URTEIL DES GERICHTS (Vierte Kammer)

26. Oktober 2012 ( *1 )

„Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik — Restriktive Maßnahmen gegen Iran zur Verhinderung der nuklearen Proliferation — Einfrieren von Geldern — Nichtigkeitsklage — Begründungspflicht“

In der Rechtssache T-63/12

Oil Turbo Compressor Co. (Private Joint Stock) mit Sitz in Teheran (Iran), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt K. Kleinschmidt,

Klägerin,

gegen

Rat der Europäischen Union, vertreten durch M. Bishop und Z. Kupčová als Bevollmächtigte,

Beklagter,

wegen Nichtigerklärung des Beschlusses 2011/783/GASP des Rates vom 1. Dezember 2011 zur Änderung des Beschlusses 2010/413/GASP über restriktive Maßnahmen gegen Iran (ABl. L 319, S. 71), soweit er die Klägerin betrifft,

erlässt

DAS GERICHT (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung der Präsidentin I. Pelikánová, der Richterin K. Jürimäe (Berichterstatterin) und des Richters M. van der Woude,

Kanzler: K. Andová, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 11. Juli 2012

folgendes

Urteil

Vorgeschichte des Rechtsstreits

1

Die Klägerin, die Oil Turbo Compressor Co. (Private Joint Stock), ist eine Gesellschaft mit Sitz in Iran, die in der Herstellung, in der Forschung und in Dienstleistungen in den Bereichen Gas, Petrochemie und Energie im Allgemeinen tätig ist. Insbesondere produziert und vertreibt sie speziell den Bedürfnissen ihrer Kunden angepasste Turbinen und Turbokompressoren.

2

Am 26. Juli 2010 erließ der Rat der Europäischen Union den Beschluss 2010/413/GASP über restriktive Maßnahmen gegen Iran und zur Aufhebung des Gemeinsamen Standpunkts 2007/140/GASP (ABl. L 195, S. 39). Art. 20 Abs. 1 des Beschlusses 2010/413 sieht das Einfrieren der Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen der Personen und Einrichtungen vor, die in den Anhängen I und II dieses Beschlusses aufgeführt sind.

3

Infolge des Erlasses des Beschlusses 2010/413 erließ der Rat am 25. Oktober 2010 die Verordnung (EU) Nr. 961/2010 über restriktive Maßnahmen gegen Iran und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 423/2007 (ABl. L 281, S. 1). Art. 16 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 961/2010 sieht das Einfrieren der Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen der in Anhang VIII dieser Verordnung aufgeführten Personen, Organisationen und Einrichtungen vor.

4

Am 1. Dezember 2011 erließ der Rat den Beschluss 2011/783/GASP zur Änderung des Beschlusses 2010/413 über restriktive Maßnahmen gegen Iran (ABl. L 319, S. 71, im Folgenden: angefochtener Beschluss), mit dem er u. a. den Namen der Klägerin der Liste der in Anhang II des Beschlusses 2010/413 aufgeführten Personen und Einrichtungen hinzufügte.

5

Am selben Tag erließ der Rat die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1245/2011 zur Durchführung der Verordnung Nr. 961/2010 (ABl. L 319, S. 11), mit der er u. a. den Namen der Klägerin der Liste in Anhang VIII der Verordnung Nr. 961/2010 hinzufügte.

6

Im angefochtenen Beschluss begründete der Rat das Einfrieren der Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen der Klägerin wie folgt:

„Ist dem von der EU benannten Unternehmen Sakhte Turbopomp va Kompressor (SATAK) (alias Turbo Compressor Manufacturer, TCMFG) angeschlossen.“

7

Mit Schreiben vom 5. Dezember 2011 unterrichtete der Rat die Klägerin über ihre Aufnahme in die Liste der in Anhang II des Beschlusses 2010/413 und in Anhang VIII der Verordnung Nr. 961/2010 aufgeführten Personen und Einrichtungen. Dieses Schreiben wurde dem Rat mit einem Stempel der iranischen Post mit dem Vermerk „Déménagé“ (Verzogen) zurückgesandt.

