URTEIL DES GERICHTSHOFS (Dritte Kammer)
13. Januar 2022 ( *1 )
„Rechtsmittel – Untersuchungen des Europäischen Amts für Betrugsbekämpfung (OLAF) – Untersuchungsberichte – Antrag auf Einleitung einer Untersuchung betreffend die Durchführung früherer Untersuchungen durch das OLAF – Antrag auf Zugang zu Dokumenten – Ablehnendes Schreiben – Art. 263 AEUV – Mit einer Nichtigkeitsklage anfechtbare Entscheidung – Klagefrist – Klage gegen ein Schreiben, das Untersuchungsberichte des OLAF bestätigt – Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 – Art. 6 und Art. 7 Abs. 2 – Pflicht, den Antragsteller auf sein Recht hinzuweisen, einen Zweitantrag zu stellen“
In der Rechtssache C‑351/20 P
betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 30. Juli 2020,
Liviu Dragnea, wohnhaft in Bukarest (Rumänien), Prozessbevollmächtigte: C. Toby, O. Riffaud und B. Entringer, avocats,
Rechtsmittelführer,
andere Partei des Verfahrens:
Europäische Kommission, vertreten durch J.‑P. Keppenne und J. Baquero Cruz als Bevollmächtigte,
Beklagte im ersten Rechtszug,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung der Präsidentin der zweiten Kammer A. Prechal in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Dritten Kammer, der Richter J. Passer (Berichterstatter) und F. Biltgen, der Richterin L. S. Rossi und des Richters N. Wahl,
Generalanwältin: J. Kokott,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 15. Juli 2021
folgendes
Urteil
1 |
Mit seinem Rechtsmittel beantragt Herr Liviu Dragnea die Aufhebung des Beschlusses des Gerichts der Europäischen Union vom 12. Mai 2020, Dragnea/Kommission (T‑738/18, nicht veröffentlicht, im Folgenden: angefochtener Beschluss, EU:T:2020:208), mit dem das Gericht seine Klage auf Nichtigerklärung des Schreibens des Europäischen Amts für Betrugsbekämpfung (OLAF) vom 1. Oktober 2018 abgewiesen hat, das zum einen die Weigerung, eine Untersuchung über die Durchführung zweier früherer Untersuchungen einzuleiten, und zum anderen die Ablehnung des Zugangs zu Dokumenten bezüglich dieser Untersuchungen betraf (im Folgenden: streitiges Schreiben). |
Rechtlicher Rahmen
Verordnung (EU, Euratom) Nr. 883/2013
2 |
Nach Art. 2 Nr. 5 der Verordnung (EU, Euratom) Nr. 883/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. September 2013 über die Untersuchungen des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF) und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1073/1999 des Europäischen Parlaments und des Rates und der Verordnung (Euratom) Nr. 1074/1999 des Rates (ABl. 2013, L 248, S. 1) ist „Betroffener“„jede Person oder jeder Wirtschaftsteilnehmer, die bzw. der im Verdacht steht, Betrug, Korruption oder sonstige rechtswidrige Handlungen zum Nachteil der finanziellen Interessen der Union begangen zu haben, und daher Gegenstand einer Untersuchung des [OLAF] ist“. |
3 |
Art. 5 („Einleitung der Untersuchungen“) dieser Verordnung lautet: „(1) Der Generaldirektor kann eine Untersuchung einleiten, wenn – gegebenenfalls auch aufgrund von Informationen von dritter Seite oder aufgrund anonymer Hinweise – hinreichender Verdacht auf Betrug, Korruption oder sonstige rechtswidrige Handlungen zum Nachteil der finanziellen Interessen der Union besteht. Der Beschluss des Generaldirektors darüber, ob eine Untersuchung eingeleitet wird, trägt den vorrangigen Zielen der Untersuchungspolitik und dem in Übereinstimmung mit Artikel 17 Absatz 5 festgelegten jährlichen Managementplan des [OLAF] Rechnung. Der Beschluss berücksichtigt zudem die Notwendigkeit einer effizienten Verwendung der Ressourcen des [OLAF] und eines angemessenen Mitteleinsatzes. Bei internen Untersuchungen ist besonders der Frage Rechnung zu tragen, welches Organ, welche Einrichtung oder welche sonstige Stelle am besten für die Durchführung der betreffenden Untersuchung geeignet ist, wobei insbesondere der Sachverhalt, das Ausmaß der tatsächlichen oder der möglichen finanziellen Auswirkungen des Falls und die Wahrscheinlichkeit justizieller Folgemaßnahmen zu berücksichtigen sind. (2) Die Einleitung externer Untersuchungen wird vom Generaldirektor von sich aus oder auf Ersuchen eines betroffenen Mitgliedstaats oder eines Organs, einer Einrichtung oder sonstigen Stelle der Europäischen Union beschlossen. Die Einleitung interner Untersuchungen wird vom Generaldirektor von sich aus oder auf Ersuchen des Organs, der Einrichtung oder sonstigen Stelle, bei dem bzw. der die Untersuchung durchgeführt werden soll, oder auf Ersuchen eines Mitgliedstaats beschlossen. … (4) Binnen zwei Monaten nach Eingang des in Absatz 2 genannten Ersuchens beim [OLAF] wird ein Beschluss darüber gefasst, ob eine Untersuchung eingeleitet wird. Der Beschluss wird dem ersuchenden Mitgliedstaat bzw. dem Organ, der Einrichtung oder sonstigen Stelle unverzüglich mitgeteilt. Jeder Beschluss, keine Untersuchung einzuleiten, ist zu begründen. Hat das [OLAF] nach Ablauf der Zweimonatsfrist keinen Beschluss gefasst, so gilt dies als Beschluss des [OLAF], keine Untersuchung einzuleiten. Übermittelt ein Beamter oder sonstiger Bediensteter, ein Mitglied eines der Organe oder Einrichtungen, ein Leiter einer sonstigen Stelle oder ein Bediensteter dem [OLAF] gemäß Artikel 22a des Statuts Informationen bezüglich eines vermuteten Betrugs oder einer vermuteten Unregelmäßigkeit, so setzt das [OLAF] den Betreffenden von seinem Beschluss über die Einleitung beziehungsweise Nichteinleitung einer diesbezüglichen Untersuchung in Kenntnis. …“ |
4 |
In Art. 9 („Verfahrensgarantien“) der Verordnung Nr. 883/2013 sind die Verfahrensgarantien aufgelistet, die Personen, die von den Untersuchungen des OLAF betroffen sind, gewährt werden müssen. Art. 9 Abs. 4 sieht insbesondere vor, dass „bevor sich namentlich auf eine Person beziehende Schlussfolgerungen gezogen werden, dieser Person Gelegenheit zu geben [ist], sich zu den sie betreffenden Sachverhalten zu äußern“. |
5 |
