URTEIL DES GERICHTSHOFS (Dritte Kammer)

25. März 2021 ( *1 )

„Rechtsmittel – Wettbewerb – Art. 102 AEUV – Missbrauch einer beherrschenden Stellung – Slowakischer Markt für Breitband‑Internetzugangsdienste – Regulatorische Verpflichtung der Betreiber mit beträchtlicher Marktmacht, Zugang zum Teilnehmeranschluss zu gewähren – Von dem auf dem Markt etablierten Betreiber festgelegte Bedingungen für den entbündelten Zugang anderer Betreiber zum Teilnehmeranschluss – Unentbehrlichkeit des Zugangs – Zurechenbarkeit des Verhaltens der Tochtergesellschaft an die Muttergesellschaft – Verteidigungsrechte“

In der Rechtssache C‑152/19 P

betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 21. Februar 2019,

Deutsche Telekom AG mit Sitz in Bonn (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwalt D. Schroeder und Rechtsanwältin K. Apel,

Rechtsmittelführerin,

andere Parteien des Verfahrens:

Europäische Kommission, vertreten durch M. Kellerbauer, M. Farley, L. Malferrari, C. Vollrath und L. Wildpanner als Bevollmächtigte,

Beklagte im ersten Rechtszug,

Slovanet a.s. mit Sitz in Bratislava (Slowakei), Prozessbevollmächtigter: P. Tisaj, advokát,

Streithelferin im ersten Rechtszug,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin A. Prechal (Berichterstatterin), des Präsidenten des Gerichtshofs K. Lenaerts in Wahrnehmung der Aufgaben eines Richters der Dritten Kammer, der Richter N. Wahl und F. Biltgen sowie der Richterin L. S. Rossi,

Generalanwalt: H. Saugmandsgaard Øe,

Kanzler: D. Dittert, Referatsleiter,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 17. Juni 2020,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 9. September 2020

folgendes

Urteil

1

Mit ihrem Rechtsmittel begehrt die Deutsche Telekom AG die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 13. Dezember 2018, Deutsche Telekom/Kommission (T‑827/14, im Folgenden: angefochtenes Urteil, EU:T:2018:930), mit dem ihre Klage auf vollständige oder teilweise Nichtigerklärung des Beschlusses C(2014) 7465 final der Kommission vom 15. Oktober 2014 in einem Verfahren nach Artikel 102 AEUV und Artikel 54 des EWR-Abkommens (Sache AT.39523 – Slovak Telekom) in der durch die Beschlüsse C(2014) 10119 final und C(2015) 2484 final der Kommission vom 16. Dezember 2014 bzw. 17. April 2015 berichtigten Fassung (im Folgenden: streitiger Beschluss), soweit er sie betrifft, hilfsweise auf Aufhebung oder Herabsetzung der mit dem Beschluss gegen sie verhängten Geldbußen, teilweise abgewiesen wurde.

Rechtlicher Rahmen

Verordnung (EG) Nr. 2887/2000

2

In den Erwägungsgründen 3, 6 und 7 der Verordnung (EG) Nr. 2887/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2000 über den entbündelten Zugang zum Teilnehmeranschluss (ABl. 2000, L 336, S. 4) hieß es:

„(3)

Der Begriff ‚Teilnehmeranschluss‘ bezeichnet die physische Doppelader-Metallleitung des öffentlichen Telefonfestnetzes, die den Netzabschlusspunkt am Standort des Teilnehmers mit dem Hauptverteiler oder einer entsprechenden Einrichtung verbindet. Wie im Fünften Bericht der [Europäischen] Kommission über die Umsetzung des Reformpakets für den Telekommunikationssektor festgestellt wird, ist das Ortsanschlussnetz nach wie vor eines der Segmente des liberalisierten Telekommunikationsmarktes, in denen der geringste Wettbewerb herrscht. Neue Marktteilnehmer verfügen nicht über weit reichende alternative Netzinfrastrukturen und genießen mit herkömmlichen Technologien nicht die Skalenerträge und die Abdeckung derjenigen Festnetzbetreiber, die für den Bereich des öffentlichen Telefonfestnetzes als Betreiber mit beträchtlicher Marktmacht gemeldet wurden. Dies ist dadurch bedingt, dass diese Betreiber ihre Metallleitungs-Ortsanschlussinfrastruktur über geraume Zeit hinweg, durch ausschließliche Rechte geschützt, ausgebaut haben und ihre Investitionen aus Monopoleinkünften finanzieren konnten.

(6)

Für neue Marktteilnehmer wäre es unwirtschaftlich, innerhalb einer angemessenen Frist ein komplettes Gegenstück zu den zum Teilnehmeranschluss führenden Metallleitungen des etablierten Betreibers zu schaffen. Alternative Infrastrukturen wie TV-Kabelnetze, Satellitenverbindungen oder drahtlose Teilnehmeranschlüsse bieten derzeit im Allgemeinen nicht die gleiche Funktionalität und Omnipräsenz, obgleich die Verhältnisse von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedlich sein können.

(7)

Der entbündelte Zugang zum Teilnehmeranschluss ermöglicht es neuen Marktteilnehmern, bei schnellen Datenübertragungsdiensten für den permanenten Internetzugang und für DSL-gestützte Multimedia-Anwendungen sowie bei Sprachtelefondiensten mit den gemeldeten Betreibern in Wettbewerb zu treten. Ein angemessener Antrag auf entbündelten Zugang setzt voraus, dass der Zugang erforderlich ist, damit der Begünstigte Dienste bereitstellen kann und dass der Wettbewerb in diesem Sektor bei einer Ablehnung des Antrags verhindert, beschränkt oder verzerrt würde.“

3

Art. 1 („Ziel und Geltungsbereich“) der Verordnung Nr. 2887/2000 bestimmte:

„(1)   Diese Verordnung bezweckt eine Intensivierung des Wettbewerbs und die Förderung technologischer Innovationen auf dem Markt für Teilnehmeranschlüsse; hierzu werden harmonisierte Bedingungen für den entbündelten Zugang zum Teilnehmeranschluss festgelegt, um so die wettbewerbsorientierte Bereitstellung einer breiten Palette von Diensten im Bereich der elektronischen Kommunikation zu begünstigen.

(2)   Diese Verordnung regelt den entbündelten Zugang zu den Teilnehmeranschlüssen und den zugehörigen Einrichtungen der gemeldeten Betreiber im Sinne von Artikel 2 Buchstabe a).

…“

4

Art. 2 der Verordnung Nr. 2887/2000 enthielt folgende Begriffsbestimmungen:

„ …

a)

‚gemeldeter Betreiber‘ einen Betreiber des öffentlichen Telefonfestnetzes, der von seiner nationalen Regulierungsbehörde als Betreiber mit beträchtlicher Marktmacht im Bereich der Bereitstellung öffentlicher Telefonfestnetze … gemeldet wurde;

c)

‚Teilnehmeranschluss‘ die physische Doppelader-Metallleitung, die den Netzabschlusspunkt am Standort des Teilnehmers mit dem Hauptverteiler oder einer entsprechenden Einrichtung des öffentlichen Telefonfestnetzes verbindet;

…“

5

Art. 3 der Verordnung Nr. 2887/2000 bestimmte:

„(1)   Die gemeldeten Betreiber veröffentlichen ab dem 31. Dezember 2000 ein Standardangebot für den entbündelten Zugang zu ihren Teilnehmeranschlüssen und zugehörigen Einrichtungen und halten es auf dem neuesten Stand; das Standardangebot muss mindestens die im Anhang aufgeführten Punkte umfassen. Das Angebot muss hinreichend entbündelt sein, damit der Begünstigte nicht für Netzbestandteile oder ‑einrichtungen aufkommen muss, die für die Bereitstellung seiner Dienste nicht erforderlich sind, und eine Beschreibung der Angebotsbestandteile und der zugehörigen Geschäftsbedingungen, einschließlich der Tarife, umfassen.

(2)   Die gemeldeten Betreiber geben ab dem 31. Dezember 2000 angemessenen Anträgen von Begünstigten auf entbündelten Zugang zu ihren Teilnehmeranschlüssen und zu zugehörigen Einrichtungen unter transparenten, fairen und nichtdiskriminierenden Bedingungen statt. Eine Ablehnung ist nur aufgrund objektiver Kriterien möglich, die sich auf die technische Machbarkeit oder die notwendige Aufrechterhaltung der Netzintegrität beziehen. … Gemeldete Betreiber stellen für Begünstigte Einrichtungen bereit, die denen gleichwertig sind, die sie für ihre eigenen Dienste oder für ihre verbundenen Unternehmen bereitstellen, und zwar zu denselben Bedingungen und innerhalb desselben Zeitrahmens.

…“

6

Die Verordnung Nr. 2887/2000 wurde gemäß den Art. 4 und 6 der Richtlinie 2009/140/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 zur Änderung der Richtlinie 2002/21/EG über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und ‑dienste, der Richtlinie 2002/19/EG über den Zugang zu elektronischen Kommunikationsnetzen und zugehörigen Einrichtungen sowie deren Zusammenschaltung und der Richtlinie 2002/20/EG über die Genehmigung elektronischer Kommunikationsnetze und ‑dienste (ABl. 2009, L 337, S. 37) mit Wirkung ab dem 19. Dezember 2009 aufgehoben.

Richtlinie 2002/21/EG

7

Art. 8 der Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und ‑dienste (Rahmenrichtlinie) (ABl. 2002, L 108, S. 33) in der durch die Richtlinie 2009/140 (ABl. 2009, L 337, S. 37) geänderten Fassung bestimmt:

„ …

(2)   Die nationalen Regulierungsbehörden fördern den Wettbewerb bei der Bereitstellung elektronischer Kommunikationsnetze und ‑dienste sowie zugehöriger Einrichtungen und Dienste, indem sie unter anderem

b)

gewährleisten, dass es keine Wettbewerbsverzerrungen oder ‑beschränkungen im Bereich der elektronischen Kommunikation, einschließlich der Bereitstellung von Inhalten, gibt;

(5)   Die nationalen Regulierungsbehörden wenden bei der Verfolgung der in den Absätzen 2, 3 und 4 festgelegten politischen Ziele objektive, transparente, nicht diskriminierende und verhältnismäßige Regulierungsgrundsätze an, indem sie unter anderem

f)

regulatorische Vorabverpflichtungen nur dann auferlegen, wenn es keinen wirksamen und nachhaltigen Wettbewerb gibt, und diese Verpflichtungen lockern oder aufheben, sobald diese Voraussetzung erfüllt ist.“

Vorgeschichte des Rechtsstreits

8

Die Vorgeschichte des Rechtsstreits ist in den Rn. 1 bis 53 des angefochtenen Urteils dargestellt. Sie lässt sich wie folgt zusammenfassen.

9

Die Rechtsmittelführerin, die Muttergesellschaft des Konzerns Deutsche Telekom, ist der etablierte Telekommunikationsanbieter in Deutschland. Sie war vom 12. August 2005 bis zum 31. Dezember 2010 zu 51 % an der Slovak Telekom, a.s. (im Folgenden: ST), dem etablierten Telekommunikationsanbieter in der Slowakei, beteiligt.