8

Mit Schreiben vom 9. Februar 2012 ersuchte die Klägerin den Rat, den Beschluss zur Aufnahme in die Liste der in Anhang II des Beschlusses 2010/413 und in Anhang VIII der Verordnung Nr. 961/2010 aufgeführten Personen und Einrichtungen zu überprüfen.

Verfahren und Anträge der Parteien

9

Mit Klageschrift, die am 13. Februar 2012 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.

10

Mit besonderem Schriftsatz, der am selben Tag bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat sie beantragt, den Rechtsstreit im beschleunigten Verfahren nach Art. 76a der Verfahrensordnung des Gerichts zu entscheiden.

11

Mit Entscheidung vom 13. März 2012 hat das Gericht (Vierte Kammer) diesem Antrag stattgegeben.

12

Die Parteien haben in der Sitzung vom 11. Juli 2012 mündlich verhandelt und die mündlichen Fragen des Gerichts beantwortet.

13

Die Klägerin beantragt,

den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären, soweit er sie betrifft;

eine prozessleitende Maßnahme gemäß Art. 64 der Verfahrensordnung zu erlassen, mit der dem Rat aufgegeben wird, sämtliche Unterlagen im Zusammenhang mit dem angefochtenen Beschluss vorzulegen, soweit sie die Klägerin betreffen;

dem Rat die Kosten aufzuerlegen.

14

Der Rat beantragt,

die Klage als unbegründet abzuweisen;

der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

Rechtliche Würdigung

15

Die Klägerin stützt ihre Klage auf vier Gründe. Mit dem ersten Klagegrund rügt sie eine offensichtliche fehlerhafte Beurteilung der dem angefochtenen Beschluss zugrunde liegenden Tatsachen, mit dem zweiten eine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren und auf wirksamen Rechtsschutz, mit dem dritten eine Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und mit dem vierten einen Verstoß gegen die Begründungspflicht und den Anspruch auf rechtliches Gehör.

16

Im Rahmen des ersten Klagegrundes macht die Klägerin erstens geltend, dass sie nie an Sakhte Turbopomp va Kompressor (SATAK) beteiligt gewesen sei und dass diese niemals an ihr beteiligt gewesen sei. Zweitens verwechsle der Rat Turbo Compressor Manufacturing (TCMFG), die eine mit ihr verbundene Gesellschaft gewesen sei, mit SATAK. Da ihr keine Tatsachen oder Beweismittel bekannt seien, aus denen sich ergäbe, dass TCMFG an proliferationsrelevanten nuklearen Tätigkeiten und/oder der Entwicklung von Trägersystemen für Kernwaffen oder anderen Waffensystemen beteiligt gewesen sei, sei drittens der Beschluss 2011/299/GASP des Rates vom 23. Mai 2011 zur Änderung des Beschlusses 2010/413 über restriktive Maßnahmen gegen Iran (ABl. L 136, S. 65), mit dem der Rat u. a. TCMFG der Liste der in Anhang II des Beschlusses 2010/413 aufgeführten Personen und Einrichtungen hinzugefügt habe, rechtswidrig, soweit er TCMFG betreffe. Viertens hätten zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses zwischen ihr und TCMFG keine Beteiligungen mehr bestanden, da zum einen sämtliche von TCMFG gehaltenen Beteiligungen am 6. Juni 2011 an D. verkauft worden seien und zum anderen sämtliche von ihr an TCMFG gehaltenen Beteiligungen an Sa. verkauft worden seien.

17

Der Rat hält die Argumente der Klägerin für nicht stichhaltig.