Art. 11 („Untersuchungsberichte und Folgemaßnahmen“) dieser Verordnung sieht in Abs. 1 vor, dass nach Abschluss einer vom OLAF durchgeführten Untersuchung ein Bericht erstellt wird, der insbesondere Aufschluss über die durchgeführten Verfahrensschritte, den festgestellten Sachverhalt und seine vorläufige rechtliche Bewertung gibt und dem gegebenenfalls Empfehlungen zu der Frage beigefügt sind, ob durch die Organe der Union bzw. die zuständigen mitgliedstaatlichen Behörden Maßnahmen ergriffen werden sollten oder nicht. |
Verordnung (EG) Nr. 1049/2001
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Art. 6 („Anträge“) der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission (ABl. 2001, L 145, S. 43) sieht in Abs. 1 vor: „Anträge auf Zugang zu einem Dokument sind in schriftlicher, einschließlich elektronischer, Form in einer der in Artikel [55 EUV] aufgeführten Sprachen zu stellen und müssen so präzise formuliert sein, dass das Organ das betreffende Dokument ermitteln kann. Der Antragsteller ist nicht verpflichtet, Gründe für seinen Antrag anzugeben.“ |
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Art. 7 („Behandlung von Erstanträgen“) dieser Verordnung sieht vor: „(1) Ein Antrag auf Zugang zu einem Dokument wird unverzüglich bearbeitet. Dem Antragsteller wird eine Empfangsbescheinigung zugesandt. Binnen fünfzehn Arbeitstagen nach Registrierung des Antrags gewährt das Organ entweder Zugang zu dem angeforderten Dokument und macht es innerhalb dieses Zeitraums gemäß Artikel 10 zugänglich oder informiert den Antragsteller schriftlich über die Gründe für die vollständige oder teilweise Ablehnung und über dessen Recht, gemäß Absatz 2 dieses Artikels einen Zweitantrag zu stellen. (2) Im Fall einer vollständigen oder teilweisen Ablehnung kann der Antragsteller binnen fünfzehn Arbeitstagen nach Eingang des Antwortschreibens des Organs einen Zweitantrag an das Organ richten und es um eine Überprüfung seines Standpunkts ersuchen. … (4) Antwortet das Organ nicht innerhalb der vorgeschriebenen Frist, so hat der Antragsteller das Recht, einen Zweitantrag einzureichen.“ |
8 |
In Art. 8 („Behandlung von Zweitanträgen“) der Verordnung Nr. 1049/2001 heißt es: „(1) Ein Zweitantrag ist unverzüglich zu bearbeiten. Binnen fünfzehn Arbeitstagen nach Registrierung eines solchen Antrags gewährt das Organ entweder Zugang zu dem angeforderten Dokument und macht es innerhalb dieses Zeitraums gemäß Artikel 10 zugänglich oder teilt schriftlich die Gründe für die vollständige oder teilweise Ablehnung mit. Verweigert das Organ den Zugang vollständig oder teilweise, so unterrichtet es den Antragsteller über mögliche Rechtsbehelfe, das heißt, Erhebung einer Klage gegen das Organ und/oder Einlegen einer Beschwerde beim Bürgerbeauftragten nach Maßgabe der Artikel [263] bzw. [228 AEUV]. … (3) Antwortet das Organ nicht innerhalb der vorgeschriebenen Frist, gilt dies als abschlägiger Bescheid und berechtigt den Antragsteller, nach Maßgabe der einschlägigen Bestimmungen des [AEU]-Vertrags Klage gegen das Organ zu erheben und/oder Beschwerde beim Bürgerbeauftragten einzulegen.“ |
Vorgeschichte des Rechtsstreits
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Am 10. Februar 2015 leitete das OLAF zwei Untersuchungen ein, die mutmaßliche betrügerische Handlungen in Bezug auf zwei Straßenbauprojekte in Rumänien betrafen (im Folgenden: frühere Untersuchungen). Die Kreisbehörde von Teleorman (Rumänien) hatte die Projekte vergeben, finanziert hatte sie der Europäische Fonds für regionale Entwicklung (EFRE). |
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Am 30. Mai und am 16. September 2016 schloss das OLAF seine Untersuchungen ab. In seinen Abschlussberichten stellte das OLAF fest, dass zwei kriminelle Vereinigungen gegründet und mutmaßlich große Mengen an Dokumenten gefälscht worden waren, um illegal an Unionsmittel zu kommen. |
11 |
Darüber hinaus empfahl das OLAF der Europäischen Kommission, die betroffenen Beträge zurückzufordern; der rumänischen Antikorruptionsbehörde empfahl es die Einleitung strafrechtlicher Ermittlungen wegen rechtswidriger Handlungen zum Nachteil finanzieller Interessen der Union. |
12 |
Das OLAF stufte die Kreisbehörde von Teleorman als „Betroffene“ im Sinne von Art. 2 Nr. 5 der Verordnung Nr. 883/2013 der früheren Untersuchungen ein. Der Rechtsmittelführer, Herr Dragnea, der zum Zeitpunkt des untersuchten Sachverhalts Präsident dieser Behörde gewesen war, wurde dagegen nicht als „Betroffener“ eingestuft. |
13 |
Am 13. November 2017 machte die rumänische Antikorruptionsbehörde die Einleitung eines Strafverfahrens gegen den Rechtsmittelführer wegen Betrug in Bezug auf Unionsmittel, Gründung einer kriminellen Vereinigung und Machtmissbrauch bekannt. |
14 |
Am selben Tag veröffentlichte das OLAF eine Pressemitteilung, in der es die Einleitung dieses Strafverfahrens bekanntgab. Das OLAF nannte dabei den Rechtsmittelführer namentlich und wies auf die Bedeutung seiner vorherigen Untersuchungen für die Einleitung des Strafverfahrens durch die nationalen Behörden hin. |
15 |
Am 1. Juni 2018 wandte sich der Rechtsmittelführer in einem Schreiben an das OLAF und ersuchte dieses um eine Stellungnahme zu den Schlussfolgerungen seiner Prüfung in Bezug auf die Abschlussberichte, die sowohl inhaltliche als auch prozessuale Fragen behandelten. |
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Mit Schreiben vom 10. Juli 2018 teilte das OLAF dem Rechtsmittelführer mit, dass es, da die Frage Gegenstand von Ermittlungen der zuständigen nationalen Behörden sei, davon absehe, zum Inhalt Stellung zu nehmen. Außerdem übermittelte es Erläuterungen zu den vom Rechtsmittelführer aufgeworfenen Verfahrensfragen. |
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Am 22. August 2018 forderte der Rechtsmittelführer das OLAF in einem Schreiben auf, eine Untersuchung über die Durchführung der früheren Untersuchungen einzuleiten und ihm Einsicht in mehrere Dokumente der Verfahrensakten dieser Untersuchungen zu gewähren (im Folgenden: Schreiben vom 22. August 2018). |
