufung in UN-GHS-Kategorie 1, ohne weitere Tests akzeptieren. Positivergebnisse bei Verwendung von Alkohol sollten angesichts des Risikos von Falsch-Positiv-Prognosen (over-prediction) jedoch mit einer gewissen Zurückhaltung interpretiert werden.

Gemessen an Daten aus In-vivo-Kaninchenaugentests, die nach dem UN-GHS-Klassifizierungssystem eingestuft wurden, weist der ICE-Test hinsichtlich der Identifizierung von Chemikalien mit schwer augenschädigender Wirkung (UN-GHS-Kategorie 1) eine allgemeine Genauigkeit von 86 % (120/140), eine Falsch-Positiv-Rate von 6 % (7/113) und eine Falsch-Negativ-Rate von 48 % (13/27) auf (4) (5).

Der ICE-Test kann auch zur Identifizierung von Chemikalien angewendet werden, die keine Einstufung als augenreizend oder schwer augenschädigend gemäß dem UN-GHS-Klassifizierungssystem erfordern (4). Bevor der ICE-Test in einem Bottom-Up-Ansatz unter einer anderen Klassifizierungsregelung angewendet wird, sollten die zuständigen Regulierungsbehörden konsultiert werden. Diese Prüfmethode kann für alle Arten von Chemikalien eingesetzt werden, wobei ein Negativergebnis als Indikator für die Nichteinstufung einer Chemikalie als augenreizend oder schwer augenschädigend akzeptiert werden könnte. Auf der Basis eines Ergebnisses aus der Validierungsdatenbank besteht bei Bewuchsschutzfarben mit organischen Lösungsmitteln jedoch das Risiko von Falsch-Negativ-Prognosen (under-prediction) (5).

Gemessen an Daten aus In-vivo-Kaninchenaugentests, die nach dem UN-GHS-Klassifizierungssystem eingestuft wurden, weist der ICE-Test hinsichtlich der Identifizierung von Chemikalien, die keine Einstufung als augenreizend oder schwer augenschädigend erfordern, eine allgemeine Genauigkeit von 82 % (125/152), eine Falsch-Positiv-Rate von 33 % (26/79) und eine Falsch-Negativ-Rate von 1 % (1/73) auf (4) (5). Werden Stoffe einer bestimmten Chemikalienklasse (d. h. Bewuchsschutzfarben mit organischen Lösungsmitteln) aus der Datenbank ausgeschlossen, so liegt die Genauigkeit des ICE-Tests gemessen am UN-GHS-Klassifizierungssystem bei 83 % (123/149), die Falsch-Positiv-Rate bei 33 % (26/78) und die Falsch-Negativ-Rate bei 0 % (0/71) (4) (5).

Aufgrund der beträchtlichen Anzahl von Chemikalien der UN-GHS-Kategorie 1, die zu niedrig in die UN-GHS-Kategorien 2, 2A oder 2B eingestuft sind, und von Chemikalien, die keine Einstufung erfordern, jedoch zu hoch in die UN-GHS-Kategorien 2, 2A oder 2B eingestuft sind, wird der ICE-Test nicht für die Identifizierung von Prüfchemikalien empfohlen, die als augenreizend (d. h. UN-GHS-Kategorie 2 oder Kategorie 2A) oder leicht augenreizend (UN-GHS-Kategorie 2B) eingestuft werden sollten. Diesbezüglich können weitere Tests mit einer anderen geeigneten Methode erforderlich sein.

Bei allen Verfahren, die Hühneraugen involvieren, sind die geltenden Regeln und Verfahrensvorschriften der Prüfanstalt für den Umgang mit Human- bzw. Tiermaterial (u. a. Gewebe und Gewebeflüssigkeiten) einzuhalten. Universelle Laborregeln sollten beachtet werden (16).

Die im Kaninchenaugentest evaluierten Bindehaut- und Irisverletzungen werden beim ICE-Test zwar außer Acht gelassen, doch werden bei der Prüfmethode Auswirkungen auf die Hornhaut berücksichtigt, die wesentliche Einflussfaktoren für die In-vivo-Klassifizierung nach dem UN-GHS-Klassifizierungssystem bilden. Auch wurde — obwohl sich die Reversibilität von Hornhautläsionen per se mit dem ICE-Test nicht beurteilen lässt — ausgehend von Kaninchenaugenstudien vorgeschlagen, dass eine Bewertung der anfänglichen Tiefe der Hornhautverletzung herangezogen werden kann, um einige Arten irreversibler Wirkungen zu identifizieren (17). Insbesondere sind weitere wissenschaftliche Erkenntnisse erforderlich, um zu verstehen, wie irreversible Wirkungen auftreten, die nicht mit einer anfänglichen starken Verletzung im Zusammenhang stehen. Schließlich sei auch erwähnt, dass das Potenzial für eine mit der Augenexposition verbundene systemische Toxizität mit der ICE-Methode nicht bewertet werden kann.

Diese Prüfmethode wird regelmäßig aktualisiert, um neue Informationen und Daten zu berücksichtigen. Beispielsweise können histopathologische Befunde potenziell nützlich sein, wenn eine umfassendere Charakterisierung der Hornhautschädigung erforderlich ist. Zur Evaluierung dieser Möglichkeit sollten Anwender die Augen aufbewahren und histopathologische Proben zubereiten, die zum Aufbau einer Datenbank und zur Entwicklung von Entscheidungskriterien herangezogen werden können, mit denen sich die Genauigkeit dieser Prüfmethode weiter verbessern lässt. Die OECD hat einen Leitfaden (Guidance Document) für die Anwendung von Prüfmethoden zur Untersuchung der okularen Toxizität erarbeitet. Dieser enthält ausführliche Verfahrensanweisungen für die Entnahme histopathologischer Proben und Angaben darüber, wo die Proben und/oder histopathologischen Daten einzureichen sind (8).

Laboratorien, die diese Prüfmethode erstmals anwenden, sollten die in Anlage 2 genannten Leistungschemikalien verwenden. Laboratorien können diese Chemikalien verwenden, um ihre technische Kompetenz zur Durchführung des ICE-Tests nachzuweisen, bevor sie ICE-Testdaten zum Zwecke der vorschriftsmäßigen Gefahrenklassifizierung einreichen.

TESTPRINZIP

Die ICE-Prüfmethode ist ein organtypisches Modell, das die Zellstruktur des Hühnerauges in vitro kurzfristig funktionsfähig hält. Bei dieser Prüfmethode werden durch die Prüfchemikalie hervorgerufene Schäden als Hornhautschwellungen, Hornhauttrübung und korneale Fluorescein-Verfärbung festgestellt. Während die beiden letztgenannten Parameter eine qualitative Bewertung erfordern, muss die Hornhautschwellung quantitativ bestimmt werden. Jedes Messergebnis wird entweder in einen quantitativen Wert umgerechnet, der seinerseits für die Berechnung eines Gesamtreizindexes (Overall Irritancy Index) zugrunde gelegt wird, oder einer Qualitätskategorie zugeordnet, die wiederum für die Einordnung in Klassen für Chemikalien mit in vitro augengefährdender Wirkung (UN-GHS-Kategorie 1 oder keine Einstufung nach UN-GHS) herangezogen wird. Jedes dieser Ergebnisse kann dann verwendet werden, um das Potenzial einer Prüfchemikalie, in vivo schwere Augenschäden hervorzurufen oder keine Einstufung als augengefährdend zu erfordern, vorherzusagen (siehe Entscheidungskriterien). Allerdings ist keine Einstufung bei Chemikalien möglich, bei denen mit dem ICE-Test nicht vorhergesagt wird, dass sie schwere Augenschäden verursachen oder nicht einzustufen sind (siehe Nummer 11).

Bezugsquelle und Alter der Hühneraugen

Traditionell werden für diesen Test Augen von Hühnern verwendet, die in einer Schlächterei für den menschlichen Verzehr geschlachtet wurden; auf diese Weise wird der Einsatz von Versuchstieren vermieden. Nur Augen von gesunden Tieren, die als für die Nahrungskette geeignet angesehen werden, dürfen verwendet werden.

Es wurde keine kontrollierte Studie zur Bestimmung des optimalen Alters der Hühner durchgeführt, doch werden für diesen Test bisher Hühner verwendet, bei denen es sich nach Alter und Gewicht um Junghühner handelt (d. h. Hühner im Alter von ungefähr sieben Wochen mit einem Gewicht von 1,5 bis 2,5 kg), die in der Regel in einer Geflügelschlächterei geschlachtet werden.

Gewinnung und Beförderung der Augen zum Labor

Die Köpfe sollten unmittelbar nach dem Betäuben der Tiere, normalerweise durch Elektroschock, und nach dem Entbluten durch Nackenstich abgesetzt werden. Sie sollten aus einer in Nähe des Labors gelegenen Quelle bezogen werden, um die Köpfe möglichst schnell vom Schlachthof zum Labor befördern zu können, damit sich ihr Zustand nicht verschlechtert und/oder Bakterienkontaminationen auf ein Mindestmaß begrenzt werden. Der Zeitabstand zwischen der Gewinnung der Hühnerköpfe und ihrem Einsetzen in die Superfusionskammer nach der Ausschälung muss möglichst gering sein (d. h. höchstens zwei Stunden betragen), damit die Akzeptanzkriterien des Tests erfüllt werden. Alle für die Prüfung verwendeten Augen sollten aus einer an ein und demselben Tag gewonnenen Partie Augen stammen.

Da die Augen im Labor seziert werden, sind die intakten Köpfe in Kunststoffbehältnissen, die mit Tüchern, welche in isotonischer Kochsalzlösung getränkt wurden, ausgeschlagen sind, und bei Umgebungstemperatur (normalerweise zwischen 18 1 °C und 25 1 °C) vom Schlachthof zum Labor zu befördern.

Auswahlkriterien und Anzahl der Augen, die im ICE-Test eingesetzt werden

Augen mit starker Ausgangs-Fluorescein-Verfärbung (d. h. > 0,5) oder mit starker Hornhauttrübung (d. h. > 0,5) nach der Ausschälung werden verworfen.

Jede Behandlungsgruppe und die gleichzeitige Positivkontrolle umfassen mindestens drei Augen. Die Negativkontrollen bzw. die Lösungsmittelkontrolle (wenn ein anderes Lösungsmittel als Kochsalzlösung verwendet wird) bestehen aus mindestens einem Auge.

Im Fall von Feststoffen mit dem GHS-Ergebnis „Keine Einstufung“ (No Category, NC) wird ein zweiter Durchlauf mit drei Augen empfohlen, um das Negativergebnis zu bestätigen oder zu verwerfen.

VERFAHREN

Vorbereitung der Augen

Die Augenlider werden sorgfältig weggeschnitten, wobei darauf zu achten ist, dass die Hornhaut nicht beschädigt wird. Die Unversehrtheit der Hornhaut wird mithilfe eines Tropfens von 2 %igem (w/v) Natrium-Fluorescein, der für einige Sekunden auf die Hornhautoberfläche appliziert und anschließend mit isotonischer Kochsalzlösung abgespült wird, schnell überprüft. Fluorescein-behandelte Augen werden sodann mit einem Spaltlampenmikroskop auf Hornhautschädigung untersucht (d. h. Fluorescein-Verfärbung und Hornhauttrübungswerte müssen ≤ 0,5 betragen).

Liegt keine Schädigung vor, wird das Auge weiter freigelegt, wobei dafür Sorge zu tragen ist, dass die Hornhaut nicht beschädigt wird. Der Augapfel wird aus der Augenhöhle herausgezogen, indem die Nickhaut mithilfe einer chirurgischen Zange festgehalten und die Augenmuskulatur mit einer gebogenen, stumpfendigen Schere durchtrennt wird. Dieser Schritt ist wichtig, um zu vermeiden, dass die Hornhaut durch übermäßigen Druck geschädigt wird (Kompressionsartefakte).

Beim Herauslösen des Auges aus der Augenhöhle sollte ein sichtbarer Teil des Sehnervs noch anhaften. Das Auge wird anschließend auf eine saugfähige Unterlage gesetzt, und Nickhaut sowie anderes Bindegewebe werden weggeschnitten.

Das auf diese Weise ausgeschälte Auge wird in einer Klemme aus rostfreiem Stahl fixiert, wobei die Hornhaut vertikal positioniert sein muss. Die Klemme wird sodann in eine Kammer des Superfusionsgeräts gesetzt (18). Im Superfusionsgerät sind die Klemmen so zu positionieren, dass die gesamte Hornhaut mit der Kochsalzinfusion (3-4 Tropfen pro Minute bzw. 0,1-0,15 ml/min) versorgt wird. Die Temperatur in den Kammern des Superfusionsgeräts sollte auf 32 ± 1,5oC gehalten werden. Anlage 3 zeigt ein Schaubild eines typischen Superfusionsgeräts mit Augenklemmen; das Gerät ist im Handel fertig oder als Bausatz erhältlich. Es kann den Bedürfnissen des jeweiligen Labors angepasst werden (z. B. um Augen in verschiedener Anzahl aufzunehmen).

Nach dem Einsetzen ins Superfusionsgerät werden die Augen erneut mit einem Spaltlampenmikroskop untersucht, um sicherzustellen, dass sie während des Sezierens nicht beschädigt wurden. Bei dieser Gelegenheit sollte mit dem Pachometeraufsatz des Spaltlampenmikroskops auch die Hornhautdicke im Apex gemessen werden. Augen mit i) einer Fluorescein-Verfärbung von > 0,5, ii) einer Hornhauttrübung von > 0,5 oder iii) etwaigen anderen Anzeichen einer Schädigung sind zu ersetzen. Einzelne Augen, auf die keines der genannten Kriterien zutrifft, werden verworfen, wenn sie eine Hornhautdicke aufweisen, die mehr als 10 % vom mittleren Dickenwert aller Augen zusammengerechnet abweicht. Anwender sollten sich darüber im Klaren sein, dass Spaltlampenmikroskope mit unterschiedlicher Spaltbreiteneinstellung unterschiedliche Dickenmesswerte ergeben können. Die Spaltbreite sollte auf 0,095 mm eingestellt sein.

Sobald alle Augen untersucht und für einwandfrei befunden wurden, werden sie zwecks Äquilibrierung des Testsystems vor Applikation der Prüfchemikalie für ungefähr 45 bis 60 Minuten inkubiert. Nach der Äquilibrierung werden Referenzmessungen von Hornhautdicke und Hornhauttrübung zum Zeitpunkt Null vorgenommen, welche als Referenzszenario dienen (d. h. Zeitpunkt = 0). Der beim Sezieren ermittelte Fluorescein-Wert wird als Referenzmesswert für diesen Endpunkt verwendet.

Applikation der Prüfchemikalie

Unmittelbar nach den Referenzmessungen zum Null-Zeitpunkt wird das Auge (in seiner Halterung) aus dem Superfusionsgerät entnommen und zur Applikation der Prüfchemikalie auf die Hornhaut horizontal positioniert.

Flüssige Prüfchemikalien werden in der Regel unverdünnt getestet, können jedoch verdünnt werden, sofern dies für notwendig gehalten wird (z. B. als Teil des Studienkonzepts). Bevorzugtes Lösungsmittel für verdünnte Prüfchemikalien ist physiologische Kochsalzlösung. Unter kontrollierten Bedingungen können auch alternative Lösungsmittel verwendet werden, deren Eignung jedoch nachzuweisen ist.

Flüssige Prüfchemikalien werden so auf die Hornhaut appliziert, dass die gesamte Hornhautoberfläche gleichmäßig von der Prüfchemikalie bedeckt ist; das Standardvolumen beträgt 0,03 ml.

Feste Prüfchemikalien sollten wenn möglich im Mörser oder mit einem vergleichbaren Zerkleinerungsgerät so fein wie möglich gemahlen werden. Das Pulver wird so auf die Hornhaut appliziert, dass die Oberfläche von der Prüfchemikalie gleichmäßig bedeckt ist; die Standardmenge beträgt 0,03 g.

Die Prüfchemikalie (flüssig oder fest) wird für 10 Sekunden appliziert und anschließend mit isotonischer Kochsalzlösung (ungefähr 20 ml) bei Umgebungstemperatur vom Auge abgespült. Das Auge (in seiner Halterung) wird anschließend wieder in aufrechter Ausgangsstellung in das Superfusionsgerät eingesetzt. Bei Bedarf können nach der 10-sekündlichen Applikation und zu späteren Zeitpunkten (z. B. bei der Feststellung von Rückständen der Prüfchemikalie auf der Hornhaut) weitere Spülungen vorgenommen werden. Im Allgemeinen ist die Menge an Kochsalzlösung, die zusätzlich für die Spülungen verwendet wird, nicht maßgeblich; wichtig ist jedoch die Beobachtung von Anhaftungen der Chemikalie an der Hornhaut.

Kontrollchemikalien

Jeder Versuch sollte gleichzeitige Negativ- oder Lösungsmittel-/Vehikelkontrollen und gleichzeitige Positivkontrollen umfassen.

Beim Prüfen unverdünnter (100 %iger) Flüssigkeiten oder Feststoffe wird als gleichzeitige Negativkontrolle im ICE-Test physiologische Kochsalzlösung verwendet, um unspezifische Veränderungen im Testsystem festzustellen und um sicherzustellen, dass die Testbedingungen keine ungerechtfertigten Reizwirkungen hervorrufen.

Zum Testen verdünnter Flüssigkeiten umfasst der Test auch eine Gruppe gleichzeitiger Lösungsmittel-/Vehikelkontrollen, um unspezifische Veränderungen im Testsystem nachzuweisen und um sicherzustellen, dass die Testbedingungen keine ungerechtfertigten Reizwirkungen hervorrufen. Wie unter Nummer 31 erwähnt, sind nur Lösungsmittel/Vehikel zulässig, die das Testsystem nachweislich nicht beeinträchtigen.

Jeder Versuch umfasst als gleichzeitige Positivkontrolle einen bekannten Augenreizstoff, damit überprüft werden kann, ob eine adäquate Wirkung eintritt. Da der ICE-Test bei dieser Prüfmethode eingesetzt wird, um verätzende oder stark reizende Stoffe zu identifizieren, sollte es sich bei der Positivkontrolle um eine Referenzchemikalie handeln, die bei dieser Prüfmethode eine starke Wirkung hervorruft. Um zu gewährleisten, dass die Veränderlichkeit der Reaktion der Positivkontrolle im Zeitverlauf bewertet werden kann, sollte die Reaktionsstärke jedoch nicht allzu heftig sein. Es sollten genügend In-vitro-Daten für die Positivkontrolle generiert werden, damit eine statistisch vorgegebene vertretbare Spanne für die Positivkontrolle berechnet werden kann. Liegen für eine bestimmte Positivkontrolle keine angemessenen historischen Daten zur ICE-Prüfmethode vor, so können Studien erforderlich werden, um die notwendigen Daten zu generieren.

Beispiele für Positivkontrollen für flüssige Prüfchemikalien sind 10 %ige Essigsäure oder 5 %iges Benzalkoniumchlorid, während für Positivkontrollen für feste Prüfchemikalien Natriumhydroxid oder Imidazol in Frage kommen.

Referenzchemikalien sind nützlich für die Evaluierung des Augenreizpotenzials unbekannter Chemikalien einer bestimmten Chemikalien- oder Produktklasse oder zur Evaluierung des relativen Reizpotenzials eines Augenreizstoffes innerhalb einer spezifischen Spanne von Reizwirkungen.

Gemessene Endpunkte

Behandelte Hornhäute werden vor der Behandlung evaluiert sowie in Abständen von 30, 75, 120, 180 und 240 Minuten (± 5 Minuten) nach dem Abspülen im Anschluss an die Behandlung. Diese Zeitreihe gestattet eine angemessene Anzahl von Messungen während des vierstündigen Behandlungszeitraums und lässt genügend Zeit zwischen den Messungen, um alle Augen vorschriftsgemäß beobachten zu können.

Die evaluierten Endpunkte sind Hornhauttrübung, Hornhautschwellung, Fluorescein-Verfärbung und morphologische Effekte (z. B. durchlöchertes oder abgelöstes Epithel). Alle Endpunkte mit Ausnahme der Fluorescein-Verfärbung (die ausschließlich vor der Behandlung sowie 30 Minuten nach Applikation der Prüfchemikalie ermittelt wird) werden zu jedem der vorgenannten Zeitpunkte bestimmt.

Hornhauttrübung, Fluorescein-Verfärbung, morphologische Effekte und, sofern sie vorliegen, histopathologische Befunde sollten fotografiert werden.

Nach der abschließenden Untersuchung am Ende des vierstündigen Behandlungszeitraums sind die Augen in einer geeigneten Fixierlösung (z. B. neutrales gepuffertes Formalin) aufzubewahren, damit sie gegebenenfalls histopathologisch untersucht werden können (Einzelheiten siehe Nummer 14 und Literaturhinweis (8)).

Hornhautschwellungen werden durch Hornhautdickenmessungen bestimmt, die mit dem optischen Pachometeraufsatz eines Spaltlampenmikroskops vorgenommen werden. Der Schwellungsmesswert wird als Prozentsatz ausgedrückt und auf Basis der Hornhautdickenmesswerte nach folgender Formel berechnet:

image

Für alle getesteten Augen wird die mittlere Hornhautschwellung (in Prozent) für sämtliche Beobachtungszeitpunkte berechnet. Auf Basis des höchsten Mittelwertes für die Hornhautschwellung (beliebiger Beobachtungszeitpunkt) wird anschließend jeder Prüfchemikalie ein Gesamtwert für die Kategorie (overall category score) zugeordnet (siehe Nummer 51).

Die Hornhauttrübung wird anhand der Hornhautfläche bewertet, die am stärksten getrübt ist (siehe Tabelle 1). Für alle getesteten Augen wird der mittlere Trübungswert für jeden Beobachtungszeitpunkt berechnet. Auf Basis des höchsten Mittelwertes für die Hornhauttrübung (beliebiger Beobachtungszeitpunkt) wird anschließend jeder Prüfchemikalie ein Gesamtwert für die Kategorie (overall category score) zugeordnet (siehe Nummer 51).



Tabelle 1

Hornhauttrübungswerte

Wert

Beobachtung

0

keine Trübung

0,5

sehr schwache Trübung

1

gestreute oder diffuse Strukturen; Iris deutlich sichtbar

2

leicht erkennbare lichtdurchlässige Struktur; Iris weniger deutlich sichtbar

3

starke Hornhauttrübung; Einzelheiten der Iris nicht sichtbar; Pupillengröße kaum erkennbar

4

vollständige Trübung/Iris unsichtbar

Die Fluorescein-Verfärbung wird nur für den 30-minütigen Beobachtungszeitpunkt bewertet (siehe Tabelle 2). Anschließend wird für alle getesteten Augen die mittlere Fluorescein-Verfärbung für den 30-minütigen Beobachtungszeitpunkt berechnet und zur Ermittlung des jeder Prüfchemikalie zugeordneten Gesamtwertes für die Kategorie herangezogen (siehe Nummer 51).



Tabelle 2

Fluorescein-Verfärbungswerte

Wert

Beobachtung

0

keine Fluorescein-Verfärbung

0,5

sehr geringfügige Verfärbung einzelner Zellen

1

Verfärbung einzelner Zellen auf der gesamten behandelten Fläche der Hornhaut

2

Punktuelle oder konfluierende dichte Zellverfärbung

3

konfluierende großflächige Fluorescein-Verfärbung der Hornhaut

Morphologische Effekte umfassen „durchlöcherte“ Hornhaut-Epithelzellen, „abgelöste“Epithelzellen, „aufgeraute“ Hornhautoberfläche und „Verklebung“ der Hornhaut mit der Prüfchemikalie. Diese Befunde können unterschiedlich stark ausgeprägt sein und gleichzeitig auftreten. Ihre Einstufung erfolgt subjektiv je nach Auswertung des Prüfers.

DATEN UND BERICHTERSTATTUNG

Datenauswertung

Die Ergebnisse für die Hornhauttrübung, die Hornhautschwellung und die Fluorescein-Verfärbung sind einzeln zu evaluieren, um für jeden Endpunkt eine ICE-Klasse zu generieren. Kombiniert ergeben die ICE-Klassen für die einzelnen Endpunkte eine Reizklasse (Irritancy Classification) für die einzelnen Prüfchemikalien.

Entscheidungskriterien

Nach der Evaluierung jedes Endpunktes können die ICE-Klassen entsprechend einer vorgegebenen Spanne zugeordnet werden. Die Auswertung der Hornhautschwellung (Tabelle 3), der Hornhauttrübung (Tabelle 4) und der Fluorescein-Verfärbung (Tabelle 5) und ihre Einstufung in vier ICE-Klassen erfolgen anhand der nachstehenden Bewertungsskalen. Die Werte für die Hornhautschwellung in Tabelle 3 sind nur gültig, wenn die Dicke mit einem Spaltlampenmikroskop (z. B. Haag-Streit BP900) mit Tiefenmessgerät Nr. 1 und einer Spaltbreiteneinstellung von 9,5 (= 0,095 mm) gemessen wird. Anwender sollten sich darüber im Klaren sein, dass Spaltlampenmikroskope mit unterschiedlicher Spaltbreiteneinstellung unterschiedliche Dickenmesswerte ergeben können.



Tabelle 3

Kriterien für die Einstufung in ICE-Klassen — Hornhautschwellung

Mittlere Hornhautschwellung (in %) (*1)

ICE-Klasse

0 bis 5

I

> 5 bis 12

II

> 12 bis 18 (> 75 Minuten nach der Behandlung)

II

> 12 bis 18 (≤ 75 Minuten nach der Behandlung)

III

> 18 bis 26

III

> 26 bis 32 (> 75 Minuten nach der Behandlung)

III

> 26 bis 32 (≤ 75 Minuten nach der Behandlung)

IV

> 32

IV

(*1)   Höchster Mittelwert für die Hornhauttrübung an einem beliebigen Beobachtungszeitpunkt



Tabelle 4

Kriterien für die Einstufung in ICE-Klassen — Hornhauttrübung

Höchster Mittelwert für die Hornhauttrübung (*1)

ICE-Klasse

0,0-0,5

I

0,6-1,5

II

1,6-2,5

III

2,6-4,0

IV

(*1)   Höchster Mittelwert an einem beliebigen Beobachtungszeitpunkt (auf Basis der Trübungswerte gemäß Tabelle 1).



Tabelle 5

Kriterien für die Einstufung in ICE-Klassen — mittlere Fluorescein-Verfärbung

Mittlere Verfärbung 30 Minuten nach der Behandlung (*1)

ICE-Klasse

0,0-0,5

I

0,6-1,5

II

1,6-2,5

III

2,6-3,0

IV

(*1)   Auf Basis der Werte gemäß Tabelle 2.

Die In-vitro-Klassifizierung einer Prüfchemikalie richtet sich nach der GHS-Klasse, die der Kombination von Kategorien entspricht, die für die Hornhautschwellung, die Hornhauttrübung und die Fluorescein-Verfärbung ermittelt wurden, und wird gemäß Tabelle 6 vorgenommen.



Tabelle 6

In-vitro-Gesamtklassifizierung

UN-GHS-Klassifizierung

Kombinationen der drei Endpunkte

Keine Einstufung

3 × I

2 × I, 1 × II

Keine Vorhersage möglich

Andere Kombinationen

Kategorie 1

3 × IV

2 × IV, 1 × III

2 × IV, 1 × II (*1)

2 × IV, 1 × I (*1)

Hornhauttrübung ≥ 3 nach 30 Min. (bei mindestens zwei Augen)

Hornhauttrübung = 4 zu beliebigem Zeitpunkt (bei mindestens zwei Augen)

starkes Ablösen der Epithel-Zellschicht (bei mindestens einem Auge)

(*1)   weniger gängige Kombinationen.

Studienakzeptanzkriterien

Ein Test gilt als akzeptabel, wenn die gleichzeitigen Negativ- oder Vehikel-/Lösungsmittelkontrollen sowie die gleichzeitigen Positivkontrollen „Keine Einstufung“ nach GHS bzw. GHS-Kategorie 1 ergeben.

Prüfbericht

Der Prüfbericht sollte die folgenden Informationen umfassen, soweit sie für die Studie relevant sind:

Prüfchemikalien und Kontrollchemikalien

 chemische Bezeichnung(en) wie der vom Chemical Abstracts Service (CAS) benutzte strukturelle Name, gefolgt von anderen Bezeichnungen, soweit bekannt;

 CAS-Registrierungsnummer (CAS-Nr.), soweit bekannt;

 Reinheit und Zusammensetzung der Prüfchemikalien/Kontrollchemikalien (in Gewichtsprozent), soweit diesbezügliche Informationen vorliegen;

 physikalisch-chemische Eigenschaften wie physikalischer Zustand, Flüchtigkeit, pH-Wert, Stabilität, Chemikalienklasse, Wasserlöslichkeit, soweit sie für die Studie relevant sind;

 Behandlung der Prüfchemikalien/Kontrollchemikalien vor der Testung, soweit zutreffend (z. B. Erwärmung, Zerkleinerung);

 Stabilität, soweit bekannt.

Informationen zu Auftraggeber und Prüfanstalt

 Name und Anschrift des Auftraggebers, der Prüfanstalt und des Studienleiters;

 Angaben zur Identifizierung der Bezugsquelle der Augen (z. B. Einrichtung, in der sie gewonnen wurden);

Testbedingungen

 Beschreibung des angewandten Testsystems;

 verwendetes Spaltlampenmikroskop (z. B. Modell) und Einstellungen des verwendeten Spaltlampenmikroskops;

 Verweis auf historische Ergebnisse von Negativ- und Positivkontrollen und gegebenenfalls historische Daten, die akzeptable Reihen gleichzeitiger Referenzkontrollen dokumentieren;

 das zur Gewährleistung der Integrität (d. h. Genauigkeit und Zuverlässigkeit) der Prüfmethode im Zeitverlauf angewandte Verfahren (z. B. regelmäßige Testung von Leistungschemikalien).

Gewinnung und Vorbereitung der Augen

 Alter und Gewicht des Spendertieres und, soweit verfügbar, andere spezifische Angaben zu den Tieren, von denen die Augen gewonnen wurden (z. B. Geschlecht, Stamm);

 Lager- und Transportbedingungen der Augen (z. B. Datum und Uhrzeit der Gewinnung der Augen, Zeitabstand zwischen der Gewinnung der Hühnerköpfe und dem Einsetzen der ausgeschälten Augen in die Superfusionskammer);

 Vorbereitung und Einsetzen der Augen, einschließlich Angaben zu ihrer Qualität, zur Temperatur der Augenkammern und zu den Kriterien für die Auswahl der bei den Tests verwendeten Augen.

Testverfahren

 Anzahl der verwendeten Replikate;

 Identität der verwendeten Negativ- und Positivkontrollen (soweit zutreffend, auch der Lösungsmittel- und Referenzkontrollen);

 verwendete Dosis, Applikations- und Expositionsdauer der Prüfchemikalie;

 Beobachtungszeitpunkte (vor und nach der Behandlung);

 Beschreibung der angewandten Bewertungs- und Entscheidungskriterien;

 Beschreibung der angewandten Studienakzeptanzkriterien;

 Beschreibung etwaiger Änderungen am Testverfahren.

Ergebnisse

 tabellarische Aufstellung der Hornhautschwellungs-, Hornhauttrübungs- und Fluorescein-Verfärbungswerte für jedes einzelne Auge und an jedem Beobachtungszeitpunkt, einschließlich der Mittelwerte aller getesteten Augen an jedem Beobachtungszeitpunkt;

 höchster Mittelwert für die Hornhautschwellung, die Hornhauttrübung und die Fluorescein-Verfärbung an einem beliebigen Beobachtungszeitpunkt und die zugehörige ICE-Klasse;

 Beschreibung sonstiger festgestellter Wirkungen;

 die abgeleitete In-vitro-Klassifizierung nach GHS;

 gegebenenfalls Aufnahmen vom Auge.

Erörterung der Ergebnisse

Schlussfolgerung

LITERATURHINWEISE

(1) ICCVAM (2007). Test Method Evaluation ReportIn Vitro Ocular Toxicity Test Methods for Identifying Ocular Severe Irritants and Corrosives. Interagency Coordinating Committee on the Validation of Alternative Methods (ICCVAM) and the National Toxicology Program (NTP) Interagency Center for the Evaluation of Alternative Toxicological Methods (NICEATM). NIH-Veröffentlichung Nr. 07-4517. Verfügbar unter: http://iccvam.niehs.nih.gov/methods/ocutox/ivocutox/ocu_tmer.htm.

(2) ESAC (2007). Statement on the conclusion of the ICCVAM retrospective study on organotypic in vitro assays as screening tests to identify potential ocular corrosives and severe eye irritants. Verfügbar unter: http://ecvam.jrc.it/index.htm.

(3) ICCVAM (2010). ICCVAM Test Method Evaluation ReportCurrent Status of in vitro Test Methods for Identifying Mild/Moderate Ocular Irritants: The Isolated Chicken Eye (ICE) Test Method. Interagency Coordinating Committee on the Validation of Alternative Methods (ICCVAM) and the National Toxicology Program (NTP) Interagency Center for the Evaluation of Alternative Toxicological Methods (NICEATM). NIH-Veröffentlichung Nr. 10-7553A. Verfügbar unter: http://iccvam.niehs.nih.gov/methods/ocutox/MildMod-TMER.htm.

(4) Vereinte Nationen (UN) (2011). Globally Harmonized System of Classification and Labelling of Chemicals (GHS), vierte überarbeitete Ausgabe, UN New York und Genf, 2011. Verfügbar unter: http://www.unece.org/trans/danger/publi/ghs/ghs_rev04/04files_e.html.

(5)  Streamlined Summary Document Supporting OECD Test Guideline 438 on the Isolated Chicken Eye for Eye Irritation/Corrosion. Series on Testing and Assessment Nr. 188 (Part 1 und Part 2), OECD, Paris.

(6) Kapitel B.5 dieser Anlage, Akute Augenreizung/-verätzung.

(7) Scott, L., Eskes, C., Hoffman, S., Adriaens, E., Alepee, N., Bufo, M., Clothier, R., Facchini, D., Faller, C., Guest, R., Hamernik, K., Harbell, J., Hartung, T., Kamp, H., Le Varlet, B., Meloni, M., Mcnamee, P., Osborn, R., Pape, W., Pfannenbecker, U., Prinsen, M., Seaman, C., Spielmann, H., Stokes, W., Trouba, K., Vassallo, M., Van den Berghe, C., Van Goethem, F., Vinardell, P., Zuang, V (2010). A proposed Eye Irritation Testing Strategy to Reduce and Replace in vivo Studies Using Bottom-up and Top-down Approaches. Toxicology in Vitro, 24, 1-9.

(8) OECD (2011). Guidance Document on The Bovine Corneal Opacity and Permeability (BCOP) and Isolated Chicken Eye (ICE) Test Methods: Collection of Tissues for Histological Evaluation and Collection of Data on Non-Severe Irritants. Series on Testing and Assessment, Nr. 160, OECD, Paris.

(9) ICCVAM (2006). Background review document: Current Status of In Vitro Test Methods for Identifying Ocular Corrosives and Severe Irritants: Isolated Chicken Eye Test Method. NIH-Veröffentlichung Nr. 06-4513. Research Triangle Park: National Toxicology Program. Verfügbar unter: http://iccvam.niehs.nih.gov/methods/ocutox/ivocutox/ocu_brd_ice.htm.

(10) Prinsen, M.K. und Koëter, B.W.M. (1993). Justification of the enucleated eye test with eyes of slaughterhouse animals as an alternative to the Draize eye irritation test with rabbits. Fd. Chem. Toxicol. 31:69-76.

(11) DB-ALM (INVITTOX) (2009). Protokoll Nr. 80: Chicken enucleated eye test (CEET) / Isolated Chicken Eye Test, 13pp. Verfügbar unter: http://ecvam-dbalm.jrc.ec.europa.eu/.

(12) Balls, M., Botham, P.A., Bruner, L.H. und Spielmann H. (1995). The EC/HO international validation study on alternatives to the Draize eye irritation test. Toxicol. in Vitro, 9:871-929.

(13) Prinsen, M.K. (1996). The chicken enucleated eye test (CEET): A practical (pre)screen for the assessment of eye irritation/corrosion potential of test materials. Food Chem. Toxicol. 34:291-296.

(14) Chamberlain, M., Gad, S.C., Gautheron, P. und Prinsen, M.K. (1997). IRAG-Arbeitsgruppe I: Organotypic models for the assessment/prediction of ocular irritation. Food Chem. Toxicol. 35:23-37.

(15) Prinsen, M.K. (2006). The Draize Eye Test and in vitro alternatives; a left-handed marriage? Toxicology in Vitro, 20:78-81.

(16) Siegel, J.D., Rhinehart, E., Jackson, M., Chiarello, L. und das Healthcare Infection Control Practices Advisory Committee (2007), Guideline for Isolation Precautions: Preventing Transmission of Infectious Agents in Healthcare Settings. Verfügbar unter: http://www.cdc.gov/ncidod/dhqp/pdf/isolation2007.pdf.

(17) Maurer, J.K., Parker, R.D. und Jester, J.V. (2002). Extent of corneal injury as the mechanistic basis for ocular irritation: key findings and recommendations for the development of alternative assays. Reg. Tox. Pharmacol., 36:106-117.

(18) Burton, A.B.G., M. York und R.S. Lawrence (1981). The in vitro assessment of severe irritants. Fd. Cosmet.- Toxicol., 19:471-480.

Anlage 1

DEFINITIONEN

Augenreizung : Erzeugen von Veränderungen am Auge nach Applikation einer Prüfchemikalie auf die Oberfläche des Auges, die innerhalb von 21 Tagen nach der Applikation vollständig reversibel sind. Austauschbar mit „Reversible Wirkungen am Auge“ und mit der „UN-GHS-Kategorie 2“ (4).

Bottom-Up-Ansatz : Schrittweiser Ansatz für eine Chemikalie, von der vermutet wird, dass sie keine Einstufung als augenreizend oder schwer augenschädigend erfordert. Dabei werden zuerst Chemikalien, die keine Einstufung erfordern (negatives Ergebnis), von anderen Chemikalien (positives Ergebnis) unterschieden.

Chemikalie : Stoff oder Gemisch.

Evidenzbasierte Bewertung : Prüfung der Stärken und Schwächen verschiedener Informationen, um über das Gefahrenpotenzial einer Chemikalie entscheiden zu können und diese Entscheidung zu untermauern.

Falsch-Negativ-Rate : Der Anteil aller positiven Chemikalien, die von einer Prüfmethode fälschlicherweise als negativ identifiziert werden. Sie ist ein Leistungsindikator der Prüfmethode.

Falsch-Positiv-Rate : Der Anteil aller negativen Chemikalien, die von einer Prüfmethode fälschlicherweise als positiv identifiziert werden. Sie ist ein Leistungsindikator der Prüfmethode.

Fluorescein-Verfärbung : Subjektiver Messwert im Rahmen des ICE-Tests für die Fluorescein-Natrium-Verfärbung der Epithel-Zellen in der Hornhaut nach Applikation einer Prüfchemikalie. Das Ausmaß der Fluorescein-Verfärbung ist ein Indikator der Schädigung des Hornhautepithels.

Gefahr : Inhärente Eigenschaft eines Stoffes oder eines Umfelds mit dem Potenzial, einen Organismus, ein System oder eine (Sub)population bei Exposition gegenüber diesem Stoff zu schädigen.

Gemisch : Gemisch oder Lösung aus zwei oder mehr Stoffen, die nicht miteinander reagieren (4).

Genauigkeit : Der Grad der Übereinstimmung zwischen Testergebnissen und anerkannten Referenzwerten. Die Genauigkeit ist ein Maß der Leistung der Prüfmethode und ein Aspekt der „Relevanz“. Der Begriff wird oft im Sinne von „Übereinstimmung“ verwendet und bezeichnet den Anteil der korrekten Ergebnisse einer Prüfmethode.

Gestufte Prüfstrategie : Eine schrittweise Prüfstrategie, bei der alle vorhandenen Informationen über eine Prüfchemikalie in einer vorgegebenen Reihenfolge überprüft werden, wobei auf jeder Stufe nach dem evidenzbasierten Bewertungsansatz (weight-of-evidence) vorgegangen wird, um feststellen zu können, ob genügend Informationen für eine Gefahrenklassifizierung vorliegen, bevor zur nächsten Stufe übergegangen wird. Wenn das Reizpotenzial einer Prüfchemikalie auf Basis der vorliegenden Informationen zugeordnet werden kann, sind keine weiteren Testungen erforderlich. Ist dies nicht der Fall, müssen schrittweise sequenzielle Tierversuche durchgeführt werden, bis eine eindeutige Klassifizierung vorgenommen werden kann.

Globales Harmonisiertes System zur Einstufung und Kennzeichnung von Chemikalien der Vereinten Nationen (UN-GHS) : Ein System zur Klassifizierung von Chemikalien (Stoffen und Gemischen) nach standardisierten Typen und Stufen physikalischer, gesundheitlicher und ökologischer Gefahren und zur entsprechenden Kennzeichnung durch Piktogramme, Signalwörter, Gefahrenhinweise, Sicherheitshinweise und Sicherheitsdatenblätter, um zum Schutz des Menschen (einschließlich Arbeitgeber, Arbeiter, Spediteure, Verbraucher und Notfall-Einsatzkräfte) und der Umwelt Informationen über die schädlichen Wirkungen der betreffenden Chemikalien zu verbreiten (4).

Hornhaut : Der Iris und Pupille überdeckende transparente vordere Teil des Augapfels, über den Licht ins Augeninnere übertragen wird.

Hornhautschwellung : Objektiver Messwert im Rahmen des ICE-Tests für die Umfangszunahme der Hornhaut nach Applikation einer Prüfchemikalie. Der Wert wird als Prozentsatz ausgedrückt und auf Basis von Referenz-Hornhautdickenmessungen (Messung vor der Applikation) und der in regelmäßigen Abständen nach der Applikation der Prüfchemikalie im ICE-Test aufgezeichneten Dicke berechnet. Das Ausmaß der Hornhautschwellung ist ein Indikator der Hornhautschädigung.

Hornhauttrübung : Messwert für die Undurchsichtigkeit der Hornhaut nach Applikation einer Prüfchemikalie. Eine verstärkte Hornhauttrübung ist ein Indikator für die Schädigung der Hornhaut.

Irreversible Wirkungen am Auge : siehe „Schwere Augenschädigung“ und „UN-GHS-Kategorie 1“.

Keine Einstufung nach UN-GHS : Stoffe, die die Voraussetzungen für eine Einstufung in die UN-GHS-Kategorien 1 oder 2 (2A oder 2B) nicht erfüllen. Austauschbar mit „Nicht eingestuft“.

Lösungsmittel-/Vehikelkontrolle : Eine unbehandelte Probe, die alle Komponenten eines Testsystems enthält, einschließlich des Lösungsmittels oder Vehikels, und die mit den prüfchemikalienbehandelten Proben und anderen Kontrollproben mitgeführt wird, um die Referenzreaktion für die mit der Prüfchemikalie behandelten Proben, die im selben Lösungsmittel oder Vehikel aufgelöst wurden, zu bestimmen. Bei der Testung mit einer gleichzeitigen Negativkontrolle zeigt diese Probe außerdem an, ob das Lösungsmittel oder Vehikel mit dem Testsystem interagiert.

Negativkontrolle : Ein unbehandeltes Replikat, das alle Komponenten eines Testsystems enthält. Diese Probe wird mit prüfchemikalienbehandelten Proben und anderen Kontrollproben mitgeführt, um festzustellen, ob das Lösungsmittel mit dem Testsystem interagiert.

Nicht eingestuft : Stoffe, die nicht als augenreizend (UN-GHS-Kategorie 2) oder schwer augenschädigend (UN-GHS-Kategorie 1) eingestuft sind. Austauschbar mit der UN-GHS-Klasse „Keine Einstufung“.

Positivkontrolle : Ein Replikat, das alle Komponenten eines Testsystems enthält und mit einer Chemikalie behandelt wird, die bekanntermaßen eine positive Reaktion hervorruft. Um sicherzustellen, dass Abweichungen bei der Positivkontrollreaktion im Zeitverlauf bewertet werden können, sollte die Reaktion nicht zu heftig sein.

Prüfchemikalie : Stoff oder Gemisch, der bzw. das nach dieser Prüfmethode getestet wird.

Referenzchemikalie : Eine zum Vergleich mit einer Prüfchemikalie verwendete Bezugsgröße. Eine Referenzchemikalie sollte die folgenden Eigenschaften aufweisen: i) beständige und zuverlässige Quelle(n); ii) strukturelle und funktionelle Ähnlichkeit zur Klasse der geprüften Chemikalien; iii) bekannte physikalische/chemische Eigenschaften; iv) unterstützende Daten zu bekannten Wirkungen und v) bekannte Potenz innerhalb der gewünschten Wirkungsspanne.

Reversible Wirkungen am Auge : siehe „Augenreizung“ und „UN-GHS-Kategorie 2“.

Schwere Augenschädigung : Erzeugen von Gewebeschäden im Auge oder eine schwerwiegende Verschlechterung des Sehvermögens nach Applikation einer Prüfchemikalie auf die Oberfläche des Auges, die innerhalb von 21 Tagen nach der Applikation nicht vollständig reversibel sind. Austauschbar mit „Irreversible Wirkungen am Auge“ und mit „UN-GHS-Kategorie 1“ (4).

Spaltlampenmikroskop : Ein Instrument zur direkten Untersuchung des Auges, vergrößert mit einem binokularen Aufrechtbild-Stereomikroskop. Beim ICE-Test wird dieses Instrument eingesetzt, um die Vorderkammern des Hühnerauges visuell zu untersuchen und um die Hornhautdicke anhand eines Pachometer-Aufsatzes objektiv zu messen.

Stoff : Chemische Elemente und ihre Verbindungen in natürlicher Form oder durch ein Produktionsverfahren hergestellt, einschließlich der zur Wahrung der Produktstabilität notwendigen Zusatzstoffe und der bei der Herstellung entstehenden Verunreinigungen, mit Ausnahme von Lösungsmitteln, die von dem Stoff ohne Beeinträchtigung seiner Stabilität und ohne Änderung seiner Zusammensetzung abgetrennt werden können (4).

Tensid : Auch als oberflächenaktiver Stoff bezeichnet. Hierbei handelt es sich um Stoffe, wie waschaktive Substanzen (Detergenzien), die die Oberflächenspannung einer Flüssigkeit herabsetzen und so die Bildung von Schaum oder das Eindringen in feste Stoffe ermöglichen; auch bekannt als Netzmittel.

Top-Down-Ansatz : Schrittweiser Ansatz für eine Chemikalie, von der vermutet wird, dass sie schwere Augenschäden verursacht. Dabei werden zuerst Chemikalien, die schwere Augenschäden verursachen (positives Ergebnis), von anderen Chemikalien (negatives Ergebnis) unterschieden.

UN-GHS-Kategorie 1 : siehe „Schwere Augenschädigung“ und/oder „Irreversible Wirkungen am Auge“.

UN-GHS-Kategorie 2 : siehe „Augenreizung“ und/oder „Reversible Wirkungen am Auge“.

Validierte Prüfmethode : Eine Prüfmethode, für die zwecks Bestimmung ihrer Relevanz (einschließlich Genauigkeit) und Zuverlässigkeit für einen bestimmten Zweck Validierungsstudien abgeschlossen wurden. Es wird darauf hingewiesen, dass eine validierte Prüfmethode möglicherweise nicht genau und zuverlässig genug ist, um für den vorgeschlagenen Zweck akzeptiert zu werden.

Zuverlässigkeit : Maß der Reproduzierbarkeit einer Prüfmethode innerhalb von und zwischen Laboratorien über einen längeren Zeitraum und bei einheitlichem Protokoll. Die Zuverlässigkeit wird durch Berechnung der Intra- und Interlabor-Reproduzierbarkeit und Intralabor-Wiederholbarkeit bewertet.

Anlage 2

LEISTUNGSCHEMIKALIEN FÜR DEN ICE

Vor der routinemäßigen Anwendung eines Tests, der den Anforderungen der vorliegenden Prüfmethode genügt, haben Laboratorien ihre technische Kompetenz nachzuweisen, indem sie die 13 in Tabelle 1 empfohlenen Chemikalien in die richtige Augengefährdungsklasse einstufen. Die Chemikalien wurden so ausgewählt, dass sie die Bandbreite von Augengefährdungen repräsentieren, die auf den Ergebnissen des In-vivo-Kaninchenaugentests (TG 405) und dem UN-GHS-Klassifizierungssystem (d. h. den UN-GHS-Kategorien 1, 2A, 2B oder „Keine Einstufung“) basieren (4) (6). Weitere Auswahlkriterien betrafen die Erhältlichkeit der Chemikalien im Handel, die Verfügbarkeit hochwertiger In-vivo-Referenzdaten und das Vorhandensein hochwertiger Daten aus dem ICE-In-vitro-Test. Referenzdaten können aus dem SSD (5) und den Background Review Documents des ICCVAM für den ICE-Test bezogen werden (9).



Tabelle 1

Empfohlene Chemikalien für den Nachweis der technischen Kompetenz von Laboratorien zur Durchführung des ICE-Tests

Chemikalie

CAS-Nr.

Chemikalien-klasse (1)

Physika-lischer Zustand

In-Vivo-Klassifizierung (2)

In-Vitro-Klassifizierung (3)

Benzalkonium-chlorid (5 %)

8001-54-5

Onium-verbindung

flüssig

Kategorie 1

Kategorie 1

Chlorhexidin

55-56-1

Amin, Amidin

fest

Kategorie 1

Kategorie 1

Dibenzoyl-D-Weinsäure

2743-38-6

Carbonsäure, Ester

fest

Kategorie 1

Kategorie 1

Imidazol

288-32-4

heterocyclisch

fest

Kategorie 1

Kategorie 1

Trichloressig-säure (30 %)

76-03-9

Carbonsäure

flüssig

Kategorie 1

Kategorie 1

2,6-Dichlorbenzoyl-chlorid

4659-45-4

Acylhalogenid

flüssig

Kategorie 2 A

Keine Vorhersage möglich (4)

Ammonium-nitrat

6484-52-2

Anorganisches Salz

fest

Kategorie 2A (5)

Keine Vorhersage möglich (4)

Ethyl-2-methylaceto-acetat

609-14-3

Ketone, Ester

flüssig

Kategorie 2B

Keine Vorhersage möglich (4)

Dimethyl-sulfoxid

67-68-5

Organische Schwefel-verbindung

flüssig

Nicht eingestuft

Nicht eingestuft

Glyzerin

56-81-5

Alkohol

flüssig

Nicht eingestuft

Nicht eingestuft (Grenzfall)

Methylcyclo-pentan

96-37-7

Kohlenwasser-stoff (cyclisch)

flüssig

Nicht eingestuft

Nicht eingestuft

n-Hexan

110-54-3

Kohlenwasser-stoff (acyclisch)

flüssig

Nicht eingestuft

Nicht eingestuft

Triacetin

102-76-1

Lipid

flüssig

Nicht eingestuft

Nicht eingestuft

(1)   Jede Prüfchemikalie wurde anhand einer Standard-Klassifizierungsregelung auf Basis des Klassifizierungssystems der National Library of Medicine Medical Subject Headings (MeSH) einer Chemikalienklasse zugeordnet (abrufbar über http//www.nlm.nih.gov/mesh).

(2)   gestützt auf Ergebnisse aus dem In-vivo-Kaninchenaugentest (OECD TG 405) unter Verwendung des UN-GHS-Klassifizierungssystems (4)(6).

(3)   gestützt auf Ergebnisse des ICE-Tests gemäß Tabelle 6.

(4)   Kombination anderer ICE-Werte als der in Tabelle 6 angegebenen Werte zur Identifizierung der GHS-Kategorie „Keine Einstufung“ und der GHS-Kategorie 1 (siehe Tabelle 6).

(5)   Die Einstufung in die Kategorie 2A oder 2B ist von der Auswertung der Kriterien des UN-GHS zur Unterscheidung zwischen diesen beiden Kategorien abhängig, d. h. für eine Einstufung in die Kategorie 2A müssen an 1 von 3 gegenüber 2 von 3 Tieren Wirkungen an Tag 7 beobachtet werden. Die In-vivo-Studie umfasste drei Tiere. Alle Endpunkte mit Ausnahme einer Bindehautrötung bei einem Tier, gingen bis Tag 7 oder früher auf einen Wert von null zurück. Das eine Tier, das sich bis Tag 7 nicht vollständig regeneriert hatte, wies (an Tag 7) einen Bindehautrötungswert von 1 auf, der an Tag 10 ganz zurückging.

Abkürzungen: CAS-Nr. = Registernummer des Chemical Abstracts Service

Anlage 3

SCHAUBILDER DES ICE-SUPERFUSIONSGERÄTS UND DER ICE-AUGENKLEMMEN

(Siehe Burton et al. (18) für weitere generische Beschreibungen von Superfusionsgeräten und Augenklemmen)

image



Nr.

Beschreibung

Nr.

Beschreibung

1

Warmwasserauslass

9

Kammer

2

Schiebefenster

10

Augenhalter

3

Superfusionsgerät

11

Hühnerauge

4

Optisches Messinstrument

12

Auslass Kochsalzlösung

5

Warmwassereinlass

13

Feststellschraube

6

Kochsalzlösung

14

Oberer justierbarer Fixierarm

7

Warmes Wasser

15

Unterer unbeweglicher Fixierarm

8

Einlass Kochsalzlösung

 

B.49.   IN-VITRO-MIKRONUKLEUSTEST AN SÄUGETIERZELLEN

EINLEITUNG

Diese Prüfmethode entspricht der OECD-Prüfrichtlinie 487 (2016) und ist Teil einer Reihe von Prüfmethoden zur genetischen Toxikologie. Es wurde ein OECD-Dokument erstellt, das kurz gefasste und hilfreiche Informationen zu Untersuchungen zur genetischen Toxikologie sowie eine Übersicht über die jüngsten Änderungen dieser Prüfrichtlinien enthält (1).

Der In-vitro-Mikronukleustest (MNvit) ist ein Genotoxizitätstest zum Nachweis von Mikronuklei im Zytoplasma von Interphasezellen. Mikronuklei oder Mikrokerne können aus azentrischen Chromosomenfragmenten (d. h. Chromosomen, denen ein Zentromer fehlt) oder aus ganzen Chromosomen entstehen, die während der Anaphase der Zellteilung nicht zu den Polen wandern können. Der MNvit-Test ist daher eine In-vitro-Methode, die eine breite Basis für die In-vitro-Erforschung potenzieller Chromosomenschädigungen bildet, da sowohl Aneugene als auch Klastogene (2) (3) in Zellen nachgewiesen werden können, die während oder nach Kontakt mit der Prüfchemikalie eine Zellteilung durchlaufen haben (weitere Einzelheiten siehe Nummer 13). Mikrokerne stellen auf Tochterzellen übertragene Schäden dar, während in Metaphasezellen festgestellte Chromosomenaberrationen unter Umständen nicht übertragen werden. In beiden Fällen sind die Veränderungen möglicherweise nicht mit dem Überleben der Zellen kompatibel.

Die vorliegende Prüfmethode gestattet die Verwendung von Protokollen mit und ohne den Aktin-Polymerisationsinhibitor Cytochalasin B (cytoB). Durch Beigabe von cytoB vor der Mitose entstehen Zellen mit zwei Kernen. Dies ermöglicht die Identifizierung und selektive Analyse von Mikrokernen in Zellen, die eine Mitose durchlaufen haben (4) (5). Diese Prüfmethode gestattet auch die Verwendung von Protokollen ohne Zytokinese-Block, vorausgesetzt, es gibt Beweise dafür, dass die analysierte Zellpopulation eine Mitose vollzogen hat.

Zusätzlich zum MNvit-Test zur Identifizierung von Chemikalien, die Mikrokerne erzeugen, können auch die immunchemische Markierung von Kinetochoren oder die Hybridisierung mit Zentromer- bzw. Telomer-Sonden (Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (FISH)) zusätzliche Informationen über die Mechanismen der Chromosomenschädigung und der Bildung von Mikrokernen liefern (6) (7) (8) (9) (10) (11) (12) (13) (14) (15) (16) (17). Diese Markierungs- und Hybridisierungsverfahren können angewandt werden, wenn eine verstärkte Mikrokernbildung festgestellt wird und der Prüfer erkennen will, ob diese Zunahme das Ergebnis klastogener und/oder aneugener Ereignisse ist.

Da Mikrokerne in Zellen im Stadium der Interphase mit relativer Objektivität bewertet werden können, muss das Laborpersonal nur bestimmen, wie viele Zellen zwei Kerne (bei Hinzufügung von cytoB) bzw. (in allen anderen Fällen) wie viele Zellen einen Mikrokern enthalten. Infolgedessen können die Objektträger relativ schnell bewertet werden, und die Analyse lässt sich automatisieren. Dies macht es praktisch möglich, Tausende statt Hunderte von Zellen pro Behandlung zu bewerten und so die Aussagekraft des Tests zu erhöhen. Da schließlich die Mikrokerne von verzögert transportierten Chromosomen herrühren können, besteht die Möglichkeit, Aneuploidie induzierende Agenzien nachzuweisen, deren Untersuchung in konventionellen Chromosomenaberrationstests nur schwer möglich ist, z. B. Kapitel B.10 dieses Anhangs (18). Allerdings gestattet der in dieser Prüfmethode beschriebene MNvit-Test die Differenzierung zwischen Veränderungen der Chromosomenzahl und/oder Polyploidie induzierenden Chemikalien und Klastogenizität verursachenden Chemikalien nur, wenn besondere Techniken wie die unter Nummer 4 genannte FISH eingesetzt werden.

Der MNvit-Test ist zuverlässig und kann bei einer Vielfalt von Zelltypen, mit oder ohne Zusatz von cytoB, durchgeführt werden. Umfassende Daten belegen die Validität des MNvit-Tests bei Verwendung unterschiedlicher Zelltypen (kultivierter Zelllinien oder primärer Zellkulturen) (19) (20) (21) (22) (23) (24) (25) (26) (27) (28) (29) (30) (31) (32) (33) (34) (35) (36). Hierzu zählen insbesondere die internationalen Validierungsstudien, koordiniert durch die Société Française de Toxicologie Génétique (SFTG) (19) (20) (21) (22) (23), und die Berichte des International Workshop on Genotoxicity Testing (5) (17). Die verfügbaren Daten wurden außerdem vom Europäischen Zentrum zur Validierung von Alternativmethoden (ECVAM) der Europäischen Kommission in einer retrospektiven Validierungsstudie nach dem Weight-of-Evidence-Ansatz neu bewertet, und die Prüfmethode wurde vom Wissenschaftlich Beratenden Ausschuss (ESAC) des ECVAM als wissenschaftlich validiert anerkannt (37) (38) (39).

Beim MNvit-Test an Säugetierzellen können kultivierte Zelllinien oder primäre Zellkulturen menschlichen Ursprungs oder von Nagetieren zum Einsatz kommen. Da die Hintergrundfrequenz von Mikrokernen die Empfindlichkeit des Tests beeinflusst, empfiehlt es sich, Zelltypen mit einer stabilen und festgelegten Hintergrundfrequenz der Mikrokernbildung zu verwenden. Die verwendeten Zellen werden unter dem Gesichtspunkt der Wachstumsfähigkeit in Kultur, der Karyotypstabilität (einschließlich Chromosomenzahl) und der spontanen Häufigkeit von Mikrokernen ausgewählt (40). Zum gegenwärtigen Zeitpunkt lassen die verfügbaren Daten keine konkreten Empfehlungen zu, deuten jedoch darauf hin, dass es bei der Bewertung chemischer Gefahren wichtig ist, den p53-Status, die genetische (Karyotyp-)Stabilität, die DNA-Reparaturfähigkeit und die Herkunft (Nagetier oder Mensch) der für die Tests ausgewählten Zellen zu berücksichtigen. Anwendern dieser Prüfmethode wird daher empfohlen, den Einfluss dieser und anderer Zelleigenschaften auf die Leistung einer Zelllinie bei der Erkennung der Mikrokerninduktion zu berücksichtigen, da sich die Erkenntnisse auf diesem Gebiet ständig weiterentwickeln.

Es gelten die Definitionen gemäß Anlage 1.

VORBEMERKUNGEN UND EINSATZGRENZEN

In vitro durchgeführte Tests erfordern in der Regel den Zusatz eines exogenen Stoffwechselaktivierungssystems, sofern die Zellen nicht im Hinblick auf die Prüfchemikalien metabolisch kompetent sind. Mit diesem exogenen Stoffwechselaktivierungssystem lassen sich die In-vivo-Bedingungen jedoch nicht gänzlich nachvollziehen. Es sind auch Bedingungen zu vermeiden, die zu künstlich positiven Ergebnissen führen, die nicht die Genotoxizität der Prüfchemikalie widerspiegeln. Dazu gehören unter anderem Veränderungen des pH-Wertes (41) (42) (43) bzw. der Osmolalität, Wechselwirkung mit dem Zellkulturmedium (44) (45) oder hochgradige Zytotoxizität (siehe Nummer 29).

Zur Analyse der Mikrokerninduktion ist es wesentlich, dass sowohl die behandelten als auch die unbehandelten Kulturen eine Mitose durchlaufen haben. Das informativste Stadium für die Auswertung von Mikrokernen liegt in Zellen vor, die eine Mitose während oder nach der Behandlung mit der Prüfchemikalie vollzogen haben. Bei hergestellten Nanomaterialien sind besondere Anpassungen dieser Prüfmethode erforderlich, die hier jedoch nicht beschrieben werden.

Bevor die Prüfmethode auf ein Gemisch angewendet wird, um zu Regulierungszwecken Daten zu gewinnen, sollte geprüft werden, ob, und falls ja, warum, sie für diesen Zweck geeignete Ergebnisse liefern kann. Diese Überlegungen erübrigen sich, sofern die Durchführung von Tests für das Gemisch gesetzlich vorgeschrieben ist.

TESTPRINZIP

Zellkulturen menschlichen Ursprungs oder von Säugetieren werden sowohl mit als auch ohne exogene Stoffwechselaktivierung mit der Prüfchemikalie in Kontakt gebracht, außer wenn Zellen mit eigener adäquater Metabolisierungskapazität verwendet werden (siehe Nummer 19).

Während oder nach dem Kontakt mit der Prüfchemikalie werden die Zellen so lange kultiviert, dass Chromosomenschäden oder andere Wirkungen auf den Zellzyklus/die Zellteilung zur Bildung von Mikrokernen in Interphasezellen führen können. Zur Induktion einer Aneuploidie sollte die Prüfchemikalie während der Mitose vorhanden sein. Gewonnene und gefärbte Interphasezellen werden auf das Vorhandensein von Mikrokernen untersucht. Im Idealfall sollten Mikrokerne nur in Zellen ausgewertet werden, die während des Kontakts mit der Prüfchemikalie oder ggf. während der Zeit nach der Behandlung eine Mitose durchlaufen haben. In Kulturen, die mit einem Zytokinese-Blocker behandelt wurden, ist dies ohne Weiteres möglich, indem nur zweikernige Zellen ausgewertet werden. Wenn kein Zytokinese-Blocker verwendet wurde, ist es wichtig nachzuweisen, dass die analysierten Zellen aufgrund einer Zunahme der Zellpopulation wahrscheinlich während oder nach dem Kontakt mit der Prüfchemikalie eine Zellteilung durchlaufen haben. Bei allen Protokollen ist es wichtig nachzuweisen, dass sowohl in den Kontrollkulturen als auch in den behandelten Kulturen eine Zellproliferation stattgefunden hat. Das Ausmaß der von der Prüfchemikalie induzierten Zytotoxizität oder Zytostase sollte in allen Kulturen bewertet werden, die auf das Vorhandensein von Mikrokernen untersucht werden.

BESCHREIBUNG DER METHODE

Zellen

Es können kultivierte primäre Lymphozyten aus dem peripheren Blut von Menschen oder anderen Säugetieren (7) (20) (46) (47) sowie verschiedene Zelllinien von Nagetieren wie CHO, V79, CHL/IU und L5178Y oder menschliche Zelllinien wie TK6 verwendet werden (19) (20) (21) (22) (23) (26) (27) (28) (29) (31) (33) (34) (35) (36) (siehe Nummer 6). Andere Zelllinien wie HT29 (48), Caco-2 (49), HepaRG (50) (51), HepG2-Zellen (52) (53), A549 und primäre Embryonalzellen des Syrischen Hamsters (54) wurden in Mikronukleustests verwendet, sind zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht umfassend validiert worden. Die Verwendung dieser Zelllinien und -typen sollte daher anhand ihrer nachgewiesenen Leistung im Test begründet werden, wie im Abschnitt „Akzeptanzkriterien“ beschrieben. CytoB kann Berichten zufolge das Wachstum von L5178Y-Zellen beeinträchtigen und wird daher bei dieser Zelllinie nicht empfohlen (23). Wenn aus Gründen des Tierschutzes primäre Zellen verwendet werden, sollten, soweit möglich, Zellen menschlichen Ursprungs in Betracht gezogen und nach humanethischen Grundsätzen und Vorschriften beprobt werden.

Lymphozyten aus dem peripheren Blut von Menschen sollten jungen (ca. 18- bis 35-jährigen) nicht rauchenden Personen ohne bekannte Erkrankung entnommen werden, die bekanntermaßen in letzter Zeit nicht mit genotoxischen Einwirkungen (z. B. in Form von Chemikalien oder ionisierender Strahlung) in einer Intensität in Kontakt gekommen sind, die zu einem Anstieg der Hintergrundrate von Mikrokernzellen führen würde. Dies stellt eine niedrige und gleichmäßige Hintergrundrate von Mikrokernzellen sicher. Die Hintergrundrate von Mikrokernzellen nimmt mit fortschreitendem Alter zu. Dieser Trend ist bei Frauen ausgeprägter als bei Männern (55). Wenn Zellen von mehreren Spendern zur Verwendung gepoolt werden, ist die Anzahl der Spender anzugeben. Es muss nachgewiesen werden, dass sich die Zellen seit dem Beginn der Behandlung mit der Prüfchemikalie bis zur Zellentnahme geteilt haben. Zellkulturen werden in einer Phase des exponentiellen Wachstums gehalten (Zelllinien) oder zur Teilung angeregt (primäre Lymphozytenkulturen), damit die Zellen in unterschiedlichen Stadien des Zellzyklus exponiert werden, da die Empfindlichkeit der Zellstadien gegenüber den Prüfchemikalien möglicherweise nicht bekannt ist. Die Primärzellen, die mit mitogenen Stoffen zur Teilung stimuliert werden müssen, werden in der Regel während der Behandlung mit der Prüfchemikalie nicht weiter synchronisiert (z. B. humane Lymphozyten nach einer 48-stündigen mitogenen Stimulierung). Die Verwendung synchronisierter Zellen während der Behandlung mit der Prüfchemikalie wird nicht empfohlen, kann jedoch zulässig sein, sofern sie begründet wird.

Kulturmedien und Inkubationsbedingungen

Zur Kultivierung sind geeignete Kulturmedien und Inkubationsbedingungen (Kulturgefäße, ggf. befeuchtete Atmosphäre mit einer CO2-Konzentration von 5 %, Temperatur von 371 °C) zu verwenden. Zelllinien sind routinemäßig auf Stabilität der modalen Chromosomenzahl und Mykoplasmaverunreinigung zu überprüfen, und Zellen sollten bei Verunreinigung oder bei veränderter modaler Chromosomenzahl nicht herangezogen werden. Die normale Dauer des Zellzyklus bei den gewählten Zelllinien oder der im Prüflabor verwendeten primären Kulturen sollte bekannt sein und mit den veröffentlichten Zelleigenschaften übereinstimmen.

Vorbereitung der Kulturen

Zelllinien: Die Zellen werden aus Stammkulturen gewonnen und im Kulturmedium in einer solchen Dichte überimpft, dass die Zellen in Suspensions- oder Monolayerkultur bis zum Zeitpunkt der Gewinnung weiterhin exponentiell wachsen (z. B. sollte eine Konfluenz bei in Monolayerkultur gezüchteten Zellen vermieden werden).

Lymphozyten: Mit einem Antikoagulans (z. B. Heparin) behandeltes Vollblut oder separierte Lymphozyten werden einem Kulturmedium beigegeben (z. B. bei humanen Lymphozyten für die Dauer von 48 Stunden), das ein Mitogen (z. B. Phytohämagglutinin (PHA) im Fall von humanen Lymphozyten) enthält, um eine Zellteilung vor der Behandlung mit der Prüfchemikalie und cytoB herbeizuführen.

Stoffwechselaktivierung

Bei Zellen mit ungeeigneter Stoffwechselkapazität sollten exogene metabolisierende Systeme eingesetzt werden. Das am häufigsten verwendete, standardmäßig empfohlene System, sofern nicht anders begründet, ist eine durch Ko-Faktoren ergänzte post-mitochondriale Fraktion (S9) aus der Leber von Nagetieren (in der Regel Ratten), die mit enzyminduzierenden Agenzien wie Aroclor 1254 (56) (57) oder einem Gemisch aus Phenobarbital und b-Naphtoflavon (58) (59) (60) vorbehandelt wurde. Das letztgenannte Gemisch verstößt nicht gegen das Stockholmer Übereinkommen über persistente organische Schadstoffe (61) und hat sich bei der Induktion von Mischfunktionsoxidasen als ebenso wirksam wie Aroclor 1254 erwiesen (58) (59) (60). Die S9-Fraktion wird im Endmedium in der Regel in Konzentrationen von 1 bis 2 % v/v verwendet, kann jedoch auf 10 % v/v erhöht werden. Die Verwendung von Produkten, die den Mitoseindex senken, insbesondere Komplexbildnern für Calcium (62), sollte während der Behandlung vermieden werden. Die Wahl der Art und Konzentration des exogenen Metabolisierungssystems oder metabolischen Agens ist möglicherweise von der geprüften chemischen Klasse abhängig.

Vorbereitung der Prüfchemikalie

Feste Prüfchemikalien sollten vor der Zellbehandlung in geeigneten Lösungsmitteln gelöst und ggf. verdünnt werden. Flüssige Prüfchemikalien können dem Versuchssystem vor der Behandlung direkt beigegeben und/oder verdünnt werden. Gasförmige oder flüchtige Prüfchemikalien sind mithilfe geeigneter Änderungen an den Standardprotokollen, wie z. B. durch Behandlung in hermetisch verschlossenen Gefäßen (63) (64) (65), zu prüfen. Zubereitungen der Prüfchemikalie sollten kurz vor der Behandlung hergestellt werden, es sei denn, die Stabilität der Chemikalie bei Lagerung wird nachgewiesen.

Prüfbedingungen

Lösungsmittel

Das Lösungsmittel sollte so gewählt werden, dass eine optimale Löslichkeit der Prüfchemikalie gewährleistet ist, ohne dass die Durchführung des Versuchs negativ beeinträchtigt wird, z. B. durch Änderung des Zellwachstums, Beeinträchtigung der Integrität der Prüfchemikalie, Reaktion mit Kulturgefäßen, Behinderung des Stoffwechselaktivierungssystems. Es ist zu empfehlen, als erste Wahl möglichst die Verwendung eines wässrigen Lösungsmittels (oder Kulturmediums) in Erwägung zu ziehen. Gründlich erprobte Lösungsmittel sind Wasser oder Dimethylsulfoxid (DMSO). In der Regel sollen organische Lösungsmittel 1 % v/v nicht übersteigen. Wenn cytoB in DMSO gelöst wird, darf die für die Prüfchemikalie und cytoB verwendete Gesamtmenge an organischen Lösungsmitteln nicht mehr als 1 % v/v betragen; anderenfalls sind unbehandelte Kontrollen zu verwenden, um sicherzustellen, dass der Anteil an organischen Lösungsmitteln keine schädliche Wirkung hat. Wässrige Lösungsmittel (Kochsalzlösung oder Wasser) sollen 10 % v/v im Endmedium nicht übersteigen. Kommen weniger gründlich erprobte Lösungsmittel zur Verwendung (z. B Ethanol oder Aceton), ist deren Verwendung durch Daten zu stützen, die ihre Verträglichkeit mit der Prüfchemikalie, mit dem Versuchssystem sowie ihre mangelnde Genotoxizität in der verwendeten Konzentration belegen. Liegen keine Daten vor, die dies belegen, ist es wichtig, unbehandelte Kontrollen (siehe Anlage 1) sowie Lösungsmittelkontrollen einzubeziehen, um nachzuweisen, dass durch die gewählten Lösungsmittel keine schädlichen oder chromosomalen Wirkungen (z. B. Aneuploidie oder Klastogenizität) ausgelöst werden.

Verwendung von cytoB als Zytokinese-Blocker

Eine der wichtigsten Überlegungen bei der Durchführung des MNvit-Tests gilt der Vergewisserung, dass die bewerteten Zellen während der Behandlung oder ggf. während der Inkubationszeit nach der Behandlung eine Mitose durchlaufen haben. Die Auswertung von Mikrokernen soll daher auf Zellen beschränkt werden, die während oder nach der Behandlung eine Mitose vollzogen haben. CytoB ist das am häufigsten verwendete Agens zur Zytokinese-Blockierung, da es den Aktinaufbau hemmt und somit die Trennung der Tochterzellen nach der Mitose verhindert, was wiederum zur Bildung zweikerniger Zellen führt (6) (66) (67). Zugleich kann bei Verwendung von cytoB die Auswirkung der Prüfchemikalie auf die Zellproliferationskinetik gemessen werden. CytoB sollte bei der Verwendung menschlicher Lymphozyten als Zytokinese-Blocker eingesetzt werden, da die Zellzyklendauer zwischen einzelnen Spendern variiert und nicht alle Lymphozyten auf Phytohämagglutinin reagieren. Bei anderen Zelltypen ist cytoB nicht zwingend erforderlich, sofern nachgewiesen werden kann, dass diese eine Teilung durchlaufen haben, wie unter Nummer 27 beschrieben. Außerdem wird cytoB im Allgemeinen nicht verwendet, wenn die Proben mithilfe durchflusszytometrischer Methoden auf Mikrokerne untersucht werden.

Für jeden Zelltyp sollte das Labor die geeignete cytoB-Konzentration festlegen, um in den Lösungsmittelkontrollkulturen eine optimale Frequenz der zweikernigen Zellen zu erreichen. Ferner sollte die Konzentration nachweislich eine gute Ausbeute an zweikernigen Zellen zur Auswertung ergeben. Die geeignete cytoB-Konzentration liegt in der Regel zwischen 3 und 6 μ/ml (19).

Messung von Zellproliferation und Zytotoxizität und Wahl der Behandlungskonzentrationen

Bei der Festlegung der höchsten zu testenden Konzentration der Prüfchemikalie sind Konzentrationen zu vermeiden, die zu künstlich positiven Reaktionen führen können, wie z. B. zu übermäßiger Zytotoxizität (siehe Nummer 29), Ausfällungen im Kulturmedium (siehe Nummer 30) oder ausgeprägten Änderungen des pH-Werts oder der Osmolalität (siehe Nummer 9). Sofern die Prüfchemikalie zum Zeitpunkt der Zugabe den pH-Wert des Mediums erheblich verändert, lässt sich der pH-Wert auch durch Anwendung eines Puffers im Endmedium einstellen, damit künstlich positive Reaktionen vermieden und geeignete Kulturbedingungen aufrechterhalten werden.

Es werden Messungen der Zellproliferation vorgenommen, um sicherzustellen, dass genügend behandelte Zellen während des Tests eine Mitose durchlaufen haben und dass die Behandlungen bei geeigneten Zytotoxizitätsniveaus durchgeführt werden (siehe Nummer 29). Die Zytotoxizität sollte im Hauptversuch mit und ohne Stoffwechselaktivierung und unter Verwendung eines geeigneten Indikators für Zelltod und -wachstum bestimmt werden (siehe Nummern 26 und 27). Wenngleich die Bewertung der Zytotoxizität im Rahmen eines ersten Vorversuchs nützlich sein kann, um die im Hauptversuch verwendeten Konzentrationen besser bestimmen zu können, ist ein Vorversuch nicht zwingend erforderlich. Wird er durchgeführt, ersetzt er nicht die Messung der Zytotoxizität im Hauptversuch.

Die Behandlung von Kulturen mit cytoB und die Messung der relativen Häufigkeit von einkernigen, zweikernigen und mehrkernigen Zellen in der Kultur sind ein genaues Verfahren zur Quantifizierung des Effekts auf die Zellproliferation und die zytotoxische oder zytostatische Wirkung einer Behandlung (6) und stellen sicher, dass nur Zellen mikroskopisch bewertet werden, die während oder nach der Behandlung eine Teilung vollzogen haben. Es wird empfohlen, die zytotoxische und zytostatische Wirkung einer Behandlung mittels des Zytokinese-Block-Proliferationsindex (CBPI) (6) (27) (68) oder des Replikationsindex (RI) bei mindestens 500 Zellen pro Kultur abzuleiten (Formeln siehe Anlage 2). Hierzu werden die Werte in behandelten Kulturen und Kontrollkulturen miteinander verglichen. Die Bewertung anderer Zytotoxizitäts-Indikatoren (z. B. Zellintegrität, Apoptose, Nekrose, Metaphasezählung, Zellzyklus) könnte ebenfalls nützliche Informationen liefern, darf jedoch nicht als Ersatz für den CBPI oder RI verwendet werden.

In Studien ohne cytoB muss nachgewiesen werden, dass sich die Zellen in der Kultur geteilt haben, sodass ein erheblicher Teil der bewerteten Zellen während oder nach Behandlung mit der Prüfchemikalie eine Teilung durchlaufen hat. Anderenfalls kann es zu falsch negativen Reaktionen kommen. Die Messung der relativen Populationsverdopplung (RPD) oder der relativen Erhöhung der Zellzahl (RICC) sind empfohlene Verfahren zur Schätzung der zytostatischen Wirkung eines Behandlung (17) (68) (69) (70) (71) (Formeln siehe Anlage 2). Bei längeren Probenahmephasen (z. B. Behandlung über einen Zeitraum von 1,5 bis 2 normalen Zellzykluslängen und Gewinnung nach weiteren 1,5 bis 2 normalen Zellzykluslängen, woraus sich eine Probenahmezeit von insgesamt mehr als 3 bis 4 normalen Zellzykluslängen ergibt, wie unter Nummern 38 und 39 beschrieben) könnte es bei der RPD zu einer Unterschätzung der Toxizität kommen (71). Unter diesen Umständen ist die RICC möglicherweise ein besseres Verfahren. Anderenfalls erhält man anhand einer Bewertung der Zytotoxizität nach 1,5 bis 2 normalen Zellzykluslängen einen hilfreichen Schätzwert. Die Bewertung anderer Marker für Zytotoxizität oder Zytostase (z. B. Zellintegrität, Apoptose, Nekrose, Metaphasezählung, Proliferationsindex (PI), Zellzyklus, nukleoplasmische Brücken oder Kernknospen) könnten nützliche Informationen liefern, dürfen jedoch nicht als Ersatz für die RPD oder die RICC verwendet werden.

Es sollten mindestens drei Versuchskonzentrationen (ausgenommen das Lösungsmittel und Positivkontrollen), die die Akzeptanzkriterien erfüllen (geeignete Zytotoxizität, Anzahl der Zellen usw.), ausgewertet werden. Unabhängig von der Art der Zellen (Zelllinien oder Primärkulturen von Lymphozyten) können für jede überprüfte Konzentration Replikat- oder Einfachkulturen herangezogen werden. Wenngleich die Verwendung von Zweifachkulturen ratsam ist, sind Einfachkulturen auch zulässig, vorausgesetzt, es wird für Einfach- oder Zweifachkulturen jeweils die gleiche Gesamt-Zellpopulation ausgewertet. Die Verwendung von Einzelkulturen ist insbesondere dann relevant, wenn mehr als drei Konzentrationen bewertet werden (siehe Nummern 44 und 45). Die Ergebnisse aus den unabhängigen Replikatkulturen bei einer festgelegten Konzentration können zu Datenanalysezwecken gepoolt werden. Bei Prüfchemikalien mit geringer oder keiner Zytotoxizität sind in der Regel Konzentrationsintervalle mit zwei- bis dreifacher Konzentration geeignet. Wenn Zytotoxizität auftritt, sollten die Prüfkonzentrationen einen Bereich ausgehend vom Wert, bei dem Zytotoxizität auftritt (siehe Beschreibung unter Nummer 29), bis zu Konzentrationen mit mäßiger oder geringer oder nicht vorhandener Toxizität umfassen. Viele Prüfchemikalien zeigen steile Konzentrations-Wirkungs-Kurven. Um Daten zu mäßiger oder geringer Toxizität zu erhalten oder um die Dosis-Wirkungs-Beziehungen im Einzelnen auszuwerten, wird es daher erforderlich sein, Konzentrationen mit kleineren Abständen und/oder mehr als drei Konzentrationen zu verwenden (Einfach- oder Replikatkulturen), insbesondere in Fällen, in denen ein Wiederholungsversuch erforderlich ist (siehe Nummer 60).

Beruht die höchste Konzentration auf der Zytotoxizität, sollte die Höchstkonzentration darauf abzielen, unter Verwendung der empfohlenen Zytotoxizitätsparameter (d. h. Verringerung der RICC und RPD bei Zelllinien, wenn cytoB nicht verwendet wird, und Verringerung des CBPI oder RI, wenn cytoB verwendet wird, auf 45 ± 5 % der gleichzeitigen Negativkontrollen) eine Zytotoxizität von 55 ± 5 % zu erreichen (72). Ausschließlich am oberen Ende dieses Zytotoxizitätsbereichs von 55 ± 5 % anzutreffende positive Ergebnisse sollten mit Vorsicht interpretiert werden (71).

Im Falle schwer löslicher Chemikalien, die bei Konzentrationen unterhalb der niedrigsten unlöslichen Konzentration nicht zytotoxisch sind, sollte die höchste analysierte Konzentration am Ende der Behandlung mit der Prüfchemikalie eine Trübung oder eine mit bloßem Auge oder mithilfe eines Inversmikroskops erkennbare Ausfällung bewirken. Auch wenn Zytotoxizität oberhalb der niedrigsten unlöslichen Konzentration auftritt, ist es ratsam, nur eine Konzentration zu testen, die eine Trübung oder sichtbare Ausfällung hervorruft, da artefaktische Wirkungen eine Folge dieser Ausfällung sein könnten. Bei der Konzentration, bei der es zu einer Ausfällung kommt, ist unbedingt sicherzustellen, dass die Ausfällung nicht die Durchführung des Versuchs beeinträchtigt (z. B. Färbung oder Auswertung). Es ist möglicherweise sinnvoll, die Löslichkeit im Kulturmedium vor dem Versuch zu bestimmen.

Wenn keine Ausfällung bzw. keine begrenzende Zytotoxizität festgestellt wird, sollte die Höchstkonzentration bei Versuchen 10 mM, 2 mg/ml oder 2 μl/ml betragen, je nachdem, welcher Wert am niedrigsten ist (73) (74) (75). Sofern die Zusammensetzung der Prüfchemikalie nicht genau definiert ist, z. B. ein Stoff mit unbekannter oder schwankender Zusammensetzung, komplexe Reaktionsprodukte oder biologische Materialien (UVCB) (76), ein Umweltextrakt usw., muss die höchste Konzentration möglicherweise höher angesetzt werden (z. B. bei 5 mg/ml), sofern keine ausreichende Zytotoxizität vorhanden ist, um die Konzentration der einzelnen Bestandteile zu erhöhen. Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass diese Anforderungen sich von denen für Humanpharmazeutika unterscheiden können (93).

Kontrollen

Bei jedem Gewinnungszeitpunkt sind parallel laufende Negativkontrollen (siehe Nummer 21) anzulegen, bei denen das Behandlungsmedium lediglich Lösungsmittel enthält und die auf die gleiche Weise wie die Behandlungskulturen bearbeitet werden.

Gleichzeitige Positivkontrollen müssen durchgeführt werden, um die Eignung des Labors zum Nachweis von Klastogenen und Aneugenen unter den Bedingungen des verwendeten Prüfprotokolls sowie ggf. die Wirksamkeit des exogenen Stoffwechselaktivierungssystems nachzuweisen. Beispiele für Positivkontrollen sind nachstehender Tabelle 1 zu entnehmen. Es können andere geeignete Positivkontrollchemikalien verwendet werden, sofern dies begründet ist.

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind keine Aneugene bekannt, die zu ihrer genotoxischen Wirkung eine Stoffwechselaktivierung benötigen (17). Da In-vitro-Tests auf Genotoxizität in Säugetierzellen für die gleichzeitigen Kurzzeitbehandlungen mit und ohne Zusatz eines Stoffwechselaktivierungssystems über die gleiche Behandlungsdauer ausreichend standardisiert sind, kann sich die Hinzuziehung von Positivkontrollen auf ein Klastogen beschränken, das eine Stoffwechselaktivierung erfordert. In diesem Fall wird durch die Reaktion einer einzelnen Positivkontrolle sowohl die Aktivität des Stoffwechselaktivierungssystems als auch die Reaktionsfähigkeit des Testsystems nachgewiesen. Im Falle einer Langzeitbehandlung (ohne S9) sollte jedoch eine gesonderte Positivkontrolle erfolgen, da die Behandlungsdauer beim Test mit Stoffwechselaktivierung eine andere ist. Wird als einzige Positivkontrolle für die Kurzzeitbehandlung mit und ohne Stoffwechselaktivierung ein Klastogen ausgewählt, sollte für die Langzeitbehandlung ohne Stoffwechselaktivierung ein Aneugen ausgewählt werden. Positivkontrollen für Klastogenizität und Aneugenizität sollten in metabolisch kompetenten Zellen verwendet werden, die kein S9 benötigen.

Jede Positivkontrolle sollte bei einer oder mehreren Konzentrationen durchgeführt werden, die voraussichtlich eine reproduzierbare und erkennbare Zunahme gegenüber dem Hintergrund ergeben, womit sich die Empfindlichkeit des Versuchssystems nachweisen lässt (d. h. die Wirkungen sind eindeutig, lassen aber beim Ablesen nicht sofort die Identität der kodierten Objektträger erkennen), und die Wirkung sollte nicht durch einen Zytotoxizitätswert beeinträchtigt werden, der die in dieser Prüfmethode vorgegebenen Grenzen überschreitet.



Tabelle 1.

Zur Beurteilung der Eignung des Labors und zur Wahl der Positivkontrollen empfohlene Referenzchemikalien

Kategorie

Chemikalie

CAS-Nr.

1.  Klastogene, die ohne Stoffwechselaktivierung wirken

 

Methylmethansulfonat

66-27-3

 

Mitomycin C

50-07-7

 

4-Nitroquinolin-N-oxid

56-57-5

 

Cytosinarabinosid

147-94-4

2.  Klastogene, die eine Stoffwechselaktivierung erfordern

 

Benzo[a]pyren

50-32-8

 

Cyclophosphamid

50-18-0

3.  Aneugene

 

Colchicin

64-86-8

 

Vinblastin

143-67-9

VERFAHREN

Behandlungsplan

Um die Wahrscheinlichkeit zu maximieren, dass ein Aneugen oder Klastogen in einem bestimmten Stadium des Zellzyklus erkannt wird, muss eine ausreichende Anzahl an Zellen während aller Stadien ihrer Zellzyklen mit der Prüfchemikalie behandelt werden. Alle Behandlungen sollten während des exponentiellen Wachstums der Zellen beginnen und enden, und die Zellen sollten bis zum Zeitpunkt der Probenahme weiter wachsen. Der Behandlungsplan für Zelllinien und primäre Zellkulturen kann daher in gewisser Weise von dem für Lymphozyten abweichen, die für den Beginn ihres Zellzyklus einer mitogenen Stimulation bedürfen (17). Bei Lymphozyten ist es am wirksamsten, die Behandlung mit der Prüfchemikalie 44 bis 48 Stunden nach der PHA-Stimulation zu beginnen, wenn sich die Zellen asynchron teilen (6).

Veröffentlichte Daten (19) legen nahe, dass die meisten Aneugene und Klastogene entdeckt werden, wenn eine kurze Behandlung von 3 bis 6 Stunden mit oder ohne Vorhandensein von S9 erfolgt, woraufhin die Prüfchemikalie entfernt wird und die Zellen in einem Zeitraum beprobt werden, der etwa der 1,5-fachen bis 2-fachen Dauer des normalen Zellzyklus nach Behandlungsbeginn entspricht (7).

Für eine gründliche Bewertung, die erforderlich wäre, um auf ein negatives Ergebnis zu schließen, sollten bei Durchführung einer Kurzzeitbehandlung mit und ohne Stoffwechselaktivierung und einer Langzeitbehandlung ohne Stoffwechselaktivierung alle drei der folgenden Versuchsbedingungen angewandt werden, und zwar eine (siehe Nummern 56, 57 und 58):

 Die Zellen sollten 3 bis 6 Stunden lang ohne Zusatz eines Stoffwechselaktivierungssystems mit der Prüfchemikalie behandelt werden und in einem Zeitraum beprobt werden, der etwa der 1,5-fachen bis 2-fachen Dauer des normalen Zellzyklus nach Behandlungsbeginn entspricht (19).

 Die Zellen sollten 3 bis 6 Stunden lang mit Zusatz eines Stoffwechselaktivierungssystems mit der Prüfchemikalie behandelt werden und in einem Zeitraum beprobt werden, der etwa der 1,5-fachen bis 2-fachen Dauer des normalen Zellzyklus nach Behandlungsbeginn entspricht (19).

 Die Zellen sollten kontinuierlich ohne Stoffwechselaktivierung behandelt werden, wobei eine Beprobung nach Ablauf eines Zeitraums erfolgt, der etwa der 1,5-fachen bis 2-fachen Dauer des normalen Zellzyklus entspricht.

Führt eine der oben genannten Versuchsbedingungen zu einem positiven Befund, ist es möglicherweise nicht erforderlich, Untersuchungen anhand der anderen Behandlungsverfahren durchzuführen.

Wenn bekannt ist oder der Verdacht besteht, dass die Prüfchemikalie die Dauer des Zellzyklus beeinflusst (z. B. bei der Prüfung von Nucleosidanalogen), was insbesondere für p53-kompetente Zellen gilt (35) (36) (77), können die Zeiträume für die Probenahme oder Regenerierung um bis zu eine weitere 1,5-fache bis 2-fache Dauer des normalen Zellzyklus (d. h. insgesamt die 3-fache bis 4-fache Dauer des Zellzyklus nach Beginn der Kurzzeit- und Langzeitbehandlungen) ausgedehnt werden. Diese Optionen beziehen sich auf Situationen, in denen mögliche Wechselwirkungen zwischen der Prüfchemikalie und cytoB befürchtet werden. Bei verlängerten Probenahmezeiten (d. h. einer Kulturzeit von insgesamt der 3-fachen bis 4-fachen Zellzyklusdauer) ist unbedingt sicherzustellen, dass sich die Zellen noch aktiv teilen. Bei Lymphozyten beispielsweise kann das exponentielle Wachstum 96 Stunden nach der Stimulation nachlassen, und Monolayerkulturen können konfluent werden.

Die empfohlenen Pläne für die Zellbehandlung sind in Tabelle 2 zusammengefasst. Diese allgemeinen Behandlungspläne können je nach Stabilität oder Reaktivität der Prüfchemikalie oder den besonderen Wachstumseigenschaften der verwendeten Zellen (mit entsprechender Begründung) modifiziert werden.



Tabelle 2.

Zellbehandlung und Entnahmezeitpunkte beim MNvit-Test

Lymphozyten, Primärzellen und Zelllinien, die mit cytoB behandelt wurden

+ S9

Kurzzeitbehandlung

3-6 Stunden Behandlung in Anwesenheit von S9;

Entfernung von S9 und Behandlungsmedium;

Zugabe von neuem Medium und cytoB;

Zellentnahme nach 1,5-2,0 normalen Zellzyklen nach Behandlungsbeginn.

– S9

Kurzzeitbehandlung

3-6 Stunden Behandlung;

Entfernung des Behandlungsmediums;

Zugabe von neuem Medium und cytoB;

Zellentnahme nach 1,5-2,0 normalen Zellzyklen nach Behandlungsbeginn.

– S9

Verlängerte Behandlung

Behandlung über 1,5-2,0 normale Zellzyklen in Anwesenheit von cytoB;

Zellentnahme am Ende der Behandlungsdauer.

Ohne cytoB behandelte Zelllinien

(Identisch mit den obigen Behandlungsplänen mit der Ausnahme, dass kein cytoB zugegeben wird)

Bei Monolayerkulturen können am Ende der 3- bis 6-stündigen Behandlung mitotische Zellen vorhanden sein (erkennbar daran, dass sie rund sind und sich von der Oberfläche ablösen). Da diese mitotischen Zellen sich leicht lösen, können sie bei Entfernung des Mediums mit der Prüfchemikalie verloren gehen. Kann nachgewiesen werden, dass die Zahl der mitotischen Zellen gegenüber den Kontrollen erheblich zugenommen hat, was mit hoher Wahrscheinlichkeit auf einen mitotischen Arrest hinweist, sollten die Zellen durch Zentrifugieren gewonnen und anschließend der Kultur wieder zugeführt werden, um zu vermeiden, dass Zellen verlorengehen, die sich in der Mitose befinden und zum Zeitpunkt der Gewinnung dem Risiko einer Mikrokernbildung/Chromosomenaberration ausgesetzt sind.

Zellgewinnung und Präparation des Objektträgers

Jede Kultur wird gesondert gewonnen und aufbereitet. Die Zellpräparation kann eine Behandlung mit hypotoner Lösung beinhalten, dieser Schritt ist jedoch nicht notwendig, wenn eine angemessene Ausbreitung der Zellen anderweitig sichergestellt wird. Bei der Präparation der Objektträger können verschiedene Techniken angewandt werden, vorausgesetzt, es werden Zellpräparate hoher Qualität zur Auswertung bereitgestellt. Dabei sollten Zellen mit intakter Zellmembran und intaktem Zytoplasma zurückgehalten werden, um die Erkennung von Mikrokernen sowie (bei der Zytokinese-Block-Methode) die zuverlässige Identifizierung zweikerniger Zellen zu ermöglichen.

Die Objektträger können mit verschiedenen Verfahren angefärbt werden, beispielsweise mit Giemsa oder fluoreszierenden DNA-spezifischen Farbstoffen. Durch Verwendung eines DNA-spezifischen Farbstoffs (z. B. Acridin Orange (78) oder Hoechst 33258 Plus Pyronin-Y (79)) lassen sich bestimmte Artefakte vermeiden, die bei der Verwendung eines nicht DNA-spezifischen Farbstoffs auftreten. Zur Identifizierung des Inhalts (ganze Chromosomen werden eingefärbt, azentrische Chromosomenfragmente nicht) von Mikrokernen können Anti-Kinetochor-Antikörper, FISH mit panzentromerischen DNA-Sonden oder eine präparierte In-situ-Markierung mit panzentromer-spezifischen Primern, zusammen mit der geeigneten DNA-Gegenfärbung, verwendet werden, wenn mechanistische Informationen zu ihrer Bildung benötigt werden (16) (17). Andere Methoden zur Unterscheidung zwischen Klastogenen und Aneugenen können ebenfalls angewandt werden, wenn sie sich als wirksam erwiesen haben. Beispielsweise könnten bei bestimmten Zelllinien die Messungen von sub-2N-Kernen als hypodiploide Ereignisse mittels Techniken wie Bildanalyse, Laser-Scan-Zytometrie oder Durchflusszytometrie ebenfalls nützliche Informationen liefern (80) (81) (82). Morphologische Beobachtungen von Kernen könnten ebenfalls auf eine mögliche Aneuploidie hinweisen. Ein Test auf Chromosomenaberrationen in der Metaphase, vorzugsweise am gleichen Zelltyp und unter Verwendung eines Protokolls mit vergleichbarer Empfindlichkeit, könnte ebenfalls eine nützliche Methode sein, um festzustellen, ob die Mikrokerne auf einen Chromosomenbruch zurückzuführen sind (in dem Wissen, dass ein Chromosomenverlust mit dem Test auf Chromosomenaberrationen nicht erkannt würde).

Analyse

Alle Objektträger, auch die für das Lösungsmittel und die unbehandelten Kontrollen (sofern verwendet) und die Positivkontrollen, sind vor der mikroskopischen Untersuchung der Mikrokernfrequenzen von unabhängiger Seite zu kodieren. Bei der Verwendung eines automatisierten Auswertungssystems, wie Durchflusszytometrie, Laser-Scan-Zytometrie oder Bildanalyse, sollten geeignete Techniken zum Ausgleich systematischer Messfehler verwendet werden. Unabhängig davon, welche automatisierte Plattform zur Zählung der Mikrokerne verwendet wird, sind CBPI, RI, RPD oder RICC parallel auszuwerten.

In Kulturen, die mit cytoB behandelt wurden, sind die Mikrokernfrequenzen von mindestens 2 000 zweikernigen Zellen pro Konzentration und Kontrolle (83) zu analysieren, die, sofern Replikate verwendet werden, gleichmäßig auf die Replikate verteilt sein sollten. Bei der Verwendung von Einfachkulturen pro Dosis (siehe Nummer 28) sollten in einer solchen Kultur mindestens 2 000 zweikernige Zellen pro Kultur (83) ausgewertet werden. Wenn wesentlich weniger als 1 000 zweikernige Zellen pro Kultur (bei Zweifachkulturen) bzw. 2 000 (bei Einfachkulturen) in jeder Konzentration für die Auswertung zur Verfügung stehen und wenn keine signifikante Zunahme an Mikrokernen festgestellt wird, ist der Test mit einer höheren Anzahl an Zellen oder mit weniger zytotoxischen Konzentrationen zu wiederholen, je nachdem, was angemessen ist. Es ist darauf zu achten, dass keine zweikernigen Zellen ausgewertet werden, die unregelmäßige Formen aufweisen oder deren zwei Kerne in der Größe beträchtlich voneinander abweichen. Außerdem dürfen zweikernige Zellen nicht mit schlecht auf dem Träger verteilten mehrkernigen Zellen verwechselt werden. Zellen mit mehr als zwei Hauptkernen werden nicht auf Mikrokerne untersucht, da in diesen Zellen die zugrunde liegende Mikrokernfrequenz höher sein könnte (84). Die Auswertung einkerniger Zellen ist akzeptabel, wenn die Prüfchemikalie die Wirkung von cytoB beeinträchtigt. In diesen Fällen könnte ein Wiederholungstest ohne cytoB sinnvoll sein. Die Auswertung einkerniger Zellen zusätzlich zu den zweikernigen Zellen könnte nützliche Informationen liefern (85) (86), ist jedoch nicht zwingend erforderlich.

In Zelllinien, die ohne cytoB-Behandlung getestet wurden, sind die Mikrokerne in mindestens 2 000 Zellen pro Prüfkonzentration und Kontrolle (83) zu analysieren, die, sofern Replikate verwendet werden, gleichmäßig auf die Replikate verteilt sein sollten. Bei der Verwendung von Einzelkulturen je Konzentration (siehe Nummer 28) sind in dieser Kultur mindestens 2 000 Zellen auszuwerten. Wenn wesentlich weniger als 1 000 Zellen pro Kultur (bei Zweifachkulturen) bzw. 2 000 Zellen (bei Einfachkulturen) in jeder Konzentration für die Auswertung zur Verfügung stehen und wenn keine signifikante Zunahme an Mikrokernen festgestellt wird, ist der Test mit einer höheren Anzahl an Zellen oder mit weniger zytotoxischen Konzentrationen zu wiederholen, je nachdem, was angemessen ist.

Wenn cytoB verwendet wird, ist von mindestens 500 Zellen pro Kultur ein CBPI oder RI zur Bewertung der Zellproliferation (siehe Anlage 2) festzulegen. Werden die Behandlungen ohne cytoB durchgeführt, muss unbedingt nachgewiesen werden, dass die Zellen in der Kultur eine Zellteilung vollzogen haben, wie unter den Nummern 24 bis 28 erläutert.

Kompetenz des Labors

Um ausreichende Erfahrungen mit der Prüfung zu sammeln, bevor routinemäßige Tests erfolgen, sollte das Labor eine Reihe von Versuchen mit positiven Referenzchemikalien durchgeführt haben, die sich unterschiedlicher Mechanismen (mindestens einer mit und einer ohne Stoffwechselaktivierung sowie einer mit einem aneugenen Wirkmechanismus, ausgewählt aus den in Tabelle 1 aufgeführten Chemikalien) und verschiedener Negativkontrollen (einschließlich unbehandelter Kulturen und verschiedener Lösungsmittel/Vehikel) bedienen. Die Reaktionen dieser Positiv- und Negativkontrollen sollten mit der Literatur im Einklang stehen. Dies gilt nicht für erfahrene Labors, d. h. für Labors, die über eine Datenbank mit historischen Daten gemäß der Definition unter den Nummern 49 bis 52 verfügen.

Eine Auswahl von Positivkontrollchemikalien (siehe Tabelle 1) sollte anhand von Kurz- und Langzeitbehandlungen ohne Stoffwechselaktivierung und darüber hinaus anhand einer Kurzzeitbehandlung mit Stoffwechselaktivierung untersucht werden, um die Fähigkeit des Labors zum Nachweis klastogener und aneugener Chemikalien, zur Bestimmung der Wirksamkeit des Stoffwechselaktivierungssystems und des Nachweises der Eignung der Auswertungsverfahren (visuelle mikroskopische Untersuchung, Durchflusszytometrie, Laser-Scan-Zytometrie oder Bildanalyse) zu belegen. Zum Nachweis der Empfindlichkeit und dynamischen Bandbreite des Versuchssystems sollte eine Spanne der Konzentrationen der ausgewählten Chemikalien festgelegt werden, um reproduzierbare und konzentrationsbezogene Zunahmen gegenüber dem Hintergrund zu erhalten.

Historische Kontrolldaten

Das Labor sollte Folgendes bestimmen:

 Bereich und Verteilung historischer Positivkontrollen

 Bereich und Verteilung historischer Negativkontrollen (unbehandelt, Lösungsmittel)

Bei der erstmaligen Erfassung von Daten zur Verteilung einer historischen Negativkontrolle sollten gleichzeitige Negativkontrollen veröffentlichten Negativkontrolldaten entsprechen, sofern solche vorhanden sind. Werden weitere Versuchsdaten zur Verteilung der Kontrollen hinzugefügt, sollten gleichzeitige Negativkontrollen idealerweise innerhalb von 95 % der Kontrollgrenzen der gewählten Verteilung liegen (87) (88). Die Datenbank des Labors zu historischen Negativkontrollen sollte zunächst mit mindestens 10 Versuchen angelegt werden. Vorzugsweise sollte sie jedoch aus mindestens 20 Versuchen bestehen, die unter vergleichbaren Versuchsbedingungen durchgeführt wurden. Labors sollten Qualitätskontrollverfahren anwenden, wie z. B. Qualitätsregelkarten (z. B. C-Karten oder X-Bar-Karten (88)), um zu ermitteln, wie variabel ihre Positiv- und Negativkontrolldaten sind, und um nachzuweisen, dass die Methodik in ihrem Labor„unter Kontrolle“ ist (83). Weitere Empfehlungen zum Aufbau und zur Verwendung von Sammlungen historischer Daten (d. h. Kriterien für die Aufnahme und den Ausschluss von Daten in bzw. aus historischen Datensätzen und die Gültigkeitskriterien für einen bestimmten Versuch) sind den Literaturangaben zu entnehmen (87).

Sämtliche Änderungen am Versuchsprotokoll sind auf Übereinstimmung mit den bereits vorhandenen historischen Kontrolldaten zu prüfen. Bei größeren Inkonsistenzen sollte eine neue historische Kontrolldatenbank erstellt werden.

Negativkontrolldaten sollten das Auftreten von Zellen mit Mikrokernen aus einer Einzelkultur oder aus einer Summe von Replikatkulturen erfassen (vgl. Beschreibung unter Nummer 28). Gleichzeitige Negativkontrollen sollten idealerweise innerhalb der Kontrollgrenzen von 95 % der gewählten Verteilung in der Datenbank des Labors zu historischen Negativkontrollen liegen (87) (88). Sofern gleichzeitige Negativkontrolldaten außerhalb der Kontrollgrenzen von 95 % liegen, ist es zulässig, sie in die historische Kontrollverteilung aufzunehmen, solange es sich bei den Daten nicht um „extreme Ausreißer“ handelt und nachgewiesen werden kann, dass das Testsystem „unter Kontrolle“ ist (siehe Nummer 50) und nachweislich kein technisches oder menschliches Versagen vorliegt.

DATEN UND BERICHTERSTATTUNG

Interpretation der Ergebnisse

Bei Verwendung des Zytokinese-Block-Verfahrens werden nur die Frequenzen zweikerniger Zellen mit Mikrokernen (unabhängig von der Anzahl der Mikrokerne pro Zelle) zur Bewertung der Mikrokern-Induktion herangezogen. Die Auswertung der Anzahl an Zellen mit einem, zwei oder mehr Mikrokernen kann separat ausgewiesen werden und könnte nützliche Informationen liefern, ist jedoch nicht zwingend notwendig.

Festzulegen sind auch Maßnahmen, die gleichzeitig zur Bestimmung der Zytotoxizität und/oder Zytostase aller behandelten Kulturen und aller Negativ- und Positivkontrollkulturen durchgeführt werden (16). Der CBPI oder der RI ist für alle behandelten Kulturen und Kontrollkulturen zu berechnen, da sich bei Anwendung der Zytokinese-Block-Methode die Messungen des Zellzyklus verzögern. Kommt cytoB nicht zum Einsatz, sollte die relative Populationsverdopplung (RPD) oder die relative Erhöhung der Zellzahl (RICC) herangezogen werden (siehe Anlage 2).

Es sind die Daten für die einzelnen Kulturen zu dokumentieren. Zusätzlich sollten alle Daten in tabellarischer Form zusammengefasst werden.

Gültigkeitskriterien

Die Akzeptanz eines Versuchs beruht auf folgenden Kriterien:

 Die Aufnahme der gleichzeitigen Negativkontrolle in die Datenbank des Labors zu historischen Negativkontrollen ist zulässig, wenn sie der Beschreibung unter Nummer 50 entspricht.

 Gleichzeitige Positivkontrollen (siehe Nummer 50) sollten Reaktionen hervorrufen, die mit den Reaktionen kompatibel sind, die in der Datenbank zu historischen Positivkontrollen erzeugt werden, und eine statistisch signifikante Zunahme gegenüber den gleichzeitigen Negativkontrollen aufweisen.

 Die Kriterien für die Zellproliferation in der Lösungsmittelkontrolle müssen erfüllt sein (Nummern 25, 26 und 27).

 Es wurden alle drei Versuchsbedingungen getestet, es sei denn, eine führte zu positiven Ergebnissen (Nummern 36-40).

 Eine angemessene Zahl an Zellen und Konzentrationen ist analysierbar (Nummer 28 sowie Nummern 44, 45 und 46).

 Die Kriterien für die Auswahl der höchsten Konzentration entsprechen den Kriterien unter den Nummern 24-31.

Bewertung und Interpretation der Ergebnisse

Unter der Voraussetzung, dass alle Akzeptanzkriterien erfüllt sind, gilt eine Prüfchemikalie als eindeutig positiv, wenn unter den geprüften Versuchsbedingungen (siehe Nummern 36-39)

 mindestens eine der Versuchskonzentrationen eine statistisch signifikante Zunahme gegenüber der gleichzeitigen Negativkontrolle aufweist (89),

 die Zunahme unter mindestens einer Versuchsbedingung bei der Bewertung anhand eines geeigneten Trendtests dosisabhängig ist (siehe Nummer 28),

 eines der Ergebnisse außerhalb der Verteilung der historischen Negativkontrolldaten liegt (z. B. auf einer Poisson-Verteilung beruhende Kontrollgrenzen von 95 %, siehe Nummer 52).

Sind alle diese Kriterien erfüllt, wird davon ausgegangen, dass die Prüfchemikalie in diesem Testsystem Chromosomenbrüche und/oder Gewinn bzw. Verlust von Chromosomenmaterial auslösen kann. Empfehlungen zu den am besten geeigneten statistischen Methoden sind der Literatur zu entnehmen (90) (91) (92).

Unter der Voraussetzung, dass alle Akzeptanzkriterien erfüllt sind, gilt eine Prüfchemikalie als eindeutig negativ, wenn unter allen geprüften Versuchsbedingungen (siehe Nummern 36-39)

 keine der Versuchskonzentrationen eine statistisch signifikante Zunahme gegenüber der gleichzeitigen Negativkontrolle aufweist,

 die Bewertung anhand eines geeigneten Trendtests keine dosisabhängige Zunahme ergibt,

 alle Ergebnisse innerhalb der Verteilung der historischen Negativkontrolldaten liegen (z. B. auf einer Poisson-Verteilung beruhende Kontrollgrenzen von 95 %, siehe Nummer 52).

In diesem Fall wird davon ausgegangen, dass die Prüfchemikalie keine Chromosomenbrüche und/oder Gewinn bzw. Verlust von Chromosomenmaterial in diesem Testsystem auslösen kann. Empfehlungen zu den am besten geeigneten statistischen Methoden sind der Literatur zu entnehmen (90) (91) (92).

Bei einer eindeutig positiven oder negativen Reaktion ist eine Verifizierung nicht erforderlich.

In den Fällen, in denen die Reaktion, wie oben beschrieben, weder eindeutig negativ noch eindeutig positiv ist, und/oder um die biologische Relevanz eines Ergebnisses zu untermauern, sollten die Daten durch eine fachkundige Beurteilung und/oder anhand weiterer Untersuchungen bewertet werden. Die Auswertung weiterer Zellen oder die Durchführung eines Wiederholungsversuchs, möglicherweise unter veränderten Versuchsbedingungen (z. B. Abstände der Konzentrationen, andere Stoffwechselaktivierungsbedingungen (d. h. Konzentration oder Herkunft von S9), könnte gegebenenfalls hilfreich sein.

In seltenen Fällen erlaubt der Datensatz selbst nach weiteren Untersuchungen keine definitive Aussage zu positiven oder negativen Ergebnissen, und es wird daher die Schlussfolgerung gezogen, dass die Reaktion nicht eindeutig ist.

Wenn Prüfchemikalien im MNvit-Test Mikrokerne induzieren, kann dies darauf zurückzuführen sein, dass sie Chromosomenbrüche, Chromosomenverlust oder eine Kombination aus beidem verursachen. Deshalb können weitere Analysen unter Einsatz von Anti-Kinetochor-Antikörpern, zentromer-spezifischen In-situ-Sonden oder mithilfe sonstiger Methoden vorgenommen werden, um festzustellen, ob der Mechanismus der Mikrokern-Induktion von einer klastogenen und/oder aneugenen Wirkung herrührt.

Testbericht

Der Prüfbericht muss folgende Angaben enthalten:

Prüfchemikalie:

 Herkunft, Partienummer, ggf. begrenztes Verwendungsdatum;

 Stabilität der Prüfchemikalie, falls bekannt;

 Reaktivität der Prüfchemikalien mit dem Lösungsmittel/Vehikel oder dem Zellkulturmedium;

 Löslichkeit und Stabilität der Prüfchemikalie im Lösungsmittel, falls bekannt;

 Messung des pH-Werts, der Osmolalität und ggf. des Niederschlag im Kulturmedium, dem die Prüfchemikalie zugegeben wurde.

Einkomponentige Substanz:

 Aussehen, Wasserlöslichkeit und weitere relevante physikalisch-chemische Eigenschaften;

 chemische Bezeichnung, wie z. B. IUPAC- oder CAS-Bezeichnung, CAS-Nummer, SMILES- oder InChI-Code, Strukturformel, Reinheit, chemische Zusammensetzung von Verunreinigungen, falls zutreffend und praktisch durchführbar usw.

Mehrkomponentige Substanz, UVCB-Stoffe und Gemische:

 So weit wie möglich charakterisiert durch die chemische Zusammensetzung (siehe oben), das quantitative Vorkommen und die relevanten physikalisch-chemischen Eigenschaften der einzelnen Komponenten.

Lösungsmittel:

 Begründung der Auswahl des Lösungsmittels;

 Anteil des Lösungsmittels im endgültigen Kulturmedium.

Zellen:

 Typ und Herkunft der verwendeten Zellen;

 Eignung des verwendeten Zelltyps;

 bei Zelllinien: Nichtvorhandensein von Mykoplasma;

 bei Zelllinien: Angaben über die Dauer des Zellzyklus oder den Proliferationsindex;

 bei Verwendung von Lymphozyten: Geschlecht und Alter der Blutspender, sachdienliche Informationen zum Spender, Vollblut oder separierte Lymphozyten, verwendetes Mitogen;

 normale Zellzyklusdauer (Negativkontrolle);

 bei Zelllinien: ggf. Passagenanzahl;

 bei Zelllinien: zum Erhalt der Zellkultur verwendete Verfahren;

 bei Zelllinien: Modalwert der Chromosomen.

Prüfbedingungen:

 Bezeichnung des Zytokinese-Block-Stoffs (z. B. cytoB), falls verwendet, dessen Konzentration und Dauer der Zellexposition;

 Konzentration der Prüfchemikalie, ausgedrückt als Endkonzentration im Kulturmedium (z. B. μg oder mg/ml oder mM des Kulturmediums);

 Begründung für die Auswahl der Konzentrationen und die Anzahl der Kulturen, darunter z. B. Angaben zur Zytotoxizität und Löslichkeitsgrenze;

 Medienzusammensetzung, ggf. CO2-Konzentration, Feuchtigkeit;

 Konzentration (und/oder Volumen) des Lösungsmittels und der dem Kulturmedium beigegebenen Prüfchemikalie;

 Inkubationstemperatur und -dauer;

 Behandlungsdauer;

 Zeitpunkt der Gewinnung nach der Behandlung;

 ggf. Zelldichte bei der Beimpfung;

 Art und Zusammensetzung des Stoffwechselaktivierungssystems (Herkunft von S9, Zubereitungsmethode des S9-Gemisches, Konzentration oder Volumen des S9-Gemisches und von S9 im Endmedium), Qualitätskontrollen von S9 (z. B. enzymatische Aktivität, Sterilität, Stoffwechselfähigkeit);

 Positiv- und Negativkontrollchemikalien, Endkonzentrationen, Bedingungen sowie Behandlungsdauer und Regenerationszeit;

 Methoden zur Präparation des Objektträgers und verwendete Färbetechnik;

 Kriterien für die Auswertung von Mikrokernzellen (Auswahl der analysierbaren Zellen und Identifizierung von Mikrokernen);

 Anzahl der analysierten Zellen;

 Methoden zur Bestimmung der Zytotoxizität;

 evtl. zusätzliche Angaben zur Zytotoxizität und zum verwendeten Verfahren;

 Kriterien zur Einstufung der Studien als positiv, negativ oder nicht eindeutig;

 verwendete statistische Analysemethode(n);

 Methoden, z. B. die Verwendung von Kinetochor-Antikörpern oder Pan-Zentromer-Sonden, um ggf. zu beschreiben, ob Mikrokerne ganze oder fragmentierte Chromosomen enthalten;

 Methoden zur Bestimmung von pH-Wert, Osmolalität und Ausfällung.

Ergebnisse:

 Definition geeigneter Zellen für die Analyse;

 bei Zelllinien: für jede Kultur die Anzahl der behandelten Zellen und Anzahl der gewonnenen Zellen, wenn kein cytoB verwendet wird;

 verwendete Messung der Zytotoxizität, z. B. CBPI oder RI bei der Zytokinese-Block-Methode; RICC oder RPD, wenn keine Zytokinese-Block-Verfahren verwendet werden; sonstige Beobachtungen bei Bedarf (z. B. Zell-Konfluenz, Apoptose, Nekrose, Metaphasezählung, Frequenz zweikerniger Zellen);

 Ausfällungszeichen und Bestimmungszeit;

 Angaben zum pH-Wert und zur Osmolalität des Behandlungsmediums, falls ermittelt;

 Verteilung einkerniger, zweikerniger und mehrkerniger Zellen, falls eine Zytokinese-Block-Methode verwendet wird;

 Anzahl der Zellen mit Mikrokernen, gesondert für jede behandelte Kultur und Kontrollkultur, und Angabe, ob diese von zweikernigen oder einkernigen Zellen stammen, sofern zutreffend;

 nach Möglichkeit Dosis-Wirkungs-Verhältnis;

 Daten zu gleichzeitigen Negativ-(Lösungsmittel-)Kontrollen und Positivkontrollen (Konzentrationen und Lösungsmittel);

 Daten zu historischen Negativ-(Lösungsmittel-)Kontrollen und Positivkontrollen mit Bereichen, Mittelwerten und Standardabweichungen und 95 %-Grenzen für die Verteilung sowie Anzahl der Datensätze;

 statistische Analysen, ggf. p-Werte.

Diskussion der Ergebnisse:

Schlussfolgerungen

LITERATURHINWEISE

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(93) International Conference on Harmonisation (ICH) Guidance S2 (R1) on Genotoxicity Testing and Data Interpretation for Pharmaceuticals Intended For Human Use.

Anlage 1

DEFINITIONEN

Aneugen : Chemikalie oder Prozess, die/der durch Wechselwirkung mit den Komponenten des mitotischen und meiotischen Zellteilungszyklus-Apparats zu Aneuploidie in Zellen oder Organismen führt.

Aneuploidie : Abweichung von der normalen diploiden (oder haploiden) Chromosomenzahl durch ein einziges Chromosom oder mehr, nicht aber durch einen ganzen (oder mehrere) Chromosomensatz/-sätze (Polyploidie).

Apoptose : Programmierter Zelltod, der durch eine Reihe von Schritten charakterisiert ist, an deren Ende eine Desintegration von Zellen in membranumschlossene Partikel steht, die schließlich durch Phagozytose oder Shedding abgebaut werden.

Chemikalie : Stoff oder Gemisch.

Genotoxisch : Allgemeine Bezeichnung für alle Arten von DNA- oder Chromosomenschäden, einschließlich Brüchen, Deletionen, Addukten, Nukleotidmodifikationen und -verknüpfungen, Reunionen, Genmutationen, Chromosomenaberrationen und Aneuploidie. Nicht alle genotoxischen Effekte führen zu Mutationen oder stabilen Chromosomenschäden.

Kinetochor : Proteinhaltige Struktur, die sich am Zentromer eines Chromosoms sammelt, an der während der Zellteilung die Spindelfasern anhaften, wodurch die ordnungsgemäße Beförderung der Tochterchromosomen zu den Polen der Tochterzellen ermöglicht wird.

Klastogen : Chemikalie oder Ereignis, die/das strukturelle Chromosomenaberrationen in Zellpopulationen oder eukaryontischen Organismen auslöst.

Konzentrationen : Beziehen sich auf Endkonzentrationen der Prüfchemikalie im Kulturmedium.

Interphasezellen : Zellen, die sich nicht im Stadium der Mitose befinden.

Lösungsmittelkontrolle : allgemeiner Begriff zur Bezeichnung der Kontrollkulturen, die nur mit dem Lösungsmittel behandelt werden, in dem die Prüfchemikalie gelöst wird.

Mikronuclei/Mikrokerne : Kleine Kerne zusätzlich zu den Hauptkernen der Zellen und von diesen getrennt, die während der Telophase der Mitose oder Meiose durch zurückgebliebene Chromosomenteile oder ganze Chromosomen gebildet werden.

Mitose : Teilung des Zellkerns, die in der Regel in Prophase, Prometaphase, Metaphase, Anaphase und Telophase gegliedert ist.

Mitoseindex : Anteil der Zellen einer Zellpopulation, die sich zum Beobachtungszeitpunkt in Metaphase befinden; ein Hinweis auf den Grad der Zellproliferation dieser Population.

Mutagen : Auslöser einer Erbgutveränderung der DNA-Basenpaarsequenz(en) in Genen oder in der Chromosomenstruktur (Chromosomenaberrationen).

Non-Disjunktion : Unvermögen der paarweise angeordneten Chromatiden, sich zu trennen und sich auf die in Entwicklung begriffenen Tochterzellen aufzuteilen. Dabei entstehen Tochterzellen mit abweichenden Chromosomenzahlen.

p53-Status : Das p53-Protein ist an der Regulierung des Zellzyklus, der Apoptose und der DNA-Reparatur beteiligt. Zellen, denen ein funktionales p53-Protein fehlt und die nicht in der Lage sind, den Zellzyklus aufzuhalten oder beschädigte Zellen über Apoptose oder andere Mechanismen (z. B. Einleitung einer DNA-Reparatur) im Zusammenhang mit Aufgaben des p53-Proteins als Reaktion auf DNA-Schäden zu beseitigen, sollten theoretisch eher zu Genmutationen oder Chromosomenaberrationen neigen.

Polyploidie : Zahlenmäßige Chromosomenaberrationen in Zellen oder Organismen, von denen ein oder mehrere ganze Chromosomensätze betroffen sind, im Gegensatz zur Aneuploidie, bei der nur ein oder mehrere einzelne Chromosomen betroffen sind.

Proliferationsindex (PI) : Verfahren zur Messung der Zytotoxizität, wenn kein cytoB verwendet wird (Formel siehe Anlage 2).

Prüfchemikalie : Stoff oder Gemisch, der bzw. das nach dieser Prüfmethode getestet wird.

Relative Erhöhung der Zellzahl (RICC) : Verfahren zur Messung der Zytotoxizität, wenn kein cytoB verwendet wird (Formel siehe Anlage 2).

Relative Populationsverdopplung (RPD) : Verfahren zur Messung der Zytotoxizität, wenn kein cytoB verwendet wird (Formel siehe Anlage 2).

Replikationsindex (RI) : Anteil der abgeschlossenen Zellteilungszyklen in einer behandelten Kultur im Verhältnis zur nicht behandelten Kontrollgruppe während der Expositions- und Regenerationsphase (Formel siehe Anlage 2).

S9-Gemisch : Gemisch aus der S9-Leberfraktion und den für die metabolische Enzymaktivität notwendigen Ko-Faktoren.

S9-Leberfraktion : Überstand des Leberhomogenats nach Zentrifugieren bei 9 000  g, d. h. Rohleberextrakt.

Unbehandelte Kontrollen : Kulturen, die nicht behandelt werden (d. h. weder mit einer Prüfchemikalie noch mit Lösungsmittel), jedoch gleichzeitig in gleicher Weise aufbereitet werden wie die Kulturen, die mit der Prüfchemikalie behandelt werden.

Zellproliferation : Zunahme der Anzahl von Zellen als Ergebnis der mitotischen Zellteilung.

Zentromer : DNA-Bereich eines Chromosoms, an dem die beiden Chromatiden zusammengehalten werden und an dem beide Kinetochoren Seite an Seite angeordnet sind.

Zytokinese : Prozess der Zellteilung unmittelbar nach der Mitose, bei dem zwei Tochterzellen, jeweils mit einem einzigen Kern, gebildet werden.

Zytokinese-Block-Proliferationsindex (CBPI) : Anteil der Zellen aus zweiter Teilung in der behandelten Population im Verhältnis zur nicht behandelten Kontrollgruppe (Formel siehe Anlage 2).

Zytostase : Hemmung des Zellwachstums (Formel siehe Anlage 2).

Zytotoxizität :
Bei den unter diese Prüfmethode fallenden Versuchen, die mit Zusatz von Cytochalasin B durchgeführt werden, bezeichnet Zytotoxizität eine Verringerung des Zytokinese-Block-Proliferationsindex (CBPI) oder Replikationsindex (RI) der behandelten Zellen, verglichen mit der Negativkontrolle (siehe Nummer 26 und Anlage 2).
Bei den unter diese Prüfmethode fallenden Versuche, die ohne Zusatz von Cytochalasin B durchgeführt werden, bezeichnet Zytotoxizität eine Verringerung der relativen Populationsverdopplung (RPD) bzw. der relativen Erhöhung der Zellzahl (RICC) der behandelten Zellen, verglichen mit der Negativkontrolle (siehe Nummer 27 und Anlage 2).

Anlage 2

FORMELN ZUR BEWERTUNG DER ZYTOTOXIZITÄT

Wenn cytoB zum Einsatz kommt , sollte die Bewertung der Zytotoxizität auf dem Zytokinese-Block-Proliferationsindex (CBPI) oder dem Replikationsindex (RI) beruhen (17) (69). Der CBPI gibt die mittlere Zahl der Kerne pro Zelle an und kann zur Berechnung der Zellproliferation eingesetzt werden. Der RI gibt die relative Zahl der Zellzyklen pro Zelle während der Exposition gegenüber cytoB in behandelten Kulturen im Vergleich zu Kontrollkulturen an und kann zur Berechnung der Zytostase in % verwendet werden:

% Zytostase = 100 – 100{(CBPIT – 1) ÷ (CBPIC – 1)}

und:

T

=

mit der Prüfchemikalie behandelte Kultur

C

=

Vehikel-Kontrollkultur

Dabei gilt:

image

Damit entspricht ein CBPI von 1 (alle Zellen sind einkernig) einer Zytostase von 100 %.

Zytostase = 100 – RI

image

T

=

behandelte Kulturen

C

=

Kontrollkulturen

Ein RI von 53 % bedeutet somit, dass sich in der behandelten Kultur gegenüber der Anzahl der Zellen in der Kontrollkultur, die sich geteilt und zwei- und mehrkernige Zellen gebildet haben, nur 53 % geteilt haben, was eine Zytostase von 47 % bedeutet.

Wenn kein cytoB zum Einsatz kommt , wird eine Bewertung der Zytotoxizität auf der Basis der relativen Erhöhung der Zellzahl (RICC) oder der relativen Populationsverdopplung (RPD) empfohlen (69), da bei beiden der Anteil der Zellpopulation berücksichtigt wird, der eine Teilung durchlaufen hat.

image

image

Dabei gilt:

Populationsverdopplung = [log ((Zellzahl nach Behandlung ÷ Anfängliche Zellzahl)] ÷ log 2

Somit zeigt eine RICC oder eine RPD von 53 % eine Zytotoxizität/Zytostase von 47 % an.

Bei Verwendung eines Proliferationsindex (PI) kann die Zytotoxizität durch das Zählen aller Klone bewertet werden, die aus 1 Zelle (cl1), 2 Zellen (cl2), 3 bis 4 Zellen (cl4) sowie 5 bis 8 Zellen (cl8) bestehen.

image

Der PI wurde als aussagefähiger und zuverlässiger Parameter für die Zytotoxizität auch bei Zelllinien verwendet, die in vitro ohne cytoB kultiviert wurden (35) (36) (37) (38) und kann als nützlicher zusätzlicher Parameter angesehen werden.

In jedem Fall sollen die behandelten Kulturen und die Negativkontrollkulturen vor der Behandlung die gleiche Zellzahl aufweisen.

Wenngleich der RCC-Wert (d. h. Zellzahl in behandelten Kulturen/Zellzahl in Kontrollkulturen) in der Vergangenheit als Bestimmungsgröße für die Zytotoxizität herangezogen wurde, wird er nicht mehr empfohlen, da er zu einer Unterschätzung der Toxizität führen kann.

Bei der Verwendung automatisierter Auswertungssysteme, wie Durchflusszytometrie, Laser-Scan-Zytometrie oder Bildanalyse, kann die Zellzahl in der Formel durch die Anzahl der Kerne ersetzt werden.

In den Negativkontrollkulturen sollte die Populationsverdopplung bzw. der Replikationsindex mit den Anforderungen an die Probenahme von Zellen nach der Behandlung zu einem Zeitpunkt, der etwa der 1,5-bis 2-fachen Dauer des normalen Zellzyklus entspricht, übereinstimmen.

▼M3

B.50.    HAUTSENSIBILISIERUNG: LOKALER LYMPHKNOTENTEST: DA

EINLEITUNG

1. Die OECD-Leitlinien für die Prüfung von Chemikalien und die EU-Prüfmethoden werden regelmäßig überarbeitet, um dem wissenschaftlichen Fortschritt, sich ändernden Rechtsvorgaben und Belangen des Tierschutzes gerecht zu werden. Die ursprüngliche Prüfmethode (B.42) zur Bestimmung der Hautsensibilisierung bei der Maus, der Lokale Lymphknotentest (Local Lymph Node Assay bzw. LLNA; OECD-Prüfrichtlinie 429) wurde inzwischen überarbeitet (1). Verschiedene Veröffentlichungen (2) (3) (4) (5) (6) (7) (8) (9) gehen genauer auf die Validierung des LLNA und auf die mit ihm verbundenen wissenschaftlichen Arbeiten ein. Bei dem LLNA wird zur Messung der Lymphozytenproliferation radioisotopisches Thymidin oder Jod verwendet. Der Test hat daher Beschränkungen, wenn der Erwerb, die Verwendung oder die Entsorgung radioaktiver Materialien mit Problemen verbunden sind. Bei dem LLNA: DA (entwickelt von Daicel Chemical Industries, Ltd.) handelt es sich um eine nicht-radioaktive Modifikation des LLNA, die den Gehalt an Adenosintriphosphat (ATP) mittels Biolumineszenz als Indikator für die Lymphozytenproliferation bestimmt. Die Prüfmethode LLNA: DA wurde durch ein internationales Gremium für Sachverständigengutachten (peer review) validiert, geprüft und zur Identifizierung sensibilisierender und nicht sensibilisierender Chemikalien mit einigen Beschränkungen als geeignet befunden (10) (11) (12) (13). Diese Prüfmethode wurde zur Bewertung des Hautsensibilisierungspotenzials von Chemikalien (Stoffen und Gemischen) bei Tieren entwickelt. Kapitel B.6 dieses Anhangs und OECD-Prüfrichtlinie 406 stützen sich auf Meerschweinchen-Tests, insbesondere den Meerschweinchen-Maximierungstest und den Bühler-Test (14). Der LLNA (Kapitel B.42 dieses Anhangs; OECD-Prüfrichtlinie 429) und die beiden nicht-radioaktiven Modifikationen, LLNA: DA (Kapitel B.50 dieses Anhangs; OECD-Prüfrichtlinie 442 A) und LLNA: BrdU-ELISA (Kapitel B.51 dieses Anhangs; OECD-Prüfrichtlinie 442 B) haben insofern Vorteile gegenüber den Meerschweinchen-Tests in B.6 und OECD-Prüfrichtlinie 406 (14), als sie einen verringerten und gezielteren Einsatz von Versuchstieren ermöglichen.

2. Ebenso wie im LLNA wird bei dem LLNA: DA die Induktionsphase der Hautsensibilisierung untersucht. Der Test liefert quantitative Daten für die Bewertung von Dosis-Wirkungs-Beziehungen. Durch den möglichen Nachweis von hautsensibilisierenden Stoffen ohne die Verwendung radioaktiver Markierungen für die DNA können die berufliche Exposition gegenüber Radioaktivität und Entsorgungsprobleme vermieden werden. Dies wiederum ermöglicht eine verstärkte Verwendung von Mäusen zur Bestimmung hautsensibilisierender Stoffe und somit eine geringere Verwendung von Meerschweinchen zur Bewertung des hautsensibilisierenden Potenzials (B.6; OECD-Prüfrichtlinie 406) (14).

BEGRIFFSBESTIMMUNGEN

3. Die verwendeten Begriffsbestimmungen sind in Anlage 1 aufgeführt.

AUSGANGSÜBERLEGUNGEN UND BEGRENZUNGEN

4. Der LLNA: DA ist eine modifizierte LLNA-Methode zum Nachweis von Chemikalien mit potenziell hautsensibilisierenden Eigenschaften, mit bestimmten Beschränkungen. Dies bedeutet nicht notwendigerweise, dass der LLNA: DA zwingend in jedem Fall anstelle des LLNA oder der Meerschweinchen-Tests (B.6; OECD-Prüfrichtlinie) (14) eingesetzt werden muss. Vielmehr erweist sich der Test als gleichermaßen wertvoll und kann als Alternative gewählt werden, bei der im Allgemeinen keine weitere Bestätigung von positiven oder negativen Ergebnissen erforderlich ist. (10) (11). Das Prüflabor sollte vor der Durchführung der Studie alle verfügbaren Informationen über die Prüfsubstanz auswerten und berücksichtigen. Zu diesen Informationen zählen die Identität und die chemische Struktur der Prüfsubstanz, ihre physikalisch-chemischen Eigenschaften, die Ergebnisse aller sonstigen in vitro- oder in vivo-Toxizitätsprüfungen der Prüfsubstanz sowie toxikologische Daten zu strukturell verwandten Chemikalien. Diese Informationen sind zu berücksichtigen, um die Eignung des LLNA: DA für die jeweilige Prüfsubstanz festzustellen (bestimmte Arten chemischer Stoffe sind mit dem LLNA: DA nicht kompatibel [siehe Absatz 5]) und die Festlegung der Dosis zu erleichtern.