18

Nach der Rechtsprechung erstreckt sich die gerichtliche Kontrolle der Rechtmäßigkeit eines Rechtsakts, mit dem restriktive Maßnahmen gegen eine Einrichtung getroffen worden sind, auf die Beurteilung der Tatsachen und Umstände, die zu seiner Begründung herangezogen wurden, sowie auf die Prüfung der Beweise und Informationen, auf die sich diese Beurteilung stützt (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 14. Oktober 2009, Bank Melli Iran/Rat, T-390/08, Slg. 2009, II-3967, Randnrn. 37 und 107).

19

Darüber hinaus ist nach ständiger Rechtsprechung die Rechtmäßigkeit eines Unionsrechtsakts anhand der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses des Aktes zu beurteilen (vgl. entsprechend Urteil des Gerichts vom 27. September 2006, Roquette Frères/Kommission, T-322/01, Slg. 2006, II-3137, Randnr. 325 und die dort angeführte Rechtsprechung).

20

Im vorliegenden Fall hat der Rat das Einfrieren der Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen der Klägerin wie folgt begründet:

„Ist dem von der EU benannten Unternehmen Sakhte Turbopomp va Kompressor (SATAK) (alias Turbo Compressor Manufacturer, TCMFG) angeschlossen.“

21

Die Klägerin räumt ein, dass sie mit TCMFG verbunden gewesen sei, legt aber mehrere Dokumente dafür vor, dass bei Erlass des angefochtenen Beschlusses am 1. Dezember 2011 keine Überkreuzbeteiligung zwischen ihr und dieser Gesellschaft mehr bestand, so dass die Behauptung des Rates, dass sie zu diesem Zeitpunkt TCMFG angeschlossen gewesen sei, als sachlich falsch anzusehen ist.

22

So geht aus der Akte hervor, dass TCMFG am 6. Juni 2011 sämtliche Anteile, die sie an der Klägerin hielt, an D. verkauft hat. Die Klägerin hat hierzu eine Kopie der notariellen Urkunde und die Kopie eines auf den 6. Juni 2011 datierten Belegs über die Zahlung des vereinbarten Kaufpreises von 363036010000 iranischen Rial (IRR) (23970600 Euro) vorgelegt. Ferner hat sie die Kopie des Belegs über die Zahlung der für diesen Verkauf an die iranische Steuerverwaltung entrichteten Steuer in Höhe von 14521440400 IRR (958825 Euro) vorgelegt. Schließlich ist, wie dies die Klägerin getan hat, zu bemerken, dass das Protokoll der Sitzung ihres Vorstands vom 13. Juni 2011 den Verkauf der Anteile von TCMFG an D. bestätigt.

23

Des Weiteren hat die Klägerin Unterlagen eingereicht, die beweisen, dass sie von TCMFG keine Aktie mehr besaß. Insbesondere hat sie den Nachweis dafür vorgelegt, dass sie am 8. Juni 2011 ihre Anteile an TCMFG an Sa. verkauft hat, nämlich die Kopie des Kaufvertrags, die Kopie des Belegs über die Zahlung des Kaufpreises in Höhe von 160772410000 IRR (10612500 Euro) und die Kopie des Einzahlungsbelegs für die Steuer, die der iranischen Steuerverwaltung für diesen Kauf geschuldet wurde, in Höhe von 6430896400 IRR (424621 Euro).

24

In der mündlichen Verhandlung hat der Rat erklärt, dass er dies nicht bestreite. Daher ist festzustellen, dass der angefochtene Beschluss, obwohl TCMFG bis zum 6. Juni 2011 Aktien der Klägerin hielt, auf einer falschen tatsächlichen Grundlage beruht, da, wie in Randnr. 19 des vorliegenden Urteils ausgeführt, die Rechtmäßigkeit dieses Beschlusses zum Zeitpunkt seines Erlasses zu beurteilen ist, d. h. am 1. Dezember 2011; zu diesem Zeitpunkt hatte TCMFG die betreffenden Aktien insgesamt weiterverkauft.

25

Das Vorbringen des Rates steht diesem Ergebnis nicht entgegen.

