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Document 02017L1371-20170728

Consolidated text: Richtlinie (EU) 2017/1371 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2017 über die strafrechtliche Bekämpfung von gegen die finanziellen Interessen der Union gerichtetem Betrug

ELI: http://data.europa.eu/eli/dir/2017/1371/2017-07-28

02017L1371 — DE — 28.07.2017 — 000.001


Dieser Text dient lediglich zu Informationszwecken und hat keine Rechtswirkung. Die EU-Organe übernehmen keine Haftung für seinen Inhalt. Verbindliche Fassungen der betreffenden Rechtsakte einschließlich ihrer Präambeln sind nur die im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlichten und auf EUR-Lex verfügbaren Texte. Diese amtlichen Texte sind über die Links in diesem Dokument unmittelbar zugänglich

►B

RICHTLINIE (EU) 2017/1371 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES

vom 5. Juli 2017

über die strafrechtliche Bekämpfung von gegen die finanziellen Interessen der Union gerichtetem Betrug

(ABl. L 198 vom 28.7.2017, S. 29)


Berichtigt durch:

►C1

Berichtigung, ABl. L 350 vom 29.12.2017, S.  50 (2017/1371)




▼B

RICHTLINIE (EU) 2017/1371 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES

vom 5. Juli 2017

über die strafrechtliche Bekämpfung von gegen die finanziellen Interessen der Union gerichtetem Betrug



TITEL I

GEGENSTAND, BEGRIFFSBESTIMMUNGEN UND ANWENDUNGSBEREICH

Artikel 1

Gegenstand

In dieser Richtlinie werden Mindestvorschriften für die Definition von Straftatbeständen und Strafen zur Bekämpfung von Betrug und sonstigen gegen die finanziellen Interessen der Union gerichteten rechtswidrigen Handlungen festgelegt, um im Einklang mit dem Besitzstand der Union in diesem Bereich den Schutz vor Straftaten zu Lasten dieser finanziellen Interessen zu verbessern.

Artikel 2

Begriffsbestimmungen und Anwendungsbereich

(1)  Für die Zwecke dieser Richtlinie gelten folgende Begriffsbestimmungen:

▼C1

a) „finanzielle Interessen der Union“ sind sämtliche Einnahmen, Ausgaben und Vermögenswerte, die von folgenden Haushaltsplänen erfasst, von ihnen erworben oder ihnen geschuldet werden:

i) dem Haushaltsplan der Union,

ii) den Haushaltsplänen der nach den Verträgen geschaffenen Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union oder den von diesen direkt oder indirekt verwalteten und überwachten Haushaltsplänen;

▼B

b) „juristische Person“ ist ein Rechtssubjekt, das nach dem geltenden Recht Rechtspersönlichkeit besitzt, mit Ausnahme von Staaten oder sonstigen Körperschaften des öffentlichen Rechts in der Ausübung ihrer hoheitlichen Rechte und von öffentlich-rechtlichen internationalen Organisationen.

(2)  In Bezug auf Einnahmen aus den Mehrwertsteuer-Eigenmitteln findet diese Richtlinie nur bei schwerwiegenden Verstößen gegen das gemeinsame Mehrwertsteuersystem Anwendung. Für die Zwecke dieser Richtlinie gilt ein gegen das gemeinsame Mehrwertsteuersystem gerichteter Verstoß als schwerwiegend, wenn vorsätzliche Handlungen oder Unterlassungen nach Artikel 3 Absatz 2 Buchstabe d mit dem Hoheitsgebiet von zwei oder mehr Mitgliedstaaten der Union verbunden sind und einen Gesamtschaden von mindestens 10 000 000  EUR umfassen.

(3)  Die Struktur und die Funktionsweise der Steuerverwaltung der Mitgliedstaaten werden von dieser Richtlinie nicht berührt.