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Mit dem streitigen Schreiben teilte das OLAF dem Rechtsmittelführer u. a. mit, dass die früheren Untersuchungen im Einklang mit dem geltenden rechtlichen Rahmen geführt worden seien und dass seiner Auffassung nach die vom Rechtsmittelführer aufgeworfenen Punkte keine Informationen darstellen, die die Einleitung einer Untersuchung in Bezug auf die früheren Untersuchungen rechtfertigen könnten. Darüber hinaus könne sich der Rechtsmittelführer, da er kein „Betroffener“ der früheren Untersuchungen sei, nicht auf die in Art. 9 der Verordnung Nr. 883/2013 genannten Verfahrensrechte berufen und keinen Zugang zu den von ihm angeforderten Dokumenten erhalten. |
Verfahren vor dem Gericht und angefochtener Beschluss
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Mit Klageschrift, die am 11. Dezember 2018 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhob der Rechtsmittelführer Klage auf Nichtigerklärung des streitigen Schreibens. |
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Hinsichtlich der Weigerung, eine Untersuchung über die Durchführung der früheren Untersuchungen einzuleiten, berief sich der Rechtsmittelführer auf eine Verletzung der insbesondere in Art. 9 der Verordnung Nr. 883/2013 verankerten Verteidigungsrechte sowie auf einen Verstoß gegen den Grundsatz der guten Verwaltung und auf verschiedene Beurteilungsfehler, die bei den früheren Untersuchungen begangen worden seien oder sich auf die Berichte, mit denen diese abgeschlossen worden seien, auswirkten. |
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Hinsichtlich der Ablehnung des Zugangs zu Dokumenten machte der Rechtsmittelführer einen Verstoß gegen Art. 42 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) sowie gegen Art. 4 Abs. 2 und Art. 7 der Verordnung Nr. 1049/2001 geltend. |
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Mit gesondertem Schriftsatz, der am 6. März 2019 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhob die Kommission gemäß Art. 130 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts eine Einrede der Unzulässigkeit gegen die Klage. |
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Am 18. April 2019 reichte der Rechtsmittelführer seine Stellungnahme zu dieser Einrede ein. |
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Mit dem angefochtenen Beschluss entschied das Gericht, das sich für durch die Akten hinreichend unterrichtet hielt, auf der Grundlage von Art. 130 Abs. 1 und 7 seiner Verfahrensordnung, über den Antrag der Kommission zu entscheiden, ohne das Verfahren fortzusetzen. Es gab dem Antrag statt und wies die Klage als unzulässig ab. |
25 |
Die Kommission stützte ihre Einrede der Unzulässigkeit auf zwei Gründe. Das Gericht wies zunächst zu dem Unzulässigkeitsgrund, die Weigerung des OLAF, eine Untersuchung über die Durchführung der früheren Untersuchungen einzuleiten, sei keine mit einer Nichtigkeitsklage anfechtbare Handlung, darauf hin, dass zum einen keine Vorschrift der Verordnung Nr. 883/2013 natürlichen und juristischen Personen, gleich ob „Betroffene“ im Sinne dieser Verordnung oder nicht, das Recht zuweise, vom OLAF die Einleitung einer Untersuchung über seine eigenen früheren Untersuchungen zu verlangen, um die Einhaltung der in Art. 9 der Verordnung Nr. 883/2013 vorgesehenen Verfahrensgarantien zu prüfen, und zum anderen nach dieser Verordnung natürliche oder juristische Personen dem OLAF Informationen zu strafbaren Handlungen übermitteln könnten, das OLAF aber nicht verpflichten könnten, eine Verwaltungsuntersuchung einzuleiten. |
26 |
Daher war das Gericht der Auffassung, dass die Weigerung des OLAF, eine Untersuchung über die Durchführung früherer Untersuchungen einzuleiten, nicht als Handlung angesehen werden könne, die verbindliche Rechtswirkungen erzeuge, die die Interessen des Rechtsmittelführers beeinträchtigen könnten, indem sie dessen Rechtsstellung in qualifizierter Weise änderten. |
27 |
Des Weiteren könne erstens die in dem streitigen Schreiben enthaltene Weigerung des OLAF, eine Untersuchung über die Durchführung der früheren Untersuchungen einzuleiten, auch unter der Annahme, dass sie als Weigerung, die Abschlussberichte zu ändern oder in Frage zu stellen, auszulegen sei, nicht als eine mit einer Nichtigkeitsklage anfechtbare Entscheidung angesehen werden. Da die im Anschluss an eine externe oder interne Untersuchung erstellten und den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten übermittelten Berichte und Empfehlungen des OLAF lediglich Empfehlungen oder Stellungnahmen ohne verbindliche Rechtswirkungen darstellten, würde dieser nicht anfechtbare Charakter solcher Berichte und Empfehlungen nämlich umgangen, wenn ein Rechtsbehelf gegen eine solche Weigerung zugelassen würde. |
28 |
Zweitens führe ein anderes als das in der vorstehenden Randnummer genannte Ergebnis im vorliegenden Fall auch zu einer Umgehung der Frist für eine Nichtigkeitsklage, da der Rechtsmittelführer, selbst unter der Annahme, dass die genannten Berichte und Empfehlungen anfechtbare Handlungen darstellten, diese Frist hier habe verstreichen lassen. |
29 |
Drittens entstehe durch die Feststellung der Unzulässigkeit der Nichtigkeitsklage in Anbetracht u. a. der Möglichkeit des angerufenen nationalen Gerichts, im Rahmen eines Strafverfahrens, das auf der Grundlage von Informationen, die den nationalen Behörden vom OLAF übermittelt worden seien, gegebenenfalls eingeleitet worden sei, Vorabentscheidungsersuchen gemäß Art. 267 AEUV an den Gerichtshof zu stellen, und des Umstands, dass ein vom OLAF begangener Rechtsverstoß, der keine beschwerende Handlung betreffe, gegebenenfalls im Rahmen einer Schadensersatzklage sanktioniert werden könne, keine Lücke im gerichtlichen Rechtsschutzsystem der Union. |
30 |
Des Weiteren entschied das Gericht zu dem Unzulässigkeitsgrund, die Verweigerung des Zugangs zu Dokumenten sei keine anfechtbare Handlung im Sinne der Verordnung Nr. 1049/2001, zum einen, dass der Rechtsmittelführer seinen Antrag auf Dokumentenzugang nicht unmittelbar auf eine Vorschrift des Primärrechts wie Art. 42 der Charta stützen könne. |
31 |
Zum anderen könne unter den besonderen Umständen des vorliegenden Falls die Ablehnung des Zugangs zu Dokumenten nicht als endgültiger, gemäß den Art. 7 und 8 der Verordnung Nr. 1049/2001 erlassener Rechtsakt und somit auch nicht als ein mit einer Nichtigkeitsklage anfechtbarer Rechtsakt gemäß dieser Verordnung angesehen werden. |