26

In seiner Klagebeantwortung führt der Rat aus, dass der Verkauf der von TCMFG und der Klägerin gehaltenen Überkreuzbeteiligungen nur dazu gedient habe, den Anschein einer Entflechtung zu wecken und die tatsächlichen Beteiligungen zu verschleiern, weshalb der Grund für die Aufnahme der Klägerin in die Liste der in Anhang II des Beschlusses 2010/413 aufgeführten Personen und Einrichtungen am Tag des Erlasses des angefochtenen Beschlusses bestanden habe und bestehen bleibe. Ferner hat er in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass TCMFG trotz dieses Verkaufs immer noch Verbindungen zu der Klägerin habe.

27

Hierzu ist festzustellen, dass sich der Rat, wie in Randnr. 20 des vorliegenden Urteils erwähnt, im angefochtenen Beschluss nur auf den Umstand berufen hat, dass die Klägerin an SATAK alias TCMFG angeschlossen sei. Er hat in keiner Weise erwähnt, dass TCMFG, obwohl sie keine Beteiligung an der Klägerin mehr besaß, de facto die Klägerin kontrolliere, weil es sich bei der Übertragung der Beteiligungen um ein Manöver zur Umgehung der Verordnungsbestimmungen handele, nach denen der Rat Einrichtungen, die im Eigentum oder unter der Kontrolle von Personen und Einrichtungen stünden, die mit den proliferationsrelevanten nuklearen Tätigkeiten Irans oder der Entwicklung von Trägersystemen für Kernwaffen direkt in Verbindung stünden oder Unterstützung dafür bereitstellten, in die Liste der in Anhang II des Beschlusses 2010/413 aufgeführten Personen und Einrichtungen aufnehmen könne.

28

Ferner ist zu bemerken, dass der Rat in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich eingeräumt hat, dass er im Rahmen der Klagebeantwortung und der mündlichen Verhandlung eine neue Begründung für die Aufnahme der Klägerin in die genannte Liste formuliert habe, da er bei Erlass des angefochtenen Beschlusses nicht über das relevante Material verfügt habe, um diese Begründung zu stützen.

29

Das Gericht stellt jedoch fest, dass die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beschlusses nur anhand der Sach- und Rechtslage beurteilt werden kann, auf deren Grundlage er erlassen wurde, und nicht anhand von Umständen, die dem Rat nach Erlass dieses Beschlusses zur Kenntnis gebracht worden sind, und zwar auch dann, wenn die genannten Umstände nach Auffassung des Rates den Erlass des betreffenden Beschlusses wirksam begründen konnten. Das Gericht kann sich nämlich nicht der Anregung des Rates anschließen, letztlich die Gründe auszutauschen, auf die dieser Beschluss gestützt wird (vgl. entsprechend Urteil des Gerichts vom 28. März 2012, Egan und Hackett/Parlament, T-190/10, Randnrn. 102 und 103 und die dort angeführte Rechtsprechung).

30

In Anbetracht dieser Erwägungen ist dem ersten Klagegrund stattzugeben. Folglich ist der angefochtene Beschluss für nichtig zu erklären, soweit er die Klägerin betrifft, ohne dass die übrigen Klagegründe und Argumente der Parteien geprüft zu werden brauchen und ohne dass dem Rat aufgegeben zu werden braucht, die von der Klägerin in ihrem zweiten Klageantrag bezeichneten Unterlagen vorzulegen.

Kosten

31

Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da der Rat unterlegen ist, sind ihm gemäß dem Antrag der Klägerin deren Kosten aufzuerlegen.

 

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Vierte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

 

1.

Der Beschluss 2011/783/GASP des Rates vom 1. Dezember 2011 zur Änderung des Beschlusses 2010/413/GASP über restriktive Maßnahmen gegen Iran wird für nichtig erklärt, soweit er die Oil Turbo Compressor Co. (Private Joint Stock) betrifft.

 

2.

Der Rat der Europäischen Union trägt neben seinen eigenen Kosten die Kosten von Oil Turbo Compressor.