TITEL II

STRAFTATEN IM BEREICH VON BETRUG ZUM NACHTEIL DER FINANZIELLEN INTERESSEN DER UNION

Artikel 3

Betrug zum Nachteil der finanziellen Interessen der Union

(1)  Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass vorsätzlich begangener Betrug zum Nachteil der finanziellen Interessen der Union eine strafbare Handlung darstellt.

(2)  Für die Zwecke dieser Richtlinie sollte Folgendes als „Betrug zum Nachteil der finanziellen Interessen der Union“ angesehen werden:

a) in Bezug auf Ausgaben, die nicht im Zusammenhang mit der Auftragsvergabe stehen, jede Handlung oder Unterlassung betreffend

i) die Verwendung oder Vorlage falscher, unrichtiger oder unvollständiger Erklärungen oder Unterlagen mit der Folge, dass Mittel oder Vermögenswerte aus dem Gesamthaushalt der Union oder aus den Haushalten, die von der Union oder in deren Auftrag verwaltet werden, unrechtmäßig erlangt oder zurückbehalten werden,

ii) das Verschweigen einer Information unter Verletzung einer spezifischen Pflicht mit derselben Folge oder

iii) die missbräuchliche Verwendung dieser Mittel oder Vermögenswerte zu anderen Zwecken als denen, für die sie ursprünglich gewährt wurden;

b) in Bezug auf Ausgaben im Zusammenhang mit der Auftragsvergabe, zumindest wenn sie in der Absicht begangen wird, dem Täter oder einer anderen Person durch Schädigung der finanziellen Interessen der Union einen rechtswidrigen Vorteil zu verschaffen, jede Handlung oder Unterlassung betreffend

i) die Verwendung oder Vorlage falscher, unrichtiger oder unvollständiger Erklärungen oder Unterlagen mit der Folge, dass Mittel oder Vermögenswerte aus dem Gesamthaushalt der Union oder aus den Haushalten, die von der Union oder in deren Auftrag verwaltet werden, unrechtmäßig erlangt oder zurückbehalten werden,

ii) das Verschweigen einer Information unter Verletzung einer spezifischen Pflicht mit derselben Folge oder

iii) die missbräuchliche Verwendung dieser Mittel oder Vermögenswerte zu anderen Zwecken als denen, für die sie ursprünglich gewährt wurden, wodurch die finanziellen Interessen der Union geschädigt werden.

c) in Bezug auf Einnahmen, bei denen es sich nicht um die unter Buchstabe d genannten Einnahmen aus Mehrwertsteuer-Eigenmitteln handelt, jede Handlung oder Unterlassung betreffend

i) die Verwendung oder Vorlage falscher, unrichtiger oder unvollständiger Erklärungen oder Unterlagen mit der Folge, dass Mittel aus dem Haushalt der Union oder aus den Haushalten, die von der Union oder in deren Auftrag verwaltet werden, rechtswidrig vermindert werden,

ii) das Verschweigen einer Information unter Verletzung einer spezifischen Pflicht mit derselben Folge oder

iii) die missbräuchliche Verwendung eines rechtmäßig erlangten Vorteils mit derselben Folge;

d) in Bezug auf Einnahmen aus Mehrwertsteuer-Eigenmitteln jede im Rahmen eines grenzüberschreitenden Betrugssystems begangene Handlung oder Unterlassung betreffend

i) die Verwendung oder Vorlage falscher, unrichtiger oder unvollständiger Mehrwertsteuer-Erklärungen oder -Unterlagen mit der Folge, dass die Mittel des Unionshaushalts vermindert werden;

ii) das Verschweigen einer mehrwertsteuerrelevanten Information unter Verletzung einer spezifischen Pflicht mit derselben Folge oder

iii) die Vorlage richtiger Mehrwertsteuer-Erklärungen zur betrügerischen Verschleierung einer nicht geleisteten Zahlung oder zur unrechtmäßigen Begründung von Ansprüchen auf Erstattung der Mehrwertsteuer.