10

ST, die bis 2000 ein gesetzliches Monopol auf dem slowakischen Telekommunikationsmarkt innehatte, ist in der Slowakei der größte Telekommunikations- und Breitbandanbieter. Die Kupferleitungsnetze und das Mobilfunknetz von ST decken nahezu das gesamte Territorium dieses Mitgliedstaats ab.

11

2005 wurde ST von der nationalen slowakischen Regulierungsbehörde für den Telekommunikationssektor (im Folgenden: TUSR) nach einer Marktanalyse als Betreiber mit beträchtlicher Marktmacht auf dem Vorleistungsmarkt für den Zugang zum entbündelten Teilnehmeranschluss im Sinne der Verordnung Nr. 2887/2000 gemeldet.

12

Die TUSR legte ST daher u. a. die Verpflichtung auf, allen Anträgen auf Entbündelung ihrer Teilnehmeranschlüsse, die als angemessen und begründet galten, stattzugeben, um es den alternativen Anbietern zu ermöglichen, diese Anschlüsse zu nutzen, um ihre eigene Leistungen auf dem Endkundenmarkt (Massenmarkt) für Festnetz-Breitbanddienste in der Slowakei anzubieten. Um dieser Verpflichtung nachkommen zu können, veröffentlichte ST ihr Standardangebot für entbündelte Teilnehmeranschlüsse, das die vertraglichen und technischen Bedingungen für einen Zugang zu ihren Teilnehmeranschlüssen enthielt.

13

Nach einer von Amts wegen eingeleiteten Untersuchung u. a. der Bedingungen des entbündelten Zugangs zu den Teilnehmeranschlüssen von ST, einer Mitteilung der Beschwerdepunkte, die ST am 7. Mai 2012 und der Rechtsmittelführerin am 8. Mai 2012 übermittelt wurde, einer Verpflichtungszusage, verschiedenen Schriftwechseln und Besprechungen erließ die Kommission am 15. Oktober 2014 den angefochtenen Beschluss.

14

Darin vertrat die Kommission die Auffassung, dass das Unternehmen, das ST und die Rechtsmittelführerin gebildet hätten, im Zusammenhang mit Breitbanddiensten in der Slowakei vom 12. August 2005 bis zum 31. Dezember 2010 eine einzige und ununterbrochene Zuwiderhandlung gegen Art. 102 AEUV und Art. 54 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 (ABl. 1994, L 1, S. 3) begangen habe.

15

Das Teilnehmeranschlussnetz von ST, das nach Entbündelung der betreffenden Anschlüsse für die Bereitstellung von Breitbanddiensten habe verwendet werden können, habe in der Zeit von 2005 bis 2010 75,7 % aller slowakischen Haushalte abgedeckt. In diesem Zeitraum seien allerdings ab dem 18. Dezember 2009 nur wenige Teilnehmeranschlüsse von ST entbündelt und von nur einem alternativen Anbieter im Hinblick auf die Bereitstellung von Breitbanddiensten für Geschäftskunden genutzt worden.

16

Die Zuwiderhandlung des Unternehmens, das die Rechtsmittelführerin und ST gebildet hätten, habe bestanden in der Zurückhaltung netzrelevanter Informationen, die für die Entbündelung der Teilnehmeranschlüsse erforderlich seien, gegenüber alternativen Anbietern (1), in der Verringerung des Umfangs der Verpflichtungen von ST in Bezug auf die entbündelten Teilnehmeranschlüsse (2), in der Festsetzung unfairer Bedingungen im Standardangebot von ST für entbündelte Teilnehmeranschlüsse in Bezug auf Kollokation, Eignungsprüfung, Vorlage von Prognosen, Reparaturen und Bankbürgschaften (3) und in der Anwendung unfairer Tarife, die es einem ebenso effizienten Wettbewerber wie ST, der auf der Vorleistungsebene auf den entbündelten Zugang zu den Teilnehmeranschlüssen von ST angewiesen sei, unmöglich gemacht hätten, ebenso umfassende Breitbanddienste für Endkunden wie ST aufzubauen, ohne Verluste zu verzeichnen (4).

17

Wegen dieser Zuwiderhandlung verhängte die Kommission mit dem streitigen Beschluss gegen die Rechtsmittelführerin und ST gesamtschuldnerisch eine Geldbuße in Höhe von 38838000 Euro und gegen die Rechtsmittelführerin allein eine Geldbuße in Höhe von 31070000 Euro.

Verfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil

18

Mit Klageschrift, die am 24. Dezember 2014 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhob die Rechtsmittelführerin Klage auf vollständige oder teilweise Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses, hilfsweise auf Aufhebung oder Herabsetzung der gegen sie verhängten Geldbußen.

19

Die Rechtsmittelführerin machte fünf Klagegründe geltend. Gerügt wurden Rechts- und Tatsachenfehler bei der Anwendung von Art. 102 AEUV auf das missbräuchliche Verhalten von ST und eine Verletzung der Verteidigungsrechte (erster Klagegrund), Rechts- und Tatsachenfehler hinsichtlich der Dauer des missbräuchlichen Verhaltens von ST (zweiter Klagegrund), Rechts- und Tatsachenfehler bei der Zurechnung des missbräuchlichen Verhaltens von ST an die Rechtsmittelführerin insofern, als die Kommission nicht nachgewiesen habe, dass die Rechtsmittelführerin tatsächlich einen bestimmenden Einfluss auf ST ausgeübt habe (dritter Klagegrund), ein Verstoß gegen den unionsrechtlichen Unternehmensbegriff und gegen den Grundsatz der individuellen Straffestsetzung sowie ein Begründungsmangel (vierter Klagegrund) und Fehler bei der Berechnung der gesamtschuldnerisch gegen ST und die Rechtsmittelführerin verhängten Geldbuße (fünfter Klagegrund).

20

Mit dem angefochtenen Urteil wies das Gericht sämtliche Klagegründe zurück, mit Ausnahme des zweiten Klagegrundes, dem es teilweise stattgab, weil die Kommission nicht nachgewiesen habe, dass die Verhaltensweise von ST, die zu einer Margenbeschneidung geführt habe, vom 12. August bis zum 31. Dezember 2005 ausgeübt worden sei, und des vierten Klagegrundes, dem es insoweit stattgab, als die Kommission im streitigen Beschluss den unionsrechtlichen Unternehmensbegriff nicht richtig aufgefasst habe, indem sie gegen die Rechtsmittelführerin eine Geldbuße verhängt habe, bei deren Berechnung ein Abschreckungsmultiplikator 1,2 angewandt worden sei. Entsprechend erklärte das Gericht den streitigen Beschluss teilweise für nichtig und setzte die gegen ST und die Rechtsmittelführerin gesamtschuldnerisch verhängte Geldbuße auf 38061963 Euro und die gegen die Rechtsmittelführerin allein verhängte Geldbuße auf 19030981 Euro fest. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen.

21

Mit dem ersten Teil des ersten Klagegrundes hatte die Rechtsmittelführerin geltend gemacht, dass die Kommission es bei der Feststellung, dass ST wegen der Bedingungen des Zugangs zu ihrem Netz, die sie alternativen Anbietern angeboten habe, eine beherrschende Stellung innegehabt habe, fehlerhaft unterlassen habe, zu prüfen, ob der Zugang zum Netz von ST für die Ausübung der Tätigkeit der alternativen Anbieter im Sinne von Rn. 41 des Urteils vom 26. November 1998, Bronner (C‑7/97, im Folgenden: Urteil Bronner, EU:C:1998:569), unerlässlich gewesen sei. Das Gericht wies den ersten Teil des ersten Klagegrundes in den Rn. 92 bis 116 des angefochtenen Urteils mit der Begründung zurück, dass die Regelung für den Telekommunikationssektor, die im vorliegenden Fall anwendbar sei, einen relevanten Gesichtspunkt für die Anwendung von Art. 102 AEUV darstelle und dass es nach dieser Regelung erforderlich gewesen sei, dass Zugang zu den Teilnehmeranschlüssen von ST bestehe, um auf dem slowakischen Markt für Breitband‑Internetzugangsdienste die Entstehung und Entwicklung eines wirksamen Wettbewerbs zu ermöglichen. Die Kommission habe deshalb nicht mehr nachweisen müssen, dass der Zugang zu den Teilnehmeranschlüssen von ST unerlässlich gewesen sei.

22

Mit dem zweiten Teil des ersten Klagegrundes hatte die Rechtsmittelführerin geltend gemacht, dass ihr Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden sei. Sie habe eine Reihe von Informationen, die bei der Berechnung der Margenbeschneidung berücksichtigt worden seien, erst in der Besprechung am 29. September 2014 erfahren. Zudem habe sie lediglich über eine überaus kurze Frist verfügt, um zu diesen Informationen Stellung zu nehmen. Das Gericht wies den zweiten Teil des ersten Klagegrundes in den Rn. 123 bis 145 des angefochtenen Urteils mit der Begründung zurück, dass die betreffenden Informationen die Natur der im streitigen Beschluss gegen ST und die Rechtsmittelführerin erhobenen Vorwürfe nicht verändert hätten und keine Tatsachen betroffen hätten, zu denen sich ST und die Rechtsmittelführerin nicht hätten äußern können.

23

Mit dem dritten Klagegrund hatte die Rechtsmittelführerin geltend gemacht, dass der Kommission bei der Zurechnung des Verhaltens von ST an sie insoweit Rechts- und Tatsachenfehler unterlaufen seien, als sie angenommen habe, dass sie, die Rechtsmittelführerin, die Möglichkeit gehabt habe, einen bestimmenden Einfluss auf ST auszuüben, als sie vermutet habe, dass sie einen solchen Einfluss auch tatsächlich auf ST ausgeübt habe, und als sie nicht nachgewiesen habe, dass sie tatsächlich einen bestimmenden Einfluss auf ST ausgeübt habe. Das Gericht wies dieses Vorbringen in den Rn. 227 bis 473 des angefochtenen Urteils u. a. mit der Begründung zurück, dass die tatsächliche Ausübung eines bestimmenden Einflusses der Muttergesellschaft auf das Verhalten der Tochtergesellschaft aus einem Bündel übereinstimmender Umstände hergeleitet werden könne, wie die Kommission es im streitigen Beschluss getan habe. Die Kommission habe u. a. darauf hingewiesen, dass im Vorstand von ST höhere Führungskräfte der Rechtsmittelführerin präsent gewesen seien, dass ST Mitarbeiter der Rechtsmittelführerin überlassen worden seien und dass ST der Rechtsmittelführerin regelmäßig Berichte über ihre Geschäftspolitik übermittelt habe. Das Gericht gelangte zu der Einschätzung, dass die Prüfung der wirtschaftlichen, organisatorischen und rechtlichen Beziehungen, die zwischen der Rechtsmittelführerin und ST bestanden hätten, ergeben habe, dass die allgemeine Strategie von ST auf dem slowakischen Markt für Breitband‑Internetzugangsdienste von der Rechtsmittelführerin festgelegt worden sei.

Anträge der Parteien

24

Mit ihrem Rechtsmittel beantragt die Rechtsmittelführerin,

das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit es die Klage abweist;

den streitigen Beschluss für ganz oder teilweise nichtig zu erklären, soweit er sie betrifft, hilfsweise, die gegen sie verhängten Geldbußen aufzuheben oder weiter herabzusetzen;

weiter hilfsweise, den Rechtsstreit zur erneuten Entscheidung an das Gericht zurückzuverweisen;

der Kommission sämtliche Kosten aufzuerlegen, die sich aus dem vorliegenden Verfahren und dem Verfahren vor dem Gericht ergeben.