 

Pelikánová

Jürimäe

Van der Woude

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 26. Oktober 2012.

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Deutsch.


Parteien
Entscheidungsgründe
Tenor

Parteien

In der Rechtssache T-63/12

Oil Turbo Compressor Co. (Private Joint Stock) mit Sitz in Teheran (Iran), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt K. Kleinschmidt,

Klägerin,

gegen

Rat der Europäischen Union, vertreten durch M. Bishop und Z. Kupčová als Bevollmächtigte,

Beklagter,

wegen Nichtigerklärung des Beschlusses 2011/783/GASP des Rates vom 1. Dezember 2011 zur Änderung des Beschlusses 2010/413/GASP über restriktive Maßnahmen gegen Iran (ABl. L 319, S. 71), soweit er die Klägerin betrifft,

erlässt

DAS GERICHT (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung der Präsidentin I. Pelikánová, der Richterin K. Jürimäe (Berichterstatterin) und des Richters M. van der Woude,

Kanzler: K. Andová, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 11. Juli 2012

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe

Vorgeschichte des Rechtsstreits

1. Die Klägerin, die Oil Turbo Compressor Co. (Private Joint Stock), ist eine Gesellschaft mit Sitz in Iran, die in der Herstellung, in der Forschung und in Dienstleistungen in den Bereichen Gas, Petrochemie und Energie im Allgemeinen tätig ist. Insbesondere produziert und vertreibt sie speziell den Bedürfnissen ihrer Kunden angepasste Turbinen und Turbokompressoren.

2. Am 26. Juli 2010 erließ der Rat der Europäischen Union den Beschluss 2010/413/GASP über restriktive Maßnahmen gegen Iran und zur Aufhebung des Gemeinsamen Standpunkts 2007/140/GASP (ABl. L 195, S. 39). Art. 20 Abs. 1 des Beschlusses 2010/413 sieht das Einfrieren der Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen der Personen und Einrichtungen vor, die in den Anhängen I und II dieses Beschlusses aufgeführt sind.

3. Infolge des Erlasses des Beschlusses 2010/413 erließ der Rat am 25. Oktober 2010 die Verordnung (EU) Nr. 961/2010 über restriktive Maßnahmen gegen Iran und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 423/2007 (ABl. L 281, S. 1). Art. 16 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 961/2010 sieht das Einfrieren der Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen der in Anhang VIII dieser Verordnung aufgeführten Personen, Organisationen und Einrichtungen vor.

4. Am 1. Dezember 2011 erließ der Rat den Beschluss 2011/783/GASP zur Änderung des Beschlusses 2010/413 über restriktive Maßnahmen gegen Iran (ABl. L 319, S. 71, im Folgenden: angefochtener Beschluss), mit dem er u. a. den Namen der Klägerin der Liste der in Anhang II des Beschlusses 2010/413 aufgeführten Personen und Einrichtungen hinzufügte.

5. Am selben Tag erließ der Rat die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1245/2011 zur Durchführung der Verordnung Nr. 961/2010 (ABl. L 319, S. 11), mit der er u. a. den Namen der Klägerin der Liste in Anhang VIII der Verordnung Nr. 961/2010 hinzufügte.

6. Im angefochtenen Beschluss begründete der Rat das Einfrieren der Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen der Klägerin wie folgt:

„Ist dem von der EU benannten Unternehmen Sakhte Turbopomp va Kompressor (SATAK) (alias Turbo Compressor Manufacturer, TCMFG) angeschlossen.“

7. Mit Schreiben vom 5. Dezember 2011 unterrichtete der Rat die Klägerin über ihre Aufnahme in die Liste der in Anhang II des Beschlusses 2010/413 und in Anhang VIII der Verordnung Nr. 961/2010 aufgeführten Personen und Einrichtungen. Dieses Schreiben wurde dem Rat mit einem Stempel der iranischen Post mit dem Vermerk „Déménagé“ (Verzogen) zurückgesandt.