Artikel 4

Andere gegen die finanziellen Interessen der Union gerichtete Straftaten

(1)  Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass Geldwäsche gemäß der Beschreibung in Artikel 1 Absatz 3 der Richtlinie (EU) 2015/849, die sich auf von der vorliegenden Richtlinie erfasste Gegenstände aus Straftaten bezieht, eine Straftat darstellt.

(2)  Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass vorsätzliche Bestechlichkeit und vorsätzliche Bestechung Straftaten darstellen.

a) Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck „Bestechlichkeit“ die Handlung eines öffentlichen Bediensteten, der unmittelbar oder über eine Mittelsperson für sich oder einen Dritten Vorteile jedweder Art als Gegenleistung dafür fordert, annimmt oder sich versprechen lässt, dass er eine Diensthandlung oder eine Handlung bei der Ausübung seines Dienstes auf eine Weise vornimmt oder unterlässt, dass dadurch die finanziellen Interessen der Union geschädigt werden oder wahrscheinlich geschädigt werden;

b) Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck „Bestechung“ die Handlung einer Person, die einem öffentlichen Bediensteten unmittelbar oder über eine Mittelsperson einen Vorteil jedweder Art für diesen selbst oder für einen Dritten als Gegenleistung dafür verspricht, anbietet oder gewährt, dass der Bedienstete eine Diensthandlung oder eine Handlung bei der Ausübung seines Dienstes auf eine Weise vornimmt oder unterlässt, dass dadurch die finanziellen Interessen der Union geschädigt werden oder wahrscheinlich geschädigt werden.

(3)  Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die vorsätzliche missbräuchliche Verwendung eine Straftat darstellt.

Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck „missbräuchliche Verwendung“ die Handlung eines unmittelbar oder mittelbar mit der Verwaltung von Mitteln oder Vermögenswerten betrauten öffentlichen Bediensteten, auf jedwede Weise Mittel entgegen ihrer Zweckbestimmung zu binden oder auszuzahlen oder sonstige Vermögenswerte entgegen ihrer Zweckbestimmung zuzuweisen oder zu verwenden, wodurch die finanziellen Interessen der Union geschädigt werden.

(4)  Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck „öffentlicher Bediensteter“

a) einen Unionsbeamten oder nationalen Beamten, einschließlich eines nationalen Beamten eines anderen Mitgliedstaats und eines nationalen Beamten eines Drittlands:

i) der Ausdruck „Unionsbeamter“ bezeichnet eine Person, die

 Beamter oder sonstiger Bediensteter, der von der Union durch Vertrag eingestellt wird, im Sinne des in der Verordnung (EWG, Euratom, EGKS) Nr. 259/68 des Rates ( 1 ) festgelegten Statuts der Beamten und der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der Europäischen Union (im Folgenden „Statut“) ist oder

 die der Union von einem Mitgliedstaat oder von einer öffentlichen oder privaten Einrichtung zur Verfügung gestellt wird und dort Aufgaben wahrnimmt, die den Aufgaben der Beamten oder sonstigen Bediensteten der Union entsprechen.

Unbeschadet der Bestimmungen über Vorrechte und Befreiungen in den Protokollen Nr. 3 und Nr. 7 werden Mitglieder der Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union, die gemäß den Verträgen errichtet wurden, und die Bediensteten dieser Einrichtungen Unionsbeamten gleichgestellt, soweit das Statut nicht für sie gilt;

ii) der Ausdruck „nationaler Beamter“ ist im Sinne der Definition des Begriffs „Beamter“ oder „öffentlicher Bediensteter“ im nationalen Recht des Mitgliedstaats oder Drittlands zu verstehen, in dem die betreffende Person ihr Amt ausübt.