25

Die Kommission beantragt,

das Rechtsmittel zurückzuweisen;

der Rechtsmittelführerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Zum Rechtsmittel

26

Die Rechtsmittelführerin macht vier Rechtsmittelgründe geltend. Es werden gerügt: die unrichtige Auslegung und Anwendung des Rechtssatzes, wonach die Einstufung einer Zugangsverweigerung als missbräuchlich im Sinne von Art. 102 AEUV voraussetze, dass der Zugang für denjenigen, der ihn begehre, „unerlässlich“ sei (erster Rechtsmittelgrund), die unrichtige Auslegung und Anwendung des Rechtssatzes, wonach die Zurechnung eine Zuwiderhandlung der Tochtergesellschaft an die Muttergesellschaft voraussetze, dass die Muttergesellschaft auf die Tochtergesellschaft tatsächlich einen bestimmenden Einfluss ausgeübt habe (zweiter Rechtsmittelgrund), die unrichtige Anwendung des Rechtssatzes, wonach die Zurechnung einer Zuwiderhandlung der Tochtergesellschaft an die Muttergesellschaft voraussetze, dass die Tochtergesellschaft im Wesentlichen Weisungen der Muttergesellschaft befolgt habe (dritter Rechtsmittelgrund) sowie eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (vierter Rechtsmittelgrund).

27

Ferner möchte die Rechtsmittelführerin, dass eine günstige Entscheidung des Gerichtshofs in der konnexen Rechtssache C‑165/19 P betreffend ein von ST gegen das Urteil des Gerichts vom 13. Dezember 2018, Slovak Telekom/Kommission (T‑851/14, EU:T:2018:929), eingelegtes Rechtsmittel auch ihr zugutekommt.

Zum ersten Rechtsmittelgrund

Vorbringen der Parteien

28

Die Rechtsmittelführerin vertritt die Auffassung, dass das Gericht in den Rn. 86 bis 115 des angefochtenen Urteils rechtsfehlerhaft angenommen habe, dass die Kommission nicht verpflichtet gewesen sei, nachzuweisen, dass der Zugang zu den Teilnehmeranschlüssen von ST für die alternativen Anbieter unerlässlich gewesen sei, um die Beschränkungen des Zugangs zu diesen Anschlüssen durch ST als „missbräuchlich“ im Sinne von Art. 102 AEUV einstufen zu können.

29

Die Annahme des Gerichts in den Rn. 97, 98, 101 und 103 des angefochtenen Urteils, dass die im Urteil Bronner aufgestellten Kriterien im vorliegenden Fall nicht anwendbar seien, weil für ST die regulatorische Verpflichtung bestehe, Zugang zu ihren Teilnehmeranschlüssen zu gewähren, sei unzutreffend. Die regulatorische Zugangsverpflichtung könne die Unerlässlichkeit des Zugangs im Sinne des Urteils Bronner aus folgenden Gründen nicht ersetzen.

30

Erstens seien die Frage, ob eine regulatorische Verpflichtung bestehe, Zugang zu gewähren, und die Frage, ob der Zugang unerlässlich sei, zwei verschiedene Fragen. Um ST die Verpflichtung aufzuerlegen, Zugang zu ihren Teilnehmeranschlüssen zu gewähren, habe die TUSR lediglich die historische Position von ST auf dem Vorleistungsmarkt für den Zugang zum entbündelten Teilnehmeranschluss berücksichtigt. Die TUSR habe nicht geprüft, ob der Zugang zu diesem Anschluss für die Tätigkeit auf dem nachgelagerten Markt unerlässlich gewesen sei, und damit auch nicht, inwieweit er durch den Aufbau eigener alternativer Infrastruktur hätte ersetzt werden können. Bei der Prüfung der Frage, ob der Zugang im Sinne des Urteils Bronner „unentbehrlich“ sei, komme es aber gerade darauf an, ob es einen tatsächlichen oder potenziellen Ersatz für ihn gebe. Sie, die Rechtsmittelführerin, habe vor dem Gericht dargetan, dass dies hier der Fall sei.

31

Zweitens unterscheide sich eine regulatorische Zugangsverpflichtung von einer Verurteilung wegen Missbrauchs einer beherrschenden Stellung im Sinne von Art. 102 AEUV dadurch, dass sie ex ante auferlegt werde. Sachverhaltsfeststellungen, die einer solchen Verpflichtung zugrunde lägen, könnten daher schnell veralten. Dies gelte besonders für die sich rasant entwickelnden Telekommunikationsmärkte.

32

Drittens beruhe die regulatorische Zugangsverpflichtung auf Extrapolationen. Ein Missbrauch einer beherrschenden Stellung im Sinne von Art. 102 AEUV müsse hingegen nach einer konkreten Prüfung festgestellt werden, insbesondere der Frage, ob der Zugang zu dem Teilnehmeranschluss unerlässlich sei.

33

Schließlich würden mit der Regulierung des Telekommunikationssektors und den Kriterien des Urteils Bronner unterschiedliche Ziele verfolgt. Die nationalen Regulierungsbehörden für den Telekommunikationssektor hätten nicht nur die Aufgabe, den Wettbewerb zu fördern. Sie hätten auch zur Entwicklung des Binnenmarktes beizutragen und die Interessen der Bürger zu fördern. Dieser Ansatz finde sich auch in dem Urteil vom 14. Oktober 2010, Deutsche Telekom/Kommission (C‑280/08 P, EU:C:2010:603), wieder, auf das in Rn. 97 des angefochtenen Urteils eingegangen werde.

34

Im Übrigen könne auch bei Bestehen einer regulatorischen Zugangsverpflichtung nicht auf die konkrete Prüfung der Unentbehrlichkeit des Zugangs zu dem Teilnehmeranschluss verzichtet werden. Sonst würde die Feststellung eines Missbrauchs erleichtert und die Rechtsprechung des Gerichtshofs ausgehöhlt.

35

Weiter unterscheide sich eine konstruktive Verweigerung des Zugangs zu den Teilnehmeranschlüssen, wie sie ST zur Last gelegt werde, anders als das Gericht in den Rn. 106 bis 112 des angefochtenen Urteils festgestellt habe, nicht von derjenigen, die Gegenstand des Urteils Bronner gewesen sei, da der Netzinhaber in beiden Fällen ein berechtigtes Interesse am Schutz seiner Investition habe, es schwierig sei, die beiden Ausprägungen einer Zugangsverweigerung zu unterscheiden, und der weniger schwere Verstoß, die konstruktive Zugangsverweigerung, leichter nachzuweisen sei als der schwerere Verstoß, die ausdrückliche Zugangsverweigerung.

36

Die vom Gerichtshof in Rn. 55 des Urteils vom 17. Februar 2011, TeliaSonera Sverige (C‑52/09, im Folgenden: Urteil TeliaSonera, EU:C:2011:83), gewählte Formulierung lege nicht nahe, dass die Kriterien des Urteils Bronner für eine konstruktive Zugangsverweigerung nicht gelten sollten.

37

Die Kommission vertritt im Wesentlichen die Auffassung, dass sich der Missbrauch, der im streitigen Beschluss festgestellt worden sei, grundsätzlich von demjenigen unterscheide, um den es im Urteil Bronner gegangen sei, so dass die in diesem Urteil aufgestellten Kriterien auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar seien.

Würdigung durch den Gerichtshof

38

Mit dem ersten Rechtsmittelgrund wendet sich die Rechtsmittelführerin, die Muttergesellschaft von ST, der das Verhalten der Tochtergesellschaft zugerechnet worden ist, vor allem gegen die Rn. 86 bis 115 des angefochtenen Urteils. Dort hat das Gericht den streitigen Beschluss insoweit bestätigt, als die Kommission nicht nachweisen müsse, dass der Zugang der alternativen Anbieter zu den Teilnehmeranschlüssen von ST unerlässlich sei, um die Verhaltensweisen von ST als „missbräuchlich“ einstufen zu können, bei denen die Kommission in Rn. 365 des streitigen Beschlusses angenommen hat, dass sie eine konstruktive Verweigerung des Zugangs darstellten. Es handelt sich dabei um folgende Verhaltensweisen: Zurückhaltung netzrelevanter Informationen, die für die Entbündelung der Teilnehmeranschlüsse von ST erforderlich sind, gegenüber alternativen Anbietern (1), Verringerung des Umfangs der gesetzlichen Verpflichtungen von ST in Bezug auf die Entbündelung (2) und Festsetzung mehrerer unfairer Klauseln und Bedingungen im Standardangebot von ST für entbündelte Teilnehmeranschlüsse (3) (im Folgenden: streitige Verhaltensweisen).

39

Insbesondere hat das Gericht in Rn. 101 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass es nach den im Bereich der Telekommunikation geltenden Rechtsvorschriften eindeutig erforderlich gewesen sei, dass Zugang zu den Teilnehmeranschlüssen von ST gewährt werde, um auf dem slowakischen Markt der Breitband‑Internetzugänge die Entstehung und Entwicklung eines wirksamen Wettbewerbs zu ermöglichen. Die Kommission habe deshalb nicht nachweisen müssen, dass der Zugang zu diesen Anschlüssen im Sinne der letzten Voraussetzung gemäß Rn. 41 des Urteils Bronner unerlässlich gewesen sei. Das Gericht hat hierzu in den Rn. 106 bis 114 des angefochtenen Urteils weiter ausgeführt, dass die Voraussetzungen gemäß dem Urteil Bronner, insbesondere die Voraussetzung, dass die Dienstleistung oder Infrastruktur des beherrschenden Unternehmers unerlässlich sei, nicht für Verhaltensweisen gälten, bei denen es sich wie bei den streitigen Verhaltensweisen nicht um eine Zugangsverweigerung handele.

40

Zur Beurteilung der Frage, ob diese Ausführungen des Gerichts, wie die Rechtsmittelführerin behauptet, rechtsfehlerhaft sind, ist darauf hinzuweisen, dass Art. 102 AEUV die missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung auf dem Binnenmarkt oder auf einem wesentlichen Teil desselben durch ein oder mehrere Unternehmen verbietet, soweit dies dazu führen kann, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. Das Unternehmen, das eine beherrschende Stellung innehat, trägt daher eine besondere Verantwortung dafür, dass es durch sein Verhalten einen wirksamen und unverfälschten Wettbewerb auf dem Binnenmarkt nicht beeinträchtigt (Urteil vom 30. Januar 2020, Generics [UK] u. a., C‑307/18, EU:C:2020:52, Rn. 153 und die dort angeführte Rechtsprechung).