8. Mit Schreiben vom 9. Februar 2012 ersuchte die Klägerin den Rat, den Beschluss zur Aufnahme in die Liste der in Anhang II des Beschlusses 2010/413 und in Anhang VIII der Verordnung Nr. 961/2010 aufgeführten Personen und Einrichtungen zu überprüfen.

Verfahren und Anträge der Parteien

9. Mit Klageschrift, die am 13. Februar 2012 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.

10. Mit besonderem Schriftsatz, der am selben Tag bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat sie beantragt, den Rechtsstreit im beschleunigten Verfahren nach Art. 76a der Verfahrensordnung des Gerichts zu entscheiden.

11. Mit Entscheidung vom 13. März 2012 hat das Gericht (Vierte Kammer) diesem Antrag stattgegeben.

12. Die Parteien haben in der Sitzung vom 11. Juli 2012 mündlich verhandelt und die mündlichen Fragen des Gerichts beantwortet.

13. Die Klägerin beantragt,

– den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären, soweit er sie betrifft;

– eine prozessleitende Maßnahme gemäß Art. 64 der Verfahrensordnung zu erlassen, mit der dem Rat aufgegeben wird, sämtliche Unterlagen im Zusammenhang mit dem angefochtenen Beschluss vorzulegen, soweit sie die Klägerin betreffen;

– dem Rat die Kosten aufzuerlegen.

14. Der Rat beantragt,

– die Klage als unbegründet abzuweisen;

– der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

Rechtliche Würdigung

15. Die Klägerin stützt ihre Klage auf vier Gründe. Mit dem ersten Klagegrund rügt sie eine offensichtliche fehlerhafte Beurteilung der dem angefochtenen Beschluss zugrunde liegenden Tatsachen, mit dem zweiten eine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren und auf wirksamen Rechtsschutz, mit dem dritten eine Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und mit dem vierten einen Verstoß gegen die Begründungspflicht und den Anspruch auf rechtliches Gehör.

16. Im Rahmen des ersten Klagegrundes macht die Klägerin erstens geltend, dass sie nie an Sakhte Turbopomp va Kompressor (SATAK) beteiligt gewesen sei und dass diese niemals an ihr beteiligt gewesen sei. Zweitens verwechsle der Rat Turbo Compressor Manufacturing (TCMFG), die eine mit ihr verbundene Gesellschaft gewesen sei, mit SATAK. Da ihr keine Tatsachen oder Beweismittel bekannt seien, aus denen sich ergäbe, dass TCMFG an proliferationsrelevanten nuklearen Tätigkeiten und/oder der Entwicklung von Trägersystemen für Kernwaffen oder anderen Waffensystemen beteiligt gewesen sei, sei drittens der Beschluss 2011/299/GASP des Rates vom 23. Mai 2011 zur Änderung des Beschlusses 2010/413 über restriktive Maßnahmen gegen Iran (ABl. L 136, S. 65), mit dem der Rat u. a. TCMFG der Liste der in Anhang II des Beschlusses 2010/413 aufgeführten Personen und Einrichtungen hinzugefügt habe, rechtswidrig, soweit er TCMFG betreffe. Viertens hätten zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses zwischen ihr und TCMFG keine Beteiligungen mehr bestanden, da zum einen sämtliche von TCMFG gehaltenen Beteiligungen am 6. Juni 2011 an D. verkauft worden seien und zum anderen sämtliche von ihr an TCMFG gehaltenen Beteiligungen an Sa. verkauft worden seien.

17. Der Rat hält die Argumente der Klägerin für nicht stichhaltig.

18. Nach der Rechtsprechung erstreckt sich die gerichtliche Kontrolle der Rechtmäßigkeit eines Rechtsakts, mit dem restriktive Maßnahmen gegen eine Einrichtung getroffen worden sind, auf die Beurteilung der Tatsachen und Umstände, die zu seiner Begründung herangezogen wurden, sowie auf die Prüfung der Beweise und Informationen, auf die sich diese Beurteilung stützt (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 14. Oktober 2009, Bank Melli Iran/Rat, T-390/08, Slg. 2009, II-3967, Randnrn. 37 und 107).