Handelt es sich jedoch um ein Verfahren, das ein Mitgliedstaat wegen einer Straftat einleitet, an der ein nationaler Beamter eines anderen Mitgliedstaats oder ein nationaler Beamter eines Drittlands beteiligt ist, so braucht ersterer die Definition für den Begriff „nationaler Beamter“ nur insoweit anzuwenden, als diese Definition mit seinem nationalen Recht im Einklang steht.

Unter den Begriff „nationaler Beamter“ fällt jede Person, die auf nationaler, regionaler oder lokaler Ebene ein Amt im Bereich der Exekutive, Verwaltung oder Justiz innehat. Personen, die auf nationaler, regionaler oder lokaler Ebene ein Amt im Bereich der Gesetzgebung innehaben, werden einem nationalen Beamten gleichgestellt;

b) eine andere Person, der öffentliche Aufgaben im Zusammenhang mit der Verwaltung der oder Entscheidungen über die finanziellen Interessen der Union in Mitgliedstaaten oder Drittländern übertragen wurden und die diese Aufgaben wahrnimmt.



TITEL III

ALLGEMEINE BESTIMMUNGEN ZU BETRUG UND ANDEREN STRAFTATEN ZUM NACHTEIL DER FINANZIELLEN INTERESSEN DER UNION

Artikel 5

Anstiftung, Beihilfe und Versuch

(1)  Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass Anstiftung und Beihilfe zur Begehung einer Straftat im Sinne der Artikel 3 und 4 als Straftaten geahndet werden können.

(2)  Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass der Versuch der Begehung einer Straftat im Sinne des Artikels 3 und des Artikels 4 Absatz 3 als Straftat geahndet werden kann.

Artikel 6

Verantwortlichkeit juristischer Personen

(1)  Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass eine juristische Person für eine Straftat im Sinne der Artikel 3, 4 und 5 verantwortlich gemacht werden kann, die zu ihren Gunsten von einer Person begangen wurde, die entweder allein oder als Teil eines Organs der juristischen Person gehandelt hat und die eine Führungsposition innerhalb der juristischen Person innehat aufgrund

a) einer Befugnis zur Vertretung der juristischen Person,

b) einer Befugnis, Entscheidungen im Namen der juristischen Person zu treffen, oder

c) einer Kontrollbefugnis innerhalb der juristischen Person.

(2)  Die Mitgliedstaaten treffen zudem die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass eine juristische Person verantwortlich gemacht werden kann, wenn mangelnde Überwachung oder Kontrolle durch eine der in Absatz 1 des vorliegenden Artikels genannten Personen die Begehung einer Straftat im Sinne der Artikel 3, 4 oder 5 zugunsten der juristischen Person durch eine ihr unterstellte Person ermöglicht hat.

(3)  Die Verantwortlichkeit einer juristischen Person nach den Absätzen 1 und 2 des vorliegenden Artikels schließt die Möglichkeit eines strafrechtlichen Verfahrens gegen natürliche Personen als Täter einer Straftat im Sinne der Artikel 3 und 4 oder als gemäß Artikel 5 strafrechtlich verantwortliche Person nicht aus.

Artikel 7

Strafen für natürliche Personen

(1)  Die Mitgliedstaaten stellen in Bezug auf natürliche Personen sicher, dass Straftaten im Sinne der Artikel 3, 4 und 5 mit wirksamen, verhältnismäßigen und abschreckenden strafrechtlichen Sanktionen geahndet werden können.

(2)  Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass Straftaten im Sinne der Artikel 3 und 4 mit einer Höchststrafe geahndet werden können, die Freiheitsentzug vorsieht.

(3)  Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass Straftaten im Sinne der Artikel 3 und 4 mit einer Freiheitsstrafe im Höchstmaß von mindestens vier Jahren geahndet werden können, wenn sie einen erheblichen Schaden oder Vorteil beinhalten.