5. Beim LLNA: DA handelt es sich um eine in vivo-Methode. Das bedeutet, dass die kontaktsensibilisierenden Eigenschaften weiterhin an Tieren bewertet werden. Der Test erlaubt es jedoch, im Vergleich zu den Meerschweinchen-Tests (B.6; OECD-Prüfrichtlinie 406) die Anzahl der für diesen Zweck benötigten Tiere zu reduzieren (14). Zudem ist der LLNA: DA eine wesentlich verfeinerte Methode im Hinblick auf die Verwendung der Tiere (weniger Schmerzen und Leiden) bei den Tests zur Kontraktsensibilisierung, da es beim LLNA: DA, anders als bei B.6 und OECD-Prüfrichtlinie 406, nicht erforderlich ist, provozierte Überempfindlichkeitsreaktionen der Haut auszulösen. Trotz der Vorteile, die der LLNA: DA gegenüber B.6 und OECD-Prüfrichtlinie 406 (14) aufweist, ist er mit gewissen Einschränkungen behaftet, die die Anwendung von B.6 oder von OECD-Prüfrichtlinie 406 erforderlich machen können (z. B. die Prüfung bestimmter Metalle, falsch positive Ergebnisse bei bestimmten hautreizenden Stoffen [wie etwa bei tensidähnlichen Chemikalien] (6) (1 und Kapitel B.42 in diesem Anhang), oder die Löslichkeit der Prüfsubstanz). Zudem können chemische Klassen oder Substanzen mit Funktionsgruppen, die erwiesenermaßen als potenzielle Störfaktoren wirken können (16), den Einsatz von Meerschweinchen-Tests erforderlich machen (B.6; OECD-Prüfrichtlinie 406) (14)). Beschränkungen, die für den LLNA festgestellt wurden (1, und Kapitel B.42 dieses Anhangs), empfehlen sich auch für den LLNA: DA (10). Zudem könnte die Verwendung des LLNA: DA ungeeignet sein für die Prüfung von Substanzen mit Auswirkungen auf das ATP-Niveau (z. B. Substanzen, die als ATP-Hemmer wirken) oder Substanzen, die die genaue Messung der intrazellulären ATP-Messung beeinträchtigen (z. B. Vorhandensein ATP abbauender Enzyme, Vorhandensein extrazellulären ATPs im Lymphknoten). Abgesehen von diesen bekannten Beschränkungen dürfte der LLNA: DA für die Prüfung aller Substanzen geeignet sein, sofern mit diesen Substanzen keine Eigenschaften verbunden sind, die die Genauigkeit des LLNA: DA beeinträchtigen könnten. Außerdem sollte die Möglichkeit positiver Grenzergebnisse in Betracht gezogen werden, wenn für den Stimulationsindex (SI) Werte zwischen 1,8 und 2,5 ermittelt werden (siehe Absätze 31-32). Dies beruht auf der Validierungs-Datenbasis von 44 Substanzen mit einem SI ≥ 1,8 (siehe Absatz 6), bei denen der LLNA: DA alle 32 LLNA-Sensibilisatoren richtig identifizierte, jedoch drei von 12 LLNA-Nichtsensibilisatoren mit SI-Werten zwischen 1,8 und 2,5 (d. h. positive Grenzwerte) (10) nicht korrekt identifizierte. Da allerdings derselbe Datensatz für die Einstellung der SI-Werte und die Berechnung der prädiktiven Eigenschaften des Tests verwendet wurde, könnten die festgestellten Ergebnisse auch eine Überbewertung der tatsächlichen prädiktiven Eigenschaften sein.

PRINZIP DER PRÜFMETHODE

6. Der LLNA: DA beruht auf dem Prinzip, dass sensibilisierende Stoffe eine Lymphozytenproliferation in den drainierenden Lymphknoten an der Stelle der Applikation des chemischen Stoffes induzieren. Diese Proliferation verläuft proportional zur Dosis und zur Wirksamkeit des applizierten Allergens und bietet sich als einfache Möglichkeit an, eine quantitative Messung der Sensibilisierung zu erhalten. Die Proliferation wird gemessen, indem man die mittlere Proliferation jeder Prüfgruppe mit der mittleren Proliferation der mit Vehikel behandelten Kontrollgruppe (VK) vergleicht. Das Verhältnis der mittleren Proliferation in jeder Behandlungsgruppe zu dem in der gleichzeitigen Vehikelkontrollgruppe, auch als SI bezeichnet, wird festgelegt und sollte ≥ 1,8 betragen, ehe eine weitere Bewertung einer Prüfsubstanz als potenzieller Hautsensibilisator erfolgt. Die hier beschriebenen Methoden beruhen auf der Messung des ATP-Gehalts durch Biolumineszenz (die bekanntermaßen mit der Anzahl lebender Zellen korreliert) (17), um einen erhöhten Anteil proliferierender Zellen in den drainierenden aurikulären Lymphknoten nachzuweisen (18) (19). Die Biolumineszenz-Methode stützt sich auf das Enzym Luciferase, um die Bildung von Licht aus ATP und Luciferin mittels der folgenden Reaktion zu katalysieren:

ATP + Luciferin + O 2 image Oxyluciferin + AMP + PPi + CO 2 + Light

Die emittierte Lichtintensität steht in linearer Beziehung zur ATP-Konzentration und wird mit einem Luminometer gemessen. Bei dem Luciferin-Luciferase-Test handelt es sich um eine sensible Methode zur ATP-Quantifizierung, die in einer breiten Palette von Anwendungen zum Einsatz kommt (20).

BESCHREIBUNG DER PRÜFMETHODE

Auswahl von Versuchstierarten

7. Für diesen Test ist die Maus die Spezies der Wahl. Validierungsstudien für den LLNA: DA wurden ausschließlich mit dem CBA/J-Stamm durchgeführt, der daher als bevorzugter Stamm gilt (12) (13). Es werden junge erwachsene weibliche Mäuse verwendet, die weder geworfen haben noch trächtig sind. Bei Versuchsbeginn sollten die Tiere 8-12 Wochen alt sein, die Gewichtsunterschiede minimal sein und 20 % des mittleren Gewichts nicht übersteigen. Alternativ können Tests an anderen Stämmen und männlichen Tieren erfolgen, wenn anhand von hinlänglich großen Datenangaben nachgewiesen werden kann, dass keine signifikanten stamm- und/oder geschlechtsspezifischen Unterschiede in der Reaktion auf den LLNA: DA bestehen.

Haltungs- und Fütterungsbedingungen

8. Mäuse sollten in Gruppen gehalten werden (21), wenn nicht angemessene wissenschaftliche Begründungen eine Einzelhaltung nahelegen. Die Temperatur im Versuchsraum sollte 22 ± 3 °C betragen. Obwohl die relative Luftfeuchtigkeit mindestens 30 % betragen und zu anderen Zeiten als während der Reinigung vorzugsweise nicht über 70 % liegen soll, ist ein Wert von 50-60 % anzustreben. Die Beleuchtung sollte künstlich sein und die Hell- und Dunkelphasen sollten sich im Abstand von 12 Stunden abwechseln. An die Versuchstiere kann herkömmliches Laborfutter verfüttert werden, und eine unbegrenzte Trinkwasserversorgung ist zu gewährleisten.

Vorbereitung der Tiere

9. Die Tiere werden nach Zufallskriterien ausgewählt, zur individuellen Identifizierung markiert (aber nicht am Ohr) und vor Beginn der Dosierung für einen Zeitraum von mindestens 5 Tagen in ihren Käfigen an die Laborbedingungen gewöhnt. Vor Behandlungsbeginn werden alle Tiere untersucht, um sicherzustellen, dass keine sichtbaren Hautverletzungen bestehen.

Vorbereitung der Dosierlösungen

10. Feste Chemikalien sollten vor der Applikation in ein Mäuseohr in Lösungsmitteln/Vehikeln gelöst oder suspendiert und ggf. verdünnt werden. Flüssige Chemikalien können direkt appliziert oder zuvor verdünnt werden. Unlösliche Chemikalien, wie sie in der Regel in Medizinprodukten vorliegen, sollten vor der Applikation in ein Mäuseohr in einem geeigneten Lösungsmittel einer übertrieben starken Extraktion unterzogen werden, um alle extrahierbaren Inhaltsstoffe vor der Prüfung sichtbar zu machen. Die Prüfsubstanzen sollten täglich zubereitet werden, es sei denn, die Stabilität der Substanz bei Lagerung wird nachgewiesen.

Überprüfung der Zuverlässigkeit:

11. Anhand von positiven Kontrollchemikalien (PC) wird die ordnungsgemäße Leistung des Tests nachgewiesen. Hierzu ist eine angemessene und reproduzierbare Empfindlichkeit der Reaktion auf eine sensibilisierende Prüfsubstanz erforderlich, wobei die Reaktionsstärke gut charakterisiert ist. Es wird die Einbeziehung einer gleichzeitigen Positivkontrolle empfohlen, da diese die Fähigkeit des Labors belegt, jeden Test erfolgreich durchzuführen und eine Bewertung der Wiederholbarkeit und Vergleichbarkeit zwischen verschiedenen Labors ermöglicht. Einige Regulierungsbehörden schreiben eine Positivkontrolle für jede Studie vor. Daher wird Anwendern empfohlen, vor Durchführung des LLNA: DA die zuständigen Behörden zu Rate zu ziehen. Dementsprechend wird die routinemäßige Verwendung einer gleichzeitigen Positivkontrolle angeregt, um die Notwendigkeit zusätzlicher Tierversuche zur Erfüllung von Anforderungen zu vermeiden, die aus der Verwendung einer nur periodischen Positivkontrolle resultieren könnten (siehe Absatz 12). Die Positivkontrolle sollte eine positive Reaktion auf den LLNA: DA bei einem Expositionsniveau hervorrufen, das einen Anstieg des Stimulationsindex (SI ≥ 1,8 im Vergleich zur Negativkontrollgruppe, NK) bewirkt. Die positive Kontrolldosis soll so gewählt werden, dass sie keine übermäßige Hautreizung oder systemische Toxizität verursacht und die Induktion reproduzierbar, aber nicht exzessiv ist (z. B. ein SI > 10 würde als exzessiv gelten). Bevorzugte positive Kontrollstoffe sind 25 % Hexylcinnaminaldehyd (Chemical Abstracts Service [CAS]-Nr. 101-86-0) und 25 % Eugenol (CAS-Nummer 97-53-0) in Aceton: Olivenöl (4:1, v/v). Unter bestimmten Umständen können in ausreichend begründeten Fällen andere Kontrollsubstanzen eingesetzt werden, die den genannten Kriterien entsprechen.

12. Obwohl die Einbeziehung einer gleichzeitigen Positivkontrollgruppe empfohlen wird, können in gewissen Situationen periodische Prüfungen (d. h. in Abständen ≤ 6 Monaten) der Positivkontrolle für Laboratorien ausreichen, die den LLNA: DA regelmäßig (d. h. mindestens einmal pro Monat) durchführen und über eine etablierte historische Kontrolldatenbasis verfügen, die die Fähigkeit des Labors bestätigt, reproduzierbare und genaue Ergebnisse mit Positivkontrollen zu erzielen. Eine angemessene Beherrschung des LLNA: DA kann erfolgreich nachgewiesen werden, indem durchgehend positive Ergebnisse mit den positiven Kontrollchemikalien in mindestens 10 unabhängigen Prüfungen erzielt werden, die innerhalb eines angemessenen Zeitraums (d. h. in weniger als einem Jahr) durchgeführt wurden.

13. Eine gleichzeitige Positivkontrollgruppe sollte immer einbezogen werden, wenn Verfahrensänderungen im LLNA: DA auftreten (z. B. Wechsel des geschulten Personals, Änderung der Materialien bei den Prüfmethoden und/oder der Reagenzien, Änderung der Ausrüstung, Änderung der Herkunft der Versuchstiere). Solche Änderungen sollten in Laborberichten dokumentiert werden. Ferner ist der Einfluss dieser Änderungen auf die Aussagefähigkeit der zuvor eingerichteten historischen Datenbank zu bedenken. Dabei sollte die Notwendigkeit überdacht werden, eine neue historische Datenbank einzurichten, um die gleichbleibende Qualität der positiven Kontrollergebnisse zu dokumentieren.

14. Die Prüfer sollten sich der Tatsache bewusst sein, dass die Entscheidung, eine PC-Studie periodisch statt gleichzeitig durchzuführen, Auswirkungen auf die Aussagefähigkeit und Akzeptanz negativer Studienergebnisse haben kann, die ohne gleichzeitige Positivkontrolle im Zeitraum zwischen den einzelnen periodischen PC-Studien auftreten können. Wenn zum Beispiel ein falsch negatives Ergebnis in der periodischen PC-Studie auftritt, können negative Ergebnisse für die Prüfsubstanz, die in dem Zeitraum zwischen der letzten akzeptablen periodischen PC-Studie und der inakzeptablen periodischen PC-Studie aufgetreten waren, in Frage gestellt werden. Die Auswirkungen solcher Ergebnisse sollten sorgfältig bedacht werden, wenn entschieden wird, ob gleichzeitige oder nur periodische PC-Studien durchgeführt werden sollen. Auch ist die Verwendung einer geringeren Anzahl an Versuchstieren bei der gleichzeitigen Positivkontroll-Gruppe zu bedenken, wenn dies wissenschaftlich zu begründen ist und wenn das Labor auf der Grundlage laborspezifischer historischer Daten nachweist, dass eine geringere Anzahl an Mäusen ausreicht (22).

15. Obwohl eine positive Kontrollchemikalie in einem Vehikel getestet werden sollte, das bekanntermaßen eine gleichbleibende Reaktion auslöst (z. B. Aceton: Olivenöl; 4:1, v/v), können in bestimmten Rechtssituationen außerdem Prüfungen in einem Nichtstandard-Vehikel (klinisch/chemisch relevante Formulierung) erforderlich sein (23). Wenn die gleichzeitige Positivkontrolle in einem anderen Vehikel als der Prüfsubstanz getestet wird, sollte eine gesonderte Vehikelkontrolle für die gleichzeitige PC einbezogen werden.

16. In Fällen, in denen Prüfsubstanzen einer bestimmten chemischen Klasse oder eine Reihe von Reaktionen bewertet werden, können Referenzsubstanzen nützlich sein, um nachzuweisen, dass die Prüfmethode zur Feststellung des Hautsensibilisierungspotenzials dieser Art von Prüfsubstanzen ordnungsgemäß funktioniert. Geeignete Referenzsubstanzen sollten die folgenden Eigenschaften haben:

 strukturelle und funktionale Ähnlichkeit mit der Klasse der getesteten Prüfsubstanz;

 bekannte physikalische/chemische Eigenschaften;

 zugrunde liegende Daten aus dem LLNA: DA;

 zugrunde liegende Daten aus anderen Tiermodellen und/oder von Menschen.

TESTVERFAHREN

Anzahl der Versuchstiere und Dosierungen

17. Mindestens vier Tiere pro Dosisgruppe mit jeweils mindestens drei Konzentrationen der Prüfsubstanz werden benötigt; zusätzlich braucht man eine Negativkontrollgruppe, die nur mit dem Vehikel für die Prüfsubstanz behandelt wird, sowie eine Positivkontrolle (gleichzeitig oder jüngeren Datums, auf der Grundlage der Laborvorschriften in den relevanten Abschnitten 11-15). Tests mit Mehrfachdosen der PC sollten in Erwägung gezogen werden, insbesondere wenn die Positivkontrolle intermittierend getestet wird. Bis auf die Verabreichung der Prüfsubstanz sind die Tiere der Kontrollgruppen ebenso zu behandeln wie die Tiere der Behandlungsgruppen.

18. Die Auswahl der Dosis und des Vehikels soll anhand der Empfehlungen in (2) und (24) erfolgen. Für aufeinanderfolgende Dosierungen werden normalerweise geeignete abgestufte Konzentrationen gewählt, wie z. B. 100 %, 50 %, 25 %, 10 %, 5 %, 2,5 %, 1 %, 0,5 % usw. Die Auswahl der Konzentrationsfolge sollte angemessen wissenschaftlich begründet werden. Alle vorhandenen toxikologischen Angaben (z. B. über die akute Toxizität und Hautreizung) sowie strukturelle und physiochemische Angaben zu der jeweiligen Prüfsubstanz (und/oder strukturverwandten Substanzen) sollten bei der Festlegung von drei aufeinander folgenden Konzentrationen berücksichtigt werden, so dass bei der Höchstkonzentration einerseits die Exposition maximiert und andererseits eine systemische Toxizität und/oder eine übermäßige lokale Hautreizung ausgeschlossen werden (24) (25). Mangels solcher Informationen kann ein anfänglicher Dosisfindungstest erforderlich sein (siehe Absätze 21-24).

19. Das Vehikel sollte das Testergebnis nicht beeinflussen oder beeinträchtigen und sollte so gewählt werden, dass die Löslichkeit zur Erzielung einer möglichst hohen Konzentration maximiert und gleichzeitig eine für das Applizieren der Prüfsubstanz geeignete Lösung/Suspension hergestellt werden kann. Empfohlene Vehikel sind Aceton: Olivenöl (4:1, v/v), N,N-Dimethylformamid, Methylethylketon, Propylenglykol und Dimethylsulphoxid (6), wobei mit hinreichender wissenschaftlicher Begründung auch andere Vehikel verwendet werden können. Unter bestimmten Umständen muss ein klinisch relevantes Lösungsmittel oder die handelsübliche Zubereitung, in der die Prüfsubstanz vermarktet wird, als zusätzliche Kontrolle genutzt werden. Besondere Sorgfalt sollte darauf verwendet werden, zu gewährleisten, dass in das Vehikelsystem durch die Verwendung geeigneter Lösungsvermittler (z. B. 1 % Pluronic® L92) hydrophile Stoffe eingearbeitet werden, die die Haut befeuchten und nicht sofort ablaufen. Folglich sind vollständig wässrige Vehikel zu vermeiden.

20. Die Bearbeitung von Lymphknoten einzelner Mäuse ermöglicht die Bewertung der Variabilität von Tieren sowie einen statistischen Vergleich zwischen der Prüfsubstanz und Messungen an der Vehikelkontrollgruppe (siehe Absatz 33). Die Möglichkeit, die Anzahl der Mäuse in der Positivkontrollgruppe zu verringern, ist nur realistisch, wenn Einzeltierdaten erhoben werden (22). Außerdem verlangen einige Regulierungsbehörden die Erhebung von Daten einzelner Tiere. Die regelmäßige Erhebung von Einzeltierdaten stellt im Hinblick auf den Tierschutz einen Vorteil dar, indem Doppeltests vermieden werden. Diese wären notwendig, wenn die ursprünglich gemeinsam gesammelten Ergebnisse für die Prüfsubstanz (z. B. über gepoolte Daten) später von Regulierungsbehörden mit anderen Vorschriften (z. B. Einzeltierdaten) geprüft würden.

Dosisfindungstest

21. Wenn über die höchst mögliche Dosierung keine Informationen vorliegen (siehe Absatz 18), sollte ein Dosisfindungstest durchgeführt werden, um die geeignete Dosierung für den LLNA: DA festzulegen. Der Dosisfindungstest soll eine Orientierung bei der Auswahl der höchst möglichen Dosisstufe für die Hauptuntersuchung des LLNA: DA in Fällen liefern, in denen keine Informationen über Konzentrationen vorliegen, die zur systemischen Toxizität (siehe Absatz 24) und/oder zu übermäßiger Hautreizung führen (siehe Absatz 23). Die höchsten geprüften Dosisstufen sollten 100 % der Prüfsubstanz bei Flüssigkeiten bzw. die höchst möglichen Konzentrationen bei Feststoffen oder Suspensionen sein.

22. Der Dosisfindungstest wird unter Bedingungen durchgeführt, die denen der Hauptstudie des LLNA: DA genau entsprechen. Allerdings gibt es hier keine Bewertung der Lymphknotenproliferation und es können weniger Tiere pro Dosisgruppe eingesetzt werden. Es werden ein oder zwei Tiere pro Dosisgruppe empfohlen. Alle Mäuse werden täglich auf klinische Zeichen für systemische Toxizität oder lokale Reizungen an der Applikationsstelle untersucht. Das Körpergewicht wird vor dem Test und vor dem Abschluss (Tag 8) protokolliert. Beide Ohren jeder Maus werden auf Anzeichen für Erytheme untersucht und mit Hilfe von Tabelle 1 bewertet (25). Die Ohrdicke wird mit Hilfe eines Ohrdickenmessgeräts (z. B. digitaler Mikrometer oder Peacock Dickenmessuhr) an Tag 1 vor der Dosierung, Tag 3 (ca. 48 Stunden nach der ersten Dosis), Tag 7 (24 Stunden vor Abschluss) und Tag 8 bestimmt. Zusätzlich kann an Tag 8 die Ohrdicke durch die Gewichtsbestimmung von Ohrstanzproben ermittelt werden. Dies sollte nach der tierschutzgerechten Tötung der Tiere erfolgen. Eine übermäßige lokale Hautreizung wird durch eine Erythem-Punktzahl von ≥ 3 und/oder eine Zunahme der Ohrdicke ≥ 25 % an jedem beliebigen Messtag angezeigt (26) (27). Als höchste Dosis für die Hauptuntersuchung des LLNA: DA wird die nächst niedrigere Dosis in der Konzentrationsreihe des Dosisfindungstests gewählt (siehe Absatz 18), die keine systemische Toxizität und/oder übermäßige lokale Hautreizung verursacht.



Tabelle 1

Erythem-Klassifizierung

Beobachtung

Punktzahl

Kein Erythem

0

Sehr leichtes Erythem (kaum wahrnehmbar)

1

Klar abgegrenztes Erythem

2

Mäßiges bis ausgeprägtes Erythem

3

Schweres Erythem (dunkelrot) bis hin zur Schorfbildung, so dass eine Bewertung nicht möglich ist

4

23. Zusätzlich zu einer Zunahme der Ohrdicke um 25 % (26) (27) wurde ein statistisch signifikanter Anstieg der Ohrdicke bei den behandelten Mäusen im Vergleich zu den Kontrollmäusen zugrunde gelegt, um Reizstoffe in dem LLNA zu identifizieren (28) (29) (30) (31) (32) (33) (34). Obwohl ein statistisch signifikanter Anstieg auch bei einer Ohrdicke von weniger als 25 % auftreten kann, konnte kein spezifischer Zusammenhang mit einer übermäßigen Hautreizung festgestellt werden (30) (31) (32) (33) (34).

24. Die folgenden klinischen Beobachtungen können, sofern sie Bestandteil einer Gesamtbewertung sind, auf systemische Toxizität hinweisen (35) und somit die höchst mögliche Dosisstufe für die Hauptuntersuchung des LLNA: DA anzeigen: Änderungen der Funktionen des Nervensystems (z. B. Piloerektion, Ataxie, Tremor und Krämpfe); Verhaltensänderungen (z. B. Aggressivität, Änderungen bei der Fellpflege, auffallende Änderung des Aktivitätsniveaus); Änderungen des Atemmusters (d. h. Änderung der Häufigkeit und Intensität des Atmens wie Dyspnoe, Keuchen, rasselnder Atem) sowie Änderungen der Futter- und Wasseraufnahme. Zusätzlich sollten Anzeichen von Lethargie und/oder Teilnahmslosigkeit sowie alle klinischen Anzeichen für mehr als leichte oder momentane Schmerzen und Qual, eine Gewichtsreduktion > 5 % zwischen Tag 1 und Tag 8 sowie die Sterblichkeit in der Bewertung berücksichtigt werden. Moribunde Tiere oder Tiere, die Anzeichen starker und andauernder Qualen zeigen, sollten tierschutzgerecht getötet werden (36).

Versuchsplan der Hauptuntersuchung

25. Der Versuchsplan des Tests ist wie folgt:

Tag 1 : Jedes Tier wird einzeln gekennzeichnet und das Gewicht sowie jede klinische Beobachtung protokolliert. Es wird 1 % Natriumlaurylsulfat (NLS) in wässriger Lösung auf die Rückseite jedes Ohrs aufgetragen. Dies erfolgt mit vier bis fünf Strichen einer in die NLS-Lösung getauchten Bürste, so dass die gesamte Rückseite jedes Ohrs bedeckt ist. Eine Stunde nach der NLS-Behandlung werden 25 μL der Prüfsubstanz in der jeweiligen Verdünnung, des Vehikels allein oder der PK (gleichzeitig oder jüngeren Datums) gemäß den Laborvorschriften in den relevanten Abschnitten 11-15) auf die Rückseite jedes Ohrs appliziert.

Tage 2, 3 und 7 : Die an Tag 1 erfolgte Vorbehandlung mit 1 % NLS wässriger Lösung und die Applikation der Prüfsubstanz werden wiederholt.

Tage 4, 5 und 6 : Keine Behandlung.

Tag 8 : Das Gewicht jedes Tiers sowie jede klinische Beobachtung werden protokolliert. Ca. 24 bis 30 Stunden nach Beginn der Applikation an Tag 7 werden die Tiere tierschutzgerecht getötet. Die drainierenden aurikulären Lymphknoten jedes Mäuseohrs werden entfernt und separat (für jedes Tier einzeln) in phosphatgepufferte Kochsalzlösung (PBS) gegeben. Einzelheiten und Diagramme der Lymphknotenidentifikation und -entfernung sind unter Referenz (22) aufgeführt. Zur weiteren Kontrolle der lokalen Hautreaktion in der Hauptuntersuchung können zusätzliche Parameter wie die Auswertung des Ohr-Erythems oder Ohrdickemessungen (mittels eines Dickenmessgeräts oder durch die Gewichtsbestimmung von Ohrstanzproben bei der Nekropsie) in das Untersuchungsprotokoll aufgenommen werden.

Vorbereitung der Zellsuspensionen

26. Für jede Maus wird eine Einzelzellsuspension der beidseitig entnommenen Lymphknotenzellen (LNC) erstellt, indem die Lymphknoten zwischen zwei Glasträger geklemmt werden und leichter Druck ausgeübt wird, um die Knoten zu zerquetschen. Nach der Vergewisserung, dass das Gewebe sich dünnflächig verteilt hat, können die beiden Träger voneinander gelöst werden. Das Gewebe auf beiden Trägern wird in PBS gelöst, indem jeder Träger im Winkel über die Petrischale gehalten wird und mit PBS gespült wird, während gleichzeitig das Gewebe mit einem Zellschaber von dem Träger abgeschabt wird. Die Lymphknoten bei Tieren der Negativkontrollgruppe sind klein; daher ist Vorsicht geboten, um eine ungewollte Beeinflussung der SI-Werte zu vermeiden. Für das Spülen beider Träger sollte ein Gesamtvolumen von 1 mL PBS verwendet werden. Die Lymphknoten-Lösung in der Petrischale sollte mit dem Zellschaber leicht homogenisiert werden. Anschließend wird mit einer Mikropipette ein 20 μL Aliquot der Lymphknotenlösung entnommen (Achtung: nicht die für das Auge sichtbare Membran entnehmen) und mit 1,98 mL PBS gemischt, sodass sich eine Probe von 2 mL ergibt. Darauf wird eine zweite Probe von 2 mL mittels desselben Verfahrens zubereitet, sodass für jedes Tier zwei Proben vorliegen.

Bestimmung der Zellproliferation (Messung des ATP-Gehalts der Lymphozyten)

27. Erhöhungen des ATP-Gehalts in den Lymphknoten werden mittels der Luciferin-/Luciferase-Methode mit einem ATP-Mess-Kit bestimmt, das die Biolumineszenz in Relativen Lumineszenz-Einheiten (Relative Luminescence Units; RLU) misst. Die Testzeit zwischen dem Zeitpunkt der Tiertötung bis zur Messung des ATP-Gehalts für jedes einzelne Tier sollte gleich bleiben und bei bis zu ca. 30 Minuten liegen, da davon ausgegangen wird, dass der ATP-Gehalt nach der Tiertötung allmählich abnimmt (12). Folglich sollten die verschiedenen Verfahrensschritte ab der Entnahme der aurikulären Lymphknoten bis zur ATP-Messung nach einem vorher festgelegten Zeitplan, der für jedes Tier gleich ist, innerhalb von 20 Minuten abgeschlossen werden. Die ATP-Lumineszenz sollte in jeder Probe von 2 mL gemessen werden, so dass für jedes Tier zwei ATP-Messungen vorliegen. Anschließend wird die mittlere ATP-Lumineszenz bestimmt und in den folgenden Berechnungen verwendet (siehe Absatz 30).

BEOBACHTUNGEN

Klinische Beobachtungen

28. Jede Maus sollte mindestens einmal täglich sorgfältig auf klinische Zeichen, d. h. lokale Reizung an der Applikationsstelle, oder auf systemische Toxizität untersucht werden. Alle Beobachtungen werden systematisch in Einzelprotokollen dokumentiert, die für jedes Tier geführt werden. Die Überwachungspläne sollten Kriterien beinhalten, anhand derer Mäuse mit systemischer Toxizität, übermäßiger lokaler Hautreizung oder Hautätzung schnell zu Zwecken der schmerzlosen Tötung identifiziert werden können (36).

Körpergewicht

29. In Abschnitt 25 wurde bereits ausgeführt, dass das Körpergewicht der einzelnen Tiere zu Versuchsbeginn und zum Zeitpunkt der tierschutzgerechten Tötung der Tiere laut Versuchsplan festgestellt werden soll.

BERECHNUNG DER ERGEBNISSE

30. Die Ergebnisse für jede Behandlungsgruppe werden als mittlerer Stimulationsindex (SI) angegeben. Den SI erhält man durch Teilen der mittleren RLU pro Maus innerhalb jeder Prüfgruppe und der Positivkontrollgruppe durch die mittleren RLU pro Maus für die Lösungsmittel-/Vehikelkontrollgruppe. Der durchschnittliche SI beträgt demnach für die mit Vehikel behandelten Kontrollen 1.

31. In dem Entscheidungsprozess gilt ein Ergebnis als positiv, wenn SI ≥ 1,8 ist (10). Die Stärke der Dosis-Wirkung, die statistische Signifikanz und die gleichbleibende Qualität der Lösungsmittel-/Vehikel-Reaktion sowie der Reaktion der Positivkontrolle können aber auch benutzt werden, um festzulegen, ob ein Grenzergebnis (d. h. SI-Wert zwischen 1,8 und 2,5) als positiv bezeichnet werden soll (2) (3) (37).

32. Bei einer positiven Grenzwertreaktion mit einem SI zwischen 1,8 und 2,5 können Anwender zusätzliche Informationen berücksichtigen, wie z. B. die Dosis-Wirkungs-Beziehung, das Vorliegen einer systemischen Toxizität oder übermäßigen Hautreizung, sowie gegebenenfalls die statistische Signifikanz zusammen mit den SI-Werten, um zu bestätigen, dass die Ergebnisse positiv sind (10). Zu beachten sind ferner die verschiedenen Eigenschaften der Prüfsubstanz, wobei es unter anderem zu klären gilt, ob ein struktureller Zusammenhang mit bekannten Hautsensibilisatoren besteht, ob sie eine übermäßige lokale Hautreizung bei der Maus hervorruft und wie die festgestellte Art der Reaktion bezüglich der Dosis ist. Diese und weitere Aspekte werden an anderer Stelle ausführlich erörtert (4).

33. Werden die Daten für jede einzelne Maus erhoben, kann eine statistische Analyse zu Vorhandensein und Grad des Dosis-Wirkungs-Verhältnisses in den Daten durchgeführt werden. Jede statistische Auswertung könnte eine Bewertung der Dosis-Wirkungs-Beziehung sowie geeignete Testgruppen-Vergleiche beinhalten (z. B. Gruppe mit paarweiser Dosierung vs. gleichzeitige Lösungsmittel-/Vehikelkontrollgruppen). Die statistischen Analysen könnten z. B. die lineare Regression, den Williams-Test zur Bewertung von Dosis-Wirkungs-Trends oder den Dunnett-Test für paarweise Vergleiche beinhalten. Bei der Auswahl einer geeigneten Methode für die statistische Analyse sollte sich der Prüfer möglicher ungleicher Varianzen und anderer damit zusammenhängender Probleme stets bewusst sein, denn diese erfordern unter Umständen eine Datentransformation oder ein nicht-parametrisches statistisches Verfahren. Auf jeden Fall muss der Prüfer unter Umständen SI-Berechnungen und statistische Analysen mit und ohne bestimmte Datenpunkte (manchmal als „Ausreißer“ bezeichnet) vornehmen.

DATEN UND BERICHTERSTATTUNG

Daten

34. Die Daten sind in tabellarischer Form zusammenzufassen. Sie sollten die RLU-Einzelwerte, die mittleren RLU-Gruppenwerte pro Tier, die damit verbundene Fehlervariable (z. B. SD, SEM) und den mittleren SI für jede Dosisgruppe, verglichen mit der gleichzeitigen Lösungsmittel-/Vehikelkontrollgruppe angeben.

Prüfbericht

35. Der Testbericht sollte folgende Angaben enthalten:

Prüf- und Kontrollsubstanzen:

 Angaben zur Identität (z. B. CAS-Nummer und EG-Nummer, falls vorhanden; Bezugsquelle; Reinheit; bekannte Verunreinigungen; Chargennummer);

 physikalische Beschaffenheit und physikalisch-chemische Eigenschaften (z. B. Flüchtigkeit, Stabilität, Löslichkeit);

 bei Mischungen Zusammensetzung und relative Anteile der Bestandteile in Prozent;

Lösungsmittel/Vehikel:

 Angaben zur Identität (Reinheit, Konzentration, gegebenenfalls verwendete Mengen);

 Begründung für die Wahl des Vehikels;

Versuchstiere:

 Herkunft der CBA-Mäuse;

 mikrobiologischer Status der Tiere, soweit bekannt;

 Anzahl und Alter der Tiere;

 Herkunft der Tiere, Haltungsbedingungen, Futter usw.;

Prüfbedingungen:

 Herkunft, Chargennummer und Daten des Herstellers zur Qualitätssicherung/Qualitätskontrolle für das ATP-Kit;

 Angaben zur Vorbereitung und Applikation der Prüfsubstanz;

 Begründung der gewählten Dosierung (mit Ergebnissen des eventuell durchgeführten Dosisfindungstests);

 verwendete Konzentrationen des Vehikels und der Prüfsubstanz sowie Gesamtmenge der applizierten Prüfsubstanz;

 Angaben über Futter- und Wasserqualität (einschließlich Art/Herkunft des Futters, Wasserquelle);

 nähere Angaben zum Behandlungs- und Stichprobenentnahmeplan;

 Methoden zur Bestimmung der Toxizität;

 Kriterien zur Einstufung der Studien als positiv oder negativ;

 Einzelheiten zu eventuellen Protokollabweichungen und eine Erklärung dazu, wie sich diese Abweichung auf Prüfdesign und Ergebnisse auswirkt.

Überprüfung der Zuverlässigkeit:

 Zusammenfassende Darstellung der Ergebnisse der letzten Überprüfung der Zuverlässigkeit mit Angaben zu verwendeten Prüfsubstanzen, Konzentration und Vehikel;

 gleichzeitige und/oder historische PC und gleichzeitige Daten der Negativkontrolle (Lösungsmittel/Vehikel) für das Prüflabor;

 wenn keine gleichzeitige PC eingeschlossen war, Datum und Laborbericht über die jüngste periodische PC sowie ein Bericht mit ausführlichen Angaben über die historischen positiven Kontrolldaten des Labors mit Angabe der Gründe, warum keine gleichzeitige PC durchgeführt wurde;

Ergebnisse:

 Gewicht der einzelnen Tiere bei Beginn der Prüfung und zum Zeitpunkt der Tötung laut Versuchsplan, sowie mittlere und zugehörige Fehlervariable (z. B. SD, SEM) für jede Behandlungsgruppe;

 Beginn und zeitlicher Verlauf der toxischen Erscheinungen für jedes Tier, einschließlich gegebenenfalls Hautreizungen an der Stelle der Verabreichung;

 Zeitpunkt der Tötung und Zeitpunkt der ATP-Messungen für jedes Tier;

 Tabelle der RLU-Werte für jede Maus und der SI-Werte für jede Dosisgruppe;

 mittlere verbundene Fehlervariable (z. B. SD, SEM) für RLU/Maus für jede Behandlungsgruppe sowie die Ergebnisse der Ausreißer-Analyse für jede Behandlungsgruppe;

 berechneter SI und geeignete Messung der Variabilität, welche die Variabilität der Tiere sowohl in der Behandlungsgruppe als auch in der Kontrollgruppe berücksichtigt;

 Dosis-Wirkungs-Beziehung;

 gegebenenfalls statistische Analysen.

Diskussion der Ergebnisse:

 Kurze Kommentierung der Ergebnisse, der Dosis-Wirkungs-Beziehung und gegebenenfalls der statistischen Analysen mit Schlussfolgerungen zur Frage, ob die Prüfsubstanz als Hautsensibilisator eingestuft werden soll.

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(25) OECD (2002), Acute Dermal Irritation/Corrosion, Test Guideline No. 404, Guidelines for Testing of Chemicals, OECD, Paris. Abrufbar unter: [http://www.oecd.org/env/testguidelines]

(26) Reeder, M.K., Broomhead, Y.L., DiDonato, L. and DeGeorge, G.L. (2007), Use of an enhanced local lymph node assay to correctly classify irritants and false positive substances. Toxicologist, 96, 235.

(27) ICCVAM (2009), Nonradioactive Murine Local Lymph Node Assay: Flow Cytometry Test Method Protocol (LLNA: BrdU-FC) Revised Draft Background Review Document. Research Triangle Park, NC: National Institute of Environmental Health Sciences. Abrufbar unter: [http://iccvam.niehs.nih.gov/methods/immunotox/fcLLNA/BRDcomplete.pdf].

(28) Hayes, B.B., Gerber, P.C., Griffey, S.S. and Meade, B.J. (1998), Contact hypersensitivity to dicyclohexylcarbodiimide and diisopropylcarbodiimide in female B6C3F1 mice. Drug. Chem. Toxicol., 21, 195-206.

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(30) Woolhiser, M.R., Hayes, B.B. and Meade, B.J. (1998), A combined murine local lymph node and irritancy assay to predict sensitisation and irritancy potential of chemicals. Toxicol. Meth., 8, 245-256.

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(32) Ehling, G., Hecht, M., Heusener, A., Huesler, J., Gamer, A.O., van Loveren, H., Maurer, T., Riecke, K., Ullmann, L., Ulrich, P., Vandebriel, R. and Vohr, H.W. (2005), A European inter-laboratory validation of alternative endpoints of the murine local lymph node assay: first round. Toxicol., 212, 60-68.

(33) Vohr, H.W. and Ahr, H.J. (2005), The local lymph node assay being too sensitive? Arch. Toxicol., 79, 721-728.

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(36) OECD (2000), Guidance Document on the Recognition, Assessment and Use of Clinical Signs as Humane Endpoints for Experimental Animals Used in Safety Evaluation, Environmental Health and Safety Monograph Series on Testing and Assessment No. 19, ENV/JM/MONO(2000)7, OECD, Paris. Abrufbar unter: [http://www.oecd.org/env/testguidelines]

(37) Kimber, I., Hilton, J., Dearman, R.J., Gerberick, G.F., Ryan, C.A., Basketter, D.A., Lea, L., House, R.V., Ladies, G.S., Loveless, S.E. and Hastings, K.L. (1998), Assessment of the skin sensitisation potential of topical medicaments using the local lymph node assay: An interlaboratory exercise. J. Toxicol. Environ. Health, 53 563-79.

(38) OECD (2005), Guidance Document on the Validation and International Acceptance of New or Updated Test Methods for Hazard Assessment, Environment, Health and Safety Monograph Series on Testing and Assessment No. 34, ENV/JM/MONO(2005)14, OECD, Paris. Abrufbar unter: [http://www.oecd.org/env/testguidelines]

Anlage 1

BEGRIFFSBESTIMMUNGEN

Genauigkeit : Der Grad an Übereinstimmung zwischen Testergebnissen und akzeptierten Referenzwerten. Die Genauigkeit ist ein Maß der Leistung der Prüfmethode und ein Aspekt der Relevanz. Der Begriff wird oft im Sinne von „Übereinstimmung“ verwendet und bezeichnet den Anteil der korrekten Ergebnisse einer Prüfmethode (38).

Vergleichssubstanz : Eine sensibilisierende oder nicht sensibilisierende Substanz, die als Standard zu Vergleichszwecken für eine Prüfsubstanz verwendet wird. Eine Vergleichssubstanz sollte die folgenden Eigenschaften haben: i) gleichbleibende und verlässliche Quelle(n); ii) strukturelle und funktionelle Ähnlichkeit mit der Klasse der zu prüfenden Stoffe; iii) bekannte physikalisch-chemische Eigenschaften; iv) unterstützende Daten zu bekannten Effekten und v) bekannte Wirksamkeit im Bereich der erwünschten Reaktion.

Falsch negativ : Eine Substanz, die durch eine Prüfmethode fälschlich als negativ oder nicht wirksam charakterisiert wird, obwohl sie in Wirklichkeit positiv bzw. wirksam ist.

Falsch positiv : Eine Substanz, die durch eine Prüfmethode fälschlich als positiv oder wirksam charakterisiert wird, obwohl sie in Wirklichkeit negativ bzw. nicht wirksam ist.

Gefahr : Potenzial eines schädlichen Effekts für Gesundheit oder Umwelt. Die schädliche Wirkung manifestiert sich nur, wenn es zu einem ausreichenden Expositionsniveau kommt.

Inter-Labor-Reproduzierbarkeit : Das Ausmaß, in dem unterschiedliche qualifizierte Laboratorien, die dasselbe Protokoll verwenden und dieselben Prüfsubstanzen testen, qualitativ und quantitativ vergleichbare Ergebnisse erzielen können. Die Inter-Labor-Reproduzierbarkeit wird während der Prävalidierungs- und Validierungsverfahren ermittelt und zeigt das Maß an, in dem ein Test erfolgreich zwischen Laboratorien übertragen werden kann. Im englischen Sprachgebrauch spricht man in diesem Zusammenhang auch von „Between-laboratory reproducibility“ (38).

Intra-Labor-Reproduzierbarkeit : Das Ausmaß, in dem qualifizierte Personen innerhalb desselben Labors, die dasselbe spezifische Protokoll zu unterschiedlichen Zeiten verwenden, erfolgreich dieselben Ergebnisse replizieren können. In diesem Zusammenhang spricht man auch von laborinterner Reproduzierbarkeit (38).

Ausreißer : Ein Ausreißer ist ein Messwert, der sich beträchtlich von anderen Werten in einem zufällig ausgewählten Muster in einer Population unterscheidet.

Qualitätssicherung : Ein Managementprozess, mittels dessen die Einhaltung von Laborprüfnormen, Anforderungen und Aufzeichnungsverfahren, sowie die Genauigkeit des Datentransfers durch Individuen bewertet wird, die von den testenden Personen unabhängig sind.

Zuverlässigkeit : Maß der Verlässlichkeit der Reproduzierbarkeit der Prüfmethode innerhalb von und zwischen Laboratorien in einem bestimmten Zeitintervall bei einheitlichem Protokoll. Sie wird durch Berechnung der Intra- und Interlabor-Reproduzierbarkeit bewertet (38).

Hautsensibilisierung : Ein immunologischer Prozess, der auftritt, wenn ein empfindliches Individuum oberflächlich einem induzierenden chemischen Allergen ausgesetzt ist, das eine kutane Immunreaktion auslöst, die zur Entwicklung einer Kontaktsensibilisierung führen kann.

Stimulationsindex (SI) : Ein Wert, der zur Bewertung des Hautsensibilisierungspotenzials einer Prüfsubstanz berechnet wird. Der SI ist das Verhältnis der Proliferation in behandelten Gruppen zu dem der gleichzeitigen Vehikelkontrollgruppe.

Prüfsubstanz (auch Prüfchemikalie) : Jeder Stoff oder jedes Gemisch, der/das mit dieser Prüfmethode getestet wird.

B.51.    HAUTSENSIBILISIERUNG: LOKALER LYMPHKNOTENTEST: BRDU-ELISA

EINLEITUNG

1. Die OECD-Leitlinien für die Prüfung von Chemikalien und die EU-Prüfmethoden werden regelmäßig überarbeitet, um dem wissenschaftlichen Fortschritt, sich ändernden Rechtsvorgaben und Belangen des Tierschutzes gerecht zu werden. Die ursprüngliche Prüfmethode (B.42) zur Bestimmung der Hautsensibilisierung bei der Maus, der Lokale Lymphknotentest (Local Lymph Node Assay bzw. LLNA; OECD-Prüfrichtlinie 429) wurde inzwischen überarbeitet (1, und Kapitel B.42 in diesem Anhang). Verschiedene Veröffentlichungen (2) (3) (4) (5) (6) (7) (8) (9) gehen genauer auf die Validierung des LLNA und auf die mit ihm verbundenen wissenschaftlichen Arbeiten ein. Bei dem LLNA wird zur Messung der Lymphozytenproliferation radioisotopisches Thymidin oder Jod verwendet. Der Test hat daher Beschränkungen, wenn der Erwerb, die Verwendung oder die Entsorgung radioaktiver Materialien mit Problemen verbunden sind. Die Prüfmethode LLNA: BrdU-ELISA [Enzymgebundener Immunoassay] ist eine nicht-radioaktive Modifikation der LLNA-Prüfmethode, bei der nicht radioaktiv gekennzeichnetes 5-Bromo-2-deoxyuridin (BrdU) (Chemical Abstracts Service [CAS-] Nr. 59-14-3) in einem ELISA-basierten Testsystem zur Messung der Lymphozytenproliferation zum Einsatz kommt. Die Prüfmethode LLNA: BrdU-ELISA wurde durch ein internationales wissenschaftliches Gremium für Sachverständigengutachten (peer review) validiert, geprüft und zur Identifizierung sensibilisierender und nicht sensibilisierender Chemikalien mit einigen Beschränkungen als geeignet befunden (10) (11) (12). Diese Prüfmethode wurde zur Bewertung des Hautsensibilisierungspotenzials von Chemikalien (Stoffen und Gemischen) bei Tieren entwickelt. Kapitel B.6 dieses Anhangs und OECD-Prüfrichtlinie 406 stützen sich auf Meerschweinchen-Tests, insbesondere den Meerschweinchen-Maximierungstest und den Bühler-Test (13). Der LLNA (Kapitel B.42 dieses Anhangs; OECD-Prüfrichtlinie 429) und die beiden nicht-radioaktiven Modifikationen, LLNA: BrdU-ELISA (Kapitel B.51 dieses Anhangs; OECD-Prüfrichtlinie 442 B) und LLNA: DA (Kapitel B.50 dieses Anhangs; OECD-Prüfrichtlinie 442 A) haben insofern Vorteile gegenüber den Meerschweinchen-Tests in B.6 und OECD-Prüfrichtlinie 406 (13), als sie einen verringerten und gezielteren Einsatz von Versuchstieren ermöglichen.

2. Ähnlich wie der LLNA untersucht der LLNA: BrdU-ELISA die Induktionsphase der Hautsensibilisierung, und der Test liefert quantitative Daten für die Bewertung von Dosis-Wirkungs-Beziehungen. Durch den möglichen Nachweis von hautsensibilisierenden Stoffen ohne die Verwendung radioaktiver Markierungen für die DNA können die berufliche Exposition gegenüber Radioaktivität und Entsorgungsprobleme vermieden werden. Dies wiederum ermöglicht eine verstärkte Verwendung von Mäusen zur Bestimmung hautsensibilisierender Stoffe und somit eine geringere Verwendung von Meerschweinchen zur Bewertung des hautsensibilisierenden Potenzials (B.6; OECD-Prüfrichtlinie 406) (13).

BEGRIFFSBESTIMMUNGEN

3. Die verwendeten Begriffsbestimmungen sind in Anlage 1 aufgeführt.

AUSGANGSÜBERLEGUNGEN UND BEGRENZUNGEN

4. Die Prüfmethode LLNA: BrdU-ELISA ist eine modifizierte LLNA-Methode zum Nachweis von Chemikalien mit potenziell hautsensibilisierenden Eigenschaften, mit bestimmten Beschränkungen. Dies bedeutet nicht notwendigerweise, dass der LLNA: BrdU-ELISA zwingend in jedem Fall anstelle des LLNA oder der Meerschweinchen-Tests (B.6; OECD-Prüfrichtlinie 406) (13) eingesetzt werden muss. Vielmehr erweist sich der Test als gleichermaßen wertvoll und kann als Alternative gewählt werden, bei der im Allgemeinen keine weitere Bestätigung von positiven wie auch negativen Ergebnissen erforderlich ist (10) (11). Das Prüflabor sollte vor der Durchführung der Studie alle verfügbaren Informationen über die Prüfsubstanz auswerten und berücksichtigen. Zu diesen Informationen zählen die Identität und die chemische Struktur der Prüfsubstanz, ihre physikalisch-chemischen Eigenschaften, die Ergebnisse aller sonstigen in vitro- oder in vivo-Toxizitätsprüfungen der Prüfsubstanz sowie toxikologische Daten zu strukturell verwandten Chemikalien. Dies gilt es zu berücksichtigen, um die Eignung des LLNA: BrdU-ELISA für die jeweilige Prüfsubstanz festzustellen (bestimmte Arten chemischer Stoffe sind mit dem LLNA: BrdU-ELISA nicht kompatibel [siehe Absatz 5]) und die Festlegung der Dosis zu erleichtern.

5. Die Prüfmethode LLNA: BrdU-ELISA ist eine in vivo-Methode. Das bedeutet, dass die kontaktsensibilisierenden Eigenschaften weiterhin an Tieren bewertet werden. Der Test erlaubt es jedoch, im Vergleich zu den Meerschweinchen-Tests (B.6; OECD-Prüfrichtlinie 406) die Anzahl der für diesen Zweck benötigten Tiere zu reduzieren (13). Ferner stellt der LLNA: BrdU-ELISA eine substanzielle Verfeinerung in der Behandlung von Versuchstieren bei Tests auf allergische Kontaktsensibilisierung dar, da anders als B.6 und OECD-Prüfrichtlinie 406 der LLNA: BrdU-ELISA keine Auslösung von provozierten Überempfindlichkeitsreaktionen der Haut erfordert. Außerdem erfordert der LLNA: BrdU-ELISA, anders als der Meerschweinchen-Maximierungstest, keinen Einsatz von Adjuvanzien (Kapitel B.6 dieses Anhangs, 13). Damit verringert der LLNA: BrdU-ELISA das Leiden der Tiere. Trotz der Vorteile des LLNA: BrdU-ELISA gegenüber B.6 und OECD-Prüfrichtlinie 406 (13) ist er mit gewissen Einschränkungen behaftet, die die Anwendung von B.6 oder von OECD-Prüfrichtlinie 406 erforderlich machen können (z. B. die Prüfung bestimmter Metalle, falsch positive Ergebnisse bei bestimmten hautreizenden Stoffen [wie etwa bei tensidähnlichen Chemikalien] (6) (1 und Kapitel B.42 in diesem Anhang), oder die Löslichkeit der Prüfsubstanz). Zudem können chemische Klassen oder Substanzen mit Funktionsgruppen, die erwiesenermaßen als potenzielle Störfaktoren wirken können (15), den Einsatz von Meerschweinchen-Tests erforderlich machen (B.6; OECD-Prüfrichtlinie 406 (13)). Beschränkungen, die für den LLNA festgestellt wurden (1 und Kapitel B.42 dieses Anhangs), empfehlen sich auch für den LLNA: BrdU-ELISA (10). Abgesehen von diesen bekannten Beschränkungen dürfte der LLNA: BrdU-ELISA für die Prüfung aller Chemikalien geeignet sein, sofern mit diesen Chemikalien keine Eigenschaften verbunden sind, die die Genauigkeit des LLNA: BrdU-ELISA beeinträchtigen könnten. Außerdem sollte die Möglichkeit positiver Grenzergebnisse in Betracht gezogen werden, wenn für den Stimulationsindex (SI) Werte zwischen 1,6 und 1,9 ermittelt werden (siehe Absätze 31-32). Dies beruht auf der Validierungs-Datenbasis von 43 Substanzen mit einem SI ≥ 1,6 (siehe Absatz 6), bei denen der LLNA: BrdU-ELISA alle 32 LLNA-Sensibilisatoren richtig identifizierte, jedoch zwei von 11 LLNA-Nichtsensibilisatoren mit SI-Werten zwischen 1,6 und 1,9 (d. h. positive Grenzwerte) nicht korrekt identifizierte (10). Da allerdings derselbe Datensatz für die Einstellung der SI-Werte und die Berechnung der prädiktiven Eigenschaften des Tests verwendet wurde, könnten die festgestellten Ergebnisse auch eine Überbewertung der tatsächlichen prädiktiven Eigenschaften sein.

PRINZIP DER PRÜFMETHODE

6. Der LLNA: BrdU-ELISA beruht auf dem Prinzip, dass sensibilisierende Stoffe eine Lymphozytenproliferation in den drainierenden Lymphknoten an der Stelle der Applikation des chemischen Stoffes induzieren. Diese Proliferation verläuft proportional zur Dosis und zur Wirksamkeit des applizierten Allergens und bietet sich als einfache Möglichkeit an, eine quantitative Messung der Sensibilisierung zu erhalten. Die Proliferation wird gemessen, indem man die mittlere Proliferation jeder Prüfgruppe mit der mittleren Proliferation der mit Vehikel behandelten Kontrollgruppe vergleicht. Das Verhältnis der mittleren Proliferation in jeder Behandlungsgruppe zu dem in der gleichzeitigen Vehikelkontrollgruppe, auch als SI bezeichnet, wird festgelegt und sollte ≥ 1,6 betragen, ehe eine weitere Bewertung einer Prüfsubstanz als potenzieller Hautsensibilisator erfolgt. Die hier beschriebenen Methoden beruhen auf der Messung des BrdU-Gehalts zur Anzeige einer erhöhten Anzahl proliferierender Zellen in den drainierenden aurikulären Lymphknoten. BrdU ist eine Nachbildung von Thymidin und wird ähnlich in die DNA proliferierender Zellen integriert. Die Integration von BrdU wird durch ELISA mittels eines für BrdU spezifischen Antikörpers gemessen, der auch mit Peroxidase markiert wird. Bei Hinzufügung des Substrats reagiert die Peroxidase mit diesem und es entsteht ein gefärbtes Produkt, das mittels eines Mikrotiterplatten-Lesegeräts auf ein bestimmtes Absorptionsmaß gemessen wird.

BESCHREIBUNG DER PRÜFMETHODE

Auswahl von Versuchstierarten

7. Für diesen Test ist die Maus die Spezies der Wahl. Validierungsstudien für den LLNA: BrdU-ELISA wurden ausschließlich mit dem CBA/JN-Stamm durchgeführt, der daher als bevorzugter Stamm gilt (10) (12). Es werden junge erwachsene weibliche Mäuse verwendet, die weder geworfen haben noch trächtig sind. Bei Versuchsbeginn sollten die Tiere 8-12 Wochen alt sein, die Gewichtsunterschiede minimal sein und 20 % des mittleren Gewichts nicht übersteigen. Alternativ können Tests an anderen Stämmen und männlichen Tieren erfolgen, wenn anhand von hinlänglich großen Datenangaben nachgewiesen werden kann, dass keine signifikanten stamm- und/oder geschlechtsspezifischen Unterschiede in der Reaktion auf den LLNA: BrdU-ELISA bestehen.

Haltungs- und Fütterungsbedingungen

8. Mäuse sollten in Gruppen gehalten werden (16), wenn nicht angemessene wissenschaftliche Begründungen eine Einzelhaltung nahelegen. Die Temperatur im Versuchsraum sollte 22 ± 3 °C betragen. Obwohl die relative Luftfeuchtigkeit mindestens 30 % betragen und zu anderen Zeiten als während der Reinigung vorzugsweise nicht über 70 % liegen soll, ist ein Wert von 50-60 % anzustreben. Die Beleuchtung sollte künstlich sein und die Hell- und Dunkelphasen sollten sich im Abstand von 12 Stunden abwechseln. An die Versuchstiere kann herkömmliches Laborfutter verfüttert werden, und eine unbegrenzte Trinkwasserversorgung ist zu gewährleisten.

Vorbereitung der Tiere

9. Die Tiere werden nach Zufallskriterien ausgewählt, zur individuellen Identifizierung markiert (aber nicht am Ohr) und vor Beginn der Dosierung für einen Zeitraum von mindestens 5 Tagen in ihren Käfigen an die Laborbedingungen gewöhnt. Vor Behandlungsbeginn werden alle Tiere untersucht, um sicherzustellen, dass keine sichtbaren Hautverletzungen bestehen.

Vorbereitung der Dosierlösungen

10. Feste Chemikalien sollten vor der Applikation in ein Mäuseohr in Lösungsmitteln/Vehikeln gelöst oder suspendiert und ggf. verdünnt werden. Flüssige Chemikalien können direkt appliziert oder zuvor verdünnt werden. Unlösliche Chemikalien, wie sie in der Regel in Medizinprodukten vorliegen, sollten vor der Applikation in ein Mäuseohr in einem geeigneten Lösungsmittel einer übertrieben starken Extraktion unterzogen werden, um alle extrahierbaren Inhaltsstoffe vor der Prüfung sichtbar zu machen. Die Prüfsubstanzen sollten täglich zubereitet werden, es sei denn, die Stabilität der Substanz bei Lagerung wird nachgewiesen.

Überprüfung der Zuverlässigkeit:

11. Anhand von positiven Kontrollchemikalien (PC) wird die ordnungsgemäße Leistung des Tests nachgewiesen. Hierzu ist eine angemessene und reproduzierbare Empfindlichkeit der Reaktion auf eine sensibilisierende Prüfsubstanz erforderlich, wobei die Reaktionsstärke gut charakterisiert ist. Es wird die Einbeziehung einer gleichzeitigen Positivkontrolle empfohlen, da diese die Fähigkeit des Labors belegt, jeden Test erfolgreich durchzuführen und eine Bewertung der Wiederholbarkeit und Vergleichbarkeit zwischen verschiedenen Labors ermöglicht. Einige Regulierungsbehörden schreiben auch eine Positivkontrolle für jede Studie vor. Daher wird Anwendern empfohlen, vor Durchführung des LLNA: BrdU-ELISA die zuständigen Behörden zu Rate zu ziehen. Dementsprechend wird die routinemäßige Verwendung einer gleichzeitigen Positivkontrolle angeregt, um die Notwendigkeit zusätzlicher Tierversuche zur Erfüllung von Anforderungen zu vermeiden, die aus der Verwendung einer nur periodischen Positivkontrolle resultieren könnten (siehe Absatz 12). Die Positivkontrolle sollte eine positive Reaktion auf den LLNA: BrdU-ELISA bei einem Expositionsniveau hervorrufen, das einen Anstieg des Stimulationsindex (SI ≥ 1,6 im Vergleich zur Negativkontrollgruppe, NK) bewirkt. Die positive Kontrolldosis soll so gewählt werden, dass sie keine übermäßige Hautreizung oder systemische Toxizität verursacht und die Induktion reproduzierbar, aber nicht exzessiv ist (z. B. ein SI > 14 würde als exzessiv gelten). Bevorzugte positive Kontrollstoffe sind 25 % Hexylcinnaminaldehyd (CAS-Nr. 101-86-0) und 25 % Eugenol (CAS-Nr. 97-53-0) in Aceton: Olivenöl (4:1, v/v). Unter bestimmten Umständen können in ausreichend begründeten Fällen andere Kontrollsubstanzen eingesetzt werden, die den genannten Kriterien entsprechen.

12. Obwohl die Einbeziehung einer gleichzeitigen Positivkontrollgruppe empfohlen wird, können in gewissen Situationen periodische Prüfungen (d. h. in Abständen ≤ 6 Monaten) der Positivkontrolle für Laboratorien ausreichen, die denen der LLNA: BrdU-ELISA regelmäßig (d. h. mindestens einmal pro Monat) durchgeführt wird und die über eine etablierte historische Kontrolldatenbasis verfügen, die die Fähigkeit des Labors bestätigt, reproduzierbare und genaue Ergebnisse mit Positivkontrollen zu erzielen. Eine angemessene Beherrschung des LLNA: BrdU-ELISA kann erfolgreich nachgewiesen werden, indem durchgehend positive Ergebnisse mit den positiven Kontrollchemikalien in mindestens 10 unabhängigen Prüfungen erzielt werden, die innerhalb eines angemessenen Zeitraums (d. h. in weniger als einem Jahr) durchgeführt wurden.

13. Eine gleichzeitige Positivkontrollgruppe sollte immer einbezogen werden, wenn Verfahrensänderungen im LLNA: BrdU-ELISA auftreten (z. B. Wechsel des geschulten Personals, Änderung der Materialien bei den Prüfmethoden und/oder der Reagenzien, Änderung der Ausrüstung, Änderung der Herkunft der Versuchstiere). Solche Änderungen sollten in Laborberichten dokumentiert werden. Ferner ist der Einfluss dieser Änderungen auf die Aussagefähigkeit der zuvor eingerichteten historischen Datenbank zu bedenken. Dabei sollte die Notwendigkeit überdacht werden, eine neue historische Datenbank einzurichten, um die gleichbleibende Qualität der positiven Kontrollergebnisse zu dokumentieren.

14. Die Prüfer sollten sich der Tatsache bewusst sein, dass die Entscheidung, eine PC-Studie periodisch statt gleichzeitig durchzuführen, Auswirkungen auf die Aussagefähigkeit und Akzeptanz negativer Studienergebnisse haben kann, die ohne gleichzeitige Positivkontrolle im Zeitraum zwischen den einzelnen periodischen PC-Studien auftreten können. Wenn zum Beispiel ein falsch negatives Ergebnis in der periodischen PC-Studie auftritt, können negative Ergebnisse für die Prüfsubstanz, die in dem Zeitraum zwischen der letzten akzeptablen periodischen PC-Studie und der inakzeptablen periodischen PC-Studie aufgetreten waren, in Frage gestellt werden. Die Auswirkungen solcher Ergebnisse sollten sorgfältig bedacht werden, wenn entschieden wird, ob gleichzeitige oder nur periodische PC-Studien durchgeführt werden sollen. Auch ist die Verwendung einer geringeren Anzahl an Versuchstieren bei der gleichzeitigen Positivkontrollgruppe zu bedenken, wenn dies wissenschaftlich zu begründen ist und wenn das Labor auf der Grundlage laborspezifischer historischer Daten demonstriert, dass eine geringere Anzahl an Mäusen ausreicht (17).

15. Obwohl eine positive Kontrollchemikalie in dem Vehikel geprüft werden sollte, von dem bekannt ist, dass es eine gleichbleibende Reaktion hervorruft (z. B. Aceton: Olivenöl; 4:1, v/v), können in bestimmten Rechtssituationen auch Prüfungen in einem Nichtstandard-Vehikel (klinisch/chemisch relevante Formulierung) erforderlich sein (18). Wenn die gleichzeitige Positivkontrolle in einem anderen Vehikel als der Prüfsubstanz getestet wird, sollte eine gesonderte Vehikelkontrolle für die gleichzeitige PC einbezogen werden.

16. In Fällen, in denen Prüfsubstanzen einer bestimmten chemischen Klasse oder eine Reihe von Reaktionen bewertet werden, können Referenzsubstanzen nützlich sein, um nachzuweisen, dass die Prüfmethode zur Feststellung des Hautsensibilisierungspotenzials dieser Art von Substanzen ordnungsgemäß funktioniert. Geeignete Referenzsubstanzen sollten die folgenden Eigenschaften haben:

 strukturelle und funktionale Ähnlichkeit mit der Klasse der getesteten Prüfsubstanz;

 bekannte physikalische/chemische Eigenschaften;

 zugrunde liegende Daten aus dem BrdU-ELISA;

 zugrunde liegende Daten aus anderen Tiermodellen und/oder von Menschen.

TESTVERFAHREN

Anzahl der Versuchstiere und Dosierungen

17. Mindestens vier Tiere pro Dosisgruppe mit jeweils mindestens drei Konzentrationen der Prüfsubstanz werden benötigt; zusätzlich braucht man eine Negativkontrollgruppe, die nur mit dem Vehikel für die Prüfsubstanz behandelt wird, sowie eine Positivkontrolle (gleichzeitig oder jüngeren Datums, auf der Grundlage der Laborvorschriften in den relevanten Abschnitten 11-15). Tests mit Mehrfachdosen der PC sollten in Erwägung gezogen werden, insbesondere wenn die Positivkontrolle intermittierend getestet wird. Bis auf die Verabreichung der Prüfsubstanz sind die Tiere der Kontrollgruppen ebenso zu behandeln wie die Tiere der Behandlungsgruppen.

18. Die Auswahl von Dosierung und Vehikel sollte auf den Empfehlungen in den Referenzen 2 und 19 beruhen. Für aufeinanderfolgende Dosierungen werden normalerweise geeignete abgestufte Konzentrationen gewählt, wie z. B. 100 %, 50 %, 25 %, 10 %, 5 %, 2,5 %, 1 %, 0,5 % usw. Die Auswahl der Konzentrationsfolge sollte angemessen wissenschaftlich begründet werden. Alle vorhandenen toxikologischen Angaben (z. B. über die akute Toxizität und Hautreizung) sowie strukturelle und physiochemische Angaben zu der jeweiligen Prüfsubstanz (und/oder strukturverwandten Substanzen) sollten bei der Festlegung von drei aufeinander folgenden Konzentrationen berücksichtigt werden, so dass bei der Höchstkonzentration einerseits die Exposition maximiert und andererseits eine systemische Toxizität und/oder eine übermäßige lokale Hautreizung ausgeschlossen werden (19) (20 und Kapitel B.4 dieses Anhangs). Mangels solcher Informationen kann ein anfänglicher Dosisfindungstest erforderlich sein (siehe Absätze 21-24).

19. Das Vehikel sollte das Testergebnis nicht beeinflussen oder beeinträchtigen und sollte so gewählt werden, dass die Löslichkeit zur Erzielung einer möglichst hohen Konzentration maximiert und gleichzeitig eine für das Applizieren der Prüfsubstanz geeignete Lösung/Suspension hergestellt werden kann. Empfohlene Vehikel sind Aceton: Olivenöl (4:1, v/v), N,N-Dimethylformamid, Methylethylketon, Propylenglykol und Dimethylsulphoxid (6), wobei mit hinreichender wissenschaftlicher Begründung auch andere Vehikel verwendet werden können. Unter bestimmten Umständen muss ein klinisch relevantes Lösungsmittel oder die handelsübliche Zubereitung, in der die Prüfsubstanz vermarktet wird, als zusätzliche Kontrolle genutzt werden. Besondere Sorgfalt sollte darauf verwendet werden, zu gewährleisten, dass in das Vehikelsystem durch die Verwendung geeigneter Lösungsvermittler (z. B. 1 % Pluronic® L92) hydrophile Stoffe eingearbeitet werden, die die Haut befeuchten und nicht sofort ablaufen. Folglich sind vollständig wässrige Vehikel zu vermeiden.

20. Die Arbeit an Lymphknoten einzelner Mäuse ermöglicht die Bewertung der Variabilität von Tieren sowie einen statistischen Vergleich zwischen der Prüfsubstanz und Messungen an der Vehikelkontrollgruppe (siehe Absatz 33). Die Möglichkeit, die Anzahl der Mäuse in der Positivkontrollgruppe zu verringern, ist nur realistisch, wenn Einzeltierdaten erhoben werden (17). Außerdem verlangen einige Regulierungsbehörden die Erhebung von Daten einzelner Tiere. Die regelmäßige Erhebung von Einzeltierdaten stellt im Hinblick auf den Tierschutz einen Vorteil dar, indem Doppeltests vermieden werden. Diese wären notwendig, wenn die ursprünglich gemeinsam gesammelten Ergebnisse für die Prüfsubstanz (z. B. über gepoolte Daten) später von Regulierungsbehörden mit anderen Vorschriften (z. B. Einzeltierdaten) geprüft würden.

Dosisfindungstest

21. Wenn über die höchst mögliche Dosierung keine Informationen vorliegen (siehe Absatz 18), sollte ein Dosisfindungstest durchgeführt werden, um die geeignete Dosierung für den LLNA: BrdU-ELISA festzulegen. Der Dosisfindungstest soll eine Orientierung bei der Auswahl der höchst möglichen Dosisstufe für die Hauptuntersuchung des LLNA: BrdU-ELISA geben, wenn keine Informationen darüber vorliegen, welche Konzentration systemische Toxizität (siehe Absatz 24) und/oder übermäßige lokale Hautreizung (siehe Absatz 23) verursacht. Die höchste geprüfte Dosisstufe sollte eine Konzentration von 100 % der Prüfsubstanz bei Flüssigkeiten bzw. die höchst mögliche Konzentration bei Feststoffen oder Suspensionen sein.

22. Der Dosisfindungstest wird unter Bedingungen durchgeführt, die denen der Hauptstudie des LLNA: BrdU-ELISA genau entsprechen. Allerdings gibt es hier keine Bewertung der Lymphknotenproliferation und es können weniger Tiere pro Dosisgruppe eingesetzt werden. Es werden ein oder zwei Tiere pro Dosisgruppe empfohlen. Alle Mäuse werden täglich auf klinische Zeichen für systemische Toxizität oder lokale Reizungen an der Applikationsstelle untersucht. Das Körpergewicht wird vor dem Test und vor dem Abschluss (Tag 6) protokolliert. Beide Ohren jeder Maus werden auf Anzeichen für Erytheme untersucht und mit Hilfe von Tabelle 1 (20 und Kapitel B.4 dieses Anhangs) bewertet. Die Ohrdicke wird mit Hilfe eines Ohrdickenmessgeräts (z. B. digitaler Mikrometer oder Peacock Dickenmessuhr) an Tag 1 vor der Dosierung, Tag 3 (ca. 48 Stunden nach der ersten Dosis) und Tag 6 bestimmt. Zusätzlich kann an Tag 6 die Ohrdicke durch die Gewichtsbestimmung von Ohrstanzproben ermittelt werden. Dies sollte nach der tierschutzgerechten Tötung der Tiere erfolgen. Eine übermäßige lokale Hautreizung wird durch eine Erythem-Punktzahl von ≥ 3 und/oder eine Zunahme der Ohrdicke ≥ 25 % an jedem beliebigen Messtag angezeigt (21) (22). Als höchste Dosis für die Hauptuntersuchung des LLNA: BrdU-ELISA wird die nächst niedrigere Dosis in der Konzentrationsreihe des Dosisfindungstests gewählt (siehe Absatz 18), die keine systemische Toxizität und/oder übermäßige lokale Hautreizung verursacht.



Tabelle 1

Erythem-Klassifizierung

Beobachtung

Punktzahl

Kein Erythem

0

Sehr leichtes Erythem (kaum wahrnehmbar)

1

Klar abgegrenztes Erythem

2

Mäßiges bis ausgeprägtes Erythem

3

Schweres Erythem (dunkelrot) bis hin zur Schorfbildung, so dass eine Bewertung nicht möglich ist

4

23. Zusätzlich zu einer Zunahme der Ohrdicke um 25 % (21) (22) wurde ein statistisch signifikanter Anstieg der Ohrdicke bei den behandelten Mäusen im Vergleich zu den Kontrollmäusen zugrundelegt, um Reizstoffe in dem LLNA zu identifizieren (22) (23) (24) (25) (26) (27) (28). Obwohl ein statistisch signifikanter Anstieg auch bei einer Ohrdicke von weniger als 25 % auftreten kann, konnte kein spezifischer Zusammenhang mit einer übermäßigen Hautreizung festgestellt werden (25) (26) (27) (28) (29).

24. Die folgenden klinischen Beobachtungen können, sofern sie Bestandteil einer Gesamtbewertung sind, auf systemische Toxizität hinweisen (30) und somit die höchst mögliche Dosisstufe für die Hauptuntersuchung des LLNA: BrdU-ELISA anzeigen: Änderungen der Funktionen des Nervensystems (z. B. Piloerektion, Ataxie, Tremor und Krämpfe); Verhaltensänderungen (z. B. Aggressivität, Änderungen bei der Fellpflege, auffallende Änderung des Aktivitätsniveaus); Änderungen des Atemmusters (d. h. Änderung der Häufigkeit und Intensität des Atmens wie Dyspnoe, Keuchen, rasselnder Atem) sowie Änderungen der Futter- und Wasseraufnahme. Zusätzlich sollten Anzeichen von Lethargie und/oder Teilnahmslosigkeit sowie alle klinischen Anzeichen für mehr als leichte oder momentane Schmerzen und Qual, eine Gewichtsreduktion von > 5 % zwischen Tag 1 und Tag 6 und die Sterblichkeit in der Bewertung berücksichtigt werden. Moribunde Tiere oder Tiere, die Anzeichen starker und andauernder Qualen zeigen, sollten tierschutzgerecht getötet werden (31).

Versuchsplan der Hauptuntersuchung

25. Der Versuchsplan des Tests ist wie folgt:

Tag 1 : Jedes Tier wird einzeln gekennzeichnet und das Gewicht sowie jede klinische Beobachtung protokolliert. Es werden 25 μL der Prüfsubstanz in der jeweiligen Verdünnung, des Vehikels allein oder der Positivkontrolle (gleichzeitig oder jüngeren Datums) gemäß den Laborvorschriften in den relevanten Abschnitten 11-15) auf die Rückseite jedes Ohrs appliziert.

Tage 2 und 3 : Die am Tag 1 durchgeführte Applikationsprozedur wird wiederholt.

Tag 4 : Keine Behandlung.

Tag 5 : Es werden 0,5 mL (5 mg/Maus) BrdU-Lösung (10 mg/mL) in die Bauchhöhle gespritzt.

Tag 6 : Das Gewicht jedes Tiers sowie jede klinische Beobachtung werden protokolliert. Ca. 24 Stunden (24 h) nach der BrdU-Injektion werden die Tiere tierschutzgerecht getötet. Die drainierenden aurikulären Lymphknoten jedes Mäuseohrs werden entfernt und separat (für jedes Tier einzeln) in phosphatgepufferte Kochsalzlösung (PBS) gegeben. Einzelheiten und Diagramme der Lymphknotenidentifikation und -entfernung sind unter Referenz (17) aufgeführt. Zur weiteren Kontrolle der lokalen Hautreaktion in der Hauptuntersuchung können zusätzliche Parameter wie die Auswertung des Ohr-Erythems oder Ohrdickemessungen (mittels eines Dickenmessgeräts oder durch die Gewichtsbestimmung von Ohrstanzproben bei der Nekropsie) in das Untersuchungsprotokoll aufgenommen werden.

Vorbereitung der Zellsuspensionen

26. Für jede Maus wird aus den paarweise entnommenen Lymphknotenzellen (LNC) durch vorsichtigen mechanischen Aufschluss in einem Edelstahlfilter mit einer Maschenweite von 200 Mikron oder mittels einer anderen geeigneten Technik (z. B. Verwendung eines wegwerfbaren Kunststoff-Stößels zum Zerkleinern der Lymphknoten, die anschließend durch ein #70 Nylon-Gewebe passiert werden) eine Einzelzellsuspension hergestellt. Das Verfahren zur Zubereitung der Lymphknotensuspension ist für diesen Test von entscheidender Bedeutung. Deshalb sollte jeder Prüfer diese Technik im Voraus gut beherrschen erlernen. Die Lymphknoten bei Tieren der Negativkontrollgruppe sind klein; daher ist Vorsicht geboten, um eine ungewollte Beeinflussung der SI-Werte zu vermeiden. In jedem Fall sollte das Zielvolumen der LNC-Lösung an ein vorgegebenes Optimalvolumen (ca. 15 mL) angepasst werden. Das Optimalvolumen beruht auf der Erzielung eines mittleren Absorptionsmaßes der Negativkontrollgruppe zwischen 0,1 und 0,2.

Bestimmung der Zellproliferation (Messung des BrdU-Gehalts in der DNA der Lymphozyten)

27. Die Messung des BrdU erfolgt im ELISA mit einem im Handel erhältlichen Mess-Kit (z. B. Roche Applied Science, Mannheim, Deutschland, Katalog-Nr. 11 647 229 001). Darauf werden kurz 100 μL der Lymphknoten-Suspension in die Vertiefungen einer flachgrundigen Mikroplatte in dreifacher Ausfertigung gegeben. Nach der Fixierung und Denaturierung der Lymphknoten-Suspension werden in jede Vertiefung Anti-BrdU-Antikörper gegeben und zur Reaktion gebracht. Die Anti-BrdU-Antikörper werden anschließend durch Spülen entfernt. Die Substratlösung wird hinzugefügt und kann Chromogen erzeugen. Anschließend wird das Absorptionsmaß bei 370 nm mit einer Referenzwellenlänge von 492 nm gemessen. In allen Fällen sollten die Prüfbedingungen des Tests optimiert werden (siehe Absatz 26).

BEOBACHTUNGEN

Klinische Beobachtungen

28. Jede Maus sollte mindestens einmal täglich sorgfältig auf klinische Zeichen, d. h. lokale Reizung an der Applikationsstelle, oder auf systemische Toxizität untersucht werden. Alle Beobachtungen werden systematisch in Einzelprotokollen dokumentiert, die für jedes Tier geführt werden. Die Überwachungspläne sollten Kriterien beinhalten, anhand derer Mäuse mit systemischer Toxizität, übermäßiger lokaler Hautreizung oder Hautätzung schnell zu Zwecken der schmerzlosen Tötung identifiziert werden können (31).

Körpergewicht

29. In Abschnitt 25 wurde bereits ausgeführt, dass das Körpergewicht der einzelnen Tiere zu Versuchsbeginn und zum Zeitpunkt der tierschutzgerechten Tötung der Tiere laut Versuchsplan festgestellt werden soll.

BERECHNUNG DER ERGEBNISSE

30. Die Ergebnisse für jede Behandlungsgruppe werden als mittlerer Stimulationsindex (SI) angegeben. Den SI erhält man durch Teilen des mittleren BrdU-Markierungsindex pro Maus innerhalb jeder Prüfgruppe und der Positivkontrollgruppe durch den mittleren BrdU-Markierungsindex pro Maus für die Lösungsmittel/Vehikelkontrollgruppe. Der durchschnittliche SI beträgt demnach für die mit Vehikel behandelten Kontrollen 1.

Der BrdU-Markierungsindex ist definiert als:

BrdU-Markierungsindex = (ABSem — ABS blankem) — (ABSref — ABS blankref)

Dabei gilt: em = Emissionswellenlänge und ref = Referenzwellenlänge.

31. In dem Entscheidungsprozess gilt ein Ergebnis als positiv, wenn SI ≥ 1,6 ist (10). Die Stärke der Dosis-Wirkung, die statistische Signifikanz und die gleichbleibende Qualität der Lösungsmittel-/Vehikel-Reaktion sowie der Reaktion der Positivkontrolle können aber auch benutzt werden, um festzulegen, ob ein Grenzergebnis (d. h. SI-Wert zwischen 1,6 und 1,9) als positiv bezeichnet werden soll (3) (6) (32).

32. Bei einer positiven Grenzwertreaktion mit einem SI zwischen 1,6 und 1,9 können Anwender zusätzliche Informationen berücksichtigen, wie z. B. die Dosis-Wirkungs-Beziehung, das Vorliegen einer systemischen Toxizität oder übermäßigen Hautreizung, sowie gegebenenfalls die statistische Signifikanz zusammen mit den SI-Werten, um zu bestätigen, dass die Ergebnisse positiv sind (10). Zu beachten sind ferner die verschiedenen Eigenschaften der Prüfsubstanz, wobei es unter anderem zu klären gilt, ob ein struktureller Zusammenhang mit bekannten Hautsensibilisatoren besteht, ob sie eine übermäßige lokale Hautreizung bei der Maus hervorruft und wie die festgestellte Art der Dosis-Wirkungs-Beziehung ist. Diese und weitere Aspekte werden an anderer Stelle ausführlich erörtert (4).

33. Werden die Daten für jede einzelne Maus erhoben, kann eine statistische Analyse zu Vorhandensein und Grad des Dosis-Wirkungs-Verhältnisses in den Daten durchgeführt werden. Jede statistische Auswertung könnte eine Bewertung der Dosis-Wirkungs-Beziehung sowie geeignete Testgruppen-Vergleiche beinhalten (z. B. Gruppe mit paarweiser Dosierung vs. gleichzeitige Lösungsmittel-/Vehikelkontrollgruppen). Die statistischen Analysen könnten z. B. die lineare Regression, den Williams-Test zur Bewertung von Dosis-Wirkungs-Trends oder den Dunnett-Test für paarweise Vergleiche beinhalten. Bei der Auswahl einer geeigneten Methode für die statistische Analyse sollte sich der Prüfer möglicher ungleicher Varianzen und anderer damit zusammenhängender Probleme stets bewusst sein, denn diese erfordern unter Umständen eine Datentransformation oder ein nicht-parametrisches statistisches Verfahren. Auf jeden Fall muss der Prüfer unter Umständen SI-Berechnungen und statistische Analysen mit und ohne bestimmte Datenpunkte (manchmal als „Ausreißer“ bezeichnet) vornehmen.

DATEN UND BERICHTERSTATTUNG

Daten

34. Die Daten sind in tabellarischer Form zusammenzufassen. Sie sollten die BrdU-Index-Werte pro Tier, den mittleren BrdU-Markierungsindex pro Tier für jede Gruppe, die damit verbundene Fehlervariable (z. B. SD, SEM) und den mittleren SI für jede Dosisgruppe, verglichen mit der gleichzeitigen Lösungsmittel-/Vehikelkontrollgruppe angeben.

Prüfbericht

35. Der Testbericht sollte folgende Angaben enthalten:

Prüf- und Kontrollsubstanzen:

 Angaben zur Identität (z. B. CAS-Nummer und EG-Nummer, falls vorhanden; Bezugsquelle; Reinheit; bekannte Verunreinigungen; Chargennummer);

 physikalische Beschaffenheit und physikalisch-chemische Eigenschaften (z. B. Flüchtigkeit, Stabilität, Löslichkeit);

 bei Mischungen Zusammensetzung und relative Anteile der Bestandteile in Prozent;

Lösungsmittel/Vehikel:

 Angaben zur Identität (Reinheit, Konzentration, gegebenenfalls verwendete Mengen);

 Begründung für die Wahl des Vehikels;

Versuchstiere:

 Herkunft der CBA-Mäuse;

 mikrobiologischer Status der Tiere, soweit bekannt;

 Anzahl und Alter der Tiere;

 Herkunft der Tiere, Haltungsbedingungen, Futter usw.;

Prüfbedingungen:

 Herkunft, Chargennummer und Angaben des Herstellers zu Qualitätssicherung/Qualitätskontrolle (Antikörperempfindlichkeit und -spezifizität sowie Nachweisgrenze) für das ELISA-Kit;

 Angaben zur Vorbereitung und Applikation der Prüfsubstanz;

 Begründung der gewählten Dosierung (mit Ergebnissen des eventuell durchgeführten Dosisfindungstests);

 verwendete Konzentrationen des Vehikels und der Prüfsubstanz sowie Gesamtmenge der applizierten Prüfsubstanz;

 Angaben über Futter- und Wasserqualität (einschließlich Art/Herkunft des Futters, Wasserquelle);

 nähere Angaben zum Behandlungs- und Stichprobenentnahmeplan;

 Methoden zur Bestimmung der Toxizität;

 Kriterien zur Einstufung der Studien als positiv oder negativ;

 Einzelheiten zu eventuellen Protokollabweichungen und eine Erklärung dazu, wie sich diese Abweichung auf Prüfdesign und Ergebnisse auswirkt.

Überprüfung der Zuverlässigkeit:

 Zusammenfassende Darstellung der Ergebnisse der letzten Überprüfung der Zuverlässigkeit mit Angaben zu verwendeten Prüfsubstanzen, Konzentration und Vehikel;

 gleichzeitige und/oder historische PC und gleichzeitige Daten der Negativkontrolle (Lösungsmittel/Vehikel) für das Prüflabor;

 wenn keine gleichzeitige PC eingeschlossen war, Datum und Laborbericht über die jüngste periodische PC sowie ein Bericht mit ausführlichen Angaben über die historischen positiven Kontrolldaten des Labors mit Angabe der Gründe, warum keine gleichzeitige PC durchgeführt wurde;

Ergebnisse:

 Gewicht der einzelnen Tiere bei Beginn der Prüfung und zum Zeitpunkt der tierschutzgerechten Tötung laut Versuchsplan, sowie mittlere und zugehörige Fehlervariable (z. B. SD, SEM) für jede Behandlungsgruppe;

 Beginn und zeitlicher Verlauf der toxischen Erscheinungen für jedes Tier, einschließlich gegebenenfalls Hautreizungen an der Stelle der Verabreichung;

 Tabelle der BrdU-Markierungsindizes für jede Maus und der SI-Werte für jede Dosis-Behandlungsgruppe;

 mittlere zugehörige Fehlervariable (z. B. SD, SEM) für den BrdU-Markierungsindex/Maus für jede Behandlungsgruppe sowie die Ergebnisse der Ausreißer-Analyse für jede Behandlungsgruppe;

 berechneter SI und geeignete Messung der Variabilität, welche die Variabilität der Tiere sowohl in der Behandlungsgruppe als auch in der Kontrollgruppe berücksichtigt;

 Dosis-Wirkungs-Beziehung;

 gegebenenfalls statistische Analysen.

Diskussion der Ergebnisse:

 Kurze Kommentierung der Ergebnisse, der Dosis-Wirkungs-Beziehung und gegebenenfalls der statistischen Analysen mit Schlussfolgerungen zur Frage, ob die Prüfsubstanz als Hautsensibilisator eingestuft werden soll.

LITERATUR

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(11) ICCVAM (2009), Independent Scientific Peer Review Panel Report: Updated validation status of new versions and applications of the murine local lymph node assay: a test method for assessing the allergic contact dermatitis potential of chemicals and products. Research Triangle Park, NC: National Institute of Environmental Health Sciences. Abrufbar unter: [http://iccvam.niehs.nih.gov/docs/immunotox_docs/LLNAPRPRept2009.pdf]

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(28) Vohr, H.W. and Ahr, H.J. (2005), The local lymph node assay being too sensitive? Arch. Toxicol., 79, 721-728.

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(30) ICCVAM (2009), Report on the ICCVAM-NICEATM/ECVAM/JaCVAM Scientific Workshop on Acute Chemical Safety Testing: Advancing In Vitro Approaches and Humane Endpoints for Systemic Toxicity Evaluations. Research Triangle Park, NC: National Institute of Environmental Health Sciences. Abrufbar unter: [http://iccvam.niehs.nih.gov/methods/acutetox/Tox_workshop.htm].

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(32) Kimber, I., Hilton, J., Dearman, R.J., Gerberick, G.F., Ryan, C.A., Basketter, D.A., Lea, L., House, R.V., Ladies, G.S., Loveless, S.E. and Hastings, K.L. (1998), Assessment of the skin sensitisation potential of topical medicaments using the local lymph node assay: An interlaboratory exercise. J. Toxicol. Environ.l Health, 53, 563-79.

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Anlage 1

BEGRIFFSBESTIMMUNGEN

Genauigkeit : Der Grad an Übereinstimmung zwischen Testergebnissen und akzeptierten Referenzwerten. Die Genauigkeit ist ein Maß der Leistung der Prüfmethode und ein Aspekt der Relevanz. Der Begriff wird oft im Sinne von „Übereinstimmung“ verwendet und bezeichnet den Anteil der korrekten Ergebnisse einer Prüfmethode (33).

Vergleichssubstanz : Eine sensibilisierende oder nicht sensibilisierende Substanz, die als Standard zu Vergleichszwecken für eine Prüfsubstanz verwendet wird. Geeignete Vergleichssubstanzen sollten die folgenden Eigenschaften haben: (i) gleichbleibende und verlässliche Quelle(n); (ii) strukturelle und funktionelle Ähnlichkeit mit der Klasse der zu prüfenden Stoffe; (iii) bekannte physikalisch-chemische Eigenschaften; (iv) unterstützende Daten zu bekannten Effekten und (v) bekannte Wirksamkeit im Bereich der erwünschten Reaktion.

Falsch negativ : Eine Prüfsubstanz, die durch eine Prüfmethode fälschlich als negativ oder nicht wirksam charakterisiert wird, obwohl sie in Wirklichkeit positiv bzw. wirksam ist (33).

Falsch positiv : Eine Prüfsubstanz, die durch eine Prüfmethode fälschlich als positiv oder wirksam charakterisiert wird, obwohl sie in Wirklichkeit negativ bzw. nicht wirksam ist (33).

Gefahr : Potenzial eines schädlichen Effekts für Gesundheit oder Umwelt. Die schädliche Wirkung manifestiert sich nur, wenn es zu einem ausreichenden Expositionsniveau kommt.

Inter-Labor-Reproduzierbarkeit : Das Ausmaß, in dem unterschiedliche qualifizierte Laboratorien, die dasselbe Protokoll verwenden und dieselben Prüfsubstanz testen, qualitativ und quantitativ vergleichbare Ergebnisse erzielen können. Die Inter-Labor-Reproduzierbarkeit wird während der Prävalidierungs- und Validierungsverfahren ermittelt und zeigt das Maß an, in dem ein Test erfolgreich zwischen Laboratorien übertragen werden kann. Im englischen Sprachgebrauch spricht man in diesem Zusammenhang auch von „Between-laboratory reproducibility“ (33).

Intra-Labor-Reproduzierbarkeit : Das Ausmaß, in dem qualifizierte Personen innerhalb desselben Labors, die dasselbe spezifische Protokoll zu unterschiedlichen Zeiten verwenden, erfolgreich dieselben Ergebnisse replizieren können. In diesem Zusammenhang spricht man auch von laborinterner Reproduzierbarkeit (33).

Ausreißer : Ein Ausreißer ist ein Messwert, der sich beträchtlich von anderen Werten in einem zufällig ausgewählten Muster in einer Population unterscheidet.

Qualitätssicherung : Ein Managementprozess, mittels dessen die Einhaltung von Laborprüfnormen, Anforderungen und Aufzeichnungsverfahren, sowie die Genauigkeit des Datentransfers durch Individuen bewertet wird, die von den testenden Personen unabhängig sind.

Zuverlässigkeit : Maß der Verlässlichkeit der Reproduzierbarkeit der Prüfmethode innerhalb von und zwischen Laboratorien in einem bestimmten Zeitintervall bei einheitlichem Protokoll. Sie wird durch Berechnung der Intra- und Interlabor-Reproduzierbarkeit bewertet (33).

Hautsensibilisierung : Ein immunologischer Prozess, der auftritt, wenn ein empfindliches Individuum oberflächlich einem induzierenden chemischen Allergen ausgesetzt ist, das eine kutane Immunreaktion auslöst, die zur Entwicklung einer Kontaktsensibilisierung führen kann.

Stimulationsindex (SI) : Ein Wert, der zur Bewertung des Hautsensibilisierungspotenzials einer Prüfsubstanz berechnet wird. Der SI ist das Verhältnis der Proliferation in behandelten Gruppen zu dem der gleichzeitigen Vehikelkontrollgruppe.

Prüfsubstanz (auch Prüfchemikalie) : Jeder Stoff oder jedes Gemisch, der/das mit dieser Prüfmethode getestet wird.

▼M4

B.52   AKUTE INHALATIONSTOXIZITÄT — AKUT-TOXISCHE KLASSENMETHODE

EINLEITUNG

1. Diese Prüfmethode entspricht der OECD-Prüfrichtlinie (TG) 436 (2009). Die erste Methode zur Prüfung auf akute Inhalationstoxizität TG 403 wurde 1981 angenommen und seitdem überarbeitet (siehe Kapitel B.2 dieses Anhangs (1)). Nach der Annahme der überarbeiteten akut-toxischen Klassenmethode (ATK) mit oraler Verabreichung (Kapitel B.1 tris dieses Anhangs) (5) wurde es für angebracht gehalten, eine akut-toxische Klassenmethode mit Inhalation (2) (3) (4) zu entwickeln. Eine retrospektive Leistungsbewertung der ATK-Methode zur Prüfung auf akute Inhalationstoxizität hat gezeigt, dass die Methode für Zwecke der Einstufung und Kennzeichnung geeignet ist (6). Bei der ATK-Inhalationsprüfmethode kann die Toxizität der Prüfsubstanz mithilfe aufeinander folgender Stufen festgelegter Zielkonzentrationen eingestuft werden. Der wichtigste Endpunkt ist Letalität, aber Tiere, bei denen starke Schmerzen oder schweres Leiden festgestellt werden, oder Tiere, deren Tod bevorsteht, sollten zur Minimierung ihres Leidens tierschutzgerecht getötet werden. Hinweise zu humanen Endpunkten sind im OECD Guidance Document No. 19 (7) zu finden.

2. Das Guidance Document No. 39 on Acute Inhalation Toxicity Testing (GD 39 (8)) enthält Hinweise zur Durchführung und Auswertung dieser Prüfmethode.

3. Die im Zusammenhang mit dieser Prüfmethode verwendeten Begriffe werden in Anlage 1 und im GD 39 (8) definiert.

4. Die Prüfmethode gibt Aufschluss über die gefährlichen Eigenschaften der Prüfsubstanz und ermöglicht ihre Einstufung gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 zur Einstufung chemischer Stoffe mit akut toxischer Wirkung (9). Falls Punktschätzungen von LC50-Werten oder Analysen der Konzentrations-Wirkungs-Beziehung erforderlich sind, ist Kapitel B.2 dieses Anhangs (1) die geeignete Prüfmethode. Weitere Hinweise zur Wahl der Prüfmethode sind im GD 39 (8) zu finden. Diese Prüfmethode ist nicht speziell für die Prüfung von Spezialmaterialien wie schwer löslichen isometrischen oder Fasermaterialien oder hergestellten Nanomaterialien bestimmt.

AUSGANGSÜBERLEGUNGEN

5. Bevor Versuche nach dieser Prüfmethode in Betracht gezogen werden, sollte das Prüflabor alle verfügbaren Informationen über die Prüfsubstanz, einschließlich bereits vorliegender Studien, deren Ergebnisse darauf hindeuten, dass auf weitere Versuche verzichtet werden kann, auswerten, damit möglichst wenig Tiere verwendet werden. Für die Auswahl der in Bezug auf Art, Stamm und Geschlecht am besten geeigneten Tiere sowie der geeigneten Expositionsart und Prüfkonzentrationen sollten u. a. Informationen wie die Identität, die chemische Struktur und die physikalisch-chemischen Eigenschaften der Prüfsubstanz, Ergebnisse jeglicher In-vitro- oder In-vivo-Toxizitätsprüfungen, vorgesehene Verwendungen und die Möglichkeit der Exposition des Menschen, (Q)SAR-Daten und toxikologische Daten über strukturverwandte Substanzen herangezogen werden. Konzentrationen, die wegen ätzender ( 35 ) oder stark reizender Wirkungen voraussichtlich starke Schmerzen und Qualen verursachen, sollten mit dieser Prüfmethode nicht geprüft werden [siehe GD 39 (8)].

PRINZIP DER PRÜFMETHODE

6. Das Prinzip der Prüfung besteht darin, in einem schrittweisen Verfahren genügend Informationen über die akute Toxizität der Prüfsubstanz nach Inhalation über einen Expositionszeitraum von 4 Stunden zu gewinnen, damit sie eingestuft werden kann. Für spezifische Regulierungszwecke sind andere Expositionszeiten möglich. Bei jeder der festgelegten Konzentrationsstufen werden je drei Tiere beider Geschlechter geprüft. Je nach Mortalität und/oder moribundem Zustand der Tiere können zwei Stufen ausreichen, um eine Beurteilung der akuten Toxizität der Prüfsubstanz zu ermöglichen. Gibt es Anhaltspunkte dafür, dass ein Geschlecht empfindlicher reagiert als das andere, kann die Prüfung mit dem empfindlicheren Geschlecht allein fortgesetzt werden. Das Ergebnis einer Stufe bestimmt die jeweils folgende Stufe:

a) keine weitere Prüfung erforderlich,

b) Prüfung von drei Tieren je Geschlecht oder

c) Prüfung von sechs Tieren des empfindlicheren Geschlechts, d. h. die Schätzungen der Untergrenze der Toxizitätsklasse sollte unabhängig vom Geschlecht auf sechs Tieren je Prüfkonzentrationsgruppe basieren.

7. Moribunde Tiere oder Tiere, die offensichtlich unter Schmerzen leiden oder Anzeichen von schwerem und anhaltendem Leiden zeigen, sollten auf tierschutzgerechte Weise getötet werden und sind bei der Auswertung der Testergebnisse auf die gleiche Weise zu werten wie während des Tests gestorbene Tiere. Kriterien für die Entscheidung, moribunde oder schwer leidende Tiere zu töten, sowie Hinweise zur Erkennung des absehbaren oder bevorstehenden Todes sind Gegenstand des OECD Guidance Document No. 19 on Humane Endpoints (7).

BESCHREIBUNG DER METHODE

Auswahl von Versuchstierarten

8. Es sollten junge, gesunde, adulte Tiere aus üblicherweise eingesetzten Laborstämmen verwendet werden. Bevorzugtes Versuchstier ist die Ratte; werden andere Tierarten eingesetzt, ist dies zu begründen.

Vorbereitung der Tiere

9. Die weiblichen Tiere dürfen weder bereits geworfen haben noch momentan trächtig sein. Am Tag der Exposition sollten die jungen, adulten Tiere 8 bis 12 Wochen alt sein; ihr Körpergewicht sollte innerhalb von ± 20 % des mittleren Gewichts für jedes Geschlecht aller zuvor exponierten Tiere desselben Alters liegen. Die Tiere werden nach Zufallskriterien ausgewählt, zur individuellen Identifizierung markiert und vor Beginn der Prüfung für einen Zeitraum von mindestens fünf Tagen in ihren Käfigen an die Laborbedingungen gewöhnt. Die Tiere sollten auch für einen kurzen Zeitraum vor der Prüfung an die Versuchsapparatur gewöhnt werden, da dies den Stress durch die Umsetzung in eine neue Umgebung verringert.

Tierhaltung

10. Die Temperatur in dem Raum, in dem die Versuchstiere gehalten werden, sollte 22 ± 3 °C betragen. Die relative Luftfeuchtigkeit sollte im Idealfall im Bereich zwischen 30 und 70 % liegen; bei Verwendung von Wasser als Vehikel könnte dies jedoch unmöglich sein. Die Tiere sollten vor und nach den Expositionen im Allgemeinen nach Geschlecht und Konzentration in Käfigen gruppiert werden, wobei aber die Anzahl der Tiere pro Käfig noch eine genaue Beobachtung der einzelnen Tiere ermöglichen muss und Verluste aufgrund von Kannibalismus oder Kämpfen minimiert werden sollten. Wenn die Tiere der Prüfsubstanz nur mit der Nase ausgesetzt werden sollen, müssen sie möglicherweise an die Restrainer gewöhnt werden. Die Restrainer sollten die Tiere weder körperlich noch in Bezug auf Wärme oder Fixierung übermäßig beeinträchtigen. Die Fixierung kann physiologische Endpunkte wie Körpertemperatur (Hyperthermie) und/oder das Atemminutenvolumen beeinflussen. Wenn generische Daten zeigen, dass keine derartigen Veränderungen in nennenswertem Ausmaß vorkommen, ist eine Eingewöhnung an die Restrainer nicht erforderlich. Bei der Ganzkörperexposition gegen ein Aerosol sollten die Tiere während der Exposition einzeln untergebracht sein, damit sie die Prüfsubstanz nicht durch das Fell ihrer Käfiggenossen filtriert einatmen. Außer während der Exposition kann herkömmliches und zertifiziertes Labortierfutter verwendet werden bei uneingeschränkter Versorgung mit Trinkwasser. Die Beleuchtung sollte künstlich sein und die Hell- und Dunkelphasen sollten sich im Abstand von 12 Stunden abwechseln.

Inhalationskammern

11. Bei der Auswahl einer Inhalationskammer sind die Art der Prüfsubstanz und das Ziel der Prüfung zu berücksichtigen. Das bevorzugte Verfahren ist die „Nose-only“-Exposition (dieser Begriff umfasst „nur Kopf“, „nur Nase“ oder „nur Schnauze“). Für die Untersuchung von Flüssigkeits- oder Feststoffaerosolen und für Dämpfe, die zu Aerosolen kondensieren können, wird im Allgemeinen die „Nose-only“-Exposition bevorzugt. Besondere Ziele der Untersuchung können möglicherweise mit einer Ganzkörperexposition besser erreicht werden, doch dies sollte im Prüfbericht begründet werden. Um bei Verwendung einer Ganzkörperkammer die Stabilität der Atmosphäre sicherzustellen, sollte das Gesamtvolumen der Versuchstiere 5 % des Volumens der Kammer nicht übersteigen. Die Grundzüge der „Nose-only“- und der Ganzkörperexposition sowie ihre jeweiligen Vor- und Nachteile sind im GD 39 (8) beschrieben.

EXPOSITIONSBEDINGUNGEN

Verabreichung der Konzentrationen

12. Es wird eine feste Expositionsdauer von 4 Stunden — ohne die zur Erreichung des Gleichgewicht erforderliche Zeit — empfohlen. Um spezifische Erfordernisse zu erfüllen, sind auch andere Expositionszeiten möglich; diese sind jedoch im Prüfbericht zu begründen [siehe GD 39 (8)]. Bei Ganzkörperexpositionen sollten die Tiere einzeln untergebracht sein, um eine Aufnahme der Prüfsubstanz durch das Putzen von Käfiggenossen zu verhindern. Während der Exposition sollte kein Futter verabreicht werden. Wasser kann während einer Ganzkörperexposition jederzeit angeboten werden.

13. Die Tiere werden der Prüfsubstanz in Form von Gas, Dampf, Aerosol oder einer Kombination dieser Formen ausgesetzt. Der zu prüfende Aggregatzustand hängt von den physikalisch-chemischen Eigenschaften der Prüfsubstanz, der gewählten Konzentration und/oder der physikalischen Form ab, in der die Prüfsubstanz bei der Handhabung und Verwendung am wahrscheinlichsten vorliegt. Hygroskopische und chemisch reaktive Prüfsubstanzen sollten bei geringer Luftfeuchtigkeit geprüft werden. Dabei ist darauf zu achten, dass keine explosionsfähigen Konzentrationen erzeugt werden.

Partikelgrößenverteilung

14. Bei allen Aerosolen und bei Dämpfen, die zu Aerosolen kondensieren können, sollte die Partikelgröße bestimmt werden. Damit alle relevanten Regionen der Atemwege der Prüfsubstanz ausgesetzt werden, werden mittlere aerodynamische Massendurchmesser (Mass Median Aerodynamic Diameter — MMAD) von 1 bis 4 μm mit einer geometrischen Standardabweichung (σg) von 1,5 bis 3,0 empfohlen (8) (13) (14). Wenngleich nach Möglichkeit versucht werden sollte, diese Werte zu erreichen, ist Fachwissen erforderlich, falls sie nicht erzielt werden können. Metalldämpfe können z. B. unter diesen Werten liegen, und geladene Partikel, Fasern und hygroskopische Stoffe (die sich in der feuchten Umgebung der Atemwege ausdehnen) können diese Werte überschreiten.

Vorbereitung der Prüfsubstanz in einem Vehikel

15. Um die gewünschte Konzentration und Partikelgröße der Prüfsubstanz in der Atmosphäre herzustellen, kann ein Vehikel verwendet werden. Hierbei ist in der Regel Wasser zu bevorzugen. Partikel können durch mechanische Prozesse auf die erforderliche Größenverteilung gebracht werden. Dabei ist darauf zu achten, dass die Prüfsubstanz nicht zersetzt oder verändert wird. Wenn angenommen wird, dass die Zusammensetzung der Prüfsubstanz durch mechanische Prozesse verändert wurde (z. B. hohe Temperatur aufgrund von Reibung durch übermäßiges Mahlen), sollte die Zusammensetzung der Prüfsubstanz analytisch überprüft werden. Es ist darauf zu achten, dass die Prüfsubstanz nicht kontaminiert wird. Nicht brüchige Granulate, die speziell so formuliert sind, dass sie nicht eingeatmet werden können, brauchen nicht geprüft zu werden. Mit einem Abriebtest sollte nachgewiesen werden, dass beim Umgang mit dem Granulat keine lungengängigen Partikel entstehen. Entstehen bei einem Abriebtest lungengängige Partikel, so sollte eine Inhalationstoxizitätsprüfung durchgeführt werden.

Kontrolltiere

16. Eine negative Kontrollgruppe (Luft) ist nicht erforderlich. Wenn zur Erzeugung der Prüfatmosphäre ein anderes Vehikel als Wasser verwendet wird, sollte nur dann eine Vehikelkontrollgruppe verwendet werden, wenn keine historischen Daten über Inhalationstoxizität vorliegen. Ergibt eine Toxizitätsstudie einer in einem Vehikel formulierten Prüfsubstanz, dass keine Toxizität vorliegt, ist das Vehikel folglich in der geprüften Konzentration nicht toxisch. Daher ist keine Vehikelkontrolle erforderlich.

ÜBERWACHUNG DER EXPOSITIONSBEDINGUNGEN

Luftstrom in der Inhalationskammer

17. Der Luftstrom durch die Kammer sollte während jeder Exposition sorgfältig geregelt, kontinuierlich überwacht und mindestens stündlich protokolliert werden. Die Überwachung der Konzentration (oder Stabilität) der Prüfatmosphäre ist eine integrale Messung aller dynamischen Parameter und gibt indirekt die Möglichkeit, alle relevanten dynamischen Parameter der Erzeugung der Prüfatmosphäre zu messen. Es sollte besonders darauf geachtet werden, das erneute Einatmen in „Nose-only“-Expositionskammern zu vermeiden, wenn die Luftströmung durch das Expositionssystem nicht ausreicht, um eine dynamische Strömung der Prüfsubstanzatmosphäre zu erreichen. Es gibt festgelegte Methoden, mit denen nachgewiesen werden kann, dass es unter den gewählten Bedingungen nicht zu erneutem Einatmen kommt (8) (15). Die Sauerstoffkonzentration sollte mindestens 19 % betragen, und die Kohlendioxidkonzentration sollte 1 % nicht überschreiten. Gibt es Grund zu der Annahme, dass diese Werte nicht eingehalten werden können, sind die Sauerstoff- und Kohlendioxidkonzentrationen zu messen.

Temperatur und relative Luftfeuchtigkeit in der Inhalationskammer

18. Die Temperatur in der Inhalationskammer sollte 22 ± 3 °C betragen. Sowohl bei der „Nose-only“- als auch bei der Ganzkörperexposition sollte die relative Luftfeuchtigkeit im Atembereich der Tiere mindestens dreimal für Zeiträume von bis zu 4 Stunden und für kürzere Zeiträume stündlich überwacht und dokumentiert werden. Die relative Luftfeuchtigkeit sollte im Idealfall zwischen 30 und 70 % liegen, was jedoch möglicherweise nicht erreichbar ist (z. B. bei der Prüfung von wasserbasierten Mischungen) oder wegen chemischer Interferenz mit der Prüfmethode nicht gemessen werden kann.

Prüfsubstanz: nominale Konzentration

19. Die nominale Konzentration in der Expositionskammer sollte möglichst berechnet und protokolliert werden. Die nominale Konzentration ist die Masse der erzeugten Prüfsubstanz dividiert durch das Gesamtvolumen der durch das Kammersystem geleiteten Luft. Sie wird nicht zur Beschreibung der Exposition der Tiere verwendet; vielmehr gibt ein Vergleich der nominalen Konzentration und der tatsächlichen Konzentration Aufschluss über die Effizienz des Prüfsystems bei der Erzeugung der Prüfkonzentration, und kann daher für die Aufdeckung von Problemen bei dieser Erzeugung verwendet werden.

Prüfsubstanz: tatsächliche Konzentration

20. Die tatsächliche Konzentration ist die Konzentration der Prüfsubstanz im Atembereich der Tiere in einer Inhalationskammer. Die tatsächlichen Konzentrationen können entweder durch spezifische Methoden (z. B. direkte Probenahme, adsorptive Methoden oder chemische Reaktionsverfahren mit anschließender analytischer Charakterisierung) oder durch unspezifische Methoden wie Gravimetrie bestimmt werden. Die gravimetrische Methode ist lediglich für Aerosole mit nur einem Bestandteil in Pulverform oder Aerosole von Flüssigkeiten mit geringer Flüchtigkeit akzeptabel und sollte sich auf geeignete, vor der Studie zu erstellende und für die Prüfsubstanz spezifische Beschreibungen stützen. Die Konzentration von Aerosolen mit mehreren Bestandteilen in Pulverform kann ebenfalls gravimetrisch bestimmt werden. Hierzu muss jedoch mit Analysedaten belegt werden, dass die Schwebstoffe eine ähnliche Zusammensetzung haben wie das Ausgangsmaterial. Liegen diese Angaben nicht vor, muss die Prüfsubstanz (im Idealfall im Schwebezustand) möglicherweise im Verlauf der Studie in regelmäßigen Abständen neu analysiert werden. Bei aerosolisierten Agenzien, die verdunsten oder sublimieren können, sollte gezeigt werden, dass alle Phasen von der gewählten Methode erfasst wurden. Im Prüfbericht sollten die Zielkonzentration sowie die nominale und die tatsächliche Konzentration angegeben werden, aber nur die tatsächlichen Konzentrationen werden für statistische Analysen zur Berechnung letaler Konzentrationswerte verwendet.

21. Es sollte möglichst eine Partie der Prüfsubstanz verwendet werden; die Probe sollte unter Bedingungen aufbewahrt werden, die ihre Reinheit, Homogenität und Stabilität gewährleisten. Die Prüfsubstanz sollte vor Beginn der Studie mit Angaben zur Reinheit und, falls technisch machbar, zur Identität sowie zu Mengen identifizierter Schadstoffe und Verunreinigungen beschrieben werden. Hierzu können unter anderem die folgenden Daten verwendet werden: Retentionszeit und relative Peakfläche, durch Massenspektrometrie oder Gaschromatographie bestimmtes Molekulargewicht oder andere Werte. Das Prüflabor ist zwar nicht für die Identität der Probe verantwortlich, doch es kann ratsam sein, dass es die Beschreibung des Auftraggebers zumindest in gewissen Grenzen (z. B. Farbe, physikalische Beschaffenheit usw.) überprüft.

22. Die Expositionsatmosphäre ist so konstant wie möglich zu halten und je nach Analysemethode kontinuierlich und/oder intermittierend zu überwachen. Bei der intermittierenden Probenahme sollten in einer vierstündigen Studie mindestens zweimal Proben der Atmosphäre in der Kammer genommen werden. Ist dies wegen begrenzter Luftdurchflussraten oder niedriger Konzentrationen nicht möglich, kann während der gesamten Expositionszeit eine einzige Probe genommen werden. Weichen die einzelnen Proben stark voneinander ab, sollten bei den nächsten geprüften Konzentrationen vier Proben je Exposition gezogen werden. Die einzelnen Proben der Konzentration in der Kammer sollten bei Gasen und Dämpfen nicht mehr als ± 10 % und bei Flüssig- oder Feststoffaerosolen nicht mehr als ± 20 % von der mittleren Kammerkonzentration abweichen. Die Zeit bis zum Erreichen eines Gleichgewichts in der Kammer (t95) ist zu berechnen und zu dokumentieren. Die Expositionsdauer erstreckt sich über den Zeitraum, in dem die Prüfsubstanz erzeugt wird; dazu gehört die zur Erreichung von t95 erforderliche Zeit. GD 39 (8) enthält Hinweise zur Einschätzung von t95.

23. Bei sehr komplexen Mischungen aus Dämpfen/Gasen und Aerosolen (z. B. Verbrennungsatmosphären und Prüfsubstanzen, die aus hierzu bestimmten Endverbraucherprodukten/-geräten gesprüht werden) kann sich jede Phase in einer Inhalationskammer anders verhalten, so dass mindestens eine Indikatorsubstanz (Analyt), normalerweise der wichtigste Wirkstoff in der Mischung, von jeder Phase (Dampf/Gas und Aerosol) ausgewählt werden sollte. Wenn die Prüfsubstanz eine Mischung ist, sollte die Analysekonzentration für die gesamte Mischung und nicht nur für den Wirkstoff oder den Bestandteil (Analyt) dokumentiert werden. Weitere Informationen zu tatsächlichen Konzentrationen sind im GD 39 (8) zu finden.

Prüfsubstanz: Partikelgrößenverteilung

24. Die Partikelgrößenverteilung von Aerosolen sollte während jeder 4-stündigen Exposition mindestens zweimal mit einem Kaskaden-Impaktor oder einem anderen Messgerät wie einem APS bestimmt werden. Kann nachgewiesen werden, dass die mit einem Kaskaden-Impaktor und einem alternativen Messgerät erzielten Ergebnisse gleichwertig sind, so kann das alternative Instrument während der gesamten Studie verwendet werden. Parallel zum Hauptinstrument ist ein zweites Gerät wie ein Gravimetriefilter oder eine Gaswaschflasche zu verwenden, um den Abscheidegrad des Hauptinstruments zu bestätigen. Die durch die Partikelgrößenanalyse bestimmte Massenkonzentration sollte innerhalb vertretbarer Grenzen um die durch die Filteranalyse bestimmte Massenkonzentration liegen [siehe DG 39 (8)]. Wenn die Gleichwertigkeit zu Beginn der Studie nachgewiesen werden kann, kann auf weitere bestätigende Messungen verzichtet werden. Aus Tierschutzgründen sollten Vorkehrungen getroffen werden, um unklare Daten zu minimieren, die dazu führen könnten, dass eine Exposition wiederholt werden muss. Wenn die Möglichkeit besteht, dass Dampfkondensation zur Bildung eines Aerosols führen kann, oder wenn in einer Dampfatmosphäre mit dem Potenzial für gemischte Phasen Partikel nachgewiesen werden, sollte eine Partikelgrößenbestimmung für Dämpfe vorgenommen werden (siehe Nummer 14).

VERFAHREN

Hauptversuch

25. Für jede Stufe werden drei Tiere je Geschlecht oder sechs Tiere des empfindlicheren Geschlechts verwendet. Wenn für eine „Nose-only“-Exposition andere Nagetierarten als Ratten verwendet werden, kann die maximale Expositionsdauer angepasst werden, um artenspezifisches Leiden zu minimieren. Die als Startdosis zu verwendende Konzentrationsstufe wird aus vier festen Dosiswerten gewählt; dabei sollte die Stufe gewählt werden, bei der die Wahrscheinlichkeit, dass sie bei einigen der behandelten Tiere Toxizität hervorruft, am größten ist. Die Prüfschemata für Gase, Dämpfe und Aerosole (Anlagen 2, 3 und 4) veranschaulichen die Prüfung mit den Berücksichtigungsgrenzwerten der GHS-Kategorien 1-4 (9) für Gase (100, 500, 2 500 , 20 000 ppm/4 Std.) (Anlage 2), für Dämpfe (0,5, 2, 10, 20 mg/l/4 Std.) (Anlage 3) und für Aerosole (0,05, 0,5, 1, 5 mg/l/4 Std.) (Anlage 4). Kategorie 5, die in der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 (9) nicht umgesetzt ist, bezieht sich auf Konzentrationen über den jeweiligen Grenzkonzentrationen. Für jede Startkonzentration gilt das entsprechende Prüfschema. Der Verlauf des Prüfverfahrens folgt je nach Anzahl der tierschutzgerecht getöteten oder gestorbenen Versuchstiere den angegebenen Pfeilen, bis eine Einstufung vorgenommen werden kann.

26. Der Zeitabstand zwischen den einzelnen Expositionsgruppen richtet sich nach dem Einsetzen, der Dauer und dem Schweregrad der toxischen Zeichen. Die Tiere sollten erst dann der nächsten Konzentrationsstufe ausgesetzt werden, wenn mit angemessener Gewissheit vom Überleben der zuvor getesteten Tiere ausgegangen werden kann. Es wird empfohlen, zwischen den Versuchen mit den einzelnen Konzentrationsstufen einen Abstand von drei bis vier Tagen einzuhalten, damit eine verzögerte Toxizität festgestellt werden kann. Dieser Zeitabstand kann nach Bedarf angepasst werden, wenn z. B. die beobachteten Reaktionen keine Schlussfolgerungen zulassen.

Limit-Test

27. Der Limit-Test wird verwendet, wenn bekannt oder zu erwarten ist, dass die Prüfsubstanz praktisch nicht toxisch ist, d. h. nur über der regulatorisch festgelegten Grenzkonzentration eine toxische Wirkung hervorruft. Informationen über die Toxizität der Prüfsubstanz können aus Kenntnissen über ähnliche geprüfte Stoffe oder ähnliche Mischungen gewonnen werden, wobei Art und prozentualer Anteil der Komponenten zu berücksichtigen sind, deren toxikologische Relevanz bekannt ist. In den Fällen, in denen nur wenige oder keine Informationen über die Toxizität der Prüfsubstanz vorliegen oder in denen von einer Toxizität der Prüfsubstanz ausgegangen wird, sollte der Hauptversuch durchgeführt werden [weitere Hinweise sind GD 39 (8) zu entnehmen].

28. Bei der normalen Vorgehensweise werden je drei Tiere beider Geschlechter oder sechs Tiere des empfindlicheren Geschlechts Konzentrationen von 20 000 ppm im Fall von Gasen, 20 mg/l im Fall von Dämpfen und 5 mg/l im Fall von Stäuben/Nebel ausgesetzt. Wenn diese Konzentrationen erreicht werden, dienen sie als Limit-Test für diese Prüfmethode. Bei der Prüfung von Aerosolen sollte das Hauptziel darin bestehen, eine lungengängige Partikelgröße (d. h. ein MMAD von 1-4 μm) zu erreichen. Dies ist bei den meisten Prüfsubstanzen bei einer Konzentration von 2 mg/l der Fall. Aerosole sollten nur dann bei mehr als 2 mg/l geprüft werden, wenn eine lungengängige Partikelgröße erreicht werden kann [siehe GD 39 (8)]. In Übereinstimmung mit dem GHS (16) wird aus Tierschutzgründen von Prüfungen über einer Grenzkonzentration abgeraten. Prüfungen in der GHS-Kategorie 5 (16), die in der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 (9) nicht umgesetzt ist, sollten nur dann in Betracht gezogen werden, wenn es sehr wahrscheinlich ist, dass die Ergebnisse einer solchen Prüfung von unmittelbarer Relevanz für den Schutz der menschlichen Gesundheit sind. Im Studienbericht ist eine Begründung anzugeben. Bei potenziell explosiven Prüfsubstanzen ist darauf zu achten, dass keine explosionsfördernden Bedingungen geschaffen werden. Um eine unnötige Verwendung von Versuchstieren zu vermeiden und sicherzustellen, dass die Kammerbedingungen für einen Limit-Test erreicht werden können, sollte vor dem Limit-Test ein Probedurchlauf ohne Tiere vorgenommen werden.

BEOBACHTUNGEN

29. Die Tiere sollten während der Exposition häufig auf klinische Zeichen beobachtet werden. Nach der Exposition sollten klinische Beobachtungen mindestens zweimal am Tag der Exposition oder, falls es aufgrund der Reaktion der Tiere auf die Behandlung angezeigt erscheint, häufiger und danach für einen Zeitraum von insgesamt 14 Tagen mindestens einmal täglich vorgenommen werden. Die Länge des Beobachtungszeitraums ist nicht festgelegt; sie sollte nach Art und Zeitpunkt des Einsetzens klinischer Zeichen und der Länge der Erholungsphase bestimmt werden. Der Zeitpunkt, zu dem die Toxizitätszeichen auftreten und wieder abklingen, ist von Bedeutung, insbesondere dann, wenn Anzeichen für ein verzögertes Auftreten von Toxizitätszeichen erkennbar sind. Sämtliche Beobachtungen werden systematisch in Einzelprotokollen dokumentiert, die für jedes Tier geführt werden. Tiere, bei denen ein moribunder Zustand festgestellt wird, sowie Tiere, die starke Schmerzen haben oder anhaltende Anzeichen von schwerem Leiden zeigen, sollten aus Tierschutzgründen getötet werden. Bei den Untersuchungen auf klinische Toxizitätszeichen ist darauf zu achten, dass ein anfänglich schlechtes Aussehen und vorübergehende Atemveränderungen, die auf das Expositionsverfahren zurückzuführen sind, nicht mit behandlungsbedingten Wirkungen verwechselt werden. Die im Humane Endpoints Guidance Document (7) zusammengefassten Prinzipien und Kriterien sind zu berücksichtigen. Wenn Tiere aus Tierschutzgründen getötet werden oder ihr Tod festgestellt wird, sollte der Todeszeitpunkt so genau wie möglich registriert werden.

30. Bei den Beobachtungen ist auf Veränderungen von Haut, Fell, Augen und Schleimhäuten sowie Atmung, Kreislauf, autonomes und zentrales Nervensystem, Somatomotorik und Verhaltensmuster zu achten. Soweit möglich, ist auf Differenzierungen zwischen lokalen und systemischen Wirkungen zu achten. Besonderes Augenmerk ist auf Tremor, Konvulsionen, Salivation, Diarrhö, Lethargie, Schlaf und Koma zu richten. Die Messung der Rektaltemperatur kann zusätzliche Belege für mit der Behandlung oder Unterbringung zusammenhängende Reflex-Bradypnoe oder Hypo-/Hyperthermie liefern.

Körpergewicht

31. Das Körpergewicht der einzelnen Tiere sollte einmal während der Eingewöhnungszeit, am Tag der Exposition vor der Exposition (Tag 0) und mindestens an den Tagen 1, 3 und 7 (und danach wöchentlich) sowie zum Zeitpunkt des Todes oder der Tötung, falls später als Tag 1, dokumentiert werden. Das Körpergewicht gilt als kritischer Indikator für Toxizität; Tiere, die gegenüber ihrem Gewicht vor der Prüfung eine dauerhafte Abnahme um ≥ 20 % aufweisen, sollten sorgfältig überwacht werden. Die überlebenden Tiere werden gewogen und am Ende der Post-Expositionsphase auf tierschutzgerechte Weise getötet.

Pathologie

32. Alle Versuchstiere (einschließlich der Tiere, die während des Tests sterben oder aus Tierschutzgründen getötet und aus der Studie genommen werden) sind auf makroskopische Veränderungen zu untersuchen. Kann die Nekropsie nicht unmittelbar nach Auffinden eines toten Tieres erfolgen, sollte der Körper auf eine Temperatur gekühlt (nicht eingefroren) werden, die tief genug ist, um die Autolyse zu minimieren. Die Nekropsie ist baldmöglichst, in der Regel innerhalb von einem oder zwei Tagen durchzuführen. Alle makroskopischen Veränderungen sollten für jedes Tier protokolliert werden, wobei besonders auf Veränderungen der Atemwege zu achten ist.

33. Es kann in Betracht gezogen werden, von vorneherein zusätzliche Untersuchungen in die Studienauslegung aufzunehmen, die die Aussagekraft der Studie erhöhen, z. B. die Messung des Lungengewichts überlebender Ratten und/oder den Nachweis einer Reizwirkung durch mikroskopische Untersuchung der Atemwege. Untersucht werden können auch diejenigen Organe, die bei 24 Stunden oder länger überlebenden Tieren makroskopische Befunde aufweisen, sowie Organe, die bekanntermaßen oder vermutlich betroffen sind. Eine mikroskopische Untersuchung des gesamten Atemtrakts kann nützliche Informationen über Prüfsubstanzen liefern, die mit Wasser reagieren, z. B. Säuren und hygroskopische Prüfsubstanzen.

DATEN UND BERICHTERSTATTUNG

Daten

34. Das Körpergewicht der einzelnen Tiere und Sektionsbefunde sollten angegeben werden. Die Daten der klinischen Beobachtung sollten in tabellarischer Form zusammengefasst werden. Daraus müssen für jede Prüfgruppe die Anzahl der verwendeten Tiere, die Anzahl der Tiere mit spezifischen Toxizitätszeichen, die Anzahl der Tiere, die während der Prüfung tot aufgefunden oder vorzeitig getötet wurden, der Todeszeitpunkt der einzelnen Tiere, eine Beschreibung und der zeitliche Verlauf der toxischen Wirkungen und deren Reversibilität sowie die Sektionsbefunde ersichtlich sein.

Prüfbericht

35. Der Prüfbericht sollte, soweit zutreffend, die folgenden Informationen enthalten:

Versuchstiere und Tierhaltung

 Beschreibung der Haltungsbedingungen mit Angaben zu Anzahl (oder Veränderung der Anzahl) der Tiere je Käfig, Einstreu, Umgebungstemperatur und relativer Luftfeuchtigkeit, Photoperiode und Futter,

 Art/Stamm und Begründung für die Verwendung einer anderen Art als der Ratte,

 Anzahl, Alter und Geschlecht der Tiere,

 Randomisierungsmethode,

 Angaben über Futter- und Wasserqualität (einschließlich Art/Herkunft des Futters, Wasserquelle),

 Beschreibung etwaiger Vorbereitung vor der Prüfung, einschließlich Ernährung, Quarantäne und Behandlung von Krankheiten.

Prüfsubstanz

 physikalische Beschaffenheit, Reinheit und, wenn maßgeblich, physikalisch-chemische Eigenschaften (einschließlich Isomerisierung),

 Angaben zur Identifikation und CAS-Nummer (Chemical Abstract Services), falls bekannt.

Vehikel

 Begründung für die Verwendung eines Vehikels sowie für die Wahl des Vehikels (falls nicht Wasser),

 historische oder parallel erzeugte Daten, die belegen, dass das Vehikel keinen Einfluss auf das Ergebnis der Studie hat.

Inhalationskammer

 Beschreibung der Inhalationskammer mit Angabe von Abmessungen und Volumen,

 Herkunft und Beschreibung der für die Exposition der Tiere sowie für die Erzeugung der Atmosphäre verwendeten Ausrüstung,

 Ausrüstung für die Messung von Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Partikelgröße und tatsächlicher Konzentration,

 Herkunft der Luft, Behandlung der eingeleiteten/entzogenen Luft sowie Klimatisierungssystem,

 für die Kalibrierung der Ausrüstung verwendete Methoden, um eine homogene Prüfatmosphäre sicherzustellen,

 Druckunterschied (positiv oder negativ),

 Expositions-Öffnungen je Kammer („Nose-only“-Exposition); Anordnung der Tiere im System (Ganzkörper),

 zeitliche Homogenität/Stabilität der Prüfatmosphäre,

 Lage von Temperatur- und Feuchtigkeitssensoren und Ort der Probenahme der Prüfatmosphäre in der Kammer,

 Luftdurchflussraten, Luftdurchflussrate/Expositions-Öffnung („Nose-only“-Exposition) oder Anzahl der Tiere je Kammer (Ganzkörperexposition),

 Angaben zur Ausrüstung für die Messung des Sauerstoff- und Kohlendioxidgehalts, falls zutreffend,

 bis zum Erreichen des Gleichgewichts in der Inhalationskammer benötigte Zeit (t95),

 Zahl der Volumenänderungen pro Stunde,

 Messgeräte (falls zutreffend).

Expositionsdaten

 Begründung für die Wahl der Zielkonzentration in der Hauptstudie,

 nominale Konzentrationen (Gesamtmasse der in die Inhalationskammer eingeleiteten Prüfsubstanz dividiert durch das Volumen der durch die Kammer geleiteten Luft),

 im Atembereich der Tiere ermittelte tatsächliche Konzentrationen der Prüfsubstanz; bei Prüfgemischen mit heterogenen physikalischen Formen (Gase, Dämpfe, Aerosole) kann jede Form getrennt analysiert werden,

 alle Luftkonzentrationen sollten in Masseneinheiten angegeben werden (z. B. mg/l, mg/m3 usw.), Volumeneinheiten können in Klammern ebenfalls angegeben werden (z. B. ppm, ppb),

 Partikelgrößenverteilung, mittlerer aerodynamischer Massendurchmesser (MMAD) und geometrische Standardabweichung (σg), einschließlich der Berechnungsmethoden. Einzelne Partikelgrößenanalysen sind zu protokollieren.

Prüfbedingungen

 Angaben zur Vorbereitung der Prüfsubstanz, einschließlich Angaben zu den Verfahren zur Reduzierung der Partikelgröße von Feststoffen oder zur Herstellung von Lösungen der Prüfsubstanz. Wenn die Zusammensetzung der Prüfsubstanz durch mechanische Prozesse verändert worden sein kann, sind die Ergebnisse der Analysen zur Überprüfung der Zusammensetzung der Prüfsubstanz beizufügen.

 Eine Beschreibung (möglichst mit Diagramm) der Ausrüstung, die zur Erzeugung der Prüfatmosphäre und zur Exposition der Tiere gegen die Prüfatmosphäre verwendet wurde.

 Angaben zur verwendeten chemischen Analysemethode und zur Validierung der Methode (einschließlich der Effizienz der Wiederfindung der Prüfsubstanz im Medium).

 Begründung für die Wahl der Prüfkonzentrationen.

Ergebnisse

 tabellarische Darstellung von Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Luftstrom in der Kammer,

 tabellarische Darstellung von Daten zur nominalen und tatsächlichen Konzentration in der Kammer,

 tabellarische Darstellung der Partikelgrößendaten einschließlich Daten zur analytischen Probenahme, Partikelgrößenverteilung und Berechnung des MMAD und der σg,

 tabellarische Erfassung der erhobenen Daten und der Konzentration für jedes einzelne Tier (d. h. Tiere, die Anzeichen für Toxizität zeigen, einschließlich Mortalität sowie Art, Schweregrad und Dauer der Wirkungen),

 Körpergewicht der einzelnen Tiere, erfasst an Prüfungstagen, Datum und Zeitpunkt des Todes, falls vor geplanter Tötung, zeitlicher Verlauf des Einsetzens von Toxizitätsanzeichen sowie Angabe, ob diese reversibel waren, für jedes einzelne Tier,

 Sektionsbefunde und histopathologische Ergebnisse für jedes einzelne Tier, falls vorhanden,

 GHS-Kategorieeinstufung und LC50-Berücksichtigungsgrenzwert.

Diskussion und Auswertung der Ergebnisse

 Besondere Aufmerksamkeit sollte der Beschreibung der Methoden gelten, die verwendet wurden, um die Kriterien dieser Prüfmethode zu erfüllen, z. B. die Grenzkonzentration oder die Partikelgröße.

 Die Lungengängigkeit von Partikeln vor dem Hintergrund der Gesamtbefunde sollte behandelt werden, insbesondere, wenn die Partikelgrößenkriterien nicht erfüllt werden konnten.

 Die Kohärenz der Methoden zur Bestimmung der nominalen und der tatsächlichen Konzentration sowie die Beziehung der tatsächlichen Konzentration zur nominalen Konzentration sind in die Gesamtbewertung der Studie aufzunehmen.

 Die wahrscheinliche Todesursache und die vorherrschende Wirkungsweise (systemisch oder lokal) sollten behandelt werden.

 Falls Tiere, die unter Schmerzen litten oder Zeichen für schweres und anhaltendes Leiden aufwiesen, auf tierschutzgerechte Weise getötet werden mussten, ist eine Erklärung auf der Grundlage der Kriterien im OECD Guidance Document on Humane Endpoints (7) zu geben.

LITERATUR:

1. Kapitel B.2 dieses Anhangs, Akute Inhalationstoxizität.

2. Holzhütter H-G, Genschow E, Diener W, and Schlede E (2003). Dermal and Inhalation Acute Toxicity Class Methods: Test Procedures and Biometric Evaluations for the Globally Harmonized Classification System. Arch. Toxicol. 77: 243-254.

3. Diener W, Kayser D and Schlede E (1997). The Inhalation Acute-Toxic-Class Method; Test Procedures and Biometric Evaluations. Arch. Toxicol. 71: 537-549.

4. Diener W and Schlede E (1999). Acute Toxic Class Methods: Alternatives to LD/LC50 Tests. ALTEX 1: 129-134.

5. Kapitel B.1.tris dieses Anhangs, Akute orale Toxizität — Akut toxische Klassenmethode.

6. OECD (2009). Report on Biostatistical Performance Assessment of the Draft TG 436 Acute Toxic Class Testing Method for Acute Inhalation Toxicity. Environmental Health and Safety Monograph Series on Testing and Assessment No. 105, OECD, Paris. Abrufbar unter: [http://www.oecd.org/env/testguidelines]

7. OECD (2000). Guidance Document on the Recognition, Assessment and Use of Clinical Signs as Humane Endpoints for Experimental Animals Used in Safety Evaluation. Environmental Health and Safety Monograph Series on Testing and Assessment No. 19. Abrufbar unter: [http://www.oecd.org/env/testguidelines]

8. OECD (2009). Guidance Document on Acute Inhalation Toxicity Testing. Environmental Health and Safety Monograph Series on Testing and Assessment No. 39, OECD, Paris. Abrufbar unter: [http://www.oecd.org/env/testguidelines]

9. Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien 67/548/EWG und 1999/45/EG und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (ABl. L 353 vom 31.12.2008, S. 1).

10. Kapitel B.40 dieses Anhangs, In-vitro-Prüfung auf hautätzende Wirkung: TER-Test (transcutaneous electrical resistance test).