41

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs handelt es sich bei dem Begriff der missbräuchlichen Ausnutzung einer beherrschenden Stellung im Sinne von Art. 102 AEUV um einen objektiven Begriff, der auf die Verhaltensweisen eines Unternehmens in beherrschender Stellung abstellt, die auf einem Markt, auf dem der Grad an Wettbewerb gerade wegen der Anwesenheit des fraglichen Unternehmens bereits geschwächt ist, die Aufrechterhaltung des auf dem Markt noch bestehenden Grades an Wettbewerb oder die Entwicklung des Wettbewerbs durch den Einsatz von anderen Mitteln behindern als denjenigen eines normalen Produkt- oder Dienstleistungswettbewerbs auf der Grundlage der Leistungen der Wirtschaftsteilnehmer (Urteil vom 30. Januar 2020, Generics [UK] u. a., C‑307/18, EU:C:2020:52, Rn. 148 und die dort angeführte Rechtsprechung).

42

Bei der Prüfung der Frage, ob die Verhaltensweise eines Unternehmens in beherrschender Stellung im Sinne von Art. 102 AEUV missbräuchlich ist, ist allen besonderen Umständen des Falles Rechnung zu tragen (vgl. in diesem Sinne Urteile TeliaSonera, Rn. 68, vom 6. Oktober 2015, Post Danmark, C‑23/14, EU:C:2015:651, Rn. 68, und vom 19. April 2018, MEO – Serviços de Comunicações e Multimédia, C‑525/16, EU:C:2018:270, Rn. 27 und 28).

43

Wie aus Rn. 37 des Urteils Bronner hervorgeht, ging es in der Rechtssache, in der dieses Urteil ergangen ist, um die Frage, ob es eine missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung im Sinne von Art. 102 AEUV darstellt, dass der Betreiber des einzigen im gesamten Gebiet eines Mitgliedstaats bestehenden Hauszustellungssystems, der dieses System für den Vertrieb seiner eigenen Tageszeitungen nutzt, dem konkurrierenden Verleger den Zugang zu diesem System verweigert, weil Letzterer dadurch um einen für den Verkauf seiner Erzeugnisse als wesentlich angesehenen Vertriebsweg gebracht wird.

44

Der Gerichtshof hat diese Frage in Rn. 41 des Urteils Bronner dahin beantwortet, dass die Verweigerung der Dienstleistung der Hauszustellung nur dann einen Missbrauch einer beherrschenden Stellung dargestellt hätte, wenn sie zum einen geeignet gewesen wäre, jeglichen Wettbewerb auf dem Tageszeitungsmarkt durch denjenigen, der die Dienstleistung begehrt, auszuschalten, und nicht objektiv zu rechtfertigen gewesen wäre, und zum anderen die Dienstleistung selbst für die Ausübung der Tätigkeit des Wettbewerbers in dem Sinne unentbehrlich gewesen wäre, dass kein tatsächlicher oder potenzieller Ersatz für das Hauszustellungssystem bestanden hätte.

45

Diese Voraussetzungen waren durch die besonderen Umstände der betreffenden Rechtssache bedingt. Es ging dort allein um die Weigerung eines beherrschenden Unternehmens, einem Wettbewerber Zugang zu einer Infrastruktur zu gewähren, die es für seine eigene Tätigkeit entwickelt hatte, und um keine andere Verhaltensweise.

46

Wie auch der Generalanwalt in den Nrn. 68, 73 und 74 seiner Schlussanträge im Wesentlichen ausgeführt hat, bedeutet die Feststellung, dass ein Unternehmen in beherrschender Stellung diese dadurch missbraucht hat, dass es sich geweigert hat, mit einem Wettbewerber einen Vertrag zu schließen, letztlich, dass das Unternehmen gezwungen wird, mit dem Wettbewerber einen Vertrag zu schließen. Eine solche Verpflichtung stellt jedoch einen schweren Eingriff in die Vertragsfreiheit und das Eigentumsrecht des Unternehmens in beherrschender Stellung dar, da es einem Unternehmen, auch wenn es eine beherrschende Stellung innehat, grundsätzlich freisteht, den Abschluss eines Vertrags zu verweigern und die von ihm aufgebaute Infrastruktur für eigene Zwecke zu nutzen (vgl. entsprechend Urteil vom 5. Oktober 1988, Volvo, 238/87, EU:C:1988:477, Rn. 8).

47

Außerdem ist zu bedenken, dass die Verurteilung eines Unternehmens wegen Missbrauchs seiner beherrschenden Stellung durch die Weigerung, mit einem Wettbewerber Verträge abzuschließen, den Wettbewerb zwar kurzfristig fördert, es langfristig aber im Allgemeinen gut für den Wettbewerb ist und im Interesse der Verbraucher liegt, es einem Unternehmen zu ermöglichen, die Infrastruktur, die es für seine Tätigkeit entwickelt hat, seinem eigenen Gebrauch vorzubehalten. Würde der Zugang zu einer Produktions‑, Einkaufs- oder Vertriebsinfrastruktur zu leicht gewährt, bestünde für die Wettbewerber nämlich kein Anreiz, konkurrierende Infrastruktur aufzubauen. Außerdem wäre ein Unternehmen in beherrschender Stellung weniger leicht dazu bereit, in effiziente Anlagen zu investieren, wenn es gezwungen werden könnte, die Früchte seiner eigenen Investitionen auf bloßes Anfordern mit seinen Wettbewerbern zu teilen.

48

Weigert sich ein Unternehmen in beherrschender Stellung, Zugang zu einer Infrastruktur zu gewähren, die es für seine eigene Tätigkeit aufgebaut hat, lässt sich die Entscheidung, dieses Unternehmen zu verpflichten, Zugang zu dieser Infrastruktur zu gewähren, daher wettbewerbspolitisch nur in Fällen rechtfertigen, in denen das marktbeherrschende Unternehmen den betreffenden Markt fest in seinem Griff hält.

49

Anhand der vom Gerichtshof im Urteil Bronner aufgestellten Voraussetzungen (siehe oben, Rn. 44), insbesondere derjenigen der Unerlässlichkeit des Zugangs zur Infrastruktur des Unternehmens in beherrschender Stellung, kann die zuständige nationale Behörde oder das zuständige nationale Gericht im Einzelfall feststellen, ob das Unternehmen den betreffenden Markt über diese Infrastruktur fest in seinem Griff hält. Ein solches Unternehmen kann daher nur dann gezwungen werden, einem Wettbewerber Zugang zu einer für seine eigene Tätigkeit entwickelten Infrastruktur zu gewähren, wenn dieser für die Tätigkeit des Wettbewerbers unentbehrlich ist, d. h., wenn es keinen tatsächlichen oder potenziellen Ersatz für die Infrastruktur gibt.

50

In Fällen, in denen ein Unternehmen in beherrschender Stellung Zugang zu seiner Infrastruktur gewährt, den Zugang, die Erbringung von Dienstleistungen oder den Verkauf von Erzeugnissen aber unangemessenen Bedingungen unterwirft, kommen die vom Gerichtshof in Rn. 41 des Urteils Bronner aufgestellten Voraussetzungen hingegen überhaupt nicht zum Tragen. Ist der Zugang zu einer solchen Infrastruktur oder gar zu einer Dienstleistung oder einem Vorleistungsgut für die Wettbewerber des Unternehmens in beherrschender Stellung unerlässlich, um auf einem nachgelagerten Markt rentabel zu operieren, ist es umso wahrscheinlicher, dass unbillige Praktiken auf diesem Markt zumindest potenziell wettbewerbswidrige Wirkungen haben und einen Missbrauch im Sinne von Art. 102 AEUV darstellen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Oktober 2010, Deutsche Telekom/Kommission, C‑280/08 P, EU:C:2010:603, Rn. 234, und TeliaSonera, Rn. 70 und 71). Bei Verhaltensweisen, die keine Zugangsverweigerung darstellen, ist das Fehlen der Unerlässlichkeit für die Prüfung von potenziell missbräuchlichen Verhaltensweisen eines Unternehmens in beherrschender Stellung als solches jedoch nicht ausschlaggebend (vgl. in diesem Sinne Urteil TeliaSonera, Rn. 72).

51

Solche Verhaltensweisen können eine Form des Missbrauchs sein, wenn sie geeignet sind, zumindest potenzielle wettbewerbswidrige Wirkungen oder gar Ausschlusswirkungen auf den betreffenden Märkten zu erzeugen. Sie können aber nicht mit einer schlichten Weigerung, einem Wettbewerber Zugang zu einer Infrastruktur zu gewähren, gleichgesetzt werden, da die zuständige nationale Wettbewerbsbehörde oder das zuständige nationale Gericht das Unternehmen in beherrschender Stellung nicht dazu zwingen wird, einen Zugang zu einer Infrastruktur zu gewähren, der bereits gewährt ist. Die Maßnahmen, die in solchen Fällen getroffen werden, werden das Unternehmen in beherrschender Stellung mithin in seiner Vertragsfreiheit und seinem Eigentumsrecht weniger beschränken als wenn es verpflichtet worden wäre, Zugang zu einer seiner eigenen Tätigkeit vorbehaltenen Infrastruktur zu gewähren.

52

In diesem Sinne hat der Gerichtshof in den Rn. 75 und 96 des Urteils vom 10. Juli 2014, Telefónica und Telefónica de España/Kommission (C‑295/12 P, EU:C:2014:2062), bereits entschieden, dass die vom Gerichtshof in Rn. 41 des Urteils Bronner aufgestellten Voraussetzungen, insbesondere die der Unentbehrlichkeit des Zugangs, für einen Missbrauch in Form der Beschneidung der Margen konkurrierender Wirtschaftsteilnehmer auf einem nachgelagerten Markt nicht gelten.

53

Im gleichen Sinne hat der Gerichtshof in Rn. 58 des Urteils TeliaSonera im Wesentlichen entschieden, dass nicht verlangt werden kann, dass die Missbräuchlichkeit bei jeder Art von Verhalten, das ein Unternehmen in beherrschender Stellung gegenüber seinen Wettbewerbern an den Tag legt, stets anhand der vom Gerichtshof im Urteil Bronner aufgestellten Voraussetzungen geprüft wird, das die Verweigerung der Erbringung einer Dienstleistung betraf. Die Annahme des Gerichts in den Rn. 108 bis 110 des angefochtenen Urteils, dass sich der Gerichtshof in den Rn. 55 bis 58 des Urteils TeliaSonera bei der Beurteilung der Verhaltensweisen, für die die Voraussetzungen gemäß dem Urteil Bronner nicht gelten, nicht lediglich auf die besondere Missbrauchsform der Beschneidung der Margen konkurrierender Anbieter auf einem nachgelagerten Markt bezogen habe, begegnet daher rechtlich keinen Bedenken.

54

Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass die Situation von ST, wie in Rn. 99 des angefochtenen Urteils ausgeführt, vor allem dadurch gekennzeichnet war, dass ST nach den im Telekommunikationssektor geltenden Rechtsvorschriften verpflichtet war, Zugang zu ihren Teilnehmeranschlüssen zu gewähren. Als Betreiberin mit beträchtlicher Marktmacht war ST gemäß dem Bescheid der TUSR vom 8. März 2005, der am 14. Juni 2005 vom Vorsitzenden dieser Behörde bestätigt wurde, verpflichtet, allen Anträgen alternativer Anbieter auf Entbündelung ihrer Teilnehmeranschlüsse, die als angemessen und begründet galten, stattzugeben, um es ihnen zu ermöglichen, diese Anschlüsse zu nutzen, um ihre eigenen Leistungen auf dem Endkundenmarkt für Festnetz-Breitbanddienste in der Slowakei anzubieten.