Als erheblich gilt der Schaden oder Vorteil aus einer Straftat im Sinne von Artikel 3 Absatz 2 Buchstaben a, b oder c und im Sinne von Artikel 4, wenn der Schaden oder Vorteil mehr als 100 000  EUR beträgt.

Der Schaden oder Vorteil aus einer Straftat im Sinne von Artikel 3 Absatz 2 Buchstabe d gilt vorbehaltlich des Artikels 2 Absatz 2 stets als erheblich.

Die Mitgliedstaaten können auch aufgrund anderer in ihrem nationalen Recht festgelegter schwerwiegender Umstände eine Freiheitsstrafe im Höchstmaß von mindestens vier Jahren Freiheitsentzug vorsehen.

(4)  Beinhaltet eine Straftat im Sinne von Artikel 3 Absatz 2 Buchstaben a, b oder c oder im Sinne von Artikel 4 einen Schaden von weniger als 10 000  EUR oder einen Vorteil von weniger als 10 000  EUR, so können die Mitgliedstaaten andere als strafrechtliche Sanktionen vorsehen.

(5)  Absatz 1 lässt die Ausübung der Disziplinargewalt der zuständigen Behörden gegenüber öffentlichen Bediensteten unberührt.

Artikel 8

Erschwerender Umstand

Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass es als erschwerender Umstand gilt, wenn eine Straftat im Sinne der Artikel 3, 4 oder 5 innerhalb einer kriminellen Vereinigung im Sinne des Rahmenbeschlusses 2008/841/JI begangen wird.

Artikel 9

Sanktionen gegen juristische Personen

Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass gegen eine im Sinne des Artikels 6 verantwortliche juristische Person wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen verhängt werden können, zu denen Geldstrafen oder Geldbußen gehören und die andere Sanktionen einschließen können, darunter:

a) Ausschluss von öffentlichen Zuwendungen oder Hilfen,

b) vorübergehender oder dauerhafter Ausschluss von öffentlichen Ausschreibungsverfahren,

c) vorübergehendes oder dauerhaftes Verbot der Ausübung einer Handelstätigkeit,

d) Unterstellung unter gerichtliche Aufsicht,

e) gerichtlich angeordnete Auflösung,

f) vorübergehende oder endgültige Schließung von Einrichtungen, die zur Begehung der Straftat genutzt wurden.

Artikel 10

Sicherstellung und Einziehung

Die Mitgliedstaaten treffen die Maßnahmen, die erforderlich sind, damit Tatwerkzeuge und Erträge aus Straftaten im Sinne der Artikel 3, 4 und 5 sichergestellt und eingezogen werden können. Die Mitgliedstaaten, die durch die Richtlinie 2014/42/EU des Europäischen Parlaments und des Rates ( 2 ) gebunden sind, gehen dabei im Einklang mit der genannten Richtlinie vor.

Artikel 11

Gerichtsbarkeit

(1)  Jeder Mitgliedstaat trifft die erforderlichen Maßnahmen, um seine Gerichtsbarkeit für Straftaten im Sinne der Artikel 3, 4 und 5 in den Fällen zu begründen, in denen

a) die Straftat ganz oder teilweise in seinem Hoheitsgebiet begangen worden ist oder

b) es sich bei dem Straftäter um einen seiner Staatsangehörigen handelt.

(2)  Jeder Mitgliedstaat trifft die erforderlichen Maßnahmen, um seine Gerichtsbarkeit für Straftaten im Sinne der Artikel 3, 4 und 5 in den Fällen zu begründen, in denen der Täter zum Zeitpunkt der Straftat dem Statut unterliegt. Jeder Mitgliedstaat kann von der Anwendung der in diesem Absatz festgelegten Vorschriften zur Gerichtsbarkeit absehen oder diese nur in bestimmten Fällen oder unter bestimmten Umständen anwenden, und setzt die Kommission davon in Kenntnis.