11. Kapitel B.40.bis dieses Anhangs, In-vitro-Prüfung auf hautätzende Wirkung: Test mit menschlichem Hautmodell.

12. OECD (2005). In Vitro Membrane Barrier Test Method for Skin Corrosion. OECD Guideline for testing of chemicals No. 435, OECD, Paris. Abrufbar unter: [http://www.oecd.org/env/testguidelines]

13. Phalen RF (2009). Inhalation Studies: Foundations and Techniques. (2nd Edition) Informa Healthcare, New York.

14. SOT (1992). Technical Committee of the Inhalation Specialty Section, Society of Toxicology (SOT). Recommendations for the Conduct of Acute Inhalation Limit Tests. Fund. Appl. Toxicol. 18: 321-327.

15. Pauluhn J and Thiel A (2007). A Simple Approach to Validation of Directed-Flow Nose-Only Inhalation Chambers. J. Appl. Toxicol. 27: 160-167

16. UN (2007), United Nations Globally Harmonized System of Classification and Labelling of Chemicals (GHS), ST/SG/AC.10/30, UN New York and Geneva. Abrufbar unter: [http://www.unece.org/trans/danger/publi/ghs/ghs_welcome_e.html]

Anlage 1

DEFINITION

Prüfsubstanz : jeder Stoff oder jedes Gemisch, der/das mit dieser Prüfmethode getestet wird.

Anlage 2

Verfahrensweise für jede Startkonzentration von Gasen (ppm/4 Std.)

Allgemeine Hinweise ( 36 )

Die Prüfschemata in dieser Anlage geben für jede Startkonzentration die jeweils zu beachtende Vorgehensweise an.

Anlage 2a : Startkonzentration 100 ppm

Anlage 2b : Startkonzentration 500 ppm

Anlage 2c : Startkonzentration 2 500 ppm

Anlage 2d : Startkonzentration 20 000 ppm

Der Testverlauf folgt je nach Anzahl der tierschutzgerecht getöteten oder gestorbenen Versuchstiere den angegebenen Pfeilen.

Anlage 2a

Akute Inhalationstoxizität:

Prüfverfahren mit einer Ausgangskonzentration von 100 ppm/4 Std. für Gase

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Anlage 2b

Akute Inhalationstoxizität:

Prüfverfahren mit einer Ausgangskonzentration von 500 ppm/4 Std. für Gase

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Anlage 2c

Akute Inhalationstoxizität:

Prüfverfahren mit einer Ausgangskonzentration von 2 500 ppm/4 Std. für Gase

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Anlage 2d

Akute Inhalationstoxizität:

Prüfverfahren mit einer Ausgangskonzentration von 20 000 ppm/4 Std. für Gase

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Anlage 3

Verfahrensweise für jede Startkonzentration von Dämpfen (mg/l/4 Std.)

Allgemeine Hinweise ( 37 )

Die Prüfschemata in dieser Anlage geben für jede Startkonzentration die jeweils zu beachtende Vorgehensweise an.

Anlage 3a : Startkonzentration 0,5 mg/l

Anlage 3b : Startkonzentration 2,0 mg/l

Anlage 3c : Startkonzentration 10 mg/l

Anlage 3d : Startkonzentration 20 mg/l

Der Testverlauf folgt je nach Anzahl der tierschutzgerecht getöteten oder gestorbenen Versuchstiere den angegebenen Pfeilen.

Anlage 3a

Akute Inhalationstoxizität:

Prüfverfahren mit einer Ausgangskonzentration von 0,5 mg/l/4 Std. für Dämpfe

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Anhang 3b

Akute Inhalationstoxizität:

Prüfverfahren mit einer Ausgangskonzentration von 2 mg/l/4 Std. für Dämpfe

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Anlage 3c

Akute Inhalationstoxizität:

Prüfverfahren mit e iner Ausgangskonzentration von 10 mg/l/4 Std. für Dämpfe

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Anlage 3d

Akute Inhalationstoxizität:

Prüfverfahren mit einer Ausgangskonzentration von 20 mg/l/4 Std. für Dämpfe

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Anlage 4

Verfahrensweise für jede Startkonzentration von Aerosolen (mg/l/4 Std.)

Allgemeine Hinweise ( 38 )

Die Prüfschemata in dieser Anlage geben für jede Startkonzentration die jeweils zu beachtende Vorgehensweise an.

Anlage 4a : Startkonzentration 0,05 mg/l

Anlage 4b : Startkonzentration 0,5 mg/l

Anlage 4c : Startkonzentration 1 mg/l

Anlage 4d : Startkonzentration 5 mg/l

Der Testverlauf folgt je nach Anzahl der tierschutzgerecht getöteten oder gestorbenen Versuchstiere den angegebenen Pfeilen.

Anlage 4a

Akute Inhalationstoxizität:

Prüfverfahren mit einer Ausgangskonzentration von 0.05 mg/l/4 Std. für Dämpfe

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Anlage 4b

Akute Inhalationstoxizität:

Prüfverfahren mit einer Ausgangskonzentration von 0,5 mg/l/4Std. für Aerosole

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Anlage 4c

Akute Inhalationstoxizität:

Prüfverfahren mit einer Ausgangskonzentration von 1 mg/l/4 Std. für Aerosole

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Anlage 4d

Akute Inhalationstoxizität:

Prüfverfahren mit einer Ausgangskonzentration von 5 mg/l/4 Std. für Aerosole

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▼M5

B.53.    PRÜFUNG AUF ENTWICKLUNGSNEUROTOXIZITÄT

EINLEITUNG

1.

Diese Prüfmethode entspricht der OECD-Prüfrichtlinie (TG) 426 (2007). Im Juni 1995 traf sich eine OECD-Arbeitsgruppe aus dem Bereich Reproduktions- und Entwicklungstoxizität in Kopenhagen, um zu erörtern, ob eine Aktualisierung der bestehenden diesbezüglichen OECD-Prüfrichtlinien sowie die Ausarbeitung neuer Leitlinien für bislang noch nicht abgedeckte Endpunkte erforderlich ist (1). Die Arbeitsgruppe empfahl, auf der Grundlage einer inzwischen überarbeiteten Richtlinie der amerikanischen Umweltschutzbehörde (EPA) (2) eine Prüfrichtlinie für Entwicklungsneurotoxizität auszuarbeiten. Im Juni 1996 fand ein zweites Beratungstreffen in Kopenhagen statt, bei dem das Sekretariat über den Entwurf einer neuen Prüfrichtlinie zur Entwicklungsneurotoxizität einschließlich der wichtigsten Eckpunkte mit Angaben zur Auswahl der Versuchstierarten, zur Dosierungsphase, zur Prüfphase, zu den zu bewertenden Endpunkten und zu den Kriterien für die Auswertung der Ergebnisse informiert werden sollte. 1998 wurde eine US-amerikanische Richtlinie für die Bewertung des Neurotoxizitätsrisikos veröffentlicht (3). Im Oktober 2000 wurden nacheinander ein Beratungstreffen von OECD-Sachverständigen und ein Workshop des ILSI Risk Science Institute abgehalten. 2005 fand in Tokio ein Sachverständigen-Beratungstreffen statt. Ziel dieser Veranstaltungen war die Erörterung der wissenschaftlichen und technischen Fragen im Zusammenhang mit der aktuellen Prüfrichtlinie, und die Empfehlungen aus diesen Treffen (4)(5)(6)(7) wurden bei der Ausarbeitung der vorliegenden Prüfmethode berücksichtigt. Weitere Informationen zu Durchführung, Interpretation und Terminologie dieser Prüfmethode finden sich in den Guidance Documents der OECD Nr. 43 (‘Reproductive Toxicity Testing and Assessment’) (8) und Nr. 20 (‘Neurotoxicity Testing’) (9).

AUSGANGSÜBERLEGUNGEN

2.

Viele Chemikalien schädigen bekanntermaßen beim Menschen und anderen Arten das in der Entwicklung befindliche Nervensystem (10)(11)(12)(13). Für die Bewertung und Beurteilung der toxischen Eigenschaften einer Chemikalie ist unter Umständen eine Bestimmung ihres entwicklungsneurotoxischen Potenzials erforderlich. Anhand von Prüfungen auf Entwicklungsneurotoxizität sollen Daten — einschließlich einer Charakterisierung der Dosis-Wirkungs-Beziehung — zu den potenziellen funktionalen und morphologischen Wirkungen auf das in der Entwicklung befindliche Nervensystem der Nachkommen gewonnen werden, die möglicherweise aus der Exposition in utero und während der frühen Lebensphasen resultieren.

3.

Eine Entwicklungsneurotoxizitätsstudie kann als Einzelstudie durchgeführt werden, im Rahmen einer Reproduktionstoxizitätsstudie und/oder einer Neurotoxizitätsstudie am adulten Tier erfolgen (z. B. Prüfmethoden B.34 (14), B.35 (15), B.43 (16)) oder mit einer Studie zur Prüfung auf pränatale Entwicklungstoxizität gekoppelt werden (z. B. Prüfmethode B.31 (17)). Wenn die Entwicklungsneurotoxizitätsstudie im Rahmen einer anderen Studie oder gekoppelt mit einer anderen Studie durchgeführt wird, ist unbedingt darauf zu achten, dass die Integrität beider Studienarten gewahrt bleibt. Bei sämtlichen Prüfungen sind die geltenden Rechtsvorschriften sowie staatliche und institutionelle Leitlinien für die Verwendung von Versuchstieren zu Forschungszwecken einzuhalten (z. B. 18).

4.

Das Prüflabor muss sich vor der Durchführung der Studie umfassend über alle zu der Prüfsubstanz vorliegenden Daten informieren. Dazu gehören die Identität und chemische Struktur der Chemikalie, ihre physikalisch-chemischen Eigenschaften, die Ergebnisse jeglicher anderer mit der Chemikalie durchgeführten In-vitro- oder In-vivo-Toxizitätsprüfungen, toxikologische Daten zu strukturverwandten Chemikalien und die vorgesehene(n) Verwendung(en) der Chemikalie. Diese Angaben sind notwendig, um für alle betroffenen Kreise sicherzustellen, dass die Prüfung für den Schutz der menschlichen Gesundheit maßgeblich ist, und sie erleichtern die Auswahl einer geeigneten Anfangsdosis.

PRINZIP DER PRÜFMETHODE

5.

Die Prüfsubstanz wird den Tieren während der Trächtigkeit und der Laktationsperiode verabreicht. Anhand der Prüfung der Muttertiere können die Wirkungen auf trächtige und laktierende Weibchen bewertet und vergleichende Informationen (Muttertier versus Nachkommen) gewonnen werden. Die Nachkommen der einzelnen Würfe werden im randomisierten Verfahren für die Neurotoxizitätsbeurteilung ausgewählt. Die Versuchstiere werden bei der Beurteilung auf schwere neurologische und Verhaltensanomalien hin beobachtet. Dies schließt die Bewertung der physischen Entwicklung, der Verhaltensontogenese, der motorischen Aktivität, der motorischen und sensorischen Funktionen sowie der Lernfähigkeit und der Gedächtnisleistung ebenso ein wie die Beurteilung des Hirngewichts und neuropathologischer Veränderungen während der postnatalen Entwicklung und am adulten Tier.

6.

Wenn die Prüfmethode als Einzelstudie durchgeführt wird, können zusätzliche verfügbare Tiere der einzelnen Gruppen für spezifische neuropathologische, neurochemische oder elektrophysiologische Verfahren oder Verfahren zur Erforschung des neurologisch bedingten Verhaltens verwendet werden, anhand deren die Daten der gemäß vorliegender Prüfmethode empfohlenen Prüfungen ergänzt werden können (16)(19)(20)(21). Die Zusatzverfahren können insbesondere dann sinnvoll sein, wenn die empirische Beobachtung, die erwarteten Wirkungen oder der Wirkmechanismus/die Wirkungsweise auf eine bestimmte Art von Neurotoxizität hindeuten. Diese Zusatzverfahren können sowohl auf die Muttertiere als auch die Jungtiere angewendet werden. Des Weiteren können Ex-vivo- oder In-vitro-Verfahren angewendet werden, sofern dadurch die Integrität der In-vivo-Verfahren nicht verändert wird.

VORBEREITUNGEN FÜR DIE PRÜFUNG

Auswahl der Versuchstierarten

7.

Bevorzugtes Versuchstier ist die Ratte; gegebenenfalls können andere Versuchstierarten verwendet werden. Dabei ist jedoch zu beachten, dass die für diese Prüfmethode angegebenen Gestations- und postnatalen Tage für typischerweise verwendete Rattenstämme spezifisch sind. Im Falle der Verwendung anderer Arten oder eines ungewöhnlichen Stamms sind vergleichbare Tage zu wählen. Die Verwendung anderer Arten ist auf der Grundlage toxikologischer, pharmakokinetischer und/oder anderer Daten zu begründen. Bei der Begründung sollten unter anderem möglicherweise vorliegende artenspezifische postnatale neuropathologische Bewertungen und Bewertungen zum neurologisch bedingten Verhalten berücksichtigt werden. Wenn bei einem früheren Test Bedenken aufgetreten sind, sollte die Art/der Stamm, der die Bedenken hervorgerufen hat, in Betracht gezogen werden. Da verschiedene Rattenstämme unterschiedliche Eigenschaften und Merkmale haben, sollte der ausgewählte Stamm nachweislich über eine adäquate Fekundität und Empfindlichkeit verfügen. Inwiefern andere Arten aufgrund ihrer Empfindlichkeit geeignet sind, eine Entwicklungsneurotoxizität zuverlässig nachzuweisen, sollte dokumentiert werden.

Haltungs- und Fütterungsbedingungen

8.

Die Temperatur im Versuchstierraum sollte 22 °C ± 3 °C betragen. Die relative Luftfeuchtigkeit sollte mindestens 30 % betragen und — außer beim Reinigen des Raums — 70 % nicht überschreiten, anzustreben ist ein Wert von 50-60 %. Die Beleuchtung sollte künstlich sein und die Hell- und Dunkelphasen sollten sich im Abstand von 12 Stunden abwechseln. Der Hell-Dunkel-Zyklus kann auch vor der Paarung und für den Verlauf der Studie umgekehrt werden, um die Bewertung der funktionalen und verhaltensbezogenen Endpunkte während der Dunkelphase (unter Rotlicht), also wenn die Tiere normalerweise aktiv sind (22), durchzuführen. Bei jeglicher Änderung des Hell-Dunkel-Zyklus ist ausreichend Zeit für die Akklimatisierung der Tiere einzuplanen, damit diese sich an den neuen Zyklus gewöhnen können. An die Versuchstiere kann herkömmliches Laborfutter verfüttert werden, und eine unbegrenzte Trinkwasserversorgung ist zu gewährleisten. Die Art des Futters und Wassers ist zu protokollieren und jeweils auf den Schadstoffgehalt hin zu analysieren.

9.

Die Tiere können entweder einzeln oder in kleinen gleichgeschlechtlichen Gruppen in Käfigen untergebracht werden. Die Verpaarung erfolgt in für diese Zwecke geeigneten Käfigen. Wenn die Paarung nachweislich stattgefunden hat oder spätestens an Tag 15 der Trächtigkeit sind die verpaarten Tiere einzeln in Wurfkäfigen oder speziellen Käfigen für Muttertiere zu halten. Die Käfige sollten so angeordnet werden, dass etwaige Einflüsse der Käfigplatzierung minimiert werden. Verpaarte Weibchen sind mit bestimmten geeigneten Nestmaterialien zu versorgen, wenn die Geburt bevorsteht. Bekanntermaßen können sich eine unangemessene Handhabung oder Stress während der Gravidität nachteilig auswirken, da dies unter anderem zu pränatalen Verlusten und einer veränderten fetalen und postnatalen Entwicklung führen kann. Zum Schutz vor pränatalen Verlusten durch nicht behandlungsbedingte Faktoren ist bei der Handhabung der trächtigen Tiere Sorgfalt angebracht, und Stress infolge von äußeren Faktoren, wie übermäßiger Lärm, ist zu vermeiden.

Vorbereitung der Tiere

10.

Es sind gesunde Tiere zu verwenden, die an die Laborbedingungen gewöhnt und zuvor nicht für andere Experimente verwendet wurden, außer wenn die Studie Teil einer anderen Studie ist (siehe Nummer 3). Art, Stamm, Herkunft, Geschlecht, Gewicht und Alter der Versuchstiere sind anzugeben. Jedes Versuchstier wird zur sicheren Identifizierung durch eine eigene Nummer gekennzeichnet. Die Tiere der einzelnen Testgruppen sollten so weit wie möglich ein einheitliches Gewicht und Alter haben und sich im normalen Schwankungsbereich der untersuchten Tierart/des Tierstamms bewegen. Für jede Dosisstufe sind junge adulte Weibchen zu verwenden, die noch nicht geworfen haben. Es ist sicherzustellen, dass Geschwister nicht verpaart werden. Tag 0 der Gravidität ist der Tag, an dem ein Vaginalpfropf und/oder Sperma beobachtet wird. Wenn terminiert trächtige Tiere von einem Lieferanten gekauft werden, ist eine angemessene Akklimatisierungszeit (z. B. 2-3 Tage) einzuplanen. Verpaarte Weibchen sind nach dem Zufallsprinzip den Kontroll- und Behandlungsgruppen zuzuteilen und möglichst gleichmäßig auf die Gruppen zu verteilen (für die gleichmäßige Verteilung auf alle Gruppen wird z. B. eine stratifizierte Randomisierung, beispielsweise auf der Grundlage des Körpergewichts, empfohlen). Vom selben Männchen besamte Weibchen sind gleichmäßig auf die Gruppen zu verteilen.

VERFAHREN

Zahl und Geschlecht der Versuchstiere

11.

In jeder Prüf- und Kontrollgruppe sollte sich eine ausreichende Zahl trächtiger Weibchen befinden, die der Prüfsubstanz ausgesetzt werden, damit sichergestellt ist, dass eine angemessene Zahl an Nachkommen für die Neurotoxizitätsbeurteilung zur Verfügung steht. Es wird empfohlen, insgesamt 20 Würfe auf jeder Dosisstufe zu verwenden. Wiederholungsgaben und zeitversetzte Dosierungsschemata sind zulässig, wenn die Gesamtzahlen der Würfe pro Gruppe erreicht und geeignete statistische Modelle zur Berücksichtigung der Wiederholungsgaben verwendet werden.

12.

Spätestens am postnatalen Tag 4 (PND 4) (der Tag der Geburt ist PND 0) ist die Größe der einzelnen Würfe durch Eliminierung zufällig ausgewählter überzähliger Jungtiere anzupassen, damit alle Würfe gleich groß sind (23). Die Wurfgröße sollte die durchschnittliche Wurfgröße des verwendeten Nagerstamms nicht überschreiten (8-12). In dem Wurf sollten sich möglichst gleich viele männliche und weibliche Jungtiere befinden. Eine selektive Eliminierung der Jungtiere, z. B. auf der Grundlage des Körpergewichts, ist nicht angebracht. Nach Vereinheitlichung der Würfe (Auslese) und vor der weiteren Prüfung funktionaler Endpunkte sollten einzelne Jungtiere, die für Tests vor bzw. nach dem Absetzen bestimmt sind, eindeutig gekennzeichnet werden, wobei eine beliebige geeignete humane Methode für die Jungtierkennzeichnung anzuwenden ist (z. B. 24).

Zuteilung von Tieren zu funktionalen Prüfungen, Verhaltensprüfungen, zur Bestimmung des Hirngewichts und zu neuropathologischen Beurteilungen

13.

Im Rahmen der Prüfmethode gibt es mehrere Ansätze für die Zuteilung der in utero oder während des Säugens exponierten Tiere zu den funktionalen Prüfungen, den Verhaltensprüfungen, der Beurteilung der Geschlechtsreife, der Bestimmung des Hirngewichts und der neuropathologischen Beurteilung (25). Im Einzelfall können zusätzlich noch weitere Prüfungen zum neurologisch bedingten Verhalten (z. B. Sozialverhalten), zur Neurochemie oder Neuropathologie durchgeführt werden, sofern die Integrität der ursprünglich erforderlichen Prüfungen dadurch nicht gefährdet wird.

14.

Die Jungtiere werden frühestens am PND 4 aus jeder der einzelnen Dosisgruppen ausgewählt und Endpunktbewertungen zugewiesen. Die Jungtiere sollten möglichst so ausgewählt werden, dass bei sämtlichen Prüfungen Jungtiere beider Geschlechter aus allen Würfen und aus jeder einzelnen Dosisgruppe zu gleichen Teilen vertreten sind. Bei der Prüfung der motorischen Aktivität sind dieselben Paare männlicher und weiblicher Jungtiere in sämtlichen Entwicklungsphasen vor dem Absetzen zu prüfen (siehe Nummer 35). Bei allen anderen Prüfungen können dieselben oder andere Paare männlicher und weiblicher Tiere verschiedenen Verhaltensprüfungen zugeteilt werden. Bei der Prüfung der kognitiven Funktionen müssen für die Prüfungen abgesetzter Jungtiere gegenüber adulten Tieren möglicherweise unterschiedliche Jungtiere zugeteilt werden, um Störeinflüsse aufgrund des Alters und durch Lerneffekte zu vermeiden (26)(27). Beim Absetzen (PND 21) können die nicht für die Prüfungen ausgewählten Jungtiere auf humane Art und Weise entsorgt werden. Alle Änderungen bei der Jungtierzuteilung sind festzuhalten. Die statistische Maßeinheit ist der Wurf (oder das Muttertier), nicht das Jungtier.

15.

Die Zuteilung der Jungtiere zu den Untersuchungen vor dem Absetzen, den Untersuchungen nach dem Absetzen, den kognitiven Prüfungen, pathologischen Untersuchungen usw. kann auf verschiedene Weise erfolgen (siehe Abbildung 1 für die allgemeine Planung und Anlage 1 für Zuteilungsbeispiele). Die empfohlenen Mindestanzahlen an Tieren in jeder einzelnen Dosisgruppe lauten jeweils für Untersuchungen vor bzw. nach dem Absetzen wie folgt:



Klinische Beobachtungen und Körpergewicht

Alle Tiere

Ausführliche klinische Beobachtungen

20/Geschlecht (1/Geschlecht/Wurf)

Hirngewicht (nach Fixierung) PND 11-22

10/Geschlecht (1/Wurf)

Hirngewicht (unfixiert) ~ PND 70

10/Geschlecht (1/Wurf)

Neuropathologie (Immersions- oder Perfusionsfixierung) PND 11-22

10/Geschlecht (1/Wurf)

Neuropathologie (Perfusionsfixierung) ~ PND 70

10/Geschlecht (1/Wurf)

Geschlechtsreife

20/Geschlecht (1/Geschlecht/Wurf)

Andere Entwicklungsparameter (optional)

Alle Tiere

Verhaltensontogenese

20/Geschlecht (1/Geschlecht/Wurf)

Motorische Aktivität

20/Geschlecht (1/Geschlecht/Wurf)

Motorische und sensorische Funktionen

20/Geschlecht (1/Geschlecht/Wurf)

Lernen und Gedächtnis

10/Geschlecht () (1/Wurf)

(1)   Je nach Empfindlichkeit der kognitiven Funktionsprüfungen sollte die Untersuchung einer wesentlich größeren Anzahl an Tieren in Erwägung gezogen werden, z. B. bis zu ein Männchen und ein Weibchen pro Wurf (bezüglich Tierzuteilung siehe Anlage 1) (für weiterführende Hinweise zur Stichprobengröße siehe OECD Guidance Document Nr. 43 (8)).

Dosierung

16.

Es sollten mindestens drei Dosisstufen und eine gleichzeitige Kontrolle verwendet werden. Die Dosisstufen sollten so gewählt werden, dass es zu einer graduellen Abstufung der toxischen Wirkungen kommt. Außer bei Beschränkungen aufgrund der physikalisch-chemischen oder der biologischen Eigenschaften der Chemikalie sollte die höchste Dosierungsstufe so gewählt werden, dass dadurch irgend eine Form von maternaler Toxizität auftritt (z. B. klinische Anzeichen, verminderte Körpergewichtszunahme (maximal 10 %) und/oder eine nachweisliche dosislimitierende Toxizität in einem Zielorgan). Die Hochdosis kann mit einigen Ausnahmen auf 1 000 mg/kg/Tag Körpergewicht begrenzt werden. Zum Beispiel kann aufgrund der erwarteten menschlichen Exposition die Verwendung einer höheren Dosisstufe erforderlich sein. Alternativ sollten Pilotstudien oder Vorstudien zur Dosisfindung durchgeführt werden, um die höchste einzusetzende Dosis zu bestimmen, bei der es zu minimaler maternaler Toxizität kommt. Wenn sich entweder in einer standardmäßigen Entwicklungstoxizitätsstudie oder in einer Pilotstudie herausgestellt hat, dass die Prüfsubstanz entwicklungstoxisch wirkt, sollte die höchste Dosisstufe diejenige Maximaldosis sein, bei der keine übermäßige Toxizität bei den Nachkommen auftritt bzw. bei der in utero oder am Neugeborenen weder Tod noch Missbildungen in einem Maße feststellbar sind, dass eine Bewertung der Neurotoxizität behindert würde. Bei der niedrigsten Dosisstufe sollte möglichst keine maternale Toxizität oder Entwicklungstoxizität einschließlich Neurotoxizität nachweisbar sein. Es ist eine absteigende Folge von Dosisstufen zu wählen, um dosisabhängige Wirkungen und die niedrigste Dosisstufe ohne zu beobachtende unerwünschte Wirkungen (NOAEL) nachzuweisen oder Dosen in der Nähe der Nachweisgrenze zu bestimmen, anhand deren die Festlegung einer Benchmark-Dosis (BMD) erfolgen kann. Zwei- bis vierfache Abstände erweisen sich häufig als optimale Dosisabstufungen, und meist ist eine zusätzliche vierte Dosisgruppe der Verwendung von sehr großen Dosisabständen (z. B. um mehr als den Faktor 10) vorzuziehen.

17.

Bei der Wahl der Dosisstufen sind sämtliche für die Prüfsubstanz oder verwandte Stoffe vorliegenden Daten zur Toxizität sowie zusätzliche Informationen zu Verstoffwechselung und Toxikokinetik zu berücksichtigen. Diese Angaben sind gegebenenfalls für den Nachweis der Angemessenheit des Dosierungsplans hilfreich. Eine direkte Verabreichung an die Jungtiere sollte unter Berücksichtigung der Daten zu Exposition und Pharmakokinetik erfolgen (28)(29). Vor der Durchführung von Studien mit direkter Verabreichung sind die Vor- und Nachteile sorgfältig gegeneinander abzuwägen (30).

18.

Die gleichzeitige Kontrollgruppe sollte eine scheinbehandelte Gruppe oder eine Vehikelkontrollgruppe sein, sofern ein Vehikel zur Verabreichung der Prüfsubstanz verwendet wird. Allen Tieren soll normalerweise dieselbe Menge der Prüfsubstanz oder des Vehikels entsprechend ihrem Körpergewicht verabreicht werden. Wird ein Vehikel oder ein anderes Additiv zur Erleichterung der Dosierung verwendet, sollten folgende Aspekte berücksichtigt werden: Auswirkungen auf die Resorption, die Verteilung, die Verstoffwechselung oder die Retention der Prüfsubstanz, Auswirkungen auf die chemischen Eigenschaften der Prüfsubstanz, die deren toxische Eigenschaften verändern können, und ferner Auswirkungen auf die Futter- oder Wasseraufnahme oder den Ernährungszustand der Versuchstiere. Das Vehikel sollte weder Wirkungen verursachen, die die Auswertung der Studie beeinflussen könnten, noch darf es toxisch auf das neurologisch bedingte Verhalten wirken oder zu einer Beeinflussung von Reproduktion oder Entwicklung führen. Bei neuen Vehikeln ist zusätzlich zu einer Vehikelkontrollgruppe eine scheinbehandelte Kontrollgruppe zu verwenden. Die Tiere der Kontrollgruppe(n) sind genauso zu behandeln wie die Tiere der Prüfgruppe(n).

Verabreichung der Dosen

19.

Der Verabreichungsweg der Prüfsubstanz bzw. des Vehikels richtet sich nach der vorherrschenden Art der Exposition beim Menschen und den vorliegenden Daten zu Verstoffwechselung und Verteilung bei den Versuchstieren. Die Verabreichung erfolgt üblicherweise auf oralem Weg (z. B. Schlundsonde, Nahrung, Trinkwasser), andere Wege (z. B. dermal, inhalativ) sind jedoch je nach Eigenschaften und den voraussichtlichen oder bekannten menschlichen Expositionswegen ebenfalls möglich (weitere Informationen dazu im Guidance Document Nr. 43(8)). Der gewählte Verabreichungsweg ist zu begründen. Die Prüfsubstanz sollte täglich ungefähr zur selben Zeit verabreicht werden.

20.

Die den einzelnen Tieren verabreichte Dosis orientiert sich normalerweise an der letzten Bestimmung des jeweiligen Körpergewichts. Im letzten Graviditätsdrittel ist bei der Anpassung der Dosen jedoch Vorsicht geboten. Wenn bei den behandelten Muttertieren übermäßige Toxizität festgestellt wird, sind die Tiere auf humane Art und Weise zu töten.

21.

Die Prüfsubstanz bzw. das Vehikel ist den verpaarten Weibchen ab dem Implantationszeitpunkt (Tag 6 der Gravidität — GD 6) und während der gesamten Säugephase (PND 21) mindestens einmal täglich zu verabreichen, sodass die Jungtiere der Prüfsubstanz während ihrer prä- und postnatalen neurologischen Entwicklung ausgesetzt sind. Das Alter, ab dem die Verabreichung beginnt, und die Verabreichungsdauer und -häufigkeit können angepasst werden, wenn sich herausstellt, dass ein anderer Versuchsplan für die menschliche Exposition maßgeblicher ist. Die Dauer der Dosisgaben ist bei anderen Arten so anzupassen, dass eine Exposition während aller frühen Phasen der Hirnentwicklung sichergestellt ist (d. h. entsprechend dem pränatalen und frühen postnatalen Hirnwachstum beim Menschen). Mit der Verabreichung kann bereits bei Beginn der Trächtigkeit (GD 0) begonnen werden. Es gilt jedoch zu bedenken, dass die Prüfsubstanz potenziell zu einem Abgang vor der Einnistung führen kann. Dieses Risiko ließe sich zwar durch eine Verabreichung erst ab GD 6 vermeiden, doch dann würden die Entwicklungsphasen zwischen Tag GD 0 und Tag GD 6 nicht in die Behandlung einbezogen. Wenn ein Labor bereits geplant verpaarte Tiere erwirbt, ist ein Verabreichungsbeginn an Tag GD 0 gar nicht möglich, sodass der Tag GD 6 für den Verabreichungsbeginn gut geeignet wäre. Das Prüflabor sollte sich bei der Festlegung des Dosierungsplans an einschlägigen Informationen zu den Wirkungsweisen der Prüfsubstanz, früheren Erfahrungen und logistischen Überlegungen orientieren; dazu gehört gegebenenfalls auch eine Verlängerung der Dosisgabe bis nach dem Absetzen. Die Verabreichung ist am Tag der Geburt auszusetzen, wenn das gebärende Tier noch nicht alle Nachkommen geboren hat. Im Allgemeinen wird davon ausgegangen, dass die Exposition der Jungtiere über die Muttermilch erfolgt, eine Direktverabreichung bei den Jungtieren ist jedoch in denjenigen Fällen in Betracht zu ziehen, wenn der Nachweis für eine kontinuierliche Exposition der Nachkommen fehlt. Der Nachweis für eine kontinuierliche Exposition kann z. B. pharmakokinetischen Daten, Toxizitätszeichen bei den Nachkommen oder veränderten Biomarkern entnommen werden (28).

BEOBACHTUNGEN

Beobachtungen an Muttertieren

22.

Sämtliche Muttertiere sind mindestens einmal täglich sorgfältig auf ihren Gesundheitszustand einschließlich Anzeichen für Morbidität und Mortalität zu beobachten.

23.

Während der Behandlungs- und Beobachtungsphasen sind regelmäßig unter Einbeziehung von mindestens zehn Muttertieren pro Dosisstufe eingehendere klinische Beobachtungen durchzuführen (mindestens zweimal während der Verabreichung in der Graviditätsphase und zweimal während der Verabreichung in der Säugephase). Die Tiere sind außerhalb des Käfigs, in dem sie gehalten werden, von qualifiziertem technischem Personal zu beobachten, denen die Behandlung des jeweiligen Tieres nicht bekannt ist. Dabei sind standardisierte Verfahren anzuwenden, um den Stress des Tieres zu minimieren, die Voreingenommenheit des Beobachters so gering wie möglich zu halten und die Zuverlässigkeit bei Beobachtungen durch mehrere Personen zu maximieren. Die Beobachtungen innerhalb einer bestimmten Studie sollten möglichst durch ein und denselben Untersucher erfolgen.

24.

Die bei der Beobachtung festgestellten Anzeichen sind zu dokumentieren. Wenn irgend möglich, ist darüber hinaus die Größenordnung der beobachteten Anzeichen festzuhalten. Bei den klinischen Beobachtungen ist insbesondere auf Veränderungen an Haut, Fell, Augen, Schleimhäuten, auf Sekrete sowie autonome Körperfunktionen (z. B. Tränensekretion, Piloerektion, Pupillengröße, ungewöhnliche Atemmuster und/oder Mundatmung sowie ungewöhnliche Harnentleerung oder Defäkation) zu achten.

25.

Ungewöhnliche Reaktionen hinsichtlich Körperhaltung, Aktivitätsgrad (z. B. verminderte oder verstärkte Erkundung der üblichen Untersuchungsumgebung) und Bewegungskoordination sind ebenfalls zu vermerken. Veränderungen des Gangs (z. B. watschelnder Gang, Ataxie), der Haltung (z. B. Buckelhaltung) und des Reaktionsverhaltens beim Aufnehmen oder Umsetzen des Versuchstiers oder anderen Umgebungsstimuli sowie Auftreten von klonischen oder tonischen Bewegungen, Krämpfen oder Tremors, Stereotypien (z. B. übermäßige Fellpflege, ungewöhnliche Kopfbewegungen, repetitives Laufen im Kreis) oder auffälliges Verhalten (z. B. Beißen oder übermäßiges Lecken, Selbstverstümmelung, Rückwärtslaufen, Lautäußerungen) oder Aggressionen sollen protokolliert werden.

26.

Sämtliche Toxizitätszeichen sind mit Tag des Einsetzens, Tageszeit, Schweregrad und Dauer zu notieren.

27.

Die Tiere sind zum Zeitpunkt der Dosierung mindestens einmal wöchentlich während der Dauer der Studie und am oder um den Tag der Geburt herum sowie am PND 21 (Absetzen) zu wiegen. In Studien mit Substanzverabreichung per Schlundsonde sind die Muttertiere mindestens zweimal wöchentlich zu wiegen. Die Dosis ist jeweils nach jeder Bestimmung des Körpergewichts entsprechend anzupassen. Die Futteraufnahme ist wöchentlich mindestens während der Trächtigkeit und der Säugeperiode zu messen. Die Wasseraufnahme ist mindestens wöchentlich zu messen, wenn die Exposition über die Wasserversorgung erfolgt.

Beobachtungen an Nachkommen

28.

Sämtliche Nachkommen sind mindestens einmal täglich sorgfältig auf Toxizitätszeichen sowie auf Morbidität und Mortalität hin zu beobachten.

29.

Während der Behandlungs- und Beobachtungsphasen sollten eingehendere klinische Beobachtungen an den Nachkommen durchgeführt werden. Die Nachkommen (mindestens ein Jungtier pro Geschlecht und Wurf) sind von medizinisch-technischen Assistenten (MTA) zu beobachten, denen die Behandlung des jeweiligen Tieres nicht bekannt ist. Dabei sind standardisierte Verfahren anzuwenden, um die Voreingenommenheit des Beobachters so gering wie möglich zu halten und die Zuverlässigkeit bei Beobachtungen durch mehrere Personen zu maximieren. Die Beobachtungen sollten möglichst durch ein- und denselben Untersucher erfolgen. Es sind entsprechend dem untersuchten Entwicklungsstadium mindestens die unter den Nummern 24 und 25 beschriebenen Endpunkte zu überwachen.

30.

Sämtliche bei den Nachkommen auftretenden Toxizitätszeichen sind mit Tag des Einsetzens, Tageszeit, Schweregrad und Dauer zu notieren.

Physische Merkmale und Entwicklungsparameter

31.

Veränderungen bei Entwicklungsparametern vor dem Absetzen (z. B. Ohrmuschelentfaltung, Augenöffnung, Schneidezahndurchbruch) korrelieren eng mit dem Körpergewicht (30)(31). Das Körpergewicht ist möglicherweise der beste Indikator für die physische Entwicklung. Eine Messung von Entwicklungsparametern empfiehlt sich daher nur dann, wenn bereits im Vorfeld nachgewiesen ist, dass diese Endpunkte zusätzliche Informationen liefern werden. Die zeitliche Planung für die Bewertung dieser Parameter ist Tabelle 1 zu entnehmen. In Abhängigkeit von den erwarteten Wirkungen und den Ergebnissen der ersten Messungen sollten gegebenenfalls weitere Zeitpunkte hinzugefügt oder die Messungen in anderen Entwicklungsstadien durchgeführt werden.

32.

Für die Bewertung der physischen Entwicklung sollte eher das postkoitale Alter als das postnatale Alter zugrunde gelegt werden (33). Wenn die Jungtiere am Tag des Absetzens getestet werden, sollte die Prüfung vor dem eigentlichen Absetzen erfolgen, um die Ergebnisse nicht durch den Stress zu verzerren, der beim Absetzen entsteht. Prüfungen, die nach dem Absetzen an den Jungtieren erfolgen, sollten zudem nicht innerhalb der ersten zwei Tage nach dem Absetzen durchgeführt werden.



Tabelle 1

Zeitliche Planung für die Bewertung der physischen Merkmale und Entwicklungsparameter und der funktionalen Endpunkte/Verhaltensendpunkte ().

Altersphasen

Endpunkte

Vor Absetzen ()

Adoleszenz ()

Junge adulte Tiere ()

Physische Merkmale und Entwicklungsparameter

Körpergewicht und klinische Beobachtungen

Wöchentlich ()

mindestens vierzehntägig

mindestens vierzehntägig

Hirngewicht

PND 22 ()

bei Beendigung

Neuropathologie

PND 22 ()

bei Beendigung

Geschlechtsreife

zu gegebener Zeit

Andere Entwicklungsparameter ()

gegebenenfalls

Funktionale Endpunkte/Verhaltensendpunkte

Verhaltensontogenese

Mindestens zwei Messungen

 

 

Motorische Aktivität (einschließlich Habituation)

1-3 Mal ()

einmal

Motorische und sensorische Funktionen

einmal

einmal

Lernen und Gedächtnis

einmal

einmal

(1)   Dieser Tabelle ist zu entnehmen, wie oft die Messungen mindestens durchgeführt werden sollten. In Abhängigkeit von den erwarteten Wirkungen und den Ergebnissen der ersten Messungen sollten gegebenenfalls weitere Zeitpunkte (z. B. alte Tiere) hinzugefügt oder die Messungen in anderen Entwicklungsstadien durchgeführt werden.

(2)   Es wird empfohlen, die Jungtiere nicht in den ersten zwei Tagen nach dem Absetzen zu testen (vgl. Nummer 32). Das empfohlene Lebensalter für die Prüfung der adoleszenten Tiere ist jeweils: Lernen und Gedächtnis = PND 25 ± 2; motorische und sensorische Funktionen = PND 25 ± 2. Das empfohlene Lebensalter für die Prüfung junger adulter Tiere ist PND 60-70.

(3)   Wenn die Prüfsubstanz den Jungtieren direkt verabreicht wird, sollte das Körpergewicht mindestens zweimal wöchentlich bestimmt werden, um die Dosis in Zeiten rascher Gewichtszunahme anpassen zu können.

(4)   Hirngewicht und Neuropathologie können gegebenenfalls zu einem früheren Zeitpunkt bewertet werden (z. B. PND 11) (vgl. Nummer 39).

(5)   Gegebenenfalls sind neben dem Körpergewicht auch andere Parameter der Entwicklung (z. B. Augenöffnung) zu dokumentieren (vgl. Nummer 31).

(6)   Vgl. Nummer 35.

33.

Die lebenden Jungtiere sind zu zählen und ihr Geschlecht ist zu bestimmen, z. B. durch Sichtkontrolle oder Messung des anogenitalen Abstands (34)(35); jedes Jungtier eines Wurfs ist einzeln zu wiegen, und zwar so bald wie möglich nach der Geburt, danach wöchentlich während der Laktation und im Anschluss daran mindestens vierzehntägig. Bei der Beurteilung der Geschlechtsreife sollten pro Wurf bei mindestens einem Weibchen und einem Männchen Alter und Körpergewicht bestimmt werden, wenn die Öffnung der Vagina (36) bzw. die Präputialseparation (37) beobachtet werden.

Verhaltensontogenese

34.

Die Ontogenese ausgewählter Verhaltensweisen sollte bei mindestens einem Jungtier pro Geschlecht und Wurf während der entsprechenden Altersphase gemessen werden, wobei an allen Prüftagen und bei jedem bewerteten Verhalten jeweils dieselben Jungtiere zu verwenden sind. Die Messtage sind gleichmäßig über diesen Zeitraum zu verteilen, um entweder die normale oder die behandlungsbedingte Veränderung der Ontogenese des jeweiligen Verhaltens bestimmen zu können (38). Nachfolgend sind einige Beispiele für Verhalten aufgeführt, deren Ontogenese bewertet werden kann: Aufrichtungsreflex, negative Geotaxis und motorische Aktivität (38)(39)(40).

Motorische Aktivität

35.

Die motorische Aktivität ist in den Lebensphasen vor dem Absetzen und in späteren Phasen beim adulten Tier zu beobachten (41)(42)(43)(44)(45). Bezüglich Prüfungen vor dem Absetzen siehe Nummer 32. Die Prüfsitzung sollte so lange dauern, dass bei unbehandelten Kontrolltieren eine Habituation innerhalb der Sitzung nachgewiesen werden kann. Es wird dringend empfohlen, bei der Bewertung der Verhaltensontogenese die motorische Aktivität zu berücksichtigen. Wenn bei einem Test die Verhaltensontogenese geprüft werden soll, sollten für alle vor dem Absetzen stattfindenden Prüfsitzungen dieselben Tiere eingesetzt werden. Die Prüfungen sollten so häufig stattfinden, dass die Ontogenese einer Habituation innerhalb einer Sitzung bewertet werden kann (44). Dafür sind gegebenenfalls drei oder mehr Prüfzeitpunkte vor dem Tag des Absetzens und einschließlich dieses Tags erforderlich (z. B. PND 13, 17 und 21). Dieselben Tiere oder Wurfgeschwister sollten darüber hinaus als adulte Tiere gegen Ende der Studie geprüft werden (z. B. PND 60-70). Nach Bedarf können die Prüfungen an weiteren Zusatztagen durchgeführt werden. Die motorische Aktivität sollte mittels eines automatischen Aktivitätsmessgeräts beobachtet werden, das in der Lage ist, sowohl ein Ansteigen als auch ein Abfallen der Aktivität zu erfassen (d. h. die vom Gerät gemessene Basisaktivität sollte weder so niedrig sein, dass dadurch die Erfassung eines Abfalls verhindert wird, noch so hoch, dass dadurch die Erfassung von Aktivitätsanstiegen unmöglich gemacht wird). Jedes der Geräte sollte im Rahmen standardisierter Verfahren geprüft worden sein, um bei Betrieb mehrerer Geräte an mehreren Tagen eine möglichst hohe Betriebssicherheit zu gewährleisten. Die Behandlungsgruppen sollten soweit wie möglich gleichmäßig auf die Geräte verteilt werden. Jedes Tier ist einzeln zu testen. Bei der Beobachtung der Behandlungsgruppen über die Prüfzeiträume hinweg ist auf Ausgewogenheit zu achten, um Störeinflüsse aufgrund des zirkadianen Aktivitätsrhythmus zu vermeiden. Es ist nach Möglichkeit sicherzustellen, dass die Prüfbedingungen nur geringfügig variieren und diese Variationen nicht systematisch mit der Behandlung zusammenhängen. Zu den Variablen, die die Messung zahlreicher Verhaltensweisen, einschließlich der motorischen Aktivität, beeinflussen können, gehören Geräuschpegel, Testkäfigform und -größe, Temperatur, relative Luftfeuchte, Lichtverhältnisse, Gerüche, Verwendung des vertrauten Haltungskäfigs oder eines neuen Testkäfigs und Ablenkungen aus der Umgebung.

Motorische und sensorische Funktionen

36.

Die motorischen und sensorischen Funktionen sind mindestens einmal während der Adoleszenzphase und einmal beim jungen adulten Tier eingehend zu untersuchen (z. B. PND 60-70). Bezüglich Prüfungen zum Zeitpunkt des Absetzens siehe Nummer 32. Es sollte eine ausreichende Anzahl an Tests durchgeführt werden, um eine aussagekräftige Stichprobenmenge zu den sensorischen Modalitäten (z. B. somatosensorisch, vestibulär) und den motorischen Funktionen (z. B. Kraft, Koordination) sicherzustellen. Die motorischen und sensorischen Funktionen können unter anderem mittels des generalisierten Streckreflexes (extensor-thrust) (46), des Aufrichtungsreflexes (47)(48), der akustischen Schreckreflex-Habituation (40)(49)(50)(51)(52)(53)(54) und evozierter Potenziale (55) untersucht werden.

Lern- und Gedächtnisprüfungen

37.

Nach dem Absetzen (beispielsweise an Tag 25 ± 2 Tage) und beim jungen adulten Tier (PND 60 oder älter) sollte ein Test für assoziatives Lernen und Gedächtnis durchgeführt werden. Bezüglich Prüfungen vor dem Absetzen siehe Nummer 32. Bei diesen beiden Entwicklungsphasen können derselbe Test oder andere Tests verwendet werden. Bei der Auswahl der Prüfung(en), anhand deren die Lern- und Gedächtnisfähigkeit bei abgesetzten Tieren und adulten Ratten untersucht werden kann, besteht ein gewisser Handlungsspielraum. Die Prüfungen sollten jedoch so aufgebaut sein, dass sie die folgenden beiden Kriterien erfüllen: Erstens sollte die Lernfähigkeit entweder als Veränderung über mehrere wiederholte Lernexperimente oder -sitzungen hinweg oder, in Prüfungen mit nur einem Versuch, durch Verwendung einer Versuchsbedingung, die nichtassoziative Wirkungen der Trainingserfahrung kontrolliert, beurteilt werden. Zweitens sollten die Prüfungen eine Gedächtnismessung (Kurzzeit- oder Langzeitgedächtnis) zusätzlich zum ursprünglichen Lernen (Aneignung) beinhalten, doch diese Gedächtnismessung ist nur dann dokumentierbar, wenn innerhalb derselben Prüfung auch eine Messung der Aneignung stattgefunden hat. Wenn die Lern- und Gedächtnisprüfungen eine Wirkung der Prüfsubstanz ergeben, sind gegebenenfalls Zusatztests in Erwägung zu ziehen, um auszuschließen, dass das Versuchsergebnis auf alternative Ursachen, zum Beispiel geänderte sensorische, motivationale und/oder motorische Fähigkeiten, zurückzuführen ist. Zusätzlich zu den beiden oben genannten Kriterien wird empfohlen, die Lern- und Gedächtnistests danach auszuwählen, ob bei ihnen in Bezug auf die zu untersuchende Chemikalienklasse nachweislich eine Prüfempfindlichkeit vorliegt, sofern sich entsprechende Hinweise in der Fachliteratur finden. Falls sich in der Literatur keine Hinweise finden, können unter anderem folgende Prüfungen unter Einhaltung der oben genannten Kriterien durchgeführt werden: passive Vermeidung (43)(56)(57), Delayed-matching-to-Position-Aufgaben für die adulte Ratte (58) und die infantile Ratte (59), olfaktorische Konditionierung (43)(60), Morris-Wasserlabyrinth (61)(62)(63), Biel-Maze-Test oder Cincinnati-Maze-Test (64)(65), Radial Arm-Maze (66), T-Maze (43) und Aneignung und Beibehaltung von zeitplangesteuertem Verhalten (26)(67)(68). In der Literatur sind zusätzliche Tests für abgesetzte Jungtiere (26)(27) und adulte Ratten (19)(20) beschrieben.

Nekropsie

38.

Die Muttertiere können nach dem Absetzen der Nachkommen getötet werden.

39.

Die neuropathologische Beurteilung der Nachkommen wird unter Verwendung der Gewebe von auf humane Art am Tag PND 22 oder zu einem früheren Zeitpunkt zwischen PND 11 und PND 22 getöteten Nachkommen sowie am Ende der Studie durchgeführt. Bei am PND 22 getöteten Nachkommen sind die Hirngewebe zu untersuchen; bei am Ende der Prüfung getöteten Tieren sind sowohl die Gewebe des Zentralnervensystems (ZNS) als auch die des peripheren Nervensystems (PNS) zu beurteilen. Tiere, die am PND 22 oder früher getötet werden, können durch Immersion oder Perfusion fixiert werden. Am Ende der Prüfung getötete Tiere sind durch Perfusion zu fixieren. Bei allen die Gewebepräparation betreffenden Aspekten sollte auf Ausgewogenheit geachtet werden, d. h. von der Perfusion der Tiere über das Schneiden der Gewebeproben und die Probenvorbereitung bis hin zur Färbung der Objektträger sollte jeder Satz repräsentative Proben jeder Dosisgruppe enthalten. Eine weiterführende neuropathologische Anleitung findet sich im OECD Guidance Document Nr. 20 (9), siehe auch (103).

Probenvorbereitung

40.

Alle zum Zeitpunkt der Nekropsie offenkundigen schwerwiegenden Abnormitäten sind zu dokumentieren. Es sind Gewebeproben von allen wichtigen Regionen des Nervensystems zu entnehmen. Die Gewebeproben sind in einem geeigneten Fixativ aufzubewahren und im Einklang mit allgemein bekannten histologischen Standardprotokollen (69)(70)(71)(103) aufzubereiten. Für ZNS- und PNS-Gewebe ist die Paraffineinbettung geeignet, doch wenn ein höherer Auflösungsgrad erforderlich ist (z. B. bei peripheren Nerven bei Verdacht auf periphere Neuropathie und/oder bei der morphometrischen Analyse peripherer Nerven), ist gegebenenfalls eine Nachfixierung mit Osmium in Kombination mit Epoxydeinbettung angezeigt. Für die morphometrische Analyse gewonnenes Hirngewebe ist bei allen Dosisstufen zur gleichen Zeit in ein geeignetes Medium einzubetten, um ein Schrumpfen der Prüfgegenstände zu vermeiden, das bei zu langer Aufbewahrung im Fixativ auftreten kann (6).

Neuropathologische Untersuchung

41.

Bei der qualitativen Untersuchung sollen

i) Regionen innerhalb des Nervensystems ermittelt werden, die Anzeichen für neuropathologische Veränderungen zeigen,

ii) diejenigen Arten neuropathologischer Veränderungen ermittelt werden, die auf die Exposition gegenüber der Prüfsubstanz zurückzuführen sind, und

iii) der Schweregrad der neuropathologischen Veränderungen bestimmt werden.

Repräsentative histologische Schnitte der Gewebeproben sind von einem entsprechend geschulten Pathologen mikroskopisch auf das Vorliegen neuropathologischer Veränderungen zu untersuchen. Alle neuropathologischen Veränderungen sind subjektiv nach Schweregrad einzuteilen. Eine Hämatoxylin-Eosin-Färbung ist für die Hirnschnitt-Beurteilung von Tieren, die spätestens am PND 22 auf humane Weise getötet wurden, gegebenenfalls ausreichend. Bei ZNS- und PNS-Geweben von am Ende der Prüfung getöteten Tieren sollte jedoch eine Myelinfärbung (z. B. Luxol Fast Blue/Kresylviolett) und eine Silberfärbung (z. B. nach Bielschowsky oder Bodian) durchgeführt werden. Je nach professioneller Einschätzung des Pathologen und in Abhängigkeit von den beobachteten Veränderungen können auch andere Färbungen zur Identifizierung und Charakterisierung bestimmter Veränderungstypen in Betracht kommen (z. B. histochemischer Nachweis des sauren Gliafaserproteins (Glial fibrillary acidic protein, GFAP) oder Lektinhistochemie zur Bewertung glialer und mikroglialer Veränderungen (72), Fluoro-Jade-Färbung zur Feststellung von Nekrosen (73)(74) oder Silberfärbungen speziell für neuronale Degenerationen (75)).

42.

Es sollte eine morphometrische (quantitative) Bewertung durchgeführt werden, da diese Daten für den Nachweis einer behandlungsbedingten Wirkung relevant sein können und hilfreich sind für die Beurteilung der behandlungsbedingten Unterschiede bei Hirngewicht und Morphologie (76)(77). Von den Nervengeweben sind Proben herzustellen und für die morphometrische Untersuchung aufzubereiten. Die morphometrischen Bewertungen können z. B. lineare oder flächige Messungen bestimmter Hirnregionen umfassen (78). Bei den linearen oder flächigen Messungen müssen gleichwertige, sorgfältig auf der Grundlage zuverlässiger mikroskopischer Messpunkte ausgewählte Schnitte verwendet werden (6). Mithilfe der Stereologie können behandlungsbedingte Wirkungen auf bestimmte Parameter wie Volumen oder Zellzahl für bestimmte neuroanatomische Regionen festgestellt werden (79)(80)(81)(82)(83)(84).

43.

Die Gehirne sind auf Hinweise für behandlungsbedingte neuropathologische Veränderungen hin zu untersuchen, und von allen wichtigen Hirnregionen sind geeignete Proben zu nehmen (z. B. Riechkolben, Großhirnrinde (Cortex cerebri), Hippocampus, Basalganglien, Thalamus, Hypothalamus, Mittelhirn (Tectum, Tegmentum und Pedunculus cerebri), Pons, Medulla oblongata, Kleinhirn), um eine gründliche Untersuchung zu gewährleisten. Die Schnitte müssen unbedingt bei allen Tieren in derselben Ebene entnommen werden. Bei adulten Tieren, die am Ende der Prüfung auf humane Art getötet werden, sind repräsentative Schnitte des Rückenmarks und des PNS als Proben zu entnehmen. Die untersuchten Bereiche sollten das Auge mit Sehnerv und Netzhaut, das Rückenmark an den zervikalen und lumbalen Verdickungen, die dorsalen und ventralen Nervenwurzelfasern, den proximalen Ischiasnerv, den proximalen Schienbeinnerv (am Knie) und die Wadenmuskel-Äste des Schienbeinnervs umfassen. Die Gewebeschnitte durch Rückenmark und peripheres Nervengewebe sollen sowohl Quer- als auch Längsschnitte umfassen.

44.

Bei der neuropathologischen Beurteilung sollte zusätzlich zu Zellveränderungen (z. B. neuronale Vakuolisierung, Degeneration, Nekrose) und Gewebeveränderungen (z. B. Gliose, Leukozyteninfiltration, Zystenbildung) auch nach Hinweisen auf Entwicklungsschäden am Nervensystem gesucht werden (6)(85)(86)(87)(88)(89). Diesbezüglich sind behandlungsbedingte Wirkungen unbedingt von normalen Entwicklungsereignissen zu unterscheiden, die üblicherweise in der mit dem Tötungszeitpunkt zusammenfallenden Entwicklungsphase auftreten (90). Beispiele für signifikante Veränderungen, die auf eine Entwicklungsschädigung hindeuten, sind unter anderem:

 Veränderungen der Größe oder Form bei Riechkolben, Großhirn oder Kleinhirn,

 Veränderungen der relativen Größe verschiedener Hirnregionen einschließlich Vergrößerungen oder Verkleinerungen von Regionen, die aus dem Verlust oder der Fortdauer von normalerweise kurzlebigen Zellpopulationen oder axonalen Projektionen resultieren (z. B. externes Keimlager des Kleinhirns, Gehirnbalken),

 Veränderungen der Proliferation, Migration und Differenzierung, wie sie in Bereichen mit ausgeprägter Apoptose oder Nekrose vorkommen, Cluster oder zerstreute Populationen ektopischer, fehlplatzierter oder fehlgebildeter Neuronen oder Änderungen an der relativen Größe verschiedener Schichten kortikaler Strukturen,

 Veränderungen beim Entstehungsmuster der Myelinhülle einschließlich einer globalen Größenverminderung oder veränderte Färbung der myelinisierten Strukturen,

 Feststellung eines Wasserkopfs, insbesondere Erweiterung der Ventrikel, Stenose des Aquaeductus cerebri und Verdünnung der Großhirnhemisphären.

Analyse der Dosis-Wirkungs-Beziehung neuropathologischer Veränderungen

45.

Das folgende, schrittweise aufgebaute Verfahren wird für die qualitative und quantitative neuropathologische Analyse empfohlen. Als erstes werden die Schnitte der Gruppe mit der höchsten Dosis mit denjenigen der Kontrollgruppe verglichen. Wenn bei den Tieren der Gruppe, die die höchste Dosis erhalten hat, keine neuropathologischen Veränderungen feststellbar sind, ist keine weitere Analyse erforderlich. Wenn neuropathologische Veränderungen bei der Hochdosisgruppe nachweisbar sind, werden auch die Tiere der mittleren und der niedrigsten Dosisgruppen untersucht. Wenn die Hochdosisgruppe aufgrund einer anderen konfundierenden Toxizität oder des Todes der Tiere abgeschlossen ist, sind die Gruppen mit hoher und mittlerer Dosis auf neuropathologische Veränderungen hin zu analysieren. Wenn es in den niedrigeren Dosisgruppen Hinweise auf Neurotoxizität gibt, ist bei diesen Gruppen eine neuropathologische Analyse durchzuführen. Wenn bei der qualitativen oder quantitativen Untersuchung behandlungsbedingte neuropathologische Veränderungen gefunden werden, sind die Dosisabhängigkeit des Auftretens, die Häufigkeit und der Schweregrad der Läsionen oder der morphometrischen Veränderungen auf der Grundlage einer Beurteilung aller Tiere aus sämtlichen Dosisgruppen zu bestimmen. In die Beurteilung sind alle Hirnregionen einzubeziehen, bei denen sich neuropathologische Veränderungen gleich welcher Art finden. Für jede Läsionsart sind die zur Festlegung der einzelnen Schweregrade verwendeten Eigenschaften zu beschreiben und die zur Unterscheidung der Schweregrade verwendeten Merkmale anzugeben. Anhand der Häufigkeit der einzelnen Läsionsarten und ihres Schweregrads ist eine statistische Analyse zur Beurteilung der Art der Dosis-Wirkungs-Beziehung durchzuführen. Es wird empfohlen, codierte Objektträger zu verwenden (91).

DATEN UND BERICHTERSTATTUNG

Daten

46.

Die Daten sind sowohl einzeln zu protokollieren als auch in tabellarischer Form zusammenzufassen, wobei ersichtlich sein muss, bei welcher der einzelnen Prüfgruppen welche Arten von Veränderungen aufgetreten sind und bei wie vielen Muttertieren, nach Geschlecht gegliederten Nachkommen und Würfen diese Veränderungen feststellbar waren. Wenn eine direkte postnatale Exposition der Nachkommen erfolgt ist, sind Verabreichungsweg, -dauer und -zeitraum in den Bericht aufzunehmen.

Beurteilung und Auswertung der Ergebnisse

47.

Eine Prüfung auf Entwicklungsneurotoxizität liefert Informationen darüber, wie sich eine Chemikalie bei wiederholter Exposition in utero und während der frühen postnatalen Entwicklung auswirkt. Da der Schwerpunkt sowohl auf die allgemeine Toxizität als auch auf entwicklungsneurotoxische Endpunkte gelegt wird, lassen die Prüfungsergebnisse eine Unterscheidung zu zwischen den Wirkungen auf die neurologische Entwicklung, die ohne allgemeine maternale Toxizität auftreten, und Veränderungen, die nur bei Dosen auftreten, die auch beim Muttertier toxisch wirken. Da die Wechselbeziehung zwischen Prüfungsdesign, statistischer Analyse und biologischer Signifikanz der Daten äußerst komplex ist, können die Entwicklungsneurotoxizitätsdaten nur unter Hinzuziehung eines Experten korrekt ausgewertet werden (107)(109). Bei der Auswertung der Testergebnisse sollte ein WoE-Ansatz angewendet werden (20)(92)(93)(94). Die Muster der verhaltensbedingten oder morphologischen Befunde sollten, sofern vorhanden, ebenso erörtert werden wie eine nachweisliche Dosis-Wirkungs-Beziehung. In diese Analyse sollten Daten aus allen Studien einfließen, die für die Beurteilung der Entwicklungsneurotoxizität relevant sind, dazu gehören unter anderem epidemiologische Studien oder Fallberichte am Menschen sowie tierexperimentelle Studien (z. B. toxikokinetische Daten, Daten zur Struktur-Wirkungs-Beziehung, Daten aus anderen Toxizitätsstudien). Dies schließt auch die Beziehung zwischen den Dosen der Prüfsubstanz und dem Auftreten/Nichtauftreten neurotoxischer Wirkungen bzw. deren Häufigkeit und Ausprägung bei beiden Geschlechtern mit ein (20)(95).

48.

Die Datenauswertung sollte ferner eine Diskussion sowohl der biologischen als auch der statistischen Signifikanz beinhalten. Die statistische Analyse sollte bei der Datenauswertung unterstützend herangezogen werden, aber nicht allein bestimmend dafür sein. Allein aus dem Fehlen einer statistischen Signifikanz sollte ebenso wenig automatisch geschlossen werden, dass keine behandlungsbedingten Wirkungen vorliegen, wie das Vorhandensein einer statistischen Signifikanz nicht als einzige Begründung für das Vorliegen einer behandlungsbedingten Wirkung herangezogen werden darf. Um mögliche falsch-negative Ergebnisse zu vermeiden und den Schwierigkeiten vorzubeugen, die naturgemäß mit einem „negativen Beweis“ verbunden sind, sollten vorhandene positive und historische Kontrolldaten in die Diskussion einbezogen werden, insbesondere dann, wenn keine behandlungsbedingten Wirkungen gefunden werden (102)(106). Die Wahrscheinlichkeit falsch-positiver Ergebnisse sollte vor dem Hintergrund der statistischen Gesamtauswertung der Daten erörtert werden (96). Sofern ein Zusammenhang zwischen neuropathologischen Veränderungen und Verhaltensänderungen beobachtet wurde, sollte dieser in die Beurteilung einbezogen werden.

49.

Sämtliche Ergebnisse sind mithilfe zum Prüfungsdesign passender statistischer Modelle zu analysieren (108). Die Entscheidung für eine parametrische bzw. eine parameterfreie Analyse ist anhand bestimmter Faktoren wie zum Beispiel der Art der Daten (umgewandelte/nicht umgewandelte Daten) und deren Verteilung sowie der relativen Robustheit der gewählten statistischen Analyse zu begründen. Bei der Auswahl der statistischen Analysemethoden sollten Prüfungszweck und Prüfungsdesign als Orientierungshilfe dienen, um das Auftreten von Typ-I-Fehlern (falsch-positive Ergebnisse) und Typ-II-Fehlern (falsch-negative Ergebnisse) so gering wie möglich zu halten (96)(97)(104)(105). Bei Entwicklungsstudien, bei denen jeweils mehrere Jungtiere desselben Wurfs geprüft werden, sollte der Wurf als solcher in das statistische Modell einbezogen werden, um aufgeblähte Typ-I-Fehlerquoten zu vermeiden (98)(99)(100)(101). Die statistische Maßeinheit sollte der Wurf sein, nicht das Jungtier. Die Experimente sollten so ausgestaltet sein, dass Wurfgeschwister nicht als unabhängige Beobachtungsobjekte behandelt werden. Jeder am selben Versuchstier wiederholt gemessene Endpunkt sollte anhand statistischer Modelle analysiert werden, die der Tatsache Rechnung tragen, dass diese Messungen nicht unabhängig sind.

Prüfbericht

50.

Der Prüfbericht sollte folgende Angaben enthalten:

Prüfsubstanz:

 physikalische Beschaffenheit und gegebenenfalls physikalisch-chemische Eigenschaften,

 Identifizierungsdaten einschließlich Quelle und

 Reinheit der Zubereitung und bekannte und/oder erwartete Verunreinigungen.

Vehikel (falls verwendet):

 Begründung für die Wahl des Vehikels (falls nicht Wasser oder physiologische Kochsalzlösung).

Versuchstiere:

 Art und Stamm und Begründung für die Verwendung einer anderen Art als der Ratte,

 Anbieter, von dem die Versuchstiere stammen,

 Zahl, Alter bei Beginn und Geschlecht der Versuchstiere,

 Herkunft, Haltungsbedingungen, Nahrung, Wasser usw. und

 Gewicht der einzelnen Tiere bei Versuchsbeginn.

Prüfbedingungen:

 Begründung der gewählten Dosisstufen,

 Begründung des Verabreichungswegs und -zeitraums,

 Angabe der verabreichten Dosen einschließlich Einzelheiten zu Vehikel, Volumen und physikalischer Form des verabreichten Stoffs,

 Angaben zur Zubereitungsform der Prüfsubstanz/des Futters, der erreichten Konzentration, Stabilität und Homogenität der Zubereitung,

 Methode zur eindeutigen Kennzeichnung der Muttertiere und der Nachkommen,

 genaue Beschreibung der Randomisierungsmethode(n) für die Zuteilung der Muttertiere zu Behandlungsgruppen, für die Auswahl von Jungtieren zwecks Auslese und für die Zuteilung von Jungtieren zu Prüfgruppen,

 Einzelheiten zur Verabreichung der Prüfsubstanz,

 gegebenenfalls Angaben zur Umrechnung der Konzentration der Prüfsubstanz im Futter/Wasser bzw. im Inhalat (ppm) in die entsprechende Dosis (mg pro kg Körpergewicht und Tag),

 Umgebungsbedingungen

 Einzelheiten zu Futter- und Wasserqualität (z. B. Leitungswasser, destilliertes Wasser) und

 Datum des Beginns und des Endes der Prüfung.

Beobachtungen und Prüfverfahren:

 ausführliche Beschreibung der zur Standardisierung von Beobachtungen und Verfahren angewendeten Vorgehensweise sowie operative Festlegungen für die Auswertung der Beobachtungen,

 Verzeichnis aller verwendeten Prüfverfahren und Begründung für deren Anwendung,

 ausführliche Beschreibung der verhaltensbezogenen/funktionalen, pathologischen, neurochemischen oder elektrophysiologischen Verfahren einschließlich detaillierter Angaben zu automatischen Geräten,

 Kalibrierungsverfahren und Verfahren zur Gewährleistung der Gleichwertigkeit der verwendeten Geräte und der ausgewogenen Zusammensetzung der Prüfgruppen während der Prüfverfahren und

 kurze Begründung, warum einzelne Entscheidungen die Hinzuziehung eines Sachverständigen erfordern.

Ergebnisse (Einzelergebnisse und Zusammenfassung, gegebenenfalls einschließlich Durchschnittswert und Varianz):

 Zahl der Tiere zu Beginn und am Ende der Prüfung,

 Zahl der bei den einzelnen Prüfmethoden eingesetzten Tiere und Würfe,

 Kennzeichnungsnummern der einzelnen Tiere und der Würfe, aus denen sie stammen,

 Wurfgröße und mittleres Geburtsgewicht nach Geschlecht,

 Körpergewicht und Daten zur Änderung des Körpergewichts einschließlich des terminalen Körpergewichts der Muttertiere und der Nachkommen

 Nahrungsaufnahmedaten und gegebenenfalls Wasseraufnahmedaten (z. B. wenn die Prüfsubstanz mit dem Wasser verabreicht wird),

 Daten für toxische Reaktion, aufgeschlüsselt nach Geschlecht und Dosisstufe, einschließlich Zeichen für Toxizität oder Mortalität, gegebenenfalls einschließlich Todeszeitpunkt und -ursache,

 Art, Schweregrad, Dauer, Tag des Einsetzens, Tageszeit und weiterer Verlauf der ausführlichen klinischen Beobachtungen,

 Bewertung der einzelnen Entwicklungsparameter (Gewicht, Geschlechtsreife und Verhaltensontogenese) zu jedem Beobachtungzeitpunkt,

 ausführliche Beschreibung der nach Geschlecht aufgeschlüsselten verhaltensbezogenen, funktionalen, neuropathologischen, neurochemischen und elektrophysiologischen Befunde einschließlich Zunahmen und Abnahmen im Vergleich zu Kontrollgruppen,

 Ergebnisse der Nekropsie,

 Hirngewichte,

 sämtliche Diagnosen aus neurologischen Anzeichen und Läsionen einschließlich natürlicherweise aufgetretener Krankheiten oder Zustände,

 Abbildungen von Beispielbefunden,

 niedrig aufgelöste Bilder zur Bewertung der Homologie der für die Morphometrie verwendeten Schnitte,

 Resorptions- und Metabolismusdaten einschließlich ergänzender Daten aus einer separaten Toxikokinesestudie (falls vorhanden),

 statistische Aufarbeitung der Ergebnisse einschließlich statistischer Modelle für die Daten- und Ergebnisanalyse, und zwar unabhängig davon, ob diese signifikant waren oder nicht, und

 Verzeichnis der an der Prüfung beteiligten Personen einschließlich ihrer Berufsausbildung.

Diskussion der Ergebnisse:

 Dosis-Wirkungs-Beziehungen, aufgeschlüsselt nach Geschlecht und Gruppe,

 Einfließen etwaiger anderer toxischer Wirkungen in die Schlussfolgerung bezüglich des neurotoxischen Potenzials der Prüfsubstanz, aufgeschlüsselt nach Geschlecht und Gruppe,

 Auswirkung etwaiger toxikokinetischer Informationen auf die Schlussfolgerung,

 Abgleich mit anderen bekannten Neurotoxinen auf ähnliche Wirkungen,

 Daten zur Untermauerung der Zuverlässigkeit und Empfindlichkeit der Prüfmethode (d. h. positive Daten und historische Kontrolldaten),

 Zusammenhänge zwischen neuropathologischen und funktionalen Wirkungen (sofern diese vorliegen) und

 NOAEL oder Benchmark-Dosis für Muttertiere und Nachkommen, aufgeschlüsselt nach Geschlecht und Gruppe.

Schlussfolgerungen:

 Diskussion der Gesamtauswertung der Daten auf Grundlage der Ergebnisse, einschließlich der Bestimmung des NOAEL und einer Schlussfolgerung darüber, ob die Prüfsubstanz eine entwicklungsneurotoxische Wirkung hat oder nicht.

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(17) Kapitel B.31 diese Anhangs, Studie zur Prüfung auf pränatale Entwicklungstoxizität.

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Abbildung 1

Allgemeines Prüfschema für funktionale Prüfungen/Verhaltensprüfungen, neuropathologische Beurteilung und Hirngewichte. Dieses Diagramm basiert auf der Beschreibung unter den Nummern 13, 14 und 15 (PND = postnataler Tag). Beispiele für die Zuteilung der Versuchstiere sind Anlage 1 zu entnehmen.

image

Anlage 1

1. Beispiele für mögliche Zuteilungen sind in nachstehender Tabelle beschrieben. Diese Beispiele sollen veranschaulichen, dass die Versuchstiere den verschiedenen Prüfparadigmen auf unterschiedliche Art und Weise zugeteilt werden können.

Beispiel 1

2. Bei einem Satz von 20 Jungtieren pro Geschlecht und Dosisstufe (ein Männchen und ein Weibchen pro Wurf) wird die Verhaltensontogenese vor dem Absetzen geprüft. Von diesen Tieren werden 10 Jungtiere pro Geschlecht und Dosisstufe (ein Männchen oder ein Weibchen pro Wurf) am PND 22 auf humane Weise getötet. Die Gehirne werden entfernt, gewogen und für die histopathologische Beurteilung aufbereitet. Zusätzlich werden die am unfixierten Hirn erhobenen Hirngewichtsdaten der verbleibenden 10 Männchen und 10 Weibchen pro Dosisstufe gesammelt.

3. Bei einem weiteren Satz von 20 Jungtieren pro Geschlecht und Dosisstufe (ein Männchen und ein Weibchen pro Wurf) werden funktionale und Verhaltenstests nach dem Absetzen durchgeführt (ausführliche klinische Beobachtungen und Prüfung der motorischen Aktivität, der akustischen Schreckreaktion und der kognitiven Funktionen am adoleszenten Tier), und das Alter der Geschlechtsreife wird bewertet. Von diesen Tieren werden 10 Jungtiere pro Geschlecht und Dosisstufe (ein Männchen oder ein Weibchen pro Wurf) bei Studienende betäubt und per Perfusion fixiert (etwa PND 70). Die Gehirne werden, nachdem sie zusätzlich in situ fixiert wurden, entfernt und für die neuropathologische Beurteilung aufbereitet.

4. Für die kognitiven Funktionsprüfungen an jungen adulten Tieren (z. B. PND 60-70) wird ein dritter Satz von 20 Jungtieren pro Geschlecht und Dosisstufe verwendet (ein Männchen und ein Weibchen pro Wurf). Von diesen Tieren werden 10 Jungtiere pro Geschlecht und Gruppe (ein Männchen oder ein Weibchen pro Wurf) bei Studienende getötet und die Gehirne entfernt und gewogen.

5. Die verbleibenden 20 Tiere pro Geschlecht und Gruppe werden für möglicherweise durchzuführende zusätzliche Prüfungen zurückbehalten.



Tabelle 1

Jungtier Nr. ()

Anzahl der Jungtiere für die Prüfung

Untersuchung/Prüfung

M

W

1

5

20 M + 20 W

Verhaltensontogenese

 

 

10 M + 10 W

PND 22: Hirngewicht/Neuropathologie/Morphometrie

 

 

10 M + 10 W

PND 22: Hirngewicht

 

 

 

 

2

6

20 M + 20 W

Ausführliche klinische Beobachtungen

 

 

20 M + 20 W

Motorische Aktivität

 

 

20 M + 20 W

Geschlechtsreife

 

 

20 M + 20 W

Motorische und sensorische Funktionen

 

 

20 M + 20 W

Lernen und Gedächtnis (PND 25)

 

 

10 M + 10 W

Hirngewicht des jungen adulten Tiers/Neuropathologie/Morphometrie ~ PND 70

 

 

 

 

3

7

20 M + 20 W

Lernen und Gedächtnis (junge adulte Tiere)

 

 

10 M + 10 W

Hirngewicht des jungen adulten Tiers ~ PND 70

4

8

Tiere, die als Ersatz oder für Zusatzprüfungen vorbehalten sind

(1)   Für dieses Beispiel werden die Würfe auf vier Männchen und vier Weibchen verkleinert; die männlichen Jungtiere werden von eins bis vier durchnummeriert, die weiblichen von fünf bis acht.

Beispiel 2

6. Bei einem Satz von 20 Jungtieren pro Geschlecht und Dosisstufe (ein Männchen und ein Weibchen pro Wurf) wird die Verhaltensontogenese vor dem Absetzen geprüft. Von diesen Tieren werden 10 Jungtiere pro Geschlecht und Dosisstufe (ein Männchen oder ein Weibchen pro Wurf) am PND 11 auf humane Weise getötet. Die Gehirne werden entfernt, gewogen und für die histopathologische Beurteilung aufbereitet.

7. Bei einem weiteren Satz von 20 Jungtieren pro Geschlecht und Dosisstufe (ein Männchen und ein Weibchen pro Wurf) werden Untersuchungen nach dem Absetzen durchgeführt (ausführliche klinische Beobachtungen, Prüfung der motorischen Aktivität, Bewertung des Alters der Geschlechtsreife und Prüfung der motorischen und sensorischen Funktionen). Von diesen Tieren werden 10 Jungtiere pro Geschlecht und Dosisstufe (ein Männchen oder ein Weibchen pro Wurf) bei Studienende betäubt und per Perfusion fixiert (etwa PND 70). Die Gehirne werden, nachdem sie zusätzlich in situ fixiert wurden, entfernt, gewogen und für die neuropathologische Beurteilung aufbereitet.

8. Für kognitive Funktionsprüfungen an adoleszenten und jungen adulten Tieren werden 10 Jungtiere pro Geschlecht und Dosisstufe verwendet (ein Männchen oder ein Weibchen pro Wurf). Bei den kognitiven Funktionsprüfungen werden für die Prüfungen am PND 23 und an jungen adulten Tieren unterschiedliche Tiere verwendet. Nach Beendigung werden die für die Prüfungen am adulten Tier verwendeten 10 Tiere pro Geschlecht und Gruppe getötet. Ihre Gehirne werden entfernt und gewogen.

9. Die verbleibenden, nicht für die Prüfungen ausgewählten 20 Tiere pro Geschlecht und Gruppe werden beim Absetzen getötet und entsorgt.



Tabelle 2

Jungtier Nr. ()

Anzahl der Jungtiere für die Prüfung

Untersuchung/Prüfung

M

W

1

5

20 M + 20 W

Verhaltensontogenese

 

 

10 M + 10 W

PND 11: Hirngewicht/Neuropathologie/Morphometrie

2

6

20 M + 20 W

Ausführliche klinische Beobachtungen

 

 

20 M + 20 W

Motorische Aktivität

 

 

20 M + 20 W

Geschlechtsreife

 

 

20 M + 20 W

Motorische und sensorische Funktionen

 

 

10 M + 10 W

Hirngewicht des jungen adulten Tiers/Neuropathologie/Morphometrie ~ PND 70

 

 

 

 

3

7

10 M + 10 W ()

Lernen und Gedächtnis (PND 23)

3

7

10 M + 10 W ()

Lernen und Gedächtnis (junge adulte Tiere)

 

 

 

Hirngewicht des jungen adulten Tiers

4

8

Tiere werden am PND 21 getötet und entsorgt.

(1)   Für dieses Beispiel werden die Würfe auf vier Männchen und vier Weibchen verkleinert; die männlichen Jungtiere werden von eins bis vier durchnummeriert, die weiblichen von fünf bis acht.

(2)   Bei der Prüfung der kognitiven Fähigkeiten sind für die Tests am PND 23 und die Tests an jungen adulten Tieren unterschiedliche Tiere zu verwenden (z. B. gerade/ungerade Würfe von insgesamt 20 Jungtieren).

Beispiel 3

10. Bei einem Satz von 20 Jungtieren pro Geschlecht und Dosisstufe (ein Männchen und ein Weibchen pro Wurf) wird am PND 11 das Gehirngewicht bestimmt und eine neuropathologische Bewertung durchgeführt. Von diesen Tieren werden 10 Jungtiere pro Geschlecht und Dosisstufe (ein Männchen oder ein Weibchen pro Wurf) am PND 11 auf humane Weise getötet, und die Gehirne werden entfernt, gewogen und für die histopathologische Beurteilung aufbereitet. Zusätzlich werden die am unfixierten Hirn erhobenen Hirngewichtsdaten der verbleibenden 10 Männchen und 10 Weibchen pro Dosisstufe gesammelt.

11. Bei einem weiteren Satz von 20 Jungtieren pro Geschlecht und Dosisstufe (ein Männchen und ein Weibchen pro Wurf) wird die Verhaltensontogenese (motorische Aktivität) beurteilt, es werden Untersuchungen nach dem Absetzen durchgeführt (motorische Aktivität und Bewertung des Alters der Geschlechtsreife), und an den adoleszenten Tieren werden kognitive Funktionsprüfungen durchgeführt.

12. Bei einem weiteren Satz von 20 Tieren pro Geschlecht und Dosisstufe (ein Männchen und ein Weibchen pro Wurf) werden die motorischen und sensorischen Funktionen (akustische Schreckreaktion) geprüft und ausführliche klinische Beobachtungen vorgenommen. Von diesen Tieren werden 10 Jungtiere pro Geschlecht und Dosisstufe (ein Männchen oder ein Weibchen pro Wurf) bei Studienende betäubt und per Perfusion fixiert (etwa PND 70). Die Gehirne werden, nachdem sie zusätzlich in situ fixiert wurden, entfernt, gewogen und für die neuropathologische Beurteilung aufbereitet.

13. Bei einem weiteren Satz von 20 Jungtieren pro Geschlecht und Dosisstufe (ein Männchen und ein Weibchen pro Wurf) werden kognitive Funktionsprüfungen an den jungen adulten Tieren durchgeführt. Von diesen Tieren werden 10 Jungtiere pro Geschlecht und Gruppe (ein Männchen oder ein Weibchen pro Wurf) bei Studienende getötet und die Gehirne entfernt und gewogen.



Tabelle 3

Jungtier Nr. ()

Anzahl der Jungtiere für die Prüfung

Untersuchung/Prüfung

M

W

1

5

10 M + 10 W

PND 11: Hirngewicht/Neuropathologie/Morphometrie

 

 

10 M + 10 W

PND 11: Hirngewicht

2

6

20 M + 20 W

Verhaltensontogenese (motorische Aktivität)

 

 

20 M + 20 W

Motorische Aktivität

 

 

20 M + 20 W

Geschlechtsreife

 

 

20 M + 20 W

Lernen und Gedächtnis (PND 27)

 

 

 

 

3

7

20 M + 20 W

Akustische Schreckreaktion (adoleszente und junge adulte Tiere)

 

 

20 M + 20 W

Ausführliche klinische Beobachtungen

 

 

10 M + 10 W

Hirngewicht des jungen adulten Tiers/Neuropathologie/ Morphometrie ~ PND 70

4

8

20 M + 20 W

Lernen und Gedächtnis (junge adulte Tiere)

 

 

10 M + 10 W

Hirngewicht des jungen adulten Tiers

 

 

 

 

(1)   Für dieses Beispiel werden die Würfe auf vier Männchen und vier Weibchen verkleinert; die männlichen Jungtiere werden von eins bis vier durchnummeriert, die weiblichen von fünf bis acht.

Anlage 2

Begriffsbestimmungen

Chemikalie : ein Stoff oder eine Mischung.

Prüfsubstanz : jede(r) mittels dieser Prüfmethode getestete Stoff bzw. Mischung

B.54.    UTEROTROPHER BIOASSAY MIT NAGERN: EIN KURZZEIT-SCREENING-TEST AUF ÖSTROGENE EIGENSCHAFTEN

EINLEITUNG

1.

Diese Prüfmethode entspricht der OECD-Prüfrichtlinie (TG) 440 (2007). Die OECD setzte sich 1998 zur Priorität, bestehende Prüfrichtlinien für Screening und Testung potenzieller endokriner Disruptoren zu überarbeiten und neue Richtlinien zu entwickeln (1). Ein Aspekt dieser Maßnahme war die Ausarbeitung einer Prüfrichtlinie für die In-vivo-Uterusgewichtsprüfung (Uterotrophic Bioassay) mit Nagern. Der uterotrophe Bioassay mit Nagern wurde nachfolgend einem umfassenden Validierungsprogramm unterzogen, in dessen Rahmen unter anderem ein ausführliches Hintergrunddokument erstellt (2)(3) und umfassende Intra- und Interlaborstudien durchgeführt wurden, um die Relevanz und Reproduzierbarkeit der In-vivo-Prüfung anhand eines wirksamen Referenzöstrogens, schwacher Östrogen-Rezeptoragonisten, eines starken Östrogen-Rezeptorantagonisten und einer negativen Referenzchemikalie (4)(5)(6)(7)(8)(9) nachzuweisen. Die vorliegende Prüfmethode B.54 ist das Resultat der bei der Validierung des Prüfprogramms gewonnenen Erfahrungen und Ergebnisse im Bereich Östrogenagonisten.

2.

Der uterotrophe Bioassay ist ein Kurzzeit-Screening-Test, der auf die 1930er-Jahre zurückgeht (27)(28) und durch einen Fachausschuss erstmals 1962 für Screeningzwecke standardisiert wurde (32)(35). Der Test basiert auf einer Zunahme des Uterusgewichts, die auch als uterotrophe Reaktion bezeichnet wird (vgl. Literaturhinweis 29). Dabei wird untersucht, ob eine Chemikalie biologische Abläufe auslöst, die der Wirkung von Agonisten oder Antagonisten natürlicher Östrogene (z. B. 17β-Östradiol) entsprechen; die Methode wird allerdings wesentlich häufiger für den Nachweis von Agonisten als für den Nachweis von Antagonisten eingesetzt. Der Uterus reagiert auf zweierlei Art auf Östrogen: Zunächst erhöht sich das Gewicht aufgrund von Wassereinlagerung. Darauf folgt eine Gewichtszunahme aufgrund von Gewebewachstum (30). Die Uterusreaktionen sind bei Ratten und Mäusen qualitativ vergleichbar.

3.

Dieser Bioassay wird als In-vivo-Screening-Test durchgeführt und sollte im Zusammenhang mit dem Rahmenkonzept der OECD ‘Conceptual Framework for the Testing and Assessment of Endocrine Disrupting Chemicals’ (Testung und Bewertung endokrin wirksamer Stoffe) (Anlage 2) angewendet werden. In diesem Rahmenkonzept ist der uterotrophe Bioassay ein In-vivo-Test der Stufe 3, mit dem Daten über einen einzelnen endokrinen Mechanismus, nämlich die östrogene Wirkung, gewonnen werden sollen.

4.

Der uterotrophe Bioassay ist als Teil einer Reihe von In-vitro- und In-vivo-Tests zur Bestimmung von Chemikalien, die mit dem endokrinen System in Wechselwirkung treten können, konzipiert und soll letztendlich der Bewertung des Risikos für die Umwelt und die menschliche Gesundheit dienen. Im Rahmen des Validierungsprogramms der OECD wurde sowohl anhand von starken als auch von schwachen Östrogenagonisten untersucht, wie gut sich die Prüfung zur Erkennung von Chemikalien mit östrogener Wirkung eignet (4)(5)(6)(7)(8). Dabei konnte die Empfindlichkeit des Prüfverfahrens bezüglich Östrogenagonisten ebenso fundiert nachgewiesen werden wie eine gute Intra- und Interlabor-Reproduzierbarkeit.

5.

Was negative Verbindungen anbelangt, wurde nur eine ‘negative’ Referenzchemikalie (deren Wirkungslosigkeit bereits im Rahmen von Uterusgewichtsprüfungen sowie bei in vitro durchgeführten Rezeptorbindungs- und Rezeptorprüfungen belegt worden war) in das Validierungsprogramm aufgenommen, aber es wurden zusätzliche, vom Validierungsprogramm der OECD unabhängige Prüfdaten ausgewertet, die die Spezifizität des uterotrophen Bioassays beim Screening von Östrogenagonisten weiter untermauern (16).

AUSGANGSÜBERLEGUNGEN UND BEGRENZUNGEN

6.

Östrogenagonisten und -antagonisten können an die Östrogenrezeptoren a und b binden und die transkriptionelle Aktivität der Rezeptoren aktivieren bzw. hemmen. Dies ist potenziell mit gesundheitlichen Risiken verbunden und schließt auch negative Auswirkungen auf Reproduktion und Entwicklung mit ein. Aus diesem Grund müssen Chemikalien möglichst schnell daraufhin geprüft und beurteilt werden können, ob es sich um potenzielle Östrogenagonisten oder -antagonisten handelt. Die in vitro bestimmte Affinität eines Liganden für einen Östrogenrezeptor oder die transkriptionelle Aktivierung von Reportergenen liefert zwar wertvolle Informationen, ist aber nur eine von mehreren Determinanten für das Gefahrenpotenzial. Andere Determinanten können die metabolische Aktivierung und Deaktivierung beim Eintritt in den Körper, die Verteilung auf die Zielgewebe und die Ausscheidung aus dem Körper sein, was zumindest teilweise vom Verabreichungsweg und von der geprüften Chemikalie abhängig ist. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, die potenzielle Wirkung einer Chemikalie in vivo unter einschlägigen Bedingungen zu prüfen, sofern die Eigenschaften der Chemikalie hinsichtlich Resorption, Verteilung, Metabolismus und Ausscheidung (ADME) nicht bereits entsprechende Informationen liefern. Die Uterusgewebe reagieren mit starkem und raschem Wachstum auf die Stimulation mit Östrogenen, was insbesondere für Labornager gilt, deren Östruszyklus etwa vier Tage dauert. Die Verwendung von Nagerarten, insbesondere Ratten, ist zudem bei Toxizitätsstudien zur Beurteilung des Gefahrenpotenzials weit verbreitet. Aus diesem Grund ist der Nageruterus das geeignete Zielorgan für das In-vivo-Screening von Östrogenagonisten und -antagonisten.

7.

Der vorliegenden Prüfmethode liegen die Prüfpläne der OECD-Validierungsstudie zugrunde, die sich in Intra- und Interlaborstudien als zuverlässig und wiederholbar erwiesen haben (5)(7). Derzeit sind zwei Methoden verfügbar, und zwar die Methode am adulten ovarektomierten Weibchen (Methode mit adulten OVX-Tieren) und die Methode am unreifen, nicht ovarektomierten Weibchen (Methode mit unreifen Tieren). Das Validierungsprogramm der OECD hat ergeben, dass die Empfindlichkeit und Reproduzierbarkeit beider Methoden vergleichbar ist. Die Methode mit unreifen Ratten, deren Hypothalamus-Hypophysen-Gonaden-Achse (HPG-Achse) intakt ist, ist in gewissen Punkten weniger spezifisch, deckt dafür aber eine größere Bandbreite an Untersuchungsmöglichkeiten ab als die am ovarektomierten Tier, weil sie für Chemikalien empfindlich ist, die auch mit der HPG-Achse interagieren und nicht nur mit dem Östrogenrezeptor. Die HGP-Achse ist etwa ab dem 15. Lebenstag funktionsfähig. Vorher kann die Pubertät nicht — zum Beispiel durch Behandlung mit GnRH — beschleunigt werden. Beim Eintritt in die Pubertät haben die Weibchen vor der Vaginalöffnung mehrere stumme Zyklen, die nicht zu einer Vaginalöffnung oder Ovulation führen, bei denen es jedoch zu einigen hormonellen Schwankungen kommt. Wenn die HPG-Achse direkt oder indirekt durch eine Chemikalie stimuliert wird, hat das eine frühzeitige Pubertät und Ovulation sowie eine beschleunigte Vaginalöffnung zur Folge. Dies wird nicht nur durch Chemikalien hervorgerufen, die auf die HPG-Achse wirken; auch bestimmte Nahrung mit einem höheren Niveau metabolisierbarer Energie stimuliert das Wachstum und beschleunigt die Vaginalöffnung, ohne dass eine östrogene Wirkung vorliegt. Solche Chemikalien würden bei adulten OVX-Tieren keine uterotrophe Reaktion hervorrufen, weil deren HPG-Achse nicht funktionsfähig ist.

8.

Aus Tierschutzgründen sollte der Methode, bei der unreife Ratten verwendet werden, der Vorzug eingeräumt werden, weil dadurch eine chirurgische Vorbehandlung der Tiere entfällt und eine mögliche Nichtverwendung derjenigen Tiere vermieden wird, die Anzeichen für einen beginnenden Östruszyklus aufweisen (siehe Nummer 30).

9.

Eine Zunahme des Uterusgewichts ist nicht ausschließlich östrogenen Ursprungs, d. h. auch Chemikalien, die keine Östrogenagonisten oder -antagonisten sind, können eine uterotrophe Reaktion hervorrufen. Beispielsweise können auch relativ hohe Dosen von Progesteron, Testosteron oder verschiedenen synthetischen Progestinen ebenfalls stimulierend wirken (30). Jede Reaktion kann histologisch auf Keratinisation und Kornifikation der Vagina analysiert werden (30). Ein positives Ergebnis eines uterotrophen Bioassays sollte unabhängig vom möglichen Ursprung der Reaktion weitere Abklärungsmaßnahmen nach sich ziehen. Weitere Nachweise für die östrogene Wirkung könnten durch In-vitro-Prüfungen, wie zum Beispiel ER-Bindungstests und Tests auf transkriptionelle Aktivierung oder andere In-vivo-Prüfungen, wie zum Beispiel die Prüfung an pubertären Weibchen, gewonnen werden.

10.

Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der uterotrophe Bioassay ein In-vivo-Screening-Test ist, wurde der gewählte Validierungsansatz sowohl Tierschutzbelangen als auch einer mehrstufigen Prüfstrategie gerecht. Zu diesem Zweck lag der Schwerpunkt darauf, die beiden Hauptaspekte zu validieren, auf die es bei zahlreichen Chemikalien ankommt, nämlich die Reproduzierbarkeit und die Empfindlichkeit für die östrogene Wirkung, während der Antiöstrogenwirkungskomponente der Prüfung dagegen nur wenig Aufmerksamkeit gewidmet wurde. Es wurde nur ein Antiöstrogen mit starker Wirkung getestet, da die Anzahl an Chemikalien mit eindeutig antiöstrogenem Profil (bei denen die antiöstrogene Wirkung nicht durch eine teilweise vorhandene östrogene Wirkung verschleiert wird) ausgesprochen begrenzt ist. Der vorliegenden Prüfmethode liegt folglich der Prüfplan für den Nachweis der östrogenen Wirkung zugrunde, während der Prüfplan für die Prüfung auf Antagonisten in einem Guidance Document der OECD (37) enthalten ist. Die Reproduzierbarkeit und Empfindlichkeit der Prüfung von Chemikalien mit rein antiöstrogener Wirkung werden zu einem späteren Zeitpunkt klarer definiert, wenn das Prüfverfahren eine Zeit lang routinemäßig im Einsatz war und mehr Chemikalien mit dieser Wirkungsart ermittelt worden sind.

11.

Es wird darauf hingewiesen, dass bei allen tierexperimentellen Verfahren die örtlichen Standards der Versuchstierpflege einzuhalten sind. Die nachfolgend ausgeführten Pflege- und Behandlungsbeschreibungen stellen Mindestanforderungen dar; Vorrang vor diesen Standards haben lokale Bestimmungen, zum Beispiel die Richtlinie 2010/63/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. September 2010 zum Schutz der für wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tiere (38). Eine weiterführende Anleitung für die tierschutzgerechte Behandlung von Versuchstieren ist in dem OECD Guidance Document (25) enthalten.

12.

Wie bei allen Prüfungen, bei denen lebende Tiere verwendet werden, ist vor Testbeginn sicherzustellen, dass die Daten wirklich benötigt werden. Zum Beispiel werden die Daten möglicherweise zur weiteren Abklärung der folgenden beiden Szenarien gebraucht:

 wenn ein hohes Expositionspotenzial (Stufe 1 des Rahmenkonzepts, Anlage 2) oder Anzeichen für eine östrogene Wirkung (Stufe 2) vorliegen, um zu untersuchen, ob solche Wirkungen in vivo vorkommen können;

 wenn die Ergebnisse der In-vivo-Tests der Stufen 4 und 5 auf eine östrogene Wirkung hindeuten, um zu untermauern, dass diese Ergebnisse mit einem Östrogenmechanismus zusammenhängen, der nicht mit einem In-vitro-Test erklärt werden kann.

13.

Die für die Zwecke dieser Prüfmethode verwendeten Begriffe sind in Anlage 1 definiert.

PRINZIP DER PRÜFMETHODE

14.

Die Empfindlichkeit des uterotrophen Bioassays beruht auf einer Versuchsanordnung, bei der die Hypothalamus-Hypophysen-Eierstock-Achse nicht funktionsfähig ist, was zu einem niedrigen endogenen Östrogenspiegel führt. Dadurch werden ein niedriges Ausgangsgewicht des Uterus zu Anfang der Prüfung und das größtmögliche Spektrum an Reaktionen auf die verabreichten Östrogene sichergestellt. Diese Anforderung ist bei weiblichen Nagern in zwei Fällen erfüllt:

i) bei unreifen Weibchen nach dem Absetzen und vor Einsetzen der Pubertät und

ii) bei jungen, adulten, ovarektomierten Weibchen mit ausreichend Zeit für die Rückbildung des Uterusgewebes.

15.

Die Prüfsubstanz wird täglich oral per Schlundsonde oder durch subkutane Injektion verabreicht. Die abgestuften Dosen der Prüfsubstanz werden mindestens zwei Versuchsgruppen (vgl. Nummer 33 für weitere Informationen) verabreicht, wobei pro Gruppe eine Dosisstufe gegeben wird und der Verabreichungszeitraum bei der Methode mit unreifen Tieren drei aufeinanderfolgende Tage und bei der Methode mit unreifen OVX-Tieren mindestens drei aufeinanderfolgende Tage beträgt. Die Tiere werden etwa 24 Stunden nach der letzten Dosisgabe seziert. Bei Östrogenagonisten wird das mittlere Uterusgewicht der behandelten Versuchstiergruppen im Vergleich zur Vehikelgruppe auf eine statistisch signifikante Erhöhung hin bewertet. Eine statistisch signifikante Erhöhung des mittleren Uterusgewichts einer Prüfgruppe deutet auf eine positive Reaktion in diesem Bioassay hin.

BESCHREIBUNG DER METHODE

Auswahl der Versuchstierarten

16.

Es können die üblichen Labornagerstämme verwendet werden. Bei der Validierung wurden beispielsweise Stämme der Sprague-Dawley- und der Wistar-Ratte eingesetzt. Es sollten keine Stämme verwendet werden, von denen ein weniger gutes Ansprechen der Uteri bekannt ist oder vermutet wird. Das Labor sollte die Empfindlichkeit des verwendeten Stamms wie unter den Nummern 26 und 27 beschrieben nachweisen.

17.

Ratten und Mäuse werden seit den 1930er-Jahren routinemäßig für den uterotrophen Bioassay verwendet. Die Validierungsprüfungen der OECD wurden nur anhand von Ratten durchgeführt, und zwar aufgrund der Überlegung, dass bei zwei aller Voraussicht nach gleichwertigen Spezies eine Art für eine weltweit gültige Validierung ausreichen sollte und so Ressourcen und Tiere eingespart werden können. Die Ratte ist bei den meisten Prüfungen auf Reproduktions- und Entwicklungstoxizität die Spezies der Wahl. Da es bereits eine umfangreiche Sammlung historischer Daten zu Mäusen gibt, wurde eine Follow-up-Validierungsstudie mit einer begrenzten Anzahl an Mäusen durchgeführt (16), um den Anwendungsbereich der Prüfmethode des uterotrophen Bioassays mit Nagern auf die Verwendung von Mäusen als Prüfspezies auszudehnen. Getreu der ursprünglichen Absicht, Ressourcen und Tiere einzusparen, wurde der Ansatz einer Überbrückungsstudie mit einer begrenzten Anzahl an Prüfsubstanzen und teilnehmenden Laboratorien und ohne codierte Probentestung gewählt. Diese Überbrückungsstudie ergab für den uterotrophen Bioassay mit jungen adulten, ovarektomierten Mäusen, dass die an Ratten und Mäusen gewonnenen Daten sich sowohl qualitativ als auch quantitativ gut decken. Wenn das Ergebnis des uterotrophen Bioassays gegebenenfalls als Vorstudie für eine Langzeitstudie verwendet wird, können somit Tiere desselben Stamms und derselben Herkunft für beide Studienarten verwendet werden. Der Überbrückungsansatz war auf OVX-Mäuse beschränkt, und der Bericht enthält keine robusten Daten, die eine Validierung des Modells mit unreifen Tieren erlauben würden. Daher fällt das Tiermodell mit unreifen Mäusen nicht in den Anwendungsbereich der aktuellen Prüfmethode.

18.

Demnach können in bestimmten Fällen Mäuse anstelle von Ratten verwendet werden. Die Wahl dieser Versuchstierart ist auf der Grundlage toxikologischer, pharmakokinetischer und/oder anderer Kriterien zu begründen. Bei Mäusen muss gegebenenfalls der Prüfplan geändert werden. Zum Beispiel ist die Nahrungsaufnahme im Verhältnis zum Körpergewicht bei Mäusen höher als bei Ratten, und der Phytoöstrogengehalt der Nahrung sollte daher bei Mäusen niedriger sein als bei Ratten (9)(20)(22).

Haltungs- und Fütterungsbedingungen

19.

Bei allen Verfahren sind die örtlichen Standards der Versuchstierpflege einzuhalten. Bei diesen Pflege- und Behandlungsbeschreibungen handelt es sich um Mindestanforderungen; Vorrang haben lokale Rechtsvorschriften, wie zum Beispiel die Richtlinie 2010/63/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. September 2010 zum Schutz der für wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tiere (38). Die Temperatur im Versuchstierraum sollte 22 °C (± 3 °C) betragen. Die relative Luftfeuchtigkeit sollte mindestens 30 % betragen und — außer beim Reinigen des Raums — 70 % nicht überschreiten. Angestrebt werden sollte eine Luftfeuchtigkeit von 50-60 %. Die Beleuchtung sollte künstlich sein. Die Hell- und Dunkelphasen sollten sich im Abstand von 12 Stunden abwechseln.

20.

Labornahrung und Trinkwasser sind ad libitum bereitzustellen. Die jungen adulten Tiere können entweder einzeln oder in Gruppen von bis zu drei Tieren pro Käfig untergebracht werden. Da die unreifen Tiere noch sehr jung sind, ist die Unterbringung in der Gruppe aus sozialen Gründen empfehlenswert.

21.

Ein hoher Gehalt an Phytoöstrogenen in der Labornahrung führt bei Nagern erwiesenermaßen zu einer Erhöhung des Uterusgewichts, die für eine Verfälschung der Ergebnisse des uterotrophen Bioassays ausreichend ist (13)(14)(15). Hohe Gehalte an Phytoöstrogenen und ein hohes Niveau metabolisierbarer Energie in der Labornahrung können ferner bei unreifen Tieren einen vorzeitigen Pubertätseintritt zur Folge haben. Phytoöstrogene in der Nahrung sind vorwiegend auf Soja- und Alfalfaprodukte als Zutaten im Laborfutter zurückzuführen, wobei die Phytoöstrogenkonzentrationen in der Standard-Labornahrung zwischen den einzelnen Chargen variieren (23). Das Körpergewicht ist eine wichtige Variable, da die aufgenommene Futtermenge in Relation zum Körpergewicht steht. Die tatsächlich aus demselben Futter aufgenommene Phytoöstrogendosis kann daher zwischen verschiedenen Tierarten und, innerhalb einer Art, je nach Alter abweichen (9). Bei unreifen Rattenweibchen kann die Futteraufnahme in Relation zum Körpergewicht ungefähr doppelt so hoch ausfallen wie bei ovarektomierten jungen adulten Weibchen. Bei jungen adulten Mäusen kann die Futteraufnahme in Relation zum Körpergewicht ungefähr viermal so hoch ausfallen wie bei ovarektomierten jungen adulten Rattenweibchen.

22.

Die Ergebnisse anderer uterotropher Bioassays (9)(17)(18)(19) haben jedoch gezeigt, dass begrenzte Mengen an Phytoöstrogenen in der Nahrung akzeptabel sind und sich nicht negativ auf die Aussagekraft des Assays auswirken. Zur Orientierung: Der Phytoöstrogengehalt sollte 350 μg Genistein-Äquivalente pro Gramm Labornahrung bei unreifen Sprague Dawley- und Wistar-Rattenweibchen nicht überschreiten (6)(9). Diese Nahrung sollte auch dann geeignet sein, wenn junge adulte ovarektomierte Ratten getestet werden, weil die Nahrungsaufnahme in Relation zum Körpergewicht bei jungen adulten Ratten geringer ist als bei unreifen Tieren. Wenn adulte ovarektomierte Mäuse oder stärker auf Phytoöstrogene reagierende Ratten verwendet werden sollen, muss eine proportionale Reduzierung der Phytoöstrogengehalte in der Nahrung in Erwägung gezogen werden (20). Ferner können Unterschiede bei der verfügbaren verstoffwechselbaren Energie bei verschiedenen Arten von Labornahrung das Einsetzen der Pubertät beeinflussen (21)(22).

23.

Vor Beginn des Versuchs ist bei der Auswahl der Labornahrung sorgfältig darauf zu achten, dass diese keinen erhöhten Gehalt an Phytoöstrogenen (siehe (6) und (9)) oder an metabolisierbarer Energie aufweist, denn beides kann zu einer Verzerrung der Ergebnisse führen (15)(17)(19)(22)(36). Die Gewährleistung der ordnungsgemäßen Durchführung des vom Labor verwendeten Prüfsystems gemäß den Nummern 26 und 27 stellt eine wichtige Kontrolle dieser beiden Faktoren dar. Sicherheitshalber sollten im Einklang mit der Guten Laborpraxis (GLP) repräsentative Stichproben von allen im Laufe der Prüfung verabreichten Nahrungschargen genommen werden, um bei Bedarf den Phytoöstrogengehalt zu analysieren (z. B. wenn im Vergleich zu historischen Kontrolldaten ein hohes Uterus-Kontrollgewicht vorliegt oder bei ungenügendem Ansprechen auf das Referenzöstrogen 17α-Ethinylestradiol). Die Aliquote sind im Rahmen der Prüfung zu analysieren oder so aufzubewahren, dass sich die Probe nicht vor der Analyse zersetzen kann (zum Beispiel durch Einfrieren bei – 20 °C).

24.

Einige Arten von Einstreu können natürlicherweise Chemikalien mit östrogener oder antiöstrogener Wirkung enthalten (zum Beispiel beeinflusst Maiseinstreu bekanntermaßen den Zyklus von Ratten und hat vermutlich antiöstrogene Eigenschaften). Der Phytoöstrogengehalt der gewählten Einstreu sollte so gering wie möglich sein.

Vorbereitung der Tiere

25.

Die Versuchstiere, die keine Krankheitszeichen oder physischen Abnormitäten aufweisen, werden randomisiert auf die Kontroll- und Behandlungsgruppen aufgeteilt. Die Käfige sollten so angeordnet werden, dass etwaige Einflüsse der Käfigplatzierung minimiert werden. Jedes Tier ist eindeutig zu kennzeichnen. Unreife Tiere sind bis zum Absetzen möglichst gemeinsam mit Muttertieren oder Ammen zu halten, bis sie sich akklimatisiert haben. Die Akklimatisierungszeit vor Versuchsbeginn sollte sowohl für junge adulte Tiere als auch für unreife, mit Muttertieren oder Ammen gelieferte Tiere etwa fünf Tage betragen. Wenn gerade abgesetzte, unreife Tiere ohne Muttertiere erworben werden, ist gegebenenfalls eine Verkürzung der Akklimatisierungszeit notwendig, da mit der Dosierung sofort nach dem Absetzen begonnen werden sollte (vgl. Nummer 29).

VERFAHREN

Eignungsprüfung des Prüflabors

26.

Für die Eignungsprüfung des Prüflabors gibt es zwei Optionen:

 Regelmäßige Verifizierung durch Abgleich mit einer zu Anfang durchgeführten positiven Kontrollstudie/Baselinestudie (vgl. Nummer 27). Mindestens alle sechs Monate sowie immer dann, wenn eine Veränderung eingetreten ist, die die Prüfleistung beeinflussen könnte (z. B. neue Futterzubereitung, Änderung des Sektionspersonals, Änderung des Tierstamms, geänderter Lieferant usw.), ist die Empfindlichkeit des Prüfsystems (das Tiermodell) anhand einer (mit Hilfe der unter Nummer 27 beschriebenen positiven Kontrollstudie/Baselinestudie bestimmten) geeigneten Dosis des Referenzöstrogens 17a-Ethinylestradiol (CAS Nr. 57-63-6) (EE) zu verifizieren.

 Verwendung gleichzeitiger Kontrollgruppen, indem bei jeder Prüfung eine Gruppe hinzugefügt wird, die eine geeignete Dosis des Referenzöstrogens erhält.

Wenn das Tiermodell nicht wie erwartet reagiert, sind die Versuchsbedingungen zu überprüfen und entsprechend zu ändern. Die bei jedem der Ansätze verwendete Dosis des Referenzöstrogens sollte etwa die ED70 bis 80 sein.

27.

Baselinestudie/positive Kontrollstudie — Bevor ein Labor anhand der vorliegenden Prüfmethode erstmals eine Studie durchführt, sollte seine Eignung nachgewiesen werden, und zwar durch Prüfung der Empfindlichkeit des Tiermodells und Festlegung der Dosis-Wirkungs-Beziehung für das Referenzöstrogen 17a-Ethinylestradiol (CAS Nr. 57-63-6) (EE) bei einem Minimum von vier Dosen. Die Reaktion des Uterusgewichts wird mit bekannten historischen Daten abgeglichen (vgl. Literaturhinweis (5)). Wenn diese Baseline- bzw. positive Kontrollstudie nicht zu den erwarteten Ergebnissen führt, sind die Versuchsbedingungen zu überprüfen und entsprechend zu modifizieren.

Zahl und Zustand der Versuchstiere

28.

Jede Behandlungs- und Kontrollgruppe sollte aus mindestens sechs Tieren zusammengesetzt sein (sowohl beim Prüfplan für die Methode mit unreifen Tieren als auch bei dem für die Methode mit adulten OVX-Tieren).

Alter der unreifen Tiere

29.

Beim uterotrophen Bioassay mit unreifen Tieren ist der Tag der Geburt anzugeben. Mit der Dosierung sollte so früh begonnen werden, dass sichergestellt ist, dass der mit der Pubertät assoziierte natürliche Anstieg der endogenen Östrogene am Ende der Prüfsubstanzverabreichung noch nicht stattgefunden hat. Andererseits gibt es Hinweise darauf, dass sehr junge Tiere möglicherweise weniger empfindlich reagieren. Zur Festlegung des optimalen Alters sollte jedes Labor seine eigenen Hintergrunddaten zur Geschlechtsreife heranziehen.

Als Faustregel kann mit der Dosierung bei Ratten unmittelbar nach einem frühen Absetzen am postnatalen Tag 18 (PND 18) begonnen werden (PND 0 ist der Tag der Geburt). Die Dosierung sollte bei Ratten möglichst am PND 21 abgeschlossen sein, spätestens jedoch vor PND 25, weil nach diesem Alter die Hypothalamus-Hypophysen-Eierstock-Achse funktionsfähig wird und die endogenen Östrogenspiegel unter Umständen zu steigen beginnen, was mit einer Erhöhung der mittleren Baseline-Uterusgewichte und einem Ansteigen der Gruppen-Standardabweichungen einhergeht (2)(3)(10)(11)(12).

Ovarektomieverfahren

30.

Bei Prüfungen mit ovarektomierten Ratten- und Mäuseweibchen (Behandlungs- und Kontrollgruppen) ist die Ovarektomie im Alter zwischen sechs und acht Wochen durchzuführen. Bei Ratten sollte zwischen der Ovarektomie und dem ersten Verabreichungstag mindestens ein Zeitraum von 14 Tagen liegen, damit der Uterus sich wieder auf eine stabile Mindestgröße (die Ausgangsgröße für die Prüfung) zurückbilden kann. Bei Mäusen sollten mindestens sieben Tage zwischen der Ovarektomie und dem ersten Verabreichungstag liegen. Da bereits kleine Mengen Ovarialgewebe für eine signifikante Erhöhung der Östrogenspiegel ausreichen (3), sollten die Tiere vor ihrer Verwendung mittels Beobachtung der bei Vaginalabstrichen an fünf aufeinanderfolgenden Tagen (z. B. Tage 10-14 nach der Ovarektomie bei Ratten) gewonnenen Epithelzellen getestet werden. Tiere, die Anzeichen für einen beginnenden Östruszyklus zeigen, sollten nicht verwendet werden. Später, bei der Nekropsie, sind die Ovarialstümpfe auf Reste von Ovarialgewebe zu untersuchen. Wird Ovarialgewebe gefunden, sollte das Tier nicht in die Berechnungen mit einbezogen werden (3).

31.

Zu Beginn der Ovarektomie liegt das ordnungsgemäß narkotisierte Tier in Bauchlage. Der Längsschnitt zur Eröffnung der dorsolateralen Bauchwand sollte etwa 1 cm betragen und in der Mitte zwischen unterem Rippenbogenrand und Beckenkamm sowie einige Millimeter neben dem lateralen Rand des Lendenmuskels verlaufen. Das Ovar wird der Bauchhöhle entnommen und auf einem sterilen Feld abgelegt. Dann wird es an der Verbindungsstelle von Eileiter und Gebärmutterkörper abgetrennt. Wenn sichergestellt ist, dass keine starke Blutung auftritt, ist die Bauchwand zuzunähen und die Haut mit Klammern oder einer entsprechenden Naht zu schließen. Die Ligaturpunkte sind schematisch in Abbildung 1 dargestellt. In Absprache mit einem auf Nager spezialisierten Veterinärmediziner sollte eine geeignete postoperative Schmerzlinderung erfolgen.

Körpergewicht

32.

Bei der Methode mit adulten OVX-Tieren korreliert das Uterusgewicht nicht mit dem Körpergewicht, weil das Uterusgewicht durch Hormone, zum Beispiel Östrogene, nicht aber durch Wachstumsfaktoren, die die Körpergröße regulieren, beeinflusst wird. Beim Modell mit unreifen Tieren dagegen ist ein Zusammenhang zwischen Uterusgewicht und Körpergewicht gegeben, so lange das Tier noch nicht voll entwickelt ist (34). Zu Beginn des Versuchs sollten die Gewichtsunterschiede bei den unreifen Tieren möglichst gering sein und ± 20 % des Durchschnittsgewichts nicht überschreiten. Das bedeutet, dass die Wurfgröße durch den Züchter standardisiert werden sollte, sodass sichergestellt ist, dass Nachkommen verschiedener Muttertiere ungefähr gleich gefüttert werden. Die Tiere werden durch randomisierte Gewichtsverteilung so den Kontroll- und Behandlungsgruppen zugewiesen, dass das durchschnittliche Körpergewicht der einzelnen Gruppen sich statistisch nicht von dem der anderen Gruppen unterscheidet. Eine Zuteilung von Wurfgeschwistern zur selben Behandlungsgruppe ist zu vermeiden, sofern das ohne Erhöhung der Anzahl der für die Untersuchung verwendeten Würfe möglich ist.

Dosierung

33.

Um festzustellen, ob eine Prüfsubstanz in vivo eine östrogene Wirkung entfalten kann, sind normalerweise zwei Dosisgruppen und eine Kontrollgruppe ausreichend, weshalb dieser Versuchsanordnung aus Tierschutzgründen der Vorrang eingeräumt werden sollte. Wenn der Zweck des Versuchs entweder die Erstellung einer Dosis-Wirkungs-Kurve oder die Umrechnung auf niedrigere Dosen ist, sind mindestens drei Dosisgruppen erforderlich. Wenn Informationen gewonnen werden sollen, die über das Vorhandensein einer östrogenen Aktivität hinausgehen (wie zum Beispiel eine Einschätzung der Wirkstärke), sollte ein anderer Dosierungsplan in Betracht gezogen werden. Abgesehen von der Behandlung mit der Prüfsubstanz sollten die Tiere der Kontrollgruppe genauso behandelt werden wie die Tiere in den Prüfgruppen. Wird die Prüfsubstanz mit einem Vehikel verabreicht, muss die Kontrollgruppe dieselbe Menge des Vehikels erhalten wie die behandelten Gruppen (bzw. das höchste verwendete Volumen, wenn die verschiedenen Gruppen unterschiedliche Volumina erhalten).

34.

Das Ziel des uterotrophen Bioassays ist die Auswahl von Dosen, bei denen die Tiere auf jeden Fall überleben und die nach drei aufeinanderfolgenden Tagen mit einer Chemikaliengabe von maximal 1 000 mg pro Kilogramm und Tag nicht mit signifikanter Toxizität oder einem Leiden der Tiere einhergehen. Bei der Auswahl sämtlicher Dosisstufen sind alle zu der Prüfsubstanz oder verwandten Stoffen verfügbaren toxikologischen und (toxiko-)kinetischen Daten zu berücksichtigen. Bei der Festlegung der Höchstdosis sollten insbesondere die LD50 und/oder Angaben zur akuten Toxizität berücksichtigt werden, um den Tod der Tiere oder starkes Leiden und Qualen zu vermeiden (24)(25)(26). Die höchste Dosis sollte die maximal verträgliche Dosis (MTD) darstellen; eine auf einer Dosisstufe, die eine positive uterotrophe Reaktion hervorgerufen hat, durchgeführte Studie wäre ebenfalls akzeptabel. Für Screeningzwecke sind große Intervalle (z. B. eine halbe logarithmische Einheit, entsprechend einer Dosissteigerung um den Faktor 3,2, oder sogar bis zu einer vollen logarithmischen Einheit) zwischen den Dosisstufen allgemein akzeptabel. Liegen keine geeigneten Daten vor, kann eine Dosisfindungsstudie zur Bestimmung der zu verwendenden Dosen durchgeführt werden.

35.

Wenn die Stärke der östrogenen Wirkung eines Agonisten aufgrund von In-vitro- (oder In-silico-)Daten beurteilt werden kann, können alternativ auch diese Daten für die Dosiswahl herangezogen werden. Zum Beispiel wird die Menge der Prüfsubstanz, die uterotrophe Reaktionen vergleichbar mit denjenigen des Referenzagonisten (Ethinylestradiol) hervorrufen würde, anhand ihrer In-vitro-Wirkstärke im Verhältnis zu Ethinylestradiol abgeschätzt. Die höchste Prüfdosis ergibt sich aus der Multiplikation dieser Äquivalenzdosis mit einem geeigneten Faktor, zum Beispiel 10 oder 100.

Ausführungen zur Dosisfindung

36.

Falls notwendig, kann eine Vorstudie zur Dosisfindung mit wenigen Tieren durchgeführt werden. Diesbezüglich kann das OECD Guidance Document Nr. 19 (25) konsultiert werden, in dem klinische Anzeichen für Toxizität oder Leiden der Tiere festgelegt sind. Sofern es im Rahmen dieser Dosisfindungsstudie nach drei Verabreichungstagen praktikabel ist, können die Uteri etwa 24 Stunden nach der letzten Dosisgabe operativ entfernt und gewogen werden. Diese Daten können dann zur Planung der Hauptstudie herangezogen werden (Auswahl der akzeptablen Höchstdosis und der niedrigeren Dosen sowie Empfehlung für die Anzahl an Dosisgruppen).

Verabreichung der Dosen

37.

Die Prüfsubstanz wird oral per Schlundsonde oder durch subkutane Injektion verabreicht. Bei der Wahl des Verabreichungswegs sind Tierschutzaspekte sowie toxikologische Aspekte wie die Art der Humanexposition gegenüber der Chemikalie (z. B. Schlundsonde, um eine Exposition über die Nahrungsaufnahme zu simulieren; subkutane Injektion, um Einatmen oder Aufnahme über die Haut am Modell zu testen), die physikalisch-chemischen Eigenschaften der Prüfsubstanz und insbesondere verfügbare toxikologische Angaben und Daten zu Verstoffwechselung und Kinetik (z. B. die Notwendigkeit, eine First-pass-Metabolisierung zu vermeiden; bessere Effizienz über einen bestimmten Verabreichungsweg) mit einzubeziehen.

38.

Als Erstes sollte möglichst immer die Verwendung einer wässrigen Lösung/Suspension in Erwägung gezogen werden. Da aber die meisten Östrogenliganden beziehungsweise ihre metabolischen Vorläufer eher hydrophob sind, ist der gängigste Ansatz die Verwendung einer Lösung/Suspension auf Ölbasis (z. B. Mais-, Erdnuss-, Sesam- oder Olivenöl). Diese Öle unterscheiden sich jedoch in ihrem Energie- und Fettgehalt, sodass das Vehikel die Menge der insgesamt aufgenommenen metabolisierbaren Energie (ME) beeinflussen kann, was sich wiederum — insbesondere bei der Methode mit unreifen Tieren — auf die gemessenen Endpunkte, beispielsweise das Uterusgewicht, auswirken kann (33). Aus diesem Grund sollte vor dem Versuch jedes geplante Vehikel mit Kontrollen ohne Vehikel verglichen werden. Die Prüfsubstanzen können in einer sehr kleinen Menge von 95 %igem Ethanol oder anderen geeigneten Lösungsmitteln gelöst und im Prüfvehikel auf ihre endgültigen Arbeitskonzentrationen verdünnt werden. Die toxischen Eigenschaften des Lösungsmittels müssen bekannt sein und sollten in einer separaten Kontrollgruppe, in der nur das Lösungsmittel geprüft wird, getestet werden. Wenn die Prüfsubstanz als stabil erachtet wird, kann der Lösungsvorgang durch schonende Erwärmung und kräftige mechanische Einwirkung unterstützt werden. Die Stabilität der Prüfsubstanz im Vehikel sollte bestimmt werden. Ist die Prüfsubstanz für die Dauer des Versuchs stabil, kann eine Start-Aliquote der Substanz vorbereitet werden und die spezifizierten Dosierungsverdünnungen können täglich zubereitet werden.

39.

Die zeitliche Planung der Dosisgaben ist abhängig vom verwendeten Tiermodell (vgl. Nummer 29 für das Modell mit unreifen Tieren und Nummer 30 für das Modell mit adulten OVX-Tieren). Unreife Rattenweibchen erhalten täglich an drei aufeinanderfolgenden Tagen eine Gabe der Prüfsubstanz. Auch für ovarektomierte Rattenweibchen wird eine dreitägige Behandlungsdauer empfohlen, aber eine längere Exposition ist akzeptabel und kann den Nachweis schwach aktiver Chemikalien erleichtern. Im Falle von ovarektomierten Mäuseweibchen ist bei starken Östrogen-Agonisten eine Verabreichungsdauer von drei Tagen im Allgemeinen ausreichend und eine Verlängerung auf sieben Tage nicht mit signifikanten Vorteilen verbunden; für schwache Östrogene wurde diese Beziehung allerdings in der Validierungsstudie (16) nicht nachgewiesen, weshalb eine verlängerte Dosisgabe von sieben aufeinanderfolgenden Tagen bei adulten OVX-Mäusen angeraten ist.Die Dosis sollte täglich ungefähr zur selben Zeit verabreicht werden. Die Dosisgaben sind bei Bedarf anzupassen, um eine konstante Dosierung in Relation zum Körpergewicht des Tiers (z. B. mg Prüfsubstanz pro kg Körpergewicht und Tag) sicherzustellen. Das Prüfvolumen sollte im Verhältnis zum Körpergewicht möglichst konstant gehalten werden, indem die Konzentration der Lösung, die die Dosierung enthält, angepasst wird, um so bei allen Dosisstufen und Verabreichungswegen ein im Verhältnis zum Körpergewicht konstantes Volumen sicherzustellen.

40.

Wird die Prüfsubstanz über eine Sonde verabreicht, so sollte dies in einer täglichen Einmaldosis unter Verwendung einer Schlundsonde oder einer geeigneten Intubationskanüle erfolgen. Das maximale Flüssigkeitsvolumen, das jeweils verabreicht werden kann, hängt von der Größe des Versuchstiers ab. Es sind die örtlichen Tierschutzrichtlinien zu befolgen, das Volumen sollte jedoch 5 ml pro kg Körpergewicht nicht überschreiten, außer bei wässrigen Lösungen, von denen 10 ml pro kg Körpergewicht gegeben werden können.

41.

Wird die Prüfsubstanz durch subkutane Injektion verabreicht, so sollte dies über eine tägliche Einmaldosis geschehen. Die Dosen sind mittels steriler Nadel (z. B. 23 oder 25 Gauge) und Tuberkulinspritze dorsal im Bereich der Schulterblätter oder in die Lendenregion zu injizieren. Die Injektionsstelle kann rasiert werden. Wenn Injektionsflüssigkeit verloren geht, an der Injektionsstelle ausläuft oder unvollständig verabreicht wird, ist dies zu protokollieren. Das Gesamtvolumen, das pro Ratte und Tag injiziert wird, sollte 5 ml pro kg Körpergewicht, aufgeteilt auf zwei Injektionsstellen, nicht überschreiten; dies gilt nicht für wässrige Lösungen, von denen 10 ml pro kg Körpergewicht gegeben werden können.

Beobachtungen

Allgemeine und klinische Beobachtungen

42.

Allgemeine klinische Beobachtungen sollten mindestens einmal täglich durchgeführt werden, bei Anzeichen für Toxizität häufiger. Die Beobachtungen sind möglichst immer zur selben Tageszeit/zu denselben Tageszeiten und unter Berücksichtigung des Zeitraums nach der Verabreichung, in dem die Wirkungsgipfel zu erwarten sind, durchzuführen. Alle Tiere sind auf Anzeichen von Mortalität, Morbidität und allgemeine klinische Zeichen wie Verhaltensänderungen, Änderungen an Haut, Fell, Augen und Schleimhäuten, Sekrete und Exkrete sowie autonome Körperfunktionen (z. B. Tränensekretion, Piloerektion, Pupillengröße, ungewöhnliche Atemmuster) zu beobachten.

Körpergewicht und Futteraufnahme

43.

Alle Tiere sind täglich auf 0,1 g genau zu wiegen, wobei unmittelbar vor Behandlungsbeginn, also wenn die Tiere den Gruppen zugeteilt werden, mit dem Wiegen zu beginnen ist. Optional kann die aufgenommene Futtermenge während des Behandlungszeitraums pro Käfig durch Wiegen der Futterspender bestimmt werden. Die Daten zur Futteraufnahme sind in Gramm pro Ratte und Tag auszudrücken.

Sektion und Bestimmung des Uterusgewichts

44.

Die Ratten sind 24 Stunden nach der letzten Behandlung auf humane Weise zu töten. Idealerweise werden die Nekropsien über die Gruppen hinweg randomisiert durchgeführt, um ein unmittelbares Abarbeiten der Dosisgruppen nach oben oder unten zu vermeiden, da dies die Daten geringfügig beeinflussen könnte. Ziel des Bioassays ist die Bestimmung sowohl des Uterusfeuchtgewichts als auch des geblotteten Uterusgewichts. Das Feuchtgewicht beinhaltet den Uterus und den Gehalt an Uterusflüssigkeit. Das geblottete Gewicht wird bestimmt, nachdem die Uterusflüssigkeit ausgedrückt und beseitigt wurde.

45.

Vor der Sektion wird die Vagina bei unreifen Tieren auf ihren Öffnungsstatus hin untersucht. Die Sektion beginnt mit der Eröffnung der Bauchwand von der Schambeinfuge an. Anschließend werden das Uterushorn und die Ovarien, sofern vorhanden, von der dorsalen Bauchwand gelöst. Dann werden Harnblase und Harnleiter von der ventralen und lateralen Seite des Uterus und der Vagina entfernt. Die fibröse Adhäsion zwischen Rektum und Vagina wird gelöst, bis die Verbindung zwischen Vaginalöffnung und Perinealhaut erkennbar ist. Uterus und Vagina werden vom Körper gelöst, indem die Vaginalwand genau oberhalb der Verbindung zur Perinealhaut abgeschnitten wird (siehe Abbildung 2). Der Uterus sollte durch vorsichtiges Abtrennen des Mesometriums an der Stelle, an der es jeweils dorsolateral mit der Längsseite eines Uterushorns verbunden ist, von der Körperwand gelöst werden. Sobald der Uterus aus dem Körper entfernt ist, sollten die weiteren Arbeiten rasch genug erfolgen, um ein Austrocknen der Gewebe zu vermeiden. Ein Gewichtsverlust durch Austrocknen fällt bei kleinen Geweben wie dem Uterus stärker ins Gewicht (23). Wenn Ovarien vorhanden sind, werden sie so am Ovidukt entfernt, dass keine Gebärmutterflüssigkeit aus dem Uterushorn verloren geht. Bei ovarektomierten Tieren sind die Ovarialstümpfe auf Reste von Ovarialgewebe zu untersuchen. Überschüssiges Fett- und Bindegewebe ist abzuschaben. Die Vagina wird genau unterhalb des Gebärmutterhalses vom Uterus getrennt, sodass der Gebärmutterhals mit dem Uteruskörper verbunden bleibt (siehe Abbildung 2).

46.

Die Uteri werden einzeln in eindeutig gekennzeichneten und gewogenen Behälter verbracht (z. B. Petrischale oder Wägeschiffchen aus Kunststoff) und kontinuierlich gegen Austrocknung vor dem Wiegen geschützt (beispielsweise indem ein leicht mit Kochsalzlösung angefeuchtetes Filterpapier in den Behälter gelegt wird). Der Uterus wird mit der Uterusflüssigkeit auf 0,1 mg genau gewogen (Uterusfeuchtgewicht).

47.

Anschließend wird jeder Uterus einzeln weiterverarbeitet, um die Gebärmutterflüssigkeit zu entfernen. Beide Uterushörner werden durchstochen oder längs aufgeschnitten. Der Uterus wird auf leicht angefeuchtetes Filterpapier (z. B. Whatman Nr. 3) gelegt und vorsichtig mit einem zweiten Stück leicht angefeuchteten Filterpapiers ausgedrückt, bis die Uterusflüssigkeit vollständig entfernt ist (Blotten). Der Uterus wird ohne die Gebärmutterflüssigkeit auf 0,1 mg genau gewogen (Uterusgewicht nach Blotten, nachfolgend Uterustrockengewicht).

48.

Am Uterusgewicht bei Studienende lässt sich ablesen, ob das geeignete Alter bei der unreifen intakten Ratte tatsächlich nicht überschritten wurde, ausschlaggebend sind in dieser Hinsicht jedoch die historischen Daten des vom Labor verwendeten Rattenstamms (vgl. Nummer 56 bezüglich der Interpretation der Ergebnisse).

Optionale Untersuchungen

49.

Nach dem Wiegen können die Uteri in 10 % neutral gepuffertem Formalin fixiert und nach Hämatoxylin-Eosin-Färbung (HE-Färbung) histopathologisch untersucht werden. Die Vagina kann ebenfalls entsprechend untersucht werden (siehe Nummer 9). Für einen quantitativen Vergleich kann ferner eine morphometrische Untersuchung des Epithelgewebes der Gebärmutterschleimhaut durchgeführt werden.

DATEN UND BERICHTERSTATTUNG

Daten

50.

Folgende Daten über die Prüfung sind anzugeben:

 die Anzahl der Tiere zu Beginn des Assays,

 die Anzahl und Identität der während der Prüfung tot aufgefundenen oder aus humanen Gründen getöteten Tiere sowie Datum und Uhrzeit des Todes oder der Tötung der Tiere,

 die Anzahl und Identität der Tiere, die Toxizitätszeichen aufweisen, und eine Beschreibung der beobachteten Toxizitätszeichen einschließlich Zeitpunkt des Einsetzens, Dauer und Schweregrad der toxischen Wirkungen und

 die Anzahl und Identität der Tiere, bei denen Läsionen festgestellt werden, und eine Beschreibung der Art der Läsionen.

51.

Zu den einzelnen Tieren sollten die Daten bezüglich Körpergewicht, Uterusfeuchtgewicht und Uterustrockengewicht protokolliert werden. Um festzustellen, ob die Verabreichung der Prüfsubstanz zu einer statistisch signifikanten (p < 0,05) Erhöhung des Uterusgewichts geführt hat, sollten einseitige statistische Analysen für die Agonisten durchgeführt werden. Es sind geeignete statistische Analysen durchzuführen, um die Trocken- und Feuchtgewichte der Uteri auf behandlungsbedingte Veränderungen zu überprüfen. Zum Beispiel können die Daten anhand einer Kovarianzanalyse mit dem Körpergewicht bei Nekropsie als Kovariate beurteilt werden. Vor der Datenanalyse kann eine varianzstabilisierende logarithmische Transformation der Uterusdaten durchgeführt werden. Der Dunnett-Test und der Hsu-Test sind für paarweise Vergleiche jeder Dosisgruppe mit Vehikelkontrollgruppen und die Berechnung der Konfidenzintervalle geeignet. Es können studentisierte Residuenplots zur Erfassung möglicher Ausreißer und zur Bewertung der Homogenität der Varianzen eingesetzt werden. Diese Verfahren kamen im Rahmen des Validierungsprogramms der OECD unter Verwendung von PROC GLM (GLM-Verfahren) im Statistik-Softwaresystem SAS (Statistisches Analysesystem, SAS Institute, Cary, NC), Version 8 (6)(7) zum Einsatz.

52.

Der Abschlussbericht muss Folgendes beinhalten:

Prüfeinrichtung:

 verantwortliches Personal und Zuständigkeiten während der Studie,

 Daten der Baselinestudie/positiven Kontrollstudie und in regelmäßigen Abständen gewonnene positive Kontrolldaten (vgl. Nummern 26 und 27).

Prüfsubstanz:

 Beschreibung der Prüfsubstanzen,

 physikalische Beschaffenheit und gegebenenfalls physikalisch-chemische Eigenschaften,

 Zubereitungsverfahren von Verdünnungen und Häufigkeit der Zubereitung,

 etwaige Daten über die Stabilität,

 etwaige Analysen der Dosierungslösungen.

Vehikel:

 Beschreibung des Prüfvehikels (Art, Lieferant und Charge),

 Begründung der Wahl des Vehikels (sofern anders als Wasser).

Versuchstiere:

 Tierart und -stamm und Begründung der getroffenen Wahl,

 Lieferant und genaue Angabe der Einrichtung, aus der die Tiere stammen,

 Alter bei Lieferung und Geburtsdatum,

 bei unreifen Tieren, Angabe, ob diese mit Mutter- oder Ammentier geliefert werden, und Datum des Absetzens,

 Angaben zum Akklimatisierungsverfahren für die Tiere,

 Anzahl der Tiere pro Käfig,

 Angaben/Methode zur eindeutigen Kennzeichnung der einzelnen Tiere und der Gruppe.