19. Darüber hinaus ist nach ständiger Rechtsprechung die Rechtmäßigkeit eines Unionsrechtsakts anhand der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses des Aktes zu beurteilen (vgl. entsprechend Urteil des Gerichts vom 27. September 2006, Roquette Frères/Kommission, T-322/01, Slg. 2006, II-3137, Randnr. 325 und die dort angeführte Rechtsprechung).

20. Im vorliegenden Fall hat der Rat das Einfrieren der Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen der Klägerin wie folgt begründet:

„Ist dem von der EU benannten Unternehmen Sakhte Turbopomp va Kompressor (SATAK) (alias Turbo Compressor Manufacturer, TCMFG) angeschlossen.“

21. Die Klägerin räumt ein, dass sie mit TCMFG verbunden gewesen sei, legt aber mehrere Dokumente dafür vor, dass bei Erlass des angefochtenen Beschlusses am 1. Dezember 2011 keine Überkreuzbeteiligung zwischen ihr und dieser Gesellschaft mehr bestand, so dass die Behauptung des Rates, dass sie zu diesem Zeitpunkt TCMFG angeschlossen gewesen sei, als sachlich falsch anzusehen ist.

22. So geht aus der Akte hervor, dass TCMFG am 6. Juni 2011 sämtliche Anteile, die sie an der Klägerin hielt, an D. verkauft hat. Die Klägerin hat hierzu eine Kopie der notariellen Urkunde und die Kopie eines auf den 6. Juni 2011 datierten Belegs über die Zahlung des vereinbarten Kaufpreises von 363 036 010 000 iranischen Rial (IRR) (23 970 600 Euro) vorgelegt. Ferner hat sie die Kopie des Belegs über die Zahlung der für diesen Verkauf an die iranische Steuerverwaltung entrichteten Steuer in Höhe von 14 521 440 400 IRR (958 825 Euro) vorgelegt. Schließlich ist, wie dies die Klägerin getan hat, zu bemerken, dass das Protokoll der Sitzung ihres Vorstands vom 13. Juni 2011 den Verkauf der Anteile von TCMFG an D. bestätigt.

23. Des Weiteren hat die Klägerin Unterlagen eingereicht, die beweisen, dass sie von TCMFG keine Aktie mehr besaß. Insbesondere hat sie den Nachweis dafür vorgelegt, dass sie am 8. Juni 2011 ihre Anteile an TCMFG an Sa. verkauft hat, nämlich die Kopie des Kaufvertrags, die Kopie des Belegs über die Zahlung des Kaufpreises in Höhe von 160 772 410 000 IRR (10 612 500 Euro) und die Kopie des Einzahlungsbelegs für die Steuer, die der iranischen Steuerverwaltung für diesen Kauf geschuldet wurde, in Höhe von 6 430 896 400 IRR (424 621 Euro).

24. In der mündlichen Verhandlung hat der Rat erklärt, dass er dies nicht bestreite. Daher ist festzustellen, dass der angefochtene Beschluss, obwohl TCMFG bis zum 6. Juni 2011 Aktien der Klägerin hielt, auf einer falschen tatsächlichen Grundlage beruht, da, wie in Randnr. 19 des vorliegenden Urteils ausgeführt, die Rechtmäßigkeit dieses Beschlusses zum Zeitpunkt seines Erlasses zu beurteilen ist, d. h. am 1. Dezember 2011; zu diesem Zeitpunkt hatte TCMFG die betreffenden Aktien insgesamt weiterverkauft.