(3)  Ein Mitgliedstaat unterrichtet die Kommission, wenn er sich dafür entscheidet, seine Gerichtsbarkeit für Straftaten im Sinne der Artikel 3, 4 oder 5, die außerhalb seines Hoheitsgebiets begangen wurden, zu begründen, in den folgenden Fällen:

a) der gewöhnliche Aufenthalt des Straftäters liegt in seinem Hoheitsgebiet,

b) die Straftat wird zugunsten einer in seinem Hoheitsgebiet ansässigen juristischen Person begangen, oder

c) es handelt sich bei dem Täter um einen seiner Beamten bei der Ausübung seiner Dienstpflichten.

(4)  In den in Absatz 1 Buchstabe b genannten Fällen treffen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die Ausübung ihrer Gerichtsbarkeit nicht an die Bedingung geknüpft wird, dass die Strafverfolgung nur nach einer Anzeige des Opfers an dem Ort, an dem die Straftat begangen wurde, oder nach einer Benachrichtigung durch den Staat, in dem sich der Tatort befindet, eingeleitet werden kann.

Artikel 12

Verjährungsfristen für gegen die finanziellen Interessen der Union gerichtete Straftaten

(1)  Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen zur Festlegung einer Verjährungsfrist, durch die Ermittlungen, Strafverfolgungsmaßnahmen, Gerichtsverfahren und gerichtliche Entscheidungen zu Straftaten im Sinne der Artikel 3, 4 und 5 für einen ausreichend langen Zeitraum nach der Begehung dieser Straftaten ermöglicht werden, damit diese Straftaten wirksam bekämpft werden können.

(2)  Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um bei Straftaten im Sinne der Artikel 3, 4 und 5, die mit einer Freiheitsstrafe im Höchstmaß von mindestens vier Jahren geahndet werden können, Ermittlungen, Strafverfolgungsmaßnahmen, Gerichtsverfahren und gerichtliche Entscheidungen für einen Zeitraum von mindestens fünf Jahren ab dem Zeitpunkt der Begehung der Straftat zu ermöglichen.

(3)  Abweichend von Absatz 2 können die Mitgliedstaaten eine Verjährungsfrist von weniger als fünf Jahren, aber nicht weniger als drei Jahren festlegen, sofern die Frist bei bestimmten Handlungen unterbrochen oder ausgesetzt werden kann.

(4)  Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit Folgendes vollstreckt werden kann:

a) eine Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr, oder alternativ dazu

b) eine Freiheitsstrafe im Fall einer Straftat, die mit einer Freiheitsstrafe im Höchstmaß von mindestens vier Jahren geahndet werden kann,

welche nach einer rechtskräftigen Verurteilung wegen einer Straftat im Sinne der Artikel 3, 4 oder 5 verhängt wurde, für mindestens fünf Jahre ab dem Zeitpunkt der rechtskräftigen Verurteilung. Diese Frist kann Verlängerungen der Verjährungsfrist aufgrund einer Unterbrechung oder Aussetzung beinhalten.

Artikel 13

Wiedereinziehung und Erhebung

Von dieser Richtlinie unberührt bleibt die Wiedereinziehung des Folgenden:

1. auf Unionsebene der im Zusammenhang mit der Begehung der Straftaten im Sinne von Artikel 3 Absatz 2 Buchstaben a, b und c oder der Artikel 4 oder 5 zu Unrecht gezahlten Beträge;

2. auf nationaler Ebene der im Zusammenhang mit der Begehung der Straftaten im Sinne von Artikel 3 Absatz 2 Buchstabe d oder der Artikel 4 oder 5 nicht gezahlten Mehrwertsteuerbeträge.