Prüfbedingungen:

 Angaben zum Randomisierungsverfahren (angewendete Methode),

 Begründung der Dosiswahl,

 Angaben zur Formulierung der Prüfsubstanz, ihrer erreichten Konzentration, Stabilität und Homogenität,

 Angaben zur Verabreichung der Prüfsubstanz und Begründung des gewählten Expositionswegs,

 Futter (Bezeichnung, Art, Lieferant, Inhalt und, sofern bekannt, Phytoöstrogengehalte),

 Trinkwasserversorgung (z. B. Leitungswasser oder gefiltertes Wasser) und Art der Tränkung (Großbehälter mit Trinkschläuchen, Flaschentränkung usw.),

 Einstreu (Bezeichnung, Art, Lieferant, Inhalt),

 Protokoll der Haltungsbedingungen, Beleuchtungsintervalle, Raumtemperatur, Luftfeuchtigkeit, Raumreinigung,

 ausführliche Beschreibung der Nekropsie und der Uterusgewichtsbestimmung,

 Beschreibung der statistischen Verfahren.

Ergebnisse

 sämtliche Angaben zum Körpergewicht pro Tier und Tag (von der Gruppenzuteilung bis zur Nekropsie) (auf 0,1 g genau),

 Alter jedes einzelnen Tiers (ausgedrückt in Tagen; Tag der Geburt = Tag 0) ab der Verabreichung der Prüfsubstanz,

 Datum und Uhrzeit der einzelnen Dosisgaben,

 berechnetes Volumen und verabreichte Dosierung sowie beobachtete Dosierungsverluste während oder nach der Verabreichung,

 täglicher Bericht zum Zustand der Tiere einschließlich einschlägiger Symptome und Beobachtungen,

 vermutete Todesursache (bei während der Studie in moribundem Zustand oder tot aufgefundenen Tieren),

 Datum und Uhrzeit der schmerzlosen Tötung einschließlich des Zeitabstands zur letzten Dosisgabe,

 Uterusfeuchtgewicht (auf 0,1 mg genau) und etwaige Beobachtungen zu Uterusflüssigkeitsverlusten während der Sektion und Vorbereitung zum Wiegen,

 Uterustrockengewicht (auf 0,1 mg) genau.

 mittleres Körpergewicht pro Tag (auf 0,1 g genau) und Standardabweichungen (von der Gruppenzuteilung bis zur Nekropsie),

 mittleres Uterusfeuchtgewicht und mittleres Uterustrockengewicht pro Gruppe (auf 0,1 mg genau) und Standardabweichungen,

 Futterverbrauch pro Tag, falls gemessen (berechnet in Gramm verzehrtes Futter pro Tier),

 Ergebnisse der statistischen Analysen zum Vergleich der Uterusfeucht- und -trockengewichte der Behandlungsgruppen mit denselben Maßnahmen in den Vehikelkontrollgruppen,

 Ergebnisse der statistischen Analysen zum Vergleich des Körpergewichts insgesamt und der Körpergewichtszunahme der Behandlungsgruppen mit denselben Maßnahmen in den Vehikelkontrollgruppen.

53.

Zusammenfassung der wichtigsten Elemente der Prüfmethode



 

Ratte

Maus

Versuchstiere

Stamm

Allgemein üblicher Labornagerstamm

Anzahl der Tiere

Mindestens sechs Tiere pro Dosisgruppe

Anzahl der Gruppen

Mindestens zwei Prüfgruppen (für weitere Hinweise siehe Nummer 33) und eine negative Kontrollgruppe

Für Hinweise zu positiven Kontrollgruppen siehe Nummern 26 und 27

Haltungs- und Fütterungsbedingungen

Temperatur im Versuchstierraum

22 °C ± 3 °C

Relative Luftfeuchtigkeit

50-60 %, mind. 30 %, max. 70 %

Tägliche Beleuchtungsintervalle

12 h hell/12 h dunkel

Nahrung und Trinkwasser

Ad libitum

Unterbringung

Einzeln oder in Gruppen von bis zu drei Tieren (unreife Tiere sollten aus sozialen Gründen in der Gruppe untergebracht werden)

Futter und Einstreu

Futter und Einstreu sollten möglichst niedrige Phytoöstrogengehalte aufweisen

Prüfplan

Methode

Methode mit unreifen, nicht ovarektomierten Tieren (bevorzugtes Verfahren)

Methode mit ovarektomierten adulten Weibchen

Methode mit ovarektomierten adulten Weibchen

Alter der unreifen Tiere bei Dosisgabe

Beginn frühestens PND 18; letzte Dosisgabe vor PND 25

Bei dieser Prüfmethode nicht relevant

Alter bei Ovarektomie

Zwischen der 6. und 8. Lebenswoche

Alter der ovarektomierten Tiere bei Dosisgabe

Es sollten mindestens 14 Tage zwischen der Ovarektomie und dem ersten Verabreichungstag liegen.

Es sollten mindestens sieben Tage zwischen der Ovarektomie und dem ersten Verabreichungstag liegen.

Körpergewicht

Das Körpergewicht sollte nur minimal variieren und nicht mehr als ± 20 % vom Durchschnittsgewicht abweichen.

Dosierung

Verabreichungsweg

Schlundsonde oder subkutane Injektion

Häufigkeit der Verabreichung

Tägliche Einmaldosis

Flüssigkeitsvolumen bei Schlundsonde und Injektion

≤ 5 ml/kg Körpergewicht (bzw. bis zu 10 ml/kg Körpergewicht bei wässrigen Lösungen) (bei subkutaner Gabe an zwei Injektionsstellen)

Verabreichungsdauer

Drei aufeinanderfolgende Tage beim Modell mit unreifen Tieren

Mindestens drei aufeinanderfolgende Tage beim OVX-Modell

Sieben aufeinanderfolgende Tage beim OVX-Modell

Zeitpunkt der Nekropsie

Etwa 24 Stunden nach der letzten Dosisgabe

Ergebnisse

Positive Reaktion

Statistisch signifikante Erhöhung des durchschnittlichen Uterusgewichts (Feuchtgewicht und/oder Trockengewicht)

Referenzöstrogen

17α-Ethinylestradiol

LEITFADEN FÜR DIE INTERPRETATION UND AKZEPTANZ DER ERGEBNISSE

54.

Im Allgemeinen ist das Ergebnis einer Prüfung auf östrogene Wirkung dann als positiv anzusehen, wenn zumindest bei der höchsten Dosisstufe im Vergleich zu der nur mit dem Lösungsmittel behandelten Kontrollgruppe eine statistisch signifikante Erhöhung des Uterusgewichts (p < 0,05) zu verzeichnen ist. Ein positives Testergebnis wird ferner durch den Nachweis einer biologisch plausiblen Beziehung zwischen Dosis und Wirkstärke untermauert, wobei zu beachten ist, dass eine Prüfsubstanz sowohl östrogene als auch antiöstrogene Wirkungen haben kann, die sich gegenseitig überlagern, was sich unter Umständen auf den Verlauf der Dosis-Wirkungs-Kurve auswirkt.

55.

Es ist darauf zu achten, dass die maximal verträgliche Dosis nicht überschritten wird, weil die Interpretation der Daten sonst nicht aussagekräftig ist. Vor diesem Hintergrund sind ein verringertes Körpergewicht, klinische Anzeichen und andere Befunde sorgfältig zu prüfen.

56.

Ein wesentliches Kriterium für die Akzeptanz der bei dem uterotrophen Bioassay gewonnenen Daten sind die Uterusgewichte der Vehikelkontrollgruppe. Hohe Kontrollwerte können die Empfindlichkeit des Bioassays und die Fähigkeit zur Feststellung sehr schwacher Östrogenagonisten beeinträchtigen. Die Auswertung der Fachliteratur und die im Laufe der Validierung des uterotrophen Bioassays erhobenen Daten legen die Vermutung nahe, dass hohe Durchschnittswerte bei Kontrollgruppen, insbesondere wenn unreife Tiere verwendet werden, spontan vorkommen können (2)(3)(6)(9). Da das Uterusgewicht bei unreifen Ratten von zahlreichen Variablen abhängig ist — wie zum Beispiel von Stamm und Körpergewicht —, kann keine allgemeingültige Obergrenze für das Uterusgewicht angegeben werden. Als Faustregel gilt, dass Uterustrockengewichte bei unreifen Kontrollratten zwischen 40 und 45 mg als verdächtig einzustufen sind, und dass Uterusgewichte über 45 mg Anlass zu einer Wiederholung der Prüfung geben können. Dies muss jedoch von Fall zu Fall entschieden werden (3)(6)(8). Wenn bei adulten Ratten die Ovarektomie nicht vollständig durchgeführt wurde, führt das ovariale Restgewebe unter Umständen zu einer endogenen Östrogenproduktion, was eine Verzögerung bei der Rückbildung des Uterusgewichts zur Folge hat.

57.

Bei der Vehikelkontrollgruppe scheint ein Uterustrockengewicht von unter 0,09 % des Körpergewichts unreifer Rattenweibchen und von unter 0,04 % des Körpergewichts ovarektomierter junger adulter Weibchen akzeptable Ergebnisse zu liefern [siehe Tabelle 31 (2)]. Liegen die Uterusgewichte der Kontrollgruppe über diesen Werten, sind verschiedene Faktoren, darunter das Alter der Tiere, die vollständige Entfernung der Ovarien, Phytoöstrogene im Futter usw. zu überprüfen, und negative Prüfergebnisse (also kein Anzeichen für östrogene Wirkung) mit Vorsicht zu verwenden.

58.

Historische Daten der Vehikelkontrollgruppen sollten vom Labor in dessen Datenbestand aufgezeichnet werden. Die historischen Daten zur Wirkung positiver Referenzöstrogene, zum Beispiel 17a-Ethinylestradiol, sind ebenfalls vom Labor einzupflegen. Die Labore können ferner die Reaktion auf bekannte schwache Östrogenagonisten testen. Alle diese Daten können mit Daten aus der Fachliteratur (2)(3)(4)(5)(6)(7)(8) abgeglichen werden. So kann sichergestellt werden, dass die Methoden des Labors in ausreichendem Maße empfindlich sind.

59.

Die Uterustrockengewichte zeigten im Laufe der Validierungsprüfung der OECD eine geringere Variabilität als die Uterusfeuchtgewichte (6)(7). Eine signifikante Reaktion bei einer der Bestimmungsarten würde allerdings auf ein positives Testergebnis, also eine Östrogenwirkung der Prüfsubstanz, hindeuten.

60.

Die uterotrophe Reaktion ist nicht ausschließlich östrogenen Ursprungs. Ein positives Testergebnis des uterotrophen Bioassays sollte jedoch allgemein als Nachweis für ein östrogenes Potenzial im lebenden Organismus gewertet werden und normalerweise den Anstoß für weitere Abklärungsmaßnahmen liefern (siehe Nummer 9 und OECD Conceptual Framework for the Testing and Assessment of Endocrine Disrupting Chemicals, Anlage 2).

Abbildung 1

Schematische Darstellung der operativen Entfernung der Ovarien

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Die Operation beginnt mit der Eröffnung der dorsolateralen Bauchwand in der Mitte zwischen unterem Rippenbogenrand und Beckenkamm sowie einige Millimeter neben dem lateralen Rand des Lendenmuskels. Die Ovarien sind innerhalb der Bauchhöhle zu lokalisieren. Anschließend werden die Ovarien jeweils auf einem sterilen Feld aus der Bauchhöhle vorgelagert, der Bereich zwischen Ovar und Uterus wird zur Blutstillung ligiert, und die Ovarien werden jeweils oberhalb der Ligatur an der Verbindungsstelle zwischen Ovidukt und Uterushorn abgeschnitten. Wenn sichergestellt ist, dass keine starke Blutung mehr besteht, ist die Bauchhöhle zuzunähen und die Haut mit Klammern oder einer Naht zu schließen. Die Tiere sollten sich, bevor sie verwendet werden, mindestens 14 Tage lang erholen können; in dieser Zeit kann sich auch der Uterus zurückbilden.

Abbildung 2

Entfernung und Vorbereitung der Uterusgewebe für die Gewichtsbestimmung

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Die Sektion beginnt mit der Eröffnung der Bauchwand ab der Schambeinfuge. Anschließend werden die Ovarien (sofern vorhanden) und die Uterushörner von der dorsalen Bauchwand gelöst. Harnblase und Harnleiter werden von der ventralen und lateralen Seite des Uterus und der Vagina entfernt. Die fibröse Adhäsion zwischen Rektum und Vagina wird gelöst, bis die Verbindung zwischen Vaginalöffnung und Perinealhaut erkennbar ist. Uterus und Vagina werden vom Körper getrennt, indem die Vaginalwand genau oberhalb der Verbindung zur Perinealhaut abgeschnitten wird (siehe Abbildung). Der Uterus sollte durch vorsichtiges Abtrennen des Mesometriums an der Stelle, an der es jeweils dorsolateral mit der Längsseite eines Uterushorns verbunden ist, von der Körperwand gelöst werden. Nach Entfernung aus dem Körper ist überschüssiges Fett- und Bindegewebe abzuschaben. Wenn Ovarien vorhanden sind, werden sie so am Ovidukt entfernt, dass keine Gebärmutterflüssigkeit aus dem Uterushorn verloren geht. Bei ovarektomierten Tieren sind die Ovarialstümpfe auf Reste von Ovarialgewebe zu untersuchen. Die Vagina wird genau unterhalb des Gebärmutterhalses vom Uterus getrennt, sodass der Gebärmutterhals mit dem Uteruskörper verbunden bleibt. Der Uterus kann nun gewogen werden.

Anlage 1

BEGRIFFSBESTIMMUNGEN

Antiöstrogene Wirkung : die Fähigkeit einer Chemikalie, die Wirkung von Östradiol 17ß in einem Säugetierorganismus zu unterdrücken.

Chemikalie : ein Stoff oder eine Mischung.

Dosierung : ein allgemeiner Begriff, der die Dosis, ihre Häufigkeit und die Dauer der Verabreichung umfasst.

Dosis : die Menge der verabreichten Prüfsubstanz. Für die Zwecke des uterotrophen Bioassays wird die Dosis ausgedrückt als Masse der Prüfsubstanz je Einheit Körpergewicht des Versuchstiers pro Tag (z. B. mg pro kg Körpergewicht und Tag).

Empfindlichkeit : der Anteil aller positiven/wirkenden Chemikalien, die durch den Test korrekt eingestuft werden. Die Empfindlichkeit ist ein Maß für die Genauigkeit einer Prüfmethode mit kategorialen Ergebnissen und ein wichtiger Aspekt bei der Bewertung ihrer Relevanz.

Maximal verträgliche Dosis (MTD) : die höchstmögliche Dosis der Prüfsubstanz, die nach Einbringen in den Körper nicht zum Tod von Versuchstieren führt (bezeichnet als LD0) (IUPAC, 1993).

Östrogene Wirkung : die Fähigkeit einer Chemikalie, in einem Säugetierorganismus wie Östradiol 17ß zu wirken.

Postnataler Tag X : der x-te Lebenstag nach der Geburt.

Prüfsubstanz : jede(r) mittels dieser Prüfmethode getestete Stoff bzw. Mischung.

Spezifizität : der Anteil aller negativen/wirkungslosen Stoffe, die durch den Test korrekt eingestuft werden. Die Spezifizität ist ein Maß für die Genauigkeit einer Prüfmethode mit kategorialen Ergebnissen und ein wichtiger Aspekt bei der Bewertung ihrer Relevanz.

Tag der Geburt : der postnatale Tag 0.

Uterotroph : Begriff zur Beschreibung einer positiven Wirkung auf das Gewicht der Uterusgewebe.

Validierung : wissenschaftlicher Prozess zur Beschreibung der operationellen Anforderungen und Grenzen einer Prüfmethode und zum Nachweis ihrer Zuverlässigkeit und Eignung für einen bestimmten Zweck.

Anlage 2

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VMG mamm: Validation Management Group on Mammalian Testing and Assessment

ANMERKUNGEN ZUM RAHMENKONZEPT

Anmerkung 1:  Ein Einstieg in das Rahmenkonzept und ein Ausstieg sind auf allen Stufen möglich und abhängig davon, welche Informationen für Gefahren- und Risikobeurteilungszwecke benötigt werden.

Anmerkung 2:  Bei Stufe 5 sollte der Aspekt der Ökotoxikologie Endpunkte beinhalten, die Hinweise auf schädliche Wirkmechanismen und eine potenzielle Schädigung der Population liefern.

Anmerkung 3:  Wenn ein multimodales Modell mehrere Assays mit nur einem Endpunkt (Single-Endpoint-Assays) umfasst, ersetzt dieses Modell die Durchführung der Single-Endpoint-Assays.

Anmerkung 4:  Die Bewertung der einzelnen Chemikalien sollte von Fall zu Fall und unter Berücksichtigung aller verfügbaren Daten sowie vor dem Hintergrund des Zwecks der Stufen des Rahmenkonzepts erfolgen.

Anmerkung 5:  Das Rahmenkonzept ist derzeit noch nicht als vollständig anzusehen. Auf Stufe 3, 4 und 5 beinhaltet es Assays, die entweder schon verfügbar sind oder sich gerade in der Validierungsphase befinden. Bei Letzteren ist die Aufnahme in das Rahmenkonzept noch vorläufig. Sobald ihre Entwicklung und Validierung abgeschlossen ist, werden sie offizieller Bestandteil des Konzepts.

Anmerkung 6:  Stufe 5 ist nicht so zu verstehen, dass es sich bei den darin enthaltenen Tests nur um endgültige Prüfungen handelt. Die Prüfungen dieser Stufe sollen vielmehr einen Beitrag zur allgemeinen Gefahren- und Risikobewertung leisten.

LITERATUR

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(3) Owens JW, Ashby J. (2002). Critical Review and Evaluation of the Uterotrophic Bioassay for the Identification of Possible Estrogen Agonists and Antagonists: In Support of the Validation of the OECD Uterotrophic Protocols for the Laboratory Rodent. Crit. Rev. Toxicol. 32:445-520.

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(8) Kanno J, Onyon L, Peddada S, Ashby J, Jacob E, Owens W. (2003). The OECD program to validate the rat uterotrophic bioassay: Phase Two — Coded Single Dose Studies. Environ. Health Persp.111:1550-1558.

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(37) OECD (2007). Guidance Document on the Uterotrophic Bioassay Procedure to Test for Antioestrogenicity. Series on Testing and Assessment. No. 71.

(38) Richtlinie 2010/63/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. September 2010 zum Schutz der für wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tiere (ABl. L 276 vom 20.10.2010, S. 33).

B.55.    HERSHBERGER-BIOASSAY MIT RATTEN: EIN KURZZEIT-SCREENING-TEST AUF (ANTI-)ANDROGENE EIGENSCHAFTEN

EINLEITUNG

1.

Diese Prüfmethode entspricht der OECD-Prüfrichtlinie (TG) 441 (2009). Die OECD setzte sich 1998 zur Priorität, bestehende Prüfrichtlinien für Screening und Testung potenzieller endokriner Disruptoren zu überarbeiten und neue Richtlinien zu entwickeln (1). Ein Aspekt der Maßnahme war die Ausarbeitung einer Prüfrichtlinie für den Hershberger-Bioassay (Hershberger-Test) mit Ratten. Diese Prüfung wurde, nachdem sie über mehrere Jahrzehnte hinweg von der pharmazeutischen Industrie angewendet worden war, erstmals 1962 durch einen offiziellen Fachausschuss als Screening-Instrument für androgene Chemikalien standardisiert (2). Im Zeitraum 2001-2007 wurde der Hershberger-Test mit Ratten einem umfassenden Validierungsprogramm unterzogen, in dessen Rahmen ein Hintergrunddokument (23), ein ausführliches Methodikpapier (3) und ein Sektionsleitfaden (21) erstellt sowie umfassende Intra- und Interlaborstudien durchgeführt wurden, um die Zuverlässigkeit und Reproduzierbarkeit des Bioassays nachzuweisen. Diese Validierungsstudien wurden mit einem starken Referenzandrogen (Testosteronpropionat, TP), zwei starken synthetischen Androgenen (Trenbolonacetat und Methyltestosteron), einem stark antiandrogenen Arzneistoff (Flutamid), einem starken Inhibitor (Finasterid) der Synthese des natürlichen Androgens (Dihydrotestosteron, DHT), mehreren schwach antiandrogenen Pestiziden (Linuron, Vinclozolin, Procymidon, p,p′-DDE), einem starken Inhibitor der 5α-Reduktase (Finasterid) und zwei bekannt negativen Chemikalien (Dinitrophenol und Nonylphenol) (4)(5)(6)(7)(8) durchgeführt. Die vorliegende Prüfmethode ist das Resultat der jahrzehntelangen Anwendung des Bioassays in der Praxis und der bei der Validierung des Prüfprogramms gewonnenen Erfahrungen und Ergebnisse auf diesem Gebiet.

2.

Der Hershberger-Test ist ein in vivo durchgeführter Kurzzeit-Screening-Test, bei dem akzessorische Gewebe des männlichen Reproduktionstrakts untersucht werden. Der Test wurde erstmals in den 1930er-Jahren durchgeführt und in den 1940er-Jahren um die Anwendung auf Muskeln des männlichen Fortpflanzungstrakts erweitert, die auf Androgene reagieren (2)(9-15). In den 1960er-Jahren wurden über 700 potenzielle Androgene anhand eines standardisierten Prüfplans (2)(14) beurteilt; die Verwendung des Tests galt damals sowohl für Androgene als auch für Antiandrogene als Standardmethode (2)(15). Bei der vorliegenden In-vivo-Prüfung werden die Gewichtsveränderungen bei fünf Arten androgenabhängiger Gewebe an kastrierten, peripubertären Rattenmännchen untersucht. Es wird beurteilt, ob eine Chemikalie biologische Abläufe auslöst, die der Wirkung von Androgenagonisten, Androgenantagonisten oder 5α-Reduktaseinhibitoren entsprechen. Bei den fünf androgenabhängigen Zielgeweben der vorliegenden Prüfmethode handelt es sich um die ventrale Prostata (VP), das Samenbläschen (SB) (einschließlich Flüssigkeiten und Koagulationsdrüse), den Muskelkomplex Musculus levator ani und bulbospongiosus (LABC), die paarigen Cowperschen Drüsen (COW) und die Glans penis (GP). Bei der kastrierten, peripubertären männlichen Ratte reagieren alle diese fünf Gewebe mit einer Erhöhung ihres absoluten Gewichts auf Androgene. Wird bei denselben fünf Geweben eine Gewichtszunahme durch Verabreichung eines starken Referenzandrogens stimuliert, so reagieren diese auf die Gabe von Antiandrogenen mit einer Verringerung ihres absoluten Gewichts. Das primäre Modell für den Hershberger-Test, das in den Phasen 1, 2 und 3 des Hershberger-Validierungsprogramms validiert wurde, war das chirurgisch kastrierte, peripubertäre Rattenmännchen.

3.

Der Hershberger-Bioassay wird als mechanistischer In-vivo-Screening-Test auf Androgenagonisten, Androgenantagonisten und 5a-Reduktaseinhibitoren eingesetzt und ist im Kontext des Rahmenkonzepts der OECD ‘Conceptual Framework for the Testing and Assessment of Endocrine Disrupting Chemicals’ (Testung und Bewertung endokrin wirksamer Substanzen (endokrine Disruptoren) (Anlage 2) zu sehen. In diesem Rahmenkonzept ist der Hershberger-Test ein In-vivo-Test der Stufe 3, mit dem Daten über einen einzelnen endokrinen Mechanismus gewonnen werden sollen, nämlich die (anti-)androgene Wirkung. Die Prüfung ist als Teil einer Reihe von In-vitro- und In-vivo-Tests zur Bestimmung von Chemikalien konzipiert, die das Potenzial haben, mit dem endokrinen System in Wechselwirkung zu treten, und soll letztendlich der Bewertung des Risikos für die Umwelt und die menschliche Gesundheit dienen.

4.

Da aus Tierschutzgründen Bedenken gegen das Kastrationsverfahren bestanden, wurde als alternatives Modell für den Hershberger-Test die Verwendung des intakten (unkastrierten) abgesetzten, stimulierten männlichen Jungtiers angestrebt, damit die Kastration vermieden werden kann. Die Prüfmethode mit dem stimulierten, abgesetzten Tier wurde einer Validierung unterzogen (24), bei der sich allerdings herausstellte, dass diese Variante des Hershberger-Tests offenbar nicht geeignet ist, die Auswirkungen schwach wirksamer Antiandrogene in den geprüften Dosierungen auf das Gewicht androgenabhängiger Organe zuverlässig nachzuweisen. Daher wurde sie nicht in die vorliegende Prüfmethode aufgenommen. Da diese Prüfvariante jedoch nicht nur unter Tierschutzgesichtspunkten sinnvoll ist, sondern möglicherweise auch Aufschluss über andere Wirkungsweisen geben kann, ist sie im OECD Guidance Document Nr. 115 (25) beschrieben.

AUSGANGSÜBERLEGUNGEN UND BEGRENZUNGEN

5.

Androgenagonisten und -antagonisten können an die Androgenrezeptoren binden und die vom Rezeptor gesteuerte Gentranskription aktivieren bzw. hemmen. Darüber hinaus hemmen manche Chemikalien bei einigen androgenempfindlichen Zielgeweben die Umwandlung von Testosteron in das stärker wirksame natürliche Androgen Dihydrotestosteron (5a-Reduktasehemmer). Solche Chemikalien sind potenziell gesundheitsschädlich und können unter anderem negative Auswirkungen auf Reproduktion und Entwicklung haben. Aus diesem Grund müssen Chemikalien möglichst schnell daraufhin geprüft und beurteilt werden können, ob es sich um potenzielle Androgenagonisten, -antagonisten oder 5a-Reduktaseinhibitoren handelt. Die Affinität eines Liganden für einen Androgenrezeptor, die in vitro durch Rezeptorbindungstests oder transkriptionelle Aktivierung von Reportergenen bestimmt werden kann, liefert zwar wertvolle Informationen, ist aber nur eine von mehreren Determinanten für das Gefahrenpotenzial. Andere Determinanten können die metabolische Aktivierung und Deaktivierung beim Eintritt in den Körper, die Verteilung auf die Zielgewebe und die Ausscheidung aus dem Körper sein. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, die potenzielle Wirkung einer Chemikalie in vivo unter einschlägigen Bedingungen und bei entsprechender Exposition zu prüfen. Die In-vivo-Beurteilung ist weniger kritisch, wenn die Eigenschaften der Chemikalie hinsichtlich Resorption, Verteilung, Metabolismus und Ausscheidung (ADME) bekannt sind. Androgenabhängige Gewebe reagieren mit schnellem und starkem Wachstum auf eine Stimulation mit Androgenen, was insbesondere für kastrierte, peripubertäre Rattenmännchen gilt. Die Verwendung von Nagerarten, insbesondere Ratten, ist zudem bei Toxizitätsstudien zur Beurteilung des Gefahrenpotenzials weit verbreitet. Daher ist die vorliegende Variante der Prüfmethode, bei der die fünf genannten Zielgewebe an kastrierten, peripubertären Ratten untersucht werden, für das In-vivo-Screening von Androgenagonisten, Androgenantagonisten und 5a-Reduktaseinhibitoren geeignet.

6.

Dieser Prüfmethode liegen die Prüfpläne der OECD-Validierungsstudie zugrunde, sich in Intra- und Interlaborstudien als zuverlässig und wiederholbar erwiesen haben (4)(5)(6)(7)(8). Die Prüfmethode umfasst Nachweisverfahren sowohl für eine androgene als auch für eine antiandrogene Wirkung.

7.

Obgleich die verschiedenen Laboratorien, die den Hershberger-Bioassay im Rahmen des Validierungsprogramms der OECD durchgeführt haben, relativ unterschiedliche TP-Dosen für den Nachweis von Antiandrogenen verwendeten (0,2 versus 0,4 mg pro kg und Tag, subkutane Injektion), unterschieden sich diese beiden Prüfplanvarianten in Bezug auf die Eignung für den Nachweis schwacher oder starker antiandrogener Wirkungen nur geringfügig. Selbstverständlich darf jedoch die TP-Dosis weder so hoch sein, dass die Wirkungen von schwachen Androgenrezeptor-Antagonisten (AR-Antagonisten) blockiert werden, noch so niedrig, dass die androgenen Gewebe selbst dann kaum Wachstum zeigen, wenn nicht gleichzeitig Antiandrogene verabreicht werden.

8.

Die Wachstumsreaktion der einzelnen androgenabhängigen Gewebe ist nicht ausschließlich androgenen Ursprungs, d. h. auch Chemikalien, die keine Androgenagonisten sind, können das Gewicht bestimmter Gewebe beeinflussen. Wenn mehrere Gewebe gleichzeitig mit Wachstum reagieren, erhärtet das jedoch den Verdacht, dass ein überwiegend androgenspezifischer Mechanismus vorliegt. Beispielsweise können hohe Dosen starker Östrogene zu einer Gewichtszunahme der Samenbläschen führen; die anderen androgenabhängigen Gewebe des Tests reagieren jedoch nicht in ähnlicher Weise. Antiandrogene Chemikalien können entweder als Androgenrezeptorantagonisten oder als 5a-Reduktaseinhibitoren wirken. 5a-Reduktaseinhibitoren wirken unterschiedlich, weil die Umwandlung in das wirksamere Dihydrotestosteron von Gewebe zu Gewebe variiert. Antiandrogene, die die 5a-Reduktase hemmen, wie zum Beispiel Finasterid, wirken sich im Vergleich zu einem starken AR-Antagonisten wie Flutamid stärker auf die ventrale Prostata aus als auf andere Gewebe. Diese unterschiedliche Gewebereaktion kann für eine Differenzierung zwischen AR-vermittelter und 5a-Reduktase-vermittelter Wirkungsweise herangezogen werden. Ferner ist der Androgenrezeptor evolutionsbedingt mit den Rezeptoren anderer Steroidhormone verwandt, und einige andere Hormone können in hohen, supraphysiologischen Dosen die wachstumsfördernden Effekte von TP binden und ihnen entgegenwirken (13). Des Weiteren leuchtet es ein, dass ein verbesserter Steroidmetabolismus und eine darauf folgende Senkung des Testosterons im Serum das Wachstum androgenabhängiger Gewebe verringern kann. Jedes positive Ergebnis des Hershberger-Tests sollte daher normalerweise anhand eines WoE-Ansatzes beurteilt werden; dazu gehören In-vitro-Tests wie die AR- und ER-Bindungstests (ER — Östrogenrezeptor) und entsprechende Tests zur transkriptionellen Aktivierung oder die Ergebnisse anderer In-vivo-Tests, bei denen ähnliche androgene Zielgewebe untersucht werden, zum Beispiel der Test am pubertären Männchen, die 15-Tage-Untersuchung am intakten Männchen oder Studien mit wiederholter Gabe über 28 oder 90 Tage.

9.

Die Erfahrung hat gezeigt, dass xenobiotische Androgene seltener vorkommen als xenobiotische Antiandrogene. Es ist daher davon auszugehen, dass der Hershberger-Bioassay überwiegend für das Screening von Antiandrogenen eingesetzt werden wird. Die Prüfung auf androgene Wirkungen wäre dennoch für steroidale oder steroidähnliche Chemikalien oder auch für Chemikalien zu empfehlen, bei denen die Prüfungen der Stufe 1 oder 2 des Rahmenkonzepts (Anlage 2) Hinweise auf ein androgenes Potenzial ergeben haben. Ebenso können bei Prüfungen der Stufe 5 unerwünschte Wirkungen beobachtet werden, die mit (anti-)androgenen Profilen assoziiert sind, sodass bewertet werden muss, ob eine Chemikalie eine endokrine Wirkungsweise hat.

10.

Es wird darauf hingewiesen, dass bei allen tierexperimentellen Verfahren die örtlichen Standards der Versuchstierpflege einzuhalten sind; die folgenden Pflege- und Behandlungsbeschreibungen sind Mindestanforderungen; Vorrang vor diesen Standards haben lokale Bestimmungen, zum Beispiel die Richtlinie 2010/63/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. September 2010 zum Schutz der für wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tiere (26). Eine weiterführende Anleitung für tierschutzgerechte Behandlung von Versuchstieren ist in dem OECD Guidance Document (17) enthalten.

11.

Wie bei allen Bioassays mit Versuchstieren ist sorgfältig abzuwägen, ob die Durchführung der Studie notwendig ist. Grundsätzlich sprechen die folgenden beiden Gründe für eine Durchführung:

 Es liegt ein hohes Expositionspotenzial (Stufe 1 des Rahmenkonzepts) vor, oder bei In-vitro-Tests (Stufe 2) werden Anzeichen für eine (anti-)androgene Wirkung festgestellt, aufgrund deren abgeklärt werden muss, ob solche Effekte auch in vivo vorkommen können.

 Bei den In-vivo-Tests der Stufe 4 oder 5 werden Effekte festgestellt, die einer (anti-)androgenen Wirkung entsprechen; in diesem Fall sollte bei weiteren Untersuchungen die spezifische Wirkungsweise untersucht bzw. bestimmt werden, ob die Effekte auf einen (anti-)androgenen Mechanismus zurückzuführen sind.

12.

Die für die Zwecke dieser Prüfmethode verwendeten Begriffe sind in Anlage 1 definiert.

PRINZIP DER PRÜFMETHODE

13.

Die Empfindlichkeit des Hershberger-Bioassays beruht auf der Verwendung männlicher Tiere mit minimaler endogener Androgenproduktion. Dies wird durch den Einsatz kastrierter Männchen erreicht, denen nach der Kastration ausreichend Zeit eingeräumt wurde, damit die Zielgewebe sich wieder auf eine einheitliche Mindestgröße, die Baseline- bzw. Ausgangsgröße des Versuchs, zurückbilden können. Dadurch ist beim Screening auf ein androgenes Potenzial der Spiegel an zirkulierenden endogenen Androgenen niedrig, die Hypothalamus-Hypophysen-Gonaden-Achse kann dies nicht über Feedbackmechanismen kompensieren, die Reaktionsfähigkeit der Gewebe ist maximiert, und das Gewebegewicht bei Studienbeginn schwankt so wenig wie möglich. Wenn das antiandrogene Potenzial untersucht werden soll, kann durch die Stimulation mit einem Referenzandrogen eine konsistentere Gewebegewichtszunahme erreicht werden. Folglich sind beim Hershberger-Bioassay nur sechs Tiere pro Dosisgruppe erforderlich, während bei anderen Tests mit intakten pubertären oder adulten Männchen 15 Tiere pro Dosisgruppe verwendet werden sollten.

14.

Die peripubertären Rattenmännchen werden in geeigneter Weise unter Verwendung zugelassener Narkosemittel und steriler Arbeitstechniken kastriert. In den ersten Tagen nach dem Eingriff sollten zur Vermeidung postoperativer Beschwerden Analgetika verabreicht werden. Durch eine Kastration wird die Genauigkeit der Prüfung verbessert: schwache Androgene und Antiandrogene sind leichter nachweisbar, weil kompensatorische endokrine Feedbackmechanismen ausgeschaltet werden, die beim intakten Tier die Wirkungen der verabreichten Androgene und Antiandrogene abschwächen können, und weil die starken Schwankungen der Serumtestosteronspiegel zwischen den einzelnen Tieren beseitigt werden. Demzufolge wird durch die Kastration die Anzahl der Tiere verringert, die für das Screening dieser endokrinen Wirkungen benötigt werden.

15.

Beim Screening auf eine potenzielle androgene Wirkung ist die Prüfsubstanz täglich über einen Zeitraum von zehn aufeinanderfolgenden Tagen per Schlundsonde oder durch subkutane Injektion zu verabreichen. Es sind mindestens zwei Versuchstiergruppen mit den Prüfsubstanzen zu behandeln, wobei pro Gruppe eine Dosisstufe getestet wird. Etwa 24 Stunden nach der letzten Dosisgabe werden die Tiere seziert. Eine statistisch signifikante Gewichtszunahme bei mindestens zwei Zielorganen der Prüfsubstanzgruppen im Vergleich zur Vehikelkontrollgruppe ist ein Hinweis darauf, dass die Prüfsubstanz potenziell eine androgene Wirkung hat (vgl. Nummer 60). Androgene wie Trenbolon, die nicht durch die 5a-Reduktase umgewandelt werden können, haben ausgeprägtere Wirkungen auf den LABC-Komplex und die GP als TP, doch sollte bei allen Geweben eine Gewichtszunahme zu verzeichnen sein.

16.

Beim Screening auf eine potenzielle antiandrogene Wirkung ist die Prüfsubstanz täglich über einen Zeitraum von zehn aufeinanderfolgenden Tagen per Schlundsonde oder durch subkutane Injektion zu verabreichen, und zwar bei gleichzeitiger subkutaner Gabe von TP (0,2 bzw. 0,4 mg pro kg und Tag). Im Laufe des Validierungsverfahrens wurde festgelegt, dass entweder 0,2 oder 0,4 mg TP pro kg und Tag gegeben werden können, da Antiandrogene mit beiden Dosen wirksam nachgewiesen werden konnten und deshalb nur eine der beiden Dosen zur Verwendung bei der Prüfung ausgewählt werden sollte. Die abgestuften Dosen der Prüfsubstanz werden mindestens drei Behandlungsgruppen verabreicht, wobei pro Gruppe eine Dosisstufe getestet wird. Etwa 24 Stunden nach der letzten Dosisgabe werden die Tiere seziert. Eine statistisch signifikante Gewichtsabnahme bei mindestens zwei Zielorganen der Gruppen, die die Prüfsubstanz plus TP erhalten haben, im Vergleich zur Kontrollgruppe, die nur TP erhalten hat, ist ein Hinweis darauf, dass die Prüfsubstanz potenziell eine antiandrogene Wirkung hat (vgl. Nummer 61).

BESCHREIBUNG DER METHODE

Auswahl der Tierart und des Stamms

17.

Ratten werden seit den 1930er-Jahren routinemäßig für den Hershberger-Bioassay verwendet. Obwohl aus biologischer Sicht plausibel ist, dass Ratten und Mäuse ähnliche Reaktionen zeigen würden, ist die Ratte nach 70 Jahren Erfahrung mit dem Rattenmodell die Spezies der Wahl für den Hershberger-Test. Da die anhand des Hershberger-Tests erhobenen Daten gegebenenfalls später als Vorstudie für eine mehrere Generationen umfassende Langzeitstudie dienen, können somit ferner Tiere derselben Art, desselben Stamms und derselben Herkunft für beide Studienarten verwendet werden.

18.

Laut dem vorliegenden Prüfplan können die Labore den für die Prüfung zu verwendenden Rattenstamm selbst auswählen, wobei es sich im Allgemeinen um den bereits in der Vergangenheit üblicherweise von dem teilnehmenden Labor verwendeten Stamm handeln sollte. Es können üblicherweise verwendete Laborrattenstämme eingesetzt werden; allerdings ist von der Verwendung von Stämmen abzusehen, bei denen die Geschlechtsreife wesentlich später als am 42. Lebenstag einsetzt, da die Kastration dieser Männchen am 42. Lebenstag die Gewichtsbestimmung der Glans Penis, die nur nach der Separation des Präputiums vom Penisschaft erfolgen kann, unmöglich machen kann. Aus diesem Grund sollten, außer in Ausnahmefällen, keine von der Fisher-344-Ratte abstammenden Stämme eingesetzt werden. Bei der Fisher-344-Ratte hat die sexuelle Entwicklung einen anderen zeitlichen Verlauf als bei anderen häufiger verwendeten Stämmen wie zum Beispiel Sprague Dawley oder Wistar (16). Wenn ein solcher Stamm verwendet werden soll, sollte das Labor die Tiere zu einem etwas späteren Zeitpunkt kastrieren und es sollte die Empfindlichkeit des eingesetzten Stamms belegen können. Das Labor muss die Wahl des Rattenstamms klar begründen. Dient der Screening-Test gegebenenfalls als Vorstudie zu einer Prüfung mit wiederholter oraler Gabe, einer Prüfung auf Reproduktions- und Entwicklungstoxizität oder einer Langzeitstudie, sollten für alle Prüfungen möglichst Tiere desselben Stamms und derselben Herkunft verwendet werden.

Haltungs- und Fütterungsbedingungen

19.

Bei allen Verfahren sind die örtlichen Standards der Versuchstierpflege einzuhalten. Bei diesen Pflege- und Behandlungsbeschreibungen handelt es sich um Mindestanforderungen; Vorrang haben strengere lokale Rechtsvorschriften, wie zum Beispiel die Richtlinie 2010/63/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. September 2010 zum Schutz der für wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tiere (26). Die Temperatur im Versuchstierraum sollte 22 °C (± 3 °C) betragen. Die relative Luftfeuchtigkeit sollte mindestens 30 % betragen und — außer beim Reinigen des Raums — 70 % nicht überschreiten. Angestrebt werden sollte eine Luftfeuchtigkeit von 50-60 %. Die Beleuchtung sollte künstlich sein. Die Hell- und Dunkelphasen sollten sich im Abstand von 12 Stunden abwechseln.

20.

Eine Unterbringung in der Gruppe ist aufgrund des geringen Alters der Tiere und der Tatsache, dass Ratten soziale Wesen sind, einer Haltung im Einzelkäfig vorzuziehen. Durch eine Unterbringung von zwei oder drei Tieren pro Käfig werden Enge und damit verbundener Stress vermieden, der sich wiederum auf die hormonelle Steuerung der Entwicklung der akzessorischen Gewebe des Reproduktionstrakts auswirken kann. Die Käfige sollten gründlich gereinigt werden, um etwaige Schad- und Schmutzstoffe zu beseitigen, und so angeordnet werden, dass etwaige Einflüsse der Käfigplatzierung minimiert werden. Eine Überbelegung ist durch angemessen große Käfige (~ 2 000 cm2) zu vermeiden.

21.

Die Tiere sind einzeln und auf möglichst schmerzlose Weise zu kennzeichnen (z. B. durch eine Ohrmarke). Die Kennzeichnungsmethode ist zu protokollieren.

22.

Labornahrung und Trinkwasser sind ad libitum bereitzustellen. Laboratorien, die den Hershberger-Bioassay durchführen, sollten die Labornahrung verfüttern, die sie üblicherweise bei Chemikalienprüfungen verwenden. Im Laufe der Validierungsstudien zu dem Bioassay traten keine Wirkungen oder Schwankungen auf, die der Nahrung zugeschrieben werden konnten. Die verwendete Nahrung ist zu protokollieren, und eine Probe des Laborfutters ist für potenzielle zukünftige Analysezwecke aufzubewahren.

Leistungskriterien für androgenabhängige Organgewichte

23.

Während der Validierungsstudie gab es keinerlei Anzeichen dafür, dass sich eine Verringerung des Körpergewichts auf die Erhöhung oder Verringerung der Gewichte der Zielgewebe (also der im Laufe des Tests zu wiegenden Gewebe) auswirkt.

24.

Bei den verschiedenen, im Rahmen des Validierungsprogramms erfolgreich eingesetzten Rattenstämmen waren die Gewichte der androgenabhängigen Organe bei den schwereren Rattenstämmen höher als bei den leichteren Stämmen. Daher beinhalten die Leistungskriterien des Hershberger-Bioassays keine absoluten erwarteten Organgewichte für die positiven und negativen Kontrollen.

25.

Da der Variationskoeffizient (VK) für ein Gewebe umgekehrt proportional zur Teststärke ist, basieren die Leistungskriterien des Hershberger-Bioassays auf maximalen VK-Werten für jedes Gewebe (Tabelle 1). Die VK-Werte stammen aus den Validierungsstudien der OECD. Bei negativen Ergebnissen sollten die Laboratorien die VK der Kontrollgruppe und der Behandlungsgruppe mit der höchsten Dosis prüfen, um feststellen zu können, ob die maximalen VK-Leistungskriterien überschritten wurden.

26.

Die Studie sollte wiederholt werden, wenn 1) mindestens drei der zehn möglichen Einzel-VK in der Kontroll- und in der Hochdosisgruppe die für Prüfungen auf Agonisten und Antagonisten in Tabelle 1 festgelegten Höchstwerte überschreiten und 2) wenn mindestens zwei Zielgewebe marginal nicht signifikant sind (d. h. r-Werte zwischen 0,05 und 0,10).



Tabelle 1

Maximal zulässige VK für akzessorische Zielgewebe des Reproduktionstrakts im Modell mit kastrierten Tieren laut OECD-Validierungsstudien (1)

Gewebe

Antiandrogene Wirkungen

Androgene Wirkungen

Samenbläschen

40 %

40 %

Ventrale Prostata

40 %

45 %

LABC

20 %

30 %

Cowpersche Drüsen

35 %

55 %

Glans penis

17 %

22 %

(1)   Der Schwellenwert des Variationskoeffizienten für ein gegebenes Gewebe wurde anhand einer (fortlaufend vom kleinsten zum größten Wert aufgebauten) VK-Kurve ermittelt, in der alle Durchschnittswerte aller Versuche der Validierungsprüfung unter Verwendung eines spezifischen Modells (Agonisten oder Antagonisten) enthalten waren. Der VK-Schwellenwert wurde vom „Bruchpunkt“ abgeleitet, also dem Punkt, ab dem die Abstände zu den nächsthöheren VK in der Reihe erheblich größer sind als zu den vorhergehenden VK. Es ist anzumerken, dass mit dieser Analyse zwar relativ zuverlässige „Bruchpunkte“ für das antagonistische Prüfmodell ermittelt werden konnten, dass die VK-Kurven für die Prüfung auf Agonisten allerdings einen einheitlicheren Anstieg zeigten, was dazu führte, dass die Festlegung eines Schwellen-VK mittels dieser Methode in gewisser Weise willkürlich erfolgte.

VERFAHREN

Konformität mit Vorschriften und Eignungsprüfung des Prüflaboratoriums

27.

Anders als bei dem Uterotrophie-Test (Kapitel B.54 dieses Anhangs) ist ein Nachweis der Laborkompetenz vor Studienbeginn beim Hershberger-Test nicht notwendig, weil gleichzeitige Positivkontrollen (mit Testosteronpropionat und Flutamid) und Negativkontrollen integraler Bestandteil der Prüfung sind.

Zahl und Zustand der Versuchstiere

28.

Die Behandlungs- und Kontrollgruppen bestehen jeweils aus mindestens sechs Tieren. Dies gilt sowohl für den Prüfplan zur Untersuchung androgener Wirkungen als auch für den zur Untersuchung antiandrogener Wirkungen.

Kastration

29.

Den Tieren sollte nach ihrer Ankunft mehrere Tage Zeit gegeben werden, sich zu akklimatisieren, um sicherzugehen, dass sie gesund sind und gut gedeihen. Da Tiere, die vor dem 42. Lebenstag bzw. dem postnatalen Tag 42 (PND 42) kastriert werden, gegebenenfalls noch keine Präputialseparation zeigen, sollte die Kastration frühestens am PND 42 durchgeführt werden, nicht vorher. Die Tiere werden unter Narkose durch Aufschneiden des Skrotums und Entfernung beider Hoden und Nebenhoden kastriert; die Blutgefäße und Samenleiter werden ligiert. Wenn sichergestellt ist, dass keine Blutung besteht, sollte das Skrotum vernäht oder mit chirurgischen Klammern geschlossen werden. In den ersten Tagen nach dem Eingriff sollten die Tiere Analgetika erhalten, um die postoperativen Beschwerden zu lindern. Wenn bereits kastrierte Tiere von einem Versuchstieranbieter erworben werden, sind Alter und Stadium der Geschlechtsreife vom Anbieter zu bescheinigen.

Akklimatisierung nach der Kastration

30.

Die Anpassung der Tiere an die Laborbedingungen sollte nach der Kastration mindestens sieben Tage lang fortgesetzt werden, damit sich das Gewicht der Zielorgane zurückbilden kann. Die Tiere sollten täglich beobachtet werden, und Tiere, die Anzeichen für eine Krankheit oder physische Abnormitäten zeigen, sind aus der Studie zu nehmen. Mit der Behandlung bzw. der ersten Dosisgabe (der Studie) kann somit zwischen PND 49 (frühester Termin) und PND 60 (spätester Termin) begonnen werden. Die Nekropsie sollte spätestens am Tag PND 70 durchgeführt werden. Diese Flexibilität lässt den Laboratorien genügend Raum für eine effiziente Versuchsplanung.

Körpergewicht und Randomisierung der Gruppen

31.

Unterschiede beim individuellen Körpergewicht tragen zu Schwankungen der Gewebegewichte bei, und zwar sowohl innerhalb der Tiergruppen als auch zwischen den Gruppen. Verstärkte Gewebegewichtsschwankungen führen zu einem höheren Variationskoeffizienten (VK) und verringern die (manchmal auch als Testempfindlichkeit bezeichnete) Teststärke der Prüfung. Daher sollten Schwankungen des Körpergewichts sowohl experimentell als auch statistisch begrenzt werden.

32.

Auf experimenteller Ebene sollte angestrebt werden, die Schwankungen der Körpergewichte sowohl innerhalb der Prüfgruppen als auch zwischen ihnen zu verringern. Erstens ist die Verwendung ungewöhnlich kleiner oder großer Tiere zu vermeiden. Diese sollten nicht in die Studienkohorte aufgenommen werden. Zu Beginn der Studie sollte das Gewicht der Versuchstiere nicht um mehr als ± 20 % des Durchschnittsgewichts schwanken (z. B. 175 g ± 35 g bei kastrierten, peripubertären Ratten). Zweitens sollten die Tiere durch randomisierte Gewichtsverteilung den Kontroll- und Behandlungsgruppen zugewiesen werden, sodass das durchschnittliche Körpergewicht der einzelnen Gruppen sich statistisch nicht von dem der anderen Gruppen unterscheidet. Das angewendete Block-Randomisierungsverfahren ist zu protokollieren.

33.

Da Toxizität zu einer Abnahme des Körpergewichts bei den Behandlungsgruppen im Vergleich zur Kontrollgruppe führen kann, könnte statt des Körpergewichts bei Nekropsie das Körpergewicht am ersten Verabreichungstag der Prüfsubstanz als statistische Kovariate herangezogen werden.

Dosierung

34.

Um festzustellen, ob eine Prüfsubstanz in vivo eine androgene Wirkung entfalten kann, sind normalerweise zwei Dosisgruppen mit Prüfsubstanz plus positive Kontrollgruppe und Vehikelkontrollgruppe (negative Kontrollgruppe) (siehe Nummer 43) ausreichend, weshalb dieser Versuchsanordnung aus Tierschutzgründen der Vorrang eingeräumt werden sollte. Wenn der Zweck des Versuchs entweder die Erstellung einer Dosis-Wirkungs-Kurve oder die Umrechnung auf niedrigere Dosen ist, sind mindestens drei Dosisgruppen erforderlich. Wenn Informationen gewonnen werden sollen, die über das Vorhandensein einer androgenen Wirkung hinausgehen (wie zum Beispiel eine Einschätzung der Wirkstärke), sollte ein anderer Dosierungsplan in Betracht gezogen werden. Bei einem Test auf antiandrogene Eigenschaften wird die Prüfsubstanz zusammen mit einem Referenz-Androgenagonisten verabreicht. Es sind mindestens drei Prüfgruppen mit verschiedenen Dosen der Prüfsubstanz sowie eine positive und eine negative Kontrollgruppe (vgl. Nummer 44) zu verwenden. Abgesehen von der Behandlung mit der Prüfsubstanz sollten die Tiere der Kontrollgruppe genauso behandelt werden wie die Tiere in den Prüfgruppen. Wird die Prüfsubstanz mit einem Vehikel verabreicht, erhält die Kontrollgruppe das Vehikel im höchsten bei den Prüfgruppen verwendeten Volumen.

35.

Bei der Wahl der Dosisstufen sind sämtliche für die Prüfsubstanz oder verwandte Stoffe vorliegenden Daten zur Toxizität und (Toxiko-)Kinetik zu berücksichtigen. Bei der Festlegung der höchsten Dosisstufe sollten erstens der LD50-Wert und/oder Angaben zu einer akuten Toxizität berücksichtigt werden, um den Tod oder starkes Leiden und Qualen der Tiere zu vermeiden (17)(18)(19)(20), und zweitens sind Daten zu Prüfungen auf subchronische und chronische Toxizität heranzuziehen. Im Allgemeinen sollte die höchste Dosis nicht zu einer Verringerung des finalen Körpergewichts der Tiere um mehr als 10 % im Vergleich zur Kontrollgruppe führen. Die höchste Dosis sollte entweder 1) die höchste Dosis sein, bei der die Tiere auf jeden Fall überleben und nach Verabreichung an zehn aufeinanderfolgenden Tagen von bis zu 1 000 mg pro kg und Tag (Höchstdosis) (vgl. Nummer 36) keine signifikanten Toxizitäts- oder Leidenszeichen aufweisen, oder 2) eine Dosis, die (anti-)androgene Wirkungen hervorruft, je nachdem, welche der beiden Dosen niedriger ist. Für Screeningzwecke sind große Intervalle, z. B. eine halbe logarithmische Einheit (entsprechend einer Dosissteigerung um den Faktor 3,2) oder sogar eine volle logarithmische Einheit zwischen den Dosierungen akzeptabel. Liegen keine geeigneten Daten vor, kann unterstützend eine Dosisfindungsstudie (siehe Nummer 37) zur Bestimmung der zu verwendenden Dosen durchgeführt werden.

Grenzdosisstufe

36.

Treten bei der Grenzdosis von 1 000 mg pro kg Körpergewicht und Tag und bei einer niedrigeren Dosis unter Anwendung der für diese Studie beschriebenen Verfahren keine statistisch signifikanten Änderungen bei den Gewichten der Reproduktionsorgane auf, so kann auf zusätzliche Dosisstufen gegebenenfalls verzichtet werden. Vom Konzept der Grenzdosis ist nur dann abzuweichen, wenn die Daten zur menschlichen Exposition darauf hindeuten, dass eine höhere Dosisstufe notwendig ist.

Ausführungen zur Dosisfindung

37.

Sofern erforderlich können die geeigneten Dosisgruppen in einer Dosisfindungsstudie mit wenigen Tieren ausgewählt [unter Anwendung der Methoden für die Prüfung auf akute Toxizität (Kapitel B.1 bis und B.1 tris des vorliegenden Anhangs (27), OECD TG 425 (19))]. Das Ziel beim Hershberger-Test ist die Auswahl von Dosen, bei denen die Tiere auf jeden Fall überleben und nach zehn aufeinanderfolgenden Tagen mit einer Chemikaliengabe von maximal 1 000 mg pro Kilogramm und Tag (siehe Nummern 35 und 36) keine signifikante Toxizität oder sonstiges Leiden aufweisen. Für eine Definition der klinischen Toxizitäts- oder Leidenszeichen bei den Tieren wird auf das OECD Guidance Document (17) verwiesen. Sofern es im Rahmen dieser Dosisfindungsstudie nach zehn Verabreichungstagen praktikabel ist, können die Zielgewebe etwa 24 Stunden nach der letzten Dosisgabe operativ entfernt und gewogen werden. Diese Daten können dann bei der Dosiswahl für die Hauptstudie unterstützend herangezogen werden.

Referenzchemikalien und Vehikel

38.

Als Referenzandrogenagonist sollte Testosteronpropionat (TP), CAS Nr. 57-82-5, dienen. Die TP-Dosierungsmenge kann entweder 0,2 mg pro kg Körpergewicht und Tag oder 0,4 mg pro kg Körpergewicht und Tag betragen. Als Referenzandrogenantagonist sollte Flutamid (FT), CAS Nr. 1311-84-7, verwendet werden. Die FT-Dosierungsmenge sollte 3 mg pro kg Körpergewicht und Tag betragen, und FT sollte gleichzeitig mit der TP-Dosierung verabreicht werden.

39.

Als Erstes sollte möglichst immer die Verwendung einer wässrigen Lösung/Suspension in Erwägung gezogen werden. Da aber viele Androgenliganden beziehungsweise ihre metabolischen Vorläufern eher hydrophob sind, ist der gängigste Ansatz die Verwendung einer Lösung/Suspension auf Ölbasis (z. B. Mais-, Erdnuss-, Sesam- oder Olivenöl). Die Prüfsubstanzen können in einer sehr kleinen Menge 95 %igem Ethanol oder anderen geeigneten Lösungsmitteln gelöst und im Prüfvehikel auf ihre endgültigen Arbeitskonzentrationen verdünnt werden. Die toxischen Eigenschaften des Lösungsmittels sollten bekannt sein und in einer separaten Kontrollgruppe, in der nur das Lösungsmittel geprüft wird, getestet werden. Wenn die Prüfsubstanz als stabil erachtet wird, kann der Lösungsvorgang durch schonende Erwärmung und kräftige mechanische Einwirkung unterstützt werden. Die Stabilität der Prüfsubstanz im Vehikel sollte bestimmt werden. Ist die Prüfsubstanz für die Dauer der Studie stabil, kann eine Start-Aliquote der Substanz vorbereitet werden und die spezifizierten Dosierungsverdünnungen können täglich zubereitet werden, wobei darauf zu achten ist, dass die Proben nicht verunreinigt werden.

Verabreichung der Dosen

40.

TP sollte durch subkutane Injektion verabreicht werden, FT über eine Schlundsonde.

41.

Die Prüfsubstanz wird oral per Schlundsonde oder durch subkutane Injektion verabreicht. Bei der Wahl des Verabreichungswegs sind Tierschutzaspekte und die physikalisch-chemischen Eigenschaften der Prüfsubstanz zu berücksichtigen. Zusätzlich sind toxikologische Aspekte wie die Art der Humanexposition gegenüber der Chemikalie (z. B. Schlundsonde, um eine Aufnahme mit der Nahrung zu simulieren; subkutane Injektion, um Einatmen oder Aufnahme über die Haut am Modell zu testen) und die in der Fachliteratur genannten toxikologischen Angaben und Daten zu Verstoffwechselung und Kinetik (z. B. die Notwendigkeit, eine First-pass-Metabolisierung zu vermeiden; bessere Effizienz über einen bestimmten Verabreichungsweg) in die Planung mit einzubeziehen, bevor umfassende Langzeitprüfungen durchgeführt werden, wenn durch Injektion positive Ergebnisse erzielt werden.

42.

Die Tiere sollten die Dosierung an zehn aufeinanderfolgenden Tagen jeweils auf die gleiche Art und Weise, in der gleichen zeitlichen Abfolge und im Abstand von jeweils etwa 24 Stunden erhalten. Die Dosierungsstufe ist täglich auf der Grundlage des ebenfalls täglich bestimmten Körpergewichts anzupassen. Für jeden Expositionstag sind Dosisvolumen und Verabreichungszeit zu notieren. Es ist sorgfältig darauf zu achten, dass die unter Nummer 35 genannte Höchstdosis nicht überschritten wird, weil die Interpretation der Daten sonst nicht aussagekräftig ist. Vor diesem Hintergrund sind ein verringertes Körpergewicht, klinische Anzeichen und andere Befunde sorgfältig zu prüfen. Wird die Prüfsubstanz über eine Sonde verabreicht, sollte eine Schlundsonde oder eine geeignete Intubationskanüle verwendet werden. Das maximale Flüssigkeitsvolumen, das jeweils verabreicht werden kann, hängt von der Größe des Versuchstiers ab. Es sind die örtlichen Tierschutzrichtlinien zu befolgen, das Volumen sollte jedoch 5 ml pro kg Körpergewicht nicht überschreiten, außer bei wässrigen Lösungen, von denen 10 ml pro kg Körpergewicht gegeben werden können. Die subkutanen Injektionen sind mittels steriler Nadel (z. B. 23 oder 25 Gauge) und Tuberkulinspritze dorsal im Bereich der Schulterblätter oder in die Lendenregion zu applizieren. Die Injektionsstelle kann rasiert werden. Wenn Injektionsflüssigkeit verloren geht, an der Injektionsstelle ausläuft oder unvollständig verabreicht wird, ist dies zu protokollieren. Das insgesamt pro Ratte und Tag injizierte Volumen sollte 0,5 ml pro kg Körpergewicht nicht überschreiten.

Spezifische Vorgehensweise für Androgenagonisten

43.

Bei der Prüfung auf Androgenagonisten ist die Vehikelkontrollgruppe die negative Kontrollgruppe und die mit TP behandelte Gruppe die positive Kontrollgruppe. Für die Untersuchung auf biologische Abläufe, die der Wirkung von Androgenagonisten entsprechen, werden den Behandlungsgruppen an zehn aufeinanderfolgenden Tagen ausgewählte Dosen einer Prüfsubstanz verabreicht wird. Die Gewichte der fünf akzessorischen Gewebe des Reproduktionstrakts der Tiere der Prüfgruppen werden mit denen der Vehikelgruppe verglichen, um zu untersuchen, ob statistisch signifikante Gewichtserhöhungen feststellbar sind.

Spezifische Vorgehensweise für Androgenantagonisten und 5α-Reduktaseinhibitoren

44.

Bei der Prüfung auf Androgenantagonisten und 5α-Reduktaseinhibitoren ist die mit TP behandelte Gruppe die negative Kontrollgruppe und die Gruppe, die gleichzeitig Referenzdosen von TP und FT erhält, ist die positive Kontrollgruppe. Für die Untersuchung auf biologische Abläufe, die der Wirkung von Androgenantagonisten und 5a-Reduktaseinhibitoren entsprechen, werden den Behandlungsgruppen an zehn aufeinanderfolgenden Tagen ausgewählte Dosen einer TP-Referenzdosis und einer Prüfsubstanz verabreicht. Die Gewichte der fünf akzessorischen Gewebe des Reproduktionstrakts der Tiere der Prüfgruppen, die TP plus die Prüfsubstanz erhalten haben, werden mit denen der Referenzgruppe verglichen, die nur TP erhalten hat, um zu untersuchen, ob statistisch signifikante Gewichtsverringerungen feststellbar sind.

BEOBACHTUNGEN

Klinische Beobachtungen

45.

Allgemeine klinische Beobachtungen sollten mindestens einmal täglich durchgeführt werden, bei Anzeichen für Toxizität häufiger. Die Beobachtungen sind möglichst immer zur selben Tageszeit/zu denselben Tageszeiten und unter Berücksichtigung des Zeitraums nach der Verabreichung, in dem voraussichtlich die Wirkungsgipfel zu erwarten sind, durchzuführen. Alle Tiere sind auf Anzeichen von Mortalität, Morbidität und allgemeine klinische Zeichen wie Verhaltensänderungen, Änderungen an Haut, Fell, Augen und Schleimhäuten, Sekrete und Exkrete sowie autonome Körperfunktionen (z. B. Tränensekretion, Piloerektion, Pupillengröße, ungewöhnliche Atemmuster) zu beobachten.

46.

Tot aufgefundene Tiere sind zu entfernen und ohne weitere Datenanalyse zu beseitigen. Vor der Nekropsie verendete Tiere sind mit den offenkundigen Todesursachen zu protokollieren. Moribunde Tiere sind auf humane Weise zu töten. Vor der Nekropsie in moribundem Zustand aufgefundene und anschließend getötete Tiere sind mit den offenkundigen Krankheitsursachen zu protokollieren.

Körpergewicht und Futteraufnahme

47.

Alle Tiere sind täglich auf 0,1 g genau zu wiegen, wobei unmittelbar vor Behandlungsbeginn, also wenn die Tiere den Gruppen zugeteilt werden, mit dem Wiegen zu beginnen ist. Optional kann die aufgenommene Futtermenge während des Behandlungszeitraums pro Käfig durch Wiegen der Futterspender bestimmt werden. Die Daten zur Futteraufnahme sind in Gramm pro Ratte und Tag auszudrücken.

Sektion und Bestimmung der Gewebe- und Organgewichte

48.

Die Ratten sollten etwa 24 Stunden nach der letzten Prüfsubstanzgabe nach der üblichen Vorgehensweise des durchführenden Labors getötet und ausgeblutet und anschließend seziert werden. Die humane Tötungsmethode ist im Laborbericht zu protokollieren.

49.

Idealerweise werden die Nekropsien über die Gruppen hinweg randomisiert durchgeführt, um ein unmittelbares Abarbeiten der Dosisgruppen nach oben oder unten zu vermeiden, da dies die Daten geringfügig beeinflussen könnte. Alle Nekropsiebefunde, d. h. pathologische Veränderungen/sichtbare Läsionen, sind zu notieren und zu protokollieren.

50.

Die fünf androgenabhängigen Gewebe (VP, SB, LABC, COW, GP) sind zu wiegen. Diese Gewebe sollten herausgeschnitten, sorgfältig von überschüssigem anhaftendem Gewebe und Fett befreit und ihr frisches (unfixiertes) Gewicht einzeln bestimmt werden. Jedes Gewebe ist mit besonderer Umsicht zu behandeln, um Flüssigkeitsverluste zu vermeiden und so ein Austrocknen zu verhindern, da dies zu niedrigeren Gewichten und damit zu signifikanten Fehlern und Schwankungen der dokumentierten Werte führen kann. Bestimmte Gewebe können sehr klein oder schwierig zu sezieren sein, was zwangsläufig zu Schwankungen führt. Daher sollte die Sektion der akzessorischen Gewebe des Reproduktionstrakts unbedingt von Personen durchgeführt werden, die mit den Standard-Sektionsverfahren für diese Gewebe vertraut sind. Eine Standardarbeitsanweisung (SOP) für Sektionen ist in Form eines Handbuchs bei der OECD erhältlich (21). Mit einer gründlichen Schulung nach diesem SOP-Handbuch lässt sich diese potenzielle Schwankungsquelle der Studie minimieren. Um eine unterschiedliche Aufbereitung der Gewebe zu vermeiden, sollte eine bestimmte Gewebeart immer von demselben Prosektor bearbeitet werden. Ist dies nicht möglich, sollte die Nekropsie so geplant werden, dass jeder Prosektor bei allen Behandlungsgruppen ein bestimmtes Gewebe seziert, und nicht so, dass eine Person alle Gewebe einer Kontrollgruppe seziert, während eine andere Person für die Gewebe der behandelten Gruppen zuständig ist. Jedes akzessorische Gewebe des Reproduktionstrakts ist ohne vorheriges Blotten auf 0,1 mg genau zu wiegen, und das Gewicht ist für jedes Tier einzeln zu dokumentieren.

51.

Bestimmte Gewebe können sehr klein oder schwierig zu sezieren sein, was zwangsläufig zu Schwankungen führt. Frühere Arbeiten haben einen Bereich von Variationskoeffizienten (VK) ergeben, der anscheinend je nach Befähigung des Labors unterschiedlich ist. In einigen wenigen Fällen wurden große Unterschiede bei absoluten Gewebegewichten, zum Beispiel der VP und der COW, innerhalb ein und desselben Labors beobachtet.

52.

Optional können die Gewichte von Leber, paarigen Nieren und paarigen Nebennieren bestimmt werden. Auch hier sind die Gewebe von anhaftendem Bindegewebe und Fett zu befreien. Die Leber ist zu wiegen und der Messwert auf 0,1 g genau zu dokumentieren; die paarigen Nieren und paarigen Nebennieren sind jeweils zu wiegen und die Messwerte auf 0,1 mg genau zu dokumentieren. Leber, Nieren und Nebennieren werden nicht nur durch Androgene beeinflusst, sie liefern auch nützliche Hinweise auf systemische Toxizität.

53.

Eine Bestimmung des luteinisierenden Hormons (LH), des follikelstimulierenden Hormons (FSH) und des Testosterons (T) im Serum ist optional. Mithilfe der T-Spiegel im Serum kann bestimmt werden, ob die Prüfsubstanz eine Metabolisierung des Testosterons durch die Leber induziert, was zu niedrigeren Serumspiegeln führt. Ohne die T-Daten kann ein solcher Effekt auf einen antiandrogenen Mechanismus zurückzuführen sein. Die LH-Spiegel liefern Informationen darüber, ob ein Antiandrogen nicht nur in der Lage ist, Organgewichte zu verringern, sondern auch die hypothalamisch-hypophysäre Funktion zu beeinflussen, was in Langzeitstudien zu Hodentumoren führen kann. FSH ist ein wichtiges Hormon für die Spermatogenese. Bestimmungen von T4 und T3 im Serum sind ebenfalls optionale Messungen, die nützliche Zusatzhinweise über die Fähigkeit zur Störung der Schilddrüsenhormon-Homöostase liefern können. Wenn Hormonwerte bestimmt werden sollen, ist den Ratten vor der Nekropsie unter Narkose per Herzpunktion Blut zu entnehmen, wobei bei der Wahl der Narkosemethode darauf zu achten ist, dass sie die Hormonmessung nicht beeinflusst. Die Methode der Serumgewinnung, die Herkunft von Kits für Radioimmunassays (RIA) oder andere Messverfahren, die Analyseverfahren und die Ergebnisse sind zu dokumentieren. Die Serumspiegel von LH und T sind als ng/ml Serum zu dokumentieren.

54.

Die nachstehend beschriebene Sektion der Gewebe basiert auf einem ausführlichen Sektionsleitfaden mit Fotos, der im Rahmen des Validierungsprogramms als zusätzliches Informationsmaterial veröffentlicht wurde (21). Darüber hinaus ist ein Video zur Sektion über die Website der koreanischen Nahrungs- und Arzneimittelbehörde erhältlich (22).

 Bei dem mit der ventralen Seite nach oben gelagerten Tier wird bestimmt, ob sich das Präputium des Penis von der Glans penis getrennt hat. Wenn das der Fall ist, wird das Präputium zurückgeschoben und die Glans penis entfernt, auf 0,1 mg genau gewogen und das Gewicht aufgezeichnet.

 Die abdominale Haut und Bauchwand werden eröffnet und die Eingeweide freigelegt. Wenn die optionalen Organe gewogen werden sollen, ist die Leber zu entnehmen und auf 0,1 g genau zu wiegen; Magen und Eingeweide sind zu entnehmen, dann sind die paarigen Nieren und die paarigen Nebennieren zu entnehmen und auf 0,1 mg genau zu wiegen. Nach diesen Sektionsschritten ist die Blase freigelegt und die Sektion der akzessorischen männlichen Zielgewebe beginnt.

 Für die Sektion der VP ist die Blase durch Schneiden des Bindegewebes entlang der Mittellinie von der ventralen Muskelschicht zu trennen. Die Blase ist nach anterior in Richtung der Samenbläschen (SB) zu verlagern, sodass der linke und der rechte Lappen der ventralen Prostata (die von einer Fettschicht bedeckt sind) freigelegt werden. Das Fett wird vorsichtig vom rechten und linken Lappen der VP gelöst. Der rechte Lappen der VP wird vorsichtig von der Harnröhre weggelagert und von der Harnröhre abgetrennt. Während der rechte Lappen der VP noch gehalten wird, wird vorsichtig der linke Lappen der VP von der Harnröhre weggelagert und abgeschnitten; das Gewicht wird auf 0,1 mg genau bestimmt und dokumentiert.

 Um Samenbläschen und Koagulationsdrüse (SBKD) zu sezieren, wird die Blase nach kaudal verlagert und so der Samenleiter sowie der rechte und linke Lappen der Samenbläschen plus Koagulationsdrüsen freigelegt. Um Flüssigkeitsverluste zu vermeiden, ist an der Basis der SBKD, an der Stelle, an der der Samenleiter auf die Harnröhre trifft, eine Gefäßklemme zu befestigen. Die SBKD sind vorsichtig abzuschneiden, und Fett und Adnexe sind bei noch befestigter Gefäßklemme abzuschaben und in ein tariertes Wägeschiffchen zu legen. Anschließend wird die Gefäßklemme abgenommen, das Gewicht auf 0,1 mg genau bestimmt und das Ergebnis dokumentiert.

 Um den Komplex Musculus levator ani und bulbospongiosus (LABC) zu sezieren, werden die Muskeln und die Penisbasis freigelegt. Die LA-Muskeln umschlingen das Kolon, während die anterioren LA- und BC-Muskeln mit dem Bulbus penis verbunden sind. Die Haut und Adnexe der Perianalregion, die sich von der Penisbasis zum anterioren Ende des Anus erstreckt, werden entfernt. Die BC-Muskeln werden nach und nach vom Bulbus penis und den Geweben freigelegt. Das Kolon wird durchgeschnitten, dann können die vollständigen LABC-Muskeln seziert und entnommen werden. Die LABC-Muskeln sind von Fett und Adnexen zu befreien, auf 0,1 mg genau zu wiegen, und die Ergebnisse sind festzuhalten.

 Nach Entfernung der LABC-Muskeln sind die runden Cowperschen oder Bulbourethraldrüsen (COW) an der Basis und leicht dorsal des Bulbus penis sichtbar. Sie sind vorsichtig zu sezieren, um eine Beschädigung der dünnen Kapsel und damit einen Flüssigkeitsverlust zu vermeiden. Die paarigen COW sind auf 0,1 mg genau zu wiegen, und das Ergebnis ist festzuhalten.

 Wenn während der Nekropsie bzw. des Sezierens Flüssigkeitsverluste aus einer Drüse auftreten, sind diese ebenfalls zu dokumentieren.

55.

Wenn zur Beurteilung der einzelnen Chemikalien mehr Tiere seziert werden müssen als pro Tag angemessen wäre, kann der Studienbeginn auf zwei aufeinanderfolgende Tage verteilt werden, sodass sowohl die Nekropsie als auch die damit zusammenhängenden Arbeiten auf zwei Tage verteilt werden. Bei einer derart gestaffelten Vorgehensweise ist pro Tag jeweils die Hälfte der Tiere pro Behandlungsgruppe zu verwenden.

56.

Die Tierkörper sind nach der Nekropsie auf geeignete Weise zu entsorgen.

BERICHTERSTATTUNG

Daten

57.

Die Daten sind einzeln zu protokollieren (d. h. Körpergewicht, Gewichte der akzessorischen Gewebe des Reproduktionstrakts, optionale Messungen sowie andere Wirkungen und Beobachtungen) und für jede Tiergruppe (Durchschnittswerte und Standardabweichungen aller Messungen) zu dokumentieren. Die Daten sind in tabellarischer Form zusammenzufassen. Aus den Daten muss Folgendes hervorgehen: Anzahl der Tiere zu Beginn der Prüfung, Anzahl der Tiere, die während der Prüfung tot aufgefunden werden oder die Toxizitätszeichen aufweisen, und eine Beschreibung der beobachteten Toxizitätszeichen einschließlich Zeitpunkt des Einsetzens, Dauer und Schweregrad.

58.

Der Abschlussbericht sollte Folgendes enthalten:

Prüfeinrichtung

 Name und Ort der Einrichtung,

 Prüfungsleiter und anderes Personal sowie Zuständigkeiten während der Prüfung,

 Beginn und Ende der Prüfung, d. h. Datum der ersten Verabreichung der Prüfsubstanz, und Datum der letzten Nekropsie.

Prüfsubstanz

 Herkunft, Los-/Chargennummer, Identität, Reinheit, vollständige Anschrift des Lieferanten und Eigenschaften der Prüfsubstanz(en),

 physikalische Beschaffenheit und, sofern zutreffend, physikalisch-chemische Eigenschaften,

 Lagerungsbedingungen und Methode und Häufigkeit der Verdünnungszubereitung,

 etwaige Daten über die Stabilität,

 etwaige Analysen der Dosierungslösungen/Suspensionen.

Vehikel

 Beschreibung des Vehikels (Art, Lieferant und Chargennr.),

 Begründung der Wahl des Vehikels (sofern anders als Wasser).

Versuchstiere und Tierhaltungsverfahren

 Tierart und -stamm und Begründung der getroffenen Wahl,

 Herkunft oder Lieferant der Versuchstiere mit vollständiger Anschrift,

 Anzahl und Alter der gelieferten Tiere,

 Haltungsbedingungen (Temperatur, Beleuchtung usw.)

 Futter (Bezeichnung, Art, Lieferant, Chargennr., Inhalt und, sofern bekannt, Phytoöstrogengehalte),

 Einstreu (Bezeichnung, Art, Lieferant, Inhalt),

 Käfighaltungsbedingungen und Anzahl der Tiere pro Käfig.

Prüfbedingungen

 Alter bei Kastration und Dauer der Akklimatisierung nach Kastration,

 Gewicht der einzelnen Tiere bei Prüfungsbeginn (auf 0,1 g genau),

 Randomisierungsverfahren und Protokoll der Zuteilung zu Vehikel-, Referenzchemikalien- und Prüfsubstanzgruppen und Käfigen,

 Durchschnittswerte und Standardabweichungen der Körpergewichte der einzelnen Gruppen pro Wägetag während der Prüfung,

 Begründung der Dosiswahl,

 Art und Weise der Verabreichung der Prüfsubstanz und Begründung des gewählten Expositionswegs,

 Falls es sich um eine Prüfung auf antiandrogene Wirkungen handelt, die Behandlung mit TP (Dosis und Volumen),

 Behandlung mit der Prüfsubstanz (Dosis und Volumen),

 Zeitpunkt der Dosierung,

 Nekropsieverfahren einschließlich Angaben zu Entblutung und Narkosemitteln,

 wenn Serumanalysen durchgeführt werden, sind Angaben zum Analyseverfahren zu machen. Wenn zum Beispiel RIA angewendet wird, sind das RIA-Verfahren, die Herkunft der RIA-Kits, die Ablaufdaten der Kits, das Szintillationszählungsverfahren und das Standardisierungsverfahren zu protokollieren.

Ergebnisse

 tägliche Beobachtungen für jedes Tier während der Dosierung einschließlich:

 Körpergewicht (auf 0,1 g genau),

 klinische Zeichen (falls vorhanden),

 etwaige Messungen oder Aufzeichnungen zur Nahrungsaufnahme.

 Nekropsiebefunde für jedes Tier einschließlich:

 Datum der Nekropsie,

 Behandlungsgruppe,

 Kennziffer des Tiers,

 Prosektor,

 Uhrzeit der Nekropsie/Sektion,

 Alter des Tiers,

 finales Körpergewicht bei Nekropsie, wobei etwaige statistisch signifikante Erhöhungen oder Verringerungen zu vermerken sind,

 Reihenfolge des Entblutens und Sezierens der einzelnen Tiere bei der Nekropsie,

 Gewichte der fünf androgenabhängigen Zielgewebe:

 ventrale Prostata (auf 0,1 mg genau),

 Samenbläschen plus Koagulationsdrüsen einschließlich Flüssigkeit (paarig, auf 0,1 mg genau),

 Muskelkomplex Levator ani/bulbospongiosus (auf 0,1 mg genau),

 Cowpersche Drüsen (Frischgewicht — paarig, auf 0,1 mg genau),

 Glans penis (Frischgewicht, auf 0,1 mg genau),

 Gewichte der optionalen Gewebe, falls bestimmt:

 Leber (auf 0,1 g genau),

 Niere (paarig, auf 0,1 mg genau),

 Nebenniere (paarig, auf 0,1 mg genau),

 Allgemeine Bemerkungen und Kommentare,

 Analyse von Serumhormonen, falls bestimmt

 

 Serum-LH (optional — ng pro ml Serum) und

 Serum-T (optional — ng pro ml Serum),

 Allgemeine Bemerkungen und Kommentare.

Datenzusammenfassung

Die Daten sind in tabellarischer Form zusammenzufassen, und zwar mit Stichprobengröße für jede Gruppe, Mittelwert und Standardfehler des Mittelwerts oder Standardabweichung. Ebenfalls in tabellarischer Form aufgeführt sein müssen die Körpergewichte bei Nekropsie, Körpergewichtsänderungen ab Dosierungsbeginn bis Nekropsie, Gewichte der akzessorischen Zielgewebe des Reproduktionstrakts und optional bestimmte Organgewichte.

Diskussion der Ergebnisse

59.

Das Körpergewicht und das Gewicht der einzelnen Organe bei Nekropsie sind statistisch auf Parameter wie die Varianzhomogenität mit entsprechender bedarfsgerechter Datentransformation zu analysieren. Die Behandlungsgruppen sind anhand einer Varianzanalyse oder ähnlicher Analysetechniken mit einer Kontrollgruppe zu vergleichen, gefolgt von paarweisen Vergleichen (z. B. dem einseitigen Test nach Dunnett) und dem Kriterium der statistischen Differenz, z. B. p ≤ 0,05. Es ist zu ermitteln, welche Gruppen eine statistische Signifikanz aufweisen. „Relative Organgewichte“ sind jedoch aufgrund der dieser Datenbearbeitung zugrunde liegenden ungültigen statistischen Hypothesen zu vermeiden.

60.

Bei der Prüfung auf Androgenagonismus sollte die Prüfgruppe, die nur das Vehikel erhält, die Kontrollgruppe sein. Die Parameter der Wirkungsweise einer Prüfsubstanz können bei den Zielgeweben zu unterschiedlichen relativen Reaktionen führen; so kann z. B. Trenbolon, das nicht durch die 5α-Reduktase umgewandelt werden kann, eine stärkere Wirkung auf den LABC-Komplex und die GP haben als TP. Eine statistisch signifikante Gewichtserhöhung (p ≤ 0,05) bei mindestens zwei der fünf androgenabhängigen Zielgewebe (VP, LABC, GP, KD und SBKD) ist als positives Ergebnis im Sinne einer Wirkung als Androgenagonist zu werten; ferner sollte bei allen Zielgeweben ein gewisses erhöhtes Wachstum zu beobachten sein. Eine kombinierte Beurteilung der Reaktionen aller akzessorischen Gewebe des Reproduktionstrakts kann mittels geeigneter multivariater Datenanalysemethoden erfolgen. Dies kann zu besseren Analyseergebnissen führen, insbesondere dann, wenn nur bei einem einzigen Gewebe eine statistisch signifikante Reaktion feststellbar ist.

61.

Bei der Prüfung auf Androgenantagonismus sollte die Prüfgruppe, die das Referenzandrogen (also nur Testosteronpropionat) erhält, die Kontrollgruppe sein. Die Parameter der Wirkungsweise einer Prüfsubstanz können bei den Zielgeweben zu unterschiedlichen relativen Reaktionen führen; so haben z. B. 5α-Reduktaseinhibitoren wie Finasterid im Vergleich zu wirksamen AR-Antagonisten wie Flutamid eine stärkere Wirkung auf die ventrale Prostata als auf andere Gewebe. Eine statistisch signifikante Gewichtsverringerung (p ≤ 0,05) bei mindestens zwei der fünf androgenabhängigen Zielgewebe (VP, LABC, GP, KD und SBKD) im Verhältnis zu der nur mit TP behandelten Gruppe ist als positives Ergebnis im Sinne einer Wirkung als Androgenantagonist zu werten; ferner sollte bei allen Zielgeweben eine gewisse Wachstumsverringerung zu beobachten sein. Eine kombinierte Beurteilung der Reaktionen aller akzessorischen Gewebe des Reproduktionstrakts kann mittels geeigneter multivariater Datenanalysemethoden erfolgen. Dies kann zu besseren Analyseergebnissen führen, insbesondere dann, wenn nur bei einem einzigen Gewebe eine statistisch signifikante Reaktion feststellbar ist.

62.

Die Daten sind in tabellarischer Form zusammenzufassen, und zwar mit Mittelwert, Standardfehler des Mittelwerts (Standardabweichung wäre ebenfalls akzeptabel) und Stichprobengröße für jede Gruppe. Es sollten auch Tabellen mit Einzeldaten beigefügt werden. Die Einzelwerte, Mittelwerte und die Werte für Standardfehler (Standardabweichung) und Variationskoeffizienten für die Kontrolldaten sind daraufhin zu prüfen, ob sie die akzeptablen Kriterien für die Konsistenz mit erwarteten historischen Werten erfüllen. Übersteigen die Variationskoeffizienten (VK) die Werte in Tabelle 1 (vgl. Nummern 25 und 26) für die einzelnen Organgewichte, so ist zu prüfen, ob Fehler bei der Datenerfassung oder -eingabe vorliegen oder ob das Labor die Sektion der androgenabhängigen Gewebe noch nicht exakt beherrscht, sodass weitere Schulungsmaßnahmen/praktische Erfahrung gerechtfertigt sind. Im Allgemeinen sind die VK (die Standardabweichung geteilt durch das mittlere Organgewicht) von Labor zu Labor und von Prüfung zu Prüfung reproduzierbar. Die vorgelegten Daten sollten mindestens umfassen: ventrale Prostata, Samenbläschen, Musculus levator ani plus bulbospongiosus, Cowpersche Drüsen, Glans penis, Leber und Körpergewichte sowie Körpergewichtsänderungen von Dosierungsbeginn bis Nekropsie. Die Daten können auch nach Kovarianzanpassung für das Körpergewicht eingereicht werden, doch dies sollte eine Einreichung der nicht angepassten Daten nicht ersetzen. Zusätzlich sollte die Präputialseparation, wenn sie bei einer der Gruppen nicht erfolgt ist, bei ihrem Eintreten erfasst und statistisch anhand des exakten Tests nach Fisher mit der Kontrollgruppe verglichen werden.

63.

Wenn beim Vergleich der Computerdateneinträge mit den ursprünglichen Datenblättern Organgewichtswerte auffallen, die nicht biologisch plausibel sind oder um mehr als drei Standardabweichungen vom Behandlungsgruppendurchschnitt abweichen, sollten diese sorgfältig auf ihre Richtigkeit überprüft und gegebenenfalls verworfen werden, da es sich wahrscheinlich um Erfassungsfehler handelt.

64.

Ein Vergleich der Prüfungsergebnisse mit den VK-Werten der OECD (siehe Tabelle 1) ist häufig ein wichtiger Schritt bei der Interpretation der Validität der Prüfungsergebnisse. Die historischen Daten der Vehikelkontrollgruppen sollten vom Labor in dessen Datenbestand eingepflegt werden. Die historischen Daten zur Wirkung positiver Referenzchemikalien, zum Beispiel TP und FT, sind ebenfalls vom Labor einzupflegen. Die Laboratorien können ferner die Reaktion auf bekannt schwache Androgenagonisten und -antagonisten in regelmäßigen Abständen testen und diese Daten einpflegen. Diese Daten können mit den verfügbaren OECD-Daten verglichen werden, um sicherzustellen, dass mit den Methoden des Labors eine ausreichende statistische Präzision und Aussagekraft erzielt wird.

Anlage 1

BEGRIFFSBESTIMMUNGEN

Androgen (Adj.) : Begriff zur Beschreibung einer positiven Wirkung auf das Wachstum androgenabhängiger Gewebe.

Antiandrogen (Adj.) : die Fähigkeit einer Chemikalie, die Wirkung von TP in einem Säugetierorganismus zu unterdrücken.

Chemikalie : ein Stoff oder eine Mischung.

Dosierung : ein allgemeiner Begriff, der die Dosis, ihre Häufigkeit und die Dauer der Verabreichung umfasst.

Dosis : die Menge der verabreichten Prüfsubstanz. Für die Zwecke des Hershberger-Bioassays wird die Dosis ausgedrückt als Masse der Prüfsubstanz je Einheit Körpergewicht des Versuchstiers pro Tag (z. B. mg pro kg Körpergewicht und Tag).

Empfindlichkeit : die Fähigkeit einer Prüfmethode, Chemikalien korrekt anhand derjenigen Eigenschaft zu erkennen, auf die diese getestet werden.

Moribund (Adj.) : Begriff zur Beschreibung des Zustands eines sterbenden, todgeweihten Tiers.

Postnataler Tag X : der x-te Lebenstag nach der Geburt.

Prüfsubstanz : jede(r) mittels dieser Prüfmethode getestete Stoff bzw. Mischung.

Spezifizität : die Fähigkeit einer Prüfmethode, Chemikalien korrekt anhand des Fehlens derjenigen Eigenschaft zu erkennen, auf die diese getestet werden.

Tag der Geburt : der postnatale Tag 0.

Validierung : wissenschaftlicher Prozess zur Beschreibung der operationellen Anforderungen und Grenzen einer Prüfmethode und zum Nachweis ihrer Zuverlässigkeit und Eignung für einen bestimmten Zweck.

Anlage 2

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VMG mamm: Validation Management Group on Mammalian Testing and Assessment

ANMERKUNGEN ZUM RAHMENKONZEPT

Anmerkung 1:  Ein Einstieg in das Rahmenkonzept und ein Ausstieg sind auf allen Stufen möglich und abhängig davon, welche Informationen für Gefahren- und Risikobeurteilungszwecke benötigt werden.

Anmerkung 2:  Bei Stufe 5 sollte der Aspekt der Ökotoxikologie Endpunkte beinhalten, die Hinweise auf schädliche Wirkmechanismen und eine potenzielle Schädigung der Population liefern.

Anmerkung 3:  Wenn ein multimodales Modell mehrere Assays mit nur einem Endpunkt (Single-Endpoint-Assays) umfasst, ersetzt dieses Modell die Durchführung der Single-Endpoint-Assays.

Anmerkung 4:  Die Bewertung der einzelnen Chemikalien sollte von Fall zu Fall und unter Berücksichtigung aller verfügbaren Daten sowie vor dem Hintergrund des Zwecks der Stufen des Rahmenkonzepts erfolgen.

Anmerkung 5:  Das Rahmenkonzept ist derzeit noch nicht als vollständig anzusehen. Auf Stufe 3, 4 und 5 beinhaltet es Assays, die entweder schon verfügbar sind oder sich gerade in der Validierungsphase befinden. Bei Letzteren ist die Aufnahme in das Rahmenkonzept noch vorläufig. Sobald ihre Entwicklung und Validierung abgeschlossen ist, werden sie offizieller Bestandteil des Konzepts.

Anmerkung 6:  Stufe 5 ist nicht so zu verstehen, dass es sich bei den darin enthaltenen Tests nur um endgültige Prüfungen handelt. Die Prüfungen dieser Stufe sollen vielmehr einen Beitrag zur allgemeinen Gefahren- und Risikobewertung leisten.

LITERATUR

(1) OECD (1998). Report of the First Meeting of the OECD Endocrine Disrupter Testing and Assessment (EDTA) Task Force, 10.-11. März 1998, ENV/MC/CHEM/RA(98)5.

(2) Dorfman RI (1962). Standard methods adopted by official organization. Academic Press, NY.

(3) Gray LE Jr, Furr J and Ostby JS (2005). Hershberger assay to investigate the effects of endocrine disrupting compounds with androgenic and antiandrogenic activity in castrate-immature male rats. In: Current Protocols in Toxicology 16.9.1-16.9.15. J Wiley and Sons Inc.

(4) OECD (2006). Final OECD report of the initial work towards the validation of the rat Hershberger assay. Phase 1. Androgenic response to testosterone propionate and anti-androgenic effects of flutamide. Environmental Health and Safety, Monograph Series on Testing and Assessment No 62. ENV/JM/MONO(2006)30.

(5) OECD (2008). Report of the OECD Validation of the Rat Hershberger Bioassay: Phase 2: Testing of Androgen Agonists, Androgen Antagonists and a 5a-Reductase Inhibitor in Dose Response Studies by Multiple Laboratories. Environmental Health and Safety, Monograph Series on Testing and Assessment No 86. ENV/JM/MONO(2008)3.

(6) OECD (2007). Report of the Validation of the Rat Hershberger Assay: Phase 3: Coded Testing of Androgen Agonists, Androgen Antagonists and Negative Reference Chemicals by Multiple Laboratories. Surgical Castrate Model Protocol. Environmental Health and Safety, Monograph Series on Testing and Assessment No 73. ENV/JM/MONO(2007)20.

(7) Owens, W, Zeiger E, Walker M, Ashby J, Onyon L, Gray, Jr, LE (2006). The OECD programme to validate the rat Hershberger bioassay to screen compounds for in vivo androgen and antiandrogen responses. Phase 1: Use of a potent agonist and a potent antagonist to test the standardized protocol. Env. Health Persp. 114:1265-1269.

(8) Owens W, Gray LE, Zeiger E, Walker M, Yamasaki K, Ashby J, Jacob E (2007). The OECD program to validate the rat Hershberger bioassay to screen compounds for in vivo androgen and antiandrogen responses: phase 2 dose-response studies. Environ Health Perspect. 115(5):671-8.

(9) Korenchevsky V (1932). The assay of testicular hormone preparations. Biochem J 26:413-422.

(10) Korenchevsky V, Dennison M, Schalit R (1932). The response of castrated male rats to the injection of the testicular hormone. Biochem J26:1306-1314.

(11) Eisenberg E, Gordan GS (1950). The levator ani muscle of the rat as an index of myotrophic activity of steroidal hormones. J Pharmacol Exp Therap 99:38-44.

(12) Eisenberg E, Gordan GS, Elliott HW (1949). Testosterone and tissue respiration of the castrate male rat with a possible test for mytrophic activity. Endocrinology 45:113-119.

(13) Hershberger L, Shipley E, Meyer R (1953). Myotrophic activity of 19-nortestosterone and other steroids determined by modified levator ani muscle method. Proc Soc Exp Biol Med 83:175-180.

(14) Hilgar AG, Vollmer EP (1964). Endocrine bioassay data: Androgenic and myogenic. Washington DC: United States Public Health Service.

(15) Dorfman RI (1969). Androgens and anabolic agents. In: Methods in Hormone Research, volume IIA. (Dorfman RI, ed.) New York:Academic Press, 151-220.

(16) Massaro EJ (2002). Handbook of Neurotoxicology, volume I. New York: Humana Press, S. 38.

(17) OECD (2000). Guidance document on the recognition, assessment and use of clinical signs as humane endpoints for experimental animals used in safety evaluation. Environmental Health and Safety Monograph Series on Testing and Assessment No 19. ENV/JM/MONO(2000)7.

(18) OECD (1982). Organization for Economic Co-operation and Development — Principles of Good Laboratory Practice, ISBN 92-64-12367-9, Paris.

(19) OECD (2008). Acute oral toxicity — up-and-down procedure. OECD Guideline for the testing of chemicals No 425.

(20) OECD (2001). Guidance document on acute oral toxicity. Environmental Health and Safety Monograph Series on Testing and Assessment No 24. ENV/JM/MONO(2001)4.

(21) Supplemental materials for Owens et al. (2006). The OECD programme to validate the rat Hershberger bioassay to screen compounds for in vivo androgen and antiandrogen responses. Phase 1: Use of a potent agonist and a potent antagonist to test the standardized protocol. Env. Health Persp. 114:1265-1269. Siehe Abschnitt II, Sektionsleitfaden für die Laboratorien, abrufbar unter: [http://www.ehponline.org/docs/2006/8751/suppl.pdf].

(22) Koreanische Nahrungs- und Arzneimittelbehörde. Visueller Referenzleitfaden zur Verfahrensweise beim Hershberger-Test einschließlich Sektionsvideo. [http://rndmoa.kfda.go.kr/endocrine/reference/education_fr.html].

(23) OECD (2008). Background Review Document on the Rodent Hershberger Bioassay. Environmental Health and Safety Monograph Series on Testing and Assessment No 90. ENV/JM/MONO(2008)17.

(24) OECD (2008). Draft Validation report of the Intact, Stimulated, Weanling Male Rat Version of the Hershberger Bioassay.

(25) OECD (2009). Guidance Document on the Weanling Hershberger Bioassay in rats: A shortterm screening assay for (anti)androgenic properties. Series on Testing and Assessment, Number 115.

(26) Richtlinie 2010/63/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. September 2010 zum Schutz der für wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tiere (ABl. L 276 vom 20.10.2010, S. 33).

(27) Die folgenden Kapitel des vorliegenden Anhangs:

B.1 bis, Akute orale Toxizität — Fest-Dosis-Methode

B.1 tris, Akute orale Toxizität — Akut toxische Klassenmethode

B.56    ERWEITERTE EIN-GENERATIONEN-PRÜFUNG AUF REPRODUKTIONSTOXIZITÄT

EINLEITUNG

1.

Diese Prüfmethode entspricht der OECD-Prüfrichtlinie (TG) 443 (2012). Sie basiert auf dem Vorschlag des Fachausschusses Agricultural Chemical Safety Assessment (ACSA) des ILSI Health and Environmental Sciences Institute (HESI) für eine in Bezug die Lebensphase F1 erweiterte Ein-Generationen-Prüfung auf Reproduktionstoxizität (EOGRTS), wie in Cooper et al., 2006 (1) veröffentlicht. Der Prüfplan wurde in einigen Punkten verbessert und präzisiert, um Flexibilität zu gewährleisten und deutlich zu machen, dass auf vorhandenem Wissen aufgebaut wird, gleichzeitig jedoch Beobachtungen am lebenden Tier genutzt werden, um den Prüfungsablauf zu steuern und zu maßschneidern. Die nachstehende Prüfmethode beschreibt die Verfahrensschritte einer EOGRTS-Prüfung im Einzelnen. Sie basiert auf drei Kohorten von F1-Tieren:

Kohorte 1 : Bewertung reproduktionstoxischer/entwicklungstoxischer Endpunkte; diese Kohorte kann auf eine F2-Generation erweitert werden.

Kohorte 2 : Bewertung der potenziellen Auswirkung der Exposition gegenüber der Prüfsubstanz auf das sich entwickelnde Nervensystem.

Kohorte 3 : Bewertung der potenziellen Auswirkung der Exposition gegenüber der Prüfsubstanz auf das sich entwickelnde Immunsystem.

2.

Bei Entscheidungen darüber, ob auch die zweite Generation bewertet und die Kohorten für Entwicklungsneurotoxizität und/oder Entwicklungsimmuntoxizität ausgelassen werden sollten, sollte vorhandenes Wissen über die Prüfsubstanz ebenso berücksichtigt werden wie die Bedürfnisse der verschiedenen Regulierungsbehörden. Zweck der Prüfmethode ist es, die möglichen Verfahrenschritte für die Bewertung der einzelnen Kohorten im Detail zu beschreiben.

3.

Für Regulierungsbehörden, die zur Produktion einer zweiten Generation interne Auslöser (trigger) verwenden, enthält das OECD Guidance Document Nr. 117 (39) entsprechende Verfahrensvorschriften.

AUSGANGSÜBERLEGUNGEN UND ZIELE

4.

Hauptziel der EOGRTS-Prüfung ist es, bestimmte Lebensphasen zu evaluieren, die von anderen Arten von Toxizitätsstudien nicht abgedeckt werden, und nach etwaigen Wirkungen einer prä- und postnatalen Chemikalienexposition zu suchen. Zur Bestimmung der reproduktionstoxischen Endpunkte ist vorgesehen, in einem ersten Schritt — und soweit sie vorliegen — Informationen aus Prüfungen auf Toxizität bei wiederholter Verabreichung einer Prüfsubstanz (einschließlich Screeningstests auf Reproduktionstoxizität, z. B. OECD TG 422 (32)), oder kurzfristige Screeningtests auf endokrine Disruptoren, (z. B. Uterotropher Bioassay — Prüfmethode B.54 (36); und Hershberger-Test — Prüfmethode B.55 (37)) heranzuziehen, um Auswirkungen auf die Fortpflanzungsorgane von männlichen und weiblichen Tieren festzustellen. Diese könnten bei männlichen Tieren Daten über die Spermatogenese (Testikular-Histopathologie) und bei weiblichen Tieren Daten über Östruszyklen, Follikelzahlen/Eizellenreifung und die Integrität der Eierstöcke (Histopathologie) umfassen. Anschließend werden durch die EOGRTS-Prüfung die reproduktionstoxischen Endpunkte untersucht, die die Interaktion von männlichen mit weiblichen Tieren, von weiblichen Tieren mit befruchteten Eizellen (Conceptus) und von weiblichen Tieren mit ihren Nachkommen und der F1-Generation bis nach der Geschlechtsreife voraussetzen (siehe OECD Guidance Document Nr. 151, das diese Prüfmethode (40) unterstützt).

5.

Der Prüfplan ermöglicht die Bewertung der prä- und postnatalen Auswirkungen von Chemikalien auf die Entwicklung sowie eine detaillierte Bewertung der systemischen Toxizität bei trächtigen und laktierenden weiblichen Tieren sowie jungen und adulten Nachkommen. Durch ausführliche Untersuchung der wichtigsten entwicklungstoxischen Endpunkte (wie Lebensfähigkeit der Nachkommen, Gesundheit der Neugeborenen, Entwicklungsstand bei der Geburt und körperliche sowie funktionale Entwicklung bis zum Erwachsenenalter) sollen spezifische Zielorgane bei den Nachkommen ermittelt werden. Die Prüfung liefert und/oder bestätigt außerdem Informationen über die Auswirkungen einer Prüfsubstanz auf die Integrität und Leistungsfähigkeit der Fortpflanzungsorgane adulter männlicher und weiblicher Tiere. Es werden speziell — aber nicht ausschließlich — die folgenden Parameter geprüft: Gonadenfunktion, Östruszyklus, epididymale Spermienreifung, Paarungsverhalten, Empfängnis, Trächtigkeit, Geburt und Laktation. Außerdem werden die Erkenntnisse aus den Untersuchungen der Entwicklungsneurotoxizität und Immuntoxizität potenzielle Wirkungen in diesen Systemen charakterisieren. Die aus diesen Prüfungen gewonnenen Daten dürften die Bestimmung der NOAEL-Werte (No Observed Adverse Effect Level), der LOAEL-Werte (Lowest Observed Adverse Effect Level) und/oder Benchmark-Dosen für die verschiedenen Endpunkte ermöglichen und/oder sollten zur Charakterisierung der in früheren Untersuchungen der Toxizität bei wiederholter Verabreichung (repeat-dose studies) festgestellten Wirkungen verwendet werden und/oder als Richtwerte für spätere Tests dienen.

6.

Ein Schema des Protokolls ist in Abbildung 1 gegeben. Die Prüfsubstanz wird in abgestuften Dosen kontinuierlich an mehrere Gruppen geschlechtsreifer männlicher und weiblicher Versuchstiere verabreicht. Diese Parentalgeneration (P) erhält die Dosen vor der Paarung während eines vorgegebenen Expositionszeitraums (ausgewählt auf Basis der für die Prüfsubstanz vorliegenden Informationen; mindestens aber zwei Wochen) und während eines zweiwöchigen Paarungszeitraums. P-Männchen werden mindestens bis zum Entwöhnen der F1-Nachkommen weiterbehandelt. Die Behandlung sollte mindestens zehn Wochen dauern. Sie können auch länger behandelt werden, falls Auswirkungen auf die Fortpflanzung unschlüssig sind. Die Behandlung der P-Weibchen wird während Trächtigkeit und Laktation bis nach der Entwöhnung ihrer Würfe fortgesetzt (d. h. acht- bis zehnwöchige Behandlung). Die F1-Nachkommen werden vom Zeitpunkt ihrer Entwöhnung bis zum Erwachsenenalter mit der Prüfsubstanz weiterbehandelt. Wird eine zweite Generation untersucht (siehe OECD Guidance Document Nr. 117 (39)), so werden die F1-Nachkommen so lange behandelt, bis die F2-Generation entwöhnt ist bzw. bis die Prüfung abgeschlossen ist.

7.

Alle Tiere werden klinisch und pathologisch auf Anzeichen von Toxizität untersucht, wobei insbesondere auf die Integrität und Leistungsfähigkeit der Fortpflanzungsorgane der männlichen und der weiblichen adulten Tiere sowie auf Gesundheit, Wachstum, Entwicklung und Fortpflanzungsfähigkeit der Nachkommen geachtet wird. Am Tag des Absetzens werden ausgewählte Nachkommen für weitere Untersuchungen, einschließlich Untersuchungen der Geschlechtsreife, der Integrität und Funktionsfähigkeit der Fortpflanzungsorgane, der neurologischen Endpunkte und der Verhaltensendpunkte sowie der Immunfunktionen in bestimmte Untergruppen (Kohorten 1-3, siehe die Nummern 33 und 34 sowie Abbildung 1) eingeteilt.

8.

Bei der Prüfung sollten die im OECD Guidance Document Nr. 19 on the recognition, assessment, and use of clinical signs as humane endpoints for experimental animals used in safety evaluation (34) genannten Grundsätze und Erwägungen beachtet werden.

9.

Wurden genügend Prüfungen durchgeführt, um über die Eignung dieses neuen Prüfplans zu befinden, wird die Prüfmethode überprüft und auf der anhand der gewonnenen Erfahrungen gegebenenfalls überarbeitet.

Abbildung 1

Schema der erweiterten Ein-Generationen-Prüfung auf Reproduktionstoxizität

image

BESCHREIBUNG DER PRÜFMETHODE/VORBEREITUNGEN FÜR DEN TEST

Versuchstiere

Auswahl von Versuchstierart und -stamm

10.

Die Art der Versuchstiere für die Prüfung auf Reproduktionstoxizität sollte unter Berücksichtigung aller verfügbaren Informationen sorgfältig ausgewählt werden. Wegen der Fülle der vorliegenden Hintergrundinformationen und der Vergleichbarkeit mit allgemeinen Toxizitätsprüfungen ist die Ratte in der Regel das Versuchstier der Wahl, und die in dieser Prüfmethode angegebenen Kriterien und Empfehlungen beziehen sich auf diese Tierart. Falls eine andere Tierart verwendet wird, ist dies zu begründen, und das Protokoll ist entsprechend abzuändern. Stämme mit geringer Fruchtbarkeit oder allgemein anerkanntem spontanem Vorkommen von Entwicklungsstörungen sollten nicht verwendet werden.

Alter, Körpergewicht und Aufnahmekriterien

11.

Es sind gesunde Elterntiere zu verwenden, die zuvor nicht in anderen Versuchen verwendet wurden. Es sind sowohl männliche als auch weibliche Tiere zu untersuchen, wobei die weiblichen Tiere nicht geworfen haben noch trächtig sein dürfen. Die P-Tiere sollten geschlechtsreif sein, bei der ersten Dosisverabreichung über ein ähnliches Gewicht (innerhalb des Geschlechts) verfügen, bei der Paarung etwa gleich alt (ungefähr 90 Tage) und für die Prüfart und den Prüfstamm repräsentativ sein. Die Tiere sind nach ihrem Eintreffen im Labor mindestens fünf Tage lang einzugewöhnen. Sie werden nach dem Zufallsprinzip so auf die Kontroll- und Behandlungsgruppen verteilt, dass die verschiedenen Gruppen vergleichbare mittlere Körpergewichtswerte aufweisen (d. h. ± 20 % des Mittelwerts).

Unterbringungs- und Fütterungsbedingungen

12.

Die Temperatur im Versuchstierraum sollte 22 °C (± 3°) betragen. Die relative Luftfeuchtigkeit sollte bei 30-70 % liegen, wobei eine Luftfeuchtigkeit von 50-60 % ideal ist. Die Hell- und Dunkelphasen der künstlichen Beleuchtung sollten jeweils 12 Stunden dauern. Es kann herkömmliches Laborfutter verfüttert werden, die Tiere sollten jedoch unbegrenzten Zugang zu Trinkwasser haben. Es ist besonders auf den Phytoöstrogengehalt des Futters zu achten, da einige reproduktionstoxische Endpunkte durch einen zu hohen Phytoöstrogengehalt im Futter beeinträchtigt werden könnten. Es wird standardisiertes Futter mit offener Rezeptur empfohlen, dessen Gehalt an östrogen wirkenden chemischen Substanzen reduziert wurde (2) (30). Die Auswahl des Futters kann eventuell dadurch beeinflusst werden, dass eine geeignete Menge Prüfsubstanz beigemischt werden muss, wenn die Prüfsubstanz über das Futter verabreicht werden soll. Der Gehalt, die Homogenität und die Stabilität der Prüfsubstanz in den Futterrationen sind zu überprüfen. Futter und Trinkwasser sind regelmäßig auf Schadstoffe zu analysieren. Proben jeder im Laufe des Versuchs verwendeten Futtercharge sind bis zur Fertigstellung des Abschlussberichts unter geeigneten Bedingungen (z. B. durch Einfrieren bei – 20 °C) aufzubewahren, falls die Ergebnisse eine weitere Analyse der Futterbestandteile erfordern.

13.

Die Tiere sollten in kleinen Gruppen gleichen Geschlechts und gleicher Behandlung untergebracht werden. Sie können auch einzeln untergebracht werden, um potenzielle Verletzungen zu vermeiden (z. B. männliche Tiere nach der Paarungszeit). Die Paarung sollte in zweckbestimmten Käfigen erfolgen. Nach dem nachweislich erfolgten Deckakt sind weibliche Tiere, von denen angenommen wird, dass sie trächtig sind, in separaten Käfigen speziell für trächtige Tiere bzw. in Wurfkäfigen zu halten, in denen ihnen vorgegebene und geeignete Nistmaterialien zur Verfügung stehen. Würfe werden bis zur Entwöhnung bei ihren Müttern gehalten. F1-Tiere sollten ab dem Tag ihres Absetzens bis zum Versuchsende in kleinen Gruppen gleichen Geschlechts und gleicher Behandlung gehalten werden. Sie können auch einzeln gehalten werden, soweit dies wissenschaftlich gerechtfertigt ist. Der Phytoöstrogengehalt der gewählten Einstreu sollte so gering wie möglich sein.

Zahl und Kennzeichnung der Versuchstiere

14.

Normalerweise sollte sich in jeder Prüf- und Kontrollgruppe eine ausreichende Menge Begattungspaare befinden, um pro Dosisgruppe mindestens 20 trächtige Weibchen zu ergeben. Das Ziel besteht darin, so viele trächtige Weibchen zu erhalten, dass eine aussagekräftige Bewertung des Potenzials der Prüfsubstanz, die Fruchtbarkeit, die Trächtigkeit und das Verhalten der Muttertiere der P-Generation sowie Wachstum und Entwicklung der F1-Nachkommen von der Befruchtung bis hin zur Geschlechtsreife zu beeinträchtigen, gewährleistet ist. Wird die gewünschte Zahl trächtiger Tiere nicht erzielt, so wird die Studie dadurch nicht zwangsläufig unbrauchbar. Hier ist der jeweilige Einzelfall zu bewerten, wobei zu prüfen ist, ob eine mögliche kausale Beziehung zur Prüfsubstanz hergestellt werden kann.

15.

Jedes P-Tier erhält eine individuelle Kennnummer, bevor mit der Dosisverabreichung begonnen wird. Wenn historische Labordaten darauf hindeuten, dass ein erheblicher Teil der weiblichen Tiere möglicherweise keinen regelmäßigen (4- oder 5-tägigen) Östruszyklus aufweist, wird empfohlen, die Östruszyklen vor Beginn der Behandlung zu untersuchen. Alternativ kann die Gruppe vergrößert werden, um sicherzustellen, dass zu Beginn der Behandlung mindestens 20 weibliche Tiere in jeder Gruppe einen regelmäßigen (4- oder 5-tägigen) Zyklus aufweisen. Alle F1-Nachkommen werden bei der ersten Untersuchung der Neugeborenen am Tag der Geburt (Tag 0) oder am Tag 1 nach der Geburt (postnatal day, PND) einzeln gekennzeichnet. Aufzeichnungen, aus denen der Wurf, dem sie entstammen, hervorgeht, sind für alle F1-Tiere und gegebenenfalls auch für alle F2-Tiere während der gesamten Versuchsdauer aufzubewahren.

Prüfsubstanz

Verfügbare Informationen über die Prüfsubstanz

16.

Die Überprüfung vorliegender Informationen ist für die Wahl des Verabreichungswegs, des Vehikels der Tierart und der Dosisabstufungen sowie für potenzielle Änderungen des Verabreichungszeitplans wichtig. Daher sollten bei der Planung der EOGRTS-Prüfung alle über die Prüfsubstanz vorliegenden sachdienlichen Informationen wie physikalisch-chemische Eigenschaften, toxikokinetische Eigenschaften (einschließlich des artenspezifischen Stoffwechsels), toxikodynamische Eigenschaften, Struktur-Wirkungs-Beziehungen (SAR), In-vitro-Stoffwechselprozesse, Ergebnisse früherer Toxizitätsstudien und sachdienliche Informationen über strukturelle Analogien berücksichtigt werden. Vorläufige Informationen über Resorption, Verteilung, Metabolismus und Elimination (ADME) sowie Bioakkumulation können aus der chemischen Struktur, physikalisch-chemischen Daten, dem Umfang der Plasmaproteinbindung oder toxikokinetischen Studien abgeleitet werden, während Ergebnisse aus Toxizitätsstudien zusätzliche Informationen, z. B. über den NOAEL-Wert, den Stoffwechsel oder eine Stoffwechselinduktion liefern.

Berücksichtigung toxikokinetischer Daten

17.

Obwohl nicht erforderlich, können toxikokinetische Daten (TK-Daten) aus früheren Dosisfindungs- oder anderen Studien bei der Erstellung des Prüfplans, der Dosisabstufung und der Auswertung der Ergebnisse äußerst nützlich sein. Ganz besonders zweckdienlich sind dabei Daten, die 1) die Exposition von Föten und Jungtieren gegenüber der Prüfsubstanz (oder relevanten Metaboliten) bestätigen, 2) zur Ableitung einer internen Dosimetrie beitragen und 3) eine potenzielle dosisabhängige Sättigung kinetischer Prozesse bewerten. Falls weitere TK-Daten vorliegen, beispielsweise Metabolitprofile, Konzentrations-Zeit-Kurven usw. sind diese ebenfalls zu berücksichtigen. Ergänzende TK-Daten können auch während des Hauptversuchs erhoben werden, vorausgesetzt die Erhebung und Interpretation der wichtigsten Versuchsendpunkte wird dadurch nicht beeinträchtigt.

Grundsätzlich wären folgende TK-Datensätze bei der Planung der EOGRTS-Prüfung nützlich:

 späte Trächtigkeitsphase (z. B. Trächtigkeitstag (GD) 20) — mütterliches und fetales Blut,

 Mitt-Laktation (PND 10) — mütterliches Blut, Jungtierblut und/oder Milch,

 kurz nach der Entwöhnung (z. B. PND 28) — Blutproben der entwöhnten Jungtiere.

Die Bestimmung der spezifischen Analyten (wie Ausgangssubstanz und/oder Metaboliten) und des Probenahmeplans sollte flexibel gehandhabt werden. Beispielsweise hängen Zahl und Zeitpunkt der Probenahmen an einem beliebigen Entnahmetag vom Expositionsweg und der Vorabkenntnis der toxikokinetischen Merkmale nicht trächtiger Tiere ab. Bei Versuchen mit Verabreichung über das Futter sind Probenahmen stets zum selben Zeitpunkt an jedem dieser Tage ausreichend, wohingegen bei Verabreichungen über eine Schlundsonde unter Umständen zusätzliche Probenahmen erforderlich sind, um einen besseren Schätzwert für den Bereich der internen Dosen zu erhalten. Eine vollständige Konzentrations-Zeit-Kurve muss jedoch nicht für jeden Probenahmetag erstellt werden. Erforderlichenfalls können Blutproben nach Geschlechtern innerhalb der Würfe für fetale und neonatale Analysen gepoolt werden.

Verabreichungsweg

18.

Bei der Wahl des Verabreichungswegs sollten die Routen berücksichtigt werden, die für die menschliche Exposition am relevantesten sind. Obwohl das Protokoll für die Verabreichung der Prüfsubstanz über das Futter ausgelegt ist, kann es für eine Verabreichung über andere Wege (Trinkwasser, Schlundsonde, Inhalation, dermal) je nach Eigenschaften der Prüfsubstanz und den erforderlichen Informationen abgeändert werden.

Wahl des Vehikels

19.

Bei Bedarf wird die Prüfsubstanz in einem geeigneten Vehikel gelöst oder suspendiert. Es wird empfohlen, nach Möglichkeit zunächst die Verwendung einer wässrigen Lösung/Suspension und erst dann eine Lösung/Emulsion in Öl (z. B. Maisöl) in Betracht zu ziehen. Bei anderen Vehikeln als Wasser sollten deren toxische Merkmale bekannt sein. Die Verwendung von Vehikeln mit einer potenziellen intrinsischen Toxizität (z. B. Aceton, DMSO) ist zu vermeiden. Die Stabilität der Prüfsubstanz im Vehikel sollte bestimmt werden. Wird ein Vehikel oder ein anderes Additiv zur Erleichterung der Dosierung verwendet, so sollten folgende Aspekte berücksichtigt werden: die Auswirkungen auf die Resorption, die Verteilung, die Verstoffwechselung oder die Retention der Prüfsubstanz, Auswirkungen auf die chemischen Eigenschaften der Prüfsubstanz, die deren toxische Eigenschaften verändern können, und ferner Auswirkungen auf die Futter- oder Wasseraufnahme oder den Ernährungszustand der Versuchstiere.

Wahl der Dosis

20.

Normalerweise sollten im Versuch mindestens drei Dosisstufen und eine gleichzeitige Kontrolle verwendet werden. Bei der Wahl der geeigneten Dosisstufen sollte der Prüfer alle vorliegenden Informationen berücksichtigen, einschließlich der Dosierungsinformationen aus früheren Versuchen, TK-Daten zu trächtigen und nicht trächtigen Tieren, das Ausmaß der Übertragung über die Muttermilch und die Schätzwerte für die menschliche Exposition. Falls toxikokinetische Daten vorliegen, die auf eine dosisbedingte Sättigung der toxikokinetischen Prozesse hindeuten, ist darauf zu achten, dass hohe Dosisstufen vermieden werden, die eindeutig eine hohe Sättigung aufweisen, natürlich nur unter der Voraussetzung, dass menschliche Expositionen möglichst deutlich unter dem Sättigungspunkt liegen. In solchen Fällen sollte die höchste Dosisstufe auf oder knapp über dem Wendepunkt zum Übergang zu nichtlinearem toxikokinetischem Verhalten liegen.

21.

Sind keine relevanten toxikokinetischen Daten verfügbar, sollten die Dosisstufen auf der Grundlage der toxischen Wirkungen gewählt werden, es sei denn, es bestehen Beschränkungen aufgrund der physikalisch-chemischen Beschaffenheit der Prüfsubstanz. Werden die Dosisstufen auf der Grundlage der Toxizität gewählt, ist die höchste Dosisstufe so anzusetzen, dass bei den Tieren zwar toxische Wirkungen, aber keine Todesfälle oder schwere Leiden hervorgerufen werden.

22.

Die Dosisstufen sind in absteigender Reihenfolge zu wählen, um etwaige dosisabhängige Wirkungen nachzuweisen und NOAEL-Werte oder Dosen an der Nachweisgrenze zu ermitteln, über die eine Benchmark-Dosis (BMD) für die empfindlichsten Endpunkte abgeleitet werden kann. Zwei- bis vierfache Abstände erweisen sich häufig als optimale Dosisabstufungen, um große Dosisstufenabstände zwischen NOAEL- und LOAEL-Werten zu vermeiden. Außerdem ist es oft besser, eine vierte Prüfgruppe einzurichten, statt zwischen den Dosen sehr große Abstände (z. B. mehr als × 10) zu verwenden.

23.

Bis auf die Behandlung mit der Prüfsubstanz sind die Tiere in der Kontrollgruppe genauso zu behandeln wie die Tiere in den Prüfgruppen. Diese Gruppe sollte eine unbehandelte oder scheinbehandelte Gruppe oder eine Vehikelkontrollgruppe sein, sofern ein Vehikel zur Verabreichung der Prüfsubstanz verwendet wird. Wird ein Vehikel verwendet, erhält die Kontrollgruppe das Vehikel im höchsten verwendeten Volumen.

Limit-Test

24.

Wenn in Versuchen mit wiederholter Verabreichung bei einer Dosis von mindestens 1 000 mg/kg Körpergewicht/Tag keine Anzeichen von Toxizität zu erkennen sind oder wenn aufgrund von Daten über struktur- und/oder stoffwechselverwandte Stoffe, die auf ähnliche In-vivo/In-vitro-Stoffwechseleigenschaften hindeuten, keine Toxizität zu erwarten ist, kann möglicherweise auf einen Versuch mit mehreren Dosisstufen verzichtet werden. In solchen Fällen könnte die EOGRTS-Prüfung mit einer Kontrollgruppe und mit einer einzelnen Dosis von mindestens 1 000 mg/kg Körpergewicht/Tag durchgeführt werden. Sollten jedoch bei dieser Grenzdosis Nachweise einer Reproduktions- oder Entwicklungstoxizität festgestellt werden, sind zur Ermittlung eines NOAEL-Wertes weitere Versuche bei niedrigeren Dosisstufen erforderlich. Das Kriterium des Limit-Tests findet jedoch nur Anwendung, wenn das Niveau der menschlichen Exposition keine höhere Dosisstufe erfordert.

VERFAHREN

Exposition der Nachkommen

25.

Die bevorzugte Verabreichungsmethode ist die Aufnahme über die Nahrung. Falls die Untersuchungen mit Schlundsonden durchgeführt werden, wird darauf hingewiesen, dass die Jungtiere die Prüfsubstanz in der Regel nur indirekt über die Milch erhalten, bis nach der Entwöhnung auch für sie die Direktverabreichung beginnt. Bei Futter- oder Trinkwasserversuchen erhalten die Jungtiere die Prüfsubstanz zusätzlich direkt, sobald sie während der letzten Woche der Laktationszeit beginnen, selbst zu fressen. Wenn zu wenig Prüfsubstanz in die Muttermilch übergeht und nicht nachwiesen werden kann, dass die Nachkommen kontinuierlich exponiert sind, sollte eine Änderung des Prüfplans in Betracht gezogen werden. In diesem Fall sollte auf der Grundlage vorliegender toxikokinetischer Erkenntnisse, der Toxizität bei den Nachkommen oder veränderter Biomarker bei Jungtieren während der Laktationszeit eine Direktverabreichung in Betracht gezogen werden (3) (4). Vor der Durchführung von Direktverabreichungsversuchen mit säugenden Jungtieren sind die Vor- und Nachteile sorgfältig gegeneinander abzuwägen (5).

Verabreichungszeitplan und Verabfolgung der Dosen

26.

Unter Umständen liegen aus früheren ausreichend langen Prüfungen mit wiederholter Verabreichung Informationen zum Östruszyklus, zur Histopathologie des männlichen und weiblichen Fortpflanzungsapparats und zur Analyse testikulärer/epididymaler Spermien vor. Daher soll bei der EOGRTS-Prüfung die Dauer der Behandlung vor der Paarung die Feststellung von Auswirkungen auf funktionale Veränderungen ermöglichen, die das Paarungsverhalten und die Fruchtbarkeit beeinträchtigen können. Die Behandlung vor der Paarung sollte so lange dauern, bis bei P-Männchen und P-Weibchen ein Expositionsgleichgewicht (Steady-State) erreicht ist. Eine zweiwöchige Behandlung vor der Paarung wird in den meisten Fällen für beide Geschlechter als angemessen angesehen. Bei Weibchen werden damit drei bis vier vollständige Östruszyklen abgedeckt, was genügen sollte, um etwaige Auswirkungen auf den Zyklus festzustellen. Bei männlichen Tieren entspricht dies der Zeit, die für den epididymalen Übergang der reifenden Spermien erforderlich ist; dieser Zeitraum sollte für die Feststellung posttestikulärer Auswirkungen auf Spermien (während der Endphasen der Spermiation und der epididymalen Spermienreifung) bei der Paarung ausreichen. Am Ende des Versuchs, d. h. der Zeitpunkt, für den die testikuläre und epididymale Histopathologie und die Analyse der Spermienparameter anberaumt sind, waren die P- und F1-Männchen zumindest für die Dauer eines vollständigen Spermatogeneseprozesses exponiert ((6) (7) (8) (9) und OECD Guidance Document Nr. 151 (40)).

27.

Die Expositionsszenarien für Männchen vor der Paarung könnten angepasst werden, wenn in früheren Untersuchungen nachweislich testikuläre Toxizität (Beeinträchtigung der Spermatogenese) oder Beeinträchtigungen der Integrität und Funktionsfähigkeit der Spermien festgestellt wurden. Gleichermaßen können auch bei Weibchen vor der Paarung andere Expositionsszenarien gerechtfertigt sein, wenn Auswirkungen der Prüfsubstanz auf den Östruszyklus und damit auf die Empfänglichkeit bekannt sind. In besonderen Fällen kann es unter Umständen akzeptabel sein, dass mit der Behandlung der P-Weibchen erst nach einem spermienpositiven Abstrich begonnen wird (siehe OECD Guidance Document Nr. 151 (40)).

28.

Sobald die Phase der Verabreichung vor der Paarung feststeht, sollten die Tiere bis zur Nekropsie nach einem 7 Tage/Woche-Schema mit der Prüfsubstanz behandelt werden. Allen Tieren sollte die Prüfsubstanz nach derselben Methode verabreicht werden. Die Verabreichung sollte während der zweiwöchigen Paarungszeit und — bei P-Weibchen — während der gesamten Trächtigkeitsdauer und Laktationsperiode bis zu ihrer Tötung am Tag nach dem Absetzen fortgeführt werden. Männchen sollten bis zu ihrer Tötung am Tag der Absetzung der F1-Tiere in derselben Weise zu behandeln. Bei der Nekropsie ist weiblichen Tieren Priorität einzuräumen; sie sollten am selben/einem ähnlichen Laktationstag seziert werden. Die Nekropsie der männlichen Tiere kann sich je nach Verfügbarkeit der Laboreinrichtungen über mehrere Tage erstrecken. Sofern mit der direkten Verabreichung der Prüfsubstanz nicht bereits während der Laktationsperiode begonnen wurde, sollte die Direktverabfolgung an ausgewählte F1-Männchen und F1-Weibchen am Tag des Absetzens beginnen und bis zur geplanten Nekropsie (je nach in Kohorteneinteilung) fortgesetzt werden.

29.

Bei über das Futter oder das Trinkwasser verabreichten Prüfsubstanzen ist unbedingt sicherzustellen, dass die Mengen der jeweiligen Prüfsubstanz den normalen Nährstoff- oder Wasserhaushalt nicht beeinträchtigen. Wird die Prüfsubstanz über die Nahrung verabreicht, kann entweder eine konstante Konzentration im Futter/Wasser (ppm) oder eine konstante Dosis, bezogen auf das Körpergewicht des Tieres, verwendet werden. Dabei ist anzugeben, welche Option gewählt wurde.

30.

Wird die Prüfsubstanz über eine Schlundsonde verabreicht, sollte die Menge der jeweils verabreichten Flüssigkeit grundsätzlich 1 ml/100 g Körpergewicht nicht übersteigen (0,4 ml/100 g Körpergewicht ist der Höchstwert für Öl, z. B. Maisöl). Außer bei reizenden oder ätzenden Stoffen, die in der Regel in höheren Konzentrationen eine verstärkte Wirkung hervorrufen, sollten Abweichungen bei den verabreichten Prüfsubstanzmengen minimiert werden, indem die Konzentration so angepasst wird, dass auf allen Dosisstufen ein konstantes Volumen gewährleistet ist. Die Behandlung sollte jeden Tag etwa zur gleichen Uhrzeit erfolgen. Die Dosis für jedes Tier sollte sich auf das aktuelle Körpergewichtstützen und ist bei adulten Männchen und nicht-trächtigen adulten Weibchen mindestens wöchentlich und bei trächtigen Weibchen und F1-Tieren alle zwei Tage anzupassen, wenn die Verabreichung vor dem Absetzen und während der zwei Wochen nach der Entwöhnung erfolgt. Falls toxikokinetische Daten auf eine schwache plazentare Übertragung der Prüfsubstanz hindeuten, muss die in der der letzten Trächtigkeitswoche über die Schlundsonde verabreichte Dosis unter Umständen angepasst werden, um die Verabreichung einer zu giftigen Dosis an das Muttertier zu verhindern. Weibliche Tiere sollten am Wurftag nicht mit einer Schlundsonde oder auf andere Weise behandelt werden, die eine Hantierung der Tiere erfordert; es ist besser, am Wurftag keine Prüfsubstanz zu verabreichen, als den Geburtsvorgang zu beeinträchtigen.

Paarung

31.

Jedes P-Weibchen sollte so lange einem einzigen nach dem Zufallsprinzip ausgewählten nicht verwandten Männchen aus derselben Dosisgruppe zugeführt werden (1:1-Paarung), bis die Kopulation nachweislich stattgefunden hat oder zwei Wochen abgelaufen sind. Falls nicht genügend Männchen vorhanden sind, weil männliche Tiere beispielsweise noch vor der Paarung gestorben sind, können Männchen, die bereits ein Weibchen gedeckt haben (1:1) mit einem zweiten Weibchen angepaart werden, damit alle Weibchen gedeckt werden. Tag 0 der Trächtigkeit wird als der Tag festgelegt, an dem die Deckung (durch Vaginalpfropf oder Spermaspuren) nachgewiesen werden kann. Die Tiere sind nach der nachweislichen Kopulation so bald wie möglich zu trennen. Falls nach zwei Wochen keine Paarung stattgefunden hat, sollten die Tiere ohne weitere Paarungsmöglichkeit getrennt werden. Begattungspaare sind in den Aufzeichnungen als solche zu vermerken.

Wurfgröße

32.

An PND 4 kann die Größe eines jeden Wurfs angepasst werden, indem überschüssige Jungtiere nach dem Zufallsprinzip aussortiert werden, um pro Wurf nach Möglichkeit fünf männliche und fünf weibliche Tiere zu erhalten. Die selektive Eliminierung von Jungtieren, z. B. auf der Grundlage des Körpergewichts, wird nicht empfohlen. Wenn es wegen der Anzahl männlicher bzw. weiblicher Jungtiere nicht möglich ist, pro Wurf jeweils fünf Jungtiere eines jeden Geschlechts zu erhalten, ist auch eine grobe Anpassung (beispielsweise sechs Männchen und vier Weibchen) akzeptabel.

Auswahl von Jungtieren für Untersuchungen nach der Entwöhnung (siehe Abbildung 1)

33.

Zum Zeitpunkt der Entwöhnung (um PND 21) werden aus allen verfügbaren Würfen bis zu 20 Jungtiere pro Dosis- und Kontrollgruppe für weitere Untersuchungen ausgewählt und bis zur Geschlechtsreife gehalten (sofern keine früheren Tests erforderlich sind). Die Jungtiere werden nach dem Zufallsprinzip ausgewählt, wobei offensichtliche Kümmerlinge (Tiere mit mehr als zwei Standardabweichungen unter dem mittleren Jungtiergewicht des betreffenden Wurfes) grundsätzlich nicht einbezogen werden, da sie für die Behandlungsgruppe kaum repräsentativ sind.

An PND 21 werden die ausgewählten F1-Jungtiere nach dem Zufallsprinzip in eine der drei folgenden Tierkohorten eingeteilt:

Kohorte 1 (1A und 1B) = Testung auf Reproduktions-/Entwicklungstoxizität,

Kohorte 2 (2A und 2B) = Testung auf Entwicklungsneurotoxizität,

Kohorte 3 = Testung auf Entwicklungsimmuntoxizität.

Kohorte 1A : Ein Männchen und ein Weibchen pro Wurf/Gruppe (20 pro Geschlecht/Gruppe): prioritäre Auswahl für die primäre Untersuchung der Auswirkungen auf die Fortpflanzungsorgane und der allgemeinen Toxizität.

Kohorte 1B : Ein Männchen und ein Weibchen pro Wurf/Gruppe (20 pro Geschlecht/Gruppe): prioritäre Auswahl für Folgeuntersuchungen der Reproduktionsleistung durch Paarung von F1-Tieren (siehe OECD Guidance Document Nr. 117 (39)) und zur Generierung zusätzlicher histopathologischer Daten in Fällen mutmaßlich reproduktionstoxischer oder endokrin wirksamer Stoffe oder wenn Ergebnisse für Kohorte 1A unschlüssig sind.

Kohorte 2A : Insgesamt 20 Jungtiere pro Gruppe (10 Männchen und 10 Weibchen pro Gruppe; ein Männchen oder ein Weibchen pro Wurf), eingeteilt für Untersuchungen neurologisch bedingten Verhaltens mit anschließender neurohistopathologischer Untersuchung im adulten Alter.

Kohorte 2B : Insgesamt 20 Jungtiere pro Gruppe (10 Männchen und 10 Weibchen pro Gruppe; ein Männchen oder ein Weibchen pro Wurf), eingeteilt für neurohistopathologische Untersuchungen am Tag des Absetzens (PND 21 oder 22). Wenn nicht genügend Tiere vorhanden sind, sollten Tiere vorrangig der Kohorte 2A zugewiesen werden.

Kohorte 3 : Insgesamt 20 Jungtiere pro Gruppe (10 Männchen und 10 Weibchen pro Gruppe; ein Männchen oder ein Weibchen pro Wurf, soweit möglich). Unter Umständen werden zusätzliche Jungtiere aus der Kontrollgruppe benötigt, die im TDAR-Assay (T-Zell-abhängige Antikörperantwort) an PND 56 ± 3 Tage als positive Kontrolltiere dienen.

34.

Sollte ein Wurf nicht genügend Tieren umfassen, um alle Kohorten zu bedienen, so wird Kohorte 1 Vorrang eingeräumt, da sie zur Produktion einer F2-Generation erweitert werden kann. Zusätzliche Jungtiere können bei speziellem Bedarf, z. B. wenn es sich bei einer Chemikalie möglicherweise um ein Neurotoxin, ein Immuntoxin oder ein Reproduktionstoxin handelt, jeder beliebigen Kohorte zugewiesen werden. Diese Jungtiere können für Untersuchungen zu anderen Zeitpunkten oder ergänzender Endpunkte verwendet werden. Jungtiere, die keinen Kohorten zugeteilt werden, werden klinisch und biochemisch (Nummer 55) untersucht und seziert (Nummer 68) untersucht.