55

Eine solche Verpflichtung entspricht dem vom Unionsgesetzgeber festgelegten Ziel der Entwicklung eines wirksamen Wettbewerbs auf den Telekommunikationsmärkten. Wie es in den Erwägungsgründen 3, 6 und 7 der Verordnung Nr. 2887/2000 heißt, ist die Auferlegung einer solchen Zugangsverpflichtung dadurch gerechtfertigt, dass die Betreiber mit beträchtlicher Marktmacht ihre Ortsanschlussinfrastruktur über geraume Zeit hinweg, durch ausschließliche Rechte geschützt, ausgebaut haben und ihre Investitionen aus Monopoleinkünften finanzieren konnten, so dass es für neue Marktteilnehmer unwirtschaftlich wäre, ein Gegenstück zu den zum Teilnehmeranschluss führenden Leitungen des etablierten Betreibers zu schaffen, und dass alternative Infrastrukturen diese Ortsanschlussnetze nicht wirklich substituieren können. Deshalb ist der entbündelte Zugang zum Teilnehmeranschluss geeignet, es neuen Marktteilnehmern zu ermöglichen, mit Betreibern mit beträchtlicher Marktmacht in Wettbewerb zu treten. Wie das Gericht in Rn. 99 des angefochtenen Urteils ausgeführt hat, sollten im vorliegenden Fall durch die von der TUSR auferlegte Zugangsverpflichtung für ST und deren Wettbewerber Investitions- und Innovationsanreize geschaffen und zugleich sichergestellt werden, dass der Wettbewerb auf dem Markt erhalten bleibt.

56

Die regulatorische Zugangsverpflichtung galt für ST während des gesamten Zeitraums der Zuwiderhandlung, den die Kommission im streitigen Beschluss festgestellt hat (12. August 2005 bis 31. Dezember 2010). Denn abgesehen davon, dass die Regulierungsbehörden im Telekommunikationssektor nach Art. 8 Abs. 5 Buchst. f der Richtlinie 2002/21 in der durch die Richtlinie 2009/140 geänderten Fassung eine regulatorische Zugangsverpflichtung nur dann auferlegen dürfen, wenn es keinen wirksamen und nachhaltigen Wettbewerb gibt, und sie lockern oder aufheben müssen, sobald diese Voraussetzung erfüllt ist, hat die Rechtsmittelführerin weder behauptet noch bewiesen, dass sie bestritten hätte, das für ST im Zeitraum der Zuwiderhandlung eine regulatorische Zugangsverpflichtung gegolten hat. Die Kommission hat das Bestehen einer solchen Verpflichtung in Abschnitt 5.1 des streitigen Beschlusses auch begründet. Sie hat insoweit in Rn. 377 des streitigen Beschlusses ausgeführt, dass sie eine eigene Ex-post-Analyse der relevanten Märkte vorgenommen habe. Sie ist zu dem Schluss gelangt, dass sich die Lage auf den relevanten Märkten insoweit während des Zeitraums der Zuwiderhandlung nicht wesentlich verändert habe.

57

So wie der Gerichtshof bereits in Rn. 224 des Urteils vom 14. Oktober 2010, Deutsche Telekom/Kommission (C‑280/08 P, EU:C:2010:603), auf das in Rn. 97 des angefochtenen Urteils Bezug genommen wird, ausgeführt hat, ist hier entsprechend festzustellen, dass eine regulatorische Verpflichtung für die Beurteilung der Frage relevant sein kann, ob die Verhaltensweise eines Unternehmens in beherrschender Stellung, für das eine Bereichsregelung gilt, im Sinne von Art. 102 AEUV missbräuchlich ist. Im vorliegenden Fall enthob die ST auferlegte Verpflichtung, Zugang zu ihren Teilnehmeranschlüssen zu gewähren, die Kommission nicht von ihrer Verpflichtung, unter Berücksichtigung der einschlägigen Rechtsprechung das Vorliegen eines Missbrauchs im Sinne von Art. 102 AEUV nachzuweisen. ST durfte wegen der ihr auferlegten Verpflichtung allerdings während des gesamten Zeitraums der Zuwiderhandlung, der im vorliegenden Fall festgestellt wurde, den Zugang zu ihren Teilnehmeranschlüssen nicht regelrecht verweigern. Sie hat dies auch nicht getan.

58

In der Gestaltung der Bedingungen der Gewährung des Zugangs blieb ST während dieses Zeitraums jedoch frei, auch wenn für sie die oben beschriebene regulatorische Zugangsverpflichtung galt. Denn abgesehen von bestimmten Leitprinzipien war der verbindliche Inhalt des Standardangebots für den entbündelten Zugang zu ihren Teilnehmeranschlüssen im Sinne von Art. 3 der Verordnung Nr. 2887/2000 weder durch die einschlägigen Rechtsvorschriften noch durch die Beschlüsse der TUSR vorgegeben. Mit den streitigen Verhaltensweisen hat ST von dieser Gestaltungsfreiheit Gebrauch gemacht.

59

Da die streitigen Verhaltensweisen keine Verweigerung des Zugangs zu den Teilnehmeranschlüssen von ST darstellten, sondern sich auf die Bedingungen des Zugangs zu diesen Anschlüssen bezogen, kamen die vom Gerichtshof in Rn. 41 des Urteils Bronner aufgestellten Voraussetzungen (siehe oben, Rn. 44) aus den oben in den Rn. 45 bis 51 dargelegten Gründen im vorliegenden Fall nicht zum Tragen.

60

Die Annahme des Gerichts in Rn. 101 des angefochtenen Urteils, dass die Kommission nicht habe nachweisen müssen, dass der Zugang zu den Teilnehmeranschlüssen von ST im Sinne der letzten Voraussetzung gemäß Rn. 41 des Urteils Bronner „unerlässlich“ gewesen sei, um festzustellen, dass ST durch die streitigen Verhaltensweisen ihre beherrschende Stellung missbraucht habe, ist daher rechtlich nicht zu beanstanden.

61

Der erste Rechtsmittelgrund beruht mithin auf einer rechtsfehlerhaften Annahme und ist folglich in vollem Umfang zurückzuweisen.

Zum zweiten Rechtsmittelgrund

Vorbringen der Parteien

62

Mit dem zweiten, aus zwei Teilen bestehenden Rechtsmittelgrund macht die Rechtsmittelführerin geltend, dass das Gericht dadurch Rechtsfehler begangen habe, dass es ihr den von ST begangenen Missbrauch einer beherrschenden Stellung zugerechnet habe.

63

Mit dem ersten Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes macht die Rechtsmittelführerin geltend, dass das Gericht, um ihr das missbräuchliche Verhalten von ST zuzurechnen, zu Unrecht angenommen habe, dass Tatsachen, die lediglich belegten, dass sie die Möglichkeit gehabt habe, einen bestimmenden Einfluss auf ST auszuüben, auch als Indizien dafür herangezogen werden könnten, dass sie einen solchen Einfluss auch tatsächlich ausgeübt habe. Ließe man Tatsachen, aus denen sich lediglich ergebe, dass die Muttergesellschaft die Möglichkeit gehabt habe, einen bestimmenden Einfluss auf ihre Tochtergesellschaft auszuüben, als Beweis dafür genügen, dass ein solcher Einfluss auch tatsächlich ausgeübt worden sei, würde jegliche Unterscheidung zwischen der möglichen und der tatsächlichen Ausübung eines bestimmenden Einflusses verwischt und die für 100%ige Tochtergesellschaften geltende Vermutung unzulässigerweise ausgedehnt.

64

Dass Führungskräfte von ST auch bei ihr Leitungsfunktionen eingenommen hätten oder höhere Führungskräfte von ihr im Vorstand von ST präsent gewesen seien (Rn. 233 und 249 ff. des angefochtenen Urteils), dass sie ST Mitarbeiter überlassen habe (Rn. 280 bis 285 des angefochtenen Urteils) und dass ST ihr Berichte über ihre Geschäftspolitik übermittelt habe (Rn. 294 des angefochtenen Urteils), seien mithin allesamt Tatsachen, die lediglich belegten, dass sie die Möglichkeit gehabt habe, einen bestimmenden Einfluss auf ST auszuüben, nicht aber, dass sie einen solchen Einfluss auch tatsächlich ausgeübt habe.

65

Die Unterscheidung zwischen der möglichen und der tatsächlichen Ausübung eines bestimmenden Einflusses (siehe oben, Rn. 63) hindere die Kommission nicht daran, alle relevanten Umstände in Betracht zu ziehen. Diese könnten durchaus zu der Feststellung führen, dass tatsächlich ein bestimmender Einfluss ausgeübt worden sei. Das Urteil vom 18. Januar 2017, Toshiba/Kommission (C‑623/15 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2017:21), auf das sich das Gericht im angefochtenen Urteil und die Kommission in der Rechtsmittelbeantwortung beriefen, gebe für den vorliegenden Fall nichts her. In der Rechtssache, in der dieses Urteil ergangen sei, sei es darum gegangen, ob in einem Gemeinschaftsunternehmen Regeln zur gemeinsamen Entscheidungsfindung eingehalten worden seien, und nicht darum, ob die Möglichkeit bestanden habe, einen bestimmenden Einfluss auszuüben. Entgegen dem Vorbringen der Kommission in der Rechtsmittelbeantwortung habe der Gerichtshof in Rn. 93 des Urteils vom 24. Juni 2015, Fresh Del Monte Produce/Kommission und Kommission/Fresh Del Monte Produce (C‑293/13 P und C‑294/13 P, EU:C:2015:416), nicht angenommen, dass ein Informationsaustausch als Indiz für die tatsächliche Ausübung bestimmenden Einflusses anzusehen sei.

66

Mit dem zweiten Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes macht die Rechtsmittelführerin geltend, dass das Gericht bei der rechtlichen Qualifizierung der Tatsachen, auf die sich die Kommission berufen habe, den Rechtssatz, dass bestimmender Einfluss auch tatsächlich ausgeübt worden sein müsse, unrichtig angewandt habe, indem es von der Möglichkeit der Ausübung eines bestimmenden Einflusses auf die tatsächliche Ausübung eines solchen Einflusses geschlossen habe. Neben den Randnummern des angefochtenen Urteils, die mit dem ersten Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes angegriffen worden seien, litten unter einem Rechtsfehler auch Rn. 262 des angefochtenen Urteils insoweit, als das Gericht berücksichtigt habe, dass die Geschäftsführung von ST den Vorstand von ihr, der Rechtsmittelführerin, unterrichtet habe und dieser über den Geschäftsplan der Geschäftsführung von ST beschlossen habe (1), die Rn. 273 und 274 des angefochtenen Urteils insoweit, als das Gericht angenommen habe, dass die Treuepflicht der Vorstandsmitglieder gegenüber den Anteilseignern und die Unverbindlichkeit der gegenüber ST erbrachten Beratungsleistungen nicht ausschlössen, dass sie, die Rechtsmittelführerin, auf ST einen bestimmenden Einfluss ausgeübt habe (2), und Rn. 278 des angefochtenen Urteils insoweit, als das Gericht festgestellt habe, dass ihre Vertreter im Vorstand von ST aufgrund der Aktionärsvereinbarung in der Lage gewesen seien, einen bestimmenden Einfluss auf alle geschäftlichen Entscheidungen von ST auszuüben (3). Die Rechtsmittelführerin tritt der von der Kommission gegen den zweiten Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes erhobenen Einrede der Unzulässigkeit entgegen. Sie weist darauf hin, dass sie mit dem zweiten Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes nicht die Tatsachenfeststellungen des Gerichts angreife, sondern lediglich geltend mache, dass dem Gericht insoweit ein Rechtsfehler unterlaufen sei, als es den Rechtsgrundsatz der tatsächlichen Ausübung eines bestimmenden Einflusses nicht richtig angewandt habe.