32 |
Hierzu stellte das Gericht erstens fest, dass der Rechtsmittelführer erst in seinen beim Gericht eingereichten Schriftsätzen erstmals angegeben habe, dass der im Schreiben vom 22. August 2018 formulierte Antrag auf Dokumentenzugang gemäß Art. 6 der Verordnung Nr. 1049/2001 gestellt worden sei. |
33 |
Zweitens ging nach Auffassung des Gerichts aus dem Inhalt des streitigen Schreibens klar hervor, dass das OLAF den Antrag auf Dokumentenzugang als Antrag auf Einsicht in die Akten der früheren Untersuchungen und nicht als Erstantrag im Sinne der Art. 6 und 7 der Verordnung Nr. 1049/2001 behandelt habe. Das OLAF habe diesen Antrag in dieser Weise behandeln dürfen, da der Rechtsmittelführer im Schreiben vom 22. August 2018 durchweg auf die Verordnung Nr. 883/2013 Bezug genommen habe. |
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Drittens entschied das Gericht nach der Feststellung, dass der Rechtsmittelführer keinen Zweitantrag im Sinne von Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 gestellt habe, dass die Kommission, da das OLAF den Antrag des Rechtsmittelführers zu Recht als Antrag auf Einsicht in die Akten der Untersuchungen und nicht als Erstantrag im Sinne der Art. 6 und 7 dieser Verordnung behandelt habe, nicht gegen deren Art. 7 Abs. 1 verstoßen habe, indem sie den Rechtsmittelführer nicht auf sein Recht hingewiesen habe, einen solchen Zweitantrag einzureichen. |
Anträge der Parteien
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Mit seinem Rechtsmittel beantragt der Rechtsmittelführer,
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Des Weiteren beantragt der Rechtsmittelführer im Wesentlichen, eine Beweisaufnahme anzuordnen und die Kommission anzuweisen, sämtliche Dokumente zu den früheren Untersuchungen vorzulegen. |
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Die Kommission beantragt,
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Zum Rechtsmittel
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Der Rechtsmittelführer stützt sein Rechtsmittel auf zwei Gründe. Mit dem ersten Rechtsmittelgrund, mit dem ein Verstoß gegen die Verordnung Nr. 883/2013 und Art. 47 der Charta geltend gemacht wird, beanstandet er den angefochtenen Beschluss insofern, als das Gericht seine Nichtigkeitsklage als unzulässig abgewiesen hat, soweit sie die Weigerung des OLAF betraf, eine Untersuchung über die Durchführung der früheren Untersuchungen einzuleiten. Mit dem zweiten Rechtsmittelgrund, mit dem ein Verstoß gegen die Art. 6 und 7 der Verordnung Nr. 1049/2001 geltend gemacht wird, beanstandet er den angefochtenen Beschluss insofern, als das Gericht seine Nichtigkeitsklage als unzulässig abgewiesen hat, soweit sie die Weigerung des OLAF betraf, Zugang zu den im Rahmen seiner früheren Untersuchungen verwendeten Dokumente zu gewähren. |
Zum ersten Rechtsmittelgrund: Verstoß gegen die Verordnung Nr. 883/2013 und Art. 47 der Charta
Vorbringen der Parteien
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Mit dem ersten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes beanstandet der Rechtsmittelführer die Schlussfolgerung, zu der das Gericht in Rn. 36 des angefochtenen Beschlusses gelangt ist, dass die Weigerung des OLAF, eine Untersuchung zur Durchführung früherer Untersuchungen einzuleiten, keine mit einer Nichtigkeitsklage anfechtbare Handlung darstelle, sowie die Erwägungen des Gerichts in den Rn. 33 und 34 dieses Beschlusses, auf die sich diese Schlussfolgerung stützt. Nach Ansicht des Rechtsmittelführers resultiert diese Schlussfolgerung aus einem Beurteilungsfehler, den das Gericht mit der Annahme begangen habe, er könne nicht als „Betroffener“ im Sinne von Art. 2 Nr. 5 der Verordnung Nr. 883/2013 qualifiziert werden, er könne kein Recht auf ein faires Verfahren im Rahmen der Untersuchung geltend machen und die Berichte des OLAF hätten keinen erheblichen Einfluss auf spätere innerstaatliche Strafverfahren. Das OLAF habe dem Rechtsmittelführer, dadurch, dass es beschlossen habe, ihn nicht als „Betroffenen“ anzusehen, obwohl er in Wirklichkeit als Präsident der Kreisbehörde von Teleorman im Mittelpunkt der Untersuchungen gestanden habe und diese nationale Behörde als „Betroffene“ im Sinne von Art. 2 Nr. 5 der Verordnung Nr. 883/2013 angesehen worden sei, die in Art. 9 dieser Verordnung genannten Verfahrensgarantien vorenthalten. Die Berichte des OLAF hätten nämlich großen Einfluss auf die Entscheidung der rumänischen Antikorruptionsbehörde gehabt, gegen ihn zu ermitteln, wie die Pressemitteilungen des OLAF und der rumänischen Antikorruptionsbehörde vom 13. November 2017 zeigten. Diese Berichte seien in dem innerstaatlichen Strafverfahren als maßgebende Beweise angesehen worden. Die sachgerechte Grundlage, auf der die Zulässigkeit seines Rechtsbehelfs zu prüfen sei, sei das Urteil vom 8. Juli 2008, Franchet und Byk/Kommission (T‑48/05, EU:T:2008:257). |
40 |
Mit dem zweiten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes macht der Rechtsmittelführer geltend, die Abweisung seiner Klage als unzulässig impliziere eine Schwäche des Systems des gerichtlichen Schutzes der Union, die gegen die Anforderungen von Art. 47 der Charta verstoße, da die Berichte und Empfehlungen des OLAF – anders als das Gericht in den Rn. 40 und 41 des angefochtenen Beschlusses entschieden habe – erheblichen Einfluss auf die Entscheidungen nationaler Behörden im Bereich der Strafverfolgung hätten. Da außerdem die Gerichte der Mitgliedstaaten weder dafür zuständig seien, die Ausgangsuntersuchungen des OLAF anhand des Unionsrechts zu prüfen, noch dafür, über ihre Rechtmäßigkeit zu entscheiden, und die rechtswidrigen Untersuchungshandlungen des OLAF nicht Gegenstand einer Nichtigkeitsklage, sondern lediglich einer Schadensersatzklage sein könnten, könne eine solche Klage nicht als wirksamer Rechtsbehelf im Sinne dieser Vorschrift angesehen werden. |
41 |
Der Rat und die Kommission halten den ersten Rechtsmittelgrund für nicht erheblich, jedenfalls aber für unbegründet. |