Zweite Paarung von P-Tieren

35.

Eine zweite Paarung wird für P-Tiere in der Regel nicht empfohlen, denn sie geht mit dem Verlust wichtiger Informationen über die Zahl der Implantationsstellen (und somit Angaben über Abgänge nach der Implantation und über perinatale Abgängen — Indikatoren eines teratogenen Potenzials) für den ersten Wurf einher. Wirkungen in exponierten weiblichen Tieren ließen sich durch eine Erweiterung der Prüfung durch Paarung der F1-Generation leichter bestätigen oder klären. Eine zweite Paarung der P-Männchen mit unbehandelten weiblichen Tieren ist jedoch stets eine Möglichkeit, um unschlüssige Ergebnisse zu klären oder um bei der ersten Paarung festgestellte Auswirkungen auf die Fruchtbarkeit näher zu charakterisieren.

BEOBACHTUNGEN AM LEBENDEN TIER

Klinische Beobachtungen

36.

Bei den P-Tieren und den ausgewählten F1-Tieren wird einmal täglich eine allgemeine klinische Untersuchung vorgenommen. Bei Verabreichung der Prüfsubstanz über eine Schlundsonde sind die klinischen Beobachtungen (auf mögliche Toxizitätsanzeichen, die Plasmakonzentrationsspitzen zugeordnet werden) vor und nach der Verabreichung vorzunehmen. Pertinente Verhaltensänderungen, Anzeichen für eine schwierige oder langwierige Geburt und alle Toxizitätsanzeichen werden festgehalten. Zweimal täglich — am Wochenende einmal täglich — werden alle Tiere auf Anzeichen von schwerer Toxizität, Morbidität und Mortalität untersucht.

37.

Darüber hinaus werden alle P- und F1 -Tiere (nach dem Entwöhnen) einmal wöchentlich eingehender untersucht; diese Untersuchung könnte praktischerweise durchgeführt werden, wenn das Tier gewogen wird, um den umgangsbedingten Stress auf ein Mindestmaß zu reduzieren. Die Untersuchungen sind sorgfältig durchzuführen und nach einer speziell vom Prüflabor entwickelten Bewertungsskala zu dokumentieren. Die Testbedingungen sollten möglichst konstant sein. Die festzuhaltenden Anzeichen umfassen, ohne darauf beschränkt zu sein, u. a. Veränderungen an Haut, Fell, Augen, Schleimhäuten sowie Sekrete und Exkretionen und autonome Körperfunktionen (wie Tränensekretion, Piloerektion, Pupillenveränderung, ungewöhnliche Atmungsmuster). Gang- und Haltungsstörungen, Reaktionen auf Berührungen sowie etwaige klonisch-tonische Anfälle, stereotype Verhaltensweisen (z. B. übermäßiges Putzen, wiederholte Kreisbewegungen) oder abnormes Verhalten (z. B. Selbstverstümmelung, Rückwärtsgehen) sollten ebenfalls dokumentiert werden.

Körpergewicht und Futter-/Trinkwasseraufnahme

38.

P-Tiere werden am ersten Tag der Verabreichung der Prüfsubstanz und danach mindestens einmal wöchentlich gewogen. Darüber hinaus werden P-Weibchen während der Laktation an denselben Tagen gewogen wie die Jungtiere in ihren Würfen (siehe Nummer 44). Alle F1-Tiere werden am Tag des Absetzens (PND 21) und danach mindestens einmal wöchentlich einzeln gewogen. Das Körpergewicht wird auch an dem Tag aufgezeichnet, an dem die Pubertät eintritt (Abschluss der Präputialseparation oder Öffnung der Vagina). Alle Tiere werden bei der Tötung gewogen.

39.

Im Laufe des Versuchs werden Futter- und Wasseraufnahme (bei Verabreichung der Prüfsubstanz im Trinkwasser) mindestens einmal wöchentlich stets an denselben Tagen gemessen und erfasst, an denen auch das Körpergewicht gemessen und dokumentiert wird (außer während der Kohabitation). Die Futteraufnahme der F1-Tiere jedes Käfigs wird ab der Einteilung in eine Kohorte einmal wöchentlich dokumentiert.

Östruszyklen

40.

Es existieren möglicherweise bereits vorläufige Informationen über die Auswirkungen der Prüfsubstanz auf den Östruszyklus aus früheren Prüfungen auf Toxizität bei wiederholter Verabreichung, die zur Festlegung eines prüfsubstanzspezifischen Protokolls für die EOGRTS-Prüfung herangezogen werden können. In der Regel beginnt die Bewertung der weiblichen Zyklizität (durch Vaginalzytologie) zu Beginn des Behandlungszeitraums und wird bis zur Paarungsbestätigung bzw. bis zum Ende der zweiwöchigen Paarungszeit fortgesetzt. Falls weibliche Tiere vor der Behandlung auf einen normalen Östruszyklus hin untersucht wurden, ist es zweckdienlich, die Abstriche auch nach Beginn der Behandlung fortzusetzen; wenn jedoch zu Beginn der Behandlung Bedenken in Bezug auf unspezifische Auswirkungen bestehen (beispielsweise eine beginnende ausgeprägte Futterverweigerung), kann den Tieren bis zu zwei Wochen Zeit gelassen werden, um sich der Behandlung anzupasen, bevor die zweiwöchige Abstrichperiode anläuft, die der Paarung vorausgeht. Wenn die Behandlungszeit für die weiblichen Tiere auf diese Art und Weise (d. h. auf eine vierwöchige Behandlung vor der Paarung) verlängert wird, sollte der Erwerb jüngerer Tiere und die Verlängerung des Behandlungszeitraums für männliche Tiere vor der Paarung in Erwägung gezogen werden. Bei der Entnahme vaginaler/zervikaler Zellen ist sorgfältig darauf zu achten, dass die Schleimhaut nicht gereizt und infolgedessen eine Pseudogravidität eingeleitet wird (10) (11).

41.

Vaginalabstriche sind bei allen F1-Weibchen in der Kohorte 1A nach beginnender Öffnung der Vagina bis zur Erfassung des ersten verhornten Abstrichs täglich zu untersuchen, um den zeitlichen Abstand zwischen diesen beiden Ereignissen zu bestimmen. Außerdem sollten die Östruszyklen bei allen F1-Weibchen in Kohorte 1A über einen Zeitraum von zwei Wochen, etwa ab PND 75, überwacht werden. Sollte sich die Paarung der F1-Generation als nötig erweisen, wird die Vaginalzytologie in Kohorte 1B vom Zeitpunkt der Paarung an bis zur nachweislichen Deckung überwacht.

Deckung und Gravidität

42.

Zusätzlich zu den Standardendpunkten (z. B. Körpergewicht, Futteraufnahme, klinische Beobachtungen, einschließlich Mortalitäts-/Morbiditätskontrollen) werden die Zeitpunkte der Paarung, der Befruchtung und der Geburt aufgezeichnet und das präkoitale Intervall (Paarung bis Befruchtung) sowie die Dauer der Gravidität (Befruchtung bis Geburt) berechnet. Die P-Weibchen sind zum Zeitpunkt des voraussichtlichen Partus sorgfältig auf Anzeichen von Dystokie zu untersuchen. Alle Abnormitäten beim Nistverhalten oder bei der Säugeleistung sind zu dokumentieren.

43.

Der Wurftag ist für das Muttertier Laktationstag (LD) 0 und für die Nachkommen der postnatale Tag (PND) 0. Alternativ dazu können auch die Tage nach der Kopulation herangezogen werden, um Fehler bei den Daten über die postnatale Entwicklung zu vermeiden, die auf Unterschiede bei der Trächtigkeitsdauer zurückzuführen sind; die Zeit nach der Geburt ist jedoch ebenfalls zu dokumentieren. Dies ist vor allem wichtig, wenn sich die Prüfsubstanz auf die Trächtigkeitsdauer auswirkt.

Parameter für die Nachkommen

44.

Jeder Wurf ist so bald wie möglich nach der Geburt (PND 0 oder 1) zu untersuchen, um die Anzahl und Geschlecht der Jungtiere, Totgeburten, Lebendgeburten und etwaige grobe Anomalien (extern sichtbare Abnormalitäten, einschließlich Gaumenspalten; subkutane Hämorrhagien; anormale Hautfarbe oder Hautbeschaffenheit; Vorhandensein der Nabelschnur; Abwesenheit von Milch im Magen; Präsenz von trockener Absonderungen) festzustellen. Darüber hinaus sollte die erste klinische Untersuchung der Neugeborenen auch eine qualitative Beurteilung der Körpertemperatur, des Bewegungsmusters und der Reaktion auf Berührungen beinhalten. Jungtiere, die am PND 0 oder zu einem späteren Zeitpunkt tot aufgefunden werden, sind auf mögliche Defekte und auf die Todesursache hin zu untersuchen. Lebende Jungtiere werden am PND 0 oder 1 gezählt und danach regelmäßig, mindestens jedoch an PND 4, 7, 14 und 21, einzeln gewogen. Klinische Untersuchungen, die je nach dem Alter der Tiere durchzuführen sind, sollten wiederholt werden, wenn die Nachkommen gewogen werden, oder auch öfter, wenn bei ihrer Geburt fallspezifische Befunde festgestellt wurden. Zu achten ist insbesondere auf Veränderungen an Haut, Fell, Augen und Schleimhäuten, auf Absonderungen und Ausscheidungen sowie autonome Körperfunktionen. Gang- und Haltungsstörungen sowie Reaktionen auf Berührungen und etwaige klonisch-tonische Anfälle, stereotype oder bizarre Verhaltensweisen sind ebenfalls zu dokumentieren.

45.

Der anogenitale Abstand (AGD) sollte bei jedem Jungtier mindestens einmal (zwischen PND 0 und PND 4) gemessen werden. Das Körpergewicht des Jungtiers wird am Tag der Messung des AGD erfasst, der auf Jungtiergröße — vorzugsweise die Quadratwurzel des Körpergewichts — genormt sein sollte (12). Das Vorhandensein von Brustwarzen/Warzenhöfen bei männlichen Jungtieren ist am PND 12 oder 13 zu kontrollieren.

46.

Alle ausgewählten F1-Tiere werden täglich auf Vorhaut-Eichel-Trennung bei männlichen Tieren bzw. Öffnung der Vagina bei weiblichen Tieren untersucht, und zwar vor dem Tag, an dem das Erreichen dieser Endpunkte erwartet wird, um festzustellen, ob die Geschlechtsreife eventuell früh eintritt. Alle Abnormalitäten der Geschlechtsorgane (wie persistente Vaginalfilamente, Hypospadie oder Spaltpenis) sind festzuhalten. Die Geschlechtsreife der F1-Tiere wird mit der körperlichen Entwicklung verglichen, indem Alter und Körpergewicht zum Zeitpunkt der Vorhaut-Eichel-Trennung bei männlichen Tieren bzw. der Öffnung der Vagina bei weiblichen Tieren bestimmt werden (13).

Bewertung der potenziellen Entwicklungsneurotoxizität (Kohorten 2A und 2B)

47.

Für Bewertungen der Neurotoxizität sind aus jeder Behandlungsgruppe zehn männliche und zehn weibliche Tiere der Kohorte 2A sowie zehn männliche und zehn weibliche Tiere der Kohorte 2B zu verwenden (für jede Kohorte: ein männliches oder ein weibliches Tier pro Wurf; alle Würfe müssen durch mindestens ein nach dem Zufallsprinzip ausgewähltes Jungtier vertreten sein). Tiere der Kohorte 2A sind FOB-Tests (Functional Observational Battery) sowie Untersuchungen auf akustische Schreckreaktion und motorische Aktivität (siehe Nummern 48-50) sowie neuropathologischen Tests (siehe Nummern 74-75) zu unterziehen. Dabei ist nach Möglichkeit sicherzustellen, dass die Prüfbedingungen möglichst wenig variieren und dass diese Variationen nicht systematisch mit der Behandlung zusammenhängen. Zu den Variablen, die das Verhalten beeinflussen können, gehören Geräuschpegel (beispielsweise intermittierender Lärm), Temperatur, Feuchtigkeit, Beleuchtung, Gerüche, Tageszeit und Ablenkungen aus der Umgebung. Die Ergebnisse der Neurotoxizitätstests sind bezogen auf entsprechende historische Kontrollreferenzbereiche auszulegen. Tiere der Kohorte 2B sollten an PND 21 oder 22 neuropathologisch untersucht werden (siehe Nummern 74-75).

48.

Ein Test auf akustische Schreckreaktion sollte am PND 24 (± 1 Tag) mit Tieren der Kohorte 2A durchgeführt werden. Die Untersuchung der Behandlungsgruppe und der Kontrollgruppe ist ausgewogen über den Tag zu verteilen. Jede Testreihe umfasst 50 Prüfungen. Bei diesen Tests wird die mittlere Reaktionsamplitude für jeden Block von 10 Prüfungen (5 Blöcke mit je 10 Prüfungen) berechnet, dessen Prüfbedingungen optimiert wurden, um während der Testreihe Habituation zu erzeugen. Diese Verfahren sollten mit der Prüfmethode B.53 (35) übereinstimmen.

49.

Zu einem geeigneten Zeitpunkt zwischen PND 63 und PND 75 werden die Tiere der Kohorte 2A einem FOB-Test und einem automatisierten Motoriktest unterzogen. Diese Verfahren sollten mit den Prüfmethoden B.43 (33) und B.53 (35) übereinstimmen. Der FOB-Test beinhaltet eine ausführliche Beschreibung des äußeren Erscheinungsbildes, des Verhaltens und der funktionalen Integrität des Versuchstiers. Diese Bewertungen beruhen auf Beobachtungen im Haltungskäfig, in einem Standardgehege (offenes Feld), in dem sich das Tier frei bewegen kann, sowie durch Manipulationstests. Die Untersuchungen sollten in aufsteigender Reihenfolge der Interaktivität durchgeführt werden. Anhang 1 enthält eine Liste von Maßnahmen. Alle Tiere sollten von geschulten Beobachtern untersucht werden, denen die Behandlungsphase des jeweiligen Tieres nicht bekannt ist. Dabei sind standardisierte Verfahren anzuwenden, um beobachterbedingte Abweichungen auf ein Mindestmaß zu begrenzen. Nach Möglichkeit sollten die Tiere in einem bestimmten Test stets durch denselben Beobachter untersucht werden. Falls dies nicht möglich ist, ist die Zuverlässigkeit bei verschiedenen Beobachtern auf andere Weise nachzuweisen. Für jeden Parameter der Verhaltensprüfbatterie sind Skalen und Bewertungskriterien zu verwenden, deren Anwendung genau festgelegt ist. Nach Möglichkeit sind für Beobachtungsendpunkte, die subjektive Einstufungen beinhalten, objektive quantitative Messungen durchzuführen. In Bezug auf die Motorik wird jedes Tier einzeln getestet. Die Testreihe sollte so lange dauern, bis bei Kontrollen eine Habituation innerhalb der Testreihe nachgewiesen werden kann. Die Motorik sollte mithilfe eines automatischen Bewegungsmessgeräts untersucht werden, das in der Lage ist, sowohl eine Zunahme als auch ein Nachlassen der Bewegung zu erfassen (d. h., die vom Gerät gemessene Basisbewegung sollte weder so schwach sein, dass dadurch die Erfassung eines Nachlassen der Bewegung unmöglich wird, noch so stark, dass Bewegungszunahmen nicht erfasst werden können). Jedes einzelne Gerät sollte im Rahmen standardisierter Verfahren geprüft worden sein, um bei Einsatz mehrerer Geräte über mehrere Tage eine möglichst hohe Betriebssicherheit zu gewährleisten. Die Behandlungsgruppen sollten so weit wie möglich gleichmäßig auf die Geräte verteilt werden. Die Untersuchung Beobachtung der Behandlungsgruppen sollte über den Tag verteilt werden, um zirkadianen Aktivitätsrhythmus zu berücksichtigen.

50.

Falls vorhandene Informationen auf die Notwendigkeit hindeuten, weitere funktionelle Tests durchzuführen (z. B. sensorische, soziale oder kognitive Tests), sind diese zu berücksichtigen, ohne die Integrität der anderen durchgeführten Untersuchungen zu beeinträchtigen. Falls diese Tests an denselben Tieren durchgeführt werden, die auch für den Standardtest auf akustische Schreckreaktion, den FOB-Test und den Motoriktest verwendet wurden, sind andere Tests einzuplanen, um das Risiko, dass die Integrität dieser Tests beeinträchtigt wird, auf ein Mindestmaß zu begrenzen. Zusätzliche Prüfverfahren können insbesondere dann sinnvoll sein, wenn die empirische Beobachtung, die erwarteten Wirkungen oder der Wirkmechanismus/die Wirkungsweise auf eine bestimmte Art von Neurotoxizität hindeuten.

Bewertung einer potenziellen Entwicklungsimmuntoxizität (Kohorte 3)

51.

Am postnatalen PND 56 (± 3 Tage) sollten aus jeder Behandlungsgruppe zehn männliche und zehn weibliche Tiere der Kohorte 3 (ein männliches oder ein weibliches Tier pro Wurf; alle Würfe müssen durch mindestens ein nach dem Zufallsprinzip ausgewähltes Jungtier vertreten sein) im Einklang mit den aktuellen Immuntoxizitätstestverfahren (14) (15) einem Test auf T-Zell-abhängige Antikörperantwort (d. h. auf primäre IgM-Antikörperantwort auf ein T-Zell-abhängiges Antigen, wie zum Beispiel rote Blutkörperchen von Schafen oder Schlitzschnecken-Hämocyanin (KLH)) unterzogen werden. Die Reaktion kann bestimmt werden durch Zählung spezifischer plaquebildender Zellen (PFC) in der Milz oder durch Bestimmung des Titerwertes für SRBC- oder KLH-spezifische IgM-Antikörper im Serum mittels ELISA-Test auf dem Höhepunkt der Reaktion. Die Maximalreaktionen lassen sich in der Regel vier (PFC-Reaktion) oder fünf (ELISA-Test) Tage nach der intravenösen Beimpfung festzustellen. Wird die primäre Antikörperreaktion durch Auszählen der plaquebildenden Zellen bestimmt, so ist die Bewertung von Untergruppen von Tieren an getrennten Tagen zulässig, sofern die Immunisierung der Untergruppe und die Tötung der Tiere zeitlich so geplant sind, dass die plaquebildenden Zellen zum Zeitpunkt der Höchstreaktion gezählt werden, die Untergruppen aus ebenso vielen männlichen wie weiblichen Nachkommen aller Dosisgruppen, einschließlich Kontrolltieren, bestehen und die Tiere der Untergruppen ungefähr im selben postnatalen Alter untersucht werden.Die Exposition gegenüber der Prüfsubstanz wird bis zum Tag vor der Entnahme der Milz zur Bestimmung der PFC-Reaktion oder des Serums für den ELISA-Test fortgesetzt.

Folgeuntersuchung auf potenzielle Reproduktionstoxizität (Kohorte 1B)

52.

Tiere der Kohorte 1B können gegebenenfalls auch nach PND 90 weiterbehandelt und gezüchtet werden, um erforderlichenfalls eine F2-Generation zu produzieren. Männliche und weibliche Tiere derselben Dosisgruppen sind ab oder nach PND 90 bis zu zwei Wochen lang, allerdings nicht über PND 120 hinaus, zusammenzuführen (wobei die Paarung von Geschwistern zu vermeiden ist). Es sollten genau so vorgegangen werden wie bei den P-Tieren. Sofern dies nachgewiesen weren kann, reicht es jedoch unter Umständen jedoch aus, die Würfe an PND 4 zu töten, statt sie bis zur Entwöhnung oder darüber hinaus weiter zu untersuchen.

ABSCHLIESSENDE BEOBACHTUNGEN

Klinisch-biochemische/Hämatologische Untersuchungen

53.

Systemische Wirkungen in P-Tieren sollten überwacht werden. An einer vorgegebenen Stelle werden von zehn nach dem Zufallsprinzip ausgewählten P-Männchen und -Weibchen pro Dosisgruppe am Versuchsende Nüchternblutproben entenommen, unter angemessenen Bedingungen gelagert und teilweise oder vollständig hämatologischen, klinischen, bio-chemischen Untersuchungen, einer T4- und TSH-Analyse oder anderen Tests unterzogen, die aufgrund des bekannten Wirkungsprofils der Prüfsubstanz naheliegen (siehe OECD Guidance Document Nr. 151 (40)). Die folgenden hämatologischen Parameter sollten dabei untersucht werden: Hämatokrit, Hämoglobinkonzentration, Erythrozytenzahl, Gesamt- und Differential-Leukozytenzahl, Thrombozytenzahl und Blutgerinnungszeit/-fähigkeit. Die Plasma- oder Serumuntersuchungen sollten Folgendes umfassen: Glucose, Gesamtcholesterin, Harnstoff, Kreatinin, Gesamtprotein und Albumin sowie mindestens zwei Enzyme, die auf hepatozelluläre Wirkungen schließen lassen (wie Alanin-Aminotransferase, Aspartat-Aminotransferase, alkalische Phosphatase, γ-Glutamyltranspeptidase und Glutamatdehydrogenase). Die Bestimmung weiterer Enzyme und Gallensäuren kann unter bestimmten Umständen ebenfalls wertvolle Hinweise liefern. Darüber hinaus können Blutproben von allen Tieren entnommen und für eine spätere Analyse aufbewahrt werden, um unschlüssige Wirkungsergebnisse zu klären oder interne Expositionsdaten zu generieren. Ist keine zweite Paarung der P-Tiere beabsichtigt, werden die Blutproben unmittelbar vor oder bei der geplanten Tötung der Tiere gezogen. Falls Tiere behalten werden, sind die Blutproben einige Tage vor der zweiten Paarung der Tiere zu ziehen. Sofern aus vorliegenden Daten aus Untersuchungen mit wiederholter Verabreichung nicht hervorgeht, dass der Parameter nicht durch die Prüfsubstanz beeinträchtigt wird, sollten vor Abschluss der Studie eine Urinuntersuchung durchgeführt und die folgenden Parameter bewertet werden: Aussehen, Volumen, Osmolalität oder Dichte, pH-Wert, Protein, Glucose, Blut und Blutzellen, Zelltrümmer. Urin kann auch gesammelt werden um die Ausscheidung der Prüfsubstanz und/oder Metaboliten zu überwachen.

54.

Systemische Wirkungen sind auch in F1-Tieren zu überwachen. Von zehn nach dem Zufallsprinzip ausgewählten Männchen und Weibchen der Kohorte 1A pro Dosisgruppe werden am Versuchsende an einer vorgegebenen Stelle Nüchternblutproben entnommen, unter angemessenen Bedingungen gelagert und klinischen bio-chemischen Standarduntersuchungen, einschließlich einer Bewertung der Serumspiegel auf Schilddrüsenhormone (T4- und TSH), hämatologischen Untersuchungen (Gesamt- und Differenzialleukozytenzahl) sowie Urinuntersuchungen unterzogen.

55.

Die an PND 4 überzähligen Jungtiere werden makroskopisch untersucht, wobei erwogen werden kann, die Konzentration der Schilddrüsenhormone (T4) im Serum zu bestimmen. Erforderlichenfalls können nach Würfen Blutproben Neugeborener (PND 4) für biochemische Analysen und zur Bestimmung der Konzentration der Schilddrüsenhormone gepoolt werden. Blutproben für die T4- und TSH-Analyse wird außerdem von gerade entwöhnten Tieren gezogen, die am PND 22 makroskopisch untersucht werden (F1-Jungtiere, die nicht für Kohorten ausgewählt werden).

Spermienparameter

56.

Spermienparameter sollten in allen männlichen Tieren der P-Generation gemessen werden, sofern keine Daten vorliegen, die nachweisen, dass Spermienparameter in einem 90-Tage-Versuch nicht beeinträchtigt werden. Die Untersuchung der Spermienparameter sollte bei allen männlichen Tieren der Kohorte 1A durchgeführt werden.

57.

Bei Versuchsabschluss wird für alle männlichen P- und F1-Tieren (Kohorte 1A) das Gewicht der Hoden und Nebenhoden aufgezeichnet. Mindestens ein Hoden und ein Nebenhoden werden für die histopathologische Untersuchung konserviert. Der verbleibende Nebenhoden wird zur Auszählung von Spermienreserven im Nebenhodenschwanz (Cauda epididymis) (16) (17) verwendet. Darüber hinaus werden Spermien aus dem Nebenhodenschwanz bzw. aus dem Samenleiter (Vas deferens) mithilfe von Methoden gewonnen, die Schäden für die Bewertung der Motilität und Morphologie der Spermien auf ein Mindestmaß begrenzen (18).

58.

Die Spermienmotilität kann entweder unverzüglich nach der Tötung bewertet oder für eine spätere Analyse aufgezeichnet werden. Der Anteil der progressiv beweglichen Spermien könnte entweder subjektiv oder mithilfe einer computergestützten Bewegungsanalyse objektiv bestimmt werden (19) (20) (21) (22) (23) (24). Für die Bewertung der Morphologie der Spermien sollte eine Spermienprobe aus dem Nebenhoden (oder aus dem Samenleiter) als Fest- oder Feuchtpräparat (25) untersucht werden, wobei mindestens 200 Spermien pro Probe entweder als normal (sowohl Kopf als auch Mittelstück/Schwanz erscheinen normal) oder abnormal einzustufen sind. Morphologische Abnormalitäten der Spermien wären beispielsweise die Verschmelzung von Köpfen, isolierte Köpfe und Kopf- und/oder Schwanzmissbildungen (26). Missgebildete oder große Spermienköpfe können auf Störungen bei der Spermiation hindeuten.

59.

Werden zum Zeitpunkt der Sektion Spermienproben eingefroren, Abstriche fixiert und Bilder zur Analyse der Spermienmotilität dokumentiert (27), kann die anschließende Analyse auf männliche Tiere der Kontrollgruppe und der Hochdosisgruppe beschränkt werden. Werden jedoch behandlungsbezogene Wirkungen beobachtet, sind auch die niedrigeren Dosisgruppen zu bewerten.

Makroskopische Untersuchung

60.

Bei Versuchsende oder bei vorzeitigem Tod werden alle P- und F1-Tiere seziert und makroskopisch auf etwaige strukturelle Abnormalitäten oder pathologische Veränderungen hin untersucht. Dabei ist besonders auf die Organe des Fortpflanzungssystems zu achten. Jungtiere, die in moribundem Zustand auf humane Weise getötet werden, und tote Jungtiere sind zu dokumentieren und sollten — wenn sie nicht mazeriert werden — auf mögliche Defekte und/oder die Ursache des Todes untersucht und konserviert werden.

61.

Bei adulten P- und F1-Weibchen ist am Tag der Sektion ein Vaginalabstrich zu untersuchen, um das Stadium des Östruszyklus zu bestimmen und eine Korrelation zur histopathologischen Untersuchung der Fortpflanzungsorgane zu ermöglichen. Die Uteri aller P-Weibchen (und gegebenenfalls auch aller F1-Weibchen) sind so auf Vorhandensein und Anzahl von Implantationsstellen zu untersuchen, dass die histopathologische Bewertung nicht beeinträchtigt wird.

Wiegen der Organe und Konservation von Gewebe -P-Tiere und adulte F1 -Tiere

62.

Bei Versuchsende werden von allen P-Tieren und von allen adulten F1-Tieren der relevanten (nachstehend angeführten) Kohorten möglichst bald nach der Sektion Körpergewicht und Nassgewicht der nachstehend angeführten Organe bestimmt, um Austrocknen zu vermeiden. Die genannten Organe sind anschließend unter geeigneten Bedingungen zu konservieren. Sofern keine anderslautenden Vorgaben vorliegen, können paarige Organe einzeln oder zusammen entsprechend der üblichen Praxis des ausführenden Labors gewogen werden.

 Uterus (mit Ovidukten und Zervix), Ovarien;

 Hoden, Nebenhoden (Gesamt und Nebenhodenschwanz für die zur Spermienauszählung verwendeten Proben);

 Prostata (dorsolaterale und ventrale Teile zusammen). Bei der Entfernung der anhaftenden Gewebe von der Prostata ist sorgfältig darauf zu achten, dass die mit Flüssigkeit gefüllten Samenbläschen nicht perforiert werden. Wirkte sich die Behandlung auf das Gesamtgewicht der Prostata aus, sind die dorsolateralen und ventralen Segmente nach ihrer Fixierung sorgfältig zu sezieren und separat zu wiegen;

 Samenbläschen mit Koagulationsdrüsen und ihre Flüssigkeiten (als eine Einheit);

 Gehirn, Leber, Nieren, Herz, Milz, Thymusdrüse, Hypophyse, Schilddrüse (nach Fixierung), Nebennieren sowie bekannte Zielorgane oder -gewebe.

63.

Zusätzlich zu den oben angeführten Organen sollten auch Proben des peripheren Nervengewebes, der Muskeln, des Rückenmarks, des Auges mit Sehnerv, des Magen-Darm-Trakts, der Harnblase, der Lunge, der Trachea (mit anhaftender Schilddrüse und Nebenschilddrüse), des Knochenmarks, des Samenleiters (bei männlichen Tieren), der Brustdrüse (bei männlichen und weiblichen Tieren) und der Vagina unter geeigneten Bedingungen zu konservieren.

64.

Bei Tieren der Kohorte 1A sind alle Organe zu wiegen und für die histopathologische Untersuchung zu konservieren.

65.

Für die Ermittlung prä- und postnatal induzierter immuntoxischer Wirkungen sind zehn männliche und zehn weibliche Tiere der Kohorte 1A einer jeden Behandlungsgruppe (ein Männchen oder ein Weibchen pro Wurf; alle Würfe werden durch mindestens ein nach dem Zufallsprinzip ausgewählten Jungtier repräsentiert) bei Versuchsende den folgenden Untersuchungen zu unterziehen:

 Wiegen der (regionären) Lymphknoten entlang des Expositionswegs und der überregionären Lymphknoten (zusätzlich zum Gewicht der Nebennieren, des Thymus und der Milz, das bereits für alle Tiere der Kohorte 1A bestimmt wurde);

 Untersuchung einer Hälfte der Milz auf Lymphozytensubpopulation in der Milz (T-Lymphozyten CD4+ und CD8+, B-Lymphozyten und natürliche Killerzellen); die andere Milzhälfte wird für die histopathologische Auswertung konserviert.

Die Analyse der Lymphozytensubpopulationen in der Milz nicht immunisierter Tiere (Kohorte 1A) zeigt, ob die Exposition mit einer Veränderung der immunologischen Steady-State-Verteilung von „Helferzellen“ (CD4+) oder von zytotoxischen T-Lymphozyten (CD8+) oder von natürlichen Killerzellen (NK) (schnelle Reaktionen auf neoplastische Zellen und Pathogene) zusammenhängt.

66.

Bei Tieren der Kohorte 1B sollten die folgenden Organe gewogen und die entsprechenden Gewebe zum Blockstadium umgewandelt werden:

 Vagina (nicht gewogen),

 Uterus mit Zervix,

 Ovarien,

 Hoden (zumindest einer),

 Nebenhoden,

 Samenbläschen und Koagulationsdrüsen,

 Prostata,

 Hypophyse,

 vorgesehene Zielorgane.

Histopathologische Untersuchungen von Kohorte 1B sollten dann durchgeführt werden, wenn die Ergebnisse der Kohorte 1A unschlüssig sind oder ein Verdacht auf Reproduktionstoxine oder endokrine Disruptoren besteht.

67.

Kohorten 2A und 2B: Tests auf Entwicklungsneurotoxizität (PND 21 oder PND 22 sowie adulte Nachkommen). Tiere der Kohorte 2A werden nach den Verhaltenstests getötet, das Gewicht ihres Gehirns wird aufgezeichnet und sie werden zur Bewertung der Neurotoxizität vollständig neurohistopathologisch untersucht. Tiere der Kohorte 2B werden am PND 21 oder PND 22 getötet; das Gewicht ihres Gehirns wird aufgezeichnet und das Gehirn wird zur Bewertung der Neurotoxizität mikroskopisch untersucht. Für Tiere der Kohorte 2A und optional für Tiere der Kohorte 2B ist eine Perfusionsfixierung im Sinne der Prüfmethode B.53 (35) erforderlich.

Wiegen der Organe und Konservierung von Gewebe — entwöhnte F1-Tiere

68.

Nicht für die Kohorten ausgewählte Jungtiere, einschließlich Kümmerlinge, werden nach dem Absetzen an PND 22 getötet, sofern die Ergebnisse nicht darauf hindeuten, dass weitere Beobachtungen an lebenden Tieren erforderlich sind. Getötete Jungtiere werden seziert und ihre Fortpflanzungsorgane werden, wie unter den Nummern 62 und 63 beschrieben, untersucht. Bei bis zu zehn Jungtieren pro Geschlecht und Gruppe aus möglichst vielen Würfen sollten Gehirn, Milz und Thymusdrüse gewogen und unter geeigneten Bedingungen konserviert werden. Darüber hinaus kann von diesen männlichen und weiblichen Jungtieren Brustdrüsengewebe für eine weitere mikroskopische Analyse ( 39 ) (siehe OECD Guidance Document Nr. 151 (40)) konserviert werden. Massive Abnormalitäten und Zielgewebe sollten für eine etwaige spätere histologische Untersuchungen sichergestellt werden.

Histopathologische Untersuchung — P-Tiere

69.

Eine vollständige histopathologische Untersuchung der unter den Nummern 62 und 63 genannten Organe wird bei allen P-Tieren der Hochdosisgruppen und der Kontrollgruppen durchgeführt. Organe, die behandlungsbedingte Veränderungen aufweisen, sollten auch bei allen Tieren in Niedrigdosisgruppen untersucht werden, um die Bestimmung eines NOAEL-Werts zu unterstützen. Darüber hinaus sollten die Fortpflanzungsorgane aller Tiere mit mutmaßlich verringerter Fruchtbarkeit histopathologisch zu untersuchen, wie Tiere, die sich nicht gepaart haben, die nicht empfangen haben, nicht gedeckt wurden, keine gesunden Nachkommen geboren haben oder bei denen der Östruszyklus oder die Zahl, die Motilität oder die Morphologie der Spermien beeinträchtigt waren, sowie alle makroskopischen Läsionen histopathologisch untersucht werden.

Histopathologische Untersuchung — F1-Tiere

Tiere der Kohorte 1

70.

Eine vollständige histopathologische Untersuchung der unter den Nummern 62 und 63 genannten Organe wird bei allen adulten Tieren der Hochdosisgruppen und der Kontrollgruppen der Kohorte 1A durchgeführt. Alle Würfe sollten durch mindestens ein Jungtier pro Geschlecht repräsentiert sein. Organe und Gewebe, die behandlungsbedingte Veränderungen aufweisen, sind auch von allen Tieren in Niedrigdosisgruppen zu untersuchen, um die Bestimmung eines NOAEL-Werts zu unterstützen. Für die Bewertung der prä- und postnatal induzierter Wirkungen auf Lymphorgane sollten neben einer bereits in allen 1A-Tieren durchgeführten histopathologischen Bewertung der Thymusdrüse, der Milz und der Nebennieren auch die gesammelten Lymphknoten und das Knochenmark von zehn männlichen und zehn weiblichen Tieren der Kohorte 1A histopathologisch untersucht werden.

71.

Bei mutmaßlichen Reproduktionstoxinen oder endokrinen Disruptoren sollten nach der Beschreibung unter Nummer 66 zu Blockstadien umgewandeltes Gewebe der Fortpflanzungsorgane und des endokrinen Gewebes von allen Tieren der Kohorte 1B histopathologisch untersucht werden. Falls die Ergebnisse der Kohorte 1A unschlüssig sind, sollte auch die Kohorte 1B histologisch untersucht werden.

72.

Ovarien adulter Weibchen sollten Primordialfollikel und heranreifende Follikel sowie Gelbkörper enthalten; daher sollte eine histopathologische Untersuchung darauf abzielen, Primordialfollikel und kleine heranreifende Follikel sowie Gelbkörper in F1-Weibchen quantitativ zu bestimmen; die Zahl der Tiere, die Wahl der Ovarsektion und der Umfang der Stichprobe für die Sektion sollten für das angewandte Bewertungsverfahren statistisch aussagekräftig sein. Zunächst können die Follikel bei Tieren der Kontrollgruppe und der Hochdosisgruppe gezählt werden; wenn bei letzteren eine Schadwirkung festgestellt wird, sind auch Tiere der Niedrigdosisgruppen zu untersuchen. Die Untersuchung sollte auch die Zählung der Primordialfollikel umfassen, die mit der Zählung der kleinen heranwachsenden Follikel kombiniert werden kann, um Eierstöcke behandelter Tiere mit Eierstöcken unbehandelter Tiere vergleichen zu können (siehe OECD Guidance Document Nr. 151 (40)). Die Gelbkörperuntersuchung sollte parallel zur Untersuchung der Östruszyklizität stattfinden, damit das Zyklusstadium bei der Bewertung berücksichtigt werden kann. Ovidukt, Uterus und Vagina sind auf eine angemessene organtypische Entwicklung hin zu untersuchen.

73.

Eine eingehende histopathologische Untersuchung der Hoden wird bei männlichen F1-Tieren durchgeführt, um behandlungsbedingte Wirkungen auf die Entwicklung der Hoden (Differenzen) sowie auf die Spermatogenese festzustellen (38). Nach Möglichkeit sind Sektionen des Rete testis zu untersuchen. Caput, Corpus und Cauda des Nebenhodens und der Samenleiter werden auf angemessene organtypische Entwicklung sowie auf die für die P-Männchen erforderlichen Parameter hin untersucht.

Tiere der Kohorte 2

74.

Nach dem Abschluss der Untersuchungen neurologisch bedingter Verhaltensweisen (nach PND 75 aber vor PND 90) werden alle Tiere der Hochdosisgruppen und der Kontrollgruppen der Kohorte 2A nach Geschlecht neurohistopathologisch untersucht. Das Gehirn aller Tiere der Hochdosisgruppen und der Kontrollgruppen der Kohorte 2B wird an PND 21 oder 22 nach Geschlecht histopathologisch untersucht. Organe oder Gewebe, die behandlungsbedingte Veränderungen aufweisen, sollten auch bei Tieren in den Niedrigdosisgruppen untersucht werden, um die Bestimmung eines NOAEL-Wertes zu unterstützen. Bei Tieren der Kohorten 2A und 2B werden multiple Sektionen des Gehirns geprüft, um eine Untersuchung von Riechkolben, Großhirnrinde (Cortex cerebri), Hippocampus, Basalganglien, Thalamus, Hypothalamus, Mittelhirn (Tectum, Tegmentum und Pedunculus cerebri), Pons, Medulla oblongata, Kleinhirn) zu gewährleisten. Nur bei Tieren der Kohorte 2A werden die Augen (Netzhaut und Sehnerv) sowie Proben des peripheren Nervengewebes, der Muskeln und des Rückenmarks untersucht. Alle neurohistologischen Verfahren sollten mit der Prüfmethode B.53 (35) übereinstimmen.

75.

Morphometrische (quantitative) Bewertungen sollten an repräsentativen Regionen des Gehirns (homologe und sorgfältig auf der Grundlage zuverlässiger mikroskopischer Messpunkte ausgewählte Sektionen) durchgeführt werden und können auch lineare und/oder areale Messungen der spezifischen Gehirnregionen umfassen. An jedem Orientierungspunkt (Ebene) sind mindestens drei konsekutive Schnitte vorzunehmen, damit der einheitlichste und repräsentativste Schnitt für die spezifische Hirnregion bewertet werden kann. Der Neuropathologe sollte mit angemessenem Urteilsvermögen bewerten, ob die für die Messung präparierten Schnitte mit den anderen Schnitten in der Probenreihe homolog sind und sich daher für die Einbeziehung eignen, da sich insbesondere lineare Messungen über einen relativ kurzen Abstand ändern können (28). Nicht homologe Schnitte sollten nicht verwendet werden. Das Ziel besteht zwar darin, Proben von allen diesem Zweck vorbehaltenen Tieren (10 je Geschlecht und Dosisstufe) zu entnehmen, es kann aber auch eine kleinere Anzahl an Proben angemessen sein. Proben von weniger als 6 Tieren je Geschlecht und Dosisstufe gelten für die Zwecke der vorliegenden Prüfmethode in der Regel jedoch nicht als ausreichend. Mithilfe der Stereologie können behandlungsbedingte Wirkungen auf bestimmte Parameter wie Volumen oder Zellzahl für bestimmte neuroanatomische Regionen festgestellt werden. Bei allen die Gewebepräparation betreffenden Aspekten sollte auf Ausgewogenheit geachtet werden, d. h. von der Gewebefixierung über das Schneiden der Gewebeproben und die Probenvorbereitung bis hin zur Färbung der Objektträger sollte jeder Satz repräsentative Proben einer jeden Dosisgruppe enthalten. Bei morphometrischen oder stereologischen Analysen sollte Hirngewebe bei allen Dosisstufen zur gleichen Zeit in ein geeignetes Medium eingebettet werden, um ein Schrumpfen der Prüfgegenstände zu vermeiden, was bei zu langer Aufbewahrung im Fixativ auftreten kann.

BERICHTERSTATTUNG

Daten

76.

Die Daten sind sowohl einzeln zu protokollieren als auch in tabellarischer Form zusammenzufassen. Gegebenenfalls sind für jede Prüfgruppe und für jede Generation die folgenden Angaben aufzuzeichnen: die Zahl der Tiere zu Beginn der Prüfung und die Zahl der während der Prüfung tot aufgefundenen oder aus Tierschutzgründen getöteten Tiere, ferner der Zeitpunkt des Todes oder der Tötung, die Zahl der fruchtbaren Tiere, die Zahl der trächtigen Weibchen, die Zahl der Weibchen, die Jungtiere werfen, und die Zahl der Tiere, die Toxizitätszeichen aufweisen, sowie eine Beschreibung der beobachteten Toxizität, einschließlich des Zeitpunkts, zu dem die toxischen Wirkungen erstmalig aufgetreten sind, ihrer Dauer und ihres Schweregrads.

77.

Die numerischen Daten sollten nach einem geeigneten statistischen Verfahren ausgewertet werden. Die Statistikmethoden sollten Teil des Prüfplans sowie geeignet sein, um Nichtnormaldaten (z. B. Zähldaten), zensierte Daten (z. B. eingeschränkte Beobachtungszeit), Unabhängigkeit (z. B. Wirkungen der Würfe und wiederholte Messungen) sowie ungleiche Varianzen zu bewältigen. Allgemeingültige lineare gemischte Modelle und Dosis-Wirkungs-Modelle decken ein breites Spektrum an Analysetools ab, die für die im Rahmen dieser Prüfmethode erzeugten Daten geeignet sein können. Der Bericht sollte ausreichende Informationen über das angewandte Analyseverfahren und Computerprogramm enthalten, damit ein unabhängiger Überprüfer/Statistiker die Analyse bewerten und nachvollziehen kann.

Auswertung der Ergebnisse

78.

Die Befunde sind im Hinblick auf die beobachteten Wirkungen, einschließlich der Befunde der makroskopischen und mikroskopischen Untersuchungen, zu bewerten. Ausgewertet werden u. a. die Beziehung oder die fehlende Beziehung zwischen der Dosis und dem Vorliegen, dem Auftreten und dem Schweregrad von Abnormalitäten, einschließlich makroskopischer Veränderungen. Zielorgane, Fruchtbarkeit, klinische Abnormalitäten, Reproduktionsleistung und Wurfleistung, Veränderungen des Körpergewichts, Mortalität und alle sonstigen toxischen Auswirkungen und Auswirkungen auf die Entwicklung sind ebenfalls zu bewerten. Besonderes Augenmerk gilt dabei geschlechtsspezifischen Veränderungen. Bei der Auswertung der Testergebnisse sind die physikalisch-chemischen Eigenschaften der Prüfsubstanz und — falls verfügbar — toxikokinetische Daten, einschließlich plazentarer Übertragung und Milchausscheidung, zu berücksichtigen.

Prüfbericht

79.

Der Prüfbericht sollte die folgenden, zu den in dieser Prüfung untersuchten P-, F1-Tieren und gegebenenfalls F2-Tieren generierten Daten enthalten:

Prüfsubstanz:

 Alle vorliegenden relevanten Informationen über die Prüfsubstanz und toxikokinetische und toxikodynamische Eigenschaften der Prüfsubstanz,

 Kenndaten,

 Reinheit.

Vehikel (falls verwendet):

 Begründung der Wahl des Vehikels, sofern anders als Wasser.

Versuchstiere:

 Tierart/Stamm,

 Anzahl, Alter und Geschlecht der Tiere,

 Herkunft, Unterbringungsbedingungen, Ernährung, Nistmaterial usw.,

 Gewicht der einzelnen Tiere bei Versuchsbeginn,

 Vaginalabstrichdaten für P-Weibchen vor Beginn der Behandlung (falls zu diesem Zeitpunkt Daten erhoben wurden),

 Paarungsdaten zur P-Generation mit Angabe der männlichen und weiblichen Paarungspartner und des Paarungsergebnisses,

 Aufzeichnungen über den Herkunftswurf bei adulten Tieren der Generation F1.

Prüfungsbedingungen:

 Begründung der gewählten Dosisstufen,

 Einzelheiten zur chemischen Formulierung der Prüfsubstanz/Futterzubereitung und zu den erreichten Konzentrationen,

 Stabilität und Homogenität des Präparats im Vehikel oder in der Trägersubstanz (z. B. Futter, Trinkwasser), im Blut und/oder in der Milch unter den Verwendungs- und Lagerbedingungen zwischen den Verwendungen,

 Einzelheiten der Verabreichung der Prüfsubstanz,

 gegebenenfalls Angaben zur Umrechnung der Konzentration der Prüfsubstanz im Futter/Wasser (ppm) in die entsprechende Dosis (mg/kg Körpergewicht/Tag),

 Angaben zu Futter- und Wasserqualität (einschließlich Futterzusammensetzung, sofern verfügbar),

 genaue Beschreibung der Verfahren für die Zufallsauswahl von Jungtieren zwecks Tötung und für die Einteilung von Jungtieren in die Prüfgruppen,

 Umgebungsbedingungen,

 Verzeichnis der am Versuch Studie beteiligten Personen, einschließlich fachlicher Schulung.

Ergebnisse (Sammel- und Einzeldaten, aufgeschlüsseltnach Geschlecht und Dosis):

 Futteraufnahme, Wasseraufnahme (falls erfasst), Futtereffizienz (Körpergewichtszunahme pro Gramm aufgenommenen Futters, ausgenommen während der Kohabitation und Laktation) und bei P- und F1-Tieren Aufnahme der Prüfsubstanz (bei Verabreichung über das Futter/Trinkwasser),

 Angaben zur Resorption (falls vorhanden),

 bei P-Tieren: Angaben zum Körpergewicht,

 bei ausgewählten F1-Tieren nach der Entwöhnung: Angaben zum Körpergewicht,

 Zeitpunkt des Todes, falls während des Versuchs eingetreten, oder Angabe, ob Tiere bis zum Versuchsende überlebt haben,

 Art, Schweregrad und Dauer der klinischen Beobachtungen (mit Angaben zur Reversibilität),

 Angaben zu hämatologischen Untersuchungen und Urinuntersuchungen sowie klinisch-chemische Daten, einschließlich TSH und T4,

 Phänotypanalyse der Milzzellen (T-, B-, NK-Zellen),

 Knochenmarkzellularität,

 Daten zur toxischen Reaktion,

 Zahl weiblicher P- und F1-Tiere mit normalem oder abnormalem Östruszyklus sowie Zyklusdauer,

 Zeit bis zur Paarung (präkoitales Intervall, Anzahl Tage zwischen Paarung und Deckung),

 toxische oder andere Wirkungen auf die Fortpflanzung, einschließlich Zahl und Anteil der Tiere, die sich gepaart haben, trächtig wurden, geworfen und laktiert haben, sowie der männlichen Tiere, die gezeugt haben, und der weiblichen Tiere mit Anzeichen von Dystokie/langwieriger oder schwieriger Geburt,

 Dauer der Gravidität und gegebenenfalls des Partus,

 Anzahl an Implantationen, Wurfgröße und Anteil der männlichen Jungtiere,

 Anzahl und Anteil der Abgänge nach der Implantation, der Lebendgeburten und der Totgeburten,

 Angaben zum Gewicht des Wurfs und der Jungtiere (Männchen und Weibchen, einzeln und zusammen), Anzahl der Kümmerlinge, falls diese bestimmt werden,

 Anzahl Jungtiere mit deutlich sichtbaren Abnormalitäten,

 Toxische oder andere Wirkungen in Nachkommen, postnatales Wachstum, Lebensfähigkeit usw.,

 Angaben zu physischen Merkmalen bei Jungtieren und anderen postnatalen Entwicklungsparametern,

 Daten zur Geschlechtsreife von F1-Tieren,

 gegebenenfalls Daten zu funktionellen Beobachtungen bei Jungtieren und adulten Tieren,

 Körpergewicht bei der Tötung sowie Angaben zum absoluten und relativen Organgewicht bei P- und adulten F1-Tieren,

 Sektionsbefunde,

 ausführliche Beschreibung aller histopathologischen Befunde,

 für männliche P- und F1-Tiere: Gesamtzahl der Spermien aus dem Nebenhodenschwanz, Anteil der progressiv beweglichen Spermien, Anteil der morphologisch normalen Spermien und Anteil der Spermien, der der jeweils festgestellten Abnormalität entspricht,

 für P- und F1-Weibchen: gegebenenfalls Anzahl und Reifestadium der Follikel in den Eierstöcken,

 Zählung der Gelbkörper in den Ovarien der F1-Weibchen,

 nach Möglichkeit statistische Auswertung der Ergebnisse.

Parameter für Kohorte 2:

 Ausführliche Beschreibung der zur Standardisierung von Beobachtungen und Verfahren angewendeten Vorgehensweise sowie Vorgaben für die Auswertung der Ergebnisse,

 Auflistung aller angewandten Prüfverfahren mit Begründung,

 ausführliche Beschreibung der angewandten verhaltensbezogenen/funktionalen, neuropathologischen und morphometrischen Verfahren, einschließlich detaillierter Angaben zu automatischen Vorgängen,

 Kalibrierungsverfahren und Verfahren zur Gewährleistung der Gleichwertigkeit der verwendeten Geräte und der Ausgewognenheit der Prüfgruppen während der Prüfung,

 kurze Begründung, warum bestimmte Entscheidungen die Hinzuziehung eines Sachverständigen erfordern,

 ausführliche Beschreibung der nach Geschlecht und Dosisgruppe aufgeschlüsselten verhaltensbezogenen/funktionalen, neuropathologischen und morphometrischen Befunde, einschließlich Erhöhung und Verringerung der Kontrollhäufigkeit,

 Hirngewicht,

 etwaige Diagnosen aufgrund neurologischer Anzeichen und Läsionen, einschließlich natürlich aufgetretener Krankheiten oder Zustände,

 Abbildungen von Beispielbefunden,

  Low-Power-Imaging zur Bewertung der Homologie der für die Morphometrie verwendeten Sektionen,

 statistische Auswertung der Ergebnisse, einschließlich statistischer Modelle für die Daten- und Ergebnisanalyse, und zwar unabhängig davon, ob diese Daten oder Ergebnisse signifikant waren oder nicht,

 Beitrag etwaiger anderer toxischer Wirkungen zur Schlussfolgerung bezüglich des neurotoxischen Potenzials der Prüfsubstanz, aufgeschlüsselt nach Geschlechtern und Dosisgruppen,

 Auswirkung etwaiger toxikokinetischer Informationen auf die Schlussfolgerungen,

 Daten zur Untermauerung der Zuverlässigkeit und Empfindlichkeit der Prüfmethode (d. h. positive Daten und historische Kontrolldaten),

 Zusammenhänge zwischen neuropathologischen und funktionalen Wirkungen (sofern diese vorliegen),

 NOAEL-Wert oder Benchmark-Dosis für Muttertiere und Nachkommen, aufgeschlüsselt nach Geschlechtern und Dosisgruppen,

 Diskussion der Gesamtauswertung der Daten auf Grundlage der Ergebnisse, einschließlich einer Schlussfolgerung darüber, ob die Prüfsubstanz eine entwicklungsneurotoxische Wirkung hat oder nicht, und des NOAEL-Werts.

Parameter für die Kohorte 3:

 IgM-Antikörper-Titer im Serum (Sensibilisierung für SRBC oder KLH) oder Einheiten IgM-plaquebildender Zellen in der Milz (Sensibilisierung für SRBC),

 die Leistung der TDAR-Methode sollte als Teil des Optimierungsprozesses durch das Labor, das den Test erstmals einrichtet, und regelmäßig (beispielsweise jährlich) durch alle Labore bestätigt werden,

 Diskussion der Gesamtauswertung der Daten auf Grundlage der Ergebnisse, einschließlich einer Schlussfolgerung darüber, ob die Prüfsubstanz eine entwicklungsimmuntoxische Wirkung hat oder nicht, und des NOAEL-Wertes.

Diskussion der Ergebnisse

Alle Informationen, die nicht während des Versuchs generiert wurden, für die Auswertung der Ergebnisse jedoch zweckdienlich sind (z. B. Ähnlichkeiten der Wirkungen mit bekannten Neurotoxinen) sind ebenfalls anzuführen.

Auswertung der Ergebnisse

80.

Eine erweiterte Ein-Generationen-Prüfung auf Reproduktionstoxizität (EOGRTS) generiert Daten über die Wirkungen wiederholter Verabreichungen einer Chemikalie während aller Phasen des Fortpflanzungszyklus. Sie gibt insbesondere Auskunft über das Fortpflanzungssystem sowie über Entwicklung, Wachstum, Überleben und funktionale Endpunkte der Nachkommen bis zum postnatalen Tag (PND) 90.

81.

Bei der Auswertung der Prüfungsergebnisse sollten alle verfügbaren Daten über die Prüfsubstanz, einschließlich physikalisch-chemischer, toxikokinetischer und toxikodynamischer Eigenschaften, sowie verfügbare relevante Informationen über strukturelle Analogien und Ergebnisse vorausgegangener Toxizitätsstudien mit der Prüfsubstanz (z. B. akute Toxizität, Toxizität bei wiederholter Verabreichung, mechanistische Studien und Studien, in denen bewertet wird, ob bei den In-vivo-/In-vitro-Stoffwechseleigenschaften erhebliche qualitative und quantitative artspezifische Unterschiede vorliegen) berücksichtigt werden. Die Ergebnisse der makroskopischen Untersuchung (Nekropsie) und die Organgewichte sollten nach Möglichkeit im Kontext der Beobachtungen bewertet werden, die bereits in anderen Versuchen mit wiederholter Verabreichung gemacht wurden. Wachstumsverlangsamung bei Nachkommen könnte auf den Einfluss der Prüfsubstanz auf die Milchzusammensetzung zurückgeführt werden (29).

Kohorte 2 (Entwicklungsneurotoxizität)

82.

Neurologisch bedingtes Verhalten und neuropathologische Ergebnisse sollten unter Berücksichtigung aller Befunde von Fachleuten nach einem Weight-of-evidence-Ansatz ausgewertet werden. Die Muster verhaltensbedingter oder morphologischer Befunde sollten, sofern vorhanden, ebenso erörtert werden wie eine nachweisliche Dosis-Wirkungs-Beziehung. In diese Charakterisierung sollte die Beurteilung der Entwicklungsneurotoxizität, einschließlich epidemiologischer Untersuchungen beim Menschen oder Fallberichte sowie tierexperimentelle Studien (z. B. toxikokinetische Daten, Daten zur Struktur-Wirkungs-Beziehung, Daten aus anderen Toxizitätsstudien) einfließen. Die Datenauswertung sollte ferner eine Diskussion sowohl der biologischen als auch der statistischen Signifikanz beinhalten. Sofern ein Zusammenhang zwischen neuropathologischen Veränderungen und Verhaltensänderungen beobachtet wurde, sollte dieser in die Beurteilung einbezogen werden. Leitlinien zur Auswertung der entwicklungsneurotoxischen Ergebnisse finden sich in der Prüfmethode B.53 (35) und in Tyl et al., 2008 (31).

Kohorte 3 (Entwicklungsimmuntoxizität)

83.

Die mithilfe des TDAR-Assay (T-Zell-abhängigen Antikörperantwort) ermittelte Unterdrückung oder Verstärkung der Immunfunktion sollte im Kontext aller festgestellten Beobachtungen bewertet werden. Die Signifikanz des TDAR-Ergebnisses kann durch andere Wirkungen auf immunologisch verwandte Indikatoren (z. B. Knochenmarkzellularität, Gewicht und histopathologische Untersuchung des Lymphdrüsengewebes, Lymphozyten-Teilmengenverteilung) untermauert werden. Die im TDAR ermittelten Wirkungen sind möglicherweise weniger aussagekräftig bei anderen Toxizitäten, die bei niedrigeren Expositionskonzentrationen festgestellt werden.

84.

Als Hilfe bei der Auswertung der reproduktionstoxischen und neurotoxischen Ergebnisse ist das OECD Guidance Document Nr. 43 zu Rate zu ziehen (26).

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(21) Klinefelter, G.R., N.L. Roberts and J.D. Suarez (1992). ‘Direct Effects of Ethane Dimethanesulphonate on Epididymal Function in Adult Rates: an In Vitro Demonstration’, Journal of Andrology, 13, S. 409-421.

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(23) Slott, V.L., and S.D. Perreault (1993). ‘Computer-Assisted Sperm Analysis of Rodent Epididymal Sperm Motility Using the Hamilton-Thorn Motility Analyzer’, Methods in Toxicology, Part A, Academic, Orlando, Florida, S. 319-333.

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(25) Linder, R.E., L.F. Strader, V.L. Slott and J.D. Suarez (1992). ‘Endpoints of Spermatoxicity in the Rat After Short Duration Exposures to Fourteen Reproductive Toxicants’, Reproductive Toxicology, 6, S. 491-505.

(26) OECD (2008). Guidance Document on Mammalian Reproductive Toxicity Testing and Assessment, Series on Testing and Assessment, Nr. 43, ENV/JM/MONO(2008)16, OECD, Paris.

(27) Working, P.K., M. Hurtt (1987). ‘Computerized Videomicrographic Analysis of Rat Sperm Motility’, Journal of Andrology, 8, S. 330-337.

(28) Bolin, B., R. Garman, K. Jensen, G. Krinke, B. Stuart, and an ad Hoc Working Group of the STP Scientific and Regulatory Policy Committee (2006). ‘A ’Best Practices‘ Approach to Neuropathologic Assessment in Developmental Neurotoxicity Testing — for Today’, Toxicological Pathology, 34, S. 296-313.

(29) Stütz, N., B. Bongiovanni, M. Rassetto, A. Ferri, A.M. Evangelista de Duffard, and R. Duffard (2006). ‘Detection of 2,4-dichlorophenoxyacetic Acid in Rat Milk of Dams Exposed During Lactation and Milk Analysis of their Major Components’, Food Chemicals Toxicology, 44, S. 8-16.

(30) Thigpen, JE, K.D.R. Setchell, J.K. Haseman, H.E. Saunders, G.F. Caviness, G.E. Kissling, M.G. Grant and D.B. Forsythe (2007). ‘Variations in Phytoestrogen Content between Different Mill Dates of the Same Diet Produces Significant Differences in the Time of Vaginal Opening in CD-1 Mice and F344 Rates but not in CD Sprague Dawley Rates’, Environmental health perspectives, 115(12), S. 1717-1726.

(31) Tyl, R.W., K. Crofton, A. Moretto, V. Moser, L.P. Sheets and T.J. Sobotka (2008). ‘Identification and Interpretation of Developmental Neurotoxicity Effects: a Report from the ILSI Research Foundation/Risk Science Institute Expert Working Group on Neurodevelopmental Endpoints’, Neurotoxicology and Teratology, 30: S. 349-381.

(32) OECD (1996). Combined Repeated Dose Toxicity Study with the Reproduction/Developmental Toxicity Screening Test, OECD Guideline for Testing of Chemicals, Nr. 422, OECD, Paris.

(33) Kapitel B.43 dieses Anhangs, Prüfung auf Neurotoxizität bei Nagetieren.

(34) OECD (2000). Guidance Document on the recognition, assessment, and use of clinical signs as humane endpoints for experimental animals used in safety evaluations, Series on Testing and Assessment, Nr. 19, ENV/JM/MONO(2000)7, OECD, Paris.

(35) Kapitel B.53 dieses Anhangs, Prüfung auf Entwicklungsneurotoxizität.

(36) Kapitel B.54 dieses Anhangs: Uterotropher Bioassay an Nagetieren: Ein Kurzzeit-Screening-Test auf östrogene Eigenschaften.

(37) Kapitel B.55 dieses Anhangs: Hershberger-Bioassay an Ratten: Ein Kurzzeit-Screening-Test auf (anti-)androgene Eigenschaften.

(38) OECD (2009). Guidance Document for Histologic Evalution of Endocrine and Reproductive Test in Rodents, Series on Testing and Assessment, Nr. 106, OECD, Paris.

(39) OECD (2011). Guidance Document on the Current Implementation of Internal Triggers in the Extended One Generation Reproductive Toxicity Study in the United States and Canada, Series on Testing and Assessment, Nr. 117, ENV/JM/MONO(2011)21, OECD, Paris.

(40) OECD (2013). Guidance Document supporting TG 443: Extended One Generation Reproductive Toxicity Study, Series on Testing and Assessment, Nr. 151, OECD, Paris.

Anlage 1

Maßnahmen und Beobachtungen im Rahmen der FOB (Functional Observational Battery) (Kohorte 2A)



Käfig & offenes Gehege

Manipulation

Physiologie

Haltung

Leicht zu greifen

Temperatur

Unfreiwillige klonische und tonische Bewegungen

Leicht zu hantieren

Körpergewicht

Schließung der Augenlider

Muskeltonus

Pupillenreaktion

Piloerektion

Reaktion bei Annäherung

Pupillengröße

Salivation

Reaktion auf Berühren

 

Tränensekretion

Akustische Reaktion

 

Lautäußerungen

Reaktion bei Schwanzkneifen

 

Aufbäumen

Aufrichtungsreaktion

 

Anomaler Gang

Spreizung des Landefußes

 

Erregung

Greifkraft der Vordergliedmaßen

 

Stereotypie

Greifkraft der Hintergliedmaßen

 

Bizarres Verhalten

 

 

Färbungen

 

 

Atmungsstörung

 

 

Anlage 2

BEGRIFFSBESTIMMUNGEN

Chemikalie : ein Stoff oder eine Mischung.

Prüfsubstanz : jede(r) mittels dieser Prüfmethode getestete Stoff bzw. Mischung.

B.57.    H295R-STEROIDGENESE-ASSAY

EINLEITUNG

1.

Diese Prüfmethode entspricht der OECD-Prüfrichtlinie (TG) 456 (2011). Die OECD setzte sich 1998 zur Priorität, bestehende Prüfrichtlinien für Screening und Testung potenziell endokriner Disruptoren zu überarbeiten und neue Richtlinien zu entwickeln. Das Rahmenkonzept der OECD für die Testung und Bewertung endokriner Disruptoren von 2002 umfasst fünf Stufen, wobei jede Stufe einem anderen Grad der biologischen Komplexität entspricht (1). Bei dem in der vorliegenden Prüfmethode beschriebenen In-vitro Testsystem — dem H295R-Steroidgenese-Assay — wird eine menschliche Adenokarzinom-Zelllinie (NCI-H295R-Zellen) verwendet. Der Assay stellt einen „In-vitro-Assay der Stufe 2 dar, und liefert mechanistische Daten“, die zum Screening und für Priorisierungszwecke zu verwenden sind. Die Ausarbeitung und Standardisierung des Assays als Screeningmethode für chemische Auswirkungen auf die Steroidgenese, insbesondere auf die Produktion von 17β-Östradiol (E2) und Testosteron (T), erfolgte in mehreren Schritten. Der H295R-Assay ist optimiert und validiert worden (2) (3) (4) (5).

2.

Das Ziel des H295R-Steroidgenese-Assays besteht darin, Chemikalien nachzuweisen, durch die die Produktion von E2 und T beeinflusst wird. Mit dem H295R-Assay sollen Xenobiotika ermittelt werden, die diejenigen endogenen Bestandteile als Zielstelle(n) haben, die den intrazellularen biochemischen Pfad bilden, der mit Cholesterol beginnt und bis zur Produktion von E2 und/oder T führt. Mit dem H295R-Assay sollen keine Chemikalien bestimmt werden, die die Steroidgenese aufgrund von Auswirkungen auf die Hypothalamus-Hypophysen-Gonaden-Achse (HPG-Achse) beeinträchtigen. Der Assay zielt vielmehr darauf ab, im Hinblick auf das Potenzial einer Chemikalie, die Produktion von T und E2 zu induzieren oder zu hemmen, eine JA/NEIN-Antwort zu liefern; in einigen Fällen können jedoch auch quantitative Ergebnisse erzielt werden (siehe Nummern 53 und 54). Die Ergebnisse des Assays werden als relative Veränderungen in der Hormonproduktion im Vergleich zu den Lösungsmittelkontrollen (LK) angegeben. Der Assay zielt nicht darauf ab, spezifische mechanistische Informationen über die Interaktion der Prüfsubstanz mit dem endokrinen System zu liefern. Anhand der Zelllinie wurden Forschungen durchgeführt, um Auswirkungen auf bestimmte Enzyme und Zwischenhormone, wie zum Beispiel Progesteron, zu bestimmen (2).

3.

Die in der vorliegenden Prüfmethode verwendeten Begriffe und Abkürzungen sind in der Anlage beschrieben. Ein detailliertes Protokoll mit Anweisungen zur Herstellung von Lösungen, Kultivierung von Zellen und Durchführung verschiedener Aspekte der Prüfung ist als Anhang I-III des OECD-Dokuments ‘Multi-Laboratory Validation of the H295R Steroidogenesis Assay to Identify Modulators of Testosterone and Estradiol Production’ verfügbar (4).

AUSGANGSÜBERLEGUNGEN UND GRENZEN

4.

An der Biosynthese sexueller Steroidhormone sind fünf verschiedene Enzyme, die sechs unterschiedliche Reaktionen katalysieren, beteiligt. Die enzymatische Umwandlung von Cholesterin in Pregnenolon durch die Cytochrom P450-abhängige Cholesterin-Monooxygenase (CYP11A) ist der erste Schritt in einer Reihe biochemischer Reaktionen, die in der Synthese steroider Endprodukte gipfeln. Je nach Reihenfolge der beiden nächsten Reaktionen teilt sich der Pfad der Steroidgenese in zwei Pfade auf: den Δ5-Hydroxysteroid-Pfad und den Δ4-Ketosteroid-Pfad, die in der Produktion von Androstenedion (Abbildung 1) zusammenlaufen.

5.

Androstenedion wird durch 17β-Hydroxysteroid Dehydrogenase (17β-HSD) in Testosteron (T) umgewandelt. Testosteron ist sowohl ein Zwischen- als auch ein Endhormonprodukt. Im männlichen Organismus kann T durch 5α-Reduktase, die in Zellmembranen, Kernhülle und im Retikulum von Zielgewebe mit androgener Wirkung, wie zum Beispiel Prostata und Samenbläschen, gefunden wird, in Dihydrotestosteron (DHT) umgewandelt werden. DHT ist als Androgen erheblich wirksamer als T und gilt ebenfalls als Endprodukthormon. Der H295R-Assay misst kein DHT (siehe Nummer 10).

6.

Das Enzym im Pfad der Steroidgenese, das androgene Chemikalien in östrogene Chemikalien umwandelt, ist Aromatase (CYP19). CYP19 wandelt T in 17β-Östradiol (E2) und Androstenedion in Östron um. E2 und T gelten als Endprodukthormone des Steroidgenesepfads.

7.

Die Spezifizität der Lyaseaktivität von CYP17 ist bei den verschiedenen Intermediaten von Tierart zu Tierart unterschiedlich. Im Menschen bevorzugt das Enzym Substrate des Δ5-Hydroxysteroid-Pfads (Pregnenolon); dagegen werden in der Ratte Substrate im Δ4-Ketosteroid-Pfad (Progesteron) begünstigt (19). Solche Unterschiede in der CYP17-Lyaseaktivität können einige artspezifische Unterschiede in der Reaktion auf Chemikalien erklären, die die Steroidgenese in vivo verändern (6). Es hat sich erwiesen, dass die H295-Zellen die Expression des humanen adulten Nebennierenenzyms und das Muster der Steroidproduktion am genauesten widerspiegeln (20), aber auch dafür bekannt sind, Enzyme sowohl für den Δ5-Hydroxysteroid als auch für den Δ4-Ketosteroid-Pfad für Androgensynthese zu exprimieren (7) (11) (13) (15).

Abbildung 1

Pfad der Steroidgenese in H295R-Zellen

image

Anmerkung:

Enzyme sind kursiv gedruckt, Hormone sind fett gedruckt, und Pfeile zeigen die Richtung der Synthese an. Ein grauer Hintergrund zeigt Corticosteroidpfade/-produkte an. Sexuelle Steroidhormonpfade/-produkte sind eingekreist. CYP = Cytochrom P450; HSD = Hydroxysteroid-Dehydrogenase; DHEA = Dehydroepiandrosteron.

8.

Die menschliche H295R-Adenokarzinom-Zelllinie ist ein nützliches In-vitro-Modell für die Ermittlung der Auswirkungen auf die Synthese von Steroidhormonen (2) (7) (8) (9) (10). Die H295R-Zelllinie exprimiert Gene, die alle wichtigen Enzyme für die oben genannte Steroidgenese verschlüsseln (11) (15) (Abbildung 1). Das ist eine einzigartige Eigenschaft, weil die In-vivo-Expression dieser Gene gewebe- und entwicklungsstadiumspezifisch ist, d. h., kein Gewebe- oder Entwicklungsstadium exprimiert alle an der Steroidgenese beteiligten Gene (2). H295R-Zellen weisen physiologische Eigenschaften zonal undifferenzierter Nebennierenzellen menschlicher Föten auf (11). Die Zellen stellen ein einzigartiges In-vitro-System dar, da sie die Fähigkeit besitzen, alle in der adulten Nebennierenrinde und den Gonaden gefundenen Steroidhormone zu produzieren. Mit ihnen können Auswirkungen sowohl auf die Corticosteroidsynthese als auch auf die Produktion von sexuellen Steroidhormonen, wie zum Beispiel Androgene und Östrogene, geprüft werden, auch wenn der Assay nur für den Nachweis von T und E2 validiert wurde. Die durch das Prüfsystem erfassten Änderungen in Form einer Veränderung der Produktion von T und E2 können das Ergebnis einer Vielzahl unterschiedlicher Interaktionen der Prüfsubstanzen mit Steroidgenesefunktionen sein, die durch die H295R-Zellen exprimiert werden. Dazu gehört die Modulation der Expression, die Synthese oder die Funktion von bei der Produktion, Umwandlung oder Eliminierung von Steroidhormonen beteiligten Enzymen (12) (13) (14). Die Hemmung der Hormonproduktion kann auf eine direkte kompetitive Bindung an ein Enzym, einen Einfluss auf Ko-Faktoren, wie zum Beispiel NADPH (Nicotinamidadenindinukleotidphosphat) und cAMP (zyklisches Adenosinmonophosphat), und/oder eine Steroidstoffwechselerhöhung oder die Reprimierung der Genexpression bestimmter Enzyme im Steroidgenesepfad zurückgeführt werden. Während die Hemmung sowohl von direkten als auch indirekten an der Hormonproduktion beteiligten Prozessen abhängig sein kann, erfolgt die Induktion in der Regel indirekt, beispielsweise durch beeinflussende Ko-Faktoren wie NADPH und cAMP (wie etwa bei Forskolin), einen sinkenden Steroidstoffwechsel (13) und/oder eine Hochregulierung der Genexpression der Steroidgenese.

9.

Der H295R-Assay weist mehrere Vorteile auf:

 Er ermöglicht den Nachweis von Erhöhungen und Rückgängen bei der Produktion von T und E2;

 er ermöglicht die direkte Bewertung der potenziellen Auswirkung einer Chemikalie auf die Zellviabilität/Zytotoxizität. Dies ist ein wichtiges Element, weil dadurch Wirkungen, die auf die Zytotoxizität zurückgehen, von Wirkungen, die auf die direkte Interaktion der Chemikalien mit steroidogenen Pfaden zurückgehen, unterschieden werden können, was in Gewebeexplantatsystemen, die aus einer Vielzahl von Zelltypen unterschiedlicher Empfindlichkeiten und Funktionalitäten bestehen, nicht möglich ist;

 er erfordert keine Versuchstiere;

 die H295R-Zelllinie ist im Handel erhältlich.

10.

Die wichtigsten Einschränkungen des Assays sind folgende:

 Seine metabolische Kapazität ist nicht bekannt, wahrscheinlich aber eher begrenzt; daher würden Chemikalien, die metabolisch aktiviert werden müssen, in diesem Assay wahrscheinlich übersehen.

 Da H295R von Nebennierengewebe abgeleitet wird, besitzt es die Enzyme, die Gluco- und Mineralocorticoide ebenso erzeugen können wie Geschlechtshormone; daher könnten die Auswirkungen auf die Produktion von Gluco- und Mineralocorticoiden die in dem Assay festgestellten T- und E2-Spiegel beeinflussen.

 Der Assay misst kein DHT. Aus diesem Grund ist auch nicht davon auszugehen, dass mit ihm Chemikalien festgestellt werden können, die die 5α-Reduktase hemmen; für diesen Zweck kann der Hershberger-Assay (16) verwendet werden.

 Mit dem H295R-Assay werden keine Chemikalien festgestellt, die die Steroidgenese dadurch stören, dass sie die Hypothalamus-Hypophysen-Gonaden-Achse (HPG-Achse) beeinträchtigen, da dies nur in intakten Tieren untersucht werden kann.

PRINZIP DER PRÜFMETHODE

11.

Zweck des Assays ist der Nachweis von Chemikalien, die die Produktion von T und E2 beeinträchtigen. T ist außerdem ein Zwischenprodukt im Produktionspfad von E2. Mit dem Assay können Chemikalien nachgewiesen werden, die die Enzyme des Steroidgenesepfades in der Regel hemmen oder auslösen.

12.

Der Assay wird in der Regel unter Standardzellkulturbedingungen in 24-Mulden-Kulturplatten durchgeführt. Alternativ dazu können andere Plattengrößen für die Durchführung des Assays verwendet werden; die Saat- und Versuchsbedingungen sind dabei jedoch so anzupassen, dass die Leistungskriterien erfüllt sind.

13.

Nach einer Akklimatisierungsphase von 24 Stunden in Multiwellplatten werden die Zellen 48 Stunden lang mindestens dreifach sieben Konzentrationen der Prüfsubstanz ausgesetzt. Als Negativ- und Positivkontrollen dienen Testreihen mit Lösungsmittel und jeweils einem bekannten Stoff, der die Hormonproduktion hemmt bzw. induziert, in einer festgelegten Konzentration. Am Ende der Expositionszeit wird das Medium aus jeder Mulde entfernt. Unmittelbar nach Entfernen des Mediums wird in jeder Mulde die Zellviabilität untersucht. Die Hormonkonzentrationen im Medium können mit einer Vielzahl von Methoden gemessen werden, wozu auch im Handel erhältliche Kits zur Hormonmessung und/oder Gerätetechniken wie die Flüssigchromatographie-Massenspektrometrie gehören. Die Daten werden als ‘fold change’ (x-fache Änderung) bezüglich der Lösungsmittelkontrolle und der niedrigsten Konzentration mit messbarer Wirkung (Lowest-Observed-Effect-Concentration, LOEC) angegeben. Falls der Assay negativ ist, wird die höchste geprüfte Konzentration als geprüfte Konzentration ohne messbare schädliche Wirkung (No-Observed-Effect-Concentration, NOEC) dokumentiert. Schlussfolgerungen bezüglich der Fähigkeit einer Chemikalie, die Steroidgenese zu beeinträchtigen, sollten sich auf mindestens zwei unabhängige Testreihen stützen. Die erste Testreihe kann zur Dosisfindung, gegebenenfalls mit anschließender Anpassung der Konzentrationen für die Testreihen 2 und 3, dienen, wenn Probleme mit der Löslichkeit oder der Zytotoxizität auftreten oder die Aktivität der Chemikalie am Ende des geprüften Konzentrationsbereichs zu liegen scheint.

KULTURTECHNIK

Zelllinie

14.

Die NCI-H295R-Zellen sind nach Unterzeichnung einer Materialübertragungsvereinbarung (Material Transfer Agreement, MTA) ( 40 ) im Handel von der American Type Culture Collections (ATCC) erhältlich.

Einleitung

15.

Wegen Änderungen in der E2-Produktionskapazität der Zellen mit zunehmendem Alter/steigender Passagenzahl (2) sollten die Zellen vor ihrer Verwendung unter Befolgung eines speziellen Protokolls gezüchtet werden, und die Zahl der Passagen nach dem Auftauen der Zellen sollte ebenso dokumentiert werden wie die Zahl der Passagen, bei denen die Zellen eingefroren und in flüssigem Stickstoff gelagert wurden. Die erste Zahl gibt die tatsächliche Anzahl Zellpassagen an und die zweite Zahl beschreibt die Anzahl Passagen, bei denen die Zellen eingefroren und eingelagert wurden. So würden beispielsweise Zellen, die nach Passage fünf eingefroren und aufgetaut und anschließend dreimal geteilt wurden (vier Passagen, wenn die frisch aufgetauten Zellen als Passage 1 gezählt werden), nachdem sie wieder gezüchtet wurden, als Passage 4.5 gekennzeichnet. Ein Beispiel für ein Nummerierungsschema ist in Anhang 1 des Validierungsberichts angeführt (4).

16.

Als Basis für angereichertes Medium und Einfriermedium wird Stammmedium verwendet. Angereichertes Medium ist zur Züchtung von Zellen ein notwendiger Bestandteil. Einfriermedium wurde speziell für ein auswirkungsfreies Einfrieren von Zellen für die langfristige Lagerung konzipiert. Vor der Verwendung sollte Nu-Serum (oder ein vergleichbares Serum mit gleichen Eigenschaften, das nachgewiesenermaßen Daten erzeugt, die die Anforderungen an die Prüfleistung und die Qualitätskontrolle erfüllen), das ein Bestandteil des angereicherten Mediums ist, auf Hintergrundkonzentrationen von T und E2 untersucht werden. Die Zubereitung dieser Lösungen wird im Anhang II des Validierungsberichts beschrieben (4).

17.

Nach Ansetzen einer H295R-Zellkultur aus einer ursprünglichen ATCC-Charge sind die Zellen über fünf Passagen zu vermehren (d. h.,die Zellen werden vier Mal geteilt). Passage-Fünf-Zellen werden dann in flüssigem Stickstoff zur Lagerung eingefroren. Vor dem Einfrieren der Zellen wird eine Probe der vorangegangenen Passage-Vier-Zellen in einer Qualitätskontrollplatte getestet (siehe die Nummern 36 und 37), um zu überprüfen, ob die Basalhormonproduktion und die Reaktion auf positive Kontrollchemikalien die in Tabelle 5 festgelegten Qualitätskontrollkriterien für den Assay erfüllen.

18.

H295R-Zellen müssen gezüchtet, eingefroren und in flüssigem Stickstoff gelagert werden, um sicherzustellen, dass für die Kultivierung und die Verwendung stets Zellen der richtigen Passage/des richtigen Alters verfügbar sind. Die maximale Anzahl Passagen nach Übernahme einer neuen ( 41 ) oder gefrorenen ( 42 ) Zellcharge in die Kultur, die zur Verwendung im H295R-Assay akzeptabel ist, sollte 10 nicht übersteigen. Akzeptable Passagen für Kulturen von Zellen aus einer bei Passage 5 eingefrorenen Charge wären beispielsweise 4.5 bis 10.5. Bei Zellen, mit denen von diesen eingefrorenen Chargen begonnen wurde, ist das in Nummer 19 beschriebene Verfahren zu befolgen. Diese Zellen sind in mindestens vier (4) zusätzlichen Passagen (Passage 4.5) zu züchten, bevor sie in Tests eingesetzt werden können.

Begin einer neuer Zellkultur mit Zellen aus der Gefrierlagerung

19.

Das Verfahren mit zum Start einer neuen Zellkultur mit Zellen aus der Gefrierlagerung ist anzuwenden, wenn eine neue Charge Zellen aus der Lagerung in flüssigem Stickstoff zu Zucht- und Testzwecken entnommen wird. Dieses Verfahren ist in Anhang III des Validierungsberichts ausführlich beschrieben (4). Die Zellen werden aus der Kryokonservierung entnommen, rasch aufgetaut, in angereichertem Medium in ein Zentrifugenröhrchen überführt, bei Zimmertemperatur abzentrifugiert, in angereichertem Medium resuspendiert und in eine Kulturflasche übertragen. Das Medium sollte am nächsten Tag gewechselt werden. Die H295R-Zellen werden in einem Inkubator bei 37 °C in einer mit 5 % CO2-angereicherten Luftatmosphäre kultiviert und das Medium wird 2-3 Mal pro Woche gewechselt. Wenn die Zellen zu ungefähr 85-90 % konfluent sind, sollten sie aufgeteilt werden. Die Zellen müssen aufgeteilt werden, um die Lebensfähigkeit und das Wachstum der Zellen sicherzustellen und um ausreichend Zellen für die Durchführung von Bioassays zur Verfügung zu haben. Die Zellen werden drei Mal mit Phosphat-gepufferter Salzlösung (PBS, ohne Ca2+ Mg2+.) ausgewaschen und durch Zugabe eines geeigneten Enzyms, z. B. Trypsin, in PBS (ohne Ca2+ Mg2+) aus der Kulturflasche herausgelöst. Die Reaktion sollte nach Ablösen der Zellen von der Kulturflasche durch Zugabe eines dreifachen Volumens an angereichertem Medium, im Verhältnis zu dem für die Enzymbehandlung verwendeten Volumen, gestoppt werden. Die Zellen werden in ein Zentrifugenröhrchen überführt, bei Zimmertemperatur zentrifugiert; der Überstand wird entfernt und das Pellet in angereichertem Medium resuspendiert. Eine entsprechende Menge Zellsuspension wird in die neue Kulturflasche gegeben. Die Menge an Zellsuspension sollte sollte so gewählt werden, dass die Zellen innerhalb von fünf bis sieben Tagen Konfluenz erreichen. Das empfohlene Subkultivierungsverhältnis beträgt 1:3 bis 1:4. Die Platte ist sorgfältig zu beschriften. Die Zellen sind jetzt für die Verwendung im Assay bereit. Überschüssige Zellen sollten in flüssigem Stickstoff eingelagert werden so wie in Paragraph 20 beschrieben.

Einfrieren von H295R-Zellen (Vorbereitung von Zellen für die Kryokonservierung)

20.

Um H295R-Zellen zum Einfrieren vorzubereiten, ist das oben beschriebene Verfahren für die Aufteilung von Zellen bis zu dem Schritt der Resuspendierung des Zellenpellets am Boden des Zentrifugenröhrchens zu befolgen. Hier wird das Zellenpellet in Einfriermedium resuspendiert. Die Lösung wird in ein entsprechend etikettiertes Kryogenfläschchen übertragen und bei – 80 °C 24 Stunden lang eingefroren. Danach wird das Kryogenfläschchen zur Lagerung in flüssigen Stickstoff gegeben. Dieses Verfahren ist in Anhang III des Validierungsberichts ausführlich beschrieben (4).

Plattierung und Vorinkubation von Zellen für die Durchführung der Tests

21.

Die benötigte Anzahl an nach den Angaben in Absatz 19 vorbereiteten 24-Muldenplatten hängt von der Zahl der zu prüfenden Chemikalien und der Konfluenz der Zellen in den Kulturschalen ab. In der Regel bietet eine Kulturflasche (75 cm2) mit 80-90 % konfluenten Zellen genügend Zellen für eine bis eineinhalb Platten (24-Mulden) mit einer angestrebten Dichte von 200 000 bis 300 000 Zellen pro ml Medium, was innerhalb von 24 Stunden zu ungefähr 50-60 % Konfluenz in den Mulden führt (Abbildung 2). Dies ist typischerweise die optimale Zelldichte für die Hormonproduktion im Assay. Bei höheren Dichten verändern sich sowohl die T- als auch die Muster der T- als auch der E2-Produktion. Bevor der Assay das erste Mal durchgeführt wird, empfiehlt es sich, unterschiedliche Einsaatdichten zwischen 200 000 und 300 000 Zellen pro ml zu prüfen und die Dichte, die sich bei 50-60 % Konfluenz in der Mulde nach 24 Stunden ergibt, für weitere Versuche auszuwählen.

Abbildung 2

Mikrofotografie von H295R-Zellen bei einer Einsaatdichte von 50 % in einer 24-Mulden-Kulturplatte nach 24 Stunden, aufgenommen am Rand (A) und in der Mitte (B) einer Mulde.

image

22.

Das Medium wird aus der Kulturflasche abpipettiert und die Zellen werden drei Mal mit steriler PBS (ohne Ca2+Mg2+) gespült. Es wird eine Enzymlösung (in PBS) zugegeben, um die Zellen von der Kulturflasche abzulösen. Nachdem ein angemessener Zeitraum zur Ablösung der Zellen verstrichen ist, sollte die Enzymwirkung durch Zugabe eines angereicherten Mediums im dreifachen Verhältnis zu dem für die Enzymbehandlung verwendeten Volumen gestoppt werden. Die Zellen werden in ein Zentrifugenröhrchen überführt und bei Zimmertemperatur zentrifugiert; der Überstand wird entfernt und das Zellpellet in angereichertem Medium resuspendiert. Anschließend wird die Zelldichte bestimmt, z. B. mittels einer Zählkammer oder eines Zellzählers. Die Zelllösung sollte entsprechend der gewünschten Dichte für das Ausplattieren verdünnt und gründlich gemischt werden, um eine homogene Zelldichte sicherzustellen. Die Zellen sollten mit 1 ml Zelllösung/Mulde plattiert und die Platten und Mulden beschriftet werden. Die ausgesäten Platten werden 24 Stunden lang bei 37 °C und 5 % CO2 in Luft inkubiert, damit die Zellen an den Mulden anwachsen können.

ANFORDERUNGEN AN DIE QUALITÄTSKONTROLLE

23.

Es ist wichtig, bei der Dosierung exakte Volumina der Lösungen und Proben in die Mulden zu geben, weil diese Volumina die Konzentrationen bestimmen, die in den Berechnungen der Assay-Ergebnisse verwendet werden.

24.

Vor dem Ansetzen einer Zellkultur und der späteren Durchführung von Tests, hat jedes Labor die Empfindlichkeit seines Hormonmesssystems nachzuweisen (Nummern 29-31).

25.

Werden antikörperbasierte Hormonmessungsassays verwendet, sind die Prüfsubstanzen vor Beginn der Tests, wie unter Nummer 32 beschrieben, darauf zu prüfen, ob sie das für die quantitative Bestimmung von T und E2 verwendete Bestimmungssystem unter Umständen beeinträchtigen können.

26.

Für den Assay wird DMSO als Lösungsmittel empfohlen. Falls ein alternatives Lösungsmittel verwendet wird, ist Folgendes zu bestimmen:

 die Löslichkeit der Prüfsubstanz, Forskolin und Prochloraz im Lösungsmittel und

 die Zytotoxizität in Abhängigkeit von der Konzentration des Lösungsmittels.

Es wird empfohlen, dass die maximal zulässige Lösungsmittelkonzentration eine 10-fache Verdünnung der am wenigsten zytotoxischen Konzentration des Lösungsmittels nicht übersteigen sollte.

27.

Bevor die Tests zum ersten Mal durchgeführt werden, hat das Labor einen Eignungsversuch durchzuführen und nachzuweisen, dass es die entsprechende Zellkultur und die Versuchsbedingungen, die für die chemischen Prüfungen laut den Beschreibungen in den Absätzen 33-35 erforderlich sind, erzielen und aufrechterhalten kann.

28.

Wenn Testreihen begonnen werden, bei denen eine neue Charge verwendet wird, ist vor der Verwendung einer neuen Zellcharge eine Testreihe mit einer Kontrollplatte durchzuführen, um die Leistungsfähigkeit der Zellen, wie unter den Nummern 36 und 37 beschrieben, zu bewerten.

Leistung des Hormonmesssystems

Methodenempfindlichkeit, -genauigkeit, -präzision und Kreuzreaktivität mit der Probenmatrix

29.

Jedes Labor kann für die Analyse der Produktion von T und E2 durch H295R-Zellen ein Hormonmesssystem seiner Wahl verwenden, so lange dieses die Leistungskriterien, einschließlich der Quantifizierungsgrenze (Limit of Quantification, LOQ) erfüllt. Nominal liegt die Quantifizierungsgrenze bei 100 pg/ml für T bzw. bei 10 pg/ml für E2. Diese Grenzen basieren auf den in den Validierungsstudien beobachteten Basalhormonspiegeln. In Abhängigkeit zu den im durchführenden Labor erzielten Basalhormonspiegeln können jedoch auch höhere oder niedrigere Werte angemessen sein. Vor dem Ansetzen einer Qualitätskontrollplatte und der Einleitung von Testreihen hat das Labor nachzuweisen, dass der Hormonassay, der verwendet werden soll, Hormonkonzentrationen in angereichertem Medium so genau und präzise bestimmen kann, dass die in den Tabellen 1 und 5 angegebenen Qualitätskontrollkriterien erfüllt werden. Dieser Nachweis erfolgt durch die Analyse eines mit einer internen Hormonkontrolle versetzten angereicherten Mediums. Das angereicherte Medium ist mit mindestens drei Konzentrationen eines jeden Hormons zu versetzen (z. B. 100, 500 und 2 500 pg/ml von T; 10, 50 und 250 pg/ml von E2; oder für die niedrigsten Spikekonzentrationen für T und E2 können die auf den Nachweisgrenzen des gewählten Hormonmesssystems gestützten niedrigstmöglichen Konzentrationen verwendet werden) und zu analysieren. Die gemessenen Hormonkonzentrationen der nicht extrahierten Proben sollten innerhalb von 30 % der Nominalkonzentrationen liegen und die Variation zwischen wiederholten Messungen derselben Probe sollte 25 % nicht übersteigen (weitere Kriterien für die Qualitätskontrolle finden sich auch in Tabelle 8). Werden diese Qualitätskontrollkriterien erfüllt, wird davon ausgegangen, dass der ausgewählte Hormonassay ausreichend genau und präzise ist und nicht zu Kreuzreaktionen mit Mediumsbestandteilen (Probenmatrix) führt, zumindest nicht in einem derartigen Ausmaß, dass von einer deutlichen Beeinflussung des Assayergebnisses auszugehen ist. In einem solchen Fall ist keine Extraktion von Proben vor der Messung der Hormone erforderlich.

30.

Für den Fall, dass die in den Tabellen 1 und 8 angeführten Qualitätskontrollkriterien nicht erfüllt werden, kann es zu einer erheblichen Matrixwirkung kommen und es ist ein Versuch mit extrahiertem und mit Spike (T oder E2) versetztem Medium durchzuführen. Ein Beispiel für ein Extraktionsverfahren ist in Anhang 1 des Validierungsberichts angeführt (4). Die Messungen der Hormonkonzentrationen in den extrahierten Proben sind dreifach durchzuführen ( 43 ). Wenn gezeigt werden kann, dass die Bestandteile des Mediums nach der Extraktion die Hormonbestimmungsmethode nach den Festlegungen durch die Qualitätskontrollkriterien nicht beeinträchtigen, sind alle weiteren Versuche mithilfe extrahierter Proben durchzuführen. Falls die Qualitätskontrollkriterien nach der Extraktion nicht erfüllt werden können, ist das verwendete Hormonmesssystem für den Zweck des H295R Steroidgenese-Assay nicht geeignet und es ist eine alternative Hormonbestimmungsmethode zu verwenden.

Standardkurve

31.

Die Hormonkonzentrationen der Lösungsmittelkontrollen (LK) sollten innerhalb des linearen Teils der Standardkurve liegen. Die Werte der Lösungsmittelkontrollen sollten vorzugsweise nahe an den Mittelpunkt des linearen Anteils fallen, um sicherzustellen, dass die Stimulation und die Hemmung der Hormonsynthese gemessen werden kann. Die zu messenden Verdünnungen des Mediums (oder Extrakte) sind entsprechend auszuwählen. Die lineare Beziehung ist durch einen geeigneten statistischen Ansatz zu bestimmen.

Test auf chemische Interferenz

32.

Sollen zur Messung der Hormone antikörperbasierte Assays, wie zum Beispiel Enzyme-Linked Immunosorbent-Assays (ELISA) oder Radio-Immuno-Assays (RIA) verwendet werden, ist jede Chemikalie vor Beginn der tatsächlichen Prüfung der Chemikalien darauf zu prüfen, ob sie das einzusetzende Hormonmesssystem möglicherweise beeinträchtigt (Anhang III des Validierungsberichts (4)), da diese Tests durch einige Chemikalien beeinträchtigt werden können (17). Wenn aus der Bestimmung der Hormonanalyse hervorgeht, dass eine Beeinflussung ≥ 20 % der Basalhormonproduktion für T und/oder E2 erfolgt, ist der Test auf chemische Beeinflussung des Hormonassay (wie im Anhang III des Validierungsberichts (4) Abschnitt 5.0 beschrieben) für alle Stammlösungsverdünnungen der Prüfsubstanz durchzuführen, um die Schwellendosis zu ermitteln, bei der eine signifikante Beeinflussung (≥ 20 %) erfolgt. Wenn die Beeinflussung geringer ist als 30 % können die Ergebnisse um die Beeinflussung korrigiert werden. Wenn die Beeinflussung größer ist als 30 %, sind die Daten ungültig und die Daten bei diesen Konzentrationen sind zu verwerfen. Wenn es bei mehr als einer nicht zytotoxischen Konzentration zu einer signifikanten Beeinflussung des Hormonmesssystems durch die Prüfsubstanz kommt, muss ein anderes Hormonmesssystem verwendet werden. Um Beeinflussungen von kontaminierenden Chemikalien zu vermeiden, wird empfohlen, dass Hormone aus dem Medium mithilfe eines geeigneten Lösungsmittels extrahiert werden. Geeignete Methoden finden sich im Validierungsbericht (4).



Tabelle 1

Leistungskriterien für Hormonmesssysteme

Parameter

Kriterium

Empfindlichkeit der Messmethode

Quantifizierungsgrenze (LOQ)

T: 100 pg/ml; E2: 10 pg/ml ()

Hormonextraktionseffizienz (nur, wenn Extraktion nötig ist)

Die durchschnittlichen Wiederfindungsraten (gestützt auf dreifache Messungen) für die versetzten Hormonmengen sollten nicht mehr als 30 % von der Menge abweichen, die zugegeben wurde.

Chemische Beeinflussung (nur antikörperbasierte Systeme)

Es sollte zu keiner wesentlichen (≥ 30 % der Basalhormonproduktion des entsprechenden Hormons) Kreuzreaktion mit einem der von den Zellen produzierten Hormone kommen () ()

(1)    Anmerkung: Die Messgrenzen der Methode basieren auf den in Tabelle 5 angeführten Basalhormonproduktionswerten und sind leistungsgestützt. Wenn eine höhere Basalhormonproduktion erzielt werden kann, kann der Grenzwert auch höher sein.

(2)   Einige T- und E2-Antikörper können bei einem höheren Anteil unter Umständen zu Kreuzreaktionen mit Androstendion bzw. Östron führen. In solchen Fällen ist es nicht möglich, die Wirkungen auf 17β-HSD genau zu bestimmen. Die Daten können dennoch nützliche Auskünfte über die Wirkungen auf die Östrogen- oder Androgenproduktion im Allgemeinen geben. In solchen Fällen sind die Angaben als Androgen-/Östrogenreaktionen und nicht als E2 und T auszuweisen.

(3)   Dazu gehören: Cholesterin, Pregnenolon, Progesteron, 11-Deoxykortikosteron, Kortikosteron, Aldosteron, 17α-Pregnenolon, 17α-Progesteron, Deoxykortison, Kortison, DHEA, Androstenedion, Östron.

Eignungsprüfung des Prüflabors

33.

Bevor unbekannte Chemikalien geprüft werden, hat ein Labor nachzuweisen, dass es die Kompetenz besitzt, die entsprechenden Zellkultur- und die Versuchsbedingungen, die für die erfolgreiche Durchführung des Assays erforderlich sind, herzustellen und aufrechtzuerhalten. Dieser Nachweis erfolgt im Rahmen einer Eignungsprüfung. Da die Leistung eines Assays unmittelbar mit den durchführenden Labortechnikern zusammenhängt, sollten diese Verfahren teilweise wiederholt werden, wenn es zu einem Wechsel des Laborpersonals kommt.

34.

Diese Eignungsprüfung wird unter denselben Bedingungen durchgeführt, wie sie unter den Nummern 38 bis 40 beschrieben sind, d. h. Zellen werden sieben zunehmenden Konzentrationen starker, mittlerstarker und schwacher Induktoren und Inhibitoren sowie einer negativen Chemikalie ausgesetzt werden (siehe Tabelle 2). Zu den zu prüfenden Chemikalien gehören im Einzelnen der starke Induktor Forskolin (CAS-Nr. 66575-29-9), der starke Inhibitor Prochloraz (CAS-Nr. 67747-09-5), der mittelstarke Induktor Atrazin (CAS-Nr. 1912-24-9), der mittelstarke Inhibitor Aminoglutethimid (CAS-Nr. 125-84-8), der schwache Induktor (E2-Produktion) und der schwache Inhibitor (T-Produktion) Bisphenol A (CAS-Nr. 80-05-7) sowie die negative Chemikalie Human-Choriongonadotropin (hCG) (CAS-Nr. 9002-61-3), wie in Tabelle 2 dargestellt. Testreihen mit separaten Platten werden für alle Chemikalien durchgeführt; dabei ist das in Tabelle 6 angegebene Format zu verwenden. Eine Qualitätskontrollplatte (Tabelle 4, Nummern 36-37) ist bei den täglichen Testreihen für die Eignungsprüfungschemikalien einzubeziehen.



Tabelle 2

Eignungsprüfungschemikalien und Expositionskonzentrationen

Chemikalie

Prüfkonzentrationen [μM]

Prochloraz

(), 0,01, 0,03, 0,1, 0,3, 1, 3, 10

Forskolin

(), 0,03, 0,1, 0,3, 1, 3, 10, 30

Atrazin

(), 0,03, 0,1, 1, 3, 10, 30, 100

Aminoglutethimid

(), 0,03, 0,1, 1, 3, 10, 30, 100

Bisphenol A

(), 0,03, 0,1, 1, 3, 10, 30, 100

HCG

(), 0,03, 0,1, 1, 3, 10, 30, 100

(1)   Lösungsmittel (DMSO) Kontrolle (0), 1 μl DMSO/Mulde.

Die Exposition von H295R-Zellen gegenüber Eignungsprüfungschemikalien sollte bei der Eignungsprüfung des Labors in 24-Mulden-Platten durchgeführt werden. Die Dosierung erfolgt für alle Prüfsubstanzdosen in μM. Die Dosen sind in DMSO bei 0,1 % v/v pro Mulde zu verabreichen. Alle Prüfkonzentrationen sind in Triplikaten zu testen (Tabelle 6). Für jede Chemikalie werden separate Platten verwendet. Eine Qualitätskontrollplatte wird in alle täglichen Testreihen einbezogen.

35.

Zellviabilitäts- und Hormonanalysen sind nach den Vorgaben der Nummern 42 bis 46 durchzuführen. Der Schwellenwert [niedrigste Konzentration mit messbarer Wirkung (Lowest-Observed-Effect-Concentration, LOEC)] und das Einstufungsergebnis sind zu dokumentieren und mit den Werten in Tabelle 3 zu vergleichen. Die Daten gelten als akzeptabel, wenn sie die Bedingungen für den LOEC-Wert und das Einstufungsergebnis in Tabelle 3 erfüllen.



Tabelle 3

Schwellenwerte (LOEC-Werte) und Einstufungergebnisse für Eignungsprüfungschemikalien

 

CAS-Nummer

LOEC [μM]

Entscheidungsergebnis

T

E2

T

E2

Prochloraz

67747-09-5

≤ 0,1

≤ 1,0

() (Inhibition)

+ (Inhibition)

Forskolin

66575-29-9

≤ 10

≤ 0,1

+ (Induktion)

+ (Induktion)

Atrazin

1912-24-9

≤ 100

≤ 10

+ (Induktion)

+ (Induktion)

Aminoglutethimid

125-84-8

≤ 100

≤ 100

+ (Inhibition)

+ (Inhibition)

Bisphenol A

80-05-7

≤ 10

≤ 10

+ (Inhibition)

+ (Induktion)

HCG

9002-61-3

entfällt

entfällt

Negativ

Negativ

(1)   +, positiv

entfällt: keine Angabe, weil nach der Exposition gegenüber nicht-zytotoxischen Konzentrationen der negativen Kontrolle keine Änderungen eintreten sollten.

Qualitätskontrollplatte

36.

Die Qualitätskontrollplatte (QK-Platte) wird zur Überprüfung der Leistung der H295R-Zellen unter Standardkulturbedingungen und zur Errichtung einer historischen Datenbasis für frühere Daten über Hormonkonzentrationen in Lösungsmittelkontrollen und Positiv- und Negativkontrollen sowie zur Festlegung anderer im Laufe der Zeit durchzuführenden Qualitätskontrollmaßnahmen verwendet.

 Die Leistung der H295R-Zellen ist mithilfe einer QK-Platte für jede neue ATCC-Charge oder nach der erstmaligen Verwendung zuvor eingefrorener Zellen zu bewerten, sofern die Eignungsprüfung des Labors (Nummern 32-34) nicht mit dieser Zellcharge durchgeführt worden ist.

 Eine QK-Platte gewährleistet bei der Prüfung von Chemikalien eine vollständige Bewertung der Assay-Bedingungen (z. B. Zellviabilität, Lösungsmittelkontrollen, Negativ- und Positivkontrollen sowie Intra- und Interassay-Variabilität) und sollte Bestandteil jeder Testreihe sein.

37.

Der Qualitätskontrolltest wird in einer 24-Muldenplatte durchgeführt und folgt für die Inkubation, die Dosierung, die Zellviabilität/Zytotoxizität, die Hormonextraktion und die Hormonanalyse denselben Verfahren, die sie bereits unter den Nummern 38 bis 46 für Chemikalientestungen beschrieben wurden. Die Qualitätskontrollplatte enthält Blindproben, Lösungsmittelkontrollen und zwei Konzentrationen eines bekannten Induktors (Forskolin, 1, 10 μM) und Inhibitors (Prochloraz, 0,1, 1 μM) für die E2- und T-Synthese. Darüber hinaus wird in ausgewählten Mulden als Positivkontrolle für den Viabilitäts-/Zytotoxizitäts-Assay MeOH verwendet. Eine ausführliche Beschreibung der Plattenanordnung findet sich in Tabelle 4. Die Kriterien, die bei der QK-Platte erfüllt sein müssen, sind in Tabelle 5 aufgeführt. Die Mindestwerte für die Basalhormonproduktion für T und E2 sind sowohl bei den Mulden mit der Lösungsmittelkontrolle als auch bei den Blindproben einzuhalten.



Tabelle 4

Anordnung der Qualitätskontrollplatte für die Prüfung der Leistung nicht exponierter H295R-Zellen und Zellen, die gegenüber einem bekannten Inhibitor (PRO = Prochloraz) und Induktor (FOR = Forskolin) der E2- und T-Produktion exponiert wurden. Nach abgeschlossenem Expositionsversuch und der Entfernung des Mediums wird eine 70 %ige Methanollösung in alle MeOH-Mulden gegeben, die als Positivkontrolle für die Zytotoxizität dienen (siehe Zytotoxizitäts-Assay in Anhang III des Validierungsberichts (4)).

 

1

2

3

4

5

6

A

Blindprobe ()

Blindprobe ()

Blindprobe ()

Blindprobe ()

(+ MeOH) ()

Blindprobe ()

(+ MeOH) ()

Blindprobe ()

(+ MeOH) ()

B

DMSO ()

1 μl

DMSO ()

1 μl

DMSO ()

1 μl

DMSO ()

1 μl

(+ MeOH) ()

DMSO ()

1 μl

(+ MeOH) ()

DMSO ()

1 μl

(+ MeOH) ()

C

FOR 1 μM

FOR 1 μM

FOR 1 μM

PRO 0,1 μM

PRO 0,1 μM

PRO 0,1 μM

D

FOR 10 μM

FOR 10 μM

FOR 10 μM

PRO 1 μM

PRO 1 μM

PRO 1 μM

(1)   Zellen in Blindprobenmulden erhalten nur Medium (d. h. kein Lösungsmittel).

(2)   Methanol (MeOH) wird nach abgeschlossener Exposition und nach Entfernung des Mediums aus diesen Mulden zugegeben.

(3)   DMSO-Lösungsmittelkontrolle (1 μl/Mulde).



Tabelle 5

Leistungskriterien für die Qualitätskontrollplatte

 

T

E2

Basalhormonproduktion in der Lösungsmittelkontrolle (LK)

≥ 5-fache LOQ

≥ 2,5-fache LOQ

Induktion (10 μM Forskolin)

≥ 1,5-fache LK

≥ 7,5-fache LK

Inhibition (1 μM Prochloraz)

≤ 0,5-fache LK

≤ 0,5-fache LK

VERFAHREN DER CHEMIKALIENEXPOSITION

38.

Die vorinkubierten Zellen werden aus dem Inkubator entnommen (Nummer 21) und vor der Zudosierung unter einem Mikroskop kontrolliert, um sicherzustellen, dass sie sich in gutem Zustand befinden (Anhaftung, Morphologie).

39.

Die Zellen werden in eine Biosicherheitswerkbank platziert und das angereicherte Medium wird entfernt und durch ein neues angereichertes Medium ersetzt (1 ml/Mulde). Für diese Prüfmethode wird DMSO als Lösungsmittel empfohlen. Sollten jedoch Gründe für die Verwendung anderer Lösungsmittel vorliegen, ist dies wissenschaftlich zu begründen. Die Zellen werden durch Zugabe von 1 μl der geeigneten Stammlösung in DMSO (siehe Anhang II des Validierungsberichts (4)) pro 1 ml angereichertes Medium (Muldenvolumen) gegenüber der Prüfsubstanz exponiert. Dadurch ergibt sich eine Endkonzentration von 0,1 % DMSO in den Mulden. Um eine angemessene Vermischung sicherzustellen, wird im Allgemeinen empfohlen, die geeignete Stammlösung der Prüfsubstanz in DMSO mit angereichertem Medium zu mischen, um so für jede Dosis die gewünschte Endkonzentration zu erhalten, und die Mischung unverzüglich nach Entfernen des alten Mediums in die Mulden zu geben. Bei einer solchen Vorgehensweise sollte die Konzentration von DMSO (0,1 %) in allen Mulden gleich bleiben. Die Mulden mit den beiden höchsten Konzentrationen werden mithilfe eines Stereomikroskops visuell auf Bildung von Niederschlag oder Trübung (Hinweis auf die unvollständige Löslichkeit der Prüfsubstanz) untersucht. Werden solche Bedingungen (Trübung, Niederschlagsbildung) beobachtet, sind die Mulden mit den nächstniedrigeren Konzentrationen ebenfalls zu untersuchen (und so weiter), und Konzentrationen, die sich nicht vollständig gelöst haben, sind aus der weiteren Bewertung und Analyse auszuschließen. Die Platte wird bei 37 oC und 5 % CO2 in der Luftatmosphäre 48 Stunden lang in den Inkubator zurückgestellt. Die Anordnung der Prüfsubstanzplatte ist in Tabelle 6 dargelegt. Die Stämme 1-7 zeigen Bestückung mit zunehmenden Dosen Prüfsubstanz.



Tabelle 6

Dosierungsschema für die Exposition von H295R-Zellen gegenüber Prüfsubstanzen in einer 24-Muldenplatte

 

1

2

3

4

5

6

A

DMSO

DMSO

DMSO

Stamm 4

Stamm 4

Stamm 4

B

Stamm 1

Stamm 1

Stamm 1

Stamm 5

Stamm 5

Stamm 5

C

Stamm 2

Stamm 2

Stamm 2

Stamm 6

Stamm 6

Stamm 6

D

Stamm 3

Stamm 3

Stamm 3

Stamm 7

Stamm 7

Stamm 7

40.

Nach 48 Stunden werden die Expositionsplatten aus dem Inkubator genommen und jede Mulde wird unter dem Mikroskop auf den Zustand der Zellen (Anhaftung, Morphologie, Grad der Konfluenz) und Anzeichen von Zytotoxizität untersucht. Das Medium aus jeder Mulde wird in zwei gleiche Mengen (von jeweils ungefähr 490 μl) unterteilt und in zwei separate, entsprechend gekennzeichnete Fläschchen gegeben (d. h. ein Aliquot als Ersatzprobe für jede Mulde). Um zu verhindern, dass die Zellen austrocknen, wird jeweils immer nur aus einer Reihe oder einer Kolonne Medium entfernt und durch das Medium für die Zellviabilitäts-/Zytotoxizitätsprüfung ersetzt. Wenn die Zellviabilität/Zytotoxizität nicht unverzüglich bestimmt wird, werden in jede Mulde 200 μl PBS mit Ca2+ und Mg2+ zugegeben. Die Medien werden bis zur weiteren Analyse der Hormonkonzentrationen (siehe Nummern 44-46) bei — 80 oC eingefroren. Obwohl in Medium bei — 80 oC aufbewahrtes T und E2 in der Regel zwar mindestens drei Monate lang stabil bleiben, sollte die Hormonstabilität während der Lagerung in jedem Labor dennoch dokumentiert werden.

41.

Unmittelbar nachdem das Medium entfernt wurde, wird für jede Expositionsplatte die Zellviabilität/Zytotoxizität bestimmt.

Bestimmung der Zellviabilität

42.

Zur Bestimmung der potenziellen Auswirkung der Prüfsubstanz auf die Zellviabilität/Zytotoxizität kann ein beliebiger Zellviabilitäts-/Zytotoxizitäts-Assay durchgeführt werden. Der Assay sollte eine reale Messung des Anteils der in einer Mulde präsenten lebensfähigen Zellen gewährleisten oder es sollte nachgewiesen werden, dass er direkt mit dem (einer linearen Funktion des) Live/Dead®-Assay vergleichbar ist (siehe Anhang III des Validierungsberichts (4)). Ein alternativer Assay, der sich ebenfalls bewährt hat, ist der MTT-Test [3-(4,5-Dimethylthiazol-2-yl)-2,5-Diphenyltetrazoliumbromid] (18). Die Bewertung der Zellviabilität nach den vorgenannten Methoden entspricht einer relativen Messung, die nicht unbedingt lineare Beziehungen zur absoluten Zahl der Zellen in einer Mulde aufweist. Daher sollte der Prüfer parallel dazu jede Mulde einer subjektiven visuellen Beurteilung unterziehen und Digitalfotos der Lösungsmittelkontrollen und der beiden höchsten nicht zytotoxischen Konzentrationen aufnehmen und archivieren, um so eine spätere Beurteilung der genauen Zelldichte zu ermöglichen, sollte eine solche erforderlich werden. Sollten Sichtkontrolle oder Viabilitäts-/Zytotoxizitäts-Assay auf eine Erhöhung der Zellenanzahl hindeuten, so muss diese überprüft werden. Wird die Erhöhung der Zellenanzahl bestätigt, ist dies im Prüfbericht anzugeben. Die Zellviabilität wird bezogen auf die durchschnittliche Reaktion in den Lösungsmittelkontrollen ausgedrückt (bei der davon ausgegangen wird, dass sie zu 100 % lebensfähigen Zellen entspricht) und in einer für den jeweils verwendeten Zellviabilitäts-/Zytotoxizitäts-Assay geeigneten Weise berechnet. Für den MTT-Assay kann die folgende Formel verwendet werden:

% lebensfähige Zellen = (Reaktion in der Mulde – durchschnittliche Reaktion in mit MeOH [= 100 % tote Zellen] behandelten Mulden) ÷ (durchschnittliche Reaktion in Mulden mit Lösungsmittelkontrolle – durchschnittliche Reaktion in mit MeOH [= 100 % tote Zellen] behandelten Mulden)

43.

Mulden mit einer niedrigeren Viabilität als 80 % im Verhältnis zu der durchschnittlichen Viabilität in den Lösungsmittelkontrollen (= 100 % Viabilität) sollten in die endgültige Datenanalyse nicht einbezogen werden. Kommt es bei einer Zytotoxizität von beinahe 20 % zur Hemmung der Steroidgenese, muss sich der Prüfer vergewissern, dass die Ursache für die Hemmung nicht die Zytotoxizität ist.

Hormonanalyse

44.

Jedes Labor kann für die Analyse von T und E2 ein Hormonmesssystem seiner Wahl verwenden. Überschüssige Aliquote von Medium aus den einzelnen Behandlungsgruppen können für die Zubereitung von Verdünnungen verwendet werden, um die Konzentration in den linearen Teil der Standardkurve zu bringen. Gemäß Nummer 29 sollte jedes Labor nachweisen, dass sein Hormonmesssystem (z. B. ELISA, RIA, LC-MS, LC-MS/MS) den Qualitätskontrollkriterien entspricht. Dieser Nachweis erfolgt durch die Analyse eines mit einer internen Hormonkontrolle versetzten angereicherten Mediums, bevor Qualitätskontrolltestreihen durchgeführt oder Chemikalien geprüft werden. Um sicherzustellen, dass die Bestandteile des Prüfsystems die Hormonmessung nicht beeinträchtigen, müssen die Hormone vor ihrer Messung möglicherweise aus dem Medium extrahiert werden (für die Bedingungen, unter denen eine Extraktion erforderlich oder nicht erforderlich ist, siehe Nummer 30). Es wird empfohlen, bei der Extraktion die in Anhang III des Validierungsberichts angegebenen Verfahrensvorschriften zu befolgen (4).

45.

Wird ein im Handel erhältliches Testkit für die Messung der Hormonproduktion verwendet, sollte die Hormonanalyse nach den Vorgaben in den Bedienungsanleitungen des jeweiligen Herstellers durchgeführt werden. Die meisten Hersteller verfügen über ein spezielles Verfahren für die Durchführung von Hormonanalysen. Verdünnungen von Proben müssen so angepasst werden, dass die erwarteten Hormonkonzentrationen für die Lösungsmittelkontrollen in die Mitte des linearen Bereichs der Standardkurve des einzelnen Assays fallen (Anhang III des Validierungsberichts (4)). Werte außerhalb des linearen Bereichs der Standardkurve sind zu verwerfen.

46.

Die endgültigen Hormonkonzentrationen werden folgendermaßen berechnet:

Beispiel:



Extrahiert:

450 μl Medium

Rekonstituiert in:

250 μl Assay-Puffer

Verdünnung im Assay:

1:10 (um die Probe in den linearen Bereich der Standardkurve zu bringen)

Hormonkonzentration im Assay:

150 pg/ml (bereits an die Konzentration pro ml getesteter Probe angepasst)

Wiederfindung:

89 %

Endgültige Hormonkonzentration =

(Hormonkonzentration (pro ml) ÷ Wiederfindung) (Verdünnungsfaktor)

Endgültige Hormonkonzentration =

(150 pg/ml) ÷ (0,89) × (250 μl/450 μl) × 10 = 936,3 pg/ml

Wahl der Prüfkonzentrationen

47.

Es sind mindestens zwei unabhängige Assay-Testreihen durchzuführen. Sofern für die Wahl der Prüfkonzentrationen nicht bereits Informationen (wie Angaben zu Löslichkeitsgrenzen oder zur Zytotoxizität) vorliegen, wird empfohlen, die Prüfkonzentrationen für die erste Testreihe in log10-Abständen festzulegen, wobei 10-3 M die Höchstkonzentration darstellt. Ist die Chemikalie löslich und bei keiner der geprüften Konzentrationen zytotoxisch und war die erste Testreihe bei allen Konzentrationen negativ, so ist dies in einer weiteren Testreihe, die unter denselben Bedingungen wie die erste Testreihe durchgeführt wird, zu bestätigen (Tabelle 7). Sind die Ergebnisse der ersten Testreihe unschlüssig (d. h., der fold change [x-fache Änderung] ist im Vergleich zur Lösungsmittelkontrolle nur für eine einzige Konzentration statistisch signifikant) oder positiv (d. h., der fold change ist für zwei oder mehr nebeneinanderliegende Konzentrationen statistisch signifikant), so sollte der Test, wie in Tabelle 7 angegeben, mit verfeinerten Prüfkonzentrationen wiederholt werden. Die Prüfkonzentrationen in den Testreihen zwei und drei (falls zutreffend) sind auf der Grundlage der Ergebnisse aus der ersten Testreihe anzupassen, indem die Bracketing-Konzentrationen, die eine Wirkung hervorgerufen haben, mit in 1/2-log-Abständen verfeinert werden (wenn z. B. die ursprüngliche Testreihe mit 0,001, 0,01, 0,1, 1, 10, 100, 1000 μM zu Induktionen bei 1 und 10 μM geführt hat, sollten für die zweite Testreihe die Konzentrationen 0,1, 0,3, 1, 3, 10, 30, 100 μM verwendet werden), sofern keine niedrigeren Konzentrationen eingesetzt werden müssen, um einen LOEC-Wert zu erhalten. Im letztgenannten Fall sollten in der zweiten Testreihe mindestens fünf Konzentrationen unter der in der Testreihe geprüften niedrigsten Konzentration mit 1/2-log-Abständen verwendet werden. Wird die erste Testreihe durch die zweite Testreihe nicht bestätigt, (d. h., die zuvor positiv getestete Konzentration ± 1 Konzentrationssteigerung ergibt keine statistische Signifikanz), muss ein dritter Versuch unter den anfänglichen Testbedingungen durchgeführt werden. Unschlüssige Ergebnisse in der ersten Testreihe werden als negative Ergebnisse angesehen, wenn die gemessene Wirkung in keiner der beiden folgenden Testreihen bestätigt werden konnte. Unschlüssige Ergebnisse aus der ersten Testreihe werden als positive Reaktionen (Wirkungen) gewertet, wenn die Reaktion in mindestens einer weiteren Testreihe innerhalb einer Konzentrationssteigerung von ± 1 bestätigt werden kann (das Verfahren zur Datenauswertung findet sich in Abschnitt 55).



Tabelle 7

Entscheidungsmatrix für mögliche Ergebnisszenarien

Testreihe 1

Testreihe 2

Testreihe 3

Entscheidung

Szenario

Entscheidung

Szenario

Entscheidung

Szenario

positiv

negativ

negativ

Bestätigen ()

negativ

Aufhören

 

 

X

negativ

Bestätigen ()

positiv

Verfeinern ()

negativ

 

X

unschlüssig ()

Verfeinern ()

negativ

Bestätigen ()

negativ

 

X

unschlüssig ()

Verfeinern ()

negativ

Bestätigen ()

positiv

X

 

unschlüssig ()

Verfeinern ()

positiv

 

 

X

 

positiv

Verfeinern ()

negativ

Bestätigen ()

positiv

X

 

negativ

Bestätigen ()

positiv

Verfeinern ()

positiv

X

 

positiv

Verfeinern ()

positiv

Aufhören

 

X

 

(1)   Vorangegangene Testreihe nach demselben Prüfplan bestätigen.

(2)   Assay mit einem 1/2-log-Abstand zwischen den Konzentrationen erneut durchführen (mit Bracketing der Konzentration, die im vorangegangenen Versuch zu einem signifikant abweichenden Testergebnis geführt hat).

(3)   Ein Fold Change (x-fache Veränderung) bei einer Konzentration weicht statistisch signifikant von der Lösungsmittelkontrolle ab.

Qualitätskontrolle der Testplatte

48.

Neben den Qualitätskriterien für die Qualitätskontrollplatte sind weitere Qualitätskriterien einzuhalten, die in Tabelle 8 dargelegt sind und zulässige Abweichungen zwischen Replikatmulden, Wiederholungsversuche, die Linearität und Empfindlichkeit der Hormonmesssysteme, die Variabilität zwischen Wiederholungs- Hormonmessungen derselben Probe und die prozentuale Wiederfindung gespikter Hormone nach der Mediumextraktion (falls zutreffend; die Anforderungen an die Extraktion finden sich in Nummer 30) betreffen. Die Daten sollten innerhalb der Bereiche liegen, die für jeden Parameter, der für die weitere Auswertung zu berücksichtigen ist, festgelegt wurden. Werden diese Kriterien nicht erfüllt, ist auf dem Arbeitsblatt anzugeben, dass die Qualitätskontrollkriterien bei der fraglichen Probe nicht eingehalten wurden, und die Probe ist entweder erneut zu analysieren oder aus dem Datensatz zu streichen.



Tabelle 8

Akzeptanzbereiche und/oder Variation (in %) für die H295R-Assay-Testplattenparameter

(LOQ: Quantifizierungsgrenze des Hormonmesssystems. VK: Variationskoeffizient; LK: Lösungsmittelkontrolle; DPM: Disintegrationen pro Minute)

 

Vergleich zwischen

T

E2

Basalhormonproduktion in LKs

x-fach größer als LOQ

≥ 5-fach

≥ 2,5-fach

Expositionsversuche — Innerhalb des Platten-VK für LKs (Replikatmulden)

Absolute Konzentrationen

≤ 30 %

≤ 30 %

Expositionsversuche — Zwischen Platten-VKs für LKs (Wiederholungsversuche)

Fold Change (x-fache Änderung)

≤ 30 %

≤ 30 %

Hormonmesssystem — Empfindlichkeit

Feststellbare x-fache Abnahme im Vergleich zur LK

≥ 5-fach

≥ 2,5-fach

Hormonmesssystem — Wiederholungs- messung des VK für LK ()

Absolute Konzentrationen

≤ 25 %

≤ 25 %

Mediumextraktion — Wiederfindung des internen 3H-Standards (falls zutreffend)

DPM

≥ 65 % Nominal

(1)   Bezogen auf Wiederholungsmessungen ein und derselben Probe.

DATENANALYSE UND BERICHTERSTATTUNG

Datenanalyse

49.

Zur Bewertung der relativen Zunahme/Abnahme der chemisch veränderten Hormonproduktion, sind die Ergebnisse auf den mittleren Lösungsmittelkontrollwert jeder Testplatte zu standardisieren und als Änderungen bezogen auf die Lösungsmittelkontrolle in jeder Testplatte anzugeben. Alle Daten sind als Mittelwert ± 1 Standardabweichung anzugeben.

50.

Nur Hormondaten für Mulden, bei denen die Zytotoxizität niedriger war als 20 %, sind in die Datenanalyse aufzunehmen. Relative Änderungen sind folgendermaßen zu berechnen:

Relative Veränderung = (Hormonkonzentration in jeder Mulde) ÷ (Mittlere Hormonkonzentration in allen Mulden mit Lösungsmittelkontrolle).

51.

Sollte die Sichtkontrolle der Mulde oder der unter Nummer 42 beschriebene Viabilitäts-/Zytotoxizitäts-Assay auf eine Erhöhung der Zellanzahl hindeuten, muss diese offensichtliche Erhöhung überprüft werden. Wird die Erhöhung der Zellanzahl bestätigt, ist dies im Prüfbericht anzugeben.

52.

Bevor statistische Analysen durchgeführt werden, sind die Normalitäts- und Varianzhomogenitätshypothesen zu bewerten. Die Normalität ist mittels Normalwahrscheinlichkeitsplot (Standard-Probability-Plot)oder nach anderen geeigneten statistischen Methoden (z. B. Shapiro-Wilk's Test) zu bewerten. Sind die Daten (Fold Changes) nicht normal verteilt, sollte versucht werden, die Daten umzuwandeln, um eine approximative Normalverteilung zu erhalten. Wenn die Daten normalverteilt oder approximativ normalverteilt sind, sollten die Unterschiede zwischen den verschiedenen Gruppen chemischer Konzentrationen und den Lösungsmittelkontrollen anhand eines parametrischen Tests (z. B. Dunnett's Test) analysiert werden, wobei die Konzentration die unabhängige und die Reaktion (Fold Change) die abhängige Variable darstellt. Sind die Daten nicht normalverteilt, ist ein geeigneter nichtparametrischer Test zu verwenden (z. B. Kruskal-Wallis-Test, Steel's Many-One Rank Test). Unterschiede gelten als signifikant bei p ≤ 0,05. Die statistischen Bewertungen erfolgen auf Grundlage der durchschnittlichen Werte der Mulden, die unabhängige Wiederholungsdatenpunkte darstellen. Es wird davon ausgegangen, dass es aufgrund der großen Dosisstufenabstände in der ersten Testreihe (log10-Staffelung) nicht möglich sein wird, eindeutige Konzentration-Wirkungs-Beziehungen zu beschreiben, bei denen die beiden höchsten Dosen im linearen Bereich der Sigmoidkurve liegen. Daher finden bei der ersten Testreihe oder etwaigen anderen Datensätzen, bei denen dieser Fall eintritt (z. B. wenn keine maximale Wirksamkeit geschätzt werden kann), statistische Daten mit fester Variable des Typs I Anwendung.

53.

Wenn mehr als zwei Datenpunkte im linearen Bereich der Kurve liegen und soweit die maximalen Wirksamkeiten berechnet werden können (wie dies für bestimmte zweite Testreihen mit 1/2-log-Abstand zwischen den Expositionskonzentrationen erwartet wird), ist ein Probit-, Logit- oder ein anderes geeignetes Regressionsmodell für die Berechnung der wirksamen Konzentrationen zu verwenden (z. B. EC50 und EC20).

54.

Die Ergebnisse sind sowohl in grafischer Form (Balkendiagramme, die Mittelwert ± 1 Standardabweichung darstellen) als auch in tabellarischer Form (LOEC-/NOEC-Wert, Wirkungsrichtung und Stärke der maximalen Reaktion, die Teil des Dosis-Wirkung-Teils der Daten ist) vorzulegen (siehe Beispiel in Abbildung 3). Die Datenauswertung wird nur dann als gültig angesehen, wenn sie auf mindestens zwei unabhängig durchgeführten Testreihen basiert. Ein Versuch oder eine Testreihe gilt als unabhängig, wenn er/sie an einem anderen Tag mit neuen Lösungen und Kontrollen durchgeführt wurde. Der für die Testreihen 2 und 3 (falls erforderlich) verwendete Konzentrationsbereich kann auf der Grundlage der Ergebnisse aus der ersten Testreihe angepasst werden, um den Dosis-Wirkungs-Bereich mit der niedrigsten Konzentration mit messbarer Wirkung (LOEC) (siehe Nummer 47) besser bestimmen zu können.

Abbildung 3

Beispiel für die Präsentation und Bewertung der bei der Durchführung des H295R-Assays generierten Daten in grafischer und tabellarischer Form

(Sternchen zeigen statistisch signifikante Unterschiede zur Lösungsmittelkontrolle (p< 0,05) an. LOEC: niedrigste Konzentration mit gemessener Wirkung; Max. Änderung: Maximale Stärke der bei den einzelnen Konzentration gemessenen Reaktion, bezogen auf die durchschnittlichen Reaktion der Lösunsgsmittelkontrolle (= 1))

image



Chemikalie

LOEC

Max. Änderung

Forskolin

0,01

0,15-fach

Letrozol

0,001

29-fach

Verfahren für die Datenauswertung

55.

Eine Prüfsubstanz gilt als positiv, wenn die x-fache Induktion bei zwei nebeneinander liegenden Konzentrationen in mindestens zwei unabhängigen Testreihen (Tabelle 7) statistisch gesehen von der Lösungsmittelkontrolle abweicht (p ≤ 0,05). Eine Prüfsubstanz gilt nach zwei unabhängigen negativen Testreihen oder nach drei Testreihen, von denen zwei negative Ergebnisse und einer entweder unschlüssige oder positive Ergebnisse aufweisen, als negativ. Wenn die in drei unabhängigen Versuchen generierten Daten die in Tabelle 7 angeführten Entscheidungskriterien nicht erfüllen, können die Versuchsergebnisse nicht ausgewertet werden. Ergebnisse bei Konzentrationen, die über den Löslichkeitsgrenzen liegen, oder bei zytotoxischen Konzentrationen sollten nicht in die Datenauswertung einfließen.

Prüfbericht

56.

Der Prüfbericht sollte folgende Angaben enthalten:

Prüfanstalt

 Name und Standort,

 Versuchsleiter und sonstiges Personal und ihre jeweiligen Zuständigkeiten,

 Versuch: Start- und Enddatum.

Prüfsubstanz, Reagenzien und Kontrollen,

 Identität (Name/gegebenenfalls CAS-Nummer), Quelle, Nummer der Partie/Charge, Reinheit, Lieferant und Charakterisierung von Prüfsubstanz, Reagenzien und Kontrollen,

 physikalische Beschaffenheit und gegebenenfalls physikalisch-chemische Eigenschaften der Prüfsubstanz,

 Lagerbedingungen und Methode sowie Häufigkeit der Zubereitung der Prüfsubstanzen, Reagenzien und Kontrollen,

 Stabilität der Prüfsubstanz.

Zellen

 Herkunft und Art der Zellen,

 Zahl der Passagen (Zellpassagen-Identifikator) der im Test verwendeten Zellen,

 Beschreibung der Verfahren für die Pflege der Zellkulturen.

Vorbedingungen für den Test (falls zutreffend),

 Beschreibung und Ergebnisse des Testsystems zum Nachweis der Interferenz von Chemikalien mit der Hormonproduktion,

 Beschreibung und Ergebnisse der Messungen der Wirksamkeit der Hormonextraktion,

 Standard- und Kalibrierungskurven für alle durchzuführenden analytischen Assays,

 Nachweisgrenzen für die gewählten analytischen Assays.

Prüfbedingungen

 Zusammensetzungen der Medien,

 Konzentration der Prüfsubstanz,

 Zelldichte (geschätzte oder gemessene Zellkonzentrationen nach 24 Stunden und nach 48 Stunden),

 Löslichkeit der Prüfsubstanz (Löslichkeitsgrenze, falls diese bestimmt wird),

 Inkubationszeit und -bedingungen.

Prüfergebnisse

 Rohdaten (Kontrollen und Prüfsubstanzen) für jede Mulde — jede wiederholte Messung in Form der ursprünglichen Daten, die von dem für die Messung der Hormonproduktion verwendeten Gerät gemessen wurden (z. B. OD, Fluoreszenzeinheiten, DPM usw.),

 Validierung der Normalität oder Erläuterung der Datenumwandlung,

 mittlere Reaktionen ± 1 Standardabweichung für jede gemessene Mulde,

 Zytotoxizitätsdaten (Prüfkonzentrationen, die die Zytotoxizität verursacht haben),

 Bestätigung, dass die Qualitätskontrollanforderungen eingehalten wurden,

 relative Änderung im Vergleich zur Lösungsmittelkontrolle, zur berücksichtigung der Zytotoxizität,

 Balkendiagramm, das die relative x-fache Änderung (Fold Change bei jeder Konzentration, die Standardabweichung und die statistische Signifikanz, wie unter den Nummern 49-54 beschrieben, aufzeigt.

Datenauswertung

 Die Verfahrensvorschriften für die Datenauswertung gelten für Ergebnisse und Befunde.

Diskussion

 Liefert der Versuch Anhaltspunkte dafür, dass die T-/E2-Daten durch indirekte Wirkungen auf die Gluko- und Mineralocorticoid-Pfade beeinflusst werden könnten?

Schlussfolgerungen

LITERATUR

(1) OECD (2002). Rahmenkonzept der OECD für die Testung und Bewertung endokrin wirksamer Substanzen (endokrine Disruptoren) (‘OECD Conceptual Framework for the Testing and Assessment of Endocrine Disrupting Chemicals’), in Kapitel B.54 Anlage 2 dieses Anhangs.

(2) Hecker, M., Newsted, J.L., Murphy, M.B., Higley, E.B., Jones, P.D., Wu, R. and Giesy, J.P. (2006). Human adrenocarcinoma (H295R) cells for rapid in vitro determination of effects on steroidogenesis: Hormone production. Toxicol. Appl. Pharmacol., 217, 114-124.

(3) Hecker, M., Hollert, H., Cooper, R., Vinggaard, A.-M., Akahori, Y., Murphy, M., Nellemann, C., Higley, E., Newsted, J., Wu, R., Lam, P., Laskey, J., Buckalew, A., Grund, S., Nakai, M., Timm, G., and Giesy, J. P. (2007). The OECD validation program of the H295R steroidgenesis assay for the identification of in vitro inhibitors or inducers of testosterone and estradiol production, Phase 2: inter laboratory pre-validation studies. Env. Sci. Pollut. Res., 14, 23-30.