67

Nach Auffassung der Kommission ist der zweite Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes unzulässig. Mit ihm würden die Tatsachenfeststellungen des Gerichts angegriffen und er impliziere eine neue Beweiswürdigung durch den Gerichtshof. Jedenfalls sei der zweite Rechtsmittelgrund unbegründet, da die tatsächliche Ausübung eines bestimmenden Einflusses wie im vorliegenden Fall unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände aus einem Bündel übereinstimmender Umstände hergeleitet werden könne.

Würdigung durch den Gerichtshof

68

Zur Zulässigkeit des zweiten Teils des zweiten Rechtsmittelgrundes ist festzustellen, dass der Gerichtshof nach seiner ständigen Rechtsprechung, wenn das Gericht die Tatsachen festgestellt oder gewürdigt hat, gemäß Art. 256 AEUV lediglich zur Kontrolle der rechtlichen Qualifizierung dieser Tatsachen und der daraus gezogenen rechtlichen Konsequenzen befugt ist. Die Würdigung der Tatsachen ist, sofern die dem Gericht vorgelegten Beweise nicht verfälscht werden, daher keine Rechtsfrage, die als solche der Kontrolle des Gerichtshofs unterliegt (vgl. u. a. Urteil vom 17. Oktober 2019, Alcogroup und Alcodis/Kommission, C‑403/18 P, EU:C:2019:870, Rn. 63 und die dort angeführte Rechtsprechung).

69

Die Rechtsmittelführerin hat im Rahmen des zweiten Rechtsmittelgrundes nicht behauptet, dass die vom Gericht geprüften Beweise, die belegen, dass sie für das Verhalten von ST verantwortlich gemacht werden konnte, verfälscht worden wären. Es ist nicht Sache des Gerichtshofs, den Beweiswert dieser Beweise zu überprüfen.

70

Mit dem zweiten Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes macht die Rechtsmittelführerin allerdings geltend, dass das Gericht zu Unrecht angenommen habe, dass es rechtlich nicht zu beanstanden sei, dass die Kommission aus einer Reihe von Tatsachen abgeleitet habe, dass sie tatsächlich einen bestimmenden Einfluss auf ST ausgeübt habe, obwohl diese Tatsachen allenfalls belegten, dass sie die Möglichkeit gehabt habe, einen solchen Einfluss auszuüben. Das Gericht habe diese Tatsachen daher unzutreffend als tatsächliche Ausübung eines bestimmenden Einflusses durch sie auf ST qualifiziert. Mit dem zweiten Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes will die Rechtsmittelführerin mithin nicht erreichen, dass der Gerichtshof die Tatsachen neu würdigt, sondern, dass er deren rechtliche Qualifikation durch das Gericht überprüft.

71

Der zweite Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes ist mithin zulässig.

72

Zur Begründetheit ist festzustellen, dass sich die Verfasser der Verträge dafür entschieden haben, den Begriff „Unternehmen“ zu verwenden, um die Person zu bezeichnen, die eine Zuwiderhandlung gegen Wettbewerbsrecht begangen hat und gemäß den Art. 101 und 102 AEUV mit einer Sanktion belegt werden kann. Dieser autonome Begriff des Unionsrechts umfasst unabhängig von der Rechtsform und der Art der Finanzierung jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einheit personeller, materieller und immaterieller Mittel (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. März 2019, Skanska Industrial Solutions u. a., C‑724/17, EU:C:2019:204, Rn. 29, 36 und 47). Danach ist unter dem Begriff „Unternehmen“ im Sinne der Art. 101 und 102 AEUV eine im Hinblick auf den Gegenstand der betreffenden wettbewerbswidrigen Verhaltensweise bestehende wirtschaftliche Einheit zu verstehen, selbst wenn diese rechtlich aus mehreren natürlichen oder juristischen Personen gebildet wird (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 12. Juli 1984, Hydrotherm Gerätebau, 170/83, EU:C:1984:271, Rn. 11, und vom 29. September 2011, Elf Aquitaine/Kommission, C‑521/09 P, EU:C:2011:620, Rn. 53 und die dort angeführte Rechtsprechung).

73

Aus dieser Entscheidung der Verfasser der Verträge ergibt sich zum einen, dass eine solche wirtschaftliche Einheit, wenn sie gegen die Wettbewerbsregeln verstößt, nach dem Grundsatz der persönlichen Verantwortung für diese Zuwiderhandlung einzustehen hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. September 2011, Elf Aquitaine/Kommission, C‑521/09 P, EU:C:2011:620, Rn. 53 und die dort angeführte Rechtsprechung), und zum anderen, dass eine juristische Person unter bestimmten Umständen gesamtschuldnerisch für das wettbewerbswidrige Verhalten einer anderen juristischen Person, die derselben wirtschaftlichen Einheit angehört, persönlich verantwortlich gemacht werden kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. April 2017, Akzo Nobel u. a./Kommission, C‑516/15 P, EU:C:2017:314, Rn. 57 und die dort angeführte Rechtsprechung).

74

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs kann die Muttergesellschaft für das Verhalten der Tochtergesellschaft verantwortlich gemacht werden, wenn die Tochtergesellschaft trotz eigener Rechtspersönlichkeit ihr Marktverhalten nicht eigenständig bestimmt, sondern im Wesentlichen Weisungen der Muttergesellschaft befolgt, und zwar vor allem wegen der wirtschaftlichen, organisatorischen und rechtlichen Bindungen, die die beiden Rechtssubjekte verbinden (vgl. u. a. Urteile vom 10. September 2009, Akzo Nobel u. a./Kommission, C‑97/08 P, EU:C:2009:536, Rn. 58, vom 10. April 2014, Areva u. a./Kommission, C‑247/11 P und C‑253/11 P, EU:C:2014:257, Rn. 30, sowie vom 18. Januar 2017, Toshiba/Kommission, C‑623/15 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2017:21, Rn. 45). In solchen Fällen können die von der Muttergesellschaft erteilten Weisungen eine Form eines bestimmenden Einflusses darstellen, den die Muttergesellschaft auf die Tochtergesellschaft ausübt.

75

Bei der Prüfung der Frage, ob die Muttergesellschaft einen bestimmenden Einfluss auf das Marktverhalten ihrer Tochtergesellschaft ausüben kann, sind sämtliche Gesichtspunkte zu berücksichtigen, die im Hinblick auf die wirtschaftlichen, organisatorischen und rechtlichen Bindungen der Tochtergesellschaft an die Muttergesellschaft relevant sind, d. h., es ist auf die tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnisse abzustellen (Urteile vom 24. Juni 2015, Fresh Del Monte Produce/Kommission und Kommission/Fresh Del Monte Produce, C‑293/13 P und C‑294/13 P, EU:C:2015:416, Rn. 76, sowie vom 18. Januar 2017, Toshiba/Kommission, C‑623/15 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2017:21, Rn. 46).

76

Auch wenn die das Marktverhalten der Tochtergesellschaft beeinflussenden Weisungen der Muttergesellschaft ausreichende Beweise für einen solchen bestimmenden Einfluss sein können, handelt es sich dabei nicht um die einzigen Beweise, die in Betracht kommen. Die tatsächliche Ausübung eines bestimmenden Einflusses der Muttergesellschaft auf das Verhalten der Tochtergesellschaft kann auch aus einem Bündel übereinstimmender Umstände hergeleitet werden, auch wenn keiner dieser Umstände für sich allein genügt, um die Existenz eines solchen Einflusses zu belegen (Urteile vom 24. Juni 2015, Fresh Del Monte Produce/Kommission und Kommission/Fresh Del Monte Produce, C‑293/13 P und C‑294/13 P, EU:C:2015:416, Rn. 77, sowie vom 18. Januar 2017, Toshiba/Kommission, C‑623/15 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2017:21, Rn. 47).

77

Wie bereits ausgeführt (siehe oben, Rn. 75 und 76), kann es, um der Muttergesellschaft das Verhalten der Tochtergesellschaft zurechnen zu können, genügen, zu prüfen, ob diese die Möglichkeit hat, einen bestimmenden Einfluss auf die Tochtergesellschaft auszuüben. Somit kann die Kommission im Rahmen einer Gesamtwürdigung der in Rede stehenden Situation entgegen dem Vorbringen der Rechtsmittelführerin auch eine Tatsache, die zu dem Nachweis beiträgt, dass die Muttergesellschaft in der Lage ist, einen bestimmenden Einfluss auf die Tochtergesellschaft auszuüben, berücksichtigen, wenn diese im Licht oder in Verbindung mit anderen Tatsachen, die die Situation kennzeichnen, zu einem Bündel übereinstimmender Indizien dafür gehört, dass die Muttergesellschaft tatsächlich einen bestimmenden Einfluss auf die Tochtergesellschaft ausgeübt hat.

78

Folglich kann der Rechtsmittelführerin nicht darin gefolgt werden, dass das Gericht rechtsfehlerhaft angenommen habe, dass Tatsachen, die belegten, dass sie in der Lage gewesen sei, einen bestimmenden Einfluss auf ST auszuüben, als Indizien berücksichtigt werden könnten, die zum Nachweis der tatsächlichen Ausübung eines solchen Einflusses beitrügen.

79

Zu der Frage, ob das Gericht die in den Rn. 233, 249 bis 262, 273, 274, 278, 280 bis 285 und 294 des angefochtenen Urteils angeführten besonderen Umstände zu Unrecht als Indizien dafür angesehen hat, dass die zu 51 % an ST beteiligte Rechtsmittelführerin tatsächlich einen bestimmenden Einfluss auf ST ausgeübt hat, ist Folgendes festzustellen.

80

Was erstens die Berücksichtigung der Präsenz höherer Führungskräfte der Rechtsmittelführerin im Verwaltungsrat von ST betrifft, ist die Annahme des Gerichts in Rn. 233 des angefochtenen Urteils, dass für die Beurteilung der Frage, ob die Muttergesellschaft auf die Tochtergesellschaft tatsächlich einen bestimmenden Einfluss ausgeübt habe, relevant sei, dass an der Spitze der Tochtergesellschaft Personen stünden, die beim Mutterunternehmen Leitungsfunktionen einnähmen, nicht zu beanstanden. Die Präsenz solcher Personen an der Spitze der Tochtergesellschaft stellt nämlich ein Indiz dar, mit dem, sofern es durch andere bestätigt wird, bewiesen werden kann, dass die Muttergesellschaft tatsächlich einen bestimmenden Einfluss auf das Verhalten ihrer Tochtergesellschaft auf dem relevanten Markt ausgeübt hat.