Würdigung durch den Gerichtshof
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Wie das Gericht in Rn. 30 des angefochtenen Beschlusses zu Recht in Erinnerung gerufen hat, ist eine Entscheidung der Kommission, die wie im vorliegenden Fall ablehnend ist, nach der Art des Antrags zu beurteilen, der durch sie beschieden wird (Beschluss vom 6. April 2006, GISTI/Kommission, C‑408/05 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2006:247, Rn. 10 und die dort angeführte Rechtsprechung), hier also, wie das Gericht in Rn. 31 des angefochtenen Beschlusses festgestellt hat, nach dem Antrag an das OLAF, eine Untersuchung zu der Durchführung früherer Untersuchungen einzuleiten. |
43 |
Erstens hat das Gericht insoweit, entgegen dem Vorbringen des Rechtsmittelführers im Rahmen des ersten Teils seines gegen die Rn. 33, 34 und 36 des angefochtenen Beschlusses gerichteten Rechtsmittelgrundes, in der genannten Rn. 36, gestützt auf die Erwägungen in den Rn. 33 bis 35 dieses Beschlusses, zu Recht entschieden, dass die Weigerung des OLAF, eine Untersuchung über die Durchführung früherer Untersuchungen einzuleiten, nicht als eine Handlung angesehen werden kann, die verbindliche Rechtswirkungen erzeugt, die die Interessen des Rechtsmittelführers beeinträchtigen könnten, indem sie seine Rechtsstellung in qualifizierter Weise ändern, und dass diese Weigerung daher keine Entscheidung darstellt, die mit einer Nichtigkeitsklage gemäß Art. 263 AEUV anfechtbar ist. |
44 |
Außerdem ist festzustellen, dass der Rechtsmittelführer mit seiner Argumentation nicht den wesentlichen Inhalt der Erwägungen beanstandet, die das Gericht in den Rn. 33 bis 35 des angefochtenen Beschlusses angestellt hat, um zu der Schlussfolgerung in Rn. 36 dieses Beschlusses zu gelangen, sich diese Argumentation vielmehr um die Frage dreht, ob das OLAF zu Recht entschieden hatte, ihn im Rahmen früherer Untersuchungen nicht als „Betroffenen“ im Sinne von Art. 2 Nr. 5 der Verordnung Nr. 883/2013 anzusehen. |
45 |
Auf die Antwort auf diese Frage kommt es jedoch in Anbetracht der Erwägungen und der Schlussfolgerung des Gerichts nicht an, da das Gericht in Rn. 33 des angefochtenen Beschlusses zu Recht u. a. hervorgehoben hat, dass keine Vorschrift der Verordnung Nr. 883/2013 natürlichen oder juristischen Personen – gleich, ob „Betroffene“ im Sinne von Art. 2 Nr. 5 dieser Verordnung oder nicht – das Recht zuweist, vom OLAF die Einleitung einer Untersuchung über dessen eigene früher durchgeführten Untersuchungen zu verlangen. |
46 |
Selbst ein „Betroffener“ im Sinne dieser Vorschrift, der darin definiert wird als „jede Person oder jeder Wirtschaftsteilnehmer, die bzw. der im Verdacht steht, Betrug, Korruption oder sonstige rechtswidrige Handlungen zum Nachteil der finanziellen Interessen der Union begangen zu haben, und daher Gegenstand einer Untersuchung des [OLAF] ist“, verfügt nämlich nicht über ein Recht, vom OLAF die Einleitung einer Untersuchung über dessen eigene Untersuchungen zu verlangen, und das OLAF ist nicht verpflichtet, eine solche Untersuchung auf der Grundlage von Informationen, die ihm vorgelegt werden, einzuleiten. |
47 |
Außerdem hat das Gericht, wie die Kommission geltend macht, in Rn. 43 des angefochtenen Beschlusses unter Verweis auf dessen Rn. 37 und 38 im Wesentlichen auch entschieden, dass, wenn es die Klage im Licht der ihr zugrunde liegenden Abschlussberichte des OLAF zu würdigen hätte, wie vom Rechtsmittelführer nahegelegt, so dass diese Klage die Weigerung des OLAF beträfe, diese Berichte zu ändern oder in Frage zu stellen, eine solche Klage zu einer Umgehung der Frist für die Erhebung einer Nichtigkeitsklage gegen diese Berichte führen würde. |
48 |
Mit seinem ersten Rechtsmittelgrund stellt der Rechtsmittelführer diese Würdigung durch das Gericht nicht in Abrede. |
49 |
Da die Klage formal nicht gegen die Abschlussberichte der früheren Untersuchungen selbst, sondern gegen das streitige Schreiben gerichtet war, mit dem das OLAF den Antrag des Rechtsmittelführers abgelehnt hatte, eine Untersuchung über die Durchführung früherer Untersuchungen einzuleiten, ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs eine Maßnahme, die gegenüber einer vorhergehenden Maßnahme nichts Neues enthält, eine diese lediglich bestätigende Maßnahme darstellt, die deshalb nicht bewirken kann, dass eine neue Klagefrist in Gang gesetzt wird (Beschluss vom 23. Oktober 2009, Kommission/Potamianos und Potamianos/Kommission, C‑561/08 P und C‑4/09 P, EU:C:2009:656, Rn. 43 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). |
50 |
Wie die Generalanwältin in Nr. 43 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat und aus den Feststellungen des Gerichts im angefochtenen Beschluss hervorgeht, beschränkte sich im vorliegenden Fall der Rechtsmittelführer in seinen Schreiben an das OLAF darauf, dessen Schlussfolgerungen in den Abschlussberichten und die Verfahrenshandlungen, die zu diesen Schlussfolgerungen geführt haben, zu kritisieren, ohne neue und wesentliche Tatsachen vorzubringen. Aus diesen Feststellungen geht auch hervor, dass auch in den Antworten des OLAF, insbesondere dem streitigen Schreiben weder auf solche Tatsachen noch auf eine erneute Prüfung der Lage des Rechtsmittelführers Bezug genommen wurde. |
51 |
Daraus folgt, dass das streitige Schreiben, was die Weigerung des OLAF anbelangt, eine Untersuchung über die Durchführung früherer Untersuchungen einzuleiten, jedenfalls eine Maßnahme darstellt, die die am Ende dieser Untersuchungen erstellten Abschlussberichte lediglich bestätigt. Daher ist, ohne dass hier geprüft werden müsste, ob diese Berichte anfechtbare Handlungen im Sinne von Art. 263 AEUV darstellen, festzustellen, dass das Gericht in Rn. 43 des angefochtenen Beschlusses zu Recht entschieden hat, dass die Klage des Rechtsmittelführers jedenfalls nicht für zulässig erklärt werden könne, da anderenfalls die Frist, innerhalb der die Abschlussberichte der früheren Untersuchungen des OLAF von dem Betroffenen gegebenenfalls hätten angefochten werden können, umgangen würde. |
52 |
Folglich ist der erste Teil des ersten Rechtsmittelgrundes als unbegründet zurückzuweisen. |