(4) OECD (2010). Multi-Laboratory Validation of the H295R Steroidogenesis Assay to Identify Modulators of Testosterone and Estradiol Production. OECD Series of Testing and Assessment No. 132, ENV/JM/MONO(2010)31, Paris. Abrufbar unter [http://www.oecd.org/document/30/0,3746,en_2649_34377_1916638_1_1_1_1,00.html].

(5) OECD (2010). Peer Review Report of the H295R Cell-Based Assay for Steroidogenesis. OECD Series of Testing and Assessment No. 133, ENV/JM/MONO(2010)32, Paris. Abrufbar unter [http://www.oecd.org/document/30/0,3746,en_2649_34377_1916638_1_1_1_1,00.html].

(6) Battelle (2005). Detailed Review Paper on Steroidogenesis. Abrufbar unter [http://www.epa.gov/endo/pubs/edmvs/steroidogenesis_drp_final_3_29_05.pdf].

(7) Hilscherova, K., Jones, P. D., Gracia, T., Newsted, J. L., Zhang, X., Sanderson, J. T., Yu, R. M. K., Wu, R. S. S. and Giesy, J. P. (2004). Assessment of the Effects of Chemicals on the Expression of Ten Steroidogenic Genes in the H295R Cell Line Using Real-Time PCR, Toxicol. Sci., 81, 78-89.

(8) Sanderson, J. T., Boerma, J., Lansbergen, G. and Van den Berg, M. (2002). Induction and inhibition of aromatase (CYP19) activity by various classes of pesticides in H295R human adrenocortical carcinoma cells, Toxicol. Appl. Pharmacol., 182, 44-54.

(9) Breen, M.S., Breen, M., Terasaki, N., Yamazaki, M. and Conolly, R.B. (2010). Computational model of steroidogenesis in human H295R cells to predict biochemical response to endocrine-active chemicals: Model development for metyrapone. Environ. Health Perspect., 118: 265-272.

(10) Higley, E.B., Newsted, J.L., Zhang, X., Giesy, J.P. and Hecker, M. (2010). Assessment of chemical effects on aromatase activity using the H295R cell line, Environ. Sci. Poll. Res., 17:1137-1148.

(11) Gazdar, A. F., Oie, H. K., Shackleton, C. H., Chen, T. R., Triche, T. J., Myers, C. E., Chrousos, G. P., Brennan, M. F., Stein, C. A. and La Rocca, R. V. (1990). Establishment and characterization of a human adrenocortical carcinoma cell line that expresses Multiple pathways of steroid biosynthesis. Cancer Res., 50, 5488-5496.

(12) He, Y.H., Wiseman, S.B., Zhang, X.W., Hecker, M., Jones, P.D., El-Din, M.G., Martin, J.W. and Giesy, J.P. (2010). Ozonation attenuates the steroidogenic disruptive effects of sediment free oil sands process water in the H295R cell line. Chemosphere, 80:578-584.

(13) Zhang, X.W., Yu, R.M.K., Jones, P.D., Lam, G.K.W., Newsted, J.L., Gracia, T., Hecker, M., Hilscherova, K., Sanderson, J.T., Wu, R.S.S. and Giesy, J.P. (2005). Quantitative RT-PCR methods for evaluating toxicant-induced effects on steroidogenesis using the H295R cell line. Environ. Sci. Technol., 39:2777-2785.

(14) Higley, E.B., Newsted, J.L., Zhang, X., Giesy, J.P. and Hecker, M. (2010). Differential assessment of chemical effects on aromatase activity, and E2 and T production using the H295R cell line. Environ. Sci. Pol. Res., 17:1137-1148.

(15) Rainey, W. E., Bird, I. M., Sawetawan, C., Hanley, N. A., Mccarthy, J. L., Mcgee, E. A., Wester, R. and Mason, J. I. (1993). Regulation of human adrenal carcinoma cell (NCI-H295) production of C19 steroids. J. Clin. Endocrinol. Metab., 77, 731-737.

(16) Kapitel B.55 dieses Anhangs: Hershberger Bioassay mit Ratten: Ein Kurzzeit Screening-Test auf (anti-)androgene Eigenschaften.

(17) Shapiro, R., and Page, L.B. (1976). Interference by 2,3-dimercapto-1-propanol (BAL) in angiotensin I radioimmunoassay, J. Lab. Clin. Med., 2, 222-231.

(18) Mosmann, T. (1983). Rapid colorimetric assay for growth and survival: application to proliferation and cytotoxicity assays. J. Immunol. Methods., 65, 55-63.

(19) Brock, B.J., Waterman, M.R. (1999). Biochemical differences between rat and human cytochrome P450c17 support the different steroidogenic needs of these two species. Biochemistry. 38:1598-1606.

(20) Oskarsson, A., Ulleras, E., Plant, K., Hinson, J. Goldfarb, P.S., (2006). Steroidogenic gene expression in H295R cells and the human adrenal gland: adrenotoxic effects of lindane in vitro. J. Appl. Toxicol., 26:484-492.

Anlage

BEGRIFFSBESTIMMUNGEN

Angereichertes Medium : Stammmedium plus BD Nu-Serum und ITS+ Premium Mix (siehe Anhang II des Validierungsberichts) (4).

Chemikalie : ein Stoff oder eine Mischung.

CYP : Cytochrom-P450-Monooxygenase, eine Familie von Genen und den daraus hervorgegangenen Enzymen, die bei der Katalyse vielfältiger biochemischer Reaktionen, einschließlich Synthese und Verstoffwechselung von Steroidhormonen, beteiligt sind.

DPM : Disintegration (Zerfall) pro Minute, Anzahl Atome in einer bestimmten Menge radioaktiven Materials, deren Zerfall minütlich nachgewiesen wird.

E2 : 17β-Estradiol; wichtigstes Östrogen in Säugetiersystemen.

Einfriermedium : Mediumzum Einfrieren von Zellen und zur Lagerung gefrorener Zellen, bestehend aus Kulturmedium plus BD NuSerum und Dimethylsulfoxid.

H295R-Zellen : humane Adenokarzinom-Zellen, die die physiologischen Merkmale zonal undifferenzierter Nebennierenzellen menschlicher Föten aufweisen und die alle Enzyme des steroidogenen Pfades exprimieren. Sie sind bei der ATCC erhältlich.

Konfluenz : Bedeckung der Oberfläche eines Kulturmediums mit Zellen oder Proliferation von Zellen im Kulturmedium.

Linearer Bereich : Bereich innerhalb der Standardkurve eines Hormonmesssystems mit Ergebnissen proportional zur Konzentration des in der Probe präsenten Analyts.

LOEC (Lowest Observed Effect Concentration) : die niedrigste Konzentrationstufe, bei der die Assay-Reaktion statistisch gesehen von der Reaktion der Lösungsmittelkontrolle abweicht.

LOQ (Limit of Quantification) : Quantifizierungsgrenze; kleinste Menge einer Chemikalie, die innerhalb eines bestimmten Konfidenzintervalls im Gegensatz zur Leermessung (Blindwert) gerade noch nachgewiesen werden kann. Für die Zwecke der vorliegenden Methode und falls nicht anders angegeben, wird der LOQ-Wert in der Regel vom Hersteller der Testsysteme vorgegeben.

NOEC (No Observed Effect Concentration) : die höchste getestete Konzentration, bei der im Test keine signifikante Wirkung festgestellt wird.

Passage : die Anzahl Zellteilungen nach dem Ansetzen einer Kultur aus gefrorenen Zellen, wobei der Ausgangspassage der gefrorenen Zellen die Nummer eins (1) zugeordnet wird. Zellen, die einmal gesplittet wurden, werden als Passage 2 bezeichnet, usw.

PBS (Phosphate Buffered Saline) : Dulbeccos phosphatgepufferte Salzlösung.

Prüfsubstanz : ein(e) nach dieser Prüfmethode geprüfter Stoff/geprüfte Mischung.

Qualitätskontrolle (QK) : die Maßnahmen, die nötig sind, um aussagekräftige Daten zu gewährleisten.

Qualitätskontrollplatte : eine 24-Muldenplatte mit zwei Konzentrationen der positiven und negativen Kontrollen zur Überwachung der Leistung einer neuen Charge Zellen oder zur Bereitstellung der positiven Kontrollen für den Assay, wenn Chemikalien geprüft werden.

Stammmedium : die Basis für die Zubereitung anderer Reagenzien, bestehend aus einer 1:1-Mischung von Dulbecco's Modified Eagle's Medium (DMEM) und Ham's F-12 Nutrient Mixture (DMEM/F12) in 15 mM-HEPES-Puffer ohne Phenolrot oder Natriumhydrogenkarbonat. Natriumhydrogenkarbonat wird als Puffer zugegeben (siehe Anhang II des Validierungsberichts) (4).

Steroidgenese : Synthesepfad vom Cholesterol zu verschiedenen Steroidhormonen. Bestimmte Zwischenprodukte auf dem steroiden Synthesepfad, wie Progesteron und Testosteron, sind eigenständige wichtige Hormone, dienen aber auch als Vorläufer für nachgeschaltete Hormone.

T : Testosteron, eines der beiden wichtigsten Androgene bei Säugern.

Testplatte : Platte, auf der H295R-Zellen der Prüfsubstanz ausgesetzt werden. Testplatten enthalten die Lösungsmittelkontrolle und die Prüfsubstanz in sieben Konzentrationsstufen in Dreifachmulden.

Testreihe : ein unabhängiger Versuch, gekennzeichnet durch einen neuen Satz Lösungen und Kontrollen.

Trypsin 1X : eine verdünnte Lösung des Enzyms Trypsin, einer pankreatischen Serin-Protease, die zur Ablösung von Zellen von einer Zellkulturplatte verwendet wird (siehe Anhang III des Validierungsberichts) (4).

VK : Variationskoeffizient, definiert als Verhältnis der Standardabweichung einer Verteilung zu ihrem arithmetischen Mittelwert.

B.58    GENMUTATIONS-ASSAYS AN SOMATISCHEN ZELLEN UND KEIMZELLEN TRANSGENER NAGETIERE

EINLEITUNG

1.

Diese Prüfmethode entspricht der OECD-Prüfrichtlinie (TG) 488 (2013). EU-Prüfmethoden stehen für eine Vielzahl von In-vitro-Assays zum Nachweis von Chromosomen- und/oder Genmutationen zur Verfügung. Es gibt Prüfmethoden für In-vivo-Endpunkte (d. h. Chromosomenaberrationen und nicht geplante DNA-Synthesen), die jedoch keine Genmutationen messen. Mutationsassays an transgenen Nagetieren (transgenic rodents, TGR) decken den Bedarf an praktischen und zugänglichen In-vivo-Genmutationstests.

2.

Die TGR-Mutationsassays sind gründlich überprüft worden (24) (33). Für diese Tests werden transgene Ratten und Mäuse verwendet, die mehrere Kopien chromosomal integrierten Plasmids oder Phagen-Shuttle-Vektoren enthalten. Die Transgene enthalten Reporter-Gene zum Nachweis verschiedener Arten von Mutationen, die in vivo durch Prüfsubstanzen induziert wurden.

3.

Mutationen bei Nagetieren werden bewertet, indem das Transgen wiedergefunden und der Phänotyp des Reporter-Gens in einer bakteriellen Wirtszelle ohne Reporter-Gen analysiert wird. Mit TGR-Mutationsassays werden Mutationen gemessen, die in genetisch neutralen Genen induziert wurden, die sich in praktisch jedem Gewebe des Nagetiers wiederfinden. Mit diesen Assays können somit viele der bestehenden Grenzen, die die In-vivo-Untersuchung von Genmutationen in endogenen Genen derzeit noch behindern (z. B. begrenzte Menge geeigneten Gewebes für die Analyse, Negativ-/Positivselektion im Vergleich zu den Mutationen).

4.

Die vorliegenden Daten deuten darauf hin, dass Transgene in ähnlicher Weise wie endogene Gene auf Mutagene reagieren, insbesondere was den Nachweis des Austauschs einer Base gegen eine andere, Rasterschubmutationen und kleine Deletionen und Insertionen betrifft(24).

5.

Die Internationalen Workshops für Genotoxizitätsprüfungen (International Workshop on Genotoxicity Testing, IWGT) haben die Berücksichtigung von TGR-Mutationsassays für den In-vivo-Nachweis von Genmutationen befürwortet und ein Durchführungsprotokoll empfohlen (15) (29). Die vorliegende Prüfmethode stützt sich auf diese Empfehlungen. Eine weitergehende Analyse, die die Verwendung dieses Protokolls unterstützt, findet sich unter (16).

6.

Es wird davon ausgegangen, dass es in Zukunft möglich sein wird, TGR-Mutationsassays mit einer Prüfung auf Toxizität bei wiederholten Dosisverabreichungen (Kapitel B.7 dieses Anhangs) zu kombinieren. Es sind jedoch weitere Daten erforderlich, um sicherzustellen, dass die Empfindlichkeit der TGR-Mutationsassays durch den kürzeren — eintägigen — Zeitabstand zwischen dem Ende des Verabreichungszeitraums und dem Zeitpunkt der Probenahme (wie sie bei Prüfungen auf Toxizität bei wiederholter Verabreichung üblich ist) im Vergleich zu dem bei TGR-Mutationsassays üblichen Drei-Tage-Abstand nicht beeinträchtigt wird. Es sind auch Daten erforderlich, die belegen, dass die Leistung der Assays mit wiederholter Verabreichung durch die Verwendung eines transgenen Nagerstamms anstelle der traditionellen Nagerstämme nicht beeinträchtigt wird. Sobald diese Daten vorliegen, wird die vorliegende Prüfmethode aktualisiert.

7.

Die wichtigsten Begriffe sind im Anhang bestimmt.

AUSGANGSÜBERLEGUNGEN

8.

Für die nachstehend angeführten TGR-Mutationsassays liegen ausreichende Daten vor, die ihre Verwendung im Rahmen der vorliegenden Prüfmethode, soweit sie unter Standardbedingungen durchgeführt werden, unterstützen: lacZ Bakteriophage Maus (Muta™Mouse); lacZ Plasmid Maus; gpt Delta (gpt und Spi ) Maus und Ratte; lacI Maus und Ratte (Big Blue®). Außerdem kann der cII-Positivselektionsassay zur Bewertung von Mutationen in den Modellen Big Blue® und Muta™Mouse verwendet werden. Die Mutagenese in den TGR-Modellen wird in der Regel als Mutantenhäufigkeit bewertet; erforderlichenfalls kann eine Molekularanalyse der Mutationen aber zusätzliche Informationen liefern (siehe Nummer 24).

9.

Diese In-vivo-Genmutationstests an Nagetieren sind insbesondere für die Bewertung des mutagenen Risikos von Relevanz, da die Assay-Reaktionen vom In-vivo-Stoffwechsel, von der Pharmakokinetik, den DNA-Reparaturprozessen und der Transläsionssynthese abhängen, auch wenn diese bei den einzelnen Tierarten, Geweben und Arten der DNA-Schädigungen unterschiedlich sein können. Ein In-vivo-Genmutationsassay ist auch für die weitere Untersuchung einer bei einer In-vitro-Prüfung festgestellten mutagenen Wirkung und zur weiteren Berücksichtigung von Testergebnissen von Nutzen, bei denen andere In-vivo-Endpunkte verwendet werden (24). Abgesehen davon, dass zwischen Genmutationen und der Auslösung von Krebs ein kausaler Zusammenhang besteht, ist die Genmutation ein relevanter Endpunkt für die Prognose anderer mutationsbedingter Erkrankungen somatischer Gewebe als Krebs (12) (13) und von über die Keimbahn übertragenen Krankheiten.

10.

Wenn Anzeichen dafür bestehen, dass die Prüfsubstanz oder ein reaktiver Metabolit keines der Zielgewebe erreicht, ist die Durchführung eines TGR-Mutationsassays nicht sinnvoll.

PRINZIP DER PRÜFMETHODE

11.

In den unter Nummer 8 beschriebenen Assays ist das Zielgen bakterieller oder bakteriophager Herkunft, und seine Wiederfindung anhand der genomischen Nagetier-DNA erfolgt durch Einführung des Transgens in einen λ-Bakteriophagen oder Plasmid-Shuttle-Vektor. Bei dem Verfahren wird aus dem zu untersuchenden Nagetiergewebe genomische DNA extrahiert; diese genomische DNA wird in vitro verarbeitet (d. h. die λ-Vektoren werden verpackt, bzw. die Plasmiden werden ligiert und elektroporiert, um den Shuttle-Vektor wiederzufinden), und anschließend werden unter geeigneten Bedingungen Mutationen in bakteriellen Wirtszellen nachgewiesen. Bei den Assays werden neutrale Transgene eingesetzt, die sich ohne weiteres in den meisten Geweben wiederfinden lassen.

12.

Bei dem grundlegenden TGR-Mutationsversuch wird das Nagetier über einen bestimmten Zeitraum mit einer Chemikalie behandelt. Die Chemikalien können in jeder geeigneten Form, auch durch Implantation, verabreicht werden (z. B. Prüfung von Medizinprodukten). Der Gesamtdauer, während der die Chemikalie einem Tier verabreicht wird, wird Verabreichungszeitraum genannt. Auf die Verabreichung folgt — vor der Tötung des Tieres — in der Regel ein Zeitraum, in dem die Chemikalie nicht verabreicht wird und in dem nicht reparierte DNA-Läsionen in stabile Mutationen fixiert werden. In der Literatur wird dieser Zeitraum unterschiedlich entweder als Manifestationszeit, Fixierungszeit oder Expressionszeit bezeichnet; das Ende dieses Zeitraums markiert den Probenahmezeitpunkt (15) (29). Nach dem Töten des Tieres wird die genomische DNA aus dem zu untersuchenden Gewebe isoliert und gereinigt.

13.

Daten zu jeweils ein und demselben Gewebe/Tier aus mehreren Verpackungen/Ligationen werden normalerweise aggregiert und die Mutantenhäufigkeit wird in der Regel mithilfe von insgesamt 105 bis 107 plaquebildenden oder kolonienbildenden Einheiten bewertet. Bei Anwendung von Positivselektionsmethoden wird die Gesamtzahl der plaquebildenden Einheiten mit einem separaten Satz nicht-selektiver Platten bestimmt.

14.

Es wurden Positivselektionsmethoden entwickelt, um den Nachweis von Mutationen sowohl im gpt-Gen[gpt Delta Maus und Ratte, gpt Phänotyp (20) (22) (28)] als auch im lacZ-Gen [Muta™Maus oder lacZ-Plasmid Maus (3) (10) (11) (30)] zu erleichtern; hingegen werden Mutationen des lacI-Gens in Big Blue®-Tieren über eine nicht-selektive Methode nachgewiesen, bei der Mutanten durch die Erzeugung (blau) gefärbter Plaques gekennzeichnet werden. Eine Positivselektionsmethode liegt auch für den Nachweis von Punktmutationen vor, zu denen es im cII-Gen des λ-Bakteriophagen-Shuttle-Vektors kommt [Big Blue® Maus oder Ratte und Muta™Maus (17)] sowie von Deletionen in den λ rot und gam [Spi Auswahl in gpt Delta Maus und Ratte (21) (22) (28)]. Die Mutantenhäufigkeitwird berechnet, indem die Zahl der Plaques/Plasmiden mit Mutationen im Transgen durch die Gesamtzahl der aus derselben DNA-Probe gewonnenen Plaques/Plasmiden geteilt wird. In TGR-Genmutationsstudien ist die Mutantenhäufigkeit der gemessene Parameter. Darüber hinaus kann eine Mutationshäufigkeit als Anteil der Zellen mit unabhängigen Mutationen bestimmt werden; bei dieser Berechnung muss die klonale Expansiondurch Sequenzierung der wiedergefundenen Mutanten korrigiert werden (24).

15.

Die in den lacI-, lacZ-, cII- und gpt- Punktmutationsassays gezählten Mutationen bestehen hauptsächlich aus Substitutionsmutationen (Basenpaare), Rasterschubmutationen und kleinen Insertionen/Deletionen. Der relative Anteil dieser Mutationstypen unter spontanen Mutationen ist vergleichbar mit dem Anteil, der im endogenen Hprt-Gen gemessen wird. Große Deletionen werden nur mit der Spi-Auswahl und den lacZ-Plasmidassays nachgewiesen (24). Zu untersuchende Mutationen sind In-vivo-Mutationen, zu denen es in der Maus oder in der Ratte kommt. In-vitro und Ex-vivo-Mutationen, zu denen es bei der Phagen-/Plasmidwiederfindung, Replikation oder Reparatur kommen kann, sind relativ selten und können in einigen Systemen durch die bakterielle Wirtszelle/das System der positiven Selektion eindeutig bestimmt oder ausgeschlossen werden.

BESCHREIBUNG DER METHODE

Vorbereitungen

Auswahl der Versuchstierarten

16.

Derzeit ist eine Vielzahl von Modellen für den Nachweis von Genmutationen bei transgenen Mäusen erhältlich und diese Systeme sind gängiger als Modelle für transgene Ratten. Wenn die Ratte eindeutig ein geeigneteres Modell ist als die Maus (beispielsweise wenn der Mechanismus der Karzinogenese bei einem nur in Ratten vorkommenden Tumor untersucht wird, um einen Bezug zu einer Rattentoxizitätsstudie herzustellen, oder wenn bekannt ist, dass der Stoffwechsel der Ratte für den menschlichen Stoffwechsel repräsentativer ist) ist die Verwendung von Modellen für den Nachweis von Genmutationen bei transgenen Ratten in Erwägung zu ziehen.

Haltungs- und Fütterungsbedingungen

17.

Die Temperatur im Versuchstierraum sollte idealerweise 22 °C (± 3 °C) betragen. Auch wenn die relative Luftfeuchtigkeit mindestens 30 % betragen und — außer beim Reinigen des Raums — 70 % nicht überschreiten sollte, ist eine Luftfeuchtigkeit von 50-60 % anzustreben. Die Beleuchtung sollte künstlich sein, und die täglichen Hell- und Dunkelphasen sollten sich im Abstand von 12 Stunden abwechseln. An die Versuchstiere kann herkömmliches Laborfutter verfüttert werden, und eine unbegrenzte Trinkwasserversorgung ist zu gewährleisten. Die Auswahl des Futters wird eventuell dadurch beeinflusst, dass eine geeignete Beimischung der Prüfsubstanz sichergestellt werden muss, wenn die Prüfsubstanz auf diese Art verabreicht werden soll. Die Tiere sollten in kleinen gleichgeschlechtlichen Gruppen (nicht mehr als fünf Tiere) untergebracht werden, wenn kein aggressives Verhalten erwartet wird. Sie können auch einzeln gehalten werden, wenn dies wissenschaftlich gerechtfertigt ist.

Vorbereitung der Tiere

18.

Gesunde, jung-adulte geschlechtsreife Tiere (acht bis zwölf Wochen alt zu Beginn der Behandlung) werden nach dem Zufallsprinzip in die Kontroll- bzw. Behandlungsgruppen eingeteilt. Die Tiere werden individuell gekennzeichnet. Sie werden über einen Zeitraum von mindestens fünf Tagen unter Laborbedingungen eingewöhnt. Die Käfige sollten so angeordnet werden, dass etwaige Wirkungen aufgrund des Käfigstandorts minimiert werden. Bei Versuchsbeginn sollten die Gewichtsunterschiede der Tiere möglichst gering sein und ± 20 % des geschlechtsspezifischen Durchschnittsgewichts nicht überschreiten.

Herstellung der Dosen

19.

Feste Prüfsubstanzen sollten vor der Verabreichung an die Tiere in geeigneten Lösungsmitteln oder Vehikeln gelöst oder suspendiert oder in das Futter bzw. das Trinkwasser gegeben werden. Flüssige Prüfsubstanzen können direkt verabreicht oder zuvor verdünnt werden. Für inhalative Expositionen können die Prüfsubstanzen in Abhängigkeit zu ihren physikalisch-chemischen Eigenschaften als Gas, Dampf oder festes/flüssiges Aerosol verabreicht werden. Es sind frische Zubereitungen der Prüfsubstanz zu verwenden, es sei denn, die Stabilität der Substanz bei Lagerung ist erwiesen.

Prüfbedingungen

Lösungsmittel/Vehikel

20.

Das Lösungsmittel/Vehikel sollte in der verwendeten Dosierung keine toxischen Wirkungen hervorrufen und nicht im Verdacht stehen, mit der Prüfsubstanz eine chemische Reaktion einzugehen. Werden keine allgemein anerkannten Lösungsmittel/Vehikel verwendet, so sollte ihre Einbeziehung durch Kompatibilitätsdaten untermauert werden. Es empfiehlt sich, als erste Wahl möglichst die Verwendung eines wässrigen Lösungsmittels/Vehikels in Erwägung zu ziehen.

Positivkontrollen

21.

In der Regel sind parallel Positivkontrolltiere zu verwenden. Bei Laboren, die ihre Kompetenz unter Beweis gestellt haben (siehe Nummer 23) und diese Assays routinemäßig verwenden, kann DNA von zuvor behandelten Positivkontrolltieren in jeden Versuch einbezogen werden, um den Erfolg der Methode zu bestätigen. Derartige DNA aus vorausgegangenen Versuchen ist von derselben Tierart und denselben Zielgeweben zu gewinnen und ordnungsgemäß zu lagern (siehe Nummer 36). Werden parallel Positivkontrollen verwendet, müssen diese nicht auf dem gleichen Verabreichungsweg gegeben werden wie die Prüfsubstanz; von den Positivkontrollen sollte jedoch bekannt sein, dass sie Mutationen in einem oder mehreren für die Prüfsubstanz relevanten Geweben hervorrufen. Die Dosen der Chemikalien für die Positivkontrolle sind so auszuwählen, dass sie schwache oder moderate Wirkungen hervorrufen, mit denen die Leistung und Empfindlichkeit des Assays kritisch bewertet werden können. Beispiele für derartige Chemikalien und bestimmte Zielgewebe finden sich in Tabelle 1.



Tabelle 1

Beispiele für Positivkontrollchemikalien und bestimmte Zielgewebe

Positivkontroll-chemikalie und CAS-Nummer

Einecs-Name und Einecs-Nummer

Charakterisierung

Mutationszielgewebe

Ratte

Maus

N-Ethyl-N-Nitroso-Harnstoff

[CAS-Nr. 759-73-9]

N-Ethyl-N-Nitroso-Harnstoff

[212-072-2]

Direkt wirkendes Mutagen

Leber, Lunge

Knochenmark, Kolon, Kolonepithel, Darm, Leber, Lunge, Milz, Niere, Granulosazellen der Ovarien, männliche Keimzellen

Ethyl carbamat (Urethan)

[CAS-Nr. 51-79-6]

Urethan

[200-123-1]

Mutagen, erfordert Stoffwechsel, ruft aber nur schwache Wirkungen hervor

 

Knochenmark, Vormagen, Dünndarm, Leber, Lunge, Milz

2,4-Diaminotoluen

[CAS-Nummer 95-80-7]

4-Methyl-m-phenylenediamin

[202-453-1]

Mutagen, erfordert Stoffwechsel, ebenfalls positiv in dem SpiAssay

Leber

Leber

Benzo[a]pyren

[CAS-Nr. 50-32-8]

Benzo[def]chrysen

[200-028-5]

Mutagen, erfordert Stoffwechsel

Leber, Omenta,

Knochenmark, Brust, Kolon, Vormagen, Drüsenmagen, Herz, Leber, Lunge, männliche Keimzellen

Negativkontrollen

22.

In jede Probenahme sind Negativkontrolltiere einzubeziehen, die nur ein Lösungsmittel oder ein Vehikel erhalten und ansonsten in derselben Weise behandelt werden wie die Behandlungsgruppen. Um die Eignung der Vehikelkontrolle festzustellen, sollten darüber hinaus in jede Probenahme auch unbehandelte Kontrolltiere einbezogen werden, soweit keine historischen oder veröffentlichten Kontrolldaten vorliegen, aus denen hervorgeht, dass das gewählte Lösungsmittel/Vehikel keine schädlichen oder mutagenen Wirkungen hervorruft.

Eignungsprüfung des Prüflaboratoriums

23.

Das Labor sollte seine Kompetenz unter Beweis stellen, erwartete Ergebnisse aus veröffentlichten Daten (24) in folgenden Bereichen zu reproduzieren: 1) Mutantenhäufigkeiten bei Positivkontrollchemikalien (einschließlich schwacher Reaktionen), wie den in Tabelle 1 angeführten Chemikalien, Nicht-Mutagenen und Vehikelkontrollen; und 2) die Wiederfindung von Transgenen aus genomischer DNA (z. B. Verpackungseffizienz).

Sequenzierung von Mutanten

24.

Für Zulassungsanträge ist keine DNA-Sequenzierung von Mutanten erforderlich, insbesondere, wenn ein eindeutiges positives oder negatives Ergebnis erzielt wird. Sequenzierungsdaten können sich jedoch als nützlich erweisen, wenn eine hohe interindividuelle Streuung festgestellt wird. In solchen Fällen können durch Sequenzierung ‘Jackpot’-Mutationen oder klonale Ereignisse ausgeschlossen werden, indem der Anteil eines bestimmten Gewebes an eindeutigen Mutanten ermittelt wird. Die Sequenzierung von ungefähr zehn Mutanten pro Gewebe und Tier sollte für die einfache Bestimmung, ob klonale Mutanten zur Mutantenhäufigkeit beitragen, ausreichen; um die Mutantenhäufigkeit mathematisch um die Klonalität zu berichtigen, kann es sich als notwendig erweisen, bis zu 25 Mutanten zu sequenzieren. Die Sequenzierung von Mutanten kann auch in Betracht gezogen werden, wenn kleinere Zunahmen der Mutantenhäufigkeit (d. h. Zunahmen knapp über den Werten der unbehandelten Kontrolltiere) festgestellt werden. Unterschiede im Mutantenspektrum zwischen den Mutantenkolonien aus behandelten und unbehandelten Tieren können eine mutagene Wirkung unterstützen (29). Mutationsspektra können außerdem für die Aufstellung mechanistischer Hypothesen nützlich sein. Wenn Sequenzierung als fester Bestandteil in das Versuchsprotokoll aufgenommen werden soll, ist der Versuch besonders sorgfältig zu planen, insbesondere im Hinblick auf die Anzahl der pro Probe sequenzierten Mutanten, um entsprechend dem verwendeten statistischen Modell eine angemessene Aussagekraft zu erzielen (siehe Nummer 43).

VERFAHREN

Zahl und Geschlecht der Versuchstiere

25.

Es sollten genügend Tiere pro Gruppe vorgesehen sein, damit die statistische Aussagekraft gewährleistet ist, die nötig ist, um mindestens eine Verdopplung der Mutantenhäufigkeit nachzuweisen. Die Gruppen bestehen aus mindestens fünf Tieren; falls die statistische Aussagekraft jedoch zu gering ist, ist die Zahl der Tiere gegebenenfalls zu erhöhen. In der Regel sind männliche Tiere zu verwenden. In einigen Fällen kann die Durchführung von Tests ausschließlich an weiblichen Tieren gerechtfertigt sein; beispielsweise wenn frauenspezifische Humanmedikamente getestet werden oder wenn spezielle Untersuchungen zum weiblichen Stoffwechsel durchgeführt werden. Liegen im Hinblick auf Toxizität oder Stoffwechsel signifikante Unterschiede zwischen den Geschlechtern vor, sind für die Tests sowohl männliche als auch weibliche Tiere erforderlich.

Verabreichungszeitraum

26.

Gestützt auf die Beobachtung, dass sich Mutationen mit jeder Behandlung steigern, ist ein Schema für wiederholte Verabreichungen erforderlich, wobei über einen Zeitraum von 28 Tagen täglich behandelt wird. Dies wird allgemein sowohl für das Hervorrufen einer ausreichenden Akkumulation von Mutationen durch schwache Mutagene als auch für die Bereitstellung einer angemessenen Expositionsdauer für den Nachweis von Mutationen in langsam proliferierenden Organen als akzeptabel angesehen. Bei einigen Bewertungen mögen alternative Behandlungsschemata angebracht sein. Diese alternativen Dosierungspläne sind im Protokoll wissenschaftlich zu begründen. Die Behandlungen sollten nicht kürzer sein als die Zeit, die für die vollständige Induktion aller relevanten metabolisierender Enzyme erforderlich ist, und kürzere Behandlungen erfordern möglicherweise mehrere Probenahmen, die sich für Organe mit unterschiedlicher Proliferation eignen. In jedem Fall sind zur Begründung eines Protokolls alle vorliegenden Informationen (z. B. zur allgemeinen Toxizität bzw. zum Stoffwechsel und zur Pharmakokinetik) zu verwenden, vor allem, wenn von den vorgenannten Standardempfehlungen abgewichen wird. Länger als acht Wochen andauernde Behandlungszeiten können zwar die Empfindlichkeit erhöhen, müssen aber klar erläutert und begründet werden, weil lange Behandlungszeiten durch klonale Expansion zu einem scheinbaren Anstieg der Mutantenhäufigkeit führen können (29).

Dosisstufen

27.

Dosisstufen sollten sich auf die Ergebnisse einer Dosisfindungsstudie stützen, bei der die allgemeine Toxizität gemessen und die über den gleichen Expositionsweg durchgeführt wurde oder aber auf bereits vorliegende Ergebnisse aus Untersuchungen der subakuten Toxizität. Zur Bestimmung der Dosisbereiche können nicht transgene Tiere desselben Nagetierstamms verwendet werden. Der Haupttest sollte eine vollständige Untersuchung einer Negativkontrollgruppe beinhalten, um Informationen über Dosisreaktionen zu gewinnen (siehe Nummer 22) und mindestens drei angemessen abgestufte Dosierungen umfassen, außer bei Verwendung der Grenzdosis (siehe Nummer 28). Die höchste Dosis sollte die maximal verträgliche Dosis (maximum tolerated dose, MTD) sein. Die MTD wird als die Dosis festgelegt, die Toxizitätsanzeichen in einem Ausmaß hervorruft, das darauf schließen lässt, dass nach demselben Dosierungsplan verabreichte höhere Dosen voraussichtlich zum Tod des Tieres führen würden. Chemikalien mit spezifischen biologischen Aktivitäten bei niedrigen, nicht toxischen Dosen (wie Hormone und Mitogene) und Chemikalien mit gesättigten toxikokinetischen Eigenschaften können als Ausnahmen von den Kriterien zur Dosisfestsetzung angesehen werden und sind auf Fallbasis zu bewerten. Die verwendeten Dosisstufen sollten von der Dosis mit der höchsten Toxizität bis zur Dosis mit der geringsten oder überhaupt keiner Toxizität reichen.

Limit-Test

28.

Falls Dosisfindungsversuche oder vorliegende Daten aus verwandten Nagetierstämmen darauf hinweisen, dass ein Behandlungsplan, der zumindest die Grenzdosis vorsieht (siehe unten), keine messbaren toxischen Wirkungen hervorruft,und wenn aufgrund von Daten über strukturverwandte Chemikalien keine Genotoxizität erwartet wird, kann unter Umständen auf eine vollständige Untersuchung mit drei Dosisstufen verzichtet werden. Für einen Verabreichungszeitraum von 28 Tagen (d. h. 28 tägliche Behandlungen) beträgt die Grenzdosis 1 000 mg/kg Körpergewicht/Tag. Für Verabreichungszeiträume von 14 Tagen oder weniger beträgt die Grenzdosis 2 000 mg/kg/Körpergewicht/Tag (von 28 täglichen Behandlungen abweichende Dosierungspläne sind im Protokoll wissenschaftlich zu begründen; siehe Nummer 26).

Verabreichung der Dosen

29.

In der Regel wird die Prüfsubstanz über eine Schlundsonde oder eine geeignete Intubationskanüle verabreicht. Bei der Planung eines Assays ist grundsätzlich die Art der Humanexposition zu berücksichtigen. Folglich sind unter Umständen auch andere Expositionswege (subkutan, intravenös, topisch, inhalativ oder intratracheal oder über das Trinkwasser/Futter oder Implantation) akzeptabel, soweit sie begründet werden können. Eine Intraperitonealinjektion wird nicht empfohlen, weil sie beim Menschen keinen physiologisch relevanten Expositionsweg darstellt. Das maximale Flüssigkeitsvolumen, das einem Versuchstier über eine Schlundsonde oder über eine Injektion jeweils verabreicht werden kann, hängt von der Größe des Versuchstiers ab. Dieses Volumen sollte 2 ml/100 g Körpergewicht nicht überschreiten. Die Verwendung höherer Volumina muss gerechtfertigt werden. Abgesehen von reizenden oder ätzenden Stoffen, die in der Regel bei höheren Konzentrationen eine verstärkte Wirkung hervorrufen, sollte die Variabilität des Prüfvolumens auf ein Mindestmaß begrenzt werden, indem die Konzentration so angepasst wird, dass auf allen Dosisstufen ein konstantes Volumen gewährleistet ist.

Probenahmezeitpunkt

Somatische Zellen

30.

Der Probenahmezeitpunkt stellt einen kritischen Parameter dar, weil er von dem für die Fixierung der Mutationen erforderlichen Zeitraum abhängt. Dieser Zeitraum ist gewebespezifisch und hängt offensichtlich mit der Turnover-Zeit der Zellpopulation zusammen, wobei Knochenmark und Darm schnell und die Leber erheblich langsamer reagieren. Ein angemessener Kompromiss für die Messung der Mutantenhäufigkeiten sowohl bei schnell als auch bei langsam proliferierenden Geweben wären tägliche Behandlungen an 28 aufeinanderfolgenden Tagen (wie unter Nummer 26 angegeben) mit Probenahme drei Tage nach der letzten Behandlung; dabei kann es vorkommen, dass die maximale Mutantenhäufigkeit in langsam proliferierendem Gewebe unter diesen Bedingungen nicht sichtbar wird. Wenn langsam proliferierende Gewebe von ausschlaggebender Bedeutung sind, ist eine spätere Probenahme 28 Tage nach dem 28-tägigen Verabreichungszeitraum möglicherweise angemessener (16) (29). In solchen Fällen würde die Probenahme drei Tage nach der letzten Behandlung durch die spätere Probenahme ersetzt und bedürfte einer wissenschaftlichen Begründung.

Keimzellen

31.

TGR-Assays sind für die Untersuchung von Genmutationen in männlichen Keimzellen (7) (8) (27), für die der Zeitpunkt und die Kinetik der Spermatogenese genau bestimmt wurden (27), gut geeignet. Die geringe Zahl der — selbst nach einer Superovulation — für die Analyse verfügbaren Eizellen und mangelnde DNA-Synthese in der Eizelle schließen die Bestimmung von Mutationen in weiblichen Keimzellen in Studien mit transgenen Tieren von vorne herein aus (31).

32.

Der Probenahmezeitpunkt ist bei männlichen Keimzellen so auszuwählen, dass Proben aus dem während der gesamten Keimzellenentwicklung exponierten Zelltypbereich entnommen werden und die Phase, auf die die Probenahme abzielt, ausreichend exponiert wurde. Die Entwicklungszeit der Keimzellen von spermatogonialen Stammzellen zu reifen Spermien, die den Samenleiter/Nebenhodenschwanz erreichen,beträgt ~ 49 Tage bei der Maus (36) und ~ 70 Tage bei der Ratte (34) (35). Nach einer 28-tägigen Exposition und einer anschließenden dreitägigen Probenahme repräsentieren die aus dem Samenleiter/Nebenhodenschwanz (7) (8) entnommenen Spermien eine Population von Zellen, die ungefähr in der zweiten Hälfte der Spermatogenese exponiert wurden; in diesen Zeitraum fallen auch die meiotische und die postmeiotische Phase, nicht aber die spermatogoniale oder Stammzellenphase. Um adäquate Proben von Zellen aus dem Samenleiter/Nebenhodenschwanz entnehmen zu können, die während des Expositionszeitraums spermatogoniale Stammzellen waren, ist frühestens sieben Wochen (Mäuse) oder zehn Wochen (Ratten) nach Ende der Behandlung eine zusätzliche Probenahme erforderlich.

33.

Zellen, die nach dem Schema „28 + 3“-Tage aus den Hodenkanälchen herausgepresst wurden, bilden eine für alle Entwicklungsphasen der Keimzellen angereicherte Mischpopulation (7) (8). Die Phasen, in denen Keimzellmutationen induziert werden, lassen sich durch Beprobung derartiger Zellen zum Nachweis von Genmutationen weniger präzise bewerten als durch die Beprobung von Spermatozoen aus dem Samenleiter/Nebenhodenschwanz (weil die Proben aus den Kanälchen aus einer ganzen Reihe von Keimzelltypen bestehen und diese Zellpopulation in einem gewissen Maß mit somatischen Zellen kontaminiert ist). Bei der Beprobung von Zellen aus Hodenkanälchen UND von Spermatozoen aus dem Samenleiter/Nebenhodenschwanz nach nur „28 + 3“-Probenahmetagen würden in gewissem Umfang jedoch auch Zellen erfasst, die in fast allen Keimzellentwicklungsphasen exponiert wurden, was für den Nachweis bestimmter Keimzellmutagene von Nutzen sein könnte.

Beobachtungen

34.

Allgemeine klinische Beobachtungen sollten mindestens einmal täglich erfolgen, vorzugsweise jeweils zur gleichen Zeit und unter Berücksichtigung des Zeitraums nach der Verabreichung, in dem die Wirkungsspitzen erwartet werden. Der Gesundheitszustand der Tiere ist zu dokumentieren. Mindestens zweimal täglich sind alle Tiere auf Morbiditäts- und Mortalitätsanzeichen zu überprüfen. Alle Tiere sind mindestens einmal wöchentlich sowie zum Zeitpunkt ihrer Tötung zu wiegen. Die Futteraufnahme wird mindestens wöchentlich gemessen. Wenn die Prüfsubstanz über das Trinkwasser verabreicht wird, wird die Wasseraufnahme bei jedem Wasserwechsel und mindestens einmal wöchentlich gemessen. Tiere, die nichtletale Anzeichen einer übermäßigen Toxizität aufweisen, sind vor Testende zu euthanasieren (23).

Gewebeentnahme

35.

Die Argumente für eine Gewebeentnahme sollten fundiert sein. Da Mutationsinduktionen in praktisch jedem beliebigen Gewebe untersucht werden können, sollten die zu entnehmenden Gewebe nach dem Versuchsmotiv und unter Berücksichtigung aller vorliegenden Daten zur Mutagenität, Karzinogenität oder Toxizität der Prüfsubstanz ausgewählt werden. Zu den wichtigen zu berücksichtigenden Faktoren sollten auch der Verabreichungsweg (gestützt auf den (die) wahrscheinlichen Expositionsweg(e) beim Menschen), die voraussichtliche Gewebeverteilung und der mögliche Wirkungsmechanismus gehören. Liegen keinerlei Hintergrundinformationen vor, sind einige somatische Gewebe zu entnehmen, die für die Untersuchung von Interesse sind. Bei diesem Gewebe sollte es sich um schnell und langsam proliferierendes Gewebe und um Kontaktstellengewebe handeln. Darüber hinaus sind (nach der Beschreibung unter den Nummern 32 und 33) Spermatozoen aus dem Samenleiter/Nebenhodenschwanz und in der Entwicklung befindliche Keimzellen aus den Hodenkanälchen zu entnehmen und für den Fall, dass eine künftige Analyse der Keimzellenmutagenität erforderlich wird, aufzubewahren. Die Organe sind zu wiegen, und bei größeren Organen sollten von allen Tieren Gewebe aus demselben Organbereich entnommen werden.

Lagerung von Gewebe und DNA

36.

Gewebe (oder Gewebehomogenate) sind bei oder unter einer Temperatur von – 70 °C zu lagern und für die DNA-Isolierung innerhalb von fünf Jahren zu verwenden. Bei einer Temperatur von 4 °C in einem geeigneten Puffer kühl gelagerte isolierte DNA sollte idealerweise innerhalb eines Jahres für Mutationsanalysen verwendet werden.

Gewebeauswahl für Mutantenanalysen

37.

Die Gewebe sind unter anderem nach folgenden Krierien auszuwählen: 1) Verabreichungsweg oder Stelle des Erstkontakts (z. B. Drüsenmagen, wenn die Verabreichung oral erfolgt; Lunge, wenn die Verabreichung inhalativ erfolgt, oder Haut bei einer topischen Anwendung), und 2) in allgemeinen Toxizitätsstudien gemessene pharmakokinetische Parameter, die die Gewebedisposition, -retention oder -akkumulation oder Zielorgane für die Toxizität anzeigen. Wenn Versuche aufgrund von Ergebnissen aus Karzinogenitätsuntersuchungen durchgeführt werden, sind Zielgewebe für die Karzinogenität in Erwägung zu ziehen. Die für die Analyse ausgewählten Gewebe sollten den Nachweis von Chemikalien maximieren, die in vitro direkt mutagen wirken, schnell verstoffwechselt werden, hochreaktiv sind oder schlecht absorbiert werden, oder von Chemikalien, bei denen das Zielgewebe über den Verabreichungsweg bestimmt wird (6).

38.

In Ermangelung von Hintergrundinformationen und unter Berücksichtigung der durch den Verabreichungsweg bedingten Kontaktstelle sind die Leber und mindestens ein sich schnell teilendes Gewebe (z. B. Drüsenmagen, Knochenmark) auf Mutagenität zu untersuchen. In den meisten Fällen kann den oben angeführten Anforderungen durch die Analyse zweier sorgfältig ausgewählter Gewebe genüge getan werden. In einigen Fällen sind möglicherweise drei oder mehr Gewebe nötig.Wenn es spezifische Besorgnis hinsichtlich Keimzellmutationen gibt, auch aufgrund positiver Befunde in Somazellen, sollten Keimzellgewebe auf Mutationen untersucht werden.

Messmethoden

39.

Für die empfohlenen transgenen Modelle zum Nachweis von Mutanten stehen folgende Standardlabormethoden bzw. veröffentlichte Methoden zur Verfügung: lacZ-Bakteriophage lambda und Plasmid (30); lacI Maus (2) (18); gpt Delta Maus (22); gpt Delta Ratte (28); cII (17). Änderungen sind zu begründen und ordnungsgemäß zu dokumentieren. Daten aus multiplen Verpackungen können zusammengefasst und zum Erzielen einer angemessenen Anzahl Plaques oder Kolonien verwendet werden. Wird eine große Anzahl Verpackungsreaktionen benötigt, um die geeignete Anzahl Plaques zu erzielen, kann dies jedoch ein Hinweis auf schlechte DNA-Qualität sein. In solchen Fällen sind die Daten mit Vorsicht zu behandeln, weil sie unzuverlässig sein könnten. Die optimale Gesamtzahl an Plaques oder Kolonien pro DNA-Probe richtet sich nach der statistischen Wahrscheinlichkeit des Nachweises einer ausreichenden Anzahl Mutanten bei einer gegebenen Häufigkeit spontaner Mutanten. In der Regel sind mindestens 125 000 bis 300 000 Plaques erforderlich, wenn die Häufigkeit spontaner Mutanten bei 3 × 10–5 (15) liegt. Beim Big Blue® lacI Assay muss unbedingt gewährleistet sein, dass durch Einbeziehung geeigneter Farbkontrollen parallel zu allen Ausstrichen der gesamte Bereich der Mutanten-Farbphänotypen nachgewiesen werden kann. Gewebe und die resultierenden Proben (Items) sind nach einem Blockschema zu bearbeiten und zu analysieren, bei dem Items aus der Vehikel-/Lösungsmittel-Kontrollgruppe, der Positivkontrollgruppe (falls verwendet) oder der DNA-Positivkontrolle (falls zutreffend) und jede Behandlungsgruppe zusammen verarbeitet werden.

DATEN UND BERICHTERSTATTUNG

Auswertung der Ergebnisse

40.

Die Daten zu den einzelnen Tieren sind in tabellarischer Form vorzulegen. Die Versuchseinheit ist das Tier. Der Bericht sollte folgende Angaben enthalten: Gesamtzahl der plaquebildenden Einheiten (Plaque-Forming Units, PFU) bzw. der koloniebildenden Einheiten (Colony-Forming Units, CFU), Anzahl Mutanten und Mutantenhäufigkeit für jedes Gewebe und Tier. Bei multiplen Verpackungs-/Rettungsreaktionen ist die Zahl der Reaktionen pro DNA-Probe anzugeben. Auch wenn es sich empfiehlt, die Daten über jede einzelne Reaktion aufzubewahren, müssen lediglich die Gesamt-PFU bzw. -CFU schriftlich festgehalten werden. Daten zur Toxizität und klinische Anzeichen gemäß Nummer 34 sind zu dokumentieren. Sequenzierungsergebnisse sind für jeden einzelnen analysierten Mutanten vorzulegen, wobei die entsprechend durchgeführten Mutationshäufigkeits-berechnungen für jedes Tier und jedes Gewebe anzugeben sind.

Statistische Auswertung und Interpretation der Ergebnisse

41.

Es gibt mehrere Kriterien für die Entscheidung über ein positives Ergebnis, wie eine dosisabhängigee Zunahme der Mutantenhäufigkeit oder eine deutliche Zunahme der Mutantenhäufigkeit in einer einzigen Dosisgruppe im Vergleich zur Lösungsmittel-/Vehikelkontrollgruppe. Es sind mindestens drei behandelte Dosisgruppen zu analysieren, um ausreichende Daten für Dosis-Wirkungs-Analysen zu liefern. Das Hauptaugenmerk sollte auf der biologischen Relevanz der Ergebnisse liegen, wobei geeignete statistische Methoden als Hilfsmittel für die Auswertung der Testergebnisse verwendet werden können (4) (14) (15) (25) (26). Die verwendeten statistischen Tests müssen das Tier als Versuchseinheit berücksichtigen.

42.

Eine Prüfsubstanz, bei der die Ergebnisse die oben angeführten Kriterien in keinem Gewebe erfüllen, gilt im vorliegenden Test als nicht mutagen. Für die biologische Relevanz eines negativen Ergebnisses ist die Gewebeexposition zu bestätigen.

43.

Für DNA-Sequenzierungsanalysen stehen eine Reihe statistischer Konzepte zur Erleichterung der Auswertung der Ergebnisse zur Verfügung (1) (5) (9) (19).

44.

Indem ermittelt wird, ob die gemessenen Werte innerhalb oder außerhalb des historischen Kontrollbereichs liegen, lassen sich Leitlinien für die Bewertung der biologischen Signifikanz der Reaktion herleiten (32).

Prüfbericht

45.

Der Prüfbericht sollte folgende Angaben enthalten:

Prüfsubstanz:

 Angaben zur Identifikation und CAS-Nummer, falls bekannt,

 Herkunft, Chargennummer, falls verfügbar,

 physikalische Beschaffenheit und Reinheit,

 physikalisch-chemische Eigenschaften, die für die Durchführung des Versuchs von Belang sind,

 Stabilität der Prüfsubstanz, falls bekannt.

Lösungsmittel/Vehikel:

 Begründung der Wahl des Vehikels,

 Löslichkeit und Stabilität der Prüfsubstanz im Lösungsmittel/Vehikel, falls bekannt,

 Zubereitung des Futters, des Trinkwassers oder der Inhalationsrezepturen,

 analytische Bestimmungen zu Rezepturen (z. B. Stabilität, Homogenität, Nennkonzentrationen).

Versuchstiere:

 Art/Stamm und Begründung der getroffenen Wahl,

 Anzahl, Alter und Geschlecht der Tiere,

 Herkunft, Unterbringungsbedingungen, Futter usw.,

 Gewicht der einzelnen Tiere bei Versuchsbeginn, einschließlich Körpergewichtsspanne, Mittelwert und Standardabweichung für jede Gruppe.

Prüfbedingungen:

 Daten zu den Positiv- und Negativkontrollen (Vehikel/Lösungsmittel),

 Daten aus der Dosisfindungsstudie,

 Begründung der gewählten Dosisstufen,

 Angaben zur Prüfsubstanzzubereitung,

 Einzelheiten der Verabreichung der Prüfsubstanz,

 Begründung des Verabreichungswegs,

 Methoden zur Toxizitätsmessung beim Tier, einschließlich, soweit verfügbar, histopathologischer oder hämatologischer Analysen, sowie Angaben zur Häufigkeit, mit der die Tiere beobachtet und ihre Körpergewichte gemessen wurden,

 Methoden zum Nachweis, dass die Prüfsubstanz das Zielgewebe oder den allgemeinen Kreislauf erreicht hat, falls negative Ergebnisse erzielt werden,

 (gegebenenfalls) tatsächliche Dosis (in mg/kg je Körpergewicht und Tag), berechnet auf Basis der Konzentration (ppm) der Prüfsubstanz im Futter/Wasser und ihrer Aufnahme,

 Angaben zur Futter- und Wasserqualität,

 detaillierte Beschreibung der Behandlungs- und Probenahmepläne und Begründung der jeweils getroffenen Wahl,

 Tötungsmethode,

 Verfahren zur Isolation und Aufbewahrung von Gewebe,

 Methoden zur Isolierung der genomischen DNA von Nagetieren, Rettung des Transgens aus der genomischen DNA und Übertragung der transgenen DNA auf eine bakterielle Wirtszelle,

 Herkunft und Chargennummern aller Zellen, Laborkits und Reagenzien (soweit zutreffend),

 Methoden zur Auszählung von Mutanten,

 Methoden für die Molekularanalyse von Mutanten und deren Verwendung bei der Berichtigung um die Klonalität und/oder bei der Berechnung von Mutationshäufigkeiten, falls zutreffend.

Ergebnisse:

 Gesundheitszustand des Tieres vor und während des Versuchszeitraums, einschließlich Toxizitätsanzeichen,

 Körper- und Organgewicht bei der Tötung,

 für jedes Gewebe/Tier: Anzahl Mutanten, Anzahl bewerteter Plaques bzw. Kolonien und Mutantenhäufigkeit,

 für jede Gewebe-/Tiergruppe: Anzahl Verpackungsreaktionen pro DNA-Probe, Gesamtzahl der Mutanten, mittlere Mutantenhäufigkeit, Standardabweichung,

 nach Möglichkeit Dosis-Wirkungs-Beziehung,

 für jedes Gewebe/Tier: Anzahl unabhängiger Mutanten und mittlere Mutationshäufigkeit, soweit eine Molekularanalyse der Mutationen durchgeführt wurde,

 Daten über Negativkontrolltiere, die gleichzeitig in den Versuch einbezogen waren, und historische Kontrolldaten aus Negativkontrollen mit Angaben zu Bereichen, Mittelwerten und Standardabweichungen,

 Daten über Positivkontrolltiere, die gleichzeitig in den Versuch einbezogen waren (oder Daten zur DNA von Positivkontrolltieren aus früheren Versuchen),

 analytische Bestimmungen, falls verfügbar (z. B. für die Verpackung verwendete DNA-Konzentrationen, DNA-Sequenzierungsdaten),

 verwendete statistische Analysen und Methoden.

Diskussion der Ergebnisse

Schlussfolgerung

LITERATUR

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(8) Douglas, G.R., J.D. Gingerich, L.M. Soper and J. Jiao (1997). ‘Toward an Understanding of the Use of Transgenic Mice for the Detection of Gene Mutations in Germ Cells’, Mutation Res., 388(2-3): 197-212.

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(24) OECD (2009). Detailed Review Paper on Transgenic Rodent Mutation Assays, Series on Testing and Assessment, No 103, ENV/JM/MONO(2009)7, OECD, Paris.

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(29) Thybaud, V., S. Dean, T. Nohmi, J. de Boer, G.R. Douglas, B.W. Glickman, N.J. Gorelick, J.A. Heddle, R.H. Heflich, I. Lambert, H.-J. Martus, J.C. Mirsalis, T. Suzuki and N. Yajima (2003). ‘In vivo Transgenic Mutation Assays’, Mutation Res., 540: 141-151.

(30) Vijg, J. and G.R. Douglas (1996), ‘Bacteriophage λ and Plasmid lacZ Transgenic Mice for studying Mutations in vivo’ in: G. Pfeifer (ed.), Technologies for Detection of DNA Damage and Mutations, Part II, Plenum Press, New York, NY, USA, pp. 391-410.

(31) Yauk, C.L., J.D. Gingerich, L. Soper, A. MacMahon, W.G. Foster and G.R. Douglas (2005). ‘A lacZ Transgenic Mouse Assay for the Detection of Mutations in Follicular Granulosa Cells’, Mutation Res., 578(1-2): 117-123.

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(33) OECD (2011). Retrospective Performance Assessment of OECD Test Guideline on Transgenic Rodent Somatic and Germ Cell Gene Mutation Assays, Series on Testing and Assessment, No 145, ENV/JM/MONO(2011)20, OECD, Paris.

(34) Clermont, Y. (1972). ‘Kinetics of spermatogenesis in mammals seminiferous epithelium cycle and spermatogonial renewal’. Physiol. Rev. 52: 198-236.

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(36) Russell, L.B. (2004). ‘Effects of male germ-cell stage on the frequency, nature, and spectrum of induced specific-locus mutations in the mouse’, Genetica, 122: 25–36.

Anlage

BEGRIFFSBESTIMMUNGEN

Basenpaarsubstitution : eine Art Mutation, die dazu führt, dass eine einzelne DNA-Nukleotidbase gegen eine andere DNA-Nukleotidbase ausgetauscht wird.

Chemikalie : ein Stoff oder eine Mischung.

Cos-Stelle : ein 12-Nukleotidsegment einer Einzelstrang-DNA, das an beiden Enden des Doppelstrang-Genoms des Bakteriophagen vorkommt.

Deletion : eine Mutation, bei der ein oder mehrere (sequenzielle) Nukleotiden vom Genom verloren werden.

Elektroporation : Anwendung elektrischer Impulse zur Erhöhung der Durchlässigkeit von Zellmembranen.

Endogenes Gen : ein Gen, das aus dem Genom selbst stammt.

Extra-binomiale Variation : größere Variabilität bei Wiederholungsschätzungen eines Populationsanteils als bei einer Binomialverteilung der Population erwartet würde.

Große Deletionen : Deletionen mehrerer Kilobasen in der DNA (die durch Spi Auswahl und die lacZ-Plasmidassays gezielt nachgewiesen werden).

Insertion : Hinzufügen eines oder mehrerer Nukleotidenbasenpaare in eine DNA-Sequenz.

Jackpot : große Anzahl Mutanten, durch klonale Expansion aus einer einzigen Mutation entstanden.

Kapsid : die ein Viruspartikel umschließende Proteinhülle.

Klonale Expansion : die Erzeugung vieler Zellen aus einer einzigen (Mutanten-)Zelle.

Koloniebildende Einheit (Colony-Forming Unit, CFU) : ein Größe zur Quantifizierung lebensfähiger Bakterien.

Konkatamer : eine Wiederholungssequenz einer DNA-Kette (Biomolekül).

Ligation : die kovalente Anbindung von zwei DNA-Molekülenden durch DNA-Ligase.

Mitogen : eine Chemikalie, die eine Zelle zur Zellteilung anregt und Mitose auslöst (d. h. Zellteilung).

Neutrales Gen : ein Gen, das weder von positivem, noch von negativem Selektionsdruck beeinflusst wird.

Plaquebildende Einheit (Plaque Forming Unit, PFU) : eine Größe zur Quantifizierung lebensfähiger Bakteriophagen.

Positivselektion : eine Methode, bei der nur Mutanten überleben.

Probenahmezeitpunkt : das Ende des Zeitraums vor der Tötung des Tieres, in dem die Chemikalie nicht verabreicht wird und in dem nicht reparierte DNA-Läsionen sich in Form stabiler Mutationen fixieren.

Prüfsubstanz : jede(r) nach dieser Prüfmethode getesteter Stoff bzw. Mischung.

Punktmutation : allgemeiner Begriff für eine Mutation, die nur eine kleine Sequenz der DNA betrifft, einschließlich kleiner Insertionen, Deletionen und Basenpaarsubstitutionen.

Rasterschubmutation : eine genetische Mutation innerhalb einer ein Protein/Peptid codierenden DNA-Sequenz, verursacht durch Insertionen oder Deletionen einer Reihe von Nukleotiden, die nicht gleichmäßig durch drei geteilt werden können.

Reporter-Gen : ein Gen, dessen Produkt (mutantes Gen) einfach nachzuweisen ist.

Shuttle-Vektor : ein Vektor, der so strukturiert ist, dass er sich in zwei verschiedenen Wirtsarten vermehren kann; entsprechend kann in einen Shuttle-Vektor eingebrachte DNA in zwei unterschiedlichen Zelltypen oder zwei unterschiedlichen Organismen geprüft oder manipuliert werden.

Transgen : bezogen auf einen Organismus oder der Organismus selbst, dessen Genom durch die Übertragung eines oder mehrerer Gene einer anderen Spezies verändert worden ist.

Verabreichungszeitraum : die Gesamtdauer, während der einem Tier Prüfsubstanz verabreicht wird.

Verpackung : die Synthese infektiöser Phagenpartikel aus der Zubereitung von Phagenkapsid und Schwanzproteinen und einem Konkatamer von Phagen-DNA-Molekülen. Wird gemeinhin zur Verpackung von auf einen Lambda-Vektor geklonter DNA (die durch Cos-Stellen getrennt ist) in infektiöse Lambdapartikel verwendet.

Verpackungseffizienz : die Effizienz, mit der verpackte Bakteriophagen in Wirtsbakterien wiedergefunden werden.

▼M7

B.59.   IN-CHEMICO-HAUTSENSIBILISIERUNG: DIREKT-PEPTIDREAKTIVITÄTSTEST (DPRA)

EINLEITUNG

Diese Prüfmethode entspricht der OECD-Prüfrichtlinie 442C (2015). Ein Hautallergen ist gemäß Definition im Globalen Harmonisierten System zur Einstufung und Kennzeichnung von Chemikalien (GHS) der Vereinten Nationen (UN-GHS) (1) und der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen (CLP) ( 44 ) ein Stoff, der bei Hautkontakt eine allergische Reaktion auslöst. Diese Prüfmethode ist ein In-chemico-Verfahren (Direkt-Peptidreaktivitätstest — DPRA) zur Unterstützung der Unterscheidung zwischen Hautallergenen und Nichtsensibilisatoren gemäß UN-GHS und CLP.

Es besteht allgemeines Einvernehmen über die der Hautsensibilisierung zugrunde liegenden biologischen Vorgänge. Das vorhandene Wissen über die chemischen und biologischen Mechanismen im Zusammenhang mit der Hautsensibilisierung wurde in Form eines Adverse Outcome Pathway (AOP) (2), ausgehend von dem auslösenden molekularen Ereignis über die Zwischenvorgänge bis hin zur schädlichen Auswirkung auf die Gesundheit, nämlich die allergische Kontaktdermatitis beim Menschen oder die Kontakt-Überempfindlichkeit bei Nagetieren, zusammengefasst. Innerhalb des Hautsensibilisierungs-AOP ist das auslösende molekulare Ereignis die kovalente Bindung von elektrophilen Stoffen an nukleophile Zentren in Hautproteinen.

Die Bewertung der Hautsensibilisierung erfolgte normalerweise an Labortieren. Bei den klassischen Methoden an Meerschweinchen, dem Maximierungstest an Meerschweinchen (Guinea Pig Maximisation Test, GMPT) nach Magnusson/Kligman und dem Bühler-Test (Kapitel B.6 (3)), werden die Induktions- und die Auslösephase der Hautsensibilisierung untersucht. Ein Test an der Maus, der Lokale Lymphknotentest (LLNA, Kapitel B.42 (4)) und die beiden nicht radioaktiven Abwandlungen dieses Tests, LLNA: DA (Kapitel B.50 (5)) und LLNA: BrdU-ELISA (Kapitel B.51 (6)), bei denen jeweils nur die Induktionsreaktion bewertet wird, haben ebenfalls an Akzeptanz gewonnen, da sie sowohl in Bezug auf den Tierschutz als auch die objektive Messung der Induktionsphase der Hautsensibilisierung Vorteile gegenüber Tests am Meerschweinchen bieten.

Vor kurzem wurden mechanistisch basierte In-chemico- und In-vitro-Prüfmethoden für die Bewertung der Gefahr einer Hautsensibilisierung durch Chemikalien als wissenschaftlich fundiert befunden. Allerdings sind Methoden ohne Tierversuche (in silico, in chemico, in vitro) im Rahmen von integrierten Test- und Bewertungsansätzen (Integrated Approaches to Testing and Assessment, IATA) erforderlich, um die gegenwärtig angewandten Tierversuche angesichts der eingeschränkten mechanistischen AOP-Abdeckung der gegenwärtig verfügbaren Prüfmethoden ohne Tierversuche zu ersetzen (2) (7).

Der DPRA wird für das auslösende molekulare Ereignis im AOP der Hautsensibilisierung, nämlich die Proteinreaktivität, vorgeschlagen, indem die Reaktivität von Prüfchemikalien gegenüber synthetischen lysin- oder cysteinhaltigen Modellpeptiden quantifiziert wird (8). Anhand der prozentualen Peptid-Depletionswerte für Cystein und Lysin wird ein Stoff dann in eine von vier Reaktivitätsklassen eingestuft, um die Unterscheidung zwischen Hautallergenen und Nichtsensibilisatoren zu unterstützen (9).

Der DPRA wurde in einer Validierungsstudie unter der Leitung eines Europäischen Referenzlabors für Alternativen zu Tierversuchen (European Union Reference Laboratory for Alternatives to Animal Testing, EURL ECVAM) und in einem anschließenden unabhängigen Peer-Review des Wissenschaftlich Beratenden Ausschusses (ESAC) des EURL ECVAM bewertet und aus wissenschaftlicher Sicht für zulässig befunden (10), um im Rahmen eines IATA die Unterscheidung zwischen Hautallergenen und Nichtsensibilatoren im Hinblick auf die Gefahreneinstufung und -kennzeichnung zu unterstützen. Beispiele für die Verwendung von DPRA-Daten in Kombination mit anderen Informationen werden in der Literatur beschrieben (11) (12) (13) (14).

Definitionen sind Anlage I zu entnehmen.

VORBEMERKUNGEN, ANWENDBARKEIT UND EINSATZGRENZEN

Die Korrelation zwischen Proteinreaktivität und Hautsensibilisierungspotenzial ist gut nachgewiesen (15) (16) (17). Da die Proteinbindung jedoch nur einen einzigen Schlüsselvorgang, wenn auch das auslösende molekulare Ereignis für den AOP der Hautsensibilisierung, darstellt, reichen die mit Prüfmethoden und Nicht-Prüfmethoden ermittelten Informationen alleine möglicherweise nicht aus, um zu dem Schluss zu gelangen, dass Chemikalien kein Hautsensibilisierungspotenzial besitzen. Daher sollten die mit dieser Prüfmethode ermittelten Daten im Rahmen integrierter Ansätze, wie z. B. IATA, betrachtet und mit anderen ergänzenden Informationen, die beispielsweise aus In-vitro-Tests in Bezug auf andere Schlüsselvorgänge des Hautsensibilisierungs-AOP abgeleitet werden, sowie mit anderen Nicht-Prüfmethoden, einschließlich der Übertragung von Informationen (read across) zu chemischen Analoga, kombiniert werden.

Diese Prüfmethode kann zusammen mit anderen ergänzenden Informationen zur Unterstützung der Unterscheidung zwischen Hautallergenen (d. h. UN-GHS/CLP-Kategorie 1) und Nichtsensibilisatoren im Rahmen eines IATA eingesetzt werden. Diese Prüfmethode kann alleine weder zur Einstufung von Hautallergenen in die Unterkategorien 1A und 1B gemäß Definition in UN-GHS/CLP noch zur Vorhersage des Potenzials im Rahmen von Sicherheitsbewertungsentscheidungen verwendet werden. Jedoch kann ein positives Ergebnis mit dem DPRA je nach Rechtsrahmen alleine zur Einstufung einer Chemikalie in die UN-GHS/CLP-Kategorie 1 herangezogen werden.

Es hat sich gezeigt, dass die DPRA-Prüfmethode Labors mit Erfahrung auf dem Gebiet der Hochleistungsflüssigchromatographie (HPLC) übertragen werden kann. Der Grad der Reproduzierbarkeit bei Vorhersagen, der bei der Prüfmethode erwartet werden kann, liegt in der Größenordnung von 85 % innerhalb von Labors und von 80 % zwischen Labors (10). Die Ergebnisse der Validierungsstudie (18) und veröffentlichter Studien (19) weisen insgesamt darauf hin, dass die Genauigkeit des DPRA bei der Unterscheidung von Sensibilatoren (d. h. UN-GHS-/CLP-Kategorie 1) gegenüber Nichtsensibilisatoren 80 % (N = 157) bei einer Empfindlichkeit von 80 % (88/109) und einer Spezifität von 77 % (37/48) im Vergleich zu den Ergebnissen des LLNA beträgt. Beim DPRA ist die Wahrscheinlichkeit einer Unterschätzung bei Chemikalien mit geringem bis mittlerem Hautsensibilisierungspotenzial (d. h. UN-GHS/CLP-Unterkategorie 1B) größer als bei Chemikalien mit hohem Hautsensibilisierungspotenzial (d. h. UN-GHS/CLP-Unterkategorie 1A) (18) (19). Jedoch sind die Genauigkeitswerte, die hier für den DPRA als eigenständige Testmethode angegeben werden, lediglich als Anhaltspunkte zu betrachten, da die Prüfmethode in Kombination mit anderen Informationsquellen im Rahmen eines IATA sowie gemäß den Bestimmungen unter Nummer 9 betrachtet werden sollte. Darüber hinaus sollte bei der Bewertung von Prüfmethoden zur Hautsensibilisierung ohne Tierversuche beachtet werden, dass der LLNA-Test sowie andere Tierversuche die Situation bei den relevanten Arten, d. h. Menschen, nicht vollständig widerspiegeln. Auf der Grundlage der verfügbaren Gesamtdaten über den DPRA wurde nachgewiesen, dass der Test bei Prüfchemikalien, die eine Vielzahl an organischen funktionellen Gruppen, Reaktionsmechanismen, Hautsensibilisierungspotenzialen (wie in In-vivo-Studien festgestellt) und physikalisch-chemischen Eigenschaften abdecken, anwendbar ist (8) (9) (10) (19). Insgesamt deuten diese Informationen auf die Zweckmäßigkeit des DPRA für die Erkennung der Gefahr einer Hautsensibilisierung hin.

Der Begriff „Prüfchemikalie“ bezeichnet bei dieser Prüfmethode das, was getestet wird, und bezieht sich nicht auf die Anwendbarkeit des DPRA für die Prüfung von Stoffen und/oder Gemischen. Diese Prüfmethode ist nicht für die Untersuchung von Metallverbindungen geeignet, da diese bekanntermaßen mit Proteinen reagieren, die über andere Mechanismen als die kovalente Bindung wirken. Eine Prüfchemikalie sollte in einem geeigneten Lösungsmittel in einer Endkonzentration von 100 mM löslich sein (siehe Nummer 18). Prüfchemikalien, die in dieser Konzentration nicht löslich sind, können unter Umständen jedoch trotzdem in geringeren löslichen Konzentrationen getestet werden. In einem solchen Fall könnte ein positives Ergebnis dennoch zur Identifizierung der Prüfchemikalie als Hautallergen unterstützend herangezogen werden, während bei einem negativen Ergebnis keine verbindlichen Rückschlüsse auf die fehlende Reaktivität gezogen werden dürfen. Gegenwärtig stehen nur begrenzte Informationen über die Anwendbarkeit des DPRA auf Gemische mit bekannter Zusammensetzung zur Verfügung (18) (19). Dennoch gilt der DPRA für die Prüfung von mehrkomponentigen Substanzen und Gemischen mit bekannter Zusammensetzung als technisch geeignet (siehe Nummer 18). Bevor diese Prüfmethode auf ein Gemisch angewendet wird, um zu Regulierungszwecken Daten zu gewinnen, sollte geprüft werden, ob, und falls ja, warum, sie für diesen Zweck geeignete Ergebnisse liefert. Solche Erwägungen entfallen, wenn die Prüfung des Gemischs gesetzlich vorgeschrieben ist. Das gegenwärtige Vorhersagemodell kann aufgrund des festgelegten Molverhältnisses von Prüfchemikalie und Peptid nicht bei komplexen Gemischen mit unbekannter Zusammensetzung oder bei Stoffen mit unbekannter oder variabler Zusammensetzung, komplexen Reaktionsprodukten oder biologischen Materialien (z. B. UVCB-Stoffen) eingesetzt werden. Für diesen Zweck wird es erforderlich sein, ein neues Vorhersagemodell auf der Grundlage eines gravimetrischen Ansatzes zu entwickeln. Wenn nachgewiesen werden kann, dass die Prüfmethode bei anderen spezifischen Chemikalienkategorien nicht anwendbar ist, sollte sie bei diesen nicht verwendet werden.

Diese Prüfmethode ist eine In-chemico-Methode, die kein Stoffwechselsystem beinhaltet. Chemikalien, die ihr Hautsensibilisierungspotenzial erst durch eine enzymatische Bioaktivierung erlangen (d. h. Prohaptene), können mit dieser Prüfmethode nicht erkannt werden. Chemikalien, die erst nach einer abiotischen Umwandlung zu Sensibilisatoren werden (d. h. Prähaptene), werden Berichten zufolge in einigen Fällen mit der Prüfmethode richtig erkannt (18). Angesichts der vorstehenden Ausführungen sollten mit der Prüfmethode erhaltene negative Ergebnisse im Kontext der angegebenen Grenzen und in Verbindung mit anderen Informationsquellen im Rahmen eines IATA interpretiert werden. Prüfchemikalien, die nicht kovalent an das Peptid binden, sondern seine Oxidation (d. h. Cystein-Dimerisierung) fördern, könnten zu einer potenziellen Überschätzung der Peptid-Depletion führen, mit der Folge möglicher falscher Positiv-Vorhersagen und/oder einer Einstufung in eine höhere Reaktivitätsklasse (siehe Nummern 29 und 30).

Der DPRA unterstützt, wie bereits erwähnt, die Unterscheidung zwischen Hautallergenen und Nichtsensibilisatoren. Er kann jedoch bei Verwendung im Rahmen von integrierten Ansätzen wie IATA möglicherweise auch zur Bewertung der Sensibilisierungspotenz beitragen (11). Es sind allerdings weitere Untersuchungen notwendig, vorzugsweise auf der Grundlage von Humandaten, um herauszufinden, inwieweit die Ergebnisse des DPRA möglicherweise zur Potenzbewertung herangezogen werden können.

TESTPRINZIP

Der DPRA ist eine In-chemico-Methode, bei der die Restkonzentration eines cystein- oder lysinhaltigen Peptids nach 24-stündiger Inkubation mit der Prüfchemikalie bei 25 ± 2,5 °C quantifiziert wird. Die synthetischen Peptide enthalten Phenylalanin als Hilfsmittel zum Nachweis. Die relative Peptidkonzentration wird mittels Hochleistungsflüssigchromatographie (HPLC) mit Gradientenelution und UV-Detektion bei 220 nm gemessen. Anschließend werden die prozentualen Peptid-Depletionswerte für Cystein und Lysin berechnet, die als Eingangsparameter in ein Vorhersagemodell (siehe Nummer 29) zur Einstufung der Prüfchemikalie in eine von vier Reaktivitätsklassen einfließen, die zur Unterstützung der Unterscheidung zwischen Hautallergenen und Nichtsensibilatoren verwendet werden.

Vor der routinemäßigen Verwendung des unter dieser Prüfmethode beschriebenen Verfahrens sollten Laboratorien ihre technische Kompetenz anhand der zehn in Anlage 2 aufgeführten Leistungsstoffe nachweisen.

VERFAHREN

Diese Prüfmethode basiert auf dem DPRA DB-ALM-Protokoll Nr. 154 (20), das für die vom EURL ECVAM koordinierte Validierungsstudie verwendet wurde. Es wird empfohlen, dieses Protokoll bei der Durchführung und Anwendung der Methode im Labor zugrunde zu legen. Nachfolgend werden die wichtigsten Komponenten und Verfahren des DPRA beschrieben. Bei der Verwendung eines anderen HPLC-Aufbaus ist dessen Gleichwertigkeit mit dem im DB-ALM-Protokoll beschriebenen validierten Aufbau nachzuweisen (z. B. durch Prüfung der Leistungsstoffe in Anlage 2).

Vorbereitung der cystein- oder lysinhaltigen Peptide

Die Stammlösungen von cysteinhaltigen (Ac-RFAACAA-COOH) und lysinhaltigen (Ac-RFAAKAA-COOH) synthetischen Peptiden mit einer Reinheit von mehr als 85 % (vorzugsweise im Bereich von 90-95 %) sollten kurz vor ihrer Inkubation mit der Prüfchemikalie frisch zubereitet werden. Die Endkonzentration des Cysteinpeptids sollte 0,667 mM in einem Phosphatpuffer mit pH 7,5 und die Endkonzentration des Lysinpeptids 0,667 mM in einem Ammoniumacetat-Puffer mit pH 10,2 betragen. Die HPLC-Sequenz ist so einzustellen, dass die HPLC-Analyse in weniger als 30 Stunden abgeschlossen ist. Bei dem in der Validierungsstudie verwendeten und in dieser Prüfmethode beschriebenen HPLC-Aufbau können in einem einzigen HPLC-Durchlauf bis zu 26 Analyseproben (bestehend aus der Prüfchemikalie, der Positivkontrolle und einer entsprechenden Anzahl an Lösungsmittelkontrollen, abhängig von der Anzahl der einzelnen im Test verwendeten Lösungsmittel, jeweils dreifach getestet) abgearbeitet werden. Alle im gleichen Durchlauf analysierten Replikate sollten die gleichen Cystein- und Lysinpeptid-Stammlösungen verwenden. Es wird empfohlen, vor der Verwendung der einzelnen Peptidchargen ihre Löslichkeit entsprechend nachzuweisen.

Vorbereitung der Prüfchemikalie

Vor der Durchführung des Tests sollte die Löslichkeit der Prüfchemikalie in einem geeigneten Lösungsmittel gemäß dem im DPRA DB-ALM-Protokoll (20) beschriebenen Solubilisierungsverfahren bewertet werden. Ein geeignetes Lösungsmittel löst die Prüfchemikalie vollständig auf. Da die Prüfchemikalie beim DPRA mit hohem Überschuss mit den Cystein- oder den Lysinpeptiden inkubiert wird, gilt die visuelle Prüfung auf Bildung einer klaren Lösung als ausreichend, um festzustellen, dass die Prüfchemikalie (und — bei Testung einer mehrkomponentigen Substanz oder eines Gemischs — alle Bestandteile) aufgelöst wurde(n). Geeignete Lösungsmittel sind Acetonitril, Wasser, ein 1:1-Gemisch aus Wasser und Acetonitril, Isopropanol, Aceton oder ein 1:1-Gemisch aus Aceton und Acetonitril. Andere Lösungsmittel können verwendet werden, solange sie die Stabilität des Peptids nicht beeinträchtigen. Dies wird mithilfe von Referenzkontrollen C (d. h. Proben, bei denen das Peptid alleine im jeweiligen Lösungsmittel aufgelöst ist; siehe Anlage 3) überwacht. Ist die Prüfchemikalie in keinem dieser Lösungsmittel löslich, sollte als letzte Möglichkeit versucht werden, sie in 300 μL DMSO zu lösen und die erhaltene Lösung mit 2 700  μL Acetonitril zu verdünnen. Ist die Prüfchemikalie auch in diesem Gemisch unlöslich, sollte versucht werden, sie in gleicher Menge in 1 500  μL DMSO zu lösen und die erhaltene Lösung mit 1500 μL Acetonitril zu verdünnen. Zum Ansetzen einer 100-mM-Lösung wird die Prüfchemikalie vorgewogen in Glasgefäße gegeben und unmittelbar vor dem Test in einem geeigneten Lösungsmittel aufgelöst. Bei Gemischen und mehrkomponentigen Substanzen mit bekannter Zusammensetzung wird aus der Summe der Anteile der einzelnen Bestandteile (ausgenommen Wasser) ein einziger Wert für die Reinheit und anhand der Molekulargewichte der einzelnen Bestandteile im Gemisch (ausgenommen Wasser) und ihres jeweiligen Anteils ein einziges scheinbares Molekulargewicht bestimmt. Aus den erhaltenen Werten für die Reinheit und das scheinbare Molekulargewicht wird dann das erforderliche Gewicht der Prüfchemikalie für die Zubereitung einer 100-mM-Lösung berechnet. Bei Polymeren, für die sich kein vorherrschendes Molekulargewicht bestimmen lässt, kann das Molekulargewicht des Monomers (oder das scheinbare Molekulargewicht der verschiedenen Monomere, aus denen sich das Polymer zusammensetzt) für die Zubereitung einer 100-mM-Lösung herangezogen werden. Bei der Prüfung von Gemischen, mehrkomponentigen Substanzen oder Polymeren mit bekannter Zusammensetzung sollte jedoch auch in Erwägung gezogen werden, die unverdünnte Chemikalie zu testen. Bei Flüssigkeiten wird die unverdünnte Chemikalie so, wie sie ist, ohne vorherige Verdünnung getestet und in einem molaren Verhältnis von 1:10 und 1:50 mit den Cystein- bzw. Lysinpeptiden inkubiert. Bei festen Stoffen wird die Prüfchemikalie auf ihre höchste lösliche Konzentration in dem gleichen Lösungsmittel aufgelöst, das zum Ansetzen der scheinbaren 100-mM-Lösung verwendet wurde. Anschließend wird sie so, wie sie ist, ohne weitere Verdünnung getestet und in einem molaren Verhältnis von 1:10 und 1:50 mit den Cystein- bzw. Lysinpeptiden inkubiert. Übereinstimmende Ergebnisse (reaktiv oder nicht reaktiv) zwischen der scheinbaren 100-mM-Lösung und der unverdünnten Chemikalie sollten eine verbindliche Schlussfolgerung bezüglich des Ergebnisses zulassen.

Vorbereitung der Positivkontrolle, Referenzkontrollen und Koelutionskontrollen

Als Posivivkontrolle (PC) sollte Zimtaldehyd (CAS 104-55-2; ≥ 95 % von lebensmitteltauglicher Reinheit) mit einer Konzentration von 100 mM in Acetonitril verwendet werden. Andere geeignete Positivkontrollen, die vorzugsweise Depletionswerte im mittleren Bereich ergeben, können verwendet werden, sofern historische Daten für die Ableitung vergleichbarer Akzeptanzkriterien für einen Testdurchlauf zur Verfügung stehen. Außerdem sollte die HPLC-Sequenz auch Referenzkontrollen (d. h. Proben, die nur das im entsprechenden Lösungsmittel gelöste Peptid enthalten) umfassen. Diese dienen dazu, die Eignung des HPLC-Systems vor der Analyse (Referenzkontrollen A) und die Stabilität der Referenzkontrollen im Zeitverlauf (Referenzkontrollen B) zu verifizieren und zu bestätigen, dass das zur Lösung der Prüfchemikalie verwendete Lösungsmittel die prozentuale Peptid-Depletion nicht beeinflusst (Referenzkontrollen C) (siehe Anlage 3). Mithilfe der geeigneten Referenzkontrolle für jede Chemikalie wird die prozentuale Peptid-Depletion für diese Chemikalie berechnet (siehe Nummer 26). Darüber hinaus sollte für jede analysierte Prüfchemikalie eine Koelutionskontrolle, bestehend aus der Prüfchemikalie alleine, in die Ablaufsequenz aufgenommen werden, um eine mögliche Koelution der Prüfchemikalie mit dem Lysinpeptid bzw. dem Cysteinpeptid zu erkennen.

Inkubation der Prüfchemikalie mit den Cystein- und Lysinpeptid-Lösungen

Die Cystein- und Lysinpeptid-Lösungen sollten in Autosampler-Glasgefäßen in einem Verhältnis von 1:10 bzw. 1:50 mit der Prüfchemikalie inkubiert werden. Wenn es unmittelbar nach der Zugabe der Prüfchemikalie zur Peptidlösung aufgrund der geringen Wasserlöslichkeit der Prüfchemikalie zu einer Ausfällung kommt, kann nicht mit Sicherheit festgestellt werden, welche Menge der Prüfchemikalie in der Lösung verblieben ist, um mit dem Peptid zu reagieren. In diesem Fall könnte ein positives Ergebnis trotzdem verwendet werden. Ein negatives Ergebnis ist hingegen unsicher und sollte entsprechend vorsichtig interpretiert werden (siehe auch die Vorschriften unter Nummer 11 für die Prüfung von Chemikalien, die bis zu einer Konzentration von 100 mM unlöslich sind). Die Reaktionslösung wird bei 25 ± 2,5 °C 24 ± 2 Stunden vor der Durchführung der HPLC-Analyse im Dunkeln gelassen. Jede Prüfchemikalie wird für beide Peptide in dreifacher Ausfertigung analysiert. Die Proben sind vor der HPLC einer Sichtprüfung zu unterziehen. Bei festgestellter Ausfällung oder Phasentrennung können die Proben als Vorsichtsmaßnahme bei geringer Geschwindigkeit (100-400 x g) zentrifugiert werden, damit die Ausfällung auf den Boden des Gefäßes sinkt, da große Ausfällungsmengen die Leitungen oder Säulen der HPLC-Apparatur verstopfen können. Wird nach der Inkubationszeit eine Ausfällung oder Phasentrennung festgestellt, kann die Peptid-Depletion unterschätzt werden. In diesem Fall kann bei einem negativen Ergebnis nicht mit hinreichender Sicherheit auf das Fehlen von Reaktivität geschlossen werden.

Erstellung der HPLC-Standardkalibrierungskurve

Sowohl für die Cystein- als auch die Lysinpeptide sollte eine Standardkalibrierungskurve erstellt werden. Die Peptidstandards werden in einer Lösung mit 20 % oder 25 % Acetonitril/Puffer unter Verwendung eines Phosphatpuffers (pH 7,5) für das Cysteinpeptid und eines Ammoniumacetat-Puffers (pH 10,2) für das Lysinpeptid zubereitet. Aus Verdünnungsreihen-Standards der Peptid-Stammlösung (0,667 mM) werden sechs Kalibrierungslösungen hergestellt, die den Bereich von 0,534 bis 0,0167 mM abdecken. Eine Blindkontrolle des Verdünnungspuffers sollte ebenfalls in die Standardkalibrierungskurve aufgenommen werden. Geeignete Kalibrierungskurven sollten einen Wert von r2 > 0,99 aufweisen.

Vorbereitung des HPLC-Systems und Analyse

Vor der Durchführung der Analyse ist die Eignung des HPLC-Systems zu verifizieren. Die Peptid-Depletion wird durch ein mit einem UV-Detektor (Fotodiodenarray-Detektor oder Festwellenlängen-Absorptionsdektektor mit 220-nm-Signal) verbundenes HPLC-Gerät überwacht. Die entsprechende Säule wird in das HPLC-System eingebaut. Bei dem im validierten Protokoll beschriebenen HPLC-Aufbau wird das Modell Zorbax SB-C-18 2,1 mm × 100 mm × 3,5 μm als bevorzugte Säule verwendet. Bei dieser Säule für die Umkehrphasen-HPLC sollte das gesamte System mindestens 2 Stunden vor dem Betrieb bei 301 °C mit 50 % Phase A (0,1 % v/v Trichloressigsäure in Wasser) und 50 % Phase B (0,085 % v/v Trichloressigsäure in Acetonitril) äquilibriert werden. Die HPLC-Analyse erfolgt mit einer Flussrate von 0,35 ml/min und einem linearen Gradienten von 10 % bis 25 % Acetonitril über einen Zeitraum von 10 Minuten, gefolgt von einem schnellen Anstieg auf 90 % Acetonitril, um andere Materialien zu entfernen. Standard, Probe und Kontrolle werden jeweils in gleicher Menge injiziert. Zwischen den Injektionen wird die Säule unter den Ausgangsbedingungen 7 Minuten lang neu äquilibriert. Bei Verwendung einer anderen Säule für die Umkehrphasen-HPLC müssen die oben genannten Einstellparameter möglicherweise angepasst werden, um eine angemessene Elution und Integration der Cystein- und Lysinpeptide sicherzustellen. Dies gilt auch für die Injektionsmenge, die je nach verwendetem System variieren kann (normalerweise im Bereich von 3-10 μl). Wichtig ist auch, dass bei der Verwendung eines anderen Aufbaus der HPLC-Apparatur dessen Gleichwertigkeit mit dem vorstehend beschriebenen validierten Aufbau nachgewiesen wird (z. B. durch Prüfung der Leistungsstoffe in Anlage 2). Die Extinktion wird bei 220 nm überwacht. Bei Verwendung eines Fotodiodenarray-Detektors sollte die Extinktion bei 258 nm ebenfalls aufgezeichnet werden. Es wird darauf hingewiesen, dass einige Acetonitril-Chargen die Peptidstabilität beeinträchtigen können. Dies muss bei der Verwendung einer neuen Acetonitril-Charge bewertet werden. Als Indikator für eine Koelution kann das Verhältnis der Peakfläche bei 220 nm und der Peakfläche bei 258 nm verwendet werden. Beispielsweise wäre bei jeder Probe ein Verhältnis im Bereich von 90 % < mittleres ( 45 ) Flächenverhältnis der Kontrollproben < 100 % ein guter Anhaltspunkt dafür, dass keine Koelution eingetreten ist.

Es gibt unter Umständen Prüfchemikalien, die die Oxidation des Cysteinpeptids fördern könnten. Der Peak des dimerisierten Cysteinpeptids kann visuell überwacht werden. Scheint eine Dimerisierung erfolgt zu sein, sollte dies vermerkt werden, da die prozentuale Peptid-Depletion überschätzt werden kann, was zu falschen Positiv-Vorhersagen und/oder einer Einstufung in eine höhere Reaktivitätsklasse führen kann (siehe Nummer 29 und 30).

Die HPLC-Analyse der Cystein- und Lysinpeptide kann gleichzeitig (wenn zwei HPLC-Systeme zur Verfügung stehen) oder an verschiedenen Tagen durchgeführt werden. Erfolgt die Analyse an verschiedenen Tagen, sind alle Prüfchemikalienlösungen für beide Tests am jeweiligen Tag frisch herzustellen. Die Analyse wird zeitlich so angesetzt, dass die Injektion der ersten Probe 22 bis 26 Stunden nach Mischung der Prüfchemikalie mit der Peptidlösung stattfindet. Die HPLC-Sequenz ist so einzustellen, dass die HPLC-Analyse in weniger als 30 Stunden abgeschlossen ist. Bei dem in der Validierungsstudie verwendeten und bei dieser Prüfmethode beschriebenen HPLC-Aufbau können in einem einzigen HPLC-Durchlauf bis zu 26 Analyseproben abgearbeitet werden (siehe auch Nummer 17). Ein Beispiel für eine HPLC-Analysesequenz ist Anlage 3 zu entnehmen.

DATEN UND BERICHTERSTATTUNG

Datenauswertung

Die Konzentration des Cystein- oder Lysinpeptids der einzelnen Proben wird bei 220 nm fotometrisch bestimmt. Hierzu wird die Peakfläche (Fläche unter der Kurve (Area Under the Curve, AUC) der entsprechenden Peaks gemessen, und anhand der aus den Standards abgeleiteten linearen Kalibrierungskurve wird die Peptidkonzentration berechnet.

Die prozentuale Peptid-Depletion der einzelnen Proben erhält man nach folgender Formel durch Messung der Peakfläche und deren Division durch die mittlere Peakfläche der jeweiligen Referenzkontrollen C (siehe Anlage 3)

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Akzeptanzkriterien

Ein Testdurchlauf gilt als gültig, wenn die folgenden Kriterien erfüllt sind:

a) Die Standardkalibrierungskurve weist einen Wert von r2 > 0,99 auf;

b) der Mittelwert der prozentualen Peptid-Depletion der drei Replikate für die Positivkontrolle mit Zimtaldehyd liegt zwischen 60,8 % und 100 % beim Cysteinpeptid und zwischen 40,2 % und 69,0 % beim Lysinpeptid, und die maximale Standardabweichung (SA) für die Replikate der Positivkontrolle beträgt < 14,9 % für die prozentuale Cystein-Depletion und < 11,6 % für die prozentuale Lysin-Depletion; und

c) die mittlere Peptidkonzentration der Referenzkontrollen A beträgt 0,50 ± 0,05 mM, und der Variationskoeffizient (VK) der Peptid-Peakflächen für die neun Referenzkontrollen B und C in Acetonitril beträgt < 15,0 %.

Wenn eines oder mehrere dieser Kriterien nicht erfüllt sind, ist der Testdurchlauf zu wiederholen.

Die Ergebnisse für eine Prüfchemikalie gelten als gültig, wenn die folgenden Kriterien erfüllt sind:

a) Die maximale Standardabweichung bei den Replikaten der Prüfchemikalie beträgt < 14,9 % für die prozentuale Cystein-Depletion und < 11,6 % für die prozentuale Lysin-Depletion;

b) die mittlere Peptidkonzentration der drei Referenzkontrollen C im entsprechenden Lösungsmittel beträgt 0,50 ± 0,05 mM. Wenn diese Kriterien nicht erfüllt sind, werden die Daten verworfen, und der Testdurchlauf für diese spezifische Prüfchemikalie ist zu wiederholen.

Vorhersagemodell

Für jede Prüfchemikalie wird der Mittelwert der prozentualen Cystein- und Lysin-Depletion berechnet. Eine negative Depletion wird bei der Berechnung des Mittelwerts mit „0“ angenommen. Unter Verwendung des Vorhersagemodells Cystein 1:10/Lysin 1:50 in Tabelle 1 wird eine durchschnittliche Peptid-Depletion von 6,38 % als Schwelle zur Unterscheidung zwischen Hautallergenen und Nichtsensibilisatoren im Rahmen eines IATA herangezogen. Die Anwendung des Vorhersagemodells für die Einstufung einer Prüfchemikalie in eine Reaktivitätsklasse (d. h. geringe, mittlere und hohe Reaktivität) kann ggf. als nützliche Information für die Potenzbewertung im Rahmen eines IATA dienen.



Tabelle 1

Vorhersagemodell Cystein 1:10/Lysin 1:50 (1)

Mittelwert der prozentualen Cystein- und Lysin-Depletion

Reaktivitätsklasse

DPRA-Vorhersage (2)

0 % ≤ Mittelwert der prozentualen Depletion ≤ 6,38 %

keine oder minimale Reaktivität

negativ

6,38 % < Mittelwert der prozentualen Depletion ≤ 22,62 %

geringe Reaktivität

positiv

22,62 % < Mittelwert der prozentualen Depletion ≤ 42,47 %

mittlere Reaktivität

42,47 % < Mittelwert der prozentualen Depletion ≤ 100 %

hohe Reaktivität

(1)   Die Werte beziehen sich auf statistisch generierte Schwellenwerte und nicht auf die Genauigkeit der Messung.

(2)   Eine DPRA-Vorhersage ist im Rahmen eines IATA und gemäß den Bestimmungen unter den Nummern 9 und 12 zu betrachten.

Es könnte Fälle geben, in denen die Prüfchemikalie (der Stoff oder einer oder mehrere Bestandteile einer mehrkomponentigen Substanz oder eines Gemischs) eine starke Extinktion bei 220 nm aufweist und die gleiche Retentionszeit wie das Peptid besitzt (Koelution). Eine Koelution kann vermieden werden, indem der HPLC-Aufbau so verändert wird, dass die Elutionszeit der Prüfchemikalie und des Peptids weiter auseinander liegen. Wird ein anderer HPLC-Aufbau verwendet, um eine Koelution aufzulösen, so ist seine Gleichwertigkeit mit dem validierten Aufbau nachzuweisen (z. B. durch Prüfung der Leistungsstoffe in Anlage 2). Bei Vorliegen einer Koelution kann der Peak des Peptids nicht integriert und die prozentuale Peptid-Depletion nicht berechnet werden. Koeluieren solche Prüfchemikalien sowohl mit den Cystein- als auch den Lysinpeptiden, ist die Analyse als „nicht aussagekräftig“ anzugeben. Liegt eine Koelution nur mit dem Lysinpeptid vor, kann das Vorhersagemodell Cystein 1:10 in Tabelle 2 verwendet werden.



Tabelle 2

Vorhersagemodell Cystein 1:10 (1)

Prozentuale Cystein-Depletion

Reaktivitätsklasse

DPRA-Vorhersage (2)

0 % ≤ prozentuale Cystein-Depletion ≤ 13,89 %

keine oder minimale Reaktivität

negativ

13,89 % < prozentuale Cystein-Depletion ≤ 23,09 %

geringe Reaktivität

positiv

23,09 % < prozentuale Cystein-Depletion ≤ 98,24 %

mittlere Reaktivität

98,24 % < prozentuale Cystein-Depletion ≤ 100 %

hohe Reaktivität

(1)   Die Werte beziehen sich auf statistisch generierte Schwellenwerte und nicht auf die Genauigkeit der Messung.

(2)   Eine DPRA-Vorhersage ist im Rahmen eines IATA und gemäß den Bestimmungen unter den Nummern 9 und 12 zu betrachten.

Es könnte andere Fälle geben, in denen sich die Retentionszeiten der Prüfchemikalie und eines der beiden Peptide nicht vollständig überlappen. In solchen Fällen können die Peptid-Depletionswerte geschätzt und im Vorhersagemodell Cystein 1:10/Lysin 1:50 verwendet werden. Eine genaue Einstufung der Prüfchemikalie in eine Reaktivitätsklasse ist jedoch nicht möglich.

Bei einem eindeutigen Ergebnis ist eine einzige HPLC-Analyse sowohl für das Cystein- als auch das Lysinpeptid pro Prüfchemikalie ausreichend. Liegen die Ergebnisse jedoch nahe an der Schwelle zur Unterscheidung zwischen positivem und negativem Ergebnis (d. h. handelt es sich um grenzwertige Ergebnisse), sind möglicherweise weitere Tests erforderlich. Fällt der Mittelwert der prozentualen Depletion in den Bereich von 3 % bis 10 % (Vorhersagemodell Cystin 1:10/Lysin 1:50) bzw. die prozentuale Cystein-Depletion in den Bereich von 9 % bis 17 % (Vorhersagemodell Cystin 1:10), sind ein zweiter Testdurchlauf sowie ein dritter Durchlauf (bei abweichenden Ergebnissen zwischen den ersten beiden Durchläufen) in Erwägung zu ziehen.

Prüfbericht

Der Prüfbericht sollte folgende Angaben enthalten:

Prüfchemikalie

 Einkomponentige Substanz

 

 chemische Bezeichnung, wie z. B. IUPAC- oder CAS Bezeichnung(en), CAS-Nummer(n), SMILES- oder InChI-Code, Strukturformel und/oder andere Kennungen;

 Aussehen, Wasserlöslichkeit, Molekulargewicht und weitere relevante physikalisch-chemische Eigenschaften, soweit verfügbar;

 Reinheit, chemische Zusammensetzung von Verunreinigungen, soweit zutreffend und praktisch durchführbar, usw.;

 Behandlung vor der Testung, soweit zutreffend (z. B. Erwärmung, Zerkleinerung);

 geprüfte Konzentration(en);

 Lagerbedingungen und Stabilität, soweit verfügbar.

 Mehrkomponentige Substanz, UVCB-Stoffe und Gemische:

 

 Charakterisierung, so weit wie möglich, z. B. durch die chemische Zusammensetzung (siehe oben), Reinheit, das quantitative Vorkommen und die relevanten physikalisch-chemischen Eigenschaften (siehe oben) der einzelnen Komponenten, soweit verfügbar;

 Aussehen, Wasserlöslichkeit und weitere relevante physikalisch-chemische Eigenschaften, soweit verfügbar;

 Molekulargewicht oder scheinbares Molekulargewicht im Fall von Gemischen/Polymeren mit bekannter Zusammensetzung oder andere für die Durchführung der Studie relevante Informationen;

 Behandlung vor der Testung, soweit zutreffend (z. B. Erwärmung, Zerkleinerung);

 geprüfte Konzentration(en);

 Lagerbedingungen und Stabilität, soweit verfügbar.

Kontrollen

 Positivkontrolle

 

 Chemische Bezeichnung, wie z. B. IUPAC- oder CAS Bezeichnung(en), CAS-Nummer(n), SMILES- oder InChI-Code, Strukturformel und/oder andere Kennungen;

 Aussehen, Wasserlöslichkeit, Molekulargewicht und weitere relevante physikalisch-chemische Eigenschaften, soweit verfügbar;

 Reinheit, chemische Zusammensetzung von Verunreinigungen, soweit zutreffend und praktisch durchführbar, usw.;

 Behandlung vor der Testung, soweit zutreffend (z. B. Erwärmung, Zerkleinerung);

 geprüfte Konzentration(en);

 Lagerbedingungen und Stabilität, soweit verfügbar;

 ggf. Verweis auf historische Ergebnisse von Positivkontrollen, die geeignete Akzeptanzkriterien für einen Testdurchlauf dokumentieren.

 Lösungsmittel/Vehikel

 

 Verwendetes Lösungsmittel/Vehikel und ggf. das Verhältnis ihrer Bestandteile;

 chemische Bezeichnung(en), wie z. B. IUPAC- oder CAS Bezeichnung(en), CAS-Nummer(n) und/oder andere Kennungen;

 Reinheit, chemische Zusammensetzung von Verunreinigungen, soweit zutreffend und praktisch durchführbar, usw.;

 Aussehen, Molekulargewicht und weitere relevante physikalisch-chemische Eigenschaften, sofern andere Lösungsmittel/Vehikel als die in der Prüfmethode genannten verwendet werden und soweit verfügbar;

 Lagerbedingungen und Stabilität, soweit verfügbar;

 Begründung der Auswahl des Lösungsmittels für jede Prüfchemikalie;

 bei Acetonitril die Ergebnisse des Tests der Auswirkung auf die Peptidstabilität.

Vorbereitung von Peptiden, Positivkontrolle und Prüfchemikalie

 Charakterisierung der Peptidlösungen (Lieferant, Los, genaues Peptidgewicht, hinzugefügte Menge für die Stammlösung);

 Charakterisierung der Positivkontrolllösung (genaues Gewicht des für die Positivkontrolle verwendeten Stoffs, hinzugefügte Menge für die Testlösung);

 Charakterisierung der Prüfchemikalienlösungen (genaues Gewicht der Prüfchemikalien, hinzugefügte Menge für die Testlösung);

Einstellung des HPLC-Geräts und Analyse

 Typ des HPLC-Geräts, HPLC und Vorsäulen, Detektor, Autosampler;

 für die HPLC-Analyse relevante Parameter, wie Temperatur der Säule, Injektionsvolumen, Flussrate und Gradient.

Eignung des Systems

 Peptid-Peakfläche bei 220 nm jedes Replikats der Standard- und Referenzkontrolle A;

 grafische Darstellung der linearen Kalibrierungskurve und Angabe des r2-Wertes;

 Peptidkonzentration jedes Replikats der Referenzkontrolle A;

 mittlere Peptidkonzentration (mM) der drei Referenzkontrollen A, Standardabweichung und Variationskoeffizient;

 Peptidkonzentration der Referenzkontrollen A und C.

Ablauf der Analyse

 Für Referenzkontrollen:

 

 Peptid-Peakfläche bei 220 nm jedes B- und C-Replikats;

 mittlere Peptid-Peakfläche bei 220 nm der neun Referenzkontrollen B und C in Acetonitril, Standardabweichung und Variationskoeffzient (für die Stabilität der Referenzkontrollen über die Analysezeit);

 für jedes verwendete Lösungsmittel: mittlere Peptid-Peakfläche bei 220 nm der drei entsprechenden Referenzkontrollen C (zur Berechnung der prozentualen Peptid-Depletion);

 für jedes verwendete Lösungsmittel: die Peptidkonzentration (mM) der drei entsprechenden Referenzkontrollen C;

 für jedes verwendete Lösungsmittel: die mittlere Peptidkonzentration (mM) der drei entsprechenden Referenzkontrollen C, Standardabweichung und Variationskoeffizient.

 Für die Positivkontrolle:

 

 Peptid-Peakfläche bei 220 nm jedes Replikats;

 prozentuale Peptid-Depletion jedes Replikats;

 Mittelwert der prozentualen Peptid-Depletion der drei Replikate, Standardabweichung und Variationskoeffizient.

 Für jede Prüfchemikalie:

 

 Aussehen der Ausfällung im Reaktionsgemisch am Ende der Inkubationszeit, sofern beobachtet. Angabe, ob die Ausfällung wieder löslich gemacht oder zentrifugiert wurde;

 Auftreten von Koelution;

 ggf. Beschreibung anderer relevanter Beobachtungen;

 Peptid-Peakfläche bei 220 nm jedes Replikats;

 prozentuale Peptid-Depletion jedes Replikats;

 Mittelwert der prozentualen Peptid-Depletion der drei Replikate, Standardabweichung und Variationskoeffizient;

 Mittelwert der prozentualen Cystein- und Lysin-Depletion;

 verwendetes Vorhersagemodell und DPRA-Vorhersage.

Leistungstests

 Ggf. das angewandte Verfahren zum Nachweis der Kompetenz des Labors bei der Durchführung der Prüfmethode (z. B. durch Prüfung der Leistungsstoffe) oder zum Nachweis der reproduzierbaren Leistung der Prüfmethode im Zeitverlauf.

Erörterung der Ergebnisse

 Erörterung der anhand der DPRA-Prüfmethode erhaltenen Ergebnisse;

 Erörterung der Ergebnisse der Prüfmethode im Rahmen eines IATA, sofern andere sachdienliche Informationen verfügbar sind.

Schlussfolgerung

LITERATURHINWEISE

(1) Vereinte Nationen (UN) (2013). Globally Harmonized System of Classification and Labelling of Chemicals (GHS). 5. überarbeitete Auflage, UN New York und Genf, 2013. Verfügbar unter: http://www.unece.org/trans/danger/publi/ghs/ghs_rev05/05files_e.html

(2) OECD (2012). The Adverse Outcome Pathway for Skin Sensitisation Initiated by Covalent Binding to Proteins. Part 1: Scientific Evidence. Series on Testing and Assessment, Nr. 168, OECD, Paris.

(3) Kapitel B.6: Sensibilisierung der Haut

(4) Kapitel B.42: Lokaler Lymphknotentest

(5) Kapitel B.50: Hautsensibilisierung: Lokaler Lymphknotentest: DA.

(6) Kapitel B.51: Hautsensibilisierung: Lokaler Lymphknotentest BrdU-ELISA

(7) Adler et al. (2011). Alternative (non-animal) methods for cosmetics testing: current status and future prospects-2010. Archives of Toxicology, 85:367-485.

(8) Gerberick et al. (2004). Development of a peptide reactivity assay for screening contact allergens. Toxicological Sciences, 81:332-343.

(9) Gerberick et al. (2007). Quantification of chemical peptide reactivity for screening contact allergens: A classification tree model approach. Toxicological Sciences, 97:417-427.

(10) EC EURL-ECVAM (2013). Recommendation on the Direct Peptide Reactivity Assay (DPRA) for skin sensitisation testing. Verfügbar unter: https://eurl-ecvam.jrc.ec.europa.eu/eurl-ecvam-recommendations/eurl-ecvam-recommendation-on-the-direct-peptide-reactivity-assay-dpra

(11) Jaworska et al. (2013). Bayesian integrated testing strategy to assess skin sensitization potency: from theory to practice. Journal of Applied Toxicology, Online-Veröffentlichung, 14. Mai 2013, DOI: 10.1002/jat.2869.

(12) Bauch et al. (2012). Putting the parts together: combining in vitro methods to test for skin sensitizing potential. Regulatory Toxicology and Pharmacology, 63: 489-504.

(13) Nukada et al. (2013). Data integration of non-animal tests for the development of a test battery to predict the skin sensitizing potential and potency of chemicals. Toxicology in Vitro, 27:609 618.

(14) Ball et al (2011). Evaluating the sensitization potential of surfactants: integrating data from the local lymph node assay, guinea pig maximization test, and in vitro methods in a weight-of-evidence approach. Regulatory Toxicology and Pharmacology, 60:389-400.

(15) Landsteiner und Jacobs (1936). Studies on the sensitization of animals with simple chemical compounds. Journal of Experimental Medicine, 64:625-639.

(16) Dupuis and Benezra (1982). Allergic contact dermatitis to simple chemicals: a molecular approach. New York und Basel: Marcel Dekker Inc.

(17) Lepoittevin et al. (1998). Allergic contact dermatitis: the molecular basis. Springer, Berlin.

(18) EC EURL ECVAM (2012). Direct Peptide Reactivity Assay (DPRA) Validation Study Report, 74pp. Verfügbar unter: http://ihcp.jrc.ec.europa.eu/our_labs/eurl-ecvam/eurl-ecvam-recommendations/eurl-ecvam-recommendation-on-the-direct-peptide-reactivity-assay-dpra

(19) Natsch et al. (2013). A dataset on 145 chemicals tested in alternative assays for skin sensitization undergoing prevalidation. Journal of Applied Toxicology, Online-Veröffentlichung, 9. April 2013, DOI:10.1002/jat.2868.

(20) DB-ALM (INVITTOX) Protokoll 154. Direct Peptide Reactivity assay (DPRA) for skin sensitisation testing, 17pp. Verfügbar unter: http://ecvam-dbalm.jrc.ec.europa.eu/

(21) OECD (2005). Guidance Document on the Validation and International Acceptance of New or Updated Test Methods for Hazard Assessment. Series on Testing and Assessment, Nr. 34. Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Paris, Frankreich.

(22) FDA (Food and Drug Administration) (2001). Guidance for Industry: Bioanalytical Method Validation, 22pp. Verfügbar unter: www.fda.gov/downloads/drugs/guidancecomplianceregulatoryinformation/guidance/ucm070107.pdf — 138

(23) ECETOC (2003). Contact sensitization: Classification according to potency. European Centre for Ecotoxicology and Toxicology of Chemicals (Technical Report Nr. 87).

Anlage 1

DEFINITIONEN

AOP (Adverse Outcome Pathway) : Abfolge von Vorgängen, ausgehend von der chemischen Struktur einer Zielchemikalie oder Zielgruppe ähnlicher Chemikalien, über den auslösenden molekularen Vorgang bis in zu einem In-vivo-Ergebnis von Interesse (2).

Auslösender molekularer Vorgang : Chemisch induzierte Störung eines biologischen Systems auf molekularer Ebene, die als Ausgangspunkt des Adverse Outcome Pathway identifiziert wird.

Chemikalie : Stoff oder Gemisch.

Eignung des Systems : Feststellung der Leistung (z. B. Empfindlichkeit) eines Instruments durch Analyse eines Referenzstandards vor dem Durchlauf der zu analysierenden Charge (22).

Einkomponentige Substanz : Ein nach seiner quantitativen Zusammensetzung definierter Stoff, bei dem ein Hauptbestandteil in einer Konzentration von mindestens 80 % w/w vorhanden ist.

Empfindlichkeit : Der Anteil aller positiven/wirkenden Chemikalien, die durch die Prüfmethode korrekt eingestuft werden. Die Empfindlichkeit ist ein Maß der Genauigkeit einer Prüfmethode mit kategorialen Ergebnissen und ein wichtiger Aspekt bei der Bewertung ihrer Relevanz (21).

Gefahr : Inhärente Eigenschaft eines Stoffes oder eines Umfelds mit dem Potenzial, einen Organismus, ein System oder eine (Sub)population bei Exposition gegenüber diesem Stoff zu schädigen.

Gemisch : Gemisch oder Lösung aus zwei oder mehr Stoffen, die nicht miteinander reagieren (1).

Genauigkeit : Der Grad der Übereinstimmung zwischen Testergebnissen und anerkannten Referenzwerten. Die Genauigkeit ist ein Maß der Leistung der Prüfmethode und ein Aspekt der „Relevanz“. Der Begriff wird oft im Sinne von „Übereinstimmung“ verwendet und bezeichnet den Anteil der korrekten Ergebnisse einer Prüfmethode (21).

Globales Harmonisiertes System zur Einstufung und Kennzeichnung von Chemikalien der Vereinten Nationen (UN-GHS) : Ein System zur Klassifizierung von Chemikalien (Stoffen und Gemischen) nach standardisierten Typen und Stufen physikalischer, gesundheitlicher und ökologischer Gefahren und zur entsprechenden Kennzeichnung durch Piktogramme, Signalwörter, Gefahrenhinweise, Sicherheitshinweise und Sicherheitsdatenblätter, um zum Schutz des Menschen (einschließlich Arbeitgeber, Arbeitnehmer, Spediteure, Verbraucher und Notfall-Einsatzkräfte) und der Umwelt Informationen über die schädlichen Wirkungen der betreffenden Chemikalien zu verbreiten (1).

Gültige Prüfmethode : Eine Prüfmethode, die eine ausreichende Relevanz und Zuverlässigkeit für einen bestimmten Zweck aufweist und auf wissenschaftlich fundierten Grundsätzen beruht. Eine Prüfmethode ist nie im absoluten Sinn, sondern nur in Bezug auf einen definierten Zweck (21) gültig.

IATA ( Integrated Approach to Testing and Assessment Integrierter Test- und Bewertungsansatz) : Strukturierter Ansatz zur Gefahrenidentifizierung (Potenzial), Gefahrencharakterisierung (Potenz) und/oder Sicherheitsbewertung (Potenzial/Potenz und Exposition) einer Chemikalie oder Chemikaliengruppe, bei dem alle maßgeblichen Daten strategisch integriert und gewichtet werden, um als Grundlage für fundierte regulatorische Entscheidungen über potenzielle Gefahren und/oder Risiken und/oder die Notwendigkeit weiterer gezielter und somit minimaler Testungen herangezogen zu werden.

Kalibrierungskurve : Beziehung zwischen dem im Versuch ermittelten Reaktionswert und der Analysekonzentration (auch als Standardkurve bezeichnet) eines bekannten Stoffs.

Mehrkomponentige Substanz : Ein nach seiner quantitativen Zusammensetzung definierter Stoff, bei dem mehr als ein Hauptbestandteil in einer Konzentration von mindestens ≥ 10 % w/w und < 80 % w/w vorhanden sind. Eine mehrkomponentige Substanz ist das Ergebnis eines Herstellungsprozesses. Der Unterschied zwischen einem Gemisch und einer mehrkomponentigen Substanz besteht darin, dass ein Gemisch durch die Mischung von zwei oder mehr Stoffen ohne chemische Reaktion entsteht. Eine mehrkomponentige Substanz wird durch eine chemische Reaktion gebildet.

Positivkontrolle : Ein Replikat, das alle Komponenten eines Testsystems enthält und mit einem Stoff behandelt wird, der bekanntermaßen eine positive Reaktion hervorruft. Um sicherzustellen, dass Abweichungen bei der Positivkontrollreaktion im Zeitverlauf bewertet werden können, sollte die Reaktion nicht zu heftig sein.

Prüfchemikalie : Der Begriff „Prüfchemikalie“ bezeichnet das, was getestet wird.

Referenzkontrolle : Eine unbehandelte Probe, die alle Komponenten eines Testsystems enthält, einschließlich des Lösungsmittels oder Vehikels, und die mit den prüfchemikalienbehandelten Proben und anderen Kontrollproben mitgeführt wird, um die Referenzreaktion für die mit der Prüfchemikalie behandelten Proben, die im selben Lösungsmittel oder Vehikel aufgelöst wurden, zu bestimmen. Bei der Testung mit einer gleichzeitigen Negativkontrolle zeigt diese Probe außerdem an, ob das Lösungsmittel oder Vehikel mit dem Testsystem interagiert.

Relevanz : Beschreibung der Beziehung zwischen dem Test und der untersuchten Wirkung und ob der Test aussagekräftig und nützlich für einen bestimmten Zweck ist. Die Relevanz gibt an, inwieweit der Test die untersuchte biologische Wirkung richtig misst oder vorhersagt. Sie berücksichtigt auch die Genauigkeit (Übereinstimmung) einer Prüfmethode (21).

Reproduzierbarkeit : Übereinstimmung der Ergebnisse von Tests, die an der gleichen Chemikalie bei einheitlichem Prüfprotokoll durchgeführt werden (siehe Zuverlässigkeit) (21).

Spezifität : Der Anteil aller negativen/wirkungslosen Chemikalien, die durch die Prüfmethode korrekt eingestuft werden. Die Spezifität ist ein Maß der Genauigkeit einer Prüfmethode mit kategorialen Ergebnissen und ein wichtiger Aspekt bei der Bewertung ihrer Relevanz (21).

Stoff : Chemische Elemente und ihre Verbindungen in natürlicher Form oder durch ein Produktionsverfahren hergestellt, einschließlich der zur Wahrung der Produktstabilität notwendigen Zusatzstoffe und der bei der Herstellung entstehenden Verunreinigungen, mit Ausnahme von Lösungsmitteln, die von dem Stoff ohne Beeinträchtigung seiner Stabilität und ohne Änderung seiner Zusammensetzung abgetrennt werden können (1).

UVCB : Stoffe mit unbekannter oder schwankender Zusammensetzung, komplexe Reaktionsprodukte oder biologische Materialien.

Variationskoeffizient : Kennwert der Varianz. Er wird für eine Gruppe von Replikatdaten mittels Division der Standardabweichung durch den Mittelwert berechnet. Multipliziert mit 100 ergibt sich ein Prozentwert.

Zuverlässigkeit : Maß der Reproduzierbarkeit einer Prüfmethode innerhalb von und zwischen Labors über einen längeren Zeitraum und bei einheitlichem Protokoll. Die Zuverlässigkeit wird durch Berechnung der Intra- und Interlabor-Reproduzierbarkeit und Intralabor-Wiederholbarkeit bewertet (21).

Anlage 2

LEISTUNGSSTOFFE

In-chemico-Hautsensibilisierung: Direkt-Peptidreaktivitätstest

Vor der routinemäßigen Anwendung dieser Prüfmethode sollten Labors ihre technische Kompetenz nachweisen, indem sie die erwartete DPRA-Vorhersage für die zehn in Tabelle 1 empfohlenen Leistungsstoffe richtig treffen und bei acht von zehn Leistungsstoffen für jedes Peptid Werte für die Cystein- und Lysin-Depletion erhalten, die im jeweiligen Referenzbereich liegen. Diese Leistungsstoffe wurden so ausgewählt, dass sie die Bandbreite von Reaktionen im Hinblick auf die Gefahr einer Hautsensibilisierung repräsentieren. Weitere Auswahlkriterien betrafen die Erhältlichkeit der Stoffe im Handel, die Verfügbarkeit hochwertiger In-vivo-Referenzdaten und das Vorhandensein hochwertiger In-vitro-Daten aus dem DPRA und dass diese in der vom EURL ECVAM koordinierten Validierungsstudie verwendet wurden, um die erfolgreiche Durchführung der Prüfmethode in den an der Studie beteiligten Labors nachzuweisen.



Tabelle 1

Empfohlene Leistungsstoffe für den Nachweis der technischen Kompetenz zur Durchführung des Direkt-Peptidreaktivitätstests

Leistungsstoffe

CAS-Nr.

Aggregat-zustand

In-vivo-Vorhersage (1)

DPRA-Vorhersage (2)

Bandbreite (3) der prozentualen Cysteinpeptid-Depletion

Bandbreite (3) der prozentualen Lysinpeptid-Depletion

2,4-Dinitrochlorbenzol

97-00-7

fest

Sensibilisator

(extrem)

positiv

90-100

15-45

Oxazolon

15646-46-5

fest

Sensibilisator

(extrem)

positiv

60-80

10-55

Formaldehyd

50-00-0

flüssig

Sensibilisator

(stark)

positiv

30-60

0-24

Benzylidenaceton

122-57-6

fest

Sensibilisator

(mäßig)

positiv

80-100

0-7

Farnesal

19317-11-4

flüssig

Sensibilisator

(schwach)

positiv

15-55

0-25

2,3-Butandion

431-03-8

flüssig

Sensibilisator

(schwach)

positiv

60-100

10-45

1-Butanol

71-36-3

flüssig

Nicht-sensibilisator

negativ

0-7

0-5,5

6-Methylcoumarin

92-48-8

fest

Nicht-sensibilisator

negativ

0-7

0-5,5

Milchsäure

50-21-5

flüssig

Nicht-sensibilisator

negativ

0-7

0-5,5

4-Methoxyacetophenon

100-06-1

fest

Nicht-sensibilisator

negativ

0-7

0-5,5

(1)   Die In-vivo-Gefahrenidentifizierung und (Potenz-)Vorhersagen basieren auf Daten des LLNA (19). Die In-vivo-Potenz wird anhand der vom ECETOC (23) vorgeschlagenen Kriterien abgeleitet.

(2)   Eine DPRA-Vorhersage ist im Rahmen eines IATA und gemäß den Bestimmungen unter den Nummern 9 und 11 zu betrachten.

(3)   Bestimmung der Bandbreiten auf der Grundlage von mindestens zehn Depletionswerten von sechs unabhängigen Labors.

Anlage 3

BEISPIELE FÜR DIE ANALYSESEQUENZ



Kalibrierungsstandards und Referenzkontrollen

STD1

STD2

STD3

STD4

STD5

STD6

Verdünnungspuffer

Referenzkontrolle A, Rep. 1

Referenzkontrolle A, Rep. 2

Referenzkontrolle A, Rep. 3

Koelutionskontrollen

Koelutionskontrolle 1 für Prüfchemikalie 1

Koelutionskontrolle 2 für Prüfchemikalie 2

Referenzkontrollen

Referenzkontrolle B, Rep. 1

Referenzkontrolle B, Rep. 2

Referenzkontrolle B, Rep. 3

Erster Replikatsatz

Referenzkontrolle C, Rep. 1

Zimtaldehyd, Rep. 1

Probe 1, Rep. 1

Probe 2, Rep. 1

Zweiter Replikatsatz

Referenzkontrolle C, Rep. 2

Zimtaldehyd, Rep. 2

Probe 1, Rep. 2

Probe 2, Rep. 2

Dritter Replikatsatz

Referenzkontrolle C, Rep. 3

Zimtaldehyd, Rep. 3

Probe 1, Rep. 3

Probe 2, Rep. 3

Referenzkontrollen

Referenzkontrolle B, Rep. 4

Referenzkontrolle B, Rep. 5

Referenzkontrolle B, Rep. 6

Die Analysesequenz umfasst drei Sätze von Referenzkontrollen (d. h. Proben, die nur aus dem im geeigneten Lösungsmittel gelösten Peptid bestehen):

Referenzkontrolle A: Zur Verifizierung der Eignung des HPLC-Systems.

Referenzkontrolle B: Wird zu Beginn und am Ende der Analysesequenz aufgenommen, um die Stabilität der Referenzkontrollen im Zeitverlauf zu verifizieren.

Referenzkontrolle C: Wird in die Analysesequenz aufgenommen, um zu verifizieren, dass das zur Lösung der Prüfchemikalie verwendete Lösungsmittel keinen Einfluss auf die prozentuale Peptid-Depletion hat.

B.60    IN-VITRO-HAUTSENSIBILISIERUNG: ARE-NRF2 LUCIFERASE-PRÜFMETHODE

EINLEITUNG

Diese Prüfmethode entspricht der OECD-Prüfrichtlinie 442D (2015). Ein Hautallergen ist gemäß Definition im Globalen Harmonisierten System zur Einstufung und Kennzeichnung von Chemikalien (GHS) der Vereinten Nationen (UN-GHS) (1) und der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen ( 46 ) (CLP) ein Stoff, der bei Hautkontakt eine allergische Reaktion auslöst. Diese Prüfmethode ist ein In-vitro-Verfahren (ARE-Nrf2 Luciferase-Test) zur Unterstützung der Unterscheidung zwischen Hautallergenen und Nichtsensibilisatoren gemäß UN-GHS (1) und CLP.

Es besteht allgemeines Einvernehmen über die der Hautsensibilisierung zugrunde liegenden biologischen Schlüsselvorgänge. Das vorhandene Wissen über die chemischen und biologischen Mechanismen im Zusammenhang mit der Hautsensibilisierung wurde in Form eines Adverse Outcome Pathway (AOP) (2) — vom molekularen auslösenden Vorgang über die dazwischen liegenden Vorgänge bis hin zur schädlichen Auswirkung auf die Gesundheit, z. B. allergische Kontaktdermatitis beim Menschen oder Kontakt-Überempfindlichkeit bei Nagetieren, — zusammengefasst (2) (3). Der molekulare auslösende Vorgang ist die kovalente Bindung von elektrophilen Stoffen an nukleophile Zentren in Hautproteinen. Der zweite Schlüsselvorgang in diesem AOP findet in den Keratinozyten statt und umfasst entzündliche Reaktionen sowie Genexpression in Verbindung mit spezifischen Zellsignalketten wie beispielsweise ARE (Antioxidant/Electrophile Response Element)-abhängigen Ketten. Der dritte Schlüsselvorgang ist die Aktivierung von dendritischen Zellen, die normalerweise durch Expression von spezifischen Zelloberflächenmarkern, Chemokinen und Cytokinen bewertet werden. Der vierte Schlüsselvorgang ist die T-Zellproliferation, die indirekt im Lokalen Lymphknotentest (LLNA) an der Maus (4) bewertet wird.

Die Bewertung der Hautsensibilisierung erfolgte normalerweise an Labortieren. Bei den klassischen Methoden an Meerschweinchen, dem Maximierungstest an Meerschweinchen (GMPT) nach Magnusson/Kligman und dem Bühler-Test (TM B.6 (5)), werden die Induktions- und die Auslösephase der Hautsensibilisierung untersucht. Ein Test an der Maus, der Lokale Lymphknotentest (LLNA) (TM B.42 (4)) sowie die beiden nicht radioaktiven Abwandlungen dieses Tests, LLNA: DA (TM B.50 (6)) und LLNA: BrdU-ELISA (TM B.51 (7)), bei denen jeweils nur die Induktionsreaktion bewertet wird, haben ebenfalls an Akzeptanz gewonnen, da sie sowohl in Bezug auf den Tierschutz als auch in Bezug auf die objektive Messung der Induktionsphase der Hautsensibilisierung Vorteile gegenüber Tests am Meerschweinchen bieten.

Vor Kurzem wurden mechanistisch basierte In-chemico- und In-vitro-Prüfmethoden für die Bewertung der Gefahr einer Hautsensibilisierung durch Chemikalien als wissenschaftlich fundiert befunden. Allerdings sind Methodenkombinationen ohne Tierversuche (in silico, in chemico, in vitro) im Rahmen von Integrierten Test- und Bewertungsansätzen (Integrated Approaches to Testing and Assessment, IATA) erforderlich, um die gegenwärtig verwendeten Tierversuche angesichts der eingeschränkten mechanistischen AOP-Abdeckung der gegenwärtig verfügbaren Prüfmethoden ohne Tierversuche vollständig zu ersetzen (2) (3).

Diese Prüfmethode (ARE-Nrf2 Luciferase-Test) wird für den unter Nummer 2 erläuterten zweiten Schlüsselvorgang vorgeschlagen. Es wurde berichtet, dass Hautallergene Gene induzieren können, die durch das Antioxidant Response Element (ARE) reguliert werden (8) (9). Kleinmolekulare elektrophile Stoffe wie beispielsweise Hautallergene können auf das Sensorprotein Keap1 (Kelch-like ECH-associated protein 1) einwirken, beispielsweise durch kovalente Modifizierung seines Cysteinrests, was zu einer Dissoziation vom Transkriptionsfaktor Nrf2 (nuclear factor-erythroid 2-related factor 2) führt. Das dissoziierte Nrf2 kann dann ARE-abhängige Gene wie beispielsweise jene, die Phase-II-Entgiftungsenzyme codieren, aktivieren (8) (10) (11).

Gegenwärtig ist der einzige In-vitro-ARE-Nrf2-Luciferase-Test, der durch diese Prüfmethode abgedeckt wird, der KeratinoSensTM-Test, für den Validierungsstudien abgeschlossen wurden (9) (12) (13), denen ein unabhängiger Peer-Review des Europäischen Referenzlabors für Alternativen zu Tierversuchen (European Union Reference Laboratory for Alternatives to Animal Testing, EURL ECVAM) folgte (14). Der KeratinoSensTM-Test wurde als aus wissenschaftlicher Sicht für die Anwendung als Teil eines IATA zulässig befunden, um die Unterscheidung zwischen Hautallergenen und Nichtsensibilisatoren im Hinblick auf die Gefahreneinstufung und -kennzeichnung zu unterstützen (14). Labors, die die Prüfmethode durchführen möchten, können die im KeratinoSensTM-Test verwendete rekombinante Zelllinie durch Abschluss einer Lizenzvereinbarung mit dem Entwickler der Prüfmethode erhalten (15).

Definitionen sind Anlage 1 zu entnehmen.

VORBEMERKUNGEN, ANWENDBARKEIT UND EINSATZGRENZEN

Da sich die Aktivierung der Keap1-Nrf2-ARE-Kette nur auf den zweiten Schlüsselvorgang des Hautsensibilisierungs-AOP bezieht, reichen Informationen aus Prüfmethoden auf der Grundlage der Aktivierung dieser Kette wahrscheinlich alleine nicht aus, um Schlussfolgerungen über das Hautsensibilisierungspotenzial von Chemikalien zu ziehen. Daher sollten die mit der gegenwärtigen Prüfmethode ermittelten Daten im Rahmen integrierter Ansätze, wie z. B. IATA, betrachtet und mit anderen ergänzenden Informationen, die beispielsweise aus In-vitro-Tests in Bezug auf andere Schlüsselvorgänge des Hautsensibilisierungs-AOP abgeleitet werden, sowie anderen Nicht-Prüfmethoden, einschließlich chemischer Analogien, kombiniert werden. Beispiele für die Verwendung der ARE-Nrf2-Luciferase-Prüfmethode in Kombination mit anderen Informationen werden in der Literatur beschrieben (13) (16) (17) (18) (19).

Diese Prüfmethode kann zur Unterstützung der Unterscheidung zwischen Hautallergenen (d. h. UN-GHS/CLP-Kategorie 1) und Nichtsensibilisatoren im Rahmen eines IATA eingesetzt werden. Diese Prüfmethode kann alleine weder zur Einstufung von Hautallergenen in die Unterkategorien 1A und 1B gemäß Definition in UN-GHS/CLP noch zur Vorhersage der Potenz im Rahmen von Sicherheitsbewertungsentscheidungen verwendet werden. Jedoch kann ein positives Ergebnis je nach Rechtsrahmen alleine zur Einstufung einer Chemikalie in die UN-GHS/CLP-Kategorie 1 herangezogen werden.

Die Daten aus der Validierungsstudie und den internen Prüfungen im Rahmen des unabhängigen Peer-Review der Prüfmethode haben ergeben, dass der KeratinoSensTM-Test an Labors mit Erfahrung auf dem Gebiet der Zellkultur übertragen werden kann. Der Grad der Reproduzierbarkeit, der bei der Prüfmethode erwartet werden kann, liegt in der Größenordnung von 85 % innerhalb und zwischen Labors (14). Die Genauigkeit (77 % — 155/201), Empfindlichkeit (78 % – 71/91) und Spezifität (76 % – 84/110) des KeratinoSensTM-Tests für die Unterscheidung zwischen Hautallergenen (d. h. UN-GHS/CLP-Kat. 1) und Nichtsensibilisatoren wurden unter Berücksichtigung aller Daten, die vom EURL ECVAM für die Bewertung und das Peer-Review der Prüfmethode vorgelegt wurden, im Vergleich zu den LLNA-Ergebnissen ermittelt (14). Diese Zahlen sind vergleichbar mit den Zahlen, die kürzlich basierend auf internen Prüfungen von ungefähr 145 Stoffen veröffentlicht wurden (Genauigkeit 77 %, Empfindlichkeit 79 %, Spezifität 72 %) (13). Beim KeratinoSensTM-Test ist die Wahrscheinlichkeit einer Unterschätzung bei Chemikalien mit geringer bis mittlerer Hautsensibilisierungspotenz (d. h. UN-GHS/CLP-Unterkategorie 1B) größer als bei Chemikalien mit hoher Hautsensibilisierungspotenz (d. h. UN-GHS/CLP-Unterkategorie 1A) (13) (14). Insgesamt deuten diese Informationen auf die Zweckmäßigkeit des KeratinoSensTM-Tests für die Erkennung der Gefahr einer Hautsensibilisierung hin. Jedoch sind die Genauigkeitswerte, die hier für den KeratinoSensTM-Test als eigenständiger Test angegeben werden, lediglich als Anhaltspunkte zu betrachten, da die Prüfmethode in Kombination mit anderen Informationsquellen im Rahmen eines IATA sowie gemäß den Bestimmungen unter Nummer 9 oben betrachtet werden sollte. Darüber hinaus sollte bei der Bewertung von Prüfmethoden zur Hautsensibilisierung ohne Tierversuche beachtet werden, dass der LLNA sowie andere Tierversuche die Situation bei der untersuchten Spezies, d. h. Menschen, nicht vollständig widerspiegeln.