81

Im vorliegenden Fall hat das Gericht in den Rn. 250 bis 256 des angefochtenen Urteils u. a. festgestellt, dass Herr R. R. im relevanten Zeitraum gleichzeitig Mitglied des Vorstands von ST gewesen sei und Geschäftsführungspositionen bei der Rechtsmittelführerin innegehabt habe und dass er die Zahlen von ST zur Konsolidierung im Abschluss des Konzerns Deutsche Telekom überprüft habe. Aus diesen Randnummern des angefochtenen Urteils geht ferner hervor, dass Herr R. R. bei ST in die Ausarbeitung der Finanzplanung und die Gestaltung der Investitionspolitik einbezogen gewesen sei, um die Vereinbarkeit mit den Zielen des Konzerns sicherzustellen, und dass er überprüft habe, ob die Tochtergesellschaft im jeweiligen Referenzzeitraum ihre eigenen Finanzziele erfüllt habe. Das Gericht hat hierzu weiter ausgeführt, das eine solche Einbeziehung von Herrn R. R. bei ST zwangsläufig mit der Geschäftspolitik von ST zusammengehangen habe.

82

Die Einstufung dieser Tatsachen als Indizien dafür, dass die Rechtsmittelführerin tatsächlich einen bestimmenden Einfluss auf ST ausgeübt hat, begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Die Kumulierung der Funktionen von Herrn R. R. als Direktor der Rechtsmittelführerin und Mitglied des Verwaltungsrats von ST und die verschiedenen Aufgaben, die er bei ST wahrgenommen hat, stellen nämlich Indizien für die Beteiligung der Rechtsmittelführerin an der Festlegung und Kontrolle der Geschäftspolitik von ST dar.

83

Soweit die Rechtsmittelführerin geltend macht, dass das Gericht in Rn. 262 des angefochtenen Urteils bestimmte Tatsachen zu Unrecht als Indizien für die tatsächliche Ausübung eines bestimmenden Einflusses auf ST eingestuft habe, ist festzustellen, dass sich die Stelle, die die Rechtsmittelführerin in dieser Randnummer des angefochtenen Urteils beanstandet, in dem betreffenden Stadium der Prüfung speziell auf die Kontrolle bezieht, die der Vorstand von ST gegenüber der Geschäftsführung von ST ausgeübt hat, und nicht auf die Kontrolle, die die Rechtsmittelführerin über den Vorstand von ST gegenüber ST ausgeübt hat. Außerdem hat das Gericht rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die Verpflichtung der Geschäftsführung von ST, den Vorstand regelmäßig über ihre Tätigkeiten und den Stand von ST sowie der Tochtergesellschaften von ST zu unterrichten, und die Befugnis des Vorstands, den von der Geschäftsführung vorgelegten Geschäftsplan zu beschließen, Indizien für die Kontrolle der Geschäftsführung von ST durch den Vorstand von ST seien. Entgegen dem Vorbringen der Rechtsmittelführerin ist dem Gericht in Rn. 262 des angefochtenen Urteils mithin kein Fehler bei der rechtlichen Qualifikation unterlaufen.

84

Soweit sich die Rechtsmittelführerin gegen Rn. 273 des angefochtenen Urteils wendet, wonach eine Muttergesellschaft, die mehrheitlich an einer Tochtergesellschaft beteiligt sei, durch die nach slowakischem Recht bestehende Treuepflicht der Vorstandsmitglieder gegenüber den Anteilseignern gesetzlich in keiner Weise daran gehindert sei, einen bestimmenden Einfluss auf das Marktverhalten der Tochtergesellschaft auszuüben, gegen Rn. 274 des angefochtenen Urteils, wonach durch die fehlende Verbindlichkeit der von der Rechtmittelführerin gemäß der Rahmenvereinbarung über die strategische Zusammenarbeit erbrachten Beratungsleistungen in keiner Weise ausgeschlossen gewesen sei, dass die Rechtsmittelführerin auf die Geschäftspolitik von ST einen bestimmenden Einfluss ausgeübt habe, und gegen Rn. 278 des angefochtenen Urteils, in dem auf die Gründe verwiesen wird, mit denen die Kommission im streitigen Beschluss begründet hatte, warum die Vertreter der Rechtsmittelführerin im Vorstand von ST aufgrund der Aktionärsvereinbarung in der Lage gewesen seien, einen bestimmenden Einfluss auf alle geschäftlichen Entscheidungen von ST auszuüben, einschließlich der Billigung des Finanzplans, ist festzustellen, dass von der Rechtsmittelführerin keine Verfälschung der Tatsachen geltend gemacht wird, die das Gericht in diesen Randnummern des angefochtenen Urteils untersucht hat, so dass dessen Annahme, dass die Präsenz von höheren Führungskräften der Rechtsmittelführerin im Vorstand von ST ein Indiz für die tatsächliche Ausübung eines bestimmenden Einflusses der Rechtsmittelführerin auf ST darstelle, wie er vom Gericht insbesondere in den Rn. 250 bis 256 des angefochtenen Urteils festgestellt worden ist, keinen rechtlichen Bedenken begegnet.

85

Was zweitens die Einstufung der Überlassung von Mitarbeitern der Rechtsmittelführerin an ST als Indiz für die tatsächliche Ausübung eines bestimmenden Einflusses der Rechtsmittelführerin auf ST betrifft, hat das Gericht in Rn. 285 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass bei verständiger Würdigung davon auszugehen sei, dass diese Mitarbeiter, auch wenn sie der Rechtsmittelführerin während der Überlassung nicht mehr direkt unterstellt gewesen seien, über eingehende Kenntnisse der Politik und der Geschäftsziele der Rechtsmittelführerin verfügt hätten und daher besonders gut in der Lage gewesen seien, dafür zu sorgen, dass ST in Übereinstimmung mit den Interessen der Rechtsmittelführerin agiere. Diese Feststellungen sind für die Einstufung der Überlassung von Mitarbeitern als Indiz für die tatsächliche Ausübung eines bestimmenden Einflusses der Rechtsmittelführerin auf ST relevant. Sie sind nämlich im Zusammenhang mit den von der Rechtsmittelführerin nicht angegriffenen Feststellungen des Gerichts in den Rn. 281 und 287 des angefochtenen Urteils zu sehen, wonach die ST überlassenen höheren Führungskräfte auf Posten mit einer hohen Verantwortlichkeit beschäftigt worden seien, auf denen sie Einfluss auf die Geschäftspolitik und die Ziele von ST hätten nehmen können, sie während der Überlassung bei der Rechtsmittelführerin beschäftigt geblieben seien und die Fortsetzung ihrer Karriere innerhalb des Konzerns Deutsche Telekom in den Händen der Rechtsmittelführerin gewesen sei. Außerdem hat das Gericht in den Rn. 374 und 417 des angefochtenen Urteils Tatsachen angeführt, die belegen, dass sich die Rechtsmittelführerin über die ST überlassenen Personen über die geschäftlichen Entscheidungen von ST hat informieren und daran hat beteiligen können.

86

Was drittens die Übermittlung von Berichten durch ST an die Rechtsmittelführerin betrifft, hat das Gericht in Rn. 294 des angefochtenen Urteils rechtsfehlerfrei festgestellt, dass der Umstand, dass die Tochtergesellschaft der Muttergesellschaft regelmäßig detaillierte Informationen über ihre Geschäftspolitik übermittele, die Muttergesellschaft über das Marktverhalten der Tochtergesellschaft in Kenntnis setze, so dass sie besser unterrichtet und somit effizienter auf deren Geschäftspolitik einwirken könne. Die Tatsache, dass eine Tochtergesellschaft verpflichtet ist, ihrer Muttergesellschaft Berichte über ihre Geschäftspolitik und ihre Ergebnisse zu übermitteln, kann zwar für sich genommen kein Indiz dafür sein, dass die Muttergesellschaft tatsächlich einen bestimmenden Einfluss auf die Tochtergesellschaft ausübt. Sie kann aber dazu beitragen, entsprechende Indizien zu erhärten. Die Feststellung des Gerichts in Rn. 294 des angefochtenen Urteils, dass der Umstand, dass ST der Rechtsmittelführerin regelmäßig Informationen über ihre Geschäftspolitik übermittelt habe, zusammen mit anderen Indizien beweisen könne, dass die beiden Gesellschaften eine wirtschaftliche Einheit gebildet hätten, ist daher rechtlich nicht zu beanstanden.

87

Folglich ist der zweite Rechtsmittelgrund als unbegründet zurückzuweisen.

Zum dritten Rechtsmittelgrund

Vorbringen der Parteien

88

Mit dem dritten Rechtsmittelgrund macht die Rechtsmittelführerin geltend, dass die Zurechnung einer Zuwiderhandlung der Tochtergesellschaft an die Muttergesellschaft nach der einschlägigen Rechtsprechung des Gerichtshofs und der in dem Urteil vom 16. November 2000, Stora Kopparbergs Bergslags/Kommission (C‑286/98 P, EU:C:2000:630), aufgestellten Vermutung an vier Voraussetzungen geknüpft sei, die kumulativ erfüllt sein müssten: Die Muttergesellschaft war in der Lage, einen bestimmenden Einfluss auszuüben (1), sie hat einen solchen bestimmenden Einfluss auch tatsächlich ausgeübt (2), die Tochtergesellschaft hat ihr Marktverhalten deshalb nicht autonom bestimmt (3), und die Tochtergesellschaft hat im Wesentlichen Weisungen der Muttergesellschaft befolgt (4). Mit der vierten Voraussetzung werde geprüft, ob der bestimmende Einfluss, den die Muttergesellschaft ausgeübt habe, erheblich gewesen sei. Sie sei eine Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsprinzips. Es wäre unverhältnismäßig, einer Muttergesellschaft für einen von einer Tochtergesellschaft begangenen Verstoß eine Geldbuße aufzuerlegen, wenn die Muttergesellschaft nur in unwesentlichem Ausmaß einen bestimmenden Einfluss auf die Tochtergesellschaft ausgeübt und diese nur in unwesentlichem Maß Weisungen der Muttergesellschaft befolgt habe.

89

Im vorliegenden Fall habe das Gericht jedoch nicht festgestellt, dass ST Weisungen der Rechtsmittelführerin erhalten und im Wesentlichen auch befolgt hätte. Das Gericht habe lediglich festgestellt, dass eine gewisse Autonomie der Tochtergesellschaft durchaus damit vereinbar sei, dass die Tochtergesellschaft zu derselben wirtschaftlichen Einheit gehöre wie die Muttergesellschaft (Rn. 470 des angefochtenen Urteils) und dass die allgemeine Strategie von ST auf dem Markt der slowakischen Telekommunikationsdienstleistungen von der Rechtsmittelführerin festgelegt worden sei (Rn. 471 des angefochtenen Urteils). Letzteres werde in den Rn. 237 bis 464 des angefochtenen Urteils, auf die das Gericht insoweit verweise, so nicht festgestellt. In diesen Randnummern des angefochtenen Urteils stelle das Gericht ausschließlich Indizien dafür fest, dass sie auf ST einen bestimmenden Einfluss ausgeübt habe, ohne auch nur eine konkrete Weisung festzustellen, die sie ST erteilt hätte.

90

Das Gericht habe mithin nicht festgestellt, dass die Voraussetzungen des maßgeblichen Rechtssatzes der Zurechenbarkeit im vorliegenden Fall erfüllt gewesen wären.