53 |
Zweitens ist hinsichtlich des zweiten Teils dieses Rechtsmittelgrundes, mit dem geltend gemacht wird, dass darin, dass das Gericht im angefochtenen Beschluss die Unzulässigkeit der Klage festgestellt habe, eine Schwäche des Systems des gerichtlichen Schutzes der Union zum Ausdruck komme, vorab darauf hinzuweisen, dass aus Art. 256 AEUV, Art. 58 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union sowie Art. 168 Abs. 1 Buchst. d und Art. 169 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs folgt, dass ein Rechtsmittel die beanstandeten Teile des Urteils, dessen Aufhebung beantragt wird, sowie die rechtlichen Argumente, die diesen Antrag speziell stützen, genau bezeichnen muss, das Rechtsmittel oder der betreffende Rechtsmittelgrund anderenfalls unzulässig ist (Beschluss vom 29. Juni 2016, Bürgerbeauftragter/Staelen, C‑337/15 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2016:670, Rn. 21 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
54 |
Indem der Rechtsmittelführer den zweiten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes so formuliert hat, wie in Rn. 40 des vorliegenden Urteils wiedergegeben, hat er diese Anforderungen aber nicht erfüllt. Während das Gericht das im ersten Rechtszug geltend gemachte, aus einer solchen angeblichen Schwäche des Systems des gerichtlichen Schutzes der Union hergeleitete Argument des Rechtsmittelführers in den Rn. 47 bis 55 des angefochtenen Beschlusses geprüft hat, indem es dieser Frage eine Reihe rechtlicher Erwägungen gewidmet hat, begnügt sich der Rechtsmittelführer in diesem zweiten Teil damit, zum Ausdruck zu bringen, dass er mit den vom Gericht in den Rn. 40 und 41 dieses Beschlusses formulierten Würdigungen nicht einverstanden ist, und in sehr knappen Worten einige allgemeine Betrachtungen zu formulieren, ohne darzulegen, inwiefern die verschiedenen rechtlichen Erwägungen in den Rn. 47 bis 55 dieses Beschlusses möglicherweise Rechtsfehler aufweisen. |
55 |
Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass ein Rechtsmittelgrund als offensichtlich unzulässig zurückzuweisen ist, der sich auf allgemeine Ausführungen beschränkt und keine genauen Angaben zu den Punkten der angefochtenen Entscheidung enthält, die möglicherweise mit einem Rechtsfehler behaftet sind (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 29. Juni 2016, Bürgerbeauftragter/Staelen, C‑337/15 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2016:670, Rn. 22 und die dort angeführte Rechtsprechung). Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs entspricht ein Rechtsmittel, das sich darauf beschränkt, die bereits vor dem Gericht dargelegten Klagegründe und Argumente wiederzugeben, ohne überhaupt eine Argumentation zu enthalten, die speziell der Bezeichnung des Rechtsfehlers dient, mit dem das angefochtene Urteil behaftet sein soll, dem in Rn. 53 des vorliegenden Urteils beschriebenen Erfordernis nicht. Ein solches Rechtsmittel zielt nämlich in Wirklichkeit nur auf eine erneute Prüfung der beim Gericht eingereichten Klage ab, was nicht in die Zuständigkeit des Gerichtshofs fällt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Dezember 2020, Rat u. a./K. Chrysostomides & Co. u. a., C‑597/18 P, C‑598/18 P, C‑603/18 P und C‑604/18 P, EU:C:2020:1028, Rn. 127 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
56 |
Folglich ist der zweite Teil des ersten Rechtsmittelgrundes unzulässig. |
57 |
Nach alledem ist der erste Rechtsmittelgrund insgesamt als teilweise unbegründet, teilweise unzulässig zurückzuweisen. |
Zum zweiten Rechtsmittelgrund: Verstoß gegen Art. 6 der Verordnung Nr. 1049/2001
Vorbringen der Parteien
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Nach Ansicht des Rechtsmittelführers hat das Gericht einen Rechtsfehler begangen, indem es der von der Kommission erhobenen Einrede der Unzulässigkeit stattgab, mit der geltend gemacht worden war, dass die vom OLAF im streitigen Schreiben formulierte Ablehnung des Zugangs zu den von ihm angeforderten Dokumenten keine anfechtbare Handlung im Sinne der Verordnung Nr. 1049/2001 sei. Insbesondere habe das Gericht in Rn. 69 des angefochtenen Beschlusses fehlerhaft entschieden, dass die Ablehnung des Zugangs zu den im Schreiben vom 22. August 2018 angeforderten Dokumenten nicht als endgültige, gemäß den Art. 7 und 8 dieser Verordnung erlassene Maßnahme angesehen werden könne. Es sei zu dieser Schlussfolgerung gelangt, nachdem es in den Rn. 64 und 65 dieses Beschlusses u. a. darauf hingewiesen habe, dass zum einen der Rechtsmittelführer erst im Stadium der beim Gericht eingereichten Schriftsätze erstmals vorgetragen habe, dass sein Zugangsantrag auf Art. 6 dieser Verordnung gestützt sei, und zum anderen dem streitigen Schreiben klar zu entnehmen sei, dass das OLAF diesen Antrag nicht als Antrag auf Zugang gemäß dem genannten Art. 6, sondern ausschließlich als Antrag auf Einsicht in die Ermittlungsakten behandelt habe. |
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Damit habe das Gericht nicht berücksichtigt, dass Art. 6 der Verordnung Nr. 1049/2001 bezüglich des Antrags auf Zugang zu einem Dokument keine besonderen formalen Anforderungen abgesehen davon vorsehe, dass dieser Antrag in einer der Sprachen der Union zu stellen und so präzise zu formulieren sei, dass das Organ das betreffende Dokument ermitteln könne. Da die Kommission den Rechtsmittelführer nicht auf sein Recht hingewiesen habe, einen Zweitantrag nach Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 zu stellen, hätte daher die Weigerung des OLAF, Zugang zu den Dokumenten zu gewähren, nach Ansicht des Rechtsmittelführers als endgültige Maßnahme angesehen werden müssen, gegen die eine Nichtigkeitsklage erhoben werden könne. |
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Die Kommission trägt erstens vor, dass der Rechtsmittelführer den Gerichtshof mit dem zweiten Rechtsmittelgrund auffordere, die vom Gericht vorgenommene Tatsachenwürdigung erneut zu prüfen, was nicht in die Zuständigkeit des Gerichtshofs im Rahmen eines Rechtsmittels falle. |