Der Begriff „Prüfchemikalie“ bezeichnet bei dieser Prüfmethode das, was getestet wird, und bezieht sich nicht auf die Anwendbarkeit der ARE-Nrf2-Luciferase-Prüfmethode hinsichtlich der Prüfung von Stoffen und/oder Gemischen. Auf der Grundlage der gegenwärtig verfügbaren Daten über den KeratinoSensTM-Test wurde nachgewiesen, dass der Test bei Prüfchemikalien, die eine Vielzahl an organischen Funktionsgruppen, Reaktionsmechanismen, Hautsensibilisierungspotenzen (wie in In-vivo-Studien festgestellt) und physikalisch-chemischen Eigenschaften abdecken, anwendbar ist (9) (12) (13) (14). Es wurden zwar hauptsächlich einkomponentige Stoffe getestet, jedoch liegen auch begrenzte Daten über die Prüfung von Gemischen vor (20). Die Prüfmethode ist dennoch für die Prüfung von mehrkomponentigen Stoffen und Gemischen technisch geeignet. Bevor diese Prüfmethode jedoch für die Generierung von Daten für einen bestimmten Regelungszweck verwendet wird, sollte geprüft werden, ob sie für den beabsichtigten Zweck angemessene Ergebnisse liefert, und wenn dem so ist, warum. Diese Überlegungen erübrigen sich, sofern die Durchführung von Tests für das Gemisch gesetzlich vorgeschrieben ist. Zudem sollte bei mehrkomponentigen Stoffen oder Gemischen die mögliche Interferenz der zytotoxischen Komponenten mit den beobachteten Reaktionen beachtet werden. Die Prüfmethode ist bei löslichen Prüfchemikalien oder solchen Prüfchemikalien anwendbar, die eine stabile Dispersion (d. h. ein Kolloid oder eine Suspension, worin sich die Prüfchemikalie nicht absetzen oder in anderen Phasen vom Lösungsmittel trennen kann) in Wasser oder DMSO (einschließlich aller technischen Komponenten im Falle der Prüfung eines mehrkomponentigen Stoffs oder Gemischs) bilden. Prüfchemikalien, die diese Bedingungen bei der höchsten erforderlichen Konzentration von 2 000  μM (siehe Nummer 22) nicht erfüllen, können trotzdem bei niedrigeren Konzentrationen geprüft werden. In einem solchen Fall könnten Ergebnisse, die die unter Nummer 39 beschriebenen Bedingungen für die Positivität erfüllen, dennoch unterstützend zur Identifizierung der Prüfchemikalie als Hautallergen herangezogen werden, während ein negatives Ergebnis, das bei Konzentrationen < 1 000  μM erzielt wird, als nicht aussagekräftig zu betrachten ist (siehe Vorhersagemodell unter Nummer 39). Im Allgemeinen wurden Stoffe mit einem LogP-Wert bis 5 erfolgreich geprüft, während extrem hydrophobe Stoffe mit LogP > 7 außerhalb der bekannten Anwendbarkeit der Prüfmethode liegen (14). Für Stoffe mit einem LogP-Wert zwischen 5 und 7 liegen nur beschränkte Informationen vor.

Negative Ergebnisse sind mit Vorsicht auszulegen, da Stoffe mit ausschließlicher Reaktivität gegenüber Lysinresten durch die Prüfmethode als negativ erkannt werden können. Außerdem können Prohaptene (d. h. Chemikalien, die beispielsweise über P450-Enzyme aktiviert werden müssen) und Prähaptene (d. h. Chemikalien, die durch Selbstoxidation aktiviert werden) aufgrund der begrenzten Stoffwechselfähigkeit der verwendeten Zelllinie (21) sowie der Versuchsbedingungen, insbesondere bei geringer Oxidationsgeschwindigkeit, zu negativen Ergebnissen führen. Andererseits können Prüfchemikalien, die zwar nicht als Allergene, aber dennoch als chemische Stressoren wirken, zu falschen positiven Ergebnissen führen (14). Zudem lassen sich hochgradig zytotoxische Prüfchemikalien nicht immer zuverlässig bewerten. Schließlich können Prüfchemikalien, die mit dem Luciferase-Enzym interferieren, die Aktivität der Luciferase in zellbasierten Tests stören, was entweder zu scheinbarer Hemmung oder verstärkter Lumineszenz führt (22). Beispielweise wurde berichtet, dass Phytoöstrogenkonzentrationen > 1 μM die Lumineszenzsignale in anderen auf Luciferase basierenden Reporter-Gen-Tests aufgrund der Überaktivierung des Luciferase-Reporter-Gens stören (23). Infolgedessen muss die Luciferase-Expression, die bei hohen Konzentrationen von Phytoöstrogenen oder ähnlichen Chemikalien, die vermutlich eine mit Phytoöstrogen vergleichbare Überaktivierung des Luciferase-Reporter-Gens bewirken, sorgfältig untersucht werden (23). In Fällen, in denen die Nichtanwendbarkeit der Prüfmethode bei anderen spezifischen Kategorien von Prüfchemikalien nachgewiesen werden kann, sollte die Prüfmethode bei diesen spezifischen Kategorien nicht verwendet werden.

Abgesehen von der Unterstützung bei der Unterscheidung zwischen Hautallergenen und Nichtsensibilisatoren liefert der KeratinoSensTM-Test auch Konzentrations-/Wirkungs-Informationen, die potenziell zur Bewertung der Sensibilisierungspotenz bei Verwendung in integrierten Ansätzen wie beispielsweise IATA beitragen können (19). Darüber hinaus sind weitere Untersuchungen, vorzugsweise auf der Grundlage verlässlicher Humandaten, notwendig, um herauszufinden, inwieweit die Ergebnisse des KeratinoSensTM-Tests zur Potenzbewertung (24) und Einstufung von Allergenen in Unterkategorien gemäß UN-GHS/CLP beitragen können.

TESTPRINZIP

Die ARE-Nrf2-Luciferase-Prüfmethode basiert auf einer immortalisierten, adhärenten Zelllinie, die aus humanen und mit einem wählbaren Plasmid stabil transfizierten HaCaT-Keratinozyten abgeleitet wurde. Die Zelllinie enthält das Luciferase-Gen unter der transkriptionalen Kontrolle eines konstitutiven Promoters, verschmolzen mit einem ARE-Element aus einem Gen, das bekanntermaßen durch Kontaktsensibilisatoren hochreguliert wird (25) (26). Das Luciferase-Signal spiegelt die Aktivierung durch Sensibilisatoren der endogenen Nrf2-abhängigen Gene wider, wobei die Abhängigkeit des Luciferase-Signals in der rekombinanten Zelllinie von Nrf2 nachgewiesen wurde (27). Dies ermöglicht die quantitative Messung (durch Lumineszenzerkennung) der Luciferase-Geninduktion unter Verwendung von bekannten lichterzeugenden Luciferase-Substraten als Indikator für die Aktivität des Nrf2-Transkriptionsfaktors in Zellen nach Exposition gegenüber elektrophilen Stoffen.

Prüfchemikalien werden im KeratinoSens™-Test als positiv angesehen, wenn sie eine statistisch signifikante Induktion der Luciferase-Aktivität oberhalb einer gegebenen Schwelle (d. h. > 1,5-facher Wert oder Anstieg um 50 %) bewirken, und zwar unterhalb einer festgelegten Konzentration, die sich nicht signifikant auf die Zellviabilität auswirkt (d. h. unter 1 000  μM und bei einer Konzentration, bei der die Zellviabilität mehr als 70 % beträgt (9) (12)). Zu diesem Zweck wird die maximal-fache Induktion der Luciferase-Aktivität über eine (Negativ-)Lösungsmittel-Kontrolle (Imax) bestimmt. Da die Zellen ferner verschiedenen Konzentrationen der Prüfchemikalien ausgesetzt werden, sollte die erforderliche Konzentration für eine statistisch signifikante Induktion der Luciferase-Aktivität oberhalb der Schwelle (d. h. EC1.5-Wert) aus der Dosis-Wirkungs-Kurve interpoliert werden (für Berechnungen siehe Nummer 32). Schließlich sollten parallele zytotoxische Messungen durchgeführt werden, um zu bewerten, ob die Induktionswerte der Luciferase-Aktivität bei subzytotoxischen Konzentrationen auftreten.

Vor der routinemäßigen Anwendung des ARE-Nrf2-Luciferase-Tests, der den Anforderungen der vorliegenden Prüfmethode genügt, sollte die technische Leistungsfähigkeit der Labors anhand der in Anlage 2 aufgeführten zehn Leistungsstoffe nachgewiesen werden.

Es stehen Leistungsnormen (28) zur Verfügung, die die Validierung neuer oder geänderter In-vitro-ARE-Nrf2-Luciferase-Prüfmethoden ähnlich dem KeratinoSens™-Test sowie die rechtzeitige Anpassung dieser Prüfmethoden für deren Einbeziehung ermöglichen. Die gegenseitige Anerkennung der Daten gemäß dem OECD-Übereinkommen wird nur für Prüfmethoden garantiert, die gemäß diesen Leistungsnormen validiert wurden, sofern diese Prüfmethoden von der OECD überprüft und in die entsprechende Prüfrichtlinie aufgenommen wurden.

VERFAHREN

Gegenwärtig ist die einzige unter diese Prüfmethode fallende Methode der wissenschaftlich validierte KeratinoSensTM-Test (9) (12) (13) (14). Es liegen Standardarbeitsanweisungen für den KeratinoSensTM-Test vor, die bei der Umsetzung und Verwendung dieser Prüfmethode im Labor angewendet werden sollten (15). Labors, die die Prüfmethode durchführen möchten, können die im KeratinoSensTM-Test verwendete rekombinante Zelllinie durch Abschluss einer Lizenzvereinbarung mit dem Entwickler der Prüfmethode erhalten. Nachfolgend werden die Hauptkomponenten und Verfahren der ARE-Nrf2-Luciferase-Prüfmethode beschrieben.

Vorbereitung der Keratinozytenkulturen

Es sollte eine transgene Zelllinie mit einer stabilen Insertion des Luciferase-Reporter-Gens unter der Kontrolle des ARE-Elements verwendet werden (z. B. KeratinoSens™-Zelllinie). Bei Erhalt werden die Zellen propagiert (z. B. 2 bis 4 Passagen) und als homogener Stamm eingefroren aufbewahrt. Zellen aus diesem ursprünglichen Stamm können bis zu einer Höchstzahl von Passagen (z. B. 25 im Fall von KeratinoSensTM) propagiert und für routinemäßige Tests unter Verwendung des geeigneten Trägermediums eingesetzt werden (im Fall von KeratinoSensTM ist dies serum- und Geneticin-haltiges DMEM).

Für die Prüfung sollten die Zellen zu 80 bis 90 % konfluent sein, und es sollte darauf geachtet werden, dass die Zellen nicht zu vollständiger Konfluenz zusammengewachsen sind. Einen Tag vor der Prüfung werden die Zellen gewonnen und in 96-Mulden-Platten (10 000 Zellen/Mulde im Fall von KeratinoSensTM) verteilt. Eine Sedimentation der Zellen bei der Beimpfung ist zu vermeiden, um eine homogene quantitative Verteilung der Zellen in den Mulden zu gewährleisten. Ist dies nicht der Fall, kann dieser Schritt zu einer hohen Variabilität zwischen den Mulden führen. Bei jeder Wiederholung werden drei Replikate für die Messungen der Luciferase-Aktivität und ein paralleles Replikat für den Zellviabilitätstest verwendet.

Vorbereitung der Prüfchemikalie und Kontrollstoffe

Die Prüfchemikalie sowie die Kontrollstoffe werden am Tag der Prüfung vorbereitet. Für den KeratinoSensTM-Test werden die Prüfchemikalien in Dimethylsulfoxid (DMSO) bis zur gewünschten Endkonzentration gelöst (z. B. 200 mM). Die DMSO-Lösungen können als selbststerilisierend angesehen werden, sodass keine sterile Filtration erforderlich ist. Prüfchemikalien, die nicht in DMSO löslich sind, werden in sterilem Wasser oder Kulturmedium gelöst und die Lösungen beispielsweise durch Filtration sterilisiert. Bei einer Prüfchemikalie ohne festgelegtes Molekulargewicht wird im KeratinoSensTM-Test eine Stammlösung mit einer Standardkonzentration hergestellt (40 mg/ml oder 4 % (w/v)). Falls andere Lösungsmittel als DMSO, Wasser oder Kulturmedium zum Einsatz kommen, sollten ausreichende wissenschaftliche Gründe vorgelegt werden.

Basierend auf den DMSO-Stammlösungen der Prüfchemikalie werden Verdünnungsreihen unter Verwendung von DMSO hergestellt, um 12 Hauptkonzentrationen der zu prüfenden Chemikalie zu erhalten (von 0,098 bis 200 mM im KeratinoSensTM-Test). Bei einer nicht in DMSO löslichen Prüfchemikalie werden die Verdünnungen zum Erhalt der Hauptkonzentrationen unter Verwendung von sterilem Wasser oder Kulturmedium hergestellt. Unabhängig vom verwendeten Lösungsmittel werden die Hauptkonzentrationen dann weiter 25-fach im serumhaltigen Kulturmedium verdünnt und schließlich für die Behandlung mit einem weiteren 4-fachen Verdünnungsfaktor verwendet, sodass die Endkonzentrationen der geprüften Chemikalie im KeratinoSensTM-Test zwischen 0,98 und 2 000  μM liegen. Andere Konzentrationen können verwendet werden, sofern dies gerechtfertigt ist (z. B. bei Zytotoxizität oder schlechter Löslichkeit).

Die Negativ-(Lösungsmittel-)Kontrolle, die im KeratinoSensTM-Test verwendet wird, ist DMSO (CAS Nr. 67-68-5, ≥ 99 % Reinheit), wobei sechs Mulden pro Platte vorbereitet werden. Dabei werden die gleichen Verdünnungen wie für die Hauptkonzentrationen unter Nummer 22 hergestellt, sodass die Endkonzentration der Negativ-(Lösungsmittel-)Kontrolle 1 % beträgt. Diese Konzentration wirkt sich bekanntermaßen nicht auf die Zellviabilität aus und entspricht der DMSO-Konzentration in der geprüften Chemikalie und der Positivkontrolle. Bei einer nicht in DSMO löslichen Chemikalie, bei der Verdünnungen in Wasser hergestellt wurden, muss der DMSO-Wert in allen Mulden der endgültigen Prüflösung wie bei den anderen Prüfchemikalien und Kontrollstoffen an 1 % angepasst werden.

Die Positivkontrolle, die im Fall des KeratinoSensTM-Tests verwendet ist, ist Zimtaldehyd (CAS Nr. 14371-10-9, ≥ 98 % Reinheit), wobei eine Reihe von 5 Hauptkonzentrationen zwischen 0,4 und 6,4 mM in DMSO (ausgehend von einer Stammlösung mit 6,4 mM) hergestellt und wie für die Hauptkonzentrationen unter Nummer 22 beschrieben verdünnt wird, sodass die Endkonzentrationen der Positivkontrolle zwischen 4 und 64 μM liegen. Andere geeignete Positivkontrollen, vorzugsweise mit EC1,5-Werten im mittleren Bereich, können verwendet werden, sofern historische Daten vorliegen, aus denen vergleichbare Versuchsakzeptanzkriterien abgeleitet werden können.

Applikation der Prüfchemikalie und Kontrollstoffe

Für jede Prüfchemikalie und jeden Positivkontrollstoff ist ein Versuch erforderlich, um eine Vorhersage (positiv oder negativ), bestehend aus mindestens zwei unabhängigen Wiederholungen mit je drei Replikaten (d. h. n = 6), abzuleiten. Weichen die Ergebnisse zwischen den beiden unabhängigen Wiederholungen ab, sollte eine dritte Wiederholung mit drei Replikaten (d. h. n = 9) durchgeführt werden. Jede unabhängige Wiederholung wird an einem anderen Tag mit einer frischen Stammlösung der Prüfchemikalie und unabhängig voneinander gewonnenen Zellen vorgenommen. Die Zellen können jedoch aus derselben Passage stammen.

Nach der Beimpfung wie unter Nummer 20 beschrieben lässt man die Zellen 24 Stunden in den 96-Mulden-Mikrotiterplatten wachsen. Das Medium wird dann entfernt und durch frisches Kulturmedium (150 μl serumhaltiges Kulturmedium, jedoch ohne Geneticin im Fall von KeratinoSensTM) ersetzt, dem 50 μl der 25-fach verdünnten Prüfchemikalie und Kontrollstoffe zugegeben werden. Mindestens eine Mulde pro Platte sollte zur Bewertung der Background-Werte leer gelassen werden (ohne Zellen und Behandlung).

Die behandelten Platten werden im KeratinoSensTM-Test ungefähr 48 Stunden bei 37±1 1 °C in der Gegenwart von 5 % CO2 inkubiert. Es ist darauf zu achten, dass eine Verdunstung der flüchtigen Prüfchemikalien sowie eine Kreuzkontamination zwischen Mulden durch die Prüfchemikalien vermieden wird, indem die Platten beispielsweise vor der Inkubation mit den Prüfchemikalien mit einer Folie abgedeckt werden.

Messungen der Luciferase-Aktivität

Zur Gewährleistung angemessener Lumineszenz-Messwerte sind drei Faktoren entscheidend:

 Wahl eines empfindlichen Luminometers

 Verwendung eines Plattenformats mit ausreichender Höhe zur Vermeidung einer Kreuzkontamination

 Verwendung eines Luciferase-Substrats mit ausreichender Lichtausbeute zur Gewährleistung einer hinreichenden Empfindlichkeit und geringen Variabilität.

Vor der Prüfung sollte ein Kontrollversuch wie in Anlage 3 beschrieben durchgeführt werden, um sicherzustellen, dass die drei genannten Bedingungen erfüllt sind.

Nach einer Expositionsdauer von 48 Stunden mit der Prüfchemikalie und den Kontrollstoffen im KeratinoSensTM-Test werden die Zellen mit einer phosphatgepufferten Kochsalzlösung gewaschen. Ferner wird jeder Mulde der relevante Lysepuffer für Lumineszenzmessungen 20 Minuten bei Zimmertemperatur hinzugefügt.

Die Platten mit dem Zelllysat werden dann zur Messung in das Luminometer gestellt, das im KeratinoSensTM-Test wie folgt programmiert wird: i) Hinzufügen des Luciferase-Substrats zu jeder Mulde (d. h. 50 μl), ii) Abwarten von 1 Sekunde und iii) Integration der Luciferase-Aktivität für 2 Sekunden. Bei Verwendung anderer Einstellungen, z. B. je nach verwendetem Luminometermodell, sollten diese begründet werden. Darüber hinaus kann auch ein Glimmsubstrat verwendet werden, sofern der in Anlage 3 beschriebene Qualitätssicherungsversuch erfolgreich durchgeführt wird.

Bewertung der Zytotoxizität

Für den KeratinoSensTM-Zellviabilitätstest wird das Medium nach der Expositionsdauer von 48 Stunden durch frisches Medium ersetzt. Dieses Medium enthält MTT (3-(4,5-Dimethylthiazol-2-yl)-2,5-Diphenyltetrazoliumbromid, Thiazolylblau Tetrazoliumbromid; CAS Nr. 298-93-1) und Zellen, die 4 Stunden bei 37 1 °C in der Gegenwart von 5 % CO2 inkubiert wurden. Das MTT-Medium wird dann entfernt und die Zellen werden über Nacht lysiert (z. B. durch Hinzufügen von 10 %iger SDS-Lösung zu jeder Mulde). Nach dem Schütteln wird die Absorption bei 600 nm mit einem Photometer gemessen.

DATEN UND BERICHTERSTATTUNG

Datenauswertung

Die folgenden Parameter werden im KeratinoSensTM-Test berechnet:

 durchschnittliche maximal-fache Induktion der Luciferase-Aktivität (Imax), die bei jeder Konzentration der geprüften Chemikalie und Positivkontrolle beobachtet wurde;

 EC1,5-Wert entsprechend der Konzentration, bei der die Induktion der Luciferase-Aktivität über der 1,5-fachen Schwelle liegt (d. h. um 50 % verstärkte Luciferase-Aktivität wurde erzielt); und

 IC50- und IC30-Konzentrationswerte für eine Verringerung der Zellviabilität um 50 % und 30 %.

 Die n-fache Induktion der Luciferase-Aktivität wird durch Gleichung 1 und die allgemeine maximal-fache Induktion (Imax) als Durchschnitt der einzelnen Wiederholungen berechnet.

Gleichung 1:

image

Dabei sind:

LProbe

:

Lumineszenz-Messwert in der Prüfchemikalien-Mulde

LLeer

:

Lumineszenz-Messwert in der leeren Mulde (ohne Zellen und Behandlung)

LLösungsmittel

:

durchschnittlicher Lumineszenz-Messwert in den Mulden, die Zellen und (Negativ-)Lösungsmittel-Kontrolle enthalten

EC1,5 wird durch lineare Interpolation anhand von Gleichung 2 und der EC1,5-Gesamtwert als geometrisches Mittel der einzelnen Wiederholungen berechnet.

Gleichung 2:

image

Dabei sind:

Ca

:

niedrigste Konzentration in μM bei > 1,5-facher Induktion

Cb

:

höchste Konzentration in μM bei < 1,5-facher Induktion

Ia

:

n-fache Induktion, gemessen bei der niedrigsten Konzentration bei > 1,5-facher Induktion (Mittel von drei Replikat-Mulden)

Ib

:

n-fache Induktion, gemessen bei der höchsten Konzentration bei < 1,5-facher Induktion (Mittel von drei Replikat-Mulden)

Die Viabilität wird durch Gleichung 3 berechnet:

Gleichung 3:

image

Dabei sind:

VProbe

:

MTT-Absorptions-Messwert in der Prüfchemikalien-Mulde

Vleer

:

MTT-Absorptions-Messwert in der leeren Mulde (ohne Zellen und Behandlung)

VLösungsmittel

:

durchschnittlicher MTT-Absorptions-Messwert in den Mulden, die Zellen und (Negativ-)Lösungsmittel-Kontrolle enthalten

IC50 und IC30 werden durch lineare Interpolation anhand von Gleichung 4 und die IC50- und IC30-Gesamtwerte als geometrisches Mittel der einzelnen Wiederholungen berechnet.

Gleichung 4:

image

Dabei sind:

X

:

prozentuale Verringerung bei der zu berechnenden Konzentration (50 und 30 bei IC50 und IC30)

Ca

:

niedrigste Konzentration in μM bei > x % Verringerung der Viabilität

Cb

:

höchste Konzentration in μM bei < x % Verringerung der Viabilität

Va

:

prozentuale Viabilität bei der niedrigsten Konzentration bei > x % Verringerung der Viabilität

Vb

:

prozentuale Viabilität bei der höchsten Konzentration bei < x % Verringerung der Viabilität

Für jede Konzentration, bei der die Induktion der Luciferase-Aktivität mehr als das 1,5-fache beträgt, wird die statistische Signifikanz berechnet (z. B. durch einen zweiseitigen Student-t-Test), wobei die Lumineszenzwerte für die drei Replikate mit den Lumineszenzwerten in den Mulden der (Negativ-)Lösungsmittel-Kontrolle verglichen werden, um zu ermitteln, ob die Induktion der Luciferase-Aktivität statistisch signifikant ist (p < 0,05). Die niedrigste Konzentration, bei der die Induktion der Luciferase-Aktivität mehr als das 1,5-fache beträgt, ist der Wert zur Bestimmung des EC1,5-Werts. Es wird in jedem Fall geprüft, ob dieser Wert unter dem IC30-Wert liegt, was darauf hindeutet, dass die Verringerung der Zellviabilität bei der bestimmenden Konzentration für den EC1,5-Wert weniger als 30 % beträgt.

Es wird empfohlen, die Daten anhand von Diagrammen visuell zu überprüfen. Wenn keine eindeutige Dosis-Wirkungs-Kurve beobachtet wird oder wenn die ermittelte Dosis-Wirkungs-Kurve pfadspezifisch ist (d. h. die Schwelle von 1,5 zweimal überschritten wird), sollte der Versuch wiederholt werden, um zu prüfen, ob dies für die Prüfchemikalie spezifisch oder auf einen Versuchsartefakt zurückzuführen ist. Falls die biphasige Wirkung in einem unabhängigen Versuch reproduziert werden kann, ist der niedrigere EC1,5-Wert (Konzentration, bei der die Schwelle von 1,5 erstmalig überschritten wird) anzugeben.

In den seltenen Fällen, in denen eine statistisch nicht signifikante Induktion über dem 1,5-fachen gefolgt von einer höheren Konzentration mit einer statistisch signifikanten Induktion beobachtet wird, werden die Ergebnisse aus dieser Wiederholung nur dann als gültig und positiv angesehen, wenn die statistisch signifikante Induktion über der Schwelle von 1,5 bei einer nicht zytotoxischen Konzentration ermittelt wurde.

Bei Prüfchemikalien, die bereits bei der niedrigsten Testkonzentration von 0,98 μM eine 1,5-fache oder höhere Induktion erzeugen, wird der EC1,5-Wert < 0,98 basierend auf der visuellen Überprüfung der Dosis-Wirkungs-Kurve festgelegt.

Akzeptanzkriterien

Bei der Verwendung des KeratinoSensTM-Tests sollten die folgenden Akzeptanzkriterien erfüllt werden. Erstens sollte die Induktion der Luciferase-Aktivität, die bei der Positivkontrolle (Zimtaldehyd) erzeugt wird, bei mindestens einer der geprüften Konzentrationen (4 bis 64 μM) statistisch signifikant über der Schwelle von 1,5 (z. B. bei Verwendung eines T-Tests) liegen.

Zweitens sollte der EC1,5-Wert innerhalb von zwei Standardabweichungen vom historischen Mittelwert der Prüfanstalt liegen (z. B. zwischen 7 μM und 30 μM basierend auf dem Validierungsdatensatz), der regelmäßig aktualisiert werden sollte. Darüber hinaus sollte die durchschnittliche Induktion in den drei Replikaten für Zimtaldehyd bei 64 μM zwischen 2 und 8 liegen. Ist letzteres Kriterium nicht erfüllt, sollte die Dosis-Wirkung von Zimtaldehyd sorgfältig überprüft werden. Tests sind nur dann akzeptabel, wenn die Dosis-Wirkungs-Beziehung eindeutig ist, wobei die Induktion der Luciferase-Aktivität bei zunehmenden Konzentrationen in der Positivkontrolle ansteigt.

Schließlich sollte der durchschnittliche Variationskoeffizient des Lumineszenz-Messwerts für die Negativ-(Lösungsmittel-)Kontrolle (DMSO) bei jeder Wiederholung, bestehend aus 6 dreifach geprüften Mulden, unter 20 % liegen. Liegt die Variabilität über diesem Wert, sollten die Ergebnisse ignoriert werden.

Interpretation der Ergebnisse und Vorhersagemodell

Eine KeratinoSensTM-Vorhersage wird als positiv betrachtet, wenn die folgenden vier Bedingungen alle bei 2 von 2 oder bei denselben 2 von 3 Wiederholungen erfüllt sind. Andernfalls wird die KeratinoSensTM-Vorhersage als negativ erachtet (Abbildung 1):

1. Imax ist größer als (>) der 1,5-fache Wert und statistisch signifikant abweichend im Vergleich zur (Negativ-)Lösungsmittel-Kontrolle (wie durch einen zweiseitigen, unpaarigen Student-T-Test bestimmt);

2. die Zellviabilität ist größer als (>) 70 % der niedrigsten Konzentration mit Induktion von Luciferase-Aktivität über dem 1,5-fachen Wert (d. h. bei bestimmender Konzentration für den EC1,5-Wert);

3. der EC1,5-Wert ist kleiner als (<) 1 000  μM (oder < 200 μg/ml bei Prüfchemikalien ohne festgelegtes Molekulargewicht);

4. es besteht eine augenscheinliche allgemeine Dosis-Wirkungs-Beziehung für die Induktion der Luciferase-Aktivität (oder eine biphasige Wirkung wie unter Nummer 33 erwähnt).

Wenn bei einer gegebenen Wiederholung die ersten drei Bedingungen erfüllt sind, jedoch keine eindeutige Dosis-Wirkungs-Beziehung für die Induktion der Luciferase-Aktivität beobachtet werden kann, ist das Ergebnis dieser Wiederholung als nicht aussagekräftig anzusehen, sodass eventuell weitere Prüfungen erforderlich sind (Abbildung 1). Zudem ist ein negatives Ergebnis bei Konzentrationen < 1 000  μM (oder < 200 μg/ml bei Prüfchemikalien ohne festgelegtes Molekulargewicht) ebenfalls als nicht aussagekräftig zu betrachten (siehe Nummer 11).

Abbildung 1

Vorhersagemodell des KeratinoSensTM-Tests. Eine KeratinoSensTM-Vorhersage sollte im Rahmen eines IATA sowie gemäß den Nummern 9 und 11 in Betracht gezogen werden

image

In seltenen Fällen können Prüfchemikalien, bei denen die Induktion der Luciferase-Aktivität sehr nahe bei zytotoxischen Werten erfolgt, in einigen Wiederholungen bei nicht zytotoxischen Werten (d. h. bestimmende Konzentration für den EC1,5-Wert unter (<) IC30) und in anderen Wiederholungen nur bei zytotoxischen Werten (d. h. bestimmende Konzentration für den EC1,5-Wert größer als (>) IC30) positiv sein. Solche Prüfchemikalien sind erneut im Rahmen einer sehr genauen Dosis-Wirkungs-Analyse unter Verwendung eines geringeren Verdünnungsfaktors (z. B. 1,33 oder Ö2 (= 1,41)-fache Verdünnung zwischen Mulden) zu prüfen, um festzustellen, ob die Induktion bei zytotoxischen Werten aufgetreten ist oder nicht (9).

Prüfbericht

Der Prüfbericht muss folgende Angaben enthalten:

Prüfchemikalie

 Einkomponentiger Stoff:

 

 chemische Bezeichnung, wie z. B. IUPAC- oder CAS Bezeichnung(en), CAS-Nummer(n), SMILES- oder InChI-Code, Strukturformel und/oder andere Kennungen;

 physikalisches Erscheinungsbild, Löslichkeit in Wasser, Löslichkeit in DMSO, Molekulargewicht und weitere relevante physikalisch-chemische Eigenschaften, sofern verfügbar;

 Reinheit, chemische Zusammensetzung von Verunreinigungen, soweit zutreffend und praktisch durchführbar, usw.;

 Behandlung vor der Testung, soweit zutreffend (z. B. Erwärmung, Zerkleinerung);

 geprüfte Konzentration(en);

 Lagerbedingungen und Stabilität, soweit verfügbar.

 Mehrkomponentiger Stoff, UVCB-Stoff und Gemisch:

 

 Charakterisierung, so weit wie möglich, z. B. durch die chemische Zusammensetzung (siehe oben), Reinheit, das quantitative Vorkommen und die relevanten physikalisch-chemischen Eigenschaften (siehe oben) der einzelnen Komponenten, soweit verfügbar;

 physikalisches Erscheinungsbild, Löslichkeit in Wasser, Löslichkeit in DMSO und weitere relevante physikalisch-chemische Eigenschaften, sofern verfügbar;

 Molekulargewicht oder scheinbares Molekulargewicht im Fall von Gemischen/Polymeren mit bekannter Zusammensetzung oder andere für die Durchführung der Studie relevante Informationen;

 Behandlung vor der Testung, soweit zutreffend (z. B. Erwärmung, Zerkleinerung);

 geprüfte Konzentration(en);

 Lagerbedingungen und Stabilität, soweit verfügbar.

Kontrollen

 Positivkontrolle:

 

 Chemische Bezeichnung, wie z. B. IUPAC- oder CAS Bezeichnung(en), CAS-Nummer(n), SMILES- oder InChI-Code, Strukturformel und/oder andere Kennungen;

 physikalisches Erscheinungsbild, Löslichkeit in Wasser, Löslichkeit in DMSO, Molekulargewicht und weitere relevante physikalisch-chemische Eigenschaften, sofern verfügbar und falls zutreffend;

 Reinheit, chemische Zusammensetzung von Verunreinigungen, soweit zutreffend und praktisch durchführbar, usw.;

 Behandlung vor der Testung, soweit zutreffend (z. B. Erwärmung, Zerkleinerung);

 geprüfte Konzentration(en);

 Lagerbedingungen und Stabilität, soweit verfügbar;

 ggf. Verweis auf historische Ergebnisse von Positivkontrollen, die geeignete Akzeptanzkriterien für einen Testdurchlauf dokumentieren.

 Negativ-(Vehikel-)Kontrolle:

 

 Chemische Kennung, wie beispielsweise IUPAC- oder CAS-Bezeichnung(en), CAS-Nummer(n) und/oder sonstige Kennungen;

 Reinheit, chemische Zusammensetzung von Verunreinigungen, soweit zutreffend und praktisch durchführbar, usw.;

 physikalisches Erscheinungsbild, Molekulargewicht und weitere relevante physikalisch-chemische Eigenschaften, falls andere als die in dieser Prüfmethode genannten Negativkontrollen/Vehikel verwendet werden, und sofern verfügbar;

 Lagerbedingungen und Stabilität, soweit verfügbar;

 Begründung der Auswahl des Lösungsmittels für jede Prüfchemikalie.

Prüfbedingungen

 Name und Anschrift des Auftraggebers, der Prüfanstalt und des Studienleiters;

 Beschreibung der angewandten Prüfmethode;

 verwendete Zelllinie, zugehörige Lagerbedingungen und Quelle (z. B. Einrichtung, von der sie gewonnen wurden);

 Passagenzahl und Konfluenzwert der geprüften Zellen;

 angewandte Zellzählungsmethode bei der Beimpfung vor der Prüfung und ergriffene Maßnahmen zur Gewährleistung einer homogenen quantitativen Verteilung der Zellen (siehe Nummer 20);

 verwendetes Luminometer (z. B. Modell), einschließlich Geräteeinstellungen, verwendetes Luciferase-Substrat und Nachweis geeigneter Lumineszenzmessungen basierend auf der in Anlage 3 beschriebenen Kontrollprüfung;

 angewandtes Verfahren zum Nachweis der Leistungsfähigkeit des Labors hinsichtlich der Durchführung der Prüfmethode (z. B. durch Prüfen von Leistungsstoffen) oder zum Nachweis der reproduzierbaren Durchführung der Prüfmethode im Zeitverlauf.

Prüfverfahren

 Anzahl der Wiederholungen und verwendeten Replikate

 Konzentrationen der Prüfchemikalie, Applikationsverfahren und angewandte Expositionsdauer (falls von den Empfehlungen abweichend)

 Beschreibung der angewandten Bewertungs- und Entscheidungskriterien;

 Beschreibung der angewandten Studienakzeptanzkriterien;

 Beschreibung etwaiger Änderungen am Testverfahren.

Ergebnisse

 Tabellarische Darstellung der Imax-, EC1,5- und Viabilitätswerte (d. h. IC50, IC30), die für die Prüfchemikalie und die Positivkontrolle bei jeder Wiederholung ermittelt wurden, sowie der Mittelwerte (Imax: Durchschnitt; EC1,5- und Viabilitätswerte: geometrisches Mittel) und Standardabweichung, die anhand der Daten aus allen einzelnen Wiederholungen berechnet wurden, und Angabe der Einstufung der Prüfchemikalie gemäß dem Vorhersagemodell;

 ermittelter Variationskoeffizient bei den Lumineszenz-Messwerten für die Negativ-Kontrolle bei jedem Versuch;

 Diagramm zur Darstellung der Dosis-Wirkungs-Kurven für die Induktion der Luciferase-Aktivität und Viabilität;

 Beschreibung etwaiger sonstiger relevanter Beobachtungen, falls zutreffend.

Erörterung der Ergebnisse

 Erörterung der Ergebnisse aus dem KeratinoSensTM-Test;

 Analyse der Prüfergebnisse im Rahmen eines IATA, sofern sonstige relevante Informationen vorliegen.

Schlussfolgerung

LITERATURHINWEISE

(1) Vereinte Nationen (UN) (2013). Globally Harmonized System of Classification and Labelling of Chemicals (GHS), fünfte überarbeitete Ausgabe, UN New York und Genf, 2013. Verfügbar unter: http://www.unece.org/trans/danger/publi/ghs/ghs_rev05/05files_e.html.

(2) OECD (2012). The Adverse Outcome Pathway for Skin Sensitisation Initiated by Covalent Binding to Proteins. Part 1: Scientific Evidence. OECD Environment, Health and Safety publications, Series on Testing and Assessment No. 168. OECD, Paris.

(3) Adler S., Basketter D., Creton S., Pelkonen O., van Benthem J., Zuang V., Andersen K.E., Angers-Loustau A., Aptula A., Bal-Price A., Benfenati E., Bernauer U., Bessems J., Bois F.Y., Boobis A., Brandon E., Bremer S., Broschard T., Casati S., Coecke S., Corvi R., Cronin M., Daston G., Dekant W., Felter S., Grignard E., Gundert-Remy U., Heinonen T., Kimber I., Kleinjans J., Komulainen H., Kreiling R., Kreysa J., Leite S.B., Loizou G., Maxwell G., Mazzatorta P., Munn S., Pfuhler S., Phrakonkham P., Piersma A., Poth A., Prieto P., Repetto G., Rogiers V., Schoeters G., Schwarz M., Serafimova R., Tähti H., Testai E., van Delft J., van Loveren H., Vinken M., Worth A., Zaldivar J.M. (2011). Alternative (non-animal) methods for cosmetics testing: current status and future prospects-2010. Archives of Toxicology 85, 367-485.

(4) Kapitel B.42 dieses Anhangs: Hautsensibilisierung: Lokaler Lymphknotentest.

(5) Kapitel B.6 dieses Anhangs: Sensibilisierung der Haut.

(6) Kapitel B.50 dieses Anhangs: Hautsensibilisierung: Lokaler Lymphknotentest: DA.

(7) Kapitel B.51 dieses Anhangs: Hautsensibilisierung: Lokaler Lymphknotentest: BrdU-ELISA.

(8) Natsch A. (2010). The Nrf2-Keap1-ARE Toxicity Pathway as a Cellular Sensor for Skin Sensitizers-Functional Relevance and Hypothesis on Innate Reactions to Skin Sensitizers. Toxicological Sciences 113, 284-292.

(9) Emter R., Ellis G., Natsch A. (2010). Performance of a novel keratinocyte-based reporter cell line to screen skin sensitizers in vitro. Toxicology and Applied Pharmacology 245, 281-290.

(10) Dinkova-Kostova A.T., Holtzclaw W.D., Kensler T.W. (2005). The role of Keap1 in cellular protective responses. Chem. Res. Toxicol. 18, 1779-1791.

(11) Kansanen E., Kuosmanen S.M., Leinonen H., Levonen A.L. (2013). The Keap1-Nrf2 pathway: Mechanisms of activation and dysregulation in cancer. Redox Biol. 1(1), 45-49.

(12) Natsch A., Bauch C., Foertsch L., Gerberick F., Normann K., Hilberer A., Inglis H., Landsiedel R., Onken S., Reuter H., Schepky A., Emter R. (2011). The intra- and inter-laboratory reproducibility and predictivity of the KeratinoSens assay to predict skin sensitizers in vitro: results of a ring-study in five laboratories. Toxicol. In Vitro 25, 733-744.

(13) Natsch A., Ryan C.A., Foertsch L., Emter R., Jaworska J., Gerberick G.F., Kern P. (2013). A dataset on 145 chemicals tested in alternative assays for skin sensitization undergoing prevalidation. Journal of Applied Toxicology, 33, 1337-1352.

(14) EURL-ECVAM (2014). Recommendation on the KeratinoSensTM assay for skin sensitisation testing, 42 ff. Verfügbar unter: http://ihcp.jrc.ec.europa.eu/our_labs/eurl-ecvam/eurl-ecvam-recommendations/recommendation-keratinosens-skin-sensitisation.

(15) DB-ALM (INVITTOX) (2013) Protocol 155: KeratinoSensTM., 17 ff. Verfügbar unter: http://ecvam-dbalm.jrc.ec.europa.eu/beta/index.cfm/methodsAndProtocols/index

(16) Natsch A., Emter R., Ellis G. (2009). Filling the concept with data: integrating data from different in vitro and in silico assays on skin sensitizers to explore the battery approach for animal-free skin sensitization testing. Toxicol. Sci. 107, 106-121.

(17) Ball N., Cagen S., Carrillo J.C., Certa H., Eigler D., Emter R., Faulhammer F., Garcia C., Graham C., Haux C., Kolle S.N., Kreiling R., Natsch A., Mehling A. (2011). Evaluating the sensitization potential of surfactants: integrating data from the local lymph node assay, guinea pig maximization test, and in vitro methods in a weight-of-evidence approach. Regul. Toxicol. Pharmacol., 60, 389-400.

(18) Bauch C., Kolle S.N., Ramirez T., Eltze T., Fabian E., Mehling A., Teubner W., van Ravenzwaay B., Landsiedel R. (2012). Putting the parts together: combining in vitro methods to test for skin sensitizing potentials. Regul. Toxicol. Pharmacol., 63, 489-504.

(19) Jaworska J., Dancik Y., Kern P., Gerberick F., Natsch A. (2013). Bayesian integrated testing strategy to assess skin sensitization potency: from theory to practice. J Appl Toxicol. 33, 1353-1364.

(20) Andres E., Sa-Rocha V.M., Barrichello C., Haupt T., Ellis G., Natsch A. (2013). The sensitivity of the KeratinoSensTM assay to evaluate plant extracts: A pilot study. in Toxicology in Vitro, 27, 1220-1225.

(21) Fabian E., Vogel D., Blatz V., Ramirez T., Kolle S., Eltze T., van Ravenzwaay B., Oesch F., Landsiedel R. (2013). Xenobiotic metabolizin enzyme activities in cells used for testing skin sensitization in vitro. Arch. Toxicol. 87, 1683-1969.

(22) Thorne N., Inglese J., Auld D.S. (2010). Illuminating Insights into Firefly Luciferase and Other Bioluminescent Reporters Used in Chemical Biology. Chemistry and Biology 17, 646-657.

(23) OECD (2012). BG1Luc Estrogen Receptor Transactivation Test Method for Identifying Estrogen Receptor Agonists and Antagonists. OECD Guidelines for Chemical Testing No. 457. OECD, Paris.

(24) ECETOC (2003). Contact sensitization: Classification according to potency. European Centre for Ecotoxicology and Toxicology of Chemicals (Technical Report Nr. 87).

(25) Gildea L.A., Ryan C.A., Foertsch L.M., Kennedy J.M., Dearman R.J., Kimber I., Gerberick G.F. (2006). Identification of gene expression changes induced by chemical allergens in dendritic cells: opportunities for skin sensitization testing. J. Invest. Dermatol., 126, 1813-1822.

(26) Ryan C.A., Gildea L.A., Hulette B.C., Dearman R.J., Kimber I., Gerberick G.F. (2004). Gene expressing changes in peripheral blood-derived dendritic cells following exposure to a contact allergen. Toxicol. Lett. 150, 301-316.

(27) Emter R., van der Veen J.W., Adamson G., Ezendam J., van Loveren H., Natsch A. (2013). Gene expression changes induced by skin sensitizers in the KeratinoSens™ cell line: Discriminating Nrf2-dependent and Nrf2-independent events. Toxicol. in vitro 27, 2225-2232.

(28) OECD (2015). Performance Standards for assessment of proposed similar or modified in vitro skin sensitisation ARE-Nrf2 luciferase test methods. OECD Environment, Health and Safety publications, Series on Testing and Assessment No. 213, OECD, Paris.

(29) OECD (2005). Guidance Document on the Validation and International Acceptance of New or Updated Test Methods for Hazard Assessment. OECD Environment, Health and Safety publications, Series on Testing and Assessment No. 34. OECD, Paris, Frankreich.

(30) NAFTA (North American Free Trade Agreement) (2012). Technical Working Group on Pesticides — (Quantitative) Structure Activity Relationship ((Q)SAR) Guidance Document. 186 S. http://www.epa.gov/oppfead1/international/naftatwg/guidance/qsar-guidance.pdf

Anlage 1

DEFINITIONEN

AOP (Adverse Outcome Pathway) : Abfolge von Vorgängen, ausgehend von der chemischen Struktur einer Zielchemikalie oder Zielgruppe ähnlicher Chemikalien, über den molekularen auslösenden Vorgang bis hin zu einem In-vivo-Ergebnis von Interesse (2).

ARE : Antioxidant Response Element (auch als EpRE (elektrophile Response Element) bezeichnet), ist ein Response-Element, das in der vorgelagerten Promoterregion vieler zytoprotektiven und Phase-II-Gene anzutreffen ist. Bei Aktivierung durch Nfr2 steuert es die transkriptionelle Induktion dieser Gene.

Chemikalie : Stoff oder Gemisch.

EC1,5 : Interpolierte Konzentration bei einer 1,5-fachen Induktion der Luciferase-Aktivität.

Einkomponentiger Stoff : Ein nach seiner quantitativen Zusammensetzung definierter Stoff, bei dem ein Hauptbestandteil in einer Konzentration von mindestens 80 % w/w vorhanden ist.

Empfindlichkeit : Anteil aller positiven/aktiven Chemikalien, die durch die Prüfmethode korrekt klassifiziert werden. Dies ist ein Maß der Genauigkeit für eine Prüfmethode, die zu kategorischen Ergebnissen führt, und ein wichtiger Aspekt bei der Beurteilung der Relevanz einer Prüfmethode (29).

Gefahr : Inhärente Eigenschaft eines Stoffes oder eines Umfelds mit dem Potenzial, einen Organismus, ein System oder eine (Sub)population bei Exposition gegenüber diesem Stoff zu schädigen.

Gemisch : Gemisch oder Lösung aus zwei oder mehr Stoffen, die nicht miteinander reagieren (1).

Genauigkeit : Der Grad der Übereinstimmung zwischen Testergebnissen und anerkannten Referenzwerten. Die Genauigkeit ist ein Maß der Leistung der Prüfmethode und ein Aspekt der „Relevanz“. Der Begriff wird oft im Sinne von „Übereinstimmung“ verwendet und bezeichnet den Anteil der korrekten Ergebnisse einer Prüfmethode (29).

Globales Harmonisiertes System zur Einstufung und Kennzeichnung von Chemikalien der Vereinten Nationen (UN-GHS) : Ein System zur Klassifizierung von Chemikalien (Stoffen und Gemischen) nach standardisierten Typen und Stufen physikalischer, gesundheitlicher und ökologischer Gefahren und zur entsprechenden Kennzeichnung durch Piktogramme, Signalwörter, Gefahrenhinweise, Sicherheitshinweise und Sicherheitsdatenblätter, um zum Schutz des Menschen (einschließlich Arbeitgeber, Arbeiter, Spediteure, Verbraucher und Notfall-Einsatzkräfte) und der Umwelt Informationen über die schädlichen Wirkungen der betreffenden Chemikalien zu verbreiten (1).

Gültige Prüfmethode : Eine Prüfmethode, die eine ausreichende Relevanz und Zuverlässigkeit für einen bestimmten Zweck aufweist und auf wissenschaftlich fundierten Grundsätzen beruht. Eine Prüfmethode ist niemals gültig im absoluten Sinn, sondern nur in Bezug auf einen festgelegten Zweck (29).

IATA ( Integrated Approach to Testing and Assessment Integrierter Test- und Bewertungsansatz) : Strukturierter Ansatz zur Gefahrenidentifizierung (Potenzial), Gefahrencharakterisierung (Potenz) und/oder Sicherheitsbewertung (Potenzial/Potenz und Exposition) einer Chemikalie oder Chemikaliengruppe, bei dem alle maßgeblichen Daten strategisch integriert und gewichtet werden, um als Grundlage für fundierte regulatorische Entscheidungen über potenzielle Gefahren und/oder Risiken und/oder die Notwendigkeit weiterer gezielter und somit minimaler Testungen herangezogen zu werden.

IC30 : Konzentration, die eine Verringerung der Zellviabilität um 30 % bewirkt.

IC50 : Konzentration, die eine Verringerung der Zellviabilität um 50 % bewirkt.

Imax : Maximaler Induktionsfaktor der Luciferase-Aktivität im Vergleich zur (Negativ-)Lösungsmittel-Kontrolle bei jeder Prüfchemikalienkonzentration.

Keap1 : Kelch-like ECH-associated protein 1 ist ein Sensorprotein, durch das die Nrf2-Aktivität reguliert werden kann. Unter nicht induzierten Bedingungen wirkt das Keap1-Sensorprotein auf den Transkriptionsfaktor Nrf2 für eine Ubiquitinylierung und den proteolytischen Abbau im Proteasom ein. Die kovalente Modifizierung der reaktiven Cysteinreste von Keap1 durch kleine Moleküle kann zur Nrf2-Dissoziation von Keap1 führen (8) (10) (11)).

Lösungsmittel-/Vehikelkontrolle : Replikat, das alle Komponenten eines Testsystems, einschließlich des verwendeten Lösungsmittels, jedoch außer der Prüfchemikalie, enthält. Dies wird verwendet, um die Referenzreaktion für die mit der Prüfchemikalie behandelten Proben, die im selben Lösungsmittel aufgelöst wurden, zu bestimmen.

Mehrkomponentiger Stoff : Ein nach seiner quantitativen Zusammensetzung definierter Stoff, bei dem mehr als ein Hauptbestandteil in einer Konzentration von mindestens ≥ 10 % w/w und < 80 % w/w vorhanden sind. Ein mehrkomponentiger Stoff ist das Ergebnis eines Herstellungsprozesses. Der Unterschied zwischen einem Gemisch und einem mehrkomponentigen Stoff besteht darin, dass ein Gemisch durch die Mischung von zwei oder mehr Stoffen ohne chemische Reaktion entsteht. Ein mehrkomponentiger Stoff wird durch eine chemische Reaktion gebildet.

Nrf2 : Nuclear factor (erythroid-derived 2)-like 2 ist ein Transkriptionsfaktor, der am Antioxidant Response Pathway beteiligt ist. Wenn Nrf2 nicht ubiquitinyliert ist, baut es sich im Zytoplasma auf und transloziert in den Kern, wo es sich mit dem ARE in der vorgelagerten Promoterregion vieler zytoprotektiven Gene vereint, wobei deren Transkription initiiert wird (8) (10) (11).

Positivkontrolle : Ein Replikat, das alle Komponenten eines Testsystems enthält und mit einem Stoff behandelt wird, der bekanntermaßen eine positive Reaktion hervorruft. Um sicherzustellen, dass Abweichungen bei der Positivkontrollreaktion im Zeitverlauf bewertet werden können, sollte die Reaktion nicht zu heftig sein.

Prüfchemikalie : Der Begriff „Prüfchemikalie“ bezeichnet das, was getestet wird.

Relevanz : Beschreibung der Beziehung zwischen dem Test und der untersuchten Wirkung und ob der Test aussagekräftig und nützlich für einen bestimmten Zweck ist. Die Relevanz gibt an, inwieweit der Test die untersuchte biologische Wirkung richtig misst oder vorhersagt. Sie beinhaltet die Prüfung der Genauigkeit (Übereinstimmung) einer Prüfmethode (29).

Reproduzierbarkeit : Übereinstimmung zwischen den Ergebnissen, die bei Prüfungen der gleichen Chemikalie bei einheitlichem Protokoll erzielt werden (siehe Zuverlässigkeit) (29).

Spezifität : Anteil aller negativen/inaktiven Chemikalien, die durch die Prüfmethode korrekt klassifiziert werden. Dies ist ein Maß der Genauigkeit für eine Prüfmethode, die zu kategorischen Ergebnissen führt, und ein wichtiger Aspekt bei der Beurteilung der Relevanz einer Prüfmethode (29).

Stoff : Chemische Elemente und ihre Verbindungen in natürlicher Form oder durch ein Produktionsverfahren hergestellt, einschließlich der zur Wahrung der Produktstabilität notwendigen Zusatzstoffe und der bei der Herstellung entstehenden Verunreinigungen, mit Ausnahme von Lösungsmitteln, die von dem Stoff ohne Beeinträchtigung seiner Stabilität und ohne Änderung seiner Zusammensetzung abgetrennt werden können (1).

UVCB : Stoffe mit unbekannter oder schwankender Zusammensetzung, komplexe Reaktionsprodukte oder biologische Materialien.

Variationskoeffizient : Kennwert der Varianz. Er wird für eine Gruppe replizierter Daten mittels Division der Standardabweichung durch den Mittelwert berechnet. Multipliziert mit 100 ergibt sich ein Prozentwert.

Zuverlässigkeit : Maß der Reproduzierbarkeit einer Prüfmethode innerhalb von und zwischen Laboratorien über einen längeren Zeitraum und bei einheitlichem Protokoll. Die Zuverlässigkeit wird durch Berechnung der Intra- und Interlabor-Reproduzierbarkeit und Intralabor-Wiederholbarkeit bewertet (29).

Anlage 2

LEISTUNGSSTOFFE

In-vitro-Hautsensibilisierung: ARE-Nrf2 Luciferase-Prüfmethode

Vor der routinemäßigen Anwendung dieser Prüfmethode sollten Labors ihre technische Leistungsfähigkeit demonstrieren, indem sie die erwartete KeratinoSens™-Vorhersage für die in Tabelle 1 empfohlenen 10 Leistungsstoffe korrekt ermitteln und die EC1,5- und IC50-Werte, die in den betreffenden Referenzbereich fallen, bei mindestens 8 der 10 Leistungsstoffe bestimmen. Diese Leistungsstoffe wurden so ausgewählt, dass sie die Bandbreite von Reaktionen im Hinblick auf die Gefahr einer Hautsensibilisierung repräsentieren. Weitere Auswahlkriterien waren kommerzielle Verfügbarkeit, Verfügbarkeit hochwertiger In-vivo-Referenzdaten und Verfügbarkeit hochwertiger In-vitro-Daten aus dem KeratinoSensTM-Test.



Tabelle 1

Empfohlene Stoffe zum Nachweis der technischen Leistungsfähigkeit beim KeratinoSensTM-Test

Leistungsstoffe

CAS-Nr.

Physikali-scher Zustand

In-vivo-Vorhersage (2)

KeratinoSensTM Vorhersage (2)

EC1,5 (μM)-Referenz-bereich (3)

IC50 (μM)-Referenz-bereich (3)

Isopropanol

67-63-0

flüssig

Nicht-sensibilisator

negativ

> 1 000

> 1 000

Salicylsäure

69-72-7

fest

Nicht-sensibilisator

negativ

> 1 000

> 1 000

Milchsäure

50-21-5

flüssig

Nicht-sensibilisator

negativ

> 1 000

> 1 000

Glyzerin

56-81-5

flüssig

Nicht-sensibilisator

negativ

> 1 000

> 1 000

Zimtalkohol

104-54-1

fest

Allergen (schwach)

positiv

25 - 175

> 1 000

Ethylenglykoldimethacrylat

97-90-5

flüssig

Allergen (schwach)

positiv

5 - 125

> 500

2-Mercaptobenzothiazol

149-30-4

fest

Allergen (mäßig)

positiv

25 - 250

> 500

Methyldibromglutaronitril

35691-65-7

fest

Allergen (stark)

positiv

< 20

20 - 100

4-Methylaminophenolsulfat

55-55-0

fest

Allergen (stark)

positiv

< 12,5

20 - 200

2,4-Dinitrochlorbenzol

97-00-7

fest

Allergen (extrem)

positiv

< 12,5

5 - 20

(1)   Die Vorhersagen der In-vivo-Gefahr (und Potenz) basieren auf LLNA-Daten (13). Die In-vivo-Potenz wird unter Anwendung der von ECETOC vorgeschlagenen Kriterien abgeleitet (24).

(2)   Eine KeratinoSensTM-Vorhersage sollte im Rahmen eines IATA sowie gemäß den Nummer 9 und 11 dieser Prüfmethode in Betracht gezogen werden.

(3)   Basierend auf den historischen beobachteten Werten (12).

Anlage 3

QUALITÄTSKONTROLLE BEI LUMINESZENZMESSUNGEN

Grundlagenversuch zur Gewährleistung optimaler Lumineszenzmessungen im KeratinoSensTM-Test

Die drei folgenden Parameter sind von maßgeblicher Bedeutung, um zuverlässige Ergebnisse beim Luminometer zu erhalten:

 ausreichende Empfindlichkeit für einen stabilen Background in den Kontrollmulden;

 kein Gefälle entlang der Platte aufgrund langer Messzeiten;

 keine Lichtkontamination in benachbarten Zellen ausgehend von stark aktiven Mulden.

Vor der Prüfung sollte durch Prüfung eines Kontroll-Plattenaufbaus, wie unten beschrieben, sichergestellt werden, dass geeignete Lumineszenzmessungen durchgeführt werden können (Dreifachanalyse).

Plattenaufbau des ersten Kontrollversuchs



 

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12

A

DMSO

DMSO

DMSO

DMSO

DMSO

DMSO

DMSO

DMSO

DMSO

DMSO

DMSO

DMSO

B

DMSO

DMSO

DMSO

DMSO

DMSO

DMSO

DMSO

DMSO

DMSO

DMSO

DMSO

DMSO

C

DMSO

DMSO

DMSO

DMSO

DMSO

DMSO

DMSO

DMSO

DMSO

DMSO

DMSO

DMSO

D

EGDMA 0,98

EGDMA 1,95

EGDMA 3,9

EGDMA 7,8

EGDMA 15,6

EGDMA 31,25

EGDMA 62,5

EGDMA 125

EGDMA 250

EGDMA 500

EGDMA 1000

EGDMA 2000

E

DMSO

DMSO

DMSO

DMSO

DMSO

DMSO

DMSO

DMSO

DMSO

DMSO

DMSO

DMSO

F

DMSO

DMSO

DMSO

DMSO

DMSO

DMSO

DMSO

DMSO

DMSO

DMSO

DMSO

DMSO

G

DMSO

DMSO

DMSO

DMSO

DMSO

DMSO

DMSO

DMSO

DMSO

DMSO

DMSO

DMSO

H

DMSO

DMSO

DMSO

DMSO

DMSO

DMSO

CA 4

CA 8

CA 16

CA 32

CA 64

Leer

EGDMA = Ethylenglykoldimethacrylat (CAS Nr.: 97-90-5), eine stark induzierende Chemikalie

CA = Zimtaldehyd, positive Referenz (CAS Nr.: 104-55-2)

Bei der Qualitätskontrollanalyse sollte Folgendes nachgewiesen werden:

 eindeutige Dosis-Wirkungs-Beziehung in Zeile D, wobei Imax > 20-facher Wert über Background (in den meisten Fällen werden Imax-Werte zwischen 100 und 300 erreicht);

 keine Dosis-Wirkungs-Beziehung in Zeile C und E (kein Induktionswert über 1,5 (idealerweise nicht über 1,3) aufgrund möglicher Lichtkontamination, insbesondere neben stark aktiven Mulden in der EGDMA-Zeile);

 kein statistisch signifikanter Unterschied zwischen den Zeilen A, B, C, E, F und G (d. h. kein Gefälle entlang der Platte);

 die Variabilität in einer der Zeilen A, B, C, E, F und G sowie in den DMSO-Mulden in Zeile H sollte unter 20 % liegen (d. h. stabiler Background).

B.61    FLUORESCEIN-LECKAGE-PRÜFMETHODE ZUR IDENTIFIZIERUNG VON STOFFEN MIT AUGENVERÄTZENDER UND STARK AUGENREIZENDER WIRKUNG

EINLEITUNG

Diese Prüfmethode entspricht der OECD-Prüfrichtlinie 460 (2012). Bei der Fluorescein-Leckage-Prüfmethode handelt es sich um eine In-vitro-Prüfmethode, die unter bestimmten Umständen und mit bestimmten Einschränkungen zur Einstufung von Chemikalien (Stoffen und Gemischen) als Stoffe mit augenverätzender und stark augenreizender Wirkung gemäß Definition im Globalen Harmonisierten System zur Einstufung und Kennzeichnung von Chemikalien (GHS) der Vereinten Nationen (UN-GHS) (Kategorie 1), in der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen ( 47 ) (CLP) (Kategorie 1) und durch die US-Umweltschutzbehörde (EPA) (Kategorie I) eingesetzt werden kann (1) (2). Im Sinne dieser Prüfmethode sind Stoffe mit stark augenreizender Wirkung als Chemikalien definiert, die nach Applikation eine Gewebeschädigung im Auge verursachen, die nicht innerhalb von 21 Tagen ausheilt, oder eine massive Verschlechterung des Sehvermögens auslösen, während Stoffe mit augenverätzender Wirkung als Chemikalien definiert sind, die eine irreversible Gewebeschädigung im Auge verursachen. Diese Chemikalien werden in UN-GHS-Kategorie 1, EU-CLP-Kategorie 1 oder US-EPA-Kategorie I eingestuft.

Obwohl die FL-Prüfmethode den In-vivo-Kaninchenaugentest nicht absolut ersetzen kann, wird sie als Teil einer gestuften Prüfstrategie zu gesetzgeberischen Einstufungs- und Kennzeichnungszwecken empfohlen. Somit wird die FL-Prüfmethode als erster Schritt innerhalb eines Top-Down-Ansatzes zur Identifizierung von Stoffen mit augenverätzender und stark augenreizender Wirkung, insbesondere bei bestimmten Arten von Chemikalien (z. B. wasserlösliche Stoffe und Gemische), empfohlen (3) (4).

Gegenwärtig herrscht allgemeines Einvernehmen darüber, dass der In-vivo-Augentest (TM B.5 (5)) in absehbarer Zukunft nicht durch einen einzigen In-vitro-Augenreizungstest ersetzt werden kann, der in der Lage ist, das gesamte Spektrum an Reizungen für verschiedene Chemikalienklassen vorherzusagen. Allerdings kann der In-vivo-Augentest eventuell durch strategische Kombination verschiedener alternativer Prüfmethoden im Rahmen einer (gestuften) Prüfstrategie ersetzt werden (4). Der Top-Down-Ansatz (4) sollte zum Einsatz kommen, wenn die vorliegenden Informationen darauf schließen lassen, dass eine Chemikalie ein hohes Reizungspotenzial besitzt.

Basierend auf dem Vorhersagemodell unter Nummer 35 können durch die FL-Prüfmethode Chemikalien innerhalb eines begrenzten Anwendungsbereichs ohne weitere Testung als Stoffe mit augenverätzender oder stark augenreizender Wirkung (UN-GHS Kategorie 1, EU-CLP-Kategorie 1, US-EPA-Kategorie I) identifiziert werden. Gleiches wird für Gemische angenommen, obwohl Gemische bei der Validierung nicht verwendet wurden. Daher kann mithilfe der FL-Prüfmethode die augenverätzende/-reizende Wirkung von Chemikalien entsprechend der sequenziellen Prüfstrategie TM B.5 bestimmt werden (5). Jedoch müsste eine Chemikalie, die nach der FL-Prüfmethode nicht als Stoff mit augenverätzender oder stark augenreizender Wirkung vorhergesagt wurde, mit einer oder mehreren weiteren Prüfmethoden (in vitro und/oder in vivo) geprüft werden, mit denen folgende Chemikalien identifiziert werden können: i) Chemikalien, die nach der FL-Prüfmethode in vitro falsch-negative Stoffe mit augenverätzender/-reizender Wirkung sind (UN-GHS Kategorie 1, EU-CLP-Kategorie 1, US-EPA-Kategorie I); ii) Chemikalien, die nicht als augenverätzend/-reizend eingestuft sind (UN-GHS „Keine Einstufung“ , EU-CLP „Keine Einstufung“ , US-EPA-Kategorie IV); und/oder iii) Chemikalien, die als Stoffe mit leichter/mäßiger augenreizender Wirkung eingestuft sind (UN-GHS-Kategorien 2A und 2B, EU-CLP-Kategorie 2, US-EPA-Kategorien II und III).

Diese Prüfmethode beschreibt die Verfahrensschritte für die Beurteilung der potenziellen augenverätzenden oder -reizenden Wirkung einer Prüfchemikalie, gemessen als ihre Fähigkeit, an einem impermeablen, konfluenten epithelialen Monolayer eine Schädigung hervorzurufen. Die Integrität der transepithelialen Permeabilität ist eine wichtige Funktion eines Epithels, das beispielsweise in der Bindehaut und Hornhaut zu finden ist. Die transepitheliale Permeabilität wird durch verschiedene undurchlässige Verbindungen (Tight Junctions) kontrolliert. Es wurde nachgewiesen, dass eine Zunahme der Permeabilität des Hornhautepithels in vivo mit der Entzündungsaktivität und Oberflächenschädigung, die mit fortschreitender Augenreizung zu beobachten sind, im Zusammenhang steht.

In der FL-Prüfmethode werden die toxischen Wirkungen nach kurzer Exposition gegenüber der Prüfchemikalie anhand einer Zunahme der Permeabilität für Fluorescein-Natrium durch das epitheliale Monolayer von Madin-Darby Canine Kidney (MDCK)-Zellen, die auf permeablen Inserts kultiviert werden, bestimmt. Die auftretende Fluorescein-Leckage ist proportional zu der von der Chemikalie induzierten Schädigung an den Tight Junctions, desmosomalen Verbindungen und Zellmembranen. Anhand der Leckagemenge kann das augentoxische Potenzial einer Prüfchemikalie geschätzt werden. Anlage 1 zeigt ein Diagramm von auf einer Insertmembran kultivierten Zellen für die FL-Prüfmethode.

Definitionen sind Anlage 2 zu entnehmen.

VORBEMERKUNGEN UND EINSATZGRENZEN

Diese Prüfmethode basiert auf dem INVITTOX-Protokoll Nr. 71 (6), das in einer internationalen Validierungsstudie des Europäischen Zentrums zur Validierung alternativer Methoden (ECVAM) in Zusammenarbeit mit dem US-amerikanischen Interagency Coordinating Committee on the Validation of Alternative Methods (ICCVAM) und dem Japanese Center for the Validation of Alternative Methods (JaCVAM) bewertet wurde.

Die FL-Prüfmethode wird weder zur Identifizierung von Chemikalien empfohlen, die als Chemikalien mit leichter/mäßiger Reizwirkung eingestuft werden sollten, noch von Chemikalien, die nicht als augenreizend eingestuft werden sollten (Stoffe und Gemische) (d. h. GHS-Kat. 2A/2B, „keine Einstufung“ ; EU-CLP-Kat. 2, „keine Einstufung“ ; US-EPA-Kat. II/III/IV), wie durch die Validierungsstudie nachgewiesen (3) (7).

Die Prüfmethode ist nur an wasserlöslichen Chemikalien (Stoffen und Gemischen) anwendbar. Durch die FL-Prüfmethode wird das stark augenreizende Potenzial von Chemikalien, die wasserlöslich sind und/oder bei denen die toxische Wirkung nicht durch Verdünnung verändert wird, in der Regel exakt vorhergesagt (7). Um eine Chemikalie als wasserlöslich unter Versuchsbedingungen einzustufen, sollte sie in einer sterilen calciumhaltigen (mit einer Konzentration von 1,0-1,8 mM), phenolrotfreien Hanks-Salzlösung (Hanks' Balanced Salt Solution, HBSS) mit einer Konzentration von ≥ 250 mg/ml löslich sein (eine Dosis über der Schwelle von 100 mg/ml). Ist die Prüfchemikalie jedoch unter der Konzentration 100 mg/ml löslich, bewirkt aber bereits eine FL-Induktion von 20 % bei dieser Konzentration (was bedeutet: FL20 < 100 mg/ml), kann sie dennoch in GHS-Kat. 1 oder EPA-Kat. I eingestuft werden.

Aufgrund der anerkannten Einsatzgrenzen dieser Prüfmethode sind starke Säuren und Basen, Zellfixierlösungen und stark flüchtige Chemikalien aus dem Anwendungsbereich ausgeschlossen. Diese Chemikalien weisen Mechanismen auf, die von der FL-Prüfmethode nicht gemessen werden, z. B. übermäßige Koagulation, Verseifung oder spezifische chemische Reaktionen. Andere anerkannte Einsatzgrenzen dieser Methode beruhen auf den Ergebnissen der Vorhersagefähigkeit bei gefärbten und viskosen Prüfchemikalien (7). Es ist zu beachten, dass beide Arten von Chemikalien nach kurzer Expositionsdauer schwer aus dem Monolayer zu entfernen sind und dass die Vorhersagefähigkeit der Prüfmethode verbessert werden könnte, wenn eine größere Anzahl von Spülschritten verwendet wird. Feste, in Flüssigkeit suspendierte Chemikalien neigen zu Ausfällung und die Endkonzentration, der die Zellen ausgesetzt sind, kann schwer zu bestimmen sein. Durch Ausschluss von Chemikalien dieser chemischen und physikalischen Klassen aus der Datenbank wird die Genauigkeit der FL-Prüfmethode bei den EU-, EPA- und GHS-Klassifizierungssystemen erheblich verbessert (7).

Basierend auf dem Zweck dieser Prüfmethode (Identifizierung von Stoffen mit augenverätzender und stark augenreizender Wirkung) sind Falsch-Negativ-Raten (siehe Nummer 13) unkritisch, da solche Chemikalien anschließend, je nach den gesetzlichen Anforderungen und unter Verwendung einer sequenziellen Prüfstrategie mit einem evidenzbasierten Bewertungsansatz (weight-of-evidence approach) (5) im Rahmen anderer angemessen validierter In-vitro-Tests oder an Kaninchen geprüft werden (siehe auch Nummern 3 und 4).

Andere anerkannte Einsatzgrenzen der FL-Prüfmethode beruhen auf Falsch-Negativ- und Falsch-Positiv-Raten. Bei Einsatz als erster Schritt innerhalb eines Top-Down-Ansatzes zur Identifizierung von wasserlöslichen Stoffen und Gemischen mit augenverätzender oder stark augenreizender Wirkung (UN-GHS-Kategorie 1, EU-CLP-Kategorie 1, US-EPA-Kategorie I) lag die Falsch-Positiv-Rate der FL-Prüfmethode im Bereich von 7 % (7/103; UN-GHS und EU-CLP) bis 9 % (9/99; US-EPA) und die Falsch-Negativ-Rate im Bereich von 54 % (15/28; US-EPA) bis 56 % (27/48; UN-GHS und EU-CLP) im Vergleich zu den In-vivo-Ergebnissen. Chemikaliengruppen, die bei der FL-Prüfmethode zu Falsch-Positiv- und/oder Falsch-Negativ-Ergebnissen führen, werden hier nicht definiert.

Einige technische Einsatzgrenzen sind für die MDCK-Zellkultur spezifisch. Die Tight Junctions, die die Passage des Fluorescein-Natrium-Farbstoffs durch den Monolayer hemmen, werden mit steigender Zellpassagenzahl zunehmend beschädigt. Die unvollständige Ausbildung der Tight Junctions führt zu einer verstärkten Fluorescein-Leckage in der unbehandelten Kontrolle. Daher muss eine zulässige maximale Leckage in den unbehandelten Kontrollen festgelegt werden (siehe Nummer 38: 0 % Leckage). Wie bei allen In-vitro-Tests besteht die potenzielle Möglichkeit, dass die Zellen im Laufe der Zeit eine Transformation durchlaufen, sodass die Passagenzahlbereiche für die Tests unbedingt angegeben werden müssen.

Der gegenwärtige Anwendungsbereich könnte in einigen Fällen ausgedehnt werden, aber erst nach Analyse eines erweiterten Datenbestands von untersuchten Prüfchemikalien, der vorzugsweise durch Testung zusammengetragen wurde (3). Diese Prüfmethode wird regelmäßig aktualisiert, um neue Informationen und Daten zu berücksichtigen.

Laboratorien, die diese Prüfmethode erstmals anwenden, sollen die in Anlage 3 genannten Leistungschemikalien verwenden. Laboratorien können diese Chemikalien verwenden, um ihre technische Kompetenz zur Durchführung der FL-Prüfmethode nachzuweisen, bevor sie FL-Testdaten zum Zwecke der vorschriftsmäßigen Gefahrenklassifizierung einreichen.

TESTPRINZIP

Die FL-Prüfmethode ist ein zellbasierter In-vitro-Zytotoxizitätstest an einem konfluenten Monolayer von tubulären MDCK CB997-Epithelzellen, die auf semipermeablen Inserts kultiviert wurden und den nicht proliferierenden Zustand des In-vivo-Hornhautepithels abbilden. Die MDCK-Zelllinie ist gründlich erprobt und bildet Tight Junctions und desmosomale Verbindungen, die mit denjenigen auf der apikalen Seite des Bindehaut- und Hornhautepithels vergleichbar sind. Die Tight Junctions und desmosomalen Verbindungen verhindern in vivo, dass gelöste Stoffe und Fremdstoffe das Hornhautepithel durchdringen. Der Verlust der transepithelialen Impermeabilität aufgrund beschädigter Tight Junctions und desmosomaler Verbindungen ist eines der ersten Anzeichen einer chemikalieninduzierten Augenreizung.

Die Prüfchemikalie wird auf den konfluenten Zellenlayer auf der apikalen Seite des Inserts appliziert. Eine kurze Expositionsdauer von einer Minute wird routinemäßig angewandt, um die normale Ausscheidungsrate bei Exposition am Menschen widerzuspiegeln. Ein Vorteil der kurzen Expositionsdauer ist, dass wasserbasierte Stoffe und Gemische unverdünnt getestet werden können, falls sie nach der Expositionsdauer einfach zu entfernen sind. Dies ermöglicht einen direkteren Vergleich der Ergebnisse mit den Wirkungen der Chemikalie beim Menschen. Die Prüfchemikalie wird dann entfernt und der nicht toxische, stark fluoreszierende Fluorescein-Natrium-Farbstoff wird 30 Minuten lang auf die apikale Seite des Monolayers appliziert. Die von der Prüfchemikalie hervorgerufene Schädigung an den Tight Junctions wird anhand der Fluorescein-Menge bestimmt, die während einer festgelegten Zeitdauer durch die Zellschicht dringt.

Die Menge an Fluorescein-Natrium-Farbstoff, die durch den Monolayer und die Insertmembran in eine festgelegte Lösungsmenge in der Mulde (in die der Fluorescein-Natrium-Farbstoff durchtritt) gelangt, wird durch spektrofluorometrische Messung der Fluorescein-Konzentration in der Mulde bestimmt. Die Menge der Fluorescein-Leckage (FL) wird bezogen auf die gemessene Fluoreszenzintensitität (FI) aus zwei Kontrollen berechnet: einer Blindkontrolle und einer Maximal-Leckage-Kontrolle. Der Leckageprozentsatz und somit das Ausmaß der Schädigung an den Tight Junctions wird bezogen auf diese Kontrollen für jede der festgelegten Konzentrationen der Prüfchemikalie bestimmt. Dann wird der FL20-Wert (d. h. die Konzentration, bei der es zu 20 % FL relativ zu dem erfassten Wert für den unbehandelten konfluenten Monolayer und Inserts ohne Zellen kommt) berechnet. Der FL20-Wert (mg/ml) wird im Vorhersagemodell zur Identifizierung von Stoffen mit augenverätzender und schwer augenreizender Wirkung verwendet (siehe Nummer 35).

Der Erholungsfaktor ist ein wichtiger Teil des Toxizitätsprofils einer Prüfchemikalie, der auch im In-vivo-Augenreizungstest bewertet wird. Vorläufige Analysen haben ergeben, dass Daten zur Erholung (bis zu 72 h nach Exposition gegenüber der Chemikalie) die Vorhersagekapazität des INVITTOX-Protokolls 71 potenziell verbessern könnten, jedoch ist eine weitergehende Bewertung erforderlich, bei der zusätzliche, vorzugsweise aus weiteren Prüfungen ermittelte Daten von Vorteil wären (6). Diese Prüfmethode wird regelmäßig aktualisiert, um neue Informationen und Daten zu berücksichtigen.

VERFAHREN

Vorbereitung des Zellmonolayers

Das MDCK CB997-Zellmonolayer wird unter Verwendung von subkonfluenten Zellen hergestellt, die in Zellkulturflaschen in DMEM/F12-Nährstoffmischung (1x-Konzentrat mit L-Glutamin, 15 mM HEPES, Calcium (mit einer Konzentration von 1,0-1,8 mM) und 10 % hitzeinaktiviertem FCS/FBS) kultiviert wurden. Wichtig ist, dass alle Medien/Lösungen, die im FL-Test verwendet werden, Calcium mit einer Konzentration zwischen 1,8 mM (200 mg/l) und 1,0 mM (111 mg/l) enthalten, um die Bildung und Integrität der Tight Junctions sicherzustellen. Die Anzahl der Zellpassagen sollte Gegenstand einer Kontrolle sein, damit eine gleichmäßige und reproduzierbare Bildung der Tight Junctions gewährleistet ist. Vorzugsweise sollten Zellen verwendet werden, die nach 3-30 Passagen ab dem Auftauen gewonnen wurden, da Zellen in diesem Bereich eine ähnliche Funktionalität aufweisen, was zur Reproduzierbarkeit der Testergebnisse beiträgt.

Vor Durchführung der FL-Prüfmethode werden die Zellen durch Trypsinisation aus der Flasche entnommen und zentrifugiert. Eine geeignete Menge an Zellen wird in die Inserts von 24-Mulden-Platten ausgesät (siehe Anlage 1). Zum Aussäen der Zellen sollten Inserts (12 mm Durchmesser) mit einer Zellulosemischester-Membran, einer Dicke von 80-150 μm und einer Porengröße von 0,45 μm verwendet werden. In der Validierungsstudie wurden Millicell-HA-Inserts (12 mm) verwendet. Die Eigenschaften des Insert- und Membrantyps sind wichtig, da sich diese auf das Zellwachstum und die Bindung der Chemikalie auswirken. Bestimmte Arten von Chemikalien können eine Bindung mit der Millicell-HA-Insertmembran eingehen, was die Interpretation der Ergebnisse beeinflussen könnte. Es sollten Leistungschemikalien (siehe Anlage 3) verwendet werden, um die Gleichwertigkeit bei Verwendung anderer Membrane nachzuweisen.

Die Bindung der Chemikalie an die Insertmembran ist bei kationischen Chemikalien, wie beispielsweise Benzalkoniumchlorid, die von der geladenen Membran angezogen werden, häufiger anzutreffen (7). Durch die Bindung der Chemikalie an die Insertmembran kann sich die Dauer der Exposition gegenüber der Chemikalie verlängern, was zu einer Überschätzung des toxischen Potenzials der Chemikalie führt; andererseits kann sich aber auch die Leckage von Fluorescein durch das Insert physikalisch bedingt verringern, da das Färbemittel an die kationische, an die Insertmembran gebundene Chemikalie gebunden wird, was wiederum zu einer Unterschätzung des toxischen Potenzials der Chemikalie führt. Dies lässt sich überwachen, indem nur die Membran der höchsten Konzentration der geprüften Chemikalie ausgesetzt und dann Fluorescein-Natrium-Farbstoff bei normaler Konzentration während der Standarddauer beigegeben wird (ohne Zellkontrolle). Wenn der Fluorescein-Natrium-Farbstoff gebunden wird, hat die Insertmembran nach dem Abspülen des Prüfmaterials die Farbe Gelb. Daher müssen die Bindungseigenschaften der Prüfchemikalie unbedingt bekannt sein, damit die Wirkung der Chemikalie auf die Zellen ausgewertet werden kann.

Durch die Beimpfung der Inserts mit den Zellen sollte zum Zeitpunkt der Exposition gegenüber der Chemikalie ein konfluenter Monolayer gewonnen worden sein. 1,6 × 105 Zellen sollten pro Insert beigegeben werden (400 μl einer Zellsuspension mit einer Dichte von 4 × 105 Zellen/ml). Unter diesen Umständen wird ein konfluenter Monolayer in der Regel nach 96 Stunden in Kultur gewonnen. Die Inserts sollten vor der Beimpfung sichtgeprüft werden, um sicherzustellen, dass etwaige Schäden, die bei der unter Nummer 30 beschriebenen visuellen Kontrolle erfasst werden, der Handhabung zuzuschreiben sind.

Die MDCK-Zellkulturen sollten in Inkubatoren in einer befeuchteten Atmosphäre bei 5 % ± 1 % CO2 und 37 ± 1 °C kultiviert werden. Die Zellen sollten nicht durch Bakterien, Viren, Mycoplasmen oder Pilze kontaminiert sein.

Applikation der Prüf- und Kontrollchemikalien

Für jede Versuchsdurchführung sollte eine frische Stammlösung der Prüfchemikalie hergestellt und nach der Zubereitung innerhalb von 30 Minuten verwendet werden. Die Prüfchemikalien sollten in einer calciumhaltigem (mit einer Konzentration von 1,0-1,8 mM), phenolrotfreien Hanks-Salzlösung (HBBS) vorbereitet werden, um die Bindung von Serumproteinen zu vermeiden. Die Löslichkeit der Chemikalie bei 250 mg/ml in HBSS sollte vor der Prüfung bewertet werden. Wenn die Chemikalie bei dieser Konzentration 30 Minuten lang eine stabile Suspension oder Emulsion bildet (d. h. gleichförmig bleibt und sich nicht absetzt oder in mehrere Phasen trennt), kann HBSS als Lösungsmittel verwendet werden. Stellt sich jedoch heraus, dass die Chemikalie bei dieser Konzentration nicht in HBSS löslich ist, sollte die Verwendung anderer Prüfmethoden anstelle des FL-Tests in Erwägung gezogen werden. Der Einsatz von leichtem Mineralöl als Lösungsmittel in Fällen, in denen die Chemikalie nachweislich nicht in HBSS löslich ist, sollte mit Bedacht geprüft werden, da keine ausreichenden Daten vorliegen, die eine Schlussfolgerung hinsichtlich der Leistungsfähigkeit des FL-Tests unter solchen Bedingungen zulassen.

Alle zu prüfenden Chemikalien werden in einer sterilen, calciumhaltigen (mit einer Konzentration von 1,0-1,8 mM), phenolrotfreien HBSS aus der Stammlösung bei fünf festgelegten Konzentrationen, die auf Gewichts-/Volumenbasis verdünnt werden, hergestellt: 1, 25, 100, 250 mg/ml sowie eine unverdünnte oder gesättigte Lösung. Beim Prüfen einer festen Chemikalie sollte eine sehr hohe Konzentration von 750 mg/ml eingeschlossen werden. Bei dieser Konzentration muss für die Applikation auf die Zellen möglicherweise eine Direktverdrängerpipette verwendet werden. Wenn die ermittelte Toxizität zwischen 25 und 100 mg/ml liegt, sollten die folgenden zusätzlichen Konzentrationen zweimal geprüft werden: 1, 25, 50, 75, 100 mg/ml. Der FL20-Wert sollte aus diesen Konzentrationen abgeleitet werden, sofern die Akzeptanzkriterien erfüllt waren.

Die Prüfchemikalien werden nach Entfernung des Zellkulturmediums und zweimaliger Spülung mit steriler, warmer (37 °C), calciumhaltiger (mit einer Konzentration von 1,0-1,8 mM), phenolrotfreier HBSS auf den konfluenten Zellmonolayer appliziert. Zuvor wurden die Filter visuell auf bereits vorhandene Schäden kontrolliert, die fälschlicherweise potenziellen Unverträglichkeiten gegenüber Prüfchemikalien zugeschrieben werden könnten. Es sollten mindestens drei Replikate für jede Konzentration der Prüfchemikalie sowie für die Kontrollen bei der Durchführung verwendet werden. Nach einer Minute Exposition bei Zimmertemperatur sollte die Prüfchemikalie vorsichtig abgesaugt werden, der Monolayer zweimal mit steriler, warmer (37 °C), calciumhaltiger (mit einer Konzentration von 1,0-1,8 mM), phenolrotfreier HBSS abgespült und die Fluorescein-Leckage sofort bestimmt werden.

Bei jeder Durchführung sollten gleichzeitige Negativ- und Positivkontrollen verwendet werden, um nachzuweisen, dass die Monolayer-Integrität (Negativkontrolle) und die Empfindlichkeit der Zellen (Positivkontrolle) innerhalb eines festgelegten historischen Akzeptanzbereichs liegen. Als Positivkontrolle wird Brij 35 (CAS Nr. 9002-92-0) mit einer Konzentration von 100 mg/ml vorgeschlagen. Diese Konzentration sollte eine Fluorescein-Leckage von ungefähr 30 % bewirken (akzeptabler Bereich 20-40 % Fluorescein-Leckage, d. h. Beschädigung der Zellschicht). Die vorgeschlagene Negativkontrolle ist calciumhaltige (mit einer Konzentration von 1,0-1,8 mM), phenolrotfreie HBSS (unbehandelt, Blindkontrolle). Ferner sollte eine Maximal-Leckage-Kontrolle bei jeder Durchführung eingeschlossen sein, um die Berechnung von FL20-Werten zu ermöglichen. Die Maximal-Leckage wird über ein Kontroll-Insert ohne Zellen bestimmt.

Bestimmung der Fluorescein-Permeabilität

Unmittelbar nach Entfernung der Prüf- und Kontrollchemikalien werden 400 μl einer 0,1-mg/ml-Fluorescein-Natrium-Lösung (0,01 % (w/v) in calciumaltiger [mit einer Konzentration von 1,0-1,8 mM], phenolrotfreier HBSS) den Inserts beigegeben (z. B. Millicell-HA). Die Kulturen werden 30 Minuten bei Zimmertemperatur gehalten. Am Ende der Inkubation mit Fluorescein werden die Inserts vorsichtig aus den Mulden entnommen. Jeder Filter wird visuell kontrolliert und etwaige Schäden, die eventuell während der Handhabung aufgetreten sind, werden protokolliert.

Die Menge an Fluorescein, die durch Monolayer und Insert gedrungen ist, wird in der Lösung bestimmt, die nach Entfernen der Inserts in den Mulden verblieben ist. Die Messungen werden in einem Spektrofluorometer bei einer Anregungs- bzw. Emissionswellenlänge von 485 nm bzw. 530 nm durchgeführt. Die Empfindlichkeit des Spektrofluorometers sollte so eingestellt werden, dass die numerische Differenz zwischen der maximalen FL (Insert ohne Zellen) und der minimalen FL (Insert mit konfluentem Monolayer, behandelt mit Negativkontrolle) am größten ist. Aufgrund der Unterschiede bei dem verwendeten Spektrofluorometer wird die Verwendung einer Empfindlichkeit vorgeschlagen, die eine Fluoreszenzintensitität > 4 000 bei der maximalen Fluorescein-Leckage-Kontrolle ergibt. Der maximale FL-Wert sollte nicht größer als 9 999 sein. Die Fluoreszenzintensitität bei maximaler Leckage sollte im linearen Bereich des verwendeten Spektrofluorometers liegen.

Interpretation der Ergebnisse und Vorhersagemodell

Die FL-Menge ist proportional zu der durch die Chemikalie hervorgerufenen Schädigung an den Tight Junctions. Der FL-Prozentsatz für jede geprüfte Konzentration der Chemikalie wird aus den FL-Werten berechnet, die für die Prüfchemikalie mit Bezug auf die FL-Werte aus der Negativkontrolle (Messwert aus dem konfluenten Monolayer der mit der Negativkontrolle behandelten Zellen) und einer maximalen Leckage-Kontrolle (Messwert für die FL durch ein Insert ohne Zellen) ermittelt wurden.

Mittlere Fluoreszenzintensität bei maximaler Leckage = x

Mittlere Fluoreszenzintensität bei 0 % Leckage (Negativkontrolle) = y

Die mittlere 100 % Leckage wird durch Subtraktion der mittleren 0 % Leckage von der mittleren maximalen Leckage ermittelt,

d. h. x – y = z

Die prozentuale Leckage für jede festgelegte Dosis wird durch Subtraktion der 0 % Leckage von der mittleren Fluoreszenzintensität der drei Replikatmesswerte (m) und Division dieses Werts durch die 100 % Leckage bestimmt, d. h. % FL = [(m-y)/z] × 100 %. Dabei sind:

m

=

mittlere Fluoreszenzintensität der drei Replikatmessungen für die verwendete Konzentration

% FL

=

Prozentsatz des Fluorescein, das durch die Zellschicht dringt

Für die Berechnung der Chemikalienkonzentration, die 20 % FL bewirkt, sollte folgende Gleichung herangezogen werden:

FLD = [(A-B)/(C-B)] × (MC – MB) + MB

Dabei sind:

D

=

prozentuale Hemmung

A

=

prozentuale Schädigung (20 % Fluorescein-Leckage)

B

=

prozentuale Fluorescein-Leckage < A

C

=

prozentuale Fluorescein-Leckage > A

MC

=

Konzentration (mg/ml) von C

MB

=

Konzentration (mg/ml) von B

Der FL20-Grenzwert für die Vorhersage von Chemikalien als Stoffe mit augenverätzender/schwer augenreizender Wirkung ist nachfolgend angegeben:



FL20 (mg/ml)

UN-GHS E&K

EU-CLP E&K

US-EPA E&K

≤ 100

Kategorie 1

Kategorie 1

Kategorie I

E&K: Einstufung und Kennzeichnung

Die FL-Prüfmethode wird nur für die Identifizierung von wasserlöslichen Stoffen mit augenverätzender oder schwer augenreizender Wirkung empfohlen (UN-GHS-Kategorie 1, EU-CLP-Kategorie 1, US-EPA-Kategorie I) (siehe Nummern 1 und 10).

Zur Identifizierung von wasserlöslichen Chemikalien (Stoffen und Gemischen) (3) (6) (7) als Stoff mit schwer augenschädigender Wirkung (UN-GHS/EU-CLP-Kategorie 1) oder als Stoff mit augenverätzender oder stark augenreizender Wirkung (US-EPA-Kategorie I) sollte die Prüfchemikalie einen FL20-Wert von ≤ 100 mg/ml induzieren.

Akzeptanz der Ergebnisse

Der mittlere maximale Fluorescein-Leckage-Wert (x) sollte größer 4 000 (siehe Nummer 31) sein, der mittlere 0 % Leckage-Wert (y) kleiner-gleich 300 sein und der mittlere 100 %-Leckage-Wert (z) zwischen 3 700 und 6 000 liegen.

Eine Prüfung gilt als akzeptabel, wenn die Positivkontrolle 20 % bis 40 % Schädigung an der Zellschicht verursacht hat (gemessen als prozentuale Fluorescein-Leckage).

DATEN UND BERICHTERSTATTUNG

Daten

Je Versuchsdurchführung sollten die Daten von einzelnen Replikat-Mulden (z. B. Fluoreszenzintensitätswerte und berechnete prozentuale FL-Werte für jede Prüfchemikalie, einschließlich Einstufung) in tabellarischer Form angegeben werden. Darüber hinaus sollten die Mittelwerte ± Standardabweichung von einzelnen Replikatmessungen angegeben werden.

Prüfbericht

Der Prüfbericht muss folgende Angaben enthalten:

Prüfchemikalien und Kontrollchemikalien

 chemische Bezeichnung(en) wie der vom Chemical Abstracts Service (CAS) benutzte strukturelle Name, gefolgt von anderen Bezeichnungen, soweit bekannt;

 CAS-Nummer der Chemikalie, soweit bekannt;

 Reinheit und Zusammensetzung des Stoffs oder Gemischs (in Gewichtsprozent), soweit diesbezügliche Informationen vorliegen;

 physikalisch-chemische Eigenschaften, soweit sie für die Studie relevant sind (z. B. physikalischer Zustand, Flüchtigkeit, pH-Wert, Stabilität, Wasserlöslichkeit, Chemikalienklasse);

 Behandlung der Prüf-/Kontrollchemikalien vor der Testung, soweit zutreffend (z. B. Erwärmung, Zerkleinerung);

 Lagerbedingungen:

Rechtfertigung der Prüfmethode und des verwendeten Protokolls

 Dies sollte Überlegungen in Bezug auf Anwendungsbereich und Einsatzgrenzen der Prüfmethode umfassen.

Prüfbedingungen

 Beschreibung des verwendeten Zellsystems, einschließlich Echtheitszeugnis und Mycoplasma-Status der Zelllinie;

 Details des angewandten Prüfverfahrens;

 verwendete Konzentration(en) der Prüfchemikalie;

 Dauer der Exposition gegenüber der Prüfchemikalie;

 Dauer der Inkubation mit Fluorescein;

 Beschreibung etwaiger Änderungen am Testverfahren;

 Beschreibung der angewandten Bewertungskriterien;

 Verweis auf historische Daten des Modells (z. B. Negativ- und Positivkontrollen, Referenzchemikalien, soweit zutreffend);

 Informationen über die nachgewiesene technische Kompetenz des Labors.

Ergebnisse

 tabellarische Darstellung der Daten von einzelnen Prüfchemikalien und Kontrollen für jede Versuchsdurchführung und Replikatmessung (einschließlich individueller Ergebnisse, Mittelwerte und Standardabweichungen);

 abgeleitete Einstufung(en) mit Bezug auf das Vorhersagemodell und/oder angewandte Entscheidungskriterien;

 Beschreibung anderer beobachteter Wirkungen;

Erörterung der Ergebnisse

 Dies sollte Überlegungen bezüglich eines nicht aussagekräftigen Ergebnisses (Nummer 35: FL20 > 100 mg/ml) und weitere Prüfungen umfassen.

Schlussfolgerungen

LITERATURHINWEISE

(1) UN (2009), Globally Harmonized System of Classification and Labelling of Chemicals (GHS), dritte überarbeitete Auflage, New York und Genf: United Nations Publications. ISBN: 978-92-1-117006-1. Verfügbar unter: [http://www.unece.org/trans/danger/publi/ghs/ghs_rev03/03files_e.html]

(2) U.S. EPA (1996), Label Review Manual: 2nd Edition, EPA737-B-96-001, Washington, DC: U.S., Environmental Protection Agency.

(3) EC-ECVAM (2009), Statement on the scientific validity of cytotoxicity/cell-function based in vitro assays for eye irritation testing.

(4) Scott, L. et al. (2010), A proposed eye irritation testing strategy to reduce and replace in vivo studies using Bottom-Up and Top-Down approaches, Toxicol. In Vitro 24, 1-9

(5) Kapitel B.5 dieses Anhangs, Akute Augenreizung/-verätzung.

(6) EC-ECVAM (1999), INVITOX Protocol 71: Fluorescein Leakage Test, Ispra, Italien: European Centre for the Validation of Alternative Methods (ECVAM). Verfügbar unter: [http://ecvam-dbalm.jrc.ec.europa.eu

(7) EC-ECVAM (2008), Fluorescein Leakage Assay Background Review Document as an Alternative Method for Eye Irritation Testing.

(8) OECD (2005), Guidance Document on the Validation and International Acceptance of New or Updated Test Methods for Hazard Assessment, OECD Series on Testing and Assessment No. 34. OECD, Paris.

Anlage 1

DIAGRAMM VON MDCK -ZELLEN, DIE AUF EINER INSERTMEMBRAN FÜR DIE FL-PRÜFMETHODE KULTIVIERT WURDEN

Eine konfluente Schicht von MDCK-Zellen wird auf der semipermeablen Membran eines Inserts kultiviert. Die Inserts werden in die Mulden von 24-Mulden-Platten eingesetzt.

image

Abbildung entnommen aus: Wilkinson, P.J. (2006), Development of an in vitro model to investigate repeat ocular exposure, Ph.D. Thesis, University of Nottingham, UK.

Anlage 2

DEFINITIONEN

Chemikalie : Stoff oder Gemisch.

Empfindlichkeit : Anteil aller positiven/aktiven Chemikalien, die durch die Prüfmethode korrekt klassifiziert werden. Dies ist ein Maß der Genauigkeit für eine Prüfmethode, die zu kategorischen Ergebnissen führt, und ein wichtiger Aspekt bei der Beurteilung der Relevanz einer Prüfmethode (8).

EPA-Kategorie I : Chemikalien mit verätzender Wirkung (irreversible Schädigung des Augengewebes) oder Hornhautkomplikation oder -reizwirkung, die länger als 21 Tage anhält (2).

Ersatzprüfung : Eine Prüfung, die eine routinemäßig angewandte Prüfung zur Identifikation von Gefahren und/oder zur Risikobewertung ersetzen soll und die im Vergleich zur akzeptierten Prüfung nachweislich in allen denkbaren Prüfsituationen und mit allen Chemikalien einen gleichwertigen oder besseren Schutz der Gesundheit von Mensch oder Tier oder der Umwelt gewährleistet, je nachdem, was zutrifft.

EU CLP (Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen) : Umsetzung des UN-GHS-Systems zur Einstufung von Chemikalien (Stoffen und Gemischen) in der Europäischen Union (EU).

Evidenzbasierte Bewertung : Prüfung der Stärken und Schwächen verschiedener Informationen, um über das Gefahrenpotenzial einer Chemikalie entscheiden zu können und diese Entscheidung zu untermauern.

Falsch-Negativ-Rate : Der Anteil aller positiven Chemikalien, die von einer Prüfmethode fälschlicherweise als negativ identifiziert werden. Sie ist ein Leistungsindikator der Prüfmethode.

Falsch-Positiv-Rate : Der Anteil aller negativen Chemikalien, die von einer Prüfmethode fälschlicherweise als positiv identifiziert werden. Sie ist ein Leistungsindikator der Prüfmethode.

FL20 : Kann durch Bestimmung der Konzentration geschätzt werden, bei der die geprüfte Chemikalie 20 % Fluorescein-Leckage durch die Zellschicht bewirkt.

Fluorescein-Leckage : Fluorescein-Menge, die durch die Zellschicht dringt, spektrofluorometrisch gemessen.

Gefahr : Inhärente Eigenschaft eines Stoffes oder eines Umfelds mit dem Potenzial, einen Organismus, ein System oder eine (Sub)population bei Exposition gegenüber diesem Stoff zu schädigen.

Gemisch : Wird im UN-GHS verwendet und bezeichnet ein Gemisch oder eine Lösung aus zwei oder mehr Stoffen, die nicht miteinander reagieren.

Genauigkeit : Der Grad der Übereinstimmung zwischen Testergebnissen und anerkannten Referenzwerten. Die Genauigkeit ist ein Maß der Leistung der Prüfmethode und ein Aspekt der „Relevanz“. Der Begriff wird oft im Sinne von „Übereinstimmung“ verwendet und bezeichnet den Anteil der korrekten Ergebnisse einer Prüfmethode.

Gestufte Prüfstrategie : Eine schrittweise Prüfstrategie, bei der alle vorhandenen Informationen über eine Prüfchemikalie in einer vorgegebenen Reihenfolge überprüft werden, wobei auf jeder Stufe nach dem evidenzbasierten Bewertungsansatz (weight-of-evidence) vorgegangen wird, um feststellen zu können, ob genügend Informationen für eine Gefahrenklassifizierung vorliegen, bevor zur nächsten Stufe übergegangen wird. Wenn das Reizpotenzial einer Prüfchemikalie auf Basis der vorliegenden Informationen zugeordnet werden kann, sind keine weiteren Testungen erforderlich. Ist dies nicht der Fall, müssen schrittweise sequenzielle Tierversuche durchgeführt werden, bis eine eindeutige Klassifizierung vorgenommen werden kann.

GHS (Globales Harmonisiertes System zur Einstufung und Kennzeichnung von Chemikalien der Vereinten Nationen (UN)) : Ein System zur Klassifizierung von Chemikalien (Stoffen und Gemischen) nach standardisierten Typen und Stufen physikalischer, gesundheitlicher und ökologischer Gefahren und zur entsprechenden Kennzeichnung durch Piktogramme, Signalwörter, Gefahrenhinweise, Sicherheitshinweise und Sicherheitsdatenblätter, um zum Schutz des Menschen (einschließlich Arbeitgeber, Arbeiter, Spediteure, Verbraucher und Notfall-Einsatzkräfte) und der Umwelt Informationen über die schädlichen Wirkungen der betreffenden Chemikalien zu verbreiten.

GHS-Kategorie 1 : Erzeugen von Gewebeschäden im Auge oder eine schwerwiegende Verschlechterung des Sehvermögens nach Applikation einer Prüfchemikalie auf die Oberfläche des Auges, die innerhalb von 21 Tagen nach der Applikation nicht vollständig reversibel sind.

Leistungschemikalien : Teilmenge der Referenzchemikalien, die von einem Labor verwendet werden können, um seine Kompetenz hinsichtlich der validierten Referenzprüfmethode nachzuweisen.

Lösungsmittel-/Vehikelkontrolle : Eine unbehandelte Probe, die alle Komponenten eines Testsystems enthält, einschließlich des Lösungsmittels oder Vehikels, und die mit den prüfchemikalienbehandelten Proben und anderen Kontrollproben mitgeführt wird, um die Referenzreaktion für die mit der Prüfchemikalie behandelten Proben, die im selben Lösungsmittel oder Vehikel aufgelöst wurden, zu bestimmen. Bei der Testung mit einer gleichzeitigen Negativkontrolle zeigt diese Probe außerdem an, ob das Lösungsmittel oder Vehikel mit dem Testsystem interagiert.

Negativkontrolle : Ein unbehandeltes Replikat, das alle Komponenten eines Testsystems enthält. Diese Probe wird mit prüfchemikalienbehandelten Proben und anderen Kontrollproben mitgeführt, um festzustellen, ob das Lösungsmittel mit dem Testsystem interagiert.

Nicht eingestuft : Chemikalien, die nicht als Stoffe mit augenreizender Wirkung der UN-GHS-Kategorien 1, 2A oder 2B, der EU-CLP-Kategorien 1 oder 2 oder der US-EPA-Kategorien I, II oder III eingestuft sind.

Positivkontrolle : Ein Replikat, das alle Komponenten eines Testsystems enthält und mit einer Chemikalie behandelt wird, die bekanntermaßen eine positive Reaktion hervorruft. Um sicherzustellen, dass Abweichungen bei der Positivkontrollreaktion im Zeitverlauf bewertet werden können, sollte die Reaktion nicht zu heftig sein.

Prüfchemikalie : Stoff oder Gemisch, der bzw. das nach dieser Prüfmethode getestet wird.

Relevanz : Beschreibung der Beziehung zwischen dem Test und der untersuchten Wirkung und ob der Test aussagekräftig und nützlich für einen bestimmten Zweck ist. Die Relevanz gibt an, inwieweit der Test die untersuchte biologische Wirkung richtig misst oder vorhersagt. Die Relevanz beinhaltet die Prüfung der Genauigkeit (Übereinstimmung) einer Prüfmethode (8).

Schwere Augenschädigung : Erzeugen von Gewebeschäden im Auge oder eine schwerwiegende Verschlechterung des Sehvermögens nach Applikation einer Prüfchemikalie auf die Oberfläche des Auges, die innerhalb von 21 Tagen nach der Applikation nicht vollständig reversibel sind.

Spezifität : Anteil aller negativen/inaktiven Chemikalien, die durch die Prüfmethode korrekt klassifiziert werden. Dies ist ein Maß der Genauigkeit für eine Prüfmethode, die zu kategorischen Ergebnissen führt, und ein wichtiger Aspekt bei der Beurteilung der Relevanz einer Prüfmethode.

Stoff : Wird im UN-GHS verwendet und bezeichnet chemische Elemente und ihre Verbindungen in natürlicher Form oder durch ein Produktionsverfahren hergestellt, einschließlich der zur Wahrung der Produktstabilität notwendigen Zusatzstoffe und der bei der Herstellung entstehenden Verunreinigungen, mit Ausnahme von Lösungsmitteln, die von dem Stoff ohne Beeinträchtigung seiner Stabilität und ohne Änderung seiner Zusammensetzung abgetrennt werden können.

Stoff mit augenreizender Wirkung : a) Chemikalie, die nach Applikation auf die Vorderfläche des Auges eine reversible Augenschädigung verursacht; b) Chemikalien, die als Stoffe mit augenreizender Wirkung der UN-GHS-Kategorien 2A oder 2B, der EU-CLP-Kategorie 2 oder der US-EPA-Kategorien II oder III eingestuft sind.

Stoff mit augenverätzender Wirkung : a) Chemikalie, die das Augengewebe irreversibel schädigt; b) Chemikalien, die als Stoffe mit augenreizender Wirkung der UN-GHS-Kategorie 1, der EU-CLP-Kategorie 1 oder der US-EPA-Kategorie I eingestuft sind.

Stoff mit stark augenreizender Wirkung : a) Chemikalie, die nach Applikation auf die Vorderfläche des Auges das Augengewebe derart schädigt, dass die Schädigung nicht innerhalb von 21 Tagen nach der Applikation des Stoffs zurückgeht oder dass das Sehvermögen schwer beeinträchtigt ist; b) Chemikalien, die als Stoffe mit augenreizender Wirkung der UN-GHS-Kategorie 1, der EU-CLP-Kategorie 1 oder der US-EPA-Kategorie I eingestuft sind.

Validierte Prüfmethode : Eine Prüfmethode, für die zwecks Bestimmung ihrer Relevanz (einschließlich Genauigkeit) und Zuverlässigkeit für einen bestimmten Zweck Validierungsstudien abgeschlossen wurden. Es wird darauf hingewiesen, dass eine validierte Prüfmethode möglicherweise nicht genau und zuverlässig genug ist, um für den vorgeschlagenen Zweck akzeptiert zu werden (8).

Zuverlässigkeit : Maß der Reproduzierbarkeit einer Prüfmethode innerhalb von und zwischen Laboratorien über einen längeren Zeitraum und bei einheitlichem Protokoll. Die Zuverlässigkeit wird durch Berechnung der Intra- und Interlabor-Reproduzierbarkeit und Intralabor-Wiederholbarkeit bewertet.

Anlage 3

LEISTUNGSCHEMIKALIEN FÜR DIE FL-PRÜFMETHODE

Vor der routinemäßigen Anwendung dieser Prüfmethode sollten Laboratorien ihre technische Kompetenz nachweisen, indem sie die in Tabelle 1 empfohlenen acht Chemikalien in die richtige Augenschädigungsklasse einstufen. Diese Chemikalien wurden so ausgewählt, dass sie die Bandbreite der lokalen Augenreizungen/-verätzungen repräsentieren, die auf den Ergebnissen des In-vivo-Kaninchenaugentests (TG 405, TM B.5 (5)) (d. h. den Kategorien 1, 2A, 2B oder „Keine Einstufung“ gemäß UN-GHS) basieren. Angesicht der validierten Zweckmäßigkeit des FL-Tests (d. h. zur Identifizierung von Stoffen mit augenverätzender und stark augenreizender Wirkung) lässt sich die Leistungsfähigkeit lediglich anhand von zwei Testergebnissen zu Einstufungszwecken (verätzend/stark reizend oder nicht verätzend/nicht stark reizend) nachweisen. Weitere Auswahlkriterien betrafen die Erhältlichkeit der Chemikalien im Handel, die Verfügbarkeit hochwertiger In-vivo-Referenzdaten und das Vorhandensein hochwertiger Daten aus der FL-Prüfmethode. Aus diesem Grund wurden die Leistungschemikalien aus der Publikation Fluorescein Leakage Assay Background Review Document as an Alternative Method for Eye Irritation Testing (8) ausgewählt, die zur retrospektiven Validierung der FL-Prüfmethode herangezogen wurde.



Tabelle 1

Empfohlene Chemikalien für den Nachweis der technischen Kompetenz von Laboratorien zur Durchführung des FL-Tests

Chemikalie

CAS-Nr.

Chemikalien-klasse (1)

Physika-lischer Zustand

In-vivo-Klassifizierung (2)

In-vitro-Klassifizierung (3)

Benzalkoniumchlorid (5 %)

8001-54-5

Oniumverbindung

flüssig

Kategorie 1

Verätzend/stark reizend

Promethazin-Hydrochlorid

58-33-3

Amin/Amidin, heterocyclisch, organische Schwefelverbindung

fest

Kategorie 1

Verätzend/stark reizend

Natriumhydroxid (10 %)

1310-73-2

Alkali

flüssig

Kategorie 1

Verätzend/stark reizend

Natrium-laurylsulfat (15 %)

151-21-3

Carbonsäure (Salz)

flüssig

Kategorie 1

Verätzend/stark reizend

4-Carboxy-Benzaldehyd

619-66-9

Carbonsäure, Aldehyd

fest

Kategorie 2(A)

Nicht verätzend/nicht stark reizend

Ammoniumnitrat

6484-52-2

Anorganisches Salz

fest

Kategorie 2(A)

Nicht verätzend/nicht stark reizend

Ethyl-2-methylaceto-acetat

609-14-3

Ketone, Ester

flüssig

Kategorie 2(B)

Nicht verätzend/nicht stark reizend

Glyzerin

56-81-5

Alkohol

flüssig

Keine Einstufung

Nicht verätzend/nicht stark reizend

(1)   Jede Prüfchemikalie wurde anhand einer Standard-Klassifizierungsregelung auf Basis des Klassifizierungssystems der National Library of Medicine Medical Subject Headings (MeSH) einer Chemikalienklasse zugeordnet (abrufbar über http//www.nlm.nih.gov/mesh).

(2)   Gestützt auf Ergebnisse aus dem In-vivo-Kaninchenaugentest (OECD TG 405, TM B.5) unter Verwendung von UN-GHS und EU-CLP.

(3)   Gestützt auf Ergebnisse aus dem FL-Test (INVITTOX-Protokoll Nr. 71 (6))

Abkürzungen: CAS-Nr. = Registernummer des Chemical Abstracts Service

B.62    ALKALISCHER IN-VIVO-COMET-ASSAY AN SÄUGETIERZELLEN

EINLEITUNG

Diese Prüfmethode entspricht der OECD-Prüfrichtlinie 489 (2016). Der alkalische In-vivo-Comet-Assay (Einzelzell-Gelelektrophorese (Single Cell Gel Electrophoresis, SCGE)) (im Folgenden „Comet-Assay“ ) wird für die Erkennung von DNA-Strangbrüchen in Zellen oder Zellkernen eingesetzt, die aus Geweben von Tieren, gewöhnlich Nagern, isoliert wurden, die potenziell toxischen Stoffen ausgesetzt wurden. Der Comet-Assay wurde überprüft, und verschiedene Expertengruppen haben Empfehlungen abgegeben (1) (2) (3) (4) (5) (6) (7) (8) (9) (10). Es wurde ein OECD-Dokument erstellt, das kurz gefasste und hilfreiche Informationen zu Untersuchungen zur genetischen Toxikologie sowie eine Übersicht über die jüngsten Änderungen dieser Prüfrichtlinien enthält (11).

Der Comet-Assay dient zum Nachweis von Chemikalien, die DNA-Schäden auslösen. Durch den Comet-Assay können unter alkalischen Bedingungen (> pH 13) Einzel- und Doppelstrangbrüche nachgewiesen werden, die beispielsweise auf direkte Interaktionen mit der DNA, alkali-labile Stellen oder transiente DNA-Strangbrüche aufgrund einer DNA-Exzisionsreparatur zurückzuführen sind. Diese Strangbrüche können repariert werden, ohne dass eine anhaltende Wirkung eintritt, können tödlich für die Zelle sein oder können zu einer Mutation führen, die eine dauerhafte lebensfähige Veränderung bewirkt. Zudem können sie Chromosomenschäden hervorrufen, die mit vielen Erkrankungen des Menschen, darunter auch Krebs, im Zusammenhang stehen.

Eine formale Validierungsstudie des In-vivo-Comet-Assays an Nagetieren wurde 2006-2012 unter Koordinierung des Japanischen Zentrums zur Validierung alternativer Methoden (JaCVAM) in Zusammenarbeit mit dem Europäischen Zentrum zur Validierung alternativer Methoden (ECVAM) und den US-amerikanischen Validierungszentren Interagency Coordinating Committee on the Validation of Alternative Methods (ICCVAM) und NTP Interagency Center for the Evaluation of Alternative Toxicological Methods (NICEATM) durchgeführt (12). Diese Prüfmethode berücksichtigt die empfohlenen Einsatzbereiche und Einsatzgrenzen des Comet-Assays und basiert auf dem bei der Validierungsstudie angewandten Schlussprotokoll (12) sowie auf weiteren einschlägigen veröffentlichten und unveröffentlichten (laboreigenen) Daten.

Die Definitionen der Schlüsselbegriffe sind Anlage 1 zu entnehmen. Es ist zu beachten, dass für diesen Assay viele verschiedene Plattformen eingesetzt werden können (Objektträger, Gelproben, 96-Mulden-Platten usw.). Zur Vereinfachung wird im Folgenden der Begriff „Objektträger“ verwendet, wobei aber alle anderen Plattformen darin eingeschlossen sind.

VORBEMERKUNGEN UND EINSATZGRENZEN

Der Comet-Assay ist eine Methode zur Bestimmung von DNA-Strangbrüchen in eukaryotischen Zellen. In Agarose eingebettete Einzelzellen/Zellkerne auf einem Objektträger werden mit Detergenzien und hoher Salzkonzentration lysiert. Durch diesen Lyseschritt werden die Zell- und Zellkernmembrane zerstört, sodass die spiralisierten DNA-Schleifen (allgemein als Nukleoide bezeichnet) und die DNA-Fragmente freigelegt werden können. Die Elektrophorese bei hohem pH-Wert führt zu kometartigen Strukturen, die bei Verwendung geeigneter Farbstoffe unter dem Fluoreszenzmikroskop beobachtet werden können; die DNA-Fragmente wandern je nach Größe vom „Kopf“ in den „Schweif“ und die Intensität des Kometenschweifs relativ zur Gesamtintensität (Kopf plus Schweif) entspricht dem Grad des DNA-Bruchs (13) (14) (15).

Der alkalische In-vivo-Comet-Assay ist insbesondere für die Bewertung der genotoxischen Wirkung relevant, da die Reaktionen im Rahmen des Assays von der In-vivo-ADME (Absorption, distribution, metabolism and excretion, Resorption, Verteilung, Metabolisierung und Ausscheidung) sowie von DNA-Reparaturprozessen abhängig sind. Diese unterscheiden sich je nach Tierart, Gewebetyp und Art der DNA-Schädigung.

Zur Einhaltung der Tierschutzanforderungen, insbesondere zur Verringerung der Verwendung von Versuchstieren (3R-Prinzip: Replace, Reduce, Refine — Vermeiden, Verringern, Verbessern) kann dieser Test auch mit anderen toxikologischen Studien, z. B. Toxizitätsstudien mit wiederholter Verabreichung (10) (16) (17), integriert werden oder der Endpunkt kann mit anderen genotoxischen Endpunkten, wie beispielsweise dem In-vivo-Erythrozyten-Mikrokerntest bei Säugern, kombiniert werden (18) (19) (20). Der Comet-Assay wird überwiegend an Nagetieren durchgeführt, wurde aber auch bei anderen Säugetier- und Nichtsäugetierarten angewandt. Die Verwendung von Nichtnagetierarten sollte im Einzelfall wissenschaftlich und ethisch begründet werden. Es wird dringend empfohlen, den Comet-Assay an anderen Arten als Nagetieren nur im Rahmen einer anderen Toxizitätsstudie und nicht als eigenständigen Test durchzuführen.

Expositionspfad und zu untersuchende Gewebe sollten basierend auf allen verfügbaren/vorliegenden Informationen über die Prüfchemikalien, z. B. beabsichtigter/erwarteter Expositionspfad beim Menschen, Metabolisierung und Verteilung, Potenzial für Wirkungen an Kontaktstellen, strukturelle Warnungen, andere Daten zur Genotoxizität oder Toxizität und Zweck der Studie, gewählt werden. Das genotoxische Potenzial der Prüfchemikalien kann daher gegebenenfalls im Zielgewebe bzw. in den Zielgeweben karzinogener und/oder anderer toxischer Wirkungen untersucht werden. Der Test gilt ferner als hilfreich für weitere Untersuchungen zur Genotoxizität, die in einem In-vitro-System nachgewiesen wurde. Es ist zweckmäßig, einen In-vivo-Comet-Assay an einem bestimmten Gewebe durchzuführen, wenn begründeterweise von einer entsprechenden Exposition des Gewebes ausgegangen werden kann.

Der Test wurde am ausführlichsten im Rahmen von Kooperationsstudien wie beispielsweise der JaCVAM-Studie (12) und in Rothfuss et al., 2010 (10) am somatischen Gewebe männlicher Ratten validiert. In der internationalen Validierungsstudie von JaCVAM wurden Leber und Magen verwendet. Die Leber, weil sie das aktivste Organ in der Metabolisierung von Chemikalien und häufig ein Zielorgan für Karzinogenität ist. Der Magen, weil er gewöhnlich die erste Kontaktstelle für Chemikalien nach oraler Aufnahme ist, obwohl andere Bereiche des Magen-Darm-Trakts wie Zwölffingerdarm und Dünndarm ebenfalls als Kontaktstellengewebe untersucht werden sollten und beim Menschen unter Umständen relevanter sind als der Drüsenmagen von Nagetieren. Es muss unbedingt darauf geachtet werden, dass solches Gewebe nicht übermäßig hohen Prüfchemikalienkonzentrationen ausgesetzt wird (21). Das Verfahren ist grundsätzlich bei allen Geweben anwendbar, von denen analysierbare Einzelzell-/Zellkernsuspensionen gewonnen werden können. Proprietäre Daten verschiedener Labors belegen die erfolgreiche Anwendung bei verschiedenen Geweben, und es liegen zahlreiche Publikationen vor, in denen die Anwendbarkeit des Verfahrens bei anderen Organen oder Geweben als Leber und Magen, z. B. Dünndarm (22), Niere (23) (24), Haut (25) (26) oder Harnblase (27) (28), Lunge und bronchoalveoläre Lavage-Zellen (relevant bei Untersuchungen zu eingeatmeten Chemikalien) (29) (30), aufgezeigt wurde. Ferner wurden Tests an mehreren Organen gleichzeitig durchgeführt (31) (32).

Obwohl die genotoxischen Wirkungen in Keimzellen durchaus von Interesse sein mögen, ist zu beachten, dass der standardmäßige alkalische Comet-Assay, der in der Prüfmethode beschrieben wird, für die Messung von DNA-Strangbrüchen in reifen Keimzellen als ungeeignet angesehen wird. Da im Rahmen einer Auswertung der Fachliteratur zum Einsatz des Comet-Assays bei der Untersuchung der Genotoxizität in Keimzellen von hohen und variablen Background-Werten der DNA-Schädigung berichtet wurde (33), werden Änderungen des Protokolls sowie verbesserte Standardisierungs- und Validierungsstudien für notwendig erachtet, bevor der Comet-Assay an reifen Keimzellen (z. B. Spermien) in die Prüfmethode aufgenommen werden kann. Darüber hinaus ist das Expositionsschema, das in dieser Prüfmethode beschrieben wird, nicht optimal. Für eine aussagekräftige Analyse der DNA-Strangbrüche in reifen Spermien wären längere Expositions- oder Probenahmezeiten erforderlich. Genotoxische Wirkungen, die durch den Comet-Assay in Hodenzellen in verschiedenen Differenzierungsstadien gemessen wurden, wurden in der Fachliteratur beschrieben (34) (35). Allerdings sollte beachtet werden, dass Gonaden eine Mischung aus somatischen und Keimzellen enthalten. Aus diesem Grund spiegeln positive Ergebnisse an einer Gonade (Hoden) nicht unbedingt eine Keimzellenschädigung wider, deuten aber darauf hin, dass die geprüfte(n) Chemikalie(n) und/oder ihre Metaboliten die Gonade erreicht haben.

Vernetzungen können mit den Standard-Versuchsbedingungen des Comet-Assays nicht zuverlässig identifiziert werden. Unter bestimmten geänderten Versuchsbedingungen könnten DNA-DNA- und DNA-Protein-Vernetzungen sowie sonstige Basenveränderungen wie beispielsweise oxidierte Basen erkannt werden (23) (36) (37) (38) (39). Jedoch wären weitere Arbeiten notwendig, um die notwendigen Protokolländerungen angemessen zu charakterisieren. Daher ist der Nachweis von Vernetzungsmitteln nicht der primäre Zweck des hierin beschriebenen Tests. Der Test eignet sich, auch mit Änderungen, nicht zum Nachweis von Aneugenen.

Nach aktuellem Kenntnisstand hat der In-vivo-Comet-Assay verschiedene zusätzliche Einsatzgrenzen (siehe Anlage 3). Es wird davon ausgegangen, dass die Prüfmethode in Zukunft überprüft und gegebenenfalls angesichts der gewonnenen Erkenntnisse überarbeitet werden wird.

Bevor die Prüfmethode für die Generierung von Daten für einen bestimmten Regulierungszweck verwendet wird, ist zu prüfen, ob sie für den beabsichtigten Zweck angemessene Ergebnisse liefern kann und, wenn dem so ist, warum. Diese Überlegungen erübrigen sich, wenn die Durchführung von Tests für das Gemisch gesetzlich vorgeschrieben ist.

PRINZIP DER PRÜFMETHODE

Die Prüfchemikalie wird den Tieren über einen geeigneten Applikationsweg verabreicht. Dosierung und Probenahme sind unter den Nummern 36-40 ausführlich beschrieben. Zu den ausgewählten Probenahmezeitpunkten werden die untersuchten Gewebe seziert und Einzelzell-/Zellkernsuspensionen hergestellt (In-situ-Perfusion kann vorgenommen werden, sofern sie als sinnvoll angesehen wird, z. B. Leber) und in Softagar eingebettet, um sie auf Objektträgern zu immobilisieren. Die Zellen/Zellkerne werden mit Lysepuffer behandelt, um die Zell- und/oder Zellkernmembran zu entfernen, und einer starken Lauge, z. B. pH ≥ 13, ausgesetzt, um das „Entwinden“ der DNA und die Freisetzung der relaxierten DNA-Schleifen und -Fragmente zu ermöglichen. Die nukleare DNA im Agar wird dann der Elektrophorese unterzogen. Normale nichtfragmentierte DNA-Moleküle bleiben an der Stelle, an der sich die nukleare DNA im Agar befand, während fragmentierte DNA und relaxierte DNA-Schleifen zur Anode wandern. Nach der Elektrophorese wird die DNA durch einen geeigneten fluoreszierenden Farbstoff sichtbar gemacht. Die Präparate sollten mikroskopisch und mittels voll- oder halbautomatischer Bildanalysesysteme untersucht werden. Der Umfang der DNA-Wanderung bei der Elektrophorese und der Migrationsabstand entsprechen der Menge und Größe der DNA-Fragmente. Beim Comet-Assay gibt es verschiedene Endpunkte. Es wurde empfohlen, den DNA-Inhalt im Schweif ( % DNA im Schweif oder % Schweif-Intensität) zur Bewertung der DNA-Schädigung heranzuziehen (12) (40) (41) (42). Nach der Analyse einer ausreichenden Anzahl von Zellkernen werden die Testergebnisse mit geeigneten Analysemethoden analysiert.

Es ist zu beachten, dass Änderungen verschiedener Aspekte der Methodik, einschließlich Vorbereitung der Proben, Elektrophoresebedingungen, visuelle Analyseparameter (z. B. Farbstoffintensität, Lichtintensität der Mikroskoplampe und Einsatz von Mikroskopfiltern und Kameradynamik), und der Umgebungsbedingungen (z. B. Hintergrundbeleuchtung), untersucht wurden und sich auf die DNA-Wanderung auswirken können (43) (44) (45) (46).

ÜBERPRÜFUNG DER EIGNUNG DES LABORS

Jedes Labor sollte seine experimentelle Kompetenz in Bezug auf den Comet-Assay belegen, indem es seine Fähigkeit zur Herstellung von Einzelzell- oder Zellkernsuspensionen von ausreichender Qualität für jedes Zielgewebe und jede verwendete Tierart nachweist. Die Qualität der Zubereitungen wird in erster Linie anhand des prozentualen DNA-Anteils im Schweif bei mit Vehikel behandelten Tieren bewertet, deren Werte in einen reproduzierbaren niedrigen Bereich fallen. Die aktuellen Daten deuten darauf hin, dass der prozentuale DNA-Anteil im Schweif im Gruppenmittel (basierend auf dem Mittelwert der Mediane — Erläuterungen zu diesen Begriffen unter Nummer 57) in der Rattenleber vorzugsweise 6 % nicht überschreiten sollte, was mit den Werten aus der JaCVAM-Validierungsstudie (12) sowie aus anderen veröffentlichten und proprietären Daten im Einklang stehen würde. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt liegen nicht genügend Daten vor, um Empfehlungen für optimale oder akzeptable Bereiche bei anderen Geweben abzugeben. Dies schließt die Verwendung anderer Gewebe, sofern gerechtfertigt, nicht aus. Der Prüfbericht sollte eine Beurteilung der Leistung des Comet-Assays bei diesen Geweben unter Bezugnahme auf die veröffentliche Literatur oder proprietäre Daten beinhalten. Erstens ist ein niedriger prozentualer DNA-Anteil im Schweif in den Kontrollen wünschenswert, um eine hinreichend dynamische Bandbreite für den Nachweis einer positiven Wirkung zu gewährleisten. Zweitens sollte jedes Labor die erwarteten Reaktionen für direkte Mutagene und Promutagene für verschiedene Wirkungsweisen gemäß den Beispielen in Tabelle 1 (Nummer 29) reproduzieren können.

Beispielsweise können positive Stoffe aus der JaCVAM-Validierungsstudie (12) oder anderen veröffentlichten Daten (siehe Nummer 9), gegebenenfalls mit Begründung, ausgewählt werden, wobei die eindeutigen positiven Wirkungen in den untersuchten Geweben nachgewiesen werden. Zudem sollte die Fähigkeit zum Nachweis von schwachen Wirkungen bekannter Mutagene, wie z. B. niedrig dosiertem EMS, nachgewiesen werden, indem beispielsweise Dosis-Wirkungs-Beziehungen an einer hinreichenden Anzahl von Dosierungen mit entsprechendem Abstand aufgestellt werden. Anfänglich sollte sich das Labor auf den Nachweis der Kompetenz bei den am häufigsten verwendeten Geweben (z. B. Rattenleber) konzentrieren, wobei ein Vergleich zwischen vorliegenden Daten und erwarteten Ergebnissen angestellt werden könnte (12). Die Daten von anderen Geweben wie z. B. Magen, Zwölffingerdarm, Dünndarm, Blut usw. könnten gleichzeitig erfasst werden. Das Labor muss seine Kompetenz für sämtliche Gewebe aller Tierarten, die untersucht werden sollen, nachweisen und aufzeigen, dass eine akzeptable positive Reaktion bei einem bekannten Mutagen (z. B. EMS) im jeweiligen Gewebe erreicht werden kann.

Vehikel-/Negativkontrolldaten sollten erfasst werden, um die Reproduzierbarkeit negativer Reaktionen nachzuweisen und sicherzustellen, dass die technischen Aspekte des Assays vorschriftsmäßig kontrolliert wurden, oder darauf hinzuweisen, dass historische Kontrollbereiche erneut festgelegt werden sollten (siehe Nummer 22).

Es ist zu beachten, dass das Labor, da mehrere Gewebe bei der Sektion gewonnen und für die Comet-Analyse aufgearbeitet werden können, in der Lage sein muss, mehrere Gewebe von einem einzelnen Tier zu gewinnen und somit sicherzustellen, dass keine potenzielle DNA-Läsion verloren geht und die Comet-Analyse nicht beeinträchtigt wird. Die Zeitdauer zwischen der Tötung des Tiers und der Gewinnung der Gewebe zur Aufbereitung kann kritisch sein (siehe Nummer 44).

Da bei der Entwicklung der Kompetenz für diesen Test Tierschutzbelange berücksichtigt werden müssen, können Gewebe von in anderen Tests verwendeten Tieren zur Entwicklung der Kompetenz bei den verschiedenen Aspekten des Tests eingesetzt werden. Darüber hinaus muss während der verschiedenen Phasen der Etablierung einer neuen Prüfmethode in einem Labor nicht unbedingt eine vollständige Studie durchgeführt werden. Ferner können weniger Tiere oder Prüfkonzentrationen bei der Entwicklung der notwendigen Fähigkeiten verwendet werden.

Historische Kontrolldaten

Im Verlauf der Untersuchungen zum Nachweis der Kompetenz sollte das Labor eine Datenbank mit historischen Daten aufbauen, um Positiv- und Negativkontrollbereiche und -verteilungen für die betreffenden Gewebe und Tierarten zu erfassen. Empfehlungen zur Erstellung und Verwendung historischer Daten (d. h. Kriterien für die Aufnahme und den Ausschluss von Daten in bzw. aus der Datenbank und die Akzeptanzkriterien für einen bestimmten Versuch) sind der Literatur zu entnehmen (47). Verschiedene Gewebe und Tierarten sowie verschiedene Vehikel und Verabreichungswege können unterschiedliche prozentuale Schweif-DNA-Werte in den Negativkontrollen ergeben. Daher müssen unbedingt Negativkontrollbereiche für jedes Gewebe und jede Tierart erfasst werden. Labors sollten Qualitätskontrollverfahren anwenden, wie z. B. Qualitätsregelkarten (z. B. C-Karten oder Xbar-Karten (48)), um zu ermitteln, wie variabel ihre Daten sind, und um nachzuweisen, dass die Methodik in ihrem Labor „unter Kontrolle“ ist. Die Auswahl der für Positivkontrollen geeigneten Stoffe, der Dosisbereiche und der Versuchsbedingungen (z. B. Elektrophoresebedingungen) muss zum Nachweis schwacher Wirkungen vielleicht ebenfalls optimiert werden (siehe Nummer 17).

Sämtliche Änderungen am Versuchsprotokoll sind auf ihre Übereinstimmung mit den bereits vorhandenen Datenbanken historischer Kontrolldaten des Labors zu prüfen. Bei größeren Inkonsistenzen sollte eine neue Datenbank historischer Kontrolldaten erstellt werden.

BESCHREIBUNG DER METHODE

Vorbereitungen

Auswahl der Tierart

In der Regel werden junge gesunde und geschlechtsreife Nagetiere üblicher Laborstämme verwendet (die bei Behandlungsbeginn 6 bis 10 Wochen alt sind, wenngleich etwas ältere Tiere auch zulässig sind). Die Auswahl der Nagetierarten sollte basieren auf i) Arten, die in anderen Toxizitätsstudien verwendet werden (um eine Korrelation zwischen den Daten herstellen zu können und integrierte Studien zu ermöglichen), ii) Arten, die in einer Kanzerogenitätsstudie Tumore entwickelt haben (bei der Untersuchung des Mechanismus der Karzinogenese) oder iii) Arten, deren Metabolismus dem des Menschen am ähnlichsten ist, soweit bekannt. In diesem Test werden routinemäßig Ratten verwendet, aber es können auch andere Arten zum Einsatz kommen, sofern dies ethisch und wissenschaftlich begründet ist.

Haltungs- und Fütterungsbedingungen

Bei Nagern soll die Temperatur im Versuchstierraum 22 1 °C (± 3 1 °C) betragen. Die relative Luftfeuchte sollte bei 50 bis 60 % liegen, wenigstens 30 % betragen und außer bei Reinigung des Raumes 70 % vorzugsweise nicht übersteigen. Der Raum sollte künstlich beleuchtet sein, wobei die Beleuchtung im 12-Stunden-Rhythmus ein- und ausgeschaltet werden sollte. An die Versuchstiere kann herkömmliches Laborfutter verfüttert werden, wobei eine unbegrenzte Trinkwasserversorgung zu gewährleisten ist. Die Auswahl des Futters wird eventuell dadurch beeinflusst, dass eine geeignete Beimischung einer Prüfchemikalie gewährleistet werden muss, wenn diese über das Futter verabreicht wird. Nagetiere sollten in kleinen gleichgeschlechtlichen Gruppen (maximal fünf pro Käfig) untergebracht werden, sofern kein aggressives Verhalten zu erwarten ist. Die Tiere sind nur dann einzeln zu halten, wenn dies wissenschaftlich begründet ist. Es sind möglichst feste Böden zu verwenden, da Maschendrahtböden Verletzungen verursachen können (49). Es muss für eine entsprechende Ausgestaltung des Lebensumfelds gesorgt werden.

Vorbereitung der Versuchstiere

Die Tiere werden den Kontroll- und Behandlungsgruppen nach dem Zufallsprinzip zugeordnet. Sie werden individuell gekennzeichnet und über einen Zeitraum von mindestens fünf Tagen vor Behandlungsbeginn unter Laborbedingungen eingewöhnt. Zur individuellen Kennzeichnung der Tiere muss eine minimalinvasive Methode gewählt werden. Geeignete Methoden sind Anbringen von Ringen, Marken oder Mikrochips oder eine biometrische Identifizierung. Kupieren der Ohren oder Zehen ist bei diesen Tests wissenschaftlich nicht gerechtfertigt. Die Käfige sind so anzuordnen, dass sich ihre Position möglichst wenig auswirkt. Zu Beginn des Versuchs sollte die Abweichung des Körpergewichts der Tiere möglichst gering sein und nicht mehr als ± 20 % betragen.

Vorbereitung der Dosierung

Feste Prüfchemikalien sollten vor der Verabreichung an die Tiere in geeigneten Vehikeln gelöst oder suspendiert oder dem Futter oder Trinkwasser beigemischt werden. Flüssige Prüfchemikalien können direkt verabreicht oder zuvor verdünnt werden. Bei Exposition durch Inhalation können die Prüfchemikalien je nach ihren physikalisch-chemischen Eigenschaften als Gas, Dampf oder festes/flüssiges Aerosol verabreicht werden (50) (51).

Es sind frische Zubereitungen der Prüfchemikalie zu verwenden, es sei denn, die Stabilität der Chemikalie bei Lagerung wird nachgewiesen und die entsprechenden Lagerbedingungen werden definiert.