91

Die Rechtsmittelführerin macht ferner geltend, dass das Gericht seiner Begründungpflicht nicht nachgekommen sei. Es habe nicht begründet, warum es zu der Auffassung gelangt sei, dass ST im Wesentlichen Weisungen von ihr befolgt habe.

92

Die Kommission vertritt im Wesentlichen die Auffassung, dass das Gericht seiner Begründungspflicht nachgekommen sei und ihm bei der Zurechnung der Zuwiderhandlung von ST an die Rechtsmittelführerin kein Fehler unterlaufen sei, da ST ihr Verhalten auf dem relevanten Markt im Verhältnis zu der Rechtsmittelführerin nicht eigenständig bestimmt habe.

Würdigung durch den Gerichtshof

93

Anders als die Rechtsmittelführerin behauptet, hat der Gerichtshof nicht entschieden, dass die Zurechenbarkeit des Verhaltens der Tochtergesellschaft an die Muttergesellschaft voraussetzte, dass die oben in Rn. 88 genannten vier Voraussetzungen erfüllt sind.

94

Wie bereits ausgeführt (siehe oben, Rn. 72), ist die Möglichkeit, der Muttergesellschaft das wettbewerbswidrige Verhalten der Tochtergesellschaft zuzurechnen, eine Folge der Entscheidung der Verfasser der Verträge, den Begriff „Unternehmen“ zu verwenden, um die Person zu bezeichnen, die eine Zuwiderhandlung gegen Wettbewerbsrecht begangen hat und gemäß den Art. 101 und 102 AEUV mit einer Sanktion belegt werden kann. Bei diesen juristischen Personen kann nämlich davon ausgegangen werden, dass sie im Hinblick auf den Gegenstand der wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen, die in den Art. 101 und 102 AEUV genannt sind, eine wirtschaftliche Einheit bilden, sofern die Muttergesellschaft das Marktverhalten der Tochtergesellschaft, die eine Zuwiderhandlung gegen diese Vorschriften begangen hat, kontrolliert. Unter diesen Umständen kann die sich aus der Verschiedenheit der Rechtspersönlichkeit ergebende formelle Trennung zwischen Muttergesellschaft und Tochtergesellschaften nicht verhindern, dass das Verhalten dieser Gesellschaften auf dem Markt für die Anwendung der Art. 101 und 102 AEUV als Einheit angesehen wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Juli 1972, Imperial Chemical Industries/Kommission, 48/69, EU:C:1972:70, Rn. 140).

95

Wie auch der Generalanwalt in Nr. 156 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, kann die Kommission den Nachweis, dass die Muttergesellschaft das Marktverhalten der Tochtergesellschaft kontrolliert hat, führen, indem sie entweder nachweist, dass die Muttergesellschaft in der Lage ist, einen bestimmenden Einfluss auf das Verhalten der Tochtergesellschaft auszuüben und einen solchen Einfluss auch tatsächlich ausgeübt hat (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 26. September 2013, The Dow Chemical Company/Kommission, C‑179/12 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:605, Rn. 55, und vom 26. September 2013, EI du Pont de Nemours/Kommission, C‑172/12 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:601, Rn. 44), oder indem sie nachweist, dass die Tochtergesellschaft ihr Marktverhalten nicht selbständig bestimmt, sondern im Wesentlichen Weisungen der Muttergesellschaft befolgt, und zwar vor allem wegen der wirtschaftlichen, organisatorischen und rechtlichen Beziehungen, die die beiden Rechtssubjekte verbinden (Urteil vom 26. Oktober 2017, Global Steel Wire u. a./Kommission, C‑457/16 P und C‑459/16 P bis C‑461/16 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2017:819, Rn. 83 und die dort angeführte Rechtsprechung).

96

Diese beiden Möglichkeiten des Nachweises der Kontrolle des Marktverhaltens der Tochtergesellschaft durch die Muttergesellschaft sind nicht kumulativ, sondern alternativ, also gleichwertig. Dass die Tochtergesellschaft die Weisungen der Muttergesellschaft auf dem von den betreffenden wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen betroffenen Markt befolgt, stellt allenfalls potenziell eine Form des bestimmenden Einflusses dar, den die Muttergesellschaft auf die Tochtergesellschaft ausübt, nicht aber, wie die Rechtsmittelführerin meint, eine weitere Voraussetzung, deren Vorliegen die Kommission nachzuweisen hätte, um der Muttergesellschaft das Verhalten der Tochtergesellschaft zurechnen zu können.

97

Die Feststellung des Gerichts in den Rn. 470 und 471 des angefochtenen Urteils, dass die Rechtsmittelführerin und ST im Zeitraum der Zuwiderhandlung eine wirtschaftliche Einheit gebildet hätten, da in Anbetracht der Feststellungen in den Rn. 237 bis 464 des angefochtenen Urteils davon auszugehen sei, dass die Rechtsmittelführerin einen bestimmenden Einfluss auf ST ausgeübt habe, indem sie deren allgemeine Strategie auf dem betreffenden Markt bestimmt habe, ist daher rechtlich nicht zu beanstanden. Um der Rechtsmittelführerin die von ST begangene Zuwiderhandlung zurechnen zu können, musste die Kommission nicht nachweisen, dass ST die Weisungen der Rechtsmittelführerin im Wesentlichen auch befolgt hat.

98

Schließlich ist, soweit die Rechtsmittelführerin geltend macht, dass das Gericht seiner Begründungspflicht nicht nachgekommen sei, festzustellen, dass nach ständiger Rechtsprechung aus der Begründung eines Urteils die Überlegungen des Gerichts klar und eindeutig hervorgehen müssen, so dass die Betroffenen die Gründe für die Entscheidung des Gerichts erkennen können und der Gerichtshof seine Kontrollfunktion ausüben kann (Urteil vom 11. Juli 2013, Gosselin Group/Kommission, C‑429/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:463, Rn. 52 und die dort angeführte Rechtsprechung).

99

Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass aus den Rn. 227 bis 473 des angefochtenen Urteils klar und eindeutig hervorgeht, warum das Gericht zu dem Schluss gelangt ist, dass der Rechtsmittelführerin das missbräuchliche Verhalten von ST zugerechnet werden könne. Diese Randnummern des angefochtenen Urteils haben es der Rechtsmittelführerin ermöglicht, sie vor dem Gerichtshof anzugreifen, und dem Gerichtshof, seine Kontrollfunktion auszuüben. Folglich greift die Rüge eines Begründungsmangels nicht durch.

100

Somit ist der dritte Rechtsmittelgrund als unbegründet zurückzuweisen.

Zum vierten Rechtsmittelgrund

Vorbringen der Parteien

101

Die Rechtsmittelführerin ist der Ansicht, dass das Gericht in Rn. 144 des angefochtenen Urteils rechtsfehlerhaft angenommen habe, dass ihr Anspruch auf rechtliches Gehör hinsichtlich der Berechnung der Margenbeschneidung nicht verletzt worden sei.

102

In der Besprechung vom 29. September 2014 sei sie von der Kommission über drei neue Gesichtspunkte unterrichtet worden, nämlich über neue Zahlen zur Berechnung der Margenbeschneidung von ST (1), über den Umstand, dass die Marge für das Jahr 2005 nach der Berechnung Jahr für Jahr positiv gewesen sei (2), und über die Absicht der Kommission, bei der Berechnung der Margen zusätzlich einen mehrjährigen Zeitraum zu berücksichtigen und so auch für das Jahr 2005 gleichwohl noch eine negative Marge festzustellen (3). Das Gericht habe anerkannt, dass die letzten beiden neuen Gesichtspunkte für den streitigen Beschluss relevant gewesen seien. In den Rn. 198 bis 221 des angefochtenen Urteils habe es dem zweiten Klagegrund nämlich wegen ihnen teilweise stattgegeben.

103

Die Rechtsmittelführerin vertritt die Auffassung, dass die Frist von insgesamt 36 Stunden, die ihr gewährt worden sei, um zu den neuen Gesichtspunkten Stellung zu nehmen, die im streitigen Beschluss berücksichtigt worden seien, anders als das Gericht entschieden habe, nicht ausgereicht habe, um effektiv Stellung zu nehmen. Sie wendet sich ferner gegen die Annahme, dass sie von diesen neuen Gesichtspunkten vor der Besprechung vom 29. September 2014 Kenntnis gehabt habe, weil die entsprechenden Informationen von ST geliefert worden seien.

104

Die Kommission hält den vierten Rechtsmittelgrund für unzulässig. Die Rechtsmittelführerin habe weder behauptet noch bewiesen, dass das Gericht die Tatsachen verfälscht hätte, auf deren Grundlage es entschieden habe, dass die Rechtsmittelführerin von den neuen Gesichtspunkten, die in der Besprechung vom 29. September 2014 besprochen worden seien, bereits Kenntnis gehabt habe. Unzulässig sei auch das erstmals in der Erwiderung vorgebrachte Argument, dass die Kenntnis von ST nicht einer Kenntnis der Rechtsmittelführerin gleichgesetzt werden könne. Im Übrigen sei der vierte Rechtsmittelgrund unbegründet, insbesondere, weil sie den Parteien Gelegenheit gegeben habe, in der Besprechung vom 29. September 2014 und innerhalb einer kurzen Frist danach Stellung zu nehmen.

Würdigung durch den Gerichtshof

105

Die Verteidigungsrechte gehören als Grundrechte zu den allgemeinen Rechtsgrundsätzen, deren Wahrung der Gerichtshof zu sichern hat (Urteil vom 25. Oktober 2011, Solvay/Kommission, C‑109/10 P, EU:C:2011:686, Rn. 52 und die dort angeführte Rechtsprechung). Dieser allgemeine Grundsatz des Unionsrechts ist in Art. 41 Abs. 2 Buchst. a und b der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verbürgt. Er ist anwendbar, wann immer die Verwaltung beabsichtigt, gegenüber einer Person eine sie beschwerende Maßnahme zu erlassen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Januar 2019, Kommission/United Parcel Service, C‑265/17 P, EU:C:2019:23, Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung).

106

Im Wettbewerbsrecht verlangt die Wahrung der Verteidigungsrechte, dass dem Adressaten eines Beschlusses, mit dem festgestellt wird, dass er eine Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln begangen hat, im Verwaltungsverfahren Gelegenheit gegeben wurde, zum Vorliegen und zur Erheblichkeit der von der Kommission angeführten Tatsachen und Umstände, die ihm zur Last gelegt werden, sowie zu den von ihr für ihre Behauptung einer Zuwiderhandlung herangezogenen Schriftstücken wirksam Stellung zu nehmen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 5. Dezember 2013, SNIA/Kommission, C‑448/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:801, Rn. 41, und vom 14. September 2017, LG Electronics und Koninklijke Philips Electronics/Kommission, C‑588/15 P und C‑622/15 P, EU:C:2017:679, Rn. 43).

107

Im vorliegenden Fall hat das Gericht in Rn. 144 des angefochtenen Urteils entschieden, dass die Kommission die Verteidigungsrechte der Rechtsmittelführerin nicht verletzt habe, indem sie ihr nur eine kurze Frist gewährt habe, um zu den neuen Gesichtspunkten, die ihr in der Besprechung vom