25. Das Vorbringen des Rates steht diesem Ergebnis nicht entgegen.

26. In seiner Klagebeantwortung führt der Rat aus, dass der Verkauf der von TCMFG und der Klägerin gehaltenen Überkreuzbeteiligungen nur dazu gedient habe, den Anschein einer Entflechtung zu wecken und die tatsächlichen Beteiligungen zu verschleiern, weshalb der Grund für die Aufnahme der Klägerin in die Liste der in Anhang II des Beschlusses 2010/413 aufgeführten Personen und Einrichtungen am Tag des Erlasses des angefochtenen Beschlusses bestanden habe und bestehen bleibe. Ferner hat er in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass TCMFG trotz dieses Verkaufs immer noch Verbindungen zu der Klägerin habe.

27. Hierzu ist festzustellen, dass sich der Rat, wie in Randnr. 20 des vorliegenden Urteils erwähnt, im angefochtenen Beschluss nur auf den Umstand berufen hat, dass die Klägerin an SATAK alias TCMFG angeschlossen sei. Er hat in keiner Weise erwähnt, dass TCMFG, obwohl sie keine Beteiligung an der Klägerin mehr besaß, de facto die Klägerin kontrolliere, weil es sich bei der Übertragung der Beteiligungen um ein Manöver zur Umgehung der Verordnungsbestimmungen handele, nach denen der Rat Einrichtungen, die im Eigentum oder unter der Kontrolle von Personen und Einrichtungen stünden, die mit den proliferationsrelevanten nuklearen Tätigkeiten Irans oder der Entwicklung von Trägersystemen für Kernwaffen direkt in Verbindung stünden oder Unterstützung dafür bereitstellten, in die Liste der in Anhang II des Beschlusses 2010/413 aufgeführten Personen und Einrichtungen aufnehmen könne.

28. Ferner ist zu bemerken, dass der Rat in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich eingeräumt hat, dass er im Rahmen der Klagebeantwortung und der mündlichen Verhandlung eine neue Begründung für die Aufnahme der Klägerin in die genannte Liste formuliert habe, da er bei Erlass des angefochtenen Beschlusses nicht über das relevante Material verfügt habe, um diese Begründung zu stützen.

29. Das Gericht stellt jedoch fest, dass die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beschlusses nur anhand der Sach- und Rechtslage beurteilt werden kann, auf deren Grundlage er erlassen wurde, und nicht anhand von Umständen, die dem Rat nach Erlass dieses Beschlusses zur Kenntnis gebracht worden sind, und zwar auch dann, wenn die genannten Umstände nach Auffassung des Rates den Erlass des betreffenden Beschlusses wirksam begründen konnten. Das Gericht kann sich nämlich nicht der Anregung des Rates anschließen, letztlich die Gründe auszutauschen, auf die dieser Beschluss gestützt wird (vgl. entsprechend Urteil des Gerichts vom 28. März 2012, Egan und Hackett/Parlament, T-190/10, Randnrn. 102 und 103 und die dort angeführte Rechtsprechung).

30. In Anbetracht dieser Erwägungen ist dem ersten Klagegrund stattzugeben. Folglich ist der angefochtene Beschluss für nichtig zu erklären, soweit er die Klägerin betrifft, ohne dass die übrigen Klagegründe und Argumente der Parteien geprüft zu werden brauchen und ohne dass dem Rat aufgegeben zu werden braucht, die von der Klägerin in ihrem zweiten Klageantrag bezeichneten Unterlagen vorzulegen.

Kosten

31. Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da der Rat unterlegen ist, sind ihm gemäß dem Antrag der Klägerin deren Kosten aufzuerlegen.

Tenor

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Vierte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Der Beschluss 2011/783/GASP des Rates vom 1. Dezember 2011 zur Änderung des Beschlusses 2010/413/GASP über restriktive Maßnahmen gegen Iran wird für nichtig erklärt, soweit er die Oil Turbo Compressor Co. (Private Joint Stock) betrifft.

2. Der Rat der Europäischen Union trägt neben seinen eigenen Kosten die Kosten von Oil Turbo Compressor.