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Zweitens könne sich der Rechtsmittelführer, um Zugang zu den beim OLAF angeforderten Dokumenten zu erhalten, entweder auf das Recht auf Akteneinsicht nach Art. 41 Abs. 2 Buchst. b der Charta oder auf das nach der Verordnung Nr. 1049/2001 eingeführte und geregelte Recht der Öffentlichkeit auf Zugang zu Dokumenten stützen. Hier sei nicht klar gewesen, auf welche Rechtsgrundlage der Rechtsmittelführer seinen im Schreiben vom 22. August 2018 formulierten Zugangsantrag gestützt habe. Dieses Schreiben habe nahegelegt, dass der Antrag auf Art. 41 Abs. 2 Buchst. b der Charta gestützt werde. Es sei daher normal gewesen, dass das OLAF diesen Zugangsantrag im streitigen Schreiben nicht anhand der Verordnung Nr. 1049/2001 geprüft und den Rechtsmittelführer nicht auf die Möglichkeit aufmerksam gemacht habe, einen Zweitantrag nach Art. 7 der Verordnung Nr. 1049/2001 zu stellen. Insoweit ergebe sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass ein Antrag auf Zugang zu Dokumenten hinreichend präzise sein müsse, um dem betreffenden Organ seine Beantwortung zu ermöglichen. In diesem Zusammenhang seien Antragsteller verpflichtet, relevante Informationen zu übermitteln, und sie treffe bei der Stellung eines solchen Antrags eine Loyalitätspflicht. |
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Drittens hätte der Rechtsmittelführer nach Ansicht der Kommission einen Zweitantrag nach Art. 7 der Verordnung Nr. 1049/2001 stellen müssen, wenn er trotz allem der Auffassung gewesen sei, dass sich sein Zugangsantrag auf diese Verordnung stütze. Die erste Antwort des OLAF hätte nämlich, wenn sie als Ablehnung im Sinne dieser Verordnung aufgefasst werde, angesichts des durch diese Verordnung eingeführten zweistufigen Verfahrens keinesfalls eine anfechtbare Handlung darstellen können. |
Würdigung durch den Gerichtshof
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Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass das Verfahren auf Zugang zu Dokumenten der Organe in zwei Schritten abläuft und dass die Antwort auf einen Erstantrag im Sinne von Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1049/2001 nur eine erste Stellungnahme darstellt, gegen die grundsätzlich keine Klage erhoben werden kann. Legt jedoch ein Organ seinen Standpunkt durch eine solche Antwort endgültig fest, kann sie ausnahmsweise Gegenstand einer Nichtigkeitsklage sein (vgl. Urteil vom 2. Oktober 2014, Strack/Kommission, C‑127/13 P, EU:C:2014:2250, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
64 |
Wie die Generalanwältin in Nr. 74 ihrer Schlussanträge im Wesentlichen ausgeführt hat, kommt darin, dass das betreffende Organ in seiner Antwort den Antragsteller nicht gemäß Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1049/2001 auf sein Recht hinweist, einen Zweitantrag nach Art. 7 Abs. 2 dieser Verordnung zu stellen, zum Ausdruck, dass diese Antwort endgültig ist. |
65 |
Soweit die Kommission dem zweiten Rechtsmittelgrund entgegenhält, dass die Argumente, auf die dieser gestützt wird, zur Tatsachenwürdigung durch das Gericht gehörten und daher nicht Gegenstand der Kontrolle durch den Gerichtshof im Rahmen eines Rechtsmittels seien, ist darauf hinzuweisen, dass die rechtliche Qualifizierung einer Tatsache oder Handlung wie etwa eines Schreibens durch das Gericht eine Rechtsfrage ist, die im Rahmen eines Rechtsmittels aufgeworfen werden kann (Urteil vom 23. November 2017, Bionorica und Diapharm/Kommission, C‑596/15 P und C‑597/15 P, EU:C:2017:886, Rn. 55 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
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Im vorliegenden Fall geht aus dem angefochtenen Beschluss hervor, dass das OLAF den Rechtsmittelführer nicht auf sein Recht hingewiesen hat, einen Zweitantrag nach Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 zu stellen. |
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Zwar ergibt sich aus diesem Beschluss auch, dass der Rechtsmittelführer die Verordnung Nr. 1049/2001 im Schreiben vom 22. August 2018 nicht erwähnt und erst in den beim Gericht eingereichten Schriftsätzen erstmals angegeben hat, dass sein in diesem Schreiben formulierter Antrag gemäß Art. 6 dieser Verordnung gestellt worden sei. |
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Hierzu ist jedoch darauf hinzuweisen, dass gemäß Art. 6 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1049/2001 Anträge auf Zugang zu einem Dokument in schriftlicher, einschließlich elektronischer, Form in einer der in Art. 55 EUV aufgeführten Sprachen zu stellen sind und so präzise formuliert sein müssen, dass das Organ das betreffende Dokument ermitteln kann. |
69 |
Hingegen verpflichtet keine Vorschrift der Verordnung Nr. 1049/2001 den Antragsteller, die Rechtsgrundlage seines Antrags anzugeben. |
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Eine solche Pflicht lässt sich auch nicht aus der von der Kommission angeführten Rechtsprechung herleiten, da es im Urteil vom 20. Januar 2011, Strack/Kommission (F‑121/07, EU:F:2011:3, Rn. 84 bis 91), ungeachtet einiger Nuancen in der Formulierung um die in Rn. 68 des vorliegenden Urteils genannte Anforderung, den Zugangsantrag so präzise zu formulieren, dass das Organ das betreffende Dokument ermitteln kann, und nicht um eine Pflicht zur Angabe der Rechtsgrundlage des Antrags ging. |
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Dass keine Pflicht besteht, in einem Antrag auf Zugang zu Dokumenten ausdrücklich auf die Verordnung Nr. 1049/2001 Bezug zu nehmen, steht im Übrigen im Einklang mit dem Ziel, das mit dieser Verordnung verfolgt wird. Aus Art. 1 Buchst. a dieser Verordnung ergibt sich nämlich, dass Zweck dieser Verordnung ist, einen „größtmögliche[n] Zugang zu Dokumenten“ zu gewährleisten. |
72 |
So geht aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs hervor, dass die Verordnung Nr. 1049/2001 ein sehr weitreichendes Recht auf Zugang zu den Dokumenten der betreffenden Organe gewährt, dessen Inanspruchnahme nach Art. 6 Abs. 1 der Verordnung nicht von der Angabe von Gründen abhängt (Urteil vom 26. Januar 2010, Internationaler Hilfsfonds/Kommission, C‑362/08 P, EU:C:2010:40, Rn. 56). |