Prüfbedingungen

Vehikel

Das Vehikel sollte bei den gewählten Dosierungen keine toxischen Wirkungen hervorrufen und nicht im Verdacht stehen, mit den Prüfchemikalien eine chemische Reaktion einzugehen. Werden keine allgemein bekannten Vehikel verwendet, so sind Daten zu deren Kompatibilität in Bezug auf Versuchstiere, Verabreichungsweg und Endpunkt beizubringen. Es ist zu empfehlen, als erste Wahl möglichst die Verwendung eines wässrigen Lösungsmittels/Vehikels in Erwägung zu ziehen. Es ist zu beachten, dass einige Vehikel (insbesondere zähflüssige Vehikel) Entzündungen hervorrufen und die Background-Werte der DNA-Strangbrüche an der Kontaktstelle, insbesondere bei mehrfachen Verabreichungen, erhöhen können.

Kontrollen

Positivkontrollen

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sollte jeder Versuch eine Gruppe von mindestens drei analysierbaren Tieren eines Geschlechts oder je Geschlecht, sofern beide Geschlechter verwendet werden (siehe Nummer 32), die mit einem Positivkontrollstoff behandelt wurden, umfassen. Möglicherweise kann die Eignung künftig adäquat nachgewiesen werden, sodass weniger Positivkontrollen erforderlich sind. Bei Verwendung mehrerer Probenahmezeitpunkte (z. B. bei Protokoll mit Einzelverabreichung) müssen nur bei einer Probenahme Positivkontrollen einbezogen werden. In einem solchen Fall sollte für einen ausgewogenen Versuchsplan gesorgt werden (siehe Nummer 48). Die gleichzeitig als Positivikontrollen verwendeten Stoffe müssen nicht auf demselben Weg verabreicht werden wie die Prüfchemikalie. Allerdings ist es wichtig, dass bei der Messung der Wirkungen an Kontaktstellen derselbe Verabreichungsweg angewandt wird. Die Positivkontrollstoffe sollten nachweislich DNA-Strangbrüche in allen für die Prüfchemikalie untersuchten Geweben induzieren. EMS ist wahrscheinlich der am besten geeignete Positivkontrollstoff, da er in allen untersuchten Geweben DNA-Strangbrüche hervorgerufen hat. Die Dosierungen der Positivkontrollstoffe sollten jeweils so gewählt werden, dass mäßige Wirkungen für eine kritische Bewertung der Leistungsfähigkeit und Empfindlichkeit des Tests erreicht werden. Sie könnten auf Dosis-Wirkungs-Kurven beruhen, die das Labor während des Nachweises seiner Kompetenz aufgestellt hat. Der prozentuale DNA-Anteil im Schweif bei Tieren, die gleichzeitig mit einer Positivkontrolle behandelt wurden, sollte mit dem vorab ermittelten Laborbereich für jedes Gewebe und jede Probenahmezeit für diese Tierart übereinstimmen (siehe Nummer 16). Beispiele für Positivkontrollstoffe und einige ihrer Zielgewebe (bei Nagern) sind Tabelle 1 zu entnehmen. In wissenschaftlich begründeten Fällen können auch andere als die in Tabelle 1 genannten Stoffe ausgewählt werden.

Tabelle 1

Beispiele für Positivkontrollstoffe und einige der jeweils zutreffenden Zielgewebe

Ethylmethansulfonat (CAS-Nr. 62-50-0) für sämtliche Gewebe

Ethylnitrosoharnstoff (CAS-Nr. 759-73-9) für Leber und Magen, Zwölffingerdarm oder Dünndarm

Methylmethansulfonat (CAS-Nr. 66-27-3) für Leber, Magen, Zwölffingerdarm oder Dünndarm, Lunge oder bronchoalveoläre Lavage-Zellen, Niere, Harnblase, Lunge, Hoden und Knochenmark/Blut

N-Methyl-N′-nitro-N-nitrosoguanidin (CAS-Nr. 70-25-7) für Magen, Zwölffingerdarm oder Dünndarm

1,2-Dimethylhydrazin-2HCl (CAS-Nr. 306-37-6) für Leber und Darm

N-methyl-N-nitrosoharnstoff (CAS-Nr. 684-93-5) für Leber, Knochenmark, Blut, Niere, Magen, Dünndarm und Hirn.

Negativkontrollen

Jeder Versuch sollte für jede Probenahmezeit und jedes Gewebe eine Gruppe von Negativkontrolltieren umfassen, die nur mit dem Vehikel und ansonsten auf dieselbe Weise wie die Behandlungsgruppen behandelt wurden. Der prozentuale DNA-Anteil im Schweif in den Negativkontrolltieren sollte innerhalb des vorab ermittelten Background-Bereichs des Labors für jedes Gewebe und jede Probenahmezeit für diese Tierart liegen (siehe Nummer 16). Liegen keine historischen oder veröffentlichten Kontrolldaten vor, aus denen hervorgeht, dass weder das gewählte Vehikel noch die Zahl der Verabreichungen oder der Verabreichungsweg schädliche oder genotoxische Wirkungen hervorruft, sollten Vorversuche vor der Komplettstudie durchgeführt werden, um die Akzeptanz der Vehikelkontrolle nachzuweisen.

VERFAHREN

Anzahl und Geschlecht der Tiere

Obwohl nur wenige Daten über weibliche Tiere vorliegen, die bei einem Vergleich zwischen den Geschlechtern in Bezug auf den Comet-Assay herangezogen werden können, reagieren männliche und weibliche Tiere bei anderen In-vivo-Genotoxizitätstest in der Regel ähnlich, sodass die meisten Studien an beiden Geschlechtern durchgeführt werden könnten. Daten, aus denen nennenswerte Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Tieren hervorgehen (z. B. Unterschiede in der systemischen Toxizität, im Stoffwechsel, in der Bioverfügbarkeit usw., einschließlich unter anderem eine Dosisfindungsstudie) legen die Verwendung von Tieren beider Geschlechter nahe. In diesem Fall kann es angebracht sein, eine Studie an männlichen und weiblichen Tieren durchzuführen, z. B. als Teil einer Toxizitätsstudie mit wiederholter Verabreichung. Gegebenenfalls ist die Verwendung eines faktoriellen Versuchsplans geeignet, wenn beide Geschlechter einbezogen werden. Einzelheiten zur Analyse der Daten bei Verwendung eines solchen Versuchsplans sind in Anlage 2 enthalten.

Zu Beginn der Studie (und während des Kompetenznachweises) sollten die Gruppengrößen so festgelegt werden, dass man pro Gruppe mindestens fünf analysierbare Tiere eines Geschlechts — oder je Geschlecht, sofern beide Geschlechter einbezogen werden — erhält (weniger in der gleichzeitigen Positivkontrollgruppe — siehe Nummer 29). Sollte es sich beim Menschen um eine geschlechtsspezifische Exposition handeln, z. B. bei bestimmten Pharmazeutika, ist der Versuch an Tieren des betreffenden Geschlechts durchzuführen. Bei einer gemäß den unter Nummer 33 festgelegten Parametern durchgeführten Studie mit drei Dosisgruppen und gleichzeitigen Negativ- und Positivkontrollgruppen (wobei jede Gruppe aus fünf Tieren desselben Geschlechts besteht) kann als Richtwert für die üblicherweise erforderliche Höchstmenge an Tieren eine Anzahl von 25 bis 35 Versuchstieren angegeben werden.

BEHANDLUNGSPLAN

Die Tiere sollten täglich über einen Zeitraum von mindestens zwei Tagen behandelt werden (d. h. zwei oder mehr Behandlungen in Abständen von ungefähr 24 Stunden), und die Probenahme sollte einmal 2 bis 6 Stunden (oder zum Zeitpunkt Tmax) nach der letzten Behandlung erfolgen (12). Proben aus verlängerten Verabreichungsschemata (z. B. tägliche Dosierung über 28 Tage) sind zulässig. Es wurde nachgewiesen, dass der Comet-Assay erfolgreich mit dem Erythrozyten-Mikrokerntest kombiniert werden kann (10) (19). Jedoch sollte die Logistik im Zusammenhang mit Gewebeproben für die Comet-Analyse unter Berücksichtigung der Anforderungen an Gewebeproben für andere Arten von toxikologischen Bewertungen sorgfältig geplant werden. Die Probenahme 24 Stunden nach der letzten Verabreichung, was bei einer allgemeinen Toxizitätsstudie üblicherweise der Fall ist, ist in den meisten Fällen ungeeignet (siehe Nummer 40 zum Probenahmezeitpunkt). Die Anwendung anderer Behandlungs- und Probenahmepläne sollte begründet werden (siehe Anlage 3). Beispielsweise könnte eine Einzelbehandlung mit mehreren Probenahmen erfolgen, jedoch sollte in einem solchen Fall beachtet werden, dass bei einer Studie mit Einzelverabreichung mehrere Tiere benötigt werden, da mehrere Probenahmezeitpunkte erforderlich sind. Allerdings ist dies gelegentlich vorzuziehen, wenn beispielsweise die Prüfchemikalie eine übermäßige Toxizität nach wiederholter Verabreichung induziert.

Jede Art der Testdurchführung ist akzeptabel, solange die Prüfchemikalie eine positive Wirkung hervorruft oder im Falle einer Negativstudie die Exposition der Zielgewebe oder die Toxizität für diese Zielgewebe durch direkte oder indirekte Hinweise nachgewiesen wurde oder die Limit-Dosis erreicht wird (siehe Nummer 36).

Die Prüfchemikalien können auch in Form von zwei Teilmengen am selben Tag im Abstand von nicht mehr als 2 bis 3 Stunden verabreicht werden, wenn es sich um ein großes Volumen handelt. In diesen Fällen sollte der Zeitpunkt der Probenahme ausgehend vom Zeitpunkt der letzten Verabreichung geplant werden (siehe Nummer 40).

Dosierungen

Wenn zunächst eine Dosisfindungsstudie durchgeführt wird, da keine geeigneten Daten aus anderen einschlägigen Studien zur Dosierungswahl vorliegen, sollte diese im selben Labor unter Verwendung von Tieren derselben Art und Rasse und desselben Geschlechts sowie nach demselben Behandlungsverfahren stattfinden, die nach den gegenwärtigen Ansätzen für die Durchführung von Dosisfindungsstudien in der Hauptstudie zu verwenden sind. Ziel der Studie sollte sein, die maximal verträgliche Dosis (MTD) zu ermitteln, die als die Dosis definiert ist, die für die Dauer der Studie zu leichten toxischen Wirkungen (z. B. eindeutige klinische Anzeichen wie Abweichungen in Verhalten oder Reaktionen, geringer Rückgang des Körpergewichts oder zytotoxische Wirkung auf ein Zielgewebe) führt, jedoch weder zum Tod führt noch Anzeichen von Schmerzen, Leiden oder Ängsten hervorruft, die eine Tötung erforderlich machen würden. Bei einer nicht toxischen Prüfchemikalie beträgt die Höchstdosis (Limit-Dosis) bei einem Behandlungszeitraum von mindestens 14 Tagen 1 000  mg/kg Körpergewicht/Tag. Bei Behandlungszeiträumen von weniger als 14 Tagen beträgt die Höchstdosis (Limit-Dosis) 2 000  mg/kg Körpergewicht/Tag. Bei bestimmten Arten von Prüfchemikalien (z. B. Humanarzneimittel), die spezifischen Vorschriften unterliegen, können andere Grenzwerte gelten.

Chemikalien, die eine Sättigung der toxikokinetischen Eigenschaften aufweisen oder Entgiftungsprozesse einleiten, die nach einer Langzeitgabe möglicherweise zu einem Rückgang der Exposition führen, entsprechen möglicherweise nicht den Dosierungskriterien und sollten anhand einer Einzelfallprüfung bewertet werden.

Bei der akuten und subakuten Version des Comet-Assays sollten neben der Höchstdosis (MTD, maximal mögliche Dosis, maximale Expositionsdosis oder Limit-Dosis) eine absteigende Folge von mindestens zwei zusätzlichen Dosierungen mit geeignetem Abstand (vorzugsweise weniger als 10) für jeden Probenahmezeitpunkt gewählt werden, um dosisbezogene Wirkungen nachzuweisen. Jedoch sollten die verwendeten Dosierungen vorzugsweise einen Bereich vom Höchstwert bis zu einer Dosierung, die wenig oder keine Toxizität erzeugt, abdecken. Werden bei allen untersuchten Dosierungen toxische Wirkungen im Zielgewebe beobachtet, sind weitere Untersuchungen bei nichttoxischen Dosierungen anzuraten (siehe Nummern 54 und 55). Studien, in denen der Verlauf der Dosis-Wirkungs-Kurve umfassender untersucht werden soll, erfordern gegebenenfalls weitere Dosisgruppen.

Verabreichung

Bei der Versuchsplanung ist der zu erwartende Expositionsweg beim Menschen zu berücksichtigen. Daher können mit entsprechender Begründung Verabreichungswege wie etwa eine Aufnahme über die Nahrung, über das Trinkwasser, eine topische, subkutane, intravenöse, orale (über eine Magensonde), intratracheale Verabreichung, durch Inhalation oder Implantation, gewählt werden. In jedem Fall sollte der Verabreichungsweg so gewählt werden, dass eine angemessene Exposition des/der Zielgewebe(s) sichergestellt ist. Eine intraperitoneale Injektion wird in der Regel nicht empfohlen, da sie keinen typischen Expositionsweg beim Menschen darstellt; sie sollte nur mit spezieller Begründung angewandt werden (z. B. bestimmte Stoffe, die als Positivkontrollen verwendet werden, zu Untersuchungszwecken oder für einige intraperitoneal verabreichte Arzneimittel). Die Höchstmenge an Flüssigkeit, die je Gabe über eine Magensonde oder eine Injektion verabreicht werden kann, hängt von der Größe des Versuchstiers ab. Das Volumen sollte 1 ml/100 g Körpergewicht nicht überschreiten, bei wässrigen Lösungen können aber auch 2 ml/100 g Körpergewicht in Betracht gezogen werden. Werden größere Volumina verwendet (sofern durch Tierschutzvorschriften erlaubt), ist dies zu begründen. Soweit möglich sollten verschiedene Dosierungen durch Anpassung der Konzentration der Dosisformulierung erreicht werden, um bei allen Dosen ein konstantes Volumen im Verhältnis zum Körpergewicht sicherzustellen.

Probenahmezeitpunkt

Der Probenahmezeitpunkt ist eine kritische Variable, da er von dem Zeitraum abhängt, der erforderlich ist, bis die Prüfchemikalien ihre maximale Konzentration im Zielgewebe erreichen und DNA-Strangbrüche induziert werden; er muss jedoch vor dem Zeitpunkt liegen, zu dem diese Brüche entfernt oder repariert werden oder zum Zelltod führen. Die Persistenz einiger Läsionen, die zu den im Comet-Assay nachgewiesenen DNA-Strangbrüchen führen, kann sehr kurz sein, zumindest bei einigen in vitro geprüften Chemikalien (52) (53). Wenn solche transienten DNA-Läsionen vermutet werden, sollten Maßnahmen ergriffen werden, um deren Verlust zu verringern, indem sichergestellt wird, dass die Proben der Gewebe ausreichend früh, möglichst vor den nachfolgend angegebenen Standardzeiten, genommen werden. Die optimalen Probenahmezeitpunkte können chemikalien- oder pfadspezifisch sein, was z. B. zu einer raschen Gewebeexposition bei intravenöser Verabreichung oder bei Exposition durch Inhalation führt. Die Probenahmezeitpunkte sollten, sofern vorhanden, anhand von kinetischen Daten (z. B. Zeitpunkt (Tmax), zu dem die höchste Plasma- oder Gewebekonzentration (Cmax) erreicht wird oder im stabilen Zustand bei mehrfacher Verabreichung) bestimmt werden. Liegen keine kinetischen Daten vor, besteht ein akzeptabler Kompromiss für die Messung der Genotoxizität in der Probenahme 2 bis 6 Stunden nach der letzten Behandlung im Falle von zwei oder mehr Behandlungen oder 2 bis 6 und 16 bis 26 Stunden nach einer Einzelverabreichung. In einem solchen Fall ist jedoch darauf zu achten, dass alle Tiere gleichzeitig nach der letzten (oder einzigen) Dosis seziert werden. Ferner können Informationen über das Auftreten toxischer Wirkungen in Zielorganen (falls verfügbar) bei der Wahl geeigneter Probenahmezeitpunkte als Grundlage dienen.

Beobachtungen

Allgemeine klinische Beobachtungen in Bezug auf die Gesundheit der Tiere sollten mindestens einmal täglich, vorzugsweise zum gleichen Zeitpunkt und unter Berücksichtigung des Zeitraums, in dem der Wirkungsgipfel nach Verabreichung der Dosis zu erwarten ist, vorgenommen und protokolliert werden (54). Mindestens zweimal täglich sind alle Tiere auf Morbidität und Mortalität zu überprüfen. Bei länger andauernden Studien sollten alle Tiere mindestens einmal wöchentlich und am Ende des Prüfzeitraums gewogen werden. Die Futteraufnahme sollte bei jedem Futterwechsel und mindestens einmal wöchentlich gemessen werden. Wenn die Prüfchemikalie über das Trinkwasser verabreicht wird, sollte auch die Wasseraufnahme bei jedem Wasserwechsel und mindestens einmal wöchentlich gemessen werden. Tiere, die nicht letale Anzeichen übermäßiger Toxizität aufweisen, sollten vor Ende des Prüfzeitraums getötet werden und werden in der Regel nicht für die Comet-Analyse verwendet.

Gewebegewinnung

Da die Induktion von DNA-Strangbrüchen (Comets) praktisch in jedem Gewebe untersucht werden kann, sollte die Begründung der Auswahl der zu gewinnenden Gewebe eindeutig definiert werden und auf dem Grund für die Durchführung der Studie sowie vorliegenden Daten zu ADME, Genotoxizität, Karzinogenität oder sonstiger Toxizität für die untersuchte Prüfchemikalie beruhen. Wichtige zu berücksichtigende Faktoren sind der Verabreichungsweg (basierend auf dem bzw. den wahrscheinlichen Expositionspfaden beim Menschen), die vorhergesagte Resorption und Verteilung im Gewebe, die Rolle der Metabolisierung und der mögliche Wirkmechanismus der Prüfchemikalien. Die Leber ist das am häufigsten untersuchte Gewebe, für das auch die meisten Daten vorliegen. Wenn keine Hintergrundinformationen vorliegen und keine spezifischen zu untersuchenden Gewebe identifiziert werden, wäre daher eine Probenahme an der Leber gerechtfertigt, da sie ein primärer Ort des Metabolismus xenobiotischer Stoffe und häufig sowohl der/den ursprünglichen Chemikalie(n) als auch Metaboliten ausgesetzt ist. In einigen Fällen kann jedoch die Untersuchung einer direkten Kontaktstelle (z. B. bei oral verabreichten Chemikalien der Drüsenmagen oder Zwölffingerdarm/Dünndarm oder bei inhalierten Chemikalien die Lunge) am zweckmäßigsten sein. Zusätzliche oder alternative Gewebe sollten basierend auf den jeweiligen Gründen für die Durchführung des Versuchs gewählt werden. Allerdings kann es sinnvoll sein, mehrere Gewebe derselben Tiere zu untersuchen, vorausgesetzt, das Labor hat seine Kompetenz bei solchen Geweben sowie im Umgang mit mehreren Geweben gleichzeitig nachgewiesen.

Vorbereitung der Proben

Für die nachstehend (Nummern 44-49) beschriebenen Prozesse ist es wichtig, dass alle Lösungen oder stabilen Suspensionen vor ihrem Verfallsdatum verwendet oder bei Bedarf frisch zubereitet werden. In der nachfolgenden Beschreibung gelten die Zeiträume, um i) die einzelnen Gewebe nach der Sektion zu entnehmen, ii) die Gewebe in Zell-/Zellkernsuspensionen aufzuarbeiten und iii) die Suspension aufzuarbeiten und die Objektträger vorzubereiten, alle als kritische Variablen (siehe Definitionen in Anlage 1). Für jeden dieser Schritte sollte bei der Festlegung der Methode und beim Kompetenznachweis eine akzeptable Zeitdauer festgelegt worden sein.

Die Tiere werden im Einklang mit den einschlägigen Tierschutzvorschriften und nach dem 3R-Prinzip zu den entsprechenden Zeitpunkten nach der letzten Behandlung mit einer Prüfchemikalie getötet. Die ausgewählten Gewebe werden entfernt und seziert und ein Teil wird für den Comet-Assay gewonnen. Gleichzeitig sollte eine Sektion aus demselben Gewebeteil herausgeschnitten und für eine mögliche histopathologische Analyse (siehe Nummer 55) nach Standardmethoden (12) in eine Formaldehydlösung oder eine geeignete Fixierlösung gelegt werden. Das Gewebe für den Comet-Assay wird in einen Zerkleinerungspuffer gelegt, ausreichend mit kaltem Zerkleinerungspuffer gespült, um Restblut zu beseitigen, und bis zur Verarbeitung in eiskaltem Zerkleinerungspuffer aufbewahrt. Eine In-situ-Perfusion kann ebenfalls durchgeführt werden, z. B. bei Leber, Niere.

Es wurden zahlreiche Methoden für die Zell-/Zellkernisolierung veröffentlicht. Dazu gehören das Zerkleinern von Geweben wie beispielsweise Leber und Niere, das Abschaben der Schleimhautoberflächen des Magen-Darm-Trakts, die Homogenisierung und die enzymatische Verdauung. In der JaCVAM-Validierungsstudie wurden lediglich isolierte Zellen untersucht. Um die Methode festzulegen und um zwecks Nachweis der Kompetenz auf die JaCVAM-Versuchsdaten Bezug nehmen zu können, werden isolierte Zellen bevorzugt. Jedoch wurde gezeigt, dass sich das Testergebnis bei Verwendung von isolierten Zellen oder von Zellkernen nicht wesentlich unterschied (8). Ferner führten unterschiedliche Methoden für die Isolierung der Zellen (z. B. Homogenisierung, Zerkleinerung, enzymatische Verdauung und Siebfiltration) zu vergleichbaren Ergebnissen (55). Folglich können entweder isolierte Zellen oder Zellkerne verwendet werden. Das Labor sollte die gewebespezifischen Methoden zur Einzelzell-/Zellkernisolierung sorgfältig prüfen und validieren. Wie bereits unter Nummer 40 erwähnt, kann die Persistenz einiger Läsionen, die zu den vom Comet-Assay nachgewiesenen DNA-Strangbrüchen führen, sehr kurz sein (52) (53). Daher ist es ungeachtet der Methode für die Zubereitung der Einzelzell-/Zellkernsuspensionen wichtig, dass die Gewebe möglichst bald nach Tötung der Tiere aufbereitet und unter Bedingungen aufbewahrt werden, die den Verlust der Läsionen verringern (z. B. durch Lagerung bei niedriger Temperatur). Die Zellsuspensionen sollten bis zur Verwendung eiskalt aufbewahrt werden, sodass die Abweichungen zwischen Proben minimal sind und angemessene Reaktionen bei den Positiv- und Negativkontrollen nachgewiesen werden können.

VORBEREITUNG DER OBJEKTTRÄGER

Die Objektträger sollten schnellstmöglich (im Idealfall innerhalb einer Stunde) nach Zubereitung der Einzelzell-/Zellkernsuspensionen vorbereitet werden. Die Temperatur und die Zeit zwischen der Tötung der Tiere und der Vorbereitung der Objektträger sollten eng kontrolliert und unter Laborbedingungen validiert werden. Durch das Volumen der Zellsuspension, das der Agarose mit niedrigem Schmelzpunkt (gewöhnlich 0,5-1,0 %) zur Vorbereitung der Objektträger beigegeben wird, sollte der Anteil der Agarose mit niedrigem Schmelzpunkt nicht auf weniger als 0,45 % reduziert werden. Die optimale Zelldichte wird durch das Bildanalysesystem bestimmt, das zur Auswertung der Comets verwendet wird.

Lyse

Die Lysebedingungen stellen ebenfalls eine kritische Variable dar und können sich auf die Strangbrüche, die aus spezifischen Arten von DNA-Veränderungen resultieren (bestimmte Alkylierungen und Bildung von Addukten zu Basen der DNA), auswirken. Daher empfiehlt es sich, die Lysebedingungen bei allen Objektträgern innerhalb eines Versuchs so konstant wie möglich zu halten. Nach der Vorbereitung sollten die Objektträger mindestens eine Stunde (oder über Nacht) bei ungefähr 2-8 1 °C bei gedämpften Lichtverhältnissen (z. B. gelbes Licht (oder vor Licht geschützt)) zur Vermeidung einer Exposition gegenüber weißem Licht, das UV-Komponenten enthalten kann, in gekühlte Lyselösung eingelegt werden. Nach dieser Inkubationszeit sollten die Objektträger abgespült werden, um vor der alkalischen Entwindung Detergenz- und Salzreste zu beseitigen. Dies kann unter Verwendung von gereinigtem Wasser, neutralisierender Pufferlösung oder Phosphat-Pufferlösung erfolgen. Elektrophorese-Pufferlösung kann ebenfalls verwendet werden. Dies würde die alkalischen Bedingungen in der Elektrophoresekammer erhalten.

Entwindung und Elektrophorese

Die Objektträger sollten nach dem Zufallsprinzip auf die Plattform einer Unterwasser-Elektrophoreseapparatur gesetzt werden, die so viel Elektrophoreselösung enthält, dass die Oberflächen der Objektträger vollständig bedeckt sind (die Höhe der Bedeckung sollte bei allen Versuchsdurchführungen gleich sein). Bei anderen Arten von Comet-Assay-Elektrophoreseapparaturen, z. B. mit aktiver Kühlung, Umwälzung und Hochleistungsnetzteil, führt eine höhere Bedeckung durch das Lösungsmittel zu einer höheren Stromstärke bei konstanter Spannung. Die Objektträger sollten nach einem ausgewogenen Versuchsplan in den Elektrophoresetank eingelegt werden, damit die Wirkungen von Trends oder Randeffekte im Tank abgeschwächt und Schwankungen zwischen den Chargen möglichst gering gehalten werden. Dies bedeutet, dass jede Elektrophorese-Versuchsdurchführung die gleiche Anzahl von Objektträgern von jedem in der Studie eingeschlossenen Tier und Proben aus den verschiedenen Dosisgruppen, Negativ- und Positivkontrollen umfassen sollte. Die Objektträger sollten mindestens 20 Minuten im Elektrophoresetank belassen werden, damit die DNA sich entwinden kann, und dann unter kontrollierten Bedingungen elektrophoretisch untersucht werden. Diese Bedingungen sollten eine optimale Empfindlichkeit und dynamische Bandbreite des Tests garantieren (d. h. zu akzeptablen Werten des prozentualen DNA-Anteil im Schweif bei Negativ- und Positivkontrollen zur Optimierung der Empfindlichkeit führen). Das Ausmaß der DNA-Wanderung steht im linearen Verhältnis zur Dauer der Elektrophorese sowie zum Potenzial (V/cm). Auf der Grundlage der JaCVAM-Studie könnte dies 0,7 V/cm bei mindestens 20 Minuten sein. Die Dauer der Elektrophorese wird als kritische Variable betrachtet, und die Elektrophoresezeit sollte so eingestellt werden, dass die dynamische Bandbreite optimiert wird. Längere Elektrophoresezeiten (z. B. 30 oder 40 Minuten zur Maximierung der Empfindlichkeit) bewirken bei bekannten Mutagenen in der Regel stärkere Positivreaktionen. Allerdings können längere Elektrophoresezeiten auch zu einer übermäßigen Wanderung in den Kontrollproben führen. Die Spannung sollte in jedem Versuch konstant und die Variabilität der anderen Parameter in einem schmalen, festgelegten Bereich gehalten werden. In der JaCVAM-Studie ergab beispielsweise ein Wert von 0,7 V/cm eine anfängliche Stromstärke von 300 mA. Die Tiefe der Pufferlösung sollte so eingestellt werden, dass die erforderlichen Bedingungen erreicht und während des gesamten Versuchs eingehalten werden. Die Stromstärke am Anfang und Ende der Elektrophoresezeit sollte protokolliert werden. Daher sollten die optimalen Bedingungen während des anfänglichen Nachweises der Kompetenz im jeweiligen Labor bei jedem untersuchten Gewebe ermittelt werden. Die Temperatur der Elektrophoreselösung sollte während der Entwindung und Elektrophorese niedrig gehalten werden (in der Regel 2-10 1 °C) (10). Die Temperatur der Elektrophoreselösung am Anfang der Entwindung sowie am Anfang und Ende der Elektrophorese ist jeweils zu protokollieren.

Nach der Elektrophorese sollten die Objektträger mindestens 5 Minuten lang in die neutralisierende Pufferlösung eingelegt bzw. darin abgespült werden. Gele können angefärbt und „frisch“ (z. B. innerhalb von 1-2 Tagen) ausgewertet oder zur späteren Auswertung (z. B. innerhalb von 1-2 Wochen nach Anfärbung) dehydriert werden (56). Allerdings sollten die Bedingungen während des Nachweises der Kompetenz validiert und historische Daten für jede dieser Bedingungen gesondert erfasst und protokolliert werden. Im letzteren Fall sollten die Objektträger zur Dehydration mindestens 5 Minuten lang in reines Ethanol eingelegt, an der Luft getrocknet und bis zur Auswertung entweder bei Zimmertemperatur oder in einem Behälter in einem Kühlschrank aufbewahrt werden.

Messmethoden

Comets sollten mithilfe eines automatischen oder halbautomatischen Bildanalysesystems quantitativ ausgewertet werden. Die Objektträger werden mit einem geeigneten fluoreszierenden Farbstoff, z. B. SYBR Gold, Green I, Propidiumjodid oder Ethidiumbromid, angefärbt und mit geeigneter Vergrößerung (z. B. 200x) unter einem Mikroskop mit Epi-Fluoreszenz- und entsprechenden Detektoren oder mit einer Digitalkamera (z. B. CCD-Kamera) gemessen.

Die Zellen lassen sich, wie im Atlas of Comet Assay Images (57) beschrieben, in drei Kategorien einteilen, nämlich in auswertbar, nicht auswertbar und Hedgehog (weitere Ausführungen unter Nummer 56). Nur auswertbare Zellen (eindeutig definierter Kopf und Schweif, keine Interferenzen mit Nachbarzellen) sollten für den prozentualen DNA-Anteil im Schweif ausgewertet werden, um Artefakte zu vermeiden. Die Häufigkeit von nicht auswertbaren Zellen muss nicht angegeben werden. Die Häufigkeit von Hedgehogs sollte durch visuelle Auswertung (da das Fehlen eines klar definierten Kopfes bedeutet, dass sie mittels Bildanalyse nicht leicht erkannt werden) von mindestens 150 Zellen pro Probe (näheren Erläuterungen unter Nummer 56) bestimmt und gesondert dokumentiert werden.

Alle zu analysierenden Objektträger, einschließlich der Positiv- und Negativkontrollen, sollten vor der Analyse unabhängig kodiert und „blind“ ausgewertet werden, damit die Auswertung ohne Kenntnis der Behandlungsbedingungen erfolgt. Bei jeder Probe (pro Gewebe pro Tier) sollten mindestens 150 Zellen (ohne Hedgehogs — siehe Nummer 56) analysiert werden. Die Auswertung von 150 Zellen pro Tier bei mindestens fünf Tieren pro Dosis (weniger in der gleichzeitigen Positivkontrolle — siehe Nummer 29) gewährleistet entsprechend der Analyse von Smith et al., 2008, (5) eine hinreichende statistische Aussagekraft. Bei Verwendung von Objektträgern könnten dies zwei oder drei ausgewertete Objektträger pro Probe sein, wenn fünf Tiere pro Gruppe zum Einsatz kommen. Es sollten mehrere Bereiche des Objektträgers in einer solchen Dichte untersucht werden, dass eine Überschneidung von Schweifen ausgeschlossen ist. Die Auswertung am Rand der Objektträger ist zu vermeiden.

DNA-Strangbrüche im Comet-Assay können anhand von unabhängigen Endpunkten wie z. B. dem prozentualen DNA-Anteil im Schweif, der Schweiflänge und dem Schweifmoment gemessen werden. Sofern ein geeignetes Bildanalysesystem verwendet wird, können alle drei Messungen durchgeführt werden. Jedoch wird der prozentuale DNA-Anteil im Schweif (auch als prozentuale Schweif-Intensität bezeichnet) für die Bewertung und Interpretation der Ergebnisse empfohlen (12) (40) (41) (42). Dieser Anteil wird anhand der DNA-Fragmentintensität im Schweif, ausgedrückt als Prozentsatz der Gesamtintensität der Zelle, bestimmt (13).

Gewebeschädigung und Zytotoxizität

Positive Ergebnisse im Comet-Assay sind möglicherweise nicht allein auf Genotoxizität zurückzuführen sein. Auch toxische Wirkungen im Zielgewebe können eine Zunahme der DNA-Wanderung hervorrufen (12) (41). Hingegen ist bei bekannten Genotoxinen häufig eine geringe oder mäßige Zytotoxizität zu beobachten (12), was zeigt, dass der Comet-Assay alleine keine Unterscheidung zwischen DNA-Wanderung, die durch Genotoxizität ausgelöst wird, und durch Zytotoxizität hervorgerufener DNA-Wanderung erlaubt. Wenn jedoch eine Zunahme der DNA-Wanderung beobachtet wird, wird empfohlen, eine Untersuchung auf einen oder mehrere Indikatoren für Zytotoxizität durchzuführen, da dies bei der Interpretation der Ergebnisse hilfreich sein kann. Eine Zunahme der DNA-Wanderung ist bei Vorliegen eindeutiger Anzeichen von Zytotoxizität mit Vorsicht zu interpretieren.

Es wurden zahlreiche Messgrößen für die Zytotoxität vorgeschlagen, wobei histopathologische Veränderungen als relevante Messgröße für Gewebetoxizität gelten. Beobachtungen wie Entzündung, Zellinfiltration, apoptotische oder nekrotische Veränderungen wurden mit einer Zunahme der DNA-Wanderung in Verbindung gebracht. Wie die JaCVAM-Validierungsstudie (12) gezeigt hat, gibt es jedoch keine endgültige Liste der mit einer Zunahme der DNA-Wanderung stets einhergehenden, histopathologischen Veränderungen. Änderungen bestimmter biologischer Parameter (z. B. AST, ALT) können ebenfalls nützliche Informationen über die Gewebeschädigung liefern, und ferner können zusätzliche Indikatoren wie z. B. Caspase-Aktivierung, TUNEL-Färbung, Annexin-V-Färbung usw. in Betracht gezogen werden. Allerdings wurden über die Verwendung dieser Indikatoren in In-vivo-Studien nur wenig Daten veröffentlicht, und nicht alle sind gleich zuverlässig.

Hedgehogs (oder Clouds, Geisterzellen) sind Zellen, deren mikroskopisches Bild einen kleinen oder nicht existenten Kopf und lange, diffuse Schweife zeigt und die als schwer beschädigte Zellen gelten, obwohl die Genese der Hedgehogs unsicher ist (siehe Anlage 3). Aufgrund ihres Aussehens sind Messungen des prozentualen Anteils der Schweif-DNA mittels Bildanalyse unzuverlässig, weshalb Hedgehogs gesondert zu bewerten sind. Das Auftreten von Hedgehogs sollte vermerkt und angegeben werden, und jede relevante Zunahme, bei der davon ausgegangen wird, dass sie auf die Prüfchemikalie zurückzuführen ist, ist zu untersuchen und mit Vorsicht zu interpretieren. Bei solchen Überlegungen kann die Kenntnis der potenziellen Wirkungsweise der Prüfchemikalien von Nutzen sein.

DATEN UND BERICHTERSTATTUNG

Behandlung der Ergebnisse

Die Versuchseinheit ist das Tier. Daher sollten sowohl die Daten für die einzelnen Tiere als auch die zusammengefassten Ergebnisse in tabellarischer Form dargestellt werden. Aufgrund der hierarchischen Art der Daten wird empfohlen, für jeden Objektträger den Median des prozentualen Anteils der Schweif-DNA zu bestimmen und für jedes Tier den Mittelwert der Mediane zu berechnen (12). Anschließend wird der Mittelwert aus den Mittelwerten für die einzelnen Tiere bestimmt, um den Gruppenmittelwert zu erhalten. Alle diese Werte sind in den Bericht aufzunehmen. Alternative Ansätze (siehe Nummer 53) können verwendet werden, sofern dies wissenschaftlich und statistisch begründet ist. Statistische Analysen können nach verschiedenen Ansätzen durchgeführt werden (58) (59) (60) (61). Bei der Auswahl der anzuwendenden statistischen Methoden sollte die Notwendigkeit einer Transformation (z. B. Logarithmus oder Quadratwurzel) der Daten und/oder der Addition einer kleinen Zahl (z. B. 0,001) zu allen Werten (auch Werten ungleich Null), wie in den obigen Referenzdokumenten erörtert, berücksichtigt werden, um die Wirkungen von Null-Zellwerten abzuschwächen. Nähere Informationen zur Analyse von Wechselwirkungen zwischen Behandlung und Geschlecht bei Verwendung beider Geschlechter sowie zur nachfolgenden Analyse der Daten, wenn Unterschiede bestehen oder keine Unterschiede festgestellt werden, sind Anlage 2 zu entnehmen. Daten zur Toxizität bei Tieren und klinische Anzeichen sind ebenfalls anzugeben.

Gültigkeitskriterien

Die Akzeptanz eines Versuchs beruht auf folgenden Kriterien:

a. Die Daten der gleichzeitigen Negativkontrolle gelten als zulässig für die Aufnahme in die Datenbank des Labors mit historischen Negativkontrolldaten (siehe Nummer 16).

b. Gleichzeitige Positivkontrollen (siehe Nummer 29) sollten Reaktionen hervorrufen, die mit denen kompatibel sind, die in der Datenbank mit historischen Positivkontrollen generiert werden und gegenüber den gleichzeitigen Negativkontrollen eine statistisch signifikante Zunahme aufweisen.

c. Eine angemessene Zahl an Zellen und Dosierungen wurde analysiert (Nummer 52 und Nummern 36, 37 und 38).

d. Die Kriterien für die Wahl der höchsten Dosierung stimmen mit den unter Nummer 36 beschriebenen überein.

Bewertung und Interpretation der Ergebnisse

Unter der Voraussetzung, dass alle Gültigkeitskriterien erfüllt sind, gilt eine Prüfchemikalie als eindeutig positiv, wenn

a. mindestens eine der Versuchsdosierungen eine statistisch signifikante Zunahme gegenüber der gleichzeitigen Negativkontrolle aufweist,

b. ein geeigneter Trendtest zeigt, dass die Zunahme dosisabhängig ist,

c. Ergebnisse außerhalb der Verteilung der historischen Negativkontrolldaten für eine bestimmte Tierart, ein Vehikel, einen Verabreichungsweg, ein Gewebe und eine bestimmte Anzahl von Verabreichungen liegen.

Sind alle diese Kriterien erfüllt, wird davon ausgegangen, dass die Prüfchemikalie DNA-Strangbrüche in den in diesem Versuchssystem untersuchten Geweben auslösen kann. Sind nur ein oder zwei dieser Kriterien erfüllt, siehe Nummer 62.

Unter der Voraussetzung, dass alle Gültigkeitskriterien erfüllt sind, gilt eine Prüfchemikalie als eindeutig negativ, wenn

a. keine der Versuchskonzentrationen eine statistisch signifikante Zunahme gegenüber der gleichzeitigen Negativkontrolle aufweist,

b. ein geeigneter Trendtest zeigt, dass es keine dosisabhängige Zunahme gibt,

c. alle Ergebnisse innerhalb der Verteilung der historischen Negativkontrolldaten für eine bestimmte Tierart, ein Vehikel, einen Verabreichungsweg, ein Gewebe und eine bestimmte Anzahl von Verabreichungen liegen,

d. eine Exposition der Zielgewebe oder die Toxizität für die Zielgewebe direkt oder indirekt nachgewiesen wurde.

Es wird dann davon ausgegangen, dass die Prüfchemikalie keine DNA-Strangbrüche in den in diesem Versuchssystem untersuchten Geweben auslösen kann.

Bei einer eindeutig positiven oder negativen Reaktion ist eine Verifizierung nicht erforderlich.

In den Fällen, in denen die Reaktion, weder eindeutig negativ noch eindeutig positiv ist (d. h. nicht alle unter Nummer 59 oder 60 genannten Kriterien sind erfüllt), und um die biologische Relevanz eines Ergebnisses zu untermauern, sollten die Daten durch eine fachkundige Beurteilung bewertet und/oder weitere Untersuchungen durchgeführt werden, wenn dies wissenschaftlich begründet ist. Die Auswertung weiterer Zellen (soweit dies angebracht ist) oder die Durchführung eines Wiederholungsversuchs, möglicherweise unter optimierten Versuchsbedingungen (z. B. Abstände der Dosierungen, andere Verabreichungswege, andere Probenahmezeitpunkte oder andere Gewebe), könnte hilfreich sein.

In seltenen Fällen erlaubt der Datensatz selbst nach weiteren Untersuchungen keine definitive Aussage zu positiven oder negativen Ergebnissen, so dass die Reaktion als nicht eindeutig eingestuft wird.

Um die biologische Relevanz eines positiven oder mehrdeutigen Ergebnisses zu bewerten, sind Informationen zur Zytotoxizität für das Zielgewebe erforderlich (siehe Nummern 54 und 55). Wenn lediglich im Falle von eindeutigen Anzeichen für zytotoxische Wirkungen positive oder mehrdeutige Ergebnisse beobachtet werden, würde die Studie als nicht eindeutig im Hinblick auf die Genotoxizität abgeschlossen werden, außer wenn genügend Informationen vorliegen, die eine endgültige Schlussfolgerung zulassen. Bei einem negativen Studienergebnis mit Anzeichen für Toxizität bei allen untersuchten Dosierungen sind weitere Untersuchungen bei nichttoxischen Dosierungen anzuraten.

Prüfbericht

Der Prüfbericht muss folgende Angaben enthalten:

Prüfchemikalie:

 Herkunft, Partienummer, sofern vorhanden;

 Stabilität der Prüfchemikalie, letztes Verwendungsdatum oder Datum für erneute Analyse, soweit bekannt.

Einkomponentige Substanz:

 Aussehen, Wasserlöslichkeit und weitere relevante physikalisch-chemische Eigenschaften;

 chemische Bezeichnung, wie z. B. IUPAC- oder CAS-Bezeichnung, CAS-Nummer, SMILES- oder InChI-Code, Strukturformel, Reinheit, chemische Zusammensetzung von Verunreinigungen, falls zutreffend und praktisch durchführbar usw.

Mehrkomponentige Substanz, UVCB-Stoffe und Gemische:

 so weit wie möglich charakterisiert durch die chemische Zusammensetzung (siehe oben), das quantitative Vorkommen und die relevanten physikalisch-chemischen Eigenschaften der einzelnen Komponenten.

Lösungsmittel/Vehikel:

 Begründung der Auswahl des Lösungsmittels/Vehikels;

 Löslichkeit und Stabilität der Prüfchemikalie im Lösungsmittel/Vehikel, falls bekannt;

 Zubereitung der Dosisformulierungen;

 analytische Bestimmungen der Formulierungen (z. B. Stabilität, Homogenität, nominale Konzentrationen).

Versuchstiere:

 verwendete Tierart/Rasse, wissenschaftliche und ethische Begründung für deren Wahl;

 Anzahl, Alter und Geschlecht der Tiere;

 Herkunft der Tiere, Haltungsbedingungen, Futter, Ausgestaltung der Käfige usw.;

 individuelles Gewicht der Tiere am Anfang und am Ende des Versuchs, einschließlich Bereich, Mittelwert und Standardabweichung des Körpergewichts für jede Gruppe.

Prüfbedingungen:

 Positiv- und Negativ-(Vehikel-/Lösungsmittel-)Kontrollen;

 Ergebnisse einer Dosisfindungsstudie (falls durchgeführt);

 Begründung der gewählten Dosisstufen;

 Angaben zur Zubereitung der Prüfchemikalie;

 Angaben zur Verabreichung der Prüfchemikalie;

 Begründung des Verabreichungswegs;

 Injektionsstelle (bei Studien mit subkutaner oder intravenöser Verabreichung);

 Methoden für die Aufbereitung der Proben, falls verfügbar, histopathologische Analysen, insbesondere bei einer Chemikalie mit positiver Reaktion im Comet-Assay;

 Begründung der Gewebeauswahl;

 Methoden zur Überprüfung, ob die Prüfchemikalie ins Zielgewebe oder in den allgemeinen Kreislauf gelangt ist, im Falle negativer Ergebnisse;

 tatsächliche Dosis (mg/kg Körpergewicht/Tag), berechnet aus der Konzentration der Prüfchemikalie im Futter/Wasser (ppm) und der Futter- bzw. Wasseraufnahme, falls zutreffend;

 Angaben zu Futter- und Wasserqualität;

 nähere Angaben zu Behandlungs- und Stichprobenentnahmeplänen und Begründungen der Wahl (z. B. toxikokinetische Daten, falls verfügbar);

 Schmerzlinderungs-, Analgesiemethode;

 Angaben zur Methode der humanen Tötung;

 Verfahren zur Isolierung und Konservierung der Gewebe;

 Methoden zur Zubereitung von Einzelzell-/Zellkernsuspensionen;

 Herkunft und Partienummern aller Reagenzien (soweit möglich);

 Methoden zur Bewertung der Zytotoxizität;

 Elektrophoresebedingungen;

 angewandte Anfärbemethoden und

 Methoden zur Auswertung und Messung von Comets.

Ergebnisse:

 gegebenenfalls allgemeine klinische Beobachtungen vor und während des Testzeitraums bei jedem Tier;

 Nachweise für Zytotoxizität, falls untersucht;

 bei Studien von mehr als einer Woche: individuelles Gewicht der Tiere während der Studie, einschließlich Bereich, Mittelwert und Standardabweichung des Körpergewichts für jede Gruppe; Futteraufnahme;

 gegebenenfalls Dosis-Wirkungs-Beziehung;

 für jedes Gewebe/Tier prozentualer DNA-Anteil im Schweif (oder andere Messwerte, falls ausgewählt) und Mediane pro Objektträger, Mittelwerte pro Tier und Mittelwerte pro Gruppe;

 gleichzeitige und historische Negativkontrolldaten mit Bereichen, Mittelwerten/Medianen und Standardabweichungen für jedes bewertete Gewebe;

 gleichzeitige und historische Positivkontrolldaten;

 für andere Gewebe als die Leber Dosis-Wirkungs-Kurve, einschließlich Positivkontrolle. Diese kann auf den während des Nachweises der Kompetenz erfassten Daten basieren (siehe Nummern 16 und 17). Ferner sollte mit Verweisen auf die aktuelle Literatur belegt werden, dass Größenordnung und Streuung der Reaktionen auf die Kontrollen bei diesem Gewebe angemessen sind;

 statistische Analysen und angewandte Methoden; Kriterien für die Einstufung einer Wirkung als positiv, negativ oder nicht eindeutig;

 Häufigkeit von Hedgehogs in jeder Gruppe und pro Tier.

Erörterung der Ergebnisse

Schlussfolgerung

Referenzdokumente

LITERATURHINWEISE

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(35) Cordelli, E. et al. (2003), Evaluation of DNA damage in different stages of mouse spermatogenesis after testicular X irradiation, Journal of Radiation Research, Vol. 160/4, 443-451.

(36) Merk, O., G. Speit (1999), Detection of crosslinks with the Comet assay in relationship to genotoxicity and cytotoxicity, Environmental and Molecular Mutagenesis, Vol. 33/2, 167-72.

(37) Pfuhler, S., H.U. Wolf (1996), Detection of DNA-crosslinking agents with the alkaline Comet assay, Environmental and Molecular Mutagenesis, Vol. 27/3, 196-201.

(38) Wu, J.H., N.J. Jones (2012), Assessment of DNA interstrand crosslinks using the modified alkaline Comet assay, Methods in Molecular Biology, Vol. 817, 165-81.

(39) Spanswick, V.J., J.M. Hartley, J.A. Hartley (2010), Measurement of DNA interstrand crosslinking in individual cells using the Single Cell Gel Electrophoresis (Comet) assay, Methods in Molecular Biology, Vol. 613, 267-282.

(40) Kumaravel, T.S., A.N. Jha (2006), Reliable Comet assay measurements for detecting DNA damage induced by ionizing radiation and chemicals, Mutation Research/Genetic Toxicology and Environmental Mutagenesis, Vol. 605(1-2), 7-16.

(41) Burlinson, B. et al. (2007), Fourth International Workgroup on Genotoxicity Testing: result of the in vivo Comet assay workgroup, Mutation Research, Vol. 627/1, 31-5.

(42) Kumaravel, T.S. et al. (2009), Comet Assay measurements: a perspective, Cell Biology and Toxicology, Vol. 25/1, 53-64.

(43) Ersson, C., L. Möller (2011), The effects on DNA migration of altering parameters in the Comet assay protocol such as agarose density, electrophoresis conditions and durations of the enzyme or the alkaline treatments, Mutagenesis, Vol. 26/6, 689-95.

(44) Møller, P. et al. (2010), Assessment and reduction of Comet assay variation in relation to DNA damage: studies from the European Comet Assay Validation Group, Mutagenesis, Vol. 25/2, 109-11.

(45) Forchhammer, L. et al. (2010), Variation in the measurement of DNA damage by Comet assay measured by the ECVAG inter-laboratory validation trial, Mutagenesis, Vol. 25/2, 113-23.

(46) Azqueta, A. et al. (2011), Towards a more reliable comet assay: Optimising agarose concentration, unwinding time and electrophoresis conditions, Mutation Research, Vol. 724/1-2, 41-45.

(47) Hayashi, M. et al. (2011), Compilation and use of genetic toxicity historical control data, Mutation Research, Vol. 723/2, 87-90.

(48) Ryan, T. P. (2000), Statistical Methods for Quality Improvement, John Wiley and Sons, New York 2nd ed.

(49) Appendix A of the European Convention for the Protection of Vertebrate Animals used for Experimental and other Scientific Purposes (ETS No. 123)

(50) Kapitel B.8 dieses Anhangs: Prüfung auf subakute Toxizität nach Inhalation: 28-Tage-Test.

(51) Kapitel B.29 dieses Anhangs: Prüfung auf subchronische Toxizität nach Inhalation: 90-Tage-Test.

(52) Blakey, D.H., G.R. Douglas (1984), Transient DNA lesions induced by benzo[a]pyrene in Chinese hamster ovary cells, Mutation Research, Vol. 140/2-3, 141-45.

(53) Blakey, D.H., G.R. Douglas (1990), The role of excision repair in the removal of transient benzo[a]pyrene-induced DNA lesions in Chinese hamster ovary cells, Mutation Research, Vol. 236/1, 35-41.

(54) OECD (2002), „Guidance Document on the Recognition, Assessment and Use of Clinical Signs as Humane Endpoints for Experimental Animals Used in Safety Evaluation“ , OECD Environment, Health and Safety Publications (EHS), Series on Testing and Assessment, No. 19, OECD Publishing, Paris.

(55) Nakajima, M. (2012), Tissue sample preparation for in vivo rodent alkaline Comet assay, Genes and Environment, Vol. 34/1, 50-4.

(56) Hartmann, A. et al. (2003), Recommendations for conducting the in vivo alkaline Comet assay, Mutagenesis, Vol.18/1, 45–51.

(57)  Atlas of Comet Assay Images, Scientist Press Co., Ltd., Tokio, Japan.

(58) Lovell, D.P., G. Thomas, R. Dubow (1999), Issues related to the experimental design and subsequent statistical analysis of in vivo and in vitro Comet studies, Teratogenesis Carcinogenesis Mutagenesis, Vol. 19/2, 109-19.

(59) Wiklund, S.J., E. Agurell (2003), Aspects of design and statistical analysis in the Comet assay, Mutagenesis, Vol. 18/2, 167-75.

(60) Bright, J. et al. (2011), Recommendations on the statistical analysis of the Comet assay, Pharmaceutical Statistics, Vol. 10/6, 485-93.

(61) Lovell, D.P., T. Omori (2008), Statistical issues in the use of the Comet assay, Mutagenesis, Vol. 23/3, 171-82.

Anlage 1

DEFINITIONEN

Alkalische Einzelzell-Gelelektrophorese : Empfindliches Verfahren zum Nachweis primärer DNA-Schädigungen auf Einzelzell-/Zellkernebene.

Chemikalie : Stoff oder Gemisch.

Comet : Kometähnliche Form, die Nucleoide nach Einwirkung eines elektrophoretischen Felds annehmen: Der Kopf ist der Zellkern, und der Schweif wird durch die DNA gebildet, die aufgrund des elektrischen Felds aus dem Zellkern gewandert ist.

Kritische Variable/kritischer Parameter : Dies ist eine Protokollvariable, bei der sich eine kleine Änderung erheblich auf die Schlussfolgerung des Tests auswirken kann. Kritische Variablen können gewebespezifisch sein. Kritische Variablen sollten (insbesondere innerhalb eines Tests) nicht geändert werden, ohne zu prüfen, wie sich die Änderung auf die Assay-Reaktion auswirkt, wie beispielsweise durch die Größenordnung und Variabilität bei den Positiv- und Negativkontrollen angedeutet. Im Prüfbericht sollten Änderungen an kritischen Variablen, die während des Tests oder gegenüber dem Standardprotokoll des Labors vorgenommen wurden, angegeben und einzeln begründet werden.

Prüfchemikalie : Stoff oder Gemisch, der bzw. das nach dieser Prüfmethode getestet wird.

Schweif-Intensität oder % DNA im Schweif : Dies entspricht der Intensität des Comet-Schweifs bezogen auf die Gesamtintensität (Kopf plus Schweif) und spiegelt den als Prozentsatz ausgedrückten Anteil der DNA-Schädigung wider.

UVCB : Stoffe mit unbekannter oder schwankender Zusammensetzung, komplexe Reaktionsprodukte oder biologische Materialien.

Anlage 2

FAKTORIELLER VERSUCHSPLAN ZUR ERMITTLUNG GESCHLECHTSSPEZIFISCHER UNTERSCHIEDE BEIM IN-VIVO-COMET-ASSAY

Faktorieller Versuchsplan und Analyse

Bei diesem Versuchsplan werden mindestens fünf männliche und fünf weibliche Tiere je Konzentration getestet. Dies ergibt einen Versuch, bei dem mindestens 40 Tiere verwendet werden (20 männliche und 20 weibliche zzgl. entsprechender Positivkontrollen).

Der Versuchsaufbau, der zu den einfacheren faktoriellen Versuchsplänen zählt, entspricht einer zweifaktoriellen Varianzanalyse, wobei Geschlecht und Konzentration die Hauptfaktoren sind. Die Daten können anhand vieler Standard-Statistiksoftwareanwendungen wie SPSS, SAS, STATA oder Genstat oder auch mit R analysiert werden.

Bei der Analyse wird die Varianz im Datensatz in die zwischen den Geschlechtern, die zwischen den Konzentrationen und die in Zusammenhang mit den Interaktionen zwischen den Geschlechtern und Konzentrationen partinioniert. Jeder der Terme wird anhand eines Schätzwerts der Varianz zwischen den Replikatversuchstieren innerhalb der gleichgeschlechtlichen Tiergruppen überprüft, die die gleiche Konzentration erhalten haben. Die zugrundeliegende Methodik ist in vielen Standardwerken zur Statistik (siehe Referenzdokumente) und in den in Statistiksoftware-Pakten mitgelieferten Hilfe-Funktionen im Einzelnen beschrieben.

Die Analyse erfolgt durch Prüfung des Terms der Interaktion „Geschlecht x Konzentration“ in der ANOVA-Tabelle ( 48 ). Liegt kein signifikanter Term für die Interaktion vor, ergeben die kombinierten Werte für beide Geschlechter oder mehrere Konzentrationen eine zulässige Grundlage für statistische Tests zwischen den Konzentrationen aufgrund des Terms der ANOVA für die Varianz der innerhalb eines solchen Gruppe zusammengefassten Werte.

Die Analyse wird fortgesetzt mit der Partitionierung der geschätzten Varianz zwischen den Konzentrationen in kontrastierende Klassen, die die Grundlage bilden für einen Test auf lineare und quadratische Abhängigkeit der Reaktionen bei den verschiedenen Konzentrationen. Liegt dagegen eine signifikante Interaktion „Geschlecht x Konzentration“ vor, so kann dieser Term auch in Gegenüberstellung der Interaktion „linear x Geschlecht“ und „quadratisch x Geschlecht“ partitioniert werden. Anhand dieser Terme kann geprüft werden, ob die Reaktionen auf die Konzentrationen bei beiden Geschlechtern parallel verlaufen oder ob die Geschlechter unterschiedlich reagieren.

Der Schätzwert für die Varianz der innerhalb der Gruppen zusammengefassten Werte kann als Grundlage für paarweise Tests zu Abweichungen zwischen den Mittelwerten dienen. Diese Vergleiche könnten zwischen den Mittelwerten für die beiden Geschlechter und zwischen den Mittelwerten für die verschiedenen Konzentrationen durchgeführt werden, beispielsweise um einen Vergleich mit den Negativkontrollen vorzunehmen. Bei signifikanter Interaktion können die Mittelwerte verschiedener Konzentrationen innerhalb eines Geschlechts oder die Mittelwerte beider Geschlechter bei derselben Konzentration verglichen werden.

Referenzdokumente

Es sind viele Werke zur Statistik erhältlich, in denen die Theorie, der Aufbau, die Methodik, die Analyse und die Interpretation faktorieller Versuchspläne erörtert werden, von einfachen Zweifaktorenanalysen bis hin zu komplexeren Formen, wie sie in der „Design of Experiment“-Methode verwendet werden. Die folgende Auflistung ist nicht erschöpfend. Einige Bücher enthalten Beispiele für die Anwendung vergleichbarer Versuchspläne, in einigen Fällen auch mit einem Code zur Durchführung der Analysen unter Verwendung verschiedener Softwarepakete.

(1) Box, G.E.P, Hunter, W.G. and Hunter, J.S. (1978). Statistics for Experimenters. An Introduction to Design, Data Analysis, and Model Building. New York: John Wiley & Sons.

(2) Box G.E.P. & Draper, N.R. (1987) Empirical model-building and response surfaces. John Wiley & Sons Inc.

(3) Doncaster, C.P. & Davey, A.J.H. (2007) Analysis of Variance and Covariance: How to choose and Construct Models for the Life Sciences. Cambridge University Press.

(4) Mead, R. (1990) The Design of Experiments. Statistical principles for practical application. Cambridge University Press.

(5) Montgomery D.C. (1997) Design and Analysis of Experiments. John Wiley & Sons Inc.

(6) Winer, B.J. (1971) Statistical Principles in Experimental Design. McGraw Hill.

(7) Wu, C.F.J & Hamada, M.S. (2009) Experiments: Planning, Analysis and Optimization. John Wiley & Sons Inc.

Anlage 3

GEGENWÄRTIGE EINSATZGRENZEN DES TESTS

Nach aktuellem Kenntnisstand sind mit dem In-vivo-Comet-Assay verschiedene Einsatzgrenzen verbunden. Es wird davon ausgegangen, dass diese Einsatzgrenzen in dem Maße verringert oder enger definiert werden, wie zunehmende Erfahrungen mit der Anwendung des Tests zur Klärung von Sicherheitsfragen in einem regulatorischen Umfeld beitragen.

1. Einige Arten von DNA-Schädigungen können kurzlebig sein, d. h. zu rasch repariert werden, um 24 Stunden oder noch später nach der letzten Dosis beobachtet werden zu können. Es liegt weder eine Liste der Arten von kurzlebigen Schädigungen noch der Chemikalien vor, die diese Art von Schädigung wahrscheinlich auslösen, und es ist zudem nicht bekannt, über welchen Zeitraum diese Art von Schädigung nachweisbar ist. Die optimalen Probenahmezeitpunkte können außerdem spezifisch für die jeweilige Chemikalie oder den Verabreichungsweg sein und sollten auf kinetischen Daten (z. B. Zeitpunkt Tmax, zu dem die höchste Plasma- oder Gewebekonzentration erreicht wird) basieren, falls solche Daten vorliegen. In den meisten Validierungsstudien, auf die sich diese Prüfmethode stützt, wurde eine Sektion 2 oder 3 Stunden nach Verabreichung der letzten Dosis angegeben. In der veröffentlichten Literatur wird beschrieben, dass bei den meisten Studien die letzte Dosis 2 bis 6 Stunden vor der Tötung verabreicht wurde. Daher wurden diese Versuche als Grundlage für die Empfehlung in der Prüfmethode verwendet, wonach in Ermangelung von Daten, die eine andere Vorgehensweise nahelegen, die letzte Dosis zu einem festgelegten Zeitpunkt zwischen 2 und 6 Stunden vor der Sektion verabreicht werden sollte.

2. Es gibt keine validierten Daten zur Empfindlichkeit des Versuchs in Bezug auf den Nachweis kurzlebiger DNA-Schädigungen nach Verabreichung im Futter oder Trinkwasser im Vergleich zur Verabreichung über eine Magensonde. DNA-Schädigungen nach Verabreichung im Futter oder Trinkwasser wurden zwar nachgewiesen, aber es gibt nur wenige solcher Berichte verglichen mit der weitaus größeren Erfahrung mit Magensonden und intraperitonealer Verabreichung. Somit kann die Empfindlichkeit des Tests bei Chemikalien, die bei Verabreichung im Futter oder Trinkwasser kurzlebige Schädigungen auslösen, reduziert sein.

3. Da keine Interlaborstudien an anderen Geweben als Leber und Magen durchgeführt wurden, gibt es keine Empfehlung dazu, wie eine empfindliche und reproduzierbare Reaktion in anderen Geweben als Leber, wie z. B. zu erwartende Bereiche bei Positiv- und Negativkontrollen, zu erreichen ist. Für die Leber konnte ferner keine Einigung über die Festlegung einer niedrigeren Grenze für den Negativkontrollwert erzielt werden.

4. Obwohl in verschiedenen Veröffentlichungen die unklare zytotoxische Wirkung in vitro aufgezeigt wurde, wurden nur sehr wenige In-vivo-Daten veröffentlicht, sodass keine einzelne Messgröße für die Zytotoxizität empfohlen werden konnte. Histopathologische Veränderungen wie Entzündung, Zellinfiltration, apoptotische oder nekrotische Veränderungen wurden mit einer Zunahme der DNA-Wanderung in Verbindung gebracht. Wie die JaCVAM-Validierungsstudie (OECD, 2014) gezeigt hat, führen diese Veränderungen nicht immer zu positiven Comet-Ergebnissen, sodass keine endgültige Liste der stets mit einer Zunahme der DNA-Wanderung einhergehenden, histopathologischen Veränderungen vorliegt. Es wurde vorgeschlagen, Hedgehogs (oder Clouds, Geisterzellen) als Indikator für Zytotoxizität zu verwenden, doch die Genese der Hedgehogs ist unklar. Es liegen Daten vor, die darauf hindeuten, dass sie durch Zytotoxizität der Chemikalien, mechanisch/enzyminduzierte Schäden, die während der Aufbereitung der Proben hervorgerufen werden (Guerard et al., 2014), und/oder eine extremere Wirkung der Genotoxizität der Prüfchemikalie verursacht werden können. Andere Daten scheinen darauf hinzudeuten, dass sie auf umfangreiche, aber vielleicht reparierbare DNA-Schädigungen zurückzuführen sind (Lorenzo et al., 2013).

5. Gewebe oder Zellkerne wurden erfolgreich für eine spätere Analyse eingefroren. Dies führt gewöhnlich zu einem messbaren Effekt bei der Reaktion auf die Vehikel- und Positivkontrolle (Recio et al., 2010; Recio et al., 2012; Jackson et al., 2013). Wenn das Labor dieses Verfahren anwendet, sollte es seine Kompetenz bei Einfriermethoden nachweisen und belegen, dass die Bereiche der prozentualen DNA-Anteile im Schweif in den Zielgeweben bei den mit dem Vehikel behandelten Tieren ausreichend niedrig sind und positive Reaktionen noch nachweisbar sind. In der Literatur wurden verschiedene Methoden für das Einfrieren von Gewebe beschrieben. Allerdings besteht kein Einvernehmen darüber, wie Gewebe am besten einzufrieren und aufzutauen sind und wie zu bewerten ist, ob eine potenziell geänderte Wirkung die Empfindlichkeit des Tests beeinträchtigen kann.

6. Neuere Arbeiten zeigen, dass davon auszugehen ist, dass die Liste der kritischen Variablen weiter verkürzt wird und die Parameter für kritische Variablen näher definiert werden (Guerard et al., 2014).

Referenzdokumente

(1) Guerard, M., C. Marchand, U. Plappert-Helbig (2014), Influence of Experimental Conditions on Data Variability in the Liver Comet Assay, Environmental and Molecular Mutagenesis, Vol. 55/2, pp. 114-21.

(2) Jackson, P. et al. (2013), Validation of use of frozen tissues in high-throughput comet assay with fully-automatic scoring, Mutagenesis, Vol. 28/6, pp. 699-707.

(3) Lorenzo, Y. et al. (2013), The comet assay, DNA damage, DNA repair and cytotoxicity: hedgehogs are not always dead, Mutagenesis, Vol. 28/4, pp. 427-32.

(4) OECD (2014), Reports of the JaCVAM initiative international pre-validation and validation studies of the in vivo rodent alkaline comet assay for the detection of genotoxic carcinogens, Series on Testing and Assessment, Nos. 195 and 196, OECD Publishing, Paris.

(5) Recio L, Hobbs C, Caspary W, Witt KL, (2010), Dose-response assessment of four genotoxic chemicals in a combined mouse and rat micronucleus (MN) and Comet assay protocol, J. Toxicol. Sci. 35:149-62.

(6) Recio, L. et al. (2012), Comparison of Comet assay dose-response for ethyl methanesulfonate using freshly prepared versus cryopreserved tissues, Environmental and Molecular Mutagenesis, Vol. 53/2, pp. 101-13.

▼B




TEIL C: METHODEN ZUR BESTIMMUNG DER ÖKOTOXIZITÄT

INHALTSVERZEICHNIS

C.1.

AKUTE TOXIZITÄT FÜR FISCHE

C.2.

DAPHNIA-SP.-TEST AUF AKUTE SCHWIMMUNFÄHIGKEIT

C.3.

SÜSSWASSERALGEN UND CYANOBAKTERIEN: WACHSTUMSINHIBITIONSTEST

C.4.

BIOLOGISCHE ABBAUBARKEIT — BESTIMMUNG DER „LEICHTEN“ BIOLOGISCHEN ABBAUBARKEIT

TEIL I.

ALLGEMEINES

TEIL II.

DOC-DIE-AWAY–TEST — ABNAHME VON GELÖSTEM ORGANISCHEM KOHLENSTOFF (DOC) (Methode C.4-A)

TEIL III.

MODIFIZIERTER OECD-SCREENING-TEST (Methode C.4-B)

TEIL IV.

CO2-ENTWICKLUNGSTEST (Methode C.4-C)

TEIL V.

MANOMETRISCHER RESPIRATIONSTEST (Methode C.4-D)

TEIL VI.

GESCHLOSSENER FLASCHENTEST (Methode C.4-E)

TEIL VII.

MITI-TEST (Methode C.4-F)

C.5.

ABBAUBARKEIT — BIOCHEMISCHER SAUERSTOFFBEDARF

C.6.

ABBAUBARKEIT — CHEMISCHER SAUERSTOFFBEDARF

C.7.

ABBAUBARKEIT — ABIOTISCHER ABBAU: HYDROLYSE IN ABHÄNGIGKEIT VOM pH-WERT

C.8.

TOXIZITÄT FÜR REGENWÜRMER

C.9.

BIOLOGISCHE ABBAUBARKEIT — ZAHN-WELLENS-TEST

C.10.

SIMULATION DER AEROBEN ABWASSERBEHANDLUNG: C.10-A: BELEBTSCHLAMM — C.10-B: BIOFILME

C.11.

BELEBTSCHLAMM, PRÜFUNG DER ATMUNGSHEMMUNG (KOHLENSTOFF- UND AMMONIUMOXIDATION)

C.12.

BIOLOGISCHE ABBAUBARKEIT — MODIFIZIERTER SCAS-TEST

C.13.

BIOAKKUMULATIONSPRÜFUNG AM FISCH MIT AQUATISCHER EXPOSITION UND EXPOSITION ÜBER DAS FUTTER

C.14.

WACHSTUMSTEST AN JUNGFISCHEN

C.15.

FISCHE, KURZFRISTIGE TOXIZITÄTSPRÜFUNG AN EMBRYONEN UND JUNGFISCHEN MIT DOTTERSACK

C.16.

HONIGBIENEN — AKUTE ORALE TOXIZITÄTSPRÜFUNG

C.17.

HONIGBIENEN — AKUTE KONTAKTTOXIZITÄTSPRÜFUNG

C.18.

ADSORPTION/DESORPTION NACH EINER SCHÜTTELMETHODE

C.19.

SCHÄTZUNG DES ADSORPTIONSKOEFFIZIENTEN (Koc) IM BODEN UND IN KLÄRSCHLAMM MITTELS DER HOCHDRUCK- FLÜSSIGCHROMATOGRAFIE (HPLC)

C.20.

DAPHNIA MAGNA-REPRODUKTIONSTEST

C.21.

BODENMIKROORGANISMEN: STICKSTOFFTRANSFORMATIONSTEST

C.22.

BODENMIKROORGANISMEN: KOHLENSTOFFTRANSFORMATIONSTEST

C.23.

AEROBE UND ANAEROBE TRANSFORMATION IM BODEN

C.24.

AEROBE UND ANAEROBE TRANSFORMATION IN WASSER-SEDIMENT-SYSTEMEN

C.25.

AEROBE MINERALISATION IN OBERFLÄCHENWASSER — SIMULATIONSTEST ZUR BIOLOGISCHEN ABBAUBARKEIT

C.26.

LEMNA SP. — WACHSTUMSINHIBITIONSTEST

▼M4

C.27.

CHIRONOMIDEN-TOXIZITÄTSTEST IN SEDIMENT-WASSER-SYSTEMEN MIT GESPIKTEM SEDIMENT

C.28.

CHIRONOMIDEN-TOXIZITÄTSTEST IN SEDIMENT-WASSER-SYSTEMEN MIT GESPIKTEM WASSER

C.29.

LEICHTE BIOLOGISCHE ABBAUBARKEIT — BESTIMMUNG VON CO2 IN GESCHLOSSENEN FLASCHEN (HEADSPACE-TEST)

C.30.

BIOAKKUMULATION IN TERRESTRISCHEN OLIGOCHAETEN

▼B

C.31.

WACHSTUMSTEST BEI LANDPFLANZEN: UNTERSUCHUNG VON AUFLAUF UND WACHSTUM VON KEIMLINGEN

C.32.

ENCHYTRAEEN-REPRODUKTIONSTEST

C.33.

REPRODUKTIONSTEST MIT REGENWÜRMERN (EISENIA FETIDA/EISENIA ANDREI)

C.34.

BESTIMMUNG DER HEMMUNG ANAEROBER BAKTERIEN — REDUKTION DER GASPRODUKTION VON ANAEROBEM FAULSCHLAMM

C.35.

SEDIMENT-WASSER-TOXIZITÄTSSTUDIE MIT DOTIERTEM SEDIMENT AN LUMBRICULUS

C.36.

REPRODUKTIONSTEST MIT RAUBMILBEN (HYPOASPIS (GEOLAELAPS) ACULEIFER) IN BODENPROBEN

C.37.

21-TAGE FISCH-SCREENING-ASSAY: EIN KURZZEITTEST ZUR BESTIMMUNG DER ÖSTROGENEN UND ANDROGENEN AKTIVITÄT UND DER AROMATASEHEMMUNG

C.38.

DER AMPHIBIEN-METAMORPHOSE-ASSAY (AMA)

C.39.

COLLEMBOLEN-REPRODUKTIONSTESTS IN BÖDEN

C.40.

LEBENSZYKLUS-TOXIZITÄTSTESTS BEI CHIRONOMIDEN IN SEDIMENT-WASSER-SYSTEMEN MIT DOTIERTEM SEDIMENT

C.41.

FISH SEXUAL DEVELOPMENT TEST (TEST ZUR GESCHLECHTSENTWICKLUNG BEI FISCHEN)

C.42.

BIOLOGISCHE ABBAUBARKEIT IN MEERWASSER

C.43.

ANAEROBE BIOLOGISCHE ABBAUBARKEIT ORGANISCHER STOFFE IN FAULSCHLAMM: BESTIMMUNG DURCH MESSUNG DER GASPRODUKTION

C.44.

VERSICKERUNG IN BODENSÄULEN

C.45.

ABSCHÄTZUNG DER EMISSIONEN VON MIT HOLZSCHUTZMITTELN BEHANDELTEM HOLZ IN DIE UMWELT: LABORMETHODE FÜR UNBESCHICHTETE HOLZPRODUKTE, DIE MIT SÜSSWASSER ODER MIT MEERWASSER IN BERÜHRUNG KOMMEN

C.46.

BIOAKKUMULATION IN SEDIMENTBEWOHNENDEN BENTHISCHEN OLIGOCHAETEN

C.47.

TOXIZITÄTSPRÜFUNG AN FISCHEN IM FRÜHEN ENTWICKLUNGSSTADIUM

C.48.

KURZZEIT-REPRODUKTIONSTEST AN FISCHEN

C.49.

PRÜFUNG AUF AKUTE TOXIZITÄT AN FISCHEMBRYONEN (FET)

C.50.

SEDIMENTFREIER MYRIOPHYLLUM SPICATUM-TOXIZITÄTSTEST

C.51.

MYRIOPHYLLUM SPICATUM-TOXIZITÄTSTEST IM WASSERSEDIMENT

C.1.   AKUTE TOXIZITÄT FÜR FISCHE

1.   METHODE

1.1.   EINLEITUNG

Mit diesem Test soll die akute letale Toxizität einer Substanz für Fische in Süßwasser bestimmt werden. So weit wie möglich sollten Angaben über die Wasserlöslichkeit, den Dampfdruck, die chemische Stabilität, die Dissoziationskonstanten und die biologische Abbaubarkeit der Substanz vorhanden sein, um die Auswahl der am besten geeigneten Prüfmethode (statisch, semistatisch oder im Durchfluss) zur Sicherstellung ausreichend konstanter Konzentrationen der Prüfsubstanz während des gesamten Prüfzeitraums zu erleichtern.

Weitere Angaben (z. B. Strukturformel, Reinheitsgrad, Art und Prozentanteil signifikanter Verunreinigungen, Vorhandensein und Menge von Zusätzen, sowie der n-Oktanol/Wasser-Verteilungskoeffizient) sind sowohl bei der Planung der Prüfung als auch bei der Interpretation der Prüfergebnisse zu berücksichtigen.

1.2.   DEFINITIONEN UND EINHEITEN

Unter akuter Toxizität wird die deutlich erkennbare schädigende Wirkung verstanden, die in einem Organismus innerhalb kurzer Zeit (Tage) durch Einwirkung (Exposition) eines Stoffes hervorgerufen wird. In der vorliegenden Prüfung wird die akute Toxizität als die mittlere letale Konzentration (LC50) ausgedrückt; das ist die Konzentration im Wasser, die 50 % einer Prüfgruppe von Fischen innerhalb einer anzugebenden ununterbrochenen Einwirkungsdauer tötet.

Alle Konzentrationen der Prüfsubstanz sind in Gewicht/Volumen (mg/l) anzugeben. Sie können auch als Gewichtsanteile (mg/kg) angegeben werden.

1.3.   REFERENZSUBSTANZEN

Eine Referenzsubstanz kann geprüft werden, um nachzuweisen, dass sich die Reaktion des Prüfsystems unter den Bedingungen der Prüfeinrichtung nicht wesentlich geändert hat.

Referenzsubstanzen sind für diesen Test noch nicht festgelegt.

1.4.   PRINZIP DER METHODE

Es kann ein Limit-Test mit 100 mg.l-1 durchgeführt werden, um nachzuweisen, dass die LC50 über dieser Konzentration liegt.

Die Fische werden der dem Wasser zugesetzten Prüfsubstanz für einen Zeitraum von 96 Stunden verschiedenen Konzentrationen ausgesetzt. Die Mortalitäten werden mindestens alle 24 Stunden erfasst; soweit möglich, werden bei jeder Beobachtung auch die Konzentrationen berechnet, die 50 % der Fische töten (LC50).

1.5.   QUALITÄTSKRITERIEN

Die Qualitätskriterien gelten für den Limit-Test wie auch für das vollständige Prüfverfahren.

Die Mortalität darf bei den Kontroll-Prüfsystemen am Ende der Prüfung 10 % (bzw. einen Fisch, wenn weniger als 10 verwendet werden) nicht überschreiten.

Die Sauerstoffkonzentration muss über die gesamte Prüfdauer mehr als 60 % des Luftsauerstoff-Sättigungswerts betragen:

Die Konzentrationen der Prüfsubstanz sollen über den gesamten Prüfzeitraum bei bis zu 80 % der Anfangskonzentrationen gehalten werden.

Bei Substanzen, die im Prüfmedium leicht löslich sind und stabile Lösungen ergeben, d. h. Lösungen, die sich nicht in signifikantem Maße verflüchtigen oder nicht in einem solchen Maße abgebaut, hydrolisiert oder adsorbiert werden, kann die Anfangskonzentration als der nominalen Konzentration gleichwertig angesehen werden. Es ist nachzuweisen, dass die Konzentrationen über den gesamten Prüfzeitraum aufrechterhalten und die Qualitätskriterien erfüllt worden sind.

Bei Substanzen, die

i) im Prüfmedium schwer löslich sind oder

ii) stabile Emulsionen oder Dispersionen bilden können oder

iii) in wässrigen Lösungen nicht stabil sind,

soll die Anfangskonzentration diejenige Konzentration sein, die bei Prüfbeginn in der Lösung (oder, wenn dies aus technischen Gründen nicht möglich ist, in der Wassersäule) gemessen worden ist. Die Konzentration soll nach einer Zeit der Äquilibrierung, jedoch vor Einbringen der Prüforganismen, bestimmt werden.

In all diesen Fällen müssen weitere Messungen im Verlauf der Prüfung durchgeführt werden, um zu bestätigen, dass die Expositionskonzentrationen tatsächlich erreicht und die Qualitätskriterien erfüllt worden sind.

Der pH-Wert darf nicht um mehr als eine Einheit schwanken.

1.6.   BESCHREIBUNG DER METHODE

Für die Durchführung der Prüfung aufgrund der vorliegenden Methode sind drei Verfahren möglich:

Statisches Verfahren

Toxizitätsprüfung, wobei das Prüfmedium während der Prüfdauer nicht erneuert wird.

Semistatisches Verfahren

Das Prüfmedium wird regelmäßig nach einem längeren Zeitraum (z. B. 24 Stunden) vollständig ausgewechselt.

Durchflussverfahren

Das Prüfmedium wird ständig erneuert, wobei die Prüfsubstanz mit dem Wasser für die Erneuerung des Prüfmediums eingebracht wird.

1.6.1.   Reagenzien

1.6.1.1.   Lösungen der Prüfsubstanzen

Die Stammansätze in den erforderlichen Konzentrationen werden durch Lösung der Prüfsubstanz in deionisiertem Wasser oder Wasser entsprechend 1.6.1.2 hergestellt.

Die gewählten Prüfkonzentrationen werden durch Verdünnung des Stammansatzes zubereitet. Bei hohen Konzentrationen kann die Prüfsubstanz unmittelbar im Verdünnungswasser gelöst werden.

Die Substanzen sollen im Allgemeinen nur bis zur Löslichkeitsgrenze geprüft werden. Bei einigen Substanzen (z. B. bei solchen mit geringer Wasserlöslichkeit oder hohem Pow oder solchen, die im Wasser eher eine stabile Dispersion als eine echte Lösung bilden), kann es angezeigt sein, eine Prüfkonzentration zu verwenden, die oberhalb der Löslichkeitsgrenze der Substanz liegt, um sicherzustellen, dass die höchste lösliche/stabile Konzentration erreicht worden ist. Wichtig ist jedoch, dass diese Konzentration das Prüfsystem nicht auf sonstige Weise stört (z. B. durch Bildung eines Substanzfilms auf der Wasseroberfläche, durch den die Anreicherung des Wassers mit Sauerstoff verhindert wird).

Durch Ultraschalldispersion, Verwendung organischer Lösungsmittel und emulgierender oder dispergierender Mittel können Stammansätze von Prüfsubstanzen mit geringer Wasserlöslichkeit hergestellt oder deren Dispersion im Prüfmedium gefördert werden. Werden derartige Hilfsstoffe verwendet, müssen alle Prüfkonzentrationen die gleiche Menge des Hilfsstoffes enthalten, und zusätzliche Kontroll-Fische müssen derselben Konzentration an Hilfsstoffen ausgesetzt werden, wie sie in der Prüfreihe verwendet wurde. Die Konzentration derartiger Hilfsstoffe sollte niedrig gehalten werden, in keinem Fall jedoch 100 mg.l-1 im Prüfmedium überschreiten.

Die Prüfung ist ohne eine Einstellung des pH-Wertes durchzuführen. Gibt es Anzeichen für eine deutliche Änderung des pH-Wertes, wird empfohlen, die Prüfung mit einer pH-Wert-Einstellung zu wiederholen und die Ergebnisse entsprechend zu protokollieren. In diesem Fall ist der pH-Wert des Stammansatzes auf den pH-Wert des Verdünnungswassers einzustellen, falls nicht bestimmte Gründe dagegen sprechen. Hierzu sind möglichst HCl und NaOH zu verwenden. Die pH-Wert-Einstellung muss so erfolgen, dass sich die Konzentration der Prüfsubstanz im Stammansatz nicht wesentlich ändert. Sollte sich durch die Einstellung eine chemische Reaktion oder eine physikalische Ausfüllung der Prüfsubstanz ergeben, so muss diese Beobachtung im Prüfbericht protokolliert werden.

1.6.1.2.   Hälterungs- und Verdünnungswasser

Verwendet werden kann Leitungswasser (Trinkwasser) (nicht verunreinigt durch potenziell schädliche Konzentrationen an Chlor, Schwermetallen oder anderen Substanzen), einwandfreies natürliches Wasser oder zubereitetes Wasser (siehe Anlage 1). Am besten geeignet sind Wasserqualitäten mit einer Gesamthärte zwischen 10 und 250 mg.l-1 (bezogen auf CaCO3) und einem pH-Wert zwischen 6,0 und 8,5 .

1.6.2.   Geräte

Alle Geräte müssen aus chemisch inertem Material bestehen:

 Einrichtungen zur automatischen Verdünnung (für das Durchfluss-Verfahren),

 Sauerstoffmessgerät,

 Gerät zur Bestimmung der Wasserhärte,

 geeignetes Gerät zur Temperaturmessung,

 pH-Messgerät.

1.6.3.   Prüforganismen

Die Fische müssen in guter gesundheitlicher Verfassung sein und dürfen keine offensichtlichen Missbildungen aufweisen.

Es wird empfohlen, die verwendeten Arten nach so wichtigen praktischen Kriterien wie ihrer Verfügbarkeit im ganzen Jahr, ihrer problemlosen Hälterung, ihrer Eignung für Prüfzwecke, ihrer relativen Empfindlichkeit gegenüber Chemikalien sowie anderen ökonomisch, biologisch oder ökologisch bedeutsamen Faktoren auszuwählen. Außerdem sollten bei der Auswahl der Fischarten die Notwendigkeit der Vergleichbarkeit der erhaltenen Daten und die bestehende internationale Harmonisierung (vgl. (1)) berücksichtigt werden.

Eine Liste der für die Prüfung empfohlenen Fischarten ist in Anlage 2 enthalten; bevorzugt verwendet werden Zebrabärblinge und Regenbogenforelle.

1.6.3.1.   Hälterung

Die Fische sollten möglichst aus einer einzigen Charge bei etwa gleicher Länge und gleichem Alter stammen. Sie müssen mindestens 12 Tage unter folgenden Bedingungen gehältert werden:

Besatz

Entsprechend dem Verfahren (Umwälzanlage oder Durchfluss) und der Fischart.

Wasser

Siehe 1.6.1.2.

Beleuchtung

12 bis 16 Stunden Beleuchtungsdauer täglich.

Konzentration an gelöstem Sauerstoff

Mindestens 80 % des Luftsauerstoff-Sättigungswerts.

Fütterung

Dreimal wöchentlich oder täglich, Aussetzung der Fütterung 24 Stunden vor Beginn der Fütterung.

1.6.3.2.   Mortalität

Nach einer Eingewöhnungszeit von 48 Stunden wird die Mortalität unter Anwendung folgender Kriterien erfasst:

 bei mehr als 10 % der Population in sieben Tagen:

 Die Charge ist nicht verwendbar für den Test;

 zwischen 5 und 10 % der Population:

 Die Hälterungszeit ist weitere sieben Tage fortzusetzen.

 Treten keine weiteren Sterbefälle auf, ist die Charge für die Prüfung verwendbar, ansonsten nicht;

 bei 5 % und weniger der Population:

 Die Charge ist für die Prüfung verwendbar.

1.6.4.   Anpassung

Alle Fische sind für eine Mindestdauer von sieben Tagen vor ihrem Einsatz in der Prüfung in Wasser derselben Qualität und bei der gleichen Temperatur einzusetzen, wie es in der Prüfung verwendet wird.

1.6.5.   Durchführung der Prüfung

Ein Vorversuch kann der eigentlichen Prüfung vorangehen. Dieser Vorversuch liefert Informationen über den in der eigentlichen Prüfung zu verwendenden Konzentrationsbereich.

Zusätzlich zu den Konzentrationen der Prüfsubstanz sind eine Kontrolle ohne die Prüfsubstanz und ggf. eine Kontrolle mit dem Hilfsstoff einzusetzen.

In Abhängigkeit von den physikalischen und chemischen Eigenschaften der Prüfsubstanz ist zur Erfüllung der Qualitätskriterien eine Prüfung in einem statischen, semistatischen oder Durchfluss-Verfahren auszuwählen.

Die Fische werden der Prüfsubstanz, wie im Folgenden beschrieben, ausgesetzt:

 Dauer: 96 Stunden;

 Anzahl der Tiere: mindestens 7 je Konzentration;

 Behälter: geeignetes Fassungsvermögen im Verhältnis zum empfohlenen Besatz;

 Besatz: Als Höchstbesatz werden im statischen und semistatischen Verfahren 1,0 g.l-1 empfohlen; im Durchfluss-Verfahren ist ein höherer Besatz möglich;

 Prüfkonzentration: mindestens fünf Konzentrationen, die sich durch einen konstanten Faktor unterscheiden, der 2,2 nicht überschreiten darf, und die den Bereich von 0 % bis 100 % Mortalität so weit wie möglich umfassen;

 Wasser: siehe 1.6.1.2;

 Beleuchtung: 12 bis 16 Stunden Beleuchtungsdauer täglich;

 Temperatur: entsprechend der Fischart (Anlage 2), jedoch innerhalb ± 1 oC bei jeder einzelnen Prüfung;

 Konzentration an gelöstem Sauerstoff: nicht unter 60 % des Luftsauerstoff-Sättigungswerts bei der gewählten Temperatur;

 Fütterung: keine.

Die Fische werden nach den ersten 2 bis 4 Stunden und mindestens alle 24 Stunden beobachtet. Ein Fisch gilt als tot, wenn bei Berührung des Schwanzansatzes keine Reaktion erfolgt und wenn keine Atembewegungen erkennbar sind. Tote Fische sind, sobald sie bemerkt werden, zu entfernen und entsprechend zu protokollieren. Für den Prüfbericht sind außerdem weitere sichtbare Veränderungen zu erfassen (z. B. Gleichgewichtsverlust, Änderungen des Schwimmverhaltens, der Atmung, der Pigmentierung usw.).

Messungen des pH-Wertes, des Gehalts an gelöstem Sauerstoff und der Temperatur müssen täglich erfolgen.

Limit-Test

Unter Verwendung der bei diesem Prüfverfahren beschriebenen Methoden kann ein Limit-Test mit 100 mg.l-1 durchgeführt werden, um nachzuweisen, dass die LC50 über dieser Konzentration liegt.

Wenn die Substanz so beschaffen ist, dass eine Konzentration von 100 mg/l im Prüfwasser nicht erreicht werden kann, ist der Limit-Test mit einer Konzentration durchzuführen, die der Löslichkeit der Substanz (oder der höchsten Konzentration, die eine stabile Dispersion bildet) im verwendeten Medium entspricht (vgl. auch Abschnitt 1.6.1.1).

Im Limit-Test sollten 7 bis 10 Fische untersucht und die gleiche Anzahl als Kontrollen verwendet werden. (Nach dem Binomischen Lehrsatz liegt bei Verwendung von 10 Fischen mit Null-Mortalität die Wahrscheinlichkeit bei 99,9 %, dass die LC50 höher ist als die im Limit-Test verwendete Konzentration. Bei 7, 8 oder 9 Fischen ergibt eine Null-Mortalität eine Wahrscheinlichkeit von mindestens 99 %, dass die LC50 höher ist als die verwendete Konzentration.)

Bei Vorliegen von Sterbefällen ist das vollständige Verfahren anzuwenden. Wenn subletale Wirkungen beobachtet werden, sind diese zu protokollieren.

2.   DATEN UND AUSWERTUNG

Die Mortalität wird für jeden Zeitraum, in dem Beobachtungen protokolliert wurden (24, 48, 72 und 96 Stunden), für jede empfohlene Expositionsdauer auf Wahrscheinlichkeits-(Probit-)papier (mit logarithmischer Einteilung) gegen die Konzentration aufgetragen.

Soweit möglich, sollten die LC50 und der jeweilige Vertrauensbereich (p = 0,05 ) für jeden Beobachtungszeitraum nach Standardverfahren ermittelt werden. Diese Werte sind auf eine oder höchstens zwei signifikante Stelle(n) zu runden (Beispiele für das Runden auf zwei Stellen: 170 für 173,5 ; 0,13 für 0,127 ; 1,2 für 1,21 ).

Sollte der Verlauf der Konzentrations-Wirkungs-Kurve für eine Berechnung der LC50 zu steil sein, so reicht eine grafische Abschätzung dieses Wertes.

Ergeben zwei unmittelbar aufeinander folgende Konzentrationen, die sich durch den Faktor 2,2 unterscheiden, nur 0 % und 100 % Mortalität, so werden diese beiden Werte zur Angabe des Bereichs, in den die LC50 fällt, herangezogen.

Wird beobachtet, dass die Stabilität oder Homogenität der Prüfsubstanz nicht aufrechterhalten werden kann, so ist dies im Prüfbericht mitzuteilen und bei der Interpretation der Ergebnisse entsprechend zu berücksichtigen.

3.   ABSCHLUSSBERICHT

Im Prüfbericht ist, wenn möglich, Folgendes anzugeben:

 Angaben über die verwendeten Fische (wissenschaftlicher Name, Stamm, Züchter oder Bezugsquelle, Vorbehandlungen, Größe und Anzahl der einzelnen Prüfkonzentrationen);

 Herkunft des Verdünnungswassers und wichtige chemische Eigenschaften (pH-Wert, Härte, Temperatur);

 Bei Substanzen mit geringer Wasserlöslichkeit: Angabe der Methode zur Herstellung des Stammansatzes und der Prüflösungen;

 Konzentration aller Hilfsstoffe;

 Liste der verwendeten Konzentrationen sowie alle vorhandenen Informationen über die Stabilität der Prüfsubstanz in der Prüflösung bei den verwendeten Konzentrationen;

 bei Durchführung chemischer Analysen: Angabe der verwendeten Methoden und der Ergebnisse;

 ggf. Ergebnisse des Limit-Tests;

 Gründe für die Auswahl und Einzelheiten der Durchführung der Prüfung (z. B. statisch, semistatisch, Dosierungsrate, Durchflussrate, ob belüftet, Fischbesatz usw.);

 Beschreibung der Prüfgeräte;

 Beleuchtungsverhältnisse;

 Konzentrationen des gelösten Sauerstoffs, pH-Werte, Temperaturen in den Prüflösungen alle 24 Stunden;

 Nachweis, dass die Qualitätskriterien erfüllt sind;

 Tabelle der kumulativen Mortalität bei jeder Konzentration und bei der Kontrolle (ggf. auch bei der Kontrolle mit dem Hilfsstoff) zu den empfohlenen Beobachtungszeitpunkten;

 grafische Darstellung der Konzentrations-Wirkungs-Kurve am Ende der Prüfung;

 wenn möglich, die LC50-Werte für jeden empfohlenen Beobachtungszeitpunkt (möglichst mit 95 % Vertrauensbereich);

 verwendete statistische Verfahren zur Bestimmung der LC50-Werte;

 bei Verwendung einer Referenzsubstanz: Angabe der Ergebnisse;

 höchste eingesetzte Prüfkonzentrationen ohne Mortalität im Prüfzeitraum;

 niedrigste eingesetzte Prüfkonzentration mit 100 % Mortalität im Prüfzeitraum.

4.   LITERATUR

(1) OECD, Paris, 1981, Test Guideline 203, Decision of the Council C(81) 30 final and Updates.

(2) AFNOR — Determination of the acute toxicity of a substance to Brachydanio rerio — Static and Flow Through methods — NFT 90-303 June 1985.

(3) AFNOR — Determination of the acute toxicity of a substance to Salmo gairdneri — Static and Flow Through methods — NFT 90-305 June 1985.

(4) ISO 7364/1,/2 and/3 — Water Quality — Determination of the acute lethal toxicity of substances to a fresh water fish (Brachydanio rerio Hamilton-Buchanan — Teleostei, Cyprinidae). Part 1: Static method. Part 2: Semi-static method. Part 3: Flow-through method.

(5) Eidgenössisches Department des Innern, Schweiz: Richtlinien für Probenahme und Normung von Wasseruntersuchungsmethoden — Part II 1974.

(6) DIN-Testverfahren mit Wasserorganismen, 38 412 (L1) und L (15).

(7) JIS K 0102, Acute toxicity test for fish.

(8) NEN 6506 — Water — Bepaling van de akute toxiciteit met behulp van Poecilia reticulata, 1980.

(9) Environmental Protection Agency, Methods for the acute toxicity tests with fish, macroinvertebrates and amphibians. The Commitee on Methods for Toxicity Tests with Aquatic Organisms, Ecological Research Series EPA-660-75-009, 1975.

(10) Environmental Protection Agency, Environmental monitoring and support laboratory, Office of Research and Development, EPA-600/4-78-012, January 1978.

(11) Environmental Protection Agency, Toxic Substance Control, Part IV, 16 March 1979.

(12) Standard methods for the examination of water and wastewater, 14th edition, APHA-AWWA-WPCF, 1975.

(13) Commission of the European Communities, Inter-Laboratory test programme concerning the study of the ecotoxicity of a chemical substance with respect to the fish. EEC study D.8368, 22 March 1979.

(14) Verfahrensvorschlag des Umweltbundesamtes zum akuten Fisch-Test. Rudolph, P. und Boje, R., Ökotoxikologie, Grundlagen für die ökotoxikologische Bewertung von Umweltchemikalien nach dem Chemikaliengesetz, ecomed 1986.

(15) Lichtfield, J, T. and Wilcoxon, F., A simplified method for evaluating dose effects experiments, J. Phare, Exp. Therap., 1949, vol. 96,99.

(16) Finney, D. J. Statistical Methods in Biological Assay. Griffin, Weycombe, U. K., 1978.

(17) Sprague, J. B. Measurement of pullutant toxicity to fish. I Bioassay methods for acute toxicity. Water Res., 1969, vol. 3,793-821.

(18) Sprague, J. B. Measurement of pollutant toxicity to fish. II Utilising and applying bioassay results. Water Res., 1970, vol. 4, 3-32.

(19) Stephan, C. E. Methods for calculating an LC450. In Aquatic Toxicology and Hazard Evaluation (edited by F.I. Mayer and J.L. Hamelinck). American Society for Testing and Materials. ASTM STP 634,1977, 65-84.

(20) Stephan, C. E., Busch, K. A., Smith, R., Burke, J. and Andrews, R. W. A Computer program for calculating an LC50. US EPA.

Anlage 1

Zubereitetes Wasser

Beispiel für ein geeignetes Verdünnungswasser

Alle Chemikalien müssen analysenrein sein.

Das Wasser muss einwandfreies destilliertes oder deionisiertes Wasser mit einer Leitfähigkeit von weniger als 5 μScm-1 sein.

Die für die Destillation von Wasser verwendete Apparatur darf keine Kupferteile enthalten.

Stammlösungen



CaCl2· 2H2O (Calciumchlorid-Dihydrat)

in Wasser lösen und mit Wasser auf 1 Liter auffüllen

11,76 g

MgSO4· 7H2O (Magnesiumsulfat-Heptahydrat)

in Wasser lösen und mit Wasser auf 1 Liter auffüllen

4,93 g

NaHCO3 (Natriumhydrogencarbonat)

in Wasser lösen und mit Wasser auf 1 Liter auffüllen

2,59 g

KCl (Kaliumchlorid)

in Wasser lösen und mit Wasser auf 1 Liter auffüllen

0,23 g

Zubereitetes Verdünnungswasser

Je 25 ml der vier Stammlösungen mischen und mit Wasser auf 1 Liter auffüllen.

So lange belüften, bis die Konzentration an gelöstem Sauerstoff dem Luftsauerstoff-Sättigungswert entspricht.

Der pH-Wert muss 7,8 ± 0,2 betragen.

Falls erforderlich, ist der pH-Wert mit NaOH (Natronlauge) oder HCl (Salzsäure) einzustellen.

Dieses Verdünnungswasser lässt man 12 Stunden stehen; eine weitere Belüftung ist nicht erforderlich.

Die Summe der Ca- und Mg-Ionen in dieser Lösung beträgt 2,5 mmol.l-1. Das Verhältnis der Ca- zu den Mg-Ionen beträgt 4:1 und das der Na- zu den K-Ionen 10:1. Die Gesamtalkalinität dieser Lösung liegt bei 0,8 mmol.l-1.

Eine abweichende Zubereitung des Verdünnungswassers darf die Zusammensetzung oder die Eigenschaften des Wassers nicht verändern.

Anlage 2

Für die Prüfung empfohlene Fischarten



Empfohlene Art

Empfohlener Bereich der Prüftemperatur ( oC)

Empfohlene Gesamtlänge der Fische (cm)

Brachydanio rerio (Teleostei, Cyprinidae) (Hamilton-Buchanan) Zebrabärbling

20 bis 24

3,0 ± 0,5

Pimephales promelas (Teleostei, Cyprinidae) (Rafinesque) Amerikanische Elnitze

20 bis 24

5,0 ± 2,0

Cyprinus carpio (Teleostei, Cyprinidae) (Linnaeus 1758) Karpfen

20 bis 24

6,0 ± 2,0

Oryzias latipes (Teleostei, Poeciliiae) Cyprinodontidae (Tomminck et Schlegel 1850) Japanischer Reisfisch

20 bis 24

3,0 ± 1,0

Poecilia reticulata (Teleostei, Poeciliidae) (Peters 1859) Guppy

20 bis 24

3,0 ± 1,0

Lepomis macrochirus (Teleostei, Centrarchidae) (Rafinesque Linnaeus 1758) Blauer Sonnenbarsch

20 bis 24

5,0 ± 2,0

Onchorhynchus mykiss (Teleostei, Salmonidae) (Walbaum 1988) Regenbogenforelle

12 bis 17

6,0 ± 2,0

Leuciscus idus (Teleostei, Cyprinidae) (Linnaeus 1758) Goldorfe

20 bis 24

6,0 ± 2,0

Beschaffung

Die oben aufgeführten Fischarten lassen sich leicht züchten und/oder sind das ganze Jahr über weitgehend verfügbar. Sie lassen sich in Fischzuchtbetrieben oder in Prüfeinrichtungen unter Bedingungen züchten und aufziehen, die eine Kontrolle über Krankheiten und Parasiten erlauben, so dass sie für eine Prüfung gesund und von bekannter Herkunft sind. Diese Fischarten sind in vielen Teilen der Welt erhältlich.

Anlage 3

Beispiel für eine Konzentrations-Mortalitätskurve

Beispiel für die Bestimmung der LC50 auf Wahrscheinlichkeitspapier

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C.2.    DAPHNIA-Sp.-TEST AUF AKUTE SCHWIMMUNFÄHIGKEIT

1.   METHODE

Diese Methode für die Untersuchung auf akute Schwimmunfähigkeit entspricht OECD TG 202 (2004).

1.1.   EINLEITUNG

Durch diese Methode wird ein akuter Toxizitätstest beschrieben, mit dem die Wirkung von Chemikalien auf Daphnien bewertet wird. Soweit möglich, wurden bestehende Testmethoden herangezogen (1) (2) (3).

1.2.   DEFINITIONEN

Im Rahmen der vorliegenden Testmethode werden folgende Definitionen verwendet:

EC 50: die geschätzte Konzentration, bei der 50 % der Daphnien innerhalb einer festgelegten Expositionszeit schwimmunfähig werden. Wird eine abweichende Definition verwendet, ist dies zusammen mit der Quelle im Bericht anzugeben.

Schwimmunfähigkeit: Tiere, die nicht innerhalb von 15 Sekunden nach vorsichtigem Umrühren des Testgefäßes schwimmen können, gelten als schwimmunfähig (auch wenn sie noch ihre Antennen bewegen können).

1.3.   PRINZIP DER TESTMETHODE

Junge Daphnien, die zu Beginn des Tests weniger als 24 Stunden alt sind, werden 48 Stunden lang der Testsubstanz bei unterschiedlichen Konzentrationen ausgesetzt. Die Schwimmunfähigkeit wird nach 24 Stunden und 48 Stunden aufgezeichnet und mit Kontrollwerten verglichen. Die Ergebnisse werden zur Berechnung der nach 48 Stunden herrschenden EC50 analysiert (siehe Definition in 1.2). Die Ermittlung der EC50 nach 24 Stunden ist freigestellt.

1.4.   INFORMATIONEN ZUR TESTSUBSTANZ

Wasserlöslichkeit und Dampfdruck der Testsubstanz müssen bekannt sein, und es muss eine zuverlässige Analysenmethode zur Quantifizierung der Substanz in den Testlösungen zur Verfügung stehen, mit der der festgestellte Rückgewinnungsgrad und die Bestimmungsgrenze angegeben werden können. Zu den zweckmäßigen Angaben zählen Strukturformel, Reinheit der Substanz, Stabilität in Wasser oder Licht, Pow und die Ergebnisse eines Tests auf leichte biologische Abbaubarkeit (siehe Methode C.4).

Hinweis: Richtlinien für Tests an Substanzen, deren Test aufgrund ihrer physikalisch-chemischen Eigenschaften schwierig ist, sind in (4) enthalten.

1.5.   REFERENZSUBSTANZEN

Die Referenzsubstanz kann auf EC50 getestet werden, um auf diese Weise die Zuverlässigkeit der Testbedingungen zu gewährleisten. Hierfür wird die Verwendung von Giftstoffen empfohlen, die in internationalen Ringtests (1) (5) verwendet werden ( 49 ). Test(s) mit einer Referenzsubstanz sind möglichst monatlich, mindestens aber zweimal jährlich durchzuführen.

1.6.   QUALITÄTSKRITERIEN

Die Tests sind gültig, wenn die folgenden Durchführungskriterien eingehalten werden:

 In den Kontrollen — einschließlich der Kontrolle, die das Lösemittel enthält — dürfen nicht mehr als 10 % der Daphnien schwimmunfähig geworden sein;

 die Konzentration des gelösten Sauerstoffs muss in den Kontroll- und Testgefäßen bei Testende > 3 mg/l sein.

Hinweis: Beim ersten Kriterium dürfen nicht mehr als 10 % der dem Kontrolltest unterzogenen Daphnien Schwimmunfähigkeit oder sonstige Anzeichen von Erkrankungen oder Stress zeigen, z. B. Verfärbungen oder ungewöhnliches Verhalten wie Einschluss an der Wasseroberfläche.

1.7.   BESCHREIBUNG DER TESTMETHODE

1.7.1.   Geräte

Die Testgefäße und sonstigen Geräte, die mit den Testlösungen in Kontakt kommen, müssen vollständig aus Glas oder einem anderen chemisch inerten Material bestehen. Als Testgefäße werden normalerweise Reagenzgläser oder Bechergläser verwendet; diese müssen vor jeder Verwendung nach den üblichen Laborverfahren gereinigt werden. Die Testgefäße sind locker abzudecken, um Wasserverlust durch Verdunstung zu verringern und Staubeintritt in die Lösungen zu verhindern. Flüchtige Substanzen sind in vollständig gefüllten, geschlossenen Behältern zu testen, die ausreichend groß sein müssen, so dass verhindert wird, dass durch Sauerstoffmangel eine drosselnde Wirkung eintritt oder der Sauerstoffgehalt zu gering wird (siehe Abschnitt 1.6 und ersten Absatz von Abschnitt 1.8.3).

Zusätzlich werden einige oder alle der folgenden Geräte verwendet: Sauerstoffmessgerät (mit Mikroelektrode oder anderen geeigneten Vorrichtungen für die Messung von gelöstem Sauerstoff in Proben mit geringem Probengehalt), pH-Messgerät, geeignete Geräte für die Temperaturregelung, Geräte für die Ermittlung des Gesamtgehalts an organischen Kohlenstoffverbindungen (TOC), Geräte für die Ermittlung des chemischen Sauerstoffbedarfs (COD) und Geräte für die Härtebestimmung usw.

1.7.2.   Testorganismen

Daphnia magna Straus ist die vorzugsweise verwendete Art; allerdings können auch andere Arten der Daphnia für diese Tests verwendet werden (z. B. Daphnia pulex). Zu Beginn des Tests müssen die Tiere weniger als 24 Stunden alt sein; zur Begrenzung von Variabilitäten wird dringend empfohlen, keine Daphnien aus der ersten Nachkommenschaft einer Brut zu verwenden. Die Tiere müssen aus einem gesunden Bestand stammen (d. h., sie dürfen keine Anzeichen von Stress aufweisen, z. B. hohe Mortalität, Vorhandensein von männlichen Tieren und Ephippien, verzögerte Produktion der ersten Brut, Verfärbungen an den Tieren usw.). Alle für einen bestimmten Test verwendeten Organismen müssen aus Kulturen stammen, die aus dem gleichen Daphnienbestand entnommen wurden. Die Elterntiere müssen unter Kulturbedingungen (Licht, Temperatur, Medium) gehalten werden, die den Testbedingungen ähneln. Wird für den Test der Daphnien ein anderes Kulturmedium verwendet als bei den routinemäßigen Daphnienkulturen, sollte dem Test eine Eingewöhnungsphase als Vortest vorausgehen. Hierzu sind die Zuchtdaphnien vor Testbeginn mindestens 48 Stunden lang bei Testtemperatur in Verdünnungswasser zu halten.

1.7.3.   Halte- und Verdünnungswasser

Natürliches Wasser (Oberflächen- oder Grundwasser), zubereitetes Wasser oder entchlortes Leitungswasser sind als Halte- und Verdünnungswasser zulässig, wenn die Daphnien hierin während der Zucht-, Akklimatisations- und Testphase ohne Stressanzeichen überleben. Alle Wassersorten, die den chemischen Eigenschaften von zugelassenem Verdünnungswasser gemäß Anlage 1 entsprechen, sind als Testwasser geeignet. Das Wasser muss während der gesamten Testdauer eine gleich bleibende Qualität aufweisen. Zubereitetes Wasser kann durch Zugabe bestimmter Mengen von analysenreinen Reagenzien zu entionisiertem oder destilliertem Wasser hergestellt werden. Beispiele für zubereitetes Wasser sind in (1), (6) und in Anlage 2 enthalten. Dabei ist zu beachten, dass Medien, die bekannte Chelatbildner enthalten, z. B. die Medien M4 und M7 aus Anlage 2, für Tests an metallhaltigen Substanzen zu vermeiden sind. Der pH-Wert muss sich in einem Bereich zwischen 6 und 9 bewegen. Eine Härte zwischen 140 und 250 mg/l (wie CaCO3) wird für Daphnia Magna empfohlen, für andere Daphnia-Arten ist ggf. auch eine geringere Härte geeignet. Das Verdünnungswasser kann vor Verwendung für den Test belüftet werden, bis die Konzentration an gelöstem Sauerstoff die Sättigungsgrenze erreicht hat.

Wird natürliches Wasser verwendet, sind die Qualitätsparameter mindestens zweimal jährlich bzw. immer dann zu messen, wenn der Verdacht besteht, dass sich diese Eigenschaften erheblich verändert haben (siehe vorigen Abschnitt und Anlage 1). Außerdem ist eine Messung auf Schwermetalle (z. B. Cu, Pb, Zn, Hg, Cd, Ni) durchzuführen. Wird entchlortes Leitungswasser verwendet, empfiehlt sich eine tägliche Chloranalyse. Wird Verdünnungswasser aus einer Oberflächenwasser- oder Grundwasserquelle verwendet, sind Leitfähigkeit und der Gesamtgehalt an organischen Kohlenstoffverbindungen (TOC) oder der chemische Sauerstoffbedarf (COD) zu messen.

1.7.4.   Testlösungen

Die Testlösungen in der festgelegten Konzentration werden normalerweise durch Verdünnung des Stammansatzes hergestellt. Der Stammansatz ist vorzugsweise durch Lösung der Testsubstanz im Verdünnungswasser herzustellen. Die Verwendung von Lösemitteln, Emulgatoren oder Dispergiermitteln sollte möglichst vermieden werden. Allerdings sind derartige Verbindungen in bestimmten Fällen zur Herstellung eines ausreichend konzentrierten Stammansatzes erforderlich. Richtlinien für geeignete Lösemittel, Emulgatoren und Dispergiermittel sind in (4) nachzulesen. Grundsätzlich darf die Testsubstanz in den Testlösungen die Löslichkeitsgrenze im Verdünnungswasser nicht überschreiten.

Der Test ist ohne Korrektur des pH-Werts durchzuführen. Bleibt der pH-Wert nicht im Bereich zwischen 6 und 9, ist ein zweiter Test durchzuführen, bei dem der pH-Wert des Stammansatzes auf den pH-Wert des Verdünnungswassers vor Zugabe der Testsubstanz korrigiert wird. Die pH-Korrektur muss so erfolgen, dass sich die Konzentration des Stammansatzes nicht nennenswert verändert und keine chemische Reaktion oder Ausfällung der Testsubstanz eintritt. Vorzugsweise sollten HCl und NaOH verwendet werden.

1.8.   DURCHFÜHRUNG DES TESTS

1.8.1.   Expositionsbedingungen

1.8.1.1.   Testgruppen und Kontrollen

Die Testgefäße werden mit Verdünnungswasser und Lösungen der Testsubstanz in geeigneten Volumenanteilen gefüllt. Das Luft-Wasser-Volumenverhältnis im Gefäß muss bei den Test- und Kontrollgruppen identisch sein. Anschließend werden die Daphnien in die Testgefäße eingelegt. Für jede Testkonzentration und für die Kontrollen sind mindestens 20 Tiere zu verwenden, die vorzugsweise in vier Gruppen mit je fünf Tieren aufgeteilt werden sollten. Je Tier sind mindestens 2 ml der Testlösung bereitzustellen (d. h. ein Volumen von 10 ml für fünf Daphnien je Testgefäß). Der Test ist mit einem semistatischen Erneuerungs- oder Durchflusssystem durchzuführen, wenn die Konzentration der Testsubstanz nicht stabil ist.

Zusätzlich zu den Behandlungsreihen sind eine Kontrollreihe mit Verdünnungswasser sowie — sofern relevant — eine Kontrollreihe, die das Solubilisierungsmittel enthält, durchzuführen.

1.8.1.2.   Testkonzentrationen

Zur Ermittlung des Konzentrationsbereichs für den endgültigen Test kann ein Vortest durchgeführt werden, sofern nicht Angaben zur Toxizität der Testsubstanz vorliegen. Hierzu werden die Daphnien einer Reihe von weit auseinander liegenden Konzentrationen der Testsubstanz ausgesetzt. Jeder Testkonzentration werden fünf Daphnien über einen Zeitraum von 48 Stunden oder weniger ausgesetzt; wiederholte Gleichtests sind nicht notwendig. Die Expositionsdauer kann verkürzt werden (z. B. auf 24 Stunden oder weniger), wenn über eine kürzere Zeitdauer geeignete Daten für den Vortest ermittelt werden können.

Es sind mindestens fünf Testkonzentrationen zu verwenden. Sie sind in einer geometrischen Reihe mit einem Separierungsfaktor anzuordnen, der einen Wert von 2,2 möglichst nicht überschreiten sollte. Werden weniger als fünf Konzentrationen verwendet, ist eine Begründung vorzulegen. Die höchste getestete Konzentration sollte vorzugsweise eine 100 %ige Schwimmunfähigkeit ergeben, die niedrigste getestete Konzentration sollte vorzugsweise keine wahrnehmbare Wirkung zeigen.

1.8.1.3.   Inkubationsbedingungen

Die Temperatur muss im Bereich zwischen 18 oC und 22 oC liegen; für jeden Einzeltest ist die Temperatur auf ± 1 oC konstant zu halten. Es wird ein Zyklus mit 16 Stunden Licht und 8 Stunden Dunkelphase empfohlen. Völlige Dunkelheit ist ebenfalls zulässig, vor allem bei unter Lichteinwirkung instabilen Testsubstanzen.

Die Testgefäße dürfen während des Tests nicht belüftet werden. Der Test wird ohne pH-Korrektur durchgeführt. Die Daphnien dürfen während des Tests nicht gefüttert werden.

1.8.1.4.   Testdauer

Die Testdauer beträgt 48 Stunden.

1.8.2.   Beobachtungen

Jedes Testgefäß ist 24 und 48 Stunden nach Testbeginn auf schwimmunfähige Daphnien zu kontrollieren (siehe Definitionen in 1.2). Neben der festgestellten Schwimmunfähigkeit sind etwaige Verhaltensauffälligkeiten oder äußerliche Veränderungen im Bericht anzugeben.

1.8.3.   Analysemessungen

Der gelöste Sauerstoff und der pH-Wert sind zu Beginn und Ende des Tests in den Kontrollen und in der höchsten Konzentration der Testsubstanz zu messen. Die Konzentration des gelösten Sauerstoffs in den Kontrollen muss dem Validitätskriterium entsprechen (siehe 1.6). Der pH-Wert darf in einem einzigen Test normalerweise nicht um mehr als 1,5 Einheiten variieren. Die Temperatur wird normalerweise in Kontrollgefäßen oder in Umgebungsluft gemessen und ist vorzugsweise durchgehend während des gesamten Tests bzw. zumindest zu Anfang und Ende des Tests aufzuzeichnen.

Die Konzentration der Testsubstanz ist mindestens bei der höchsten und niedrigsten Testkonzentration und zu Beginn und Ende des Tests zu messen (4). Es wird empfohlen, bei den Ergebnissen die gemessenen Konzentrationen zugrunde zu legen. Lässt sich aber nachweisen, dass die Konzentration der Testsubstanz während des gesamten Tests in zufriedenstellender Weise innerhalb von ± 20 % der nominellen oder gemessenen Anfangskonzentration gehalten wurde, können bei den Ergebnissen die nominellen oder gemessenen Anfangswerte zugrunde gelegt werden.

1.9.   LIMIT-TEST

Anhand der in dieser Testmethode beschriebenen Verfahren kann ein Limit-Test mit 100 mg/l der Testsubstanz oder bis zum Erreichen der Löslichkeitsgrenze (je nachdem, welcher Wert niedriger ist) durchgeführt werden, um nachzuweisen, dass die EC50 über dieser Konzentration liegt. Der Limit-Test ist an 20 Daphnien (die vorzugsweise in vier Gruppen zu je fünf Tieren aufgeteilt werden sollten) und einer gleichen Anzahl Tiere in den Kontrollgruppen durchzuführen. Wird eine Schwimmunfähigkeit festgestellt, ist eine umfassende Untersuchung durchzuführen. Etwaige beobachtete anormale Verhaltensweisen sind aufzuzeichnen.

2.   DATEN

Die Daten sind in Tabellenform zusammenzufassen, wobei für jede der Behandlung unterzogenen Gruppe und Kontrollgruppe die Zahl der verwendeten Daphnien und die bei jeder Beobachtung festgestellte Schwimmunfähigkeit angegeben werden. Der prozentuale Anteil der nach 24 Stunden bzw. 48 Stunden schwimmunfähig gewordenen Tiere wird anhand der Testkonzentrationen grafisch dargestellt. Die Daten werden durch geeignete statistische Verfahren (z. B. Probitanalyse) analysiert, mit denen die Steigung der Kurven und die EC50 mit einer Vertrauensgrenze von 95 % berechnet werden kann (p = 0,05 ) (7) (8).

Können die Standardmethoden für die Berechnung der EC50 nicht auf die ermittelten Daten angewandt werden, sind die höchste Konzentration, bei der keine Schwimmunfähigkeit eintritt, und die niedrigste Konzentration, die zu 100 %iger Schwimmunfähigkeit führt, als Näherungswerte für die EC50 (die das geometrische Mittel dieser beiden Konzentrationen ausdrückt) zugrunde zu legen.

3.   BERICHTER ATTUNG

3.1.   TESTBERICHT

Der Testbericht muss folgende Angaben enthalten:

Testsubstanz

 physikalische Beschaffenheit und relevante physikalisch-chemische Eigenschaften,

 chemische Kenndaten (einschließlich Angabe der Reinheit).

Getestete Art

 Herkunft und Art der Daphnia, Züchter (sofern bekannt) und Kulturbedingungen (einschließlich Herkunft, Art und Menge der Nahrung, Häufigkeit der Fütterung).

Testbedingungen

 Beschreibung der Testgefäße: Art der Gefäße, Volumen der Lösung, Zahl der Daphnien je Testgefäß, Zahl der Testgefäße (wiederholte Gleichtests) je Konzentration,

 Verfahren zur Herstellung des Stammansatzes und der Testlösungen einschließlich der verwendeten Lösemittel oder Dispergiermittel, verwendete Konzentrationen,

 Details zum Verdünnungswasser: Herkunft und Kenndaten für die Wasserqualität (pH-Wert, Härte, Ca/Mg-Verhältnis, Na/K-Verhältnis, Alkalinität, Leitfähigkeit usw.), Zusammensetzung des zubereiteten Wassers (sofern diese Wassersorte verwendet wird),

 Inkubationsbedingungen: Temperatur, Lichtstärke und -dauer, gelöster Sauerstoff, pH-Wert usw.

Ergebnisse

 Zahl und prozentualer Anteil der Daphnien, die schwimmunfähig wurden oder anderweitige negative Wirkungen zeigen (einschließlich Verhaltensauffälligkeiten), in den Kontrollen sowie in den einzelnen behandelten Gruppen zu den jeweiligen Beobachtungszeitpunkten; ferner eine Beschreibung der Art der beobachteten Wirkungen,

 Ergebnisse und Datum des mit der Referenzsubstanz (sofern vorhanden) durchgeführten Tests,

 nominale Testkonzentrationen und Ergebnis sämtlicher Analysen für die Ermittlung der Konzentration der Testsubstanz in den Testgefäßen; der Rückgewinnungsgrad der Methode und die Bestimmungsgrenze sind ebenfalls im Bericht anzugeben,

 sämtliche während des Tests durchgeführten physikalisch-chemischen Messungen von Temperatur, pH-Wert und gelöstem Sauerstoff,

 Schwimmunfähigkeitswert EC50 nach 48 h mit Vertrauensintervallen und grafischen Darstellungen des für die Berechnung verwendeten Modells, Steigung der Dosis-Wirkungs-Kurven und des Standardfehlers, statistische Verfahren zur Ermittlung von EC50 (diese Größen sind, sofern sie gemessen wurden, auch für die Schwimmunfähigkeit nach 24 h anzugeben),

 Erläuterung etwaiger Abweichungen von der Testmethode sowie der Angabe, ob die Abweichung sich auf die Testergebnisse ausgewirkt hat.

4.   LITERATURHINWEISE

(1) ISO 6341 (1996). Water quality — Determination of the inhibition of the mobility of Daphnia magna Straus (Cladocera, Crustacea) — Acute toxicity test (Wasserbeschaffenheit — Bestimmung der Wirkung von Wasserinhaltsstoffen auf die Bewegungsfähigkeit von Daphnia magna Straus (Cladocera, Crustacea) — Akuter Toxizitätstest). Third edition, 1996.

(2) EPA OPPTS 850.1010 (1996). Ecological Effects Test Guidelines — Aquatic Invertebrate Acute Toxicity Test, Freshwater daphnids.

(3) Environment Canada (1996). Biological test method. Acute Lethality Test Using Daphnia spp. EPS 1/RM/11. Environment Canada, Ottawa, Ontario, Canada.

(4) Guidance Document on Aquatic Toxicity Testing of Difficult Substances and Mixtures. OECD Environmental Health and Safety Publication. Series on Testing and Assessment. No. 23. Paris 2000.

(5) Kommission der Europäischen Gemeinschaften. Study D8369 (1979). Inter-laboratory Test Programme concerning the study of the ecotoxicity of a chemical substance with respect to Daphnia (Laborübergreifendes Testprogramm zur Untersuchung der Ökotoxizität einer chemischen Substanz für Daphnia).

(6) OECD Guidelines for the Testing of Chemicals. Guideline 211: Daphnia magna Reproduction Test, adopted September 1998.

(7) Stephan, C.E (1977). Methods for calculating an LC50. In Aquatic Toxicology and Hazard Evaluation (edited by F.I. Mayer and J.L. Hamelink). ASTM STP 634 — American Society for Testing and Materials, 65-84.

(8) Finney, D.J (1978). Statistical Methods in Biological Assay. 3rd ed. London. Griffin/Weycombe, UK.

Anlage 1

CHEMISCHE EIGENSCHAFTEN EINER GEEIGNETEN ZUSAMMENSETZUNG VON VERDÜNNUNGSWASSER



Substanz

Konzentration

Partikel

< 20 mg/l

Gesamtgehalt an organischen Kohlenstoffen

< 2 mg/l

Nicht ionisierter Ammoniak

< 1 μg/l

Chlorüberschuss

< 10 μg/l

Gesamtgehalt an phosphororganischen Pestiziden

< 50 ng/l

Gesamtgehalt an phosphororganischen Pestiziden plus polychlorierten Biphenylen

< 50 ng/l

Gesamtgehalt an organischem Chlor

< 25 ng/l

Anlage 2

BEISPIELE FÜR GEEIGNETES ZUBEREITETES TESTWASSER

ISO-Testwasser (1)



Stammansatz (Einzelsubstanz)

Zur Herstellung von zubereitetem Wasser werden auf 1 Liter Wasser folgende Mengen des Stammansatzes zugesetzt (1)

Substanz

1 Liter Wasser zugesetzte Menge (1)

Kalziumchlorid

CaCl2·2H2O

11,76 g

25 ml

Magnesiumsulfat

MgSO4·7H2O

4,93 g

25 ml

Natriumbicarbonat

NaHCO3

2,59 g

25 ml

Kaliumchlorid

KCl

0,23 g

25 ml

(*1)   Wasser in der erforderlichen Reinheit, d. h. entionisiert, destilliert oder einer Umkehrosmose unterzogen, Leitfähigkeit möglichst nicht über 10 μS/cm-1.

Elendt M7- und M4-Medium

Gewöhnung an die Medien Elendt M4 und M7

In verschiedenen Labors sind Schwierigkeiten bei der direkten Umsetzung von Daphnien in die Medien M4 und M7 aufgetreten. Als erfolgreich erwies sich jedoch eine schrittweise Eingewöhnung, d. h. beim Wechsel aus dem eigenen Medium in 30 %iges Elendt-Medium, dann in 60 %iges Elendt-Medium und schließlich in ein 100 %iges Elendt-Medium. Die erforderliche Eingewöhnungszeit kann bis zu einem Monat betragen.

Herstellung

Spurenelemente

Gesonderte Stammansätze (I) einzelner Spurenelemente werden zuerst in Wasser geeigneter Reinheit (d. h. entionisiert, destilliert oder aus Umkehrosmose) hergestellt. Aus diesen unterschiedlichen Stammansätzen (I) wird ein zweiter alleiniger Stammansatz (II) hergestellt, der sämtliche Spurenelemente (kombinierte Lösung) enthält, d. h.:



Stammansatz/Stammansätze I (Einzelsubstanz)

In Wasser zugesetzte Menge (mg/l)

Konzentration (im Verhältnis zu M4)

Zur Herstellung des kombinierten Stammansatzes II ist die folgende Menge Stammansatz I zu Wasser zuzusetzen (ml/l)

M4

M7

H3BO3

57 190

20 000 -fach

1,0

0,25

MnCl2·4H2O

7 210

20 000 -fach

1,0

0,25

LiCl

6 120

20 000 -fach

1,0

0,25

RbCl

1 420

20 000 -fach

1,0

0,25

SrCl2·6H2O

3 040

20 000 -fach

1,0

0,25

NaBr

320

20 000 -fach

1,0

0,25

Na2MoO4·2H2O

1 230

20 000 -fach

1,0

0,25

CuCl2·2H2O

335

20 000 -fach

1,0

0,25

ZnCl2

260

20 000 -fach

1,0

1,0

CoCl2·6H2O

200

20 000 -fach

1,0

1,0

KI

65

20 000 -fach

1,0

1,0

Na2SeO3

43,8

20 000 -fach

1,0

1,0

NH4VO3

11,5

20 000 -fach

1,0

1,0

Na2EDTA·2H2O

5 000

2 000 -fach

FeSO4·7H2O

1 991

2 000 -fach

Na2-EDTA- und FeSO4-Lösungen werden einzeln hergestellt, zusammengegossen und sofort im Autoklav behandelt.

Dies ergibt:

2 l Fe-EDTA-Lösung

 

1 000 -fach

20,0

5,0

Medien M4 und M7

Die Medien M4 und M7 werden unter Verwendung des Stammansatzes II und der folgenden Makronährstoffe und Vitamine hergestellt:



 

Dem Wasser zugesetzte Menge (mg/l)

Konzentration (bezogen auf Medium M4)

Menge an Stammansatz II, die für die Zubereitung des Mediums zugesetzt wird (ml/l)

M4

M7

Stammansatz II (kombinierte Spurenelemente)

 

20-fach

50

50

Makronährstoff-Stammansätze (Einzelsubstanz)

 

 

 

 

CaCl2·2H2O

293 800

1 000 -fach

1,0

1,0

MgSO4·7H2O

246 600

2 000 -fach

0,5

0,5

KCl

58 000

10 000 -fach

0,1

0,1

NaHCO3

64 800

1 000 -fach

1,0

1,0

Na2SiO3·9H2O

50 000

5 000 -fach

0,2

0,2

NaNO3

2 740

10 000 -fach

0,1

0,1

KH2PO4

1 430

10 000 -fach

0,1

0,1

K2HPO4

1 840

10 000 -fach

0,1

0,1

Kombinierter Vitaminstamm

10 000 -fach

0,1

0,1

Der kombinierte Vitamin-Stammansatz wird durch Zugabe der 3 Vitamine gemäß untenstehender Übersicht zu 1 Liter Wasser hergestellt:

Thiaminhydrochlorid

750

10 000 -fach

 

 

Cyanocobalamin (B12)

10

10 000 -fach

 

 

Biotin

7,5

10 000 -fach

 

 

Der kombinierte Vitamin-Stammansatz wird in kleinen Portionen tiefgefroren aufbewahrt. Die Vitamine werden den Medien kurz vor der Verwendung zugesetzt.

Hinweis

:

Um ein Ausfällen der Salze bei der Herstellung der vollständigen Medien zu vermeiden, sind die Portionen der Stammansätze zu ca. 500 bis 800 ml entionisiertem Wasser zuzugeben und anschließend auf 1 Liter aufzufüllen.

Hinweis

:

Die erste Veröffentlichung zum Medium M4 ist zu finden bei Elendt, B. P (1990): Selenium deficiency in crustacea; an ultrastructual approach to antennal damage in Daphnia magna Straus. Protoplasma, 154, 25-33.

▼M6

C.3.   SÜSSWASSERALGEN UND CYANOBAKTERIEN: WACHSTUMSINHIBITIONSTEST

EINLEITUNG

1. Diese Prüfmethode entspricht der OECD-Prüfrichtlinie (TG) 201 (2006, Anhang korrigiert im Jahr 2011). Es wurde festgestellt, dass die Prüfmethode auf weitere Arten ausgeweitet und an die Anforderungen an die Risikobewertung und die Klassifizierung chemischer Stoffe angepasst werden muss. Die Überarbeitung wurde auf der Grundlage umfassender praktischer Erfahrungen sowie des wissenschaftlichen Fortschritts im Zusammenhang mit Untersuchungen zur Algentoxizität und der weit reichenden Anwendung entsprechender Rechtsvorschriften seit Annahme der ursprünglichen Fassung vorgenommen.

2. Definitionen der verwendeten Begriffe sind Anlage 1 zu entnehmen.

PRINZIP DER PRÜFMETHODE

3. Mit dieser Prüfung soll die Wirkung einer Chemikalie auf das Wachstum von Süßwasser-Mikroalgen und/oder Cyanobakterien bestimmt werden. Exponentiell wachsende Testorganismen werden in Batch-Kulturen über einen Zeitraum von im Allgemeinen 72 Stunden der Prüfchemikalie ausgesetzt. Trotz der verhältnismäßig kurzen Testdauer können Auswirkungen über mehrere Generationen beurteilt werden.

4. Die Systemantwort besteht in der Verringerung des Wachstums einer Reihe von Algenkulturen (Versuchseinheiten), die einer Prüfchemikalie in unterschiedlichen Konzentrationen ausgesetzt wurden. Diese Reaktion wird in Abhängigkeit von der Expositionskonzentration gegenüber dem durchschnittlichen Wachstum in der Chemikalie nicht ausgesetzten Replikatkontrollkulturen bewertet. Um die Systemantwort auf toxische Auswirkungen (optimale Empfindlichkeit) umfassend beschreiben zu können, wird ein unbegrenztes exponentielles Wachstum der Kulturen bei hinreichender Ernährung und kontinuierlicher Beleuchtung über einen ausreichenden Zeitraum ermöglicht, damit anschließend die Verringerung der spezifischen Wachstumsrate gemessen werden kann.

5. Wachstum und Wachstumshemmung werden durch zeitabhängige Messung der Biomasse der Algen bestimmt. Die Biomasse der Algen wird als Trockenmasse pro Volumen ausgedrückt (z. B. in mg Algen/Liter Testlösung). Die Trockenmasse ist jedoch schwer zu messen; daher werden Surrogatparameter verwendet. Häufigster Surrogatparameter ist die Zellzahl. Weitere Surrogatparameter sind das Zellvolumen, die Fluoreszenz, die optische Dichte usw. Der Faktor für die Umrechnung zwischen dem gemessenen Surrogatparameter und der Biomasse sollte bekannt sein.

6. Der Endpunkt des Tests ist die Wachstumshemmung, ausgedrückt als logarithmische Zunahme der Biomasse (durchschnittliche spezifische Wachstumsrate) während der Expositionsdauer. Aus den in einer Reihe von Testlösungen erfassten durchschnittlichen spezifischen Wachstumsraten wird die Konzentration bestimmt, bei der sich eine spezifizierte Hemmung der Wachstumsrate von x % (z. B. 50 %) ergibt; diese Konzentration wird als ErCx bezeichnet (z. B. ErC50).

7. Eine weitere Reaktionsvariable bei dieser Prüfmethode ist der Zellertrag (Yield). Diese Variable kann erforderlich sein, damit länderspezifische Regulierungsanforderungen erfüllt werden. Der Zellertrag wird definiert als Biomasse am Ende der Expositionsdauer abzüglich der Biomasse zu Beginn der Expositionsdauer. Aus dem in einer Reihe von Testlösungen erfassten Zellertrag wird die Konzentration berechnet, die eine spezifizierte Hemmung des Zellertrags (z. B. um 50 %) hervorruft; diese Konzentration wird als EyCx angegeben (z. B. EyC50).

8. Außerdem können die niedrigste Konzentration mit beobachteter Wirkung (LOEC) und die höchste geprüfte Konzentration ohne beobachtete Wirkung (NOEC) statistisch bestimmt werden.

INFORMATIONEN ZUR PRÜFCHEMIKALIE

9. Informationen zur Prüfchemikalie, die bei der Bestimmung der Prüfbedingungen hilfreich sein könnten, sind z. B. die Strukturformel, die Reinheit, die Lichtbeständigkeit, die Beständigkeit unter den Prüfbedingungen, das Lichtabsorptionsverhalten, pKa und die Ergebnisse von Transformationsstudien (u. a. die Ergebnisse von Studien zur biologischen Abbaubarkeit in Wasser).

10. Die Wasserlöslichkeit, der Octanol/Wasser-Verteilung