Artikel 14

Verhältnis zu anderen anwendbaren Rechtsvorschriften der Union

Die Anwendung von verwaltungsrechtlichen Maßnahmen, Strafen und Geldbußen, die im Unionsrecht, insbesondere in Artikel 4 und 5 der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95, oder in im Einklang mit einer besonderen unionsrechtlichen Verpflichtung erlassenen nationalen Rechtsvorschriften festgelegt sind, lässt diese Richtlinie unberührt. Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die ordnungsgemäße und wirksame Anwendung von im Unionsrecht oder in nationalen Umsetzungsvorschriften festgelegten verwaltungsrechtlichen Maßnahmen, Strafen und Geldbußen, die nicht mit einem strafrechtlichen Verfahren gleichgesetzt werden können, nicht durch Strafverfahren übermäßig beeinträchtigt wird, die auf der Grundlage nationaler Vorschriften zur Umsetzung dieser Richtlinie eingeleitet worden sind.



TITEL IV

SCHLUSSBESTIMMUNGEN

Artikel 15

Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten und der Kommission (OLAF) und anderen Organen, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union

(1)  Unbeschadet der Vorschriften über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit und die Rechtshilfe in Strafsachen arbeiten die Mitgliedstaaten, Eurojust, die Europäische Staatsanwaltschaft und die Kommission im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeiten bei der Bekämpfung von Straftaten im Sinne der Artikel 3, 4 und 5 zusammen. Hierzu leisten die Kommission und gegebenenfalls Eurojust die technische und operative Hilfe, die die zuständigen nationalen Behörden zur besseren Koordinierung ihrer Untersuchungen benötigen.

(2)  Die zuständigen Behörden in den Mitgliedstaaten können im Rahmen ihrer Zuständigkeiten Informationen mit der Kommission austauschen, um die Feststellung des Sachverhalts zu erleichtern und ein wirksames Vorgehen gegen Straftaten im Sinne der Artikel 3, 4 und 5 zu gewährleisten. Die Kommission und die zuständigen nationalen Behörden tragen in jedem einzelnen Fall den Erfordernissen der Vertraulichkeit und den Datenschutzbestimmungen Rechnung. Hierzu kann ein Mitgliedstaat unbeschadet des nationalen Rechts über den Zugang zu Informationen, wenn er der Kommission Informationen liefert, besondere Bedingungen für die Verwendung dieser Informationen durch die Kommission oder durch einen anderen Mitgliedstaat, an den die Informationen übermittelt werden, festlegen.

(3)  Der Rechnungshof und die Rechnungsprüfer, die für die Prüfung der Haushaltspläne der gemäß den Verträgen geschaffenen Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union und der von den Organen verwalteten und überwachten Haushaltspläne zuständig sind, unterrichten das OLAF und andere zuständige Behörden über jeden Sachverhalt, von dem sie in Ausübung ihrer Pflichten Kenntnis erlangt haben, wenn er als Straftat im Sinne der Artikel 3, 4 oder 5 gelten könnte. Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die nationalen Rechnungsprüfungsorgane ebenso handeln.

Artikel 16

Ersetzung des Übereinkommens zum Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften

Das Übereinkommen über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften vom 26. Juli 1995 und die diesbezüglichen Protokolle vom 27. September 1996, 29. November 1996 und 19. Juni 1997 werden durch diese Richtlinie für die Mitgliedstaaten, die durch sie gebunden sind, mit Wirkung vom 6. Juli 2019 ersetzt.

Für die Mitgliedstaaten, die durch diese Richtlinie gebunden sind, gelten Verweise auf das Übereinkommen als Verweise auf diese Richtlinie.

Artikel 17

Umsetzung

(1)  Die Mitgliedstaaten erlassen und veröffentlichen bis 6. Juli 2019 die Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die erforderlich sind, um dieser Richtlinie nachzukommen. Sie teilen der Kommission unverzüglich den Wortlaut dieser Maßnahmen mit. Sie wenden diese Maßnahmen ab dem 6. Juli 2019 an.