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Daher hätte das OLAF entgegen der Beurteilung durch das Gericht in den Rn. 65, 66 und 68 des angefochtenen Beschlusses den Zugangsantrag des Rechtsmittelführers u. a. anhand der Verordnung Nr. 1049/2001 prüfen müssen und war somit verpflichtet, den Rechtsmittelführer auf sein Recht hinzuweisen, einen Zweitantrag nach Art. 7 Abs. 2 dieser Verordnung zu stellen. |
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Insbesondere kommt es in diesem Zusammenhang nicht darauf an, dass das Gericht in Rn. 66 des angefochtenen Beschlusses darauf hingewiesen hat, dass der Rechtsmittelführer im Schreiben vom 22. August 2018„durchweg auf die Verordnung Nr. 883/2013 Bezug genommen hat“. |
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Dass das Schreiben vom 22. August 2018 einen Antrag auf Zugang zu Dokumenten betraf, die sich auf Untersuchungen des OLAF, d. h. einen durch die Verordnung Nr. 883/2013 geregelten Bereich bezogen, schließt nicht aus, dass dieser Antrag von vorneherein auf die Verordnung Nr. 1049/2001 gestützt war, da feststeht, dass diese als Rechtsgrundlage für einen Zugang zu Dokumenten eines Verwaltungsverfahrens dienen kann, das durch einen anderen Unionsrechtsakt geregelt ist. |
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Da im vorliegenden Fall das OLAF den Rechtsmittelführer nicht auf sein Recht hingewiesen hatte, einen Zweitantrag nach Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 zu stellen, durfte dieser, wie sich aus den Rn. 63 und 64 ergibt, annehmen, dass das OLAF seinen Standpunkt, nämlich die Ablehnung seines im Schreiben vom 22. August 2018 formulierten Antrags auf Zugang zu Dokumenten, im streitigen Schreiben endgültig festgelegt hatte und dass das streitige Schreiben insoweit mit einer Nichtigkeitsklage anfechtbar war. |
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Daraus folgt, dass der zweite Rechtsmittelgrund begründet ist, da das Gericht einen Rechtsfehler begangen hat, indem es in Rn. 69 des angefochtenen Beschlusses entschieden hat, dass die Ablehnung des Zugangs zu den im Schreiben vom 22. August 2018 angeforderten Dokumenten nicht als endgültige, mit einer Nichtigkeitsklage anfechtbare Handlung angesehen werden könne. |
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Nach alledem ist der angefochtene Beschluss insoweit aufzuheben, als das Gericht die Klage des Rechtsmittelführers als unzulässig abgewiesen hat, soweit sie auf die Nichtigerklärung der im streitigen Schreiben enthaltenen Weigerung des OLAF, ihm Zugang zu den in seinem Schreiben vom 22. August 2018 angeforderten Dokumenten zu gewähren, gerichtet war, und das Rechtsmittel im Übrigen zurückzuweisen. |
Zur Zurückverweisung der Rechtssache an das Gericht
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Nach Art. 61 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union kann der Gerichtshof im Fall einer Aufhebung der Entscheidung des Gerichts den Rechtsstreit selbst endgültig entscheiden, wenn er zur Entscheidung reif ist, oder die Sache zur Entscheidung an das Gericht zurückverweisen. |
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Da im vorliegenden Fall das Gericht die Klage des Rechtsmittelführers, soweit sie auf die Nichtigerklärung der im streitigen Schreiben enthaltenen Weigerung des OLAF, ihm Zugang zu den in seinem Schreiben vom 22. August 2018 angeforderten Dokumenten zu gewähren, gerichtet war, als unzulässig abgewiesen hat und folglich die Klagegründe, auf die dieser Teil seiner Klage gestützt war, vor dem Gericht nicht streitig erörtert und von diesem nicht geprüft wurden, ist der Rechtsstreit nicht entscheidungsreif im Sinne dieser Vorschrift (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. September 2020, Kommission und Rat/Carreras Sequeros u. a., C‑119/19 P und C‑126/19 P, EU:C:2020:676, Rn. 130). Daher ist die Rechtssache an das Gericht zurückzuverweisen, damit es über diesen Teil der Nichtigkeitsklage entscheidet. |
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Damit besteht keine Notwendigkeit, über den in Rn. 36 des vorliegenden Urteils genannten Antrag auf Beweisaufnahme zu entscheiden. |
Kosten
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Nach Art. 184 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs entscheidet dieser über die Kosten, wenn das Rechtsmittel unbegründet ist oder wenn es begründet ist und er den Rechtsstreit selbst endgültig entscheidet. |
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Art. 138 Abs. 3 der Verfahrensordnung, der nach deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, sieht vor, dass jede Partei ihre eigenen Kosten trägt, wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt. |
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Im vorliegenden Fall ist Art. 138 Abs. 3 der Verfahrensordnung anzuwenden, da das Rechtsmittel insoweit zurückgewiesen wird, als das Gericht mit dem angefochtenen Beschluss den Antrag zurückgewiesen hat, das streitige Schreiben für nichtig zu erklären, soweit das OLAF es mit diesem Schreiben abgelehnt hat, eine Untersuchung über die Durchführung früherer Untersuchungen einzuleiten, während dem Rechtsmittel insoweit stattgegeben wird, als das Gericht mit diesem Beschluss den Antrag zurückgewiesen hat, das streitige Schreiben für nichtig zu erklären, soweit das OLAF es mit diesem Schreiben abgelehnt hat, dem Rechtsmittelführer Zugang zu den in seinem Schreiben vom 22. August 2018 angeforderten Dokumenten zu gewähren. |
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Daher ist zu entscheiden, dass jede Partei ihre eigenen Kosten des vorliegenden Rechtsmittelverfahrens trägt, und die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens im ersten Rechtszug vorzubehalten, da die Rechtssache an das Gericht zurückverwiesen wird. |
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt und entschieden: |
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Unterschriften |
( *1 ) Verfahrenssprache: Englisch.