Wenn die Mitgliedstaaten diese Vorschriften erlassen, nehmen sie in den Vorschriften selbst oder durch einen Hinweis bei der amtlichen Veröffentlichung auf diese Richtlinie Bezug. Die Vorschriften enthalten zudem eine Erklärung dazu, dass für die Mitgliedstaaten, die durch die vorliegende Richtlinie gebunden sind, in bestehenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften enthaltene Verweise auf das durch die vorliegende Richtlinie ersetzte Übereinkommen als Verweise auf diese Richtlinie gelten. Die Mitgliedstaaten regeln die Einzelheiten dieser Bezugnahme und die Formulierung dieser Erklärung.

(2)  Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission den Wortlaut der wichtigsten nationalen Rechtsvorschriften mit, die sie auf dem unter diese Richtlinie fallenden Gebiet erlassen.

Artikel 18

Berichterstattung und Bewertung

(1)  Die Kommission legt dem Europäischen Parlament und dem Rat bis zum 6. Juli 2021 einen Bericht vor, in dem sie bewertet, inwieweit die Mitgliedstaaten die Maßnahmen getroffen haben, die erforderlich sind, um dieser Richtlinie nachzukommen.

(2)  Unbeschadet der in anderen Rechtsakten der Union festgelegten Berichtspflichten legen die Mitgliedstaaten der Kommission jährlich die folgenden statistischen Angaben in Bezug auf die Straftaten im Sinne der Artikel 3, 4 und 5 vor, wenn sie auf zentraler Ebene in dem betreffenden Mitgliedstaat verfügbar sind:

a) die Anzahl der eingeleiteten Strafverfahren, die Anzahl der eingestellten Verfahren, die Anzahl der Verfahren, die zu einem Freispruch führten, die Anzahl der Verfahren, die zu einer Verurteilung führten, und die Anzahl der laufenden Verfahren,

b) die im Anschluss an Strafverfahren wiedererlangten Beträge und den geschätzten Schaden.

(3)  Die Kommission legt dem Europäischen Parlament und dem Rat bis zum 6. Juli 2024 einen Bericht vor, in dem sie unter Berücksichtigung des gemäß Absatz 1 vorgelegten Berichts und der gemäß Absatz 2 vorgelegten statistischen Angaben der Mitgliedstaaten die Auswirkungen bewertet, die die nationalen Rechtsvorschriften zur Umsetzung dieser Richtlinie auf die Prävention von gegen die finanziellen Interessen der Union gerichtetem Betrug haben.

(4)  Im Hinblick auf das allgemeine Ziel der Verbesserung des Schutzes der finanziellen Interessen der Union legt die Kommission dem Europäischen Parlament und dem Rat bis zum 6. Juli 2022 einen Bericht auf der Grundlage der von den Mitgliedstaaten gemäß Absatz 2 vorgelegten statistischen Angaben mit einer Einschätzung dazu vor, ob

a) der in Artikel 2 Absatz 2 genannte Schwellenbetrag angemessen ist,

b) die Bestimmungen über die Verjährungsfristen gemäß Artikel 12 ausreichend wirksam sind,

c) mit dieser Richtlinie Fälle von Betrug im Zusammenhang mit der Vergabe öffentlicher Aufträge wirksam angegangen werden.

(5)  Den in den Absätzen 3 und 4 genannten Berichten wird erforderlichenfalls ein Gesetzgebungsvorschlag beigefügt, der eine spezifische Bestimmung über Betrug im Zusammenhang mit der Vergabe öffentlicher Aufträge enthalten kann.

Artikel 19

Inkrafttreten

Diese Richtlinie tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Artikel 20

Adressaten

Diese Richtlinie ist gemäß den Verträgen an die Mitgliedstaaten gerichtet.



( 1 ) ABl. L 56 vom 4.3.1968, S. 1.

( 2 ) Richtlinie 2014/42/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. April 2014 über die Sicherstellung und Einziehung von Tatwerkzeugen und Erträgen aus Straftaten in der Europäischen Union (ABl. L 127 vom 29.4.2014, S. 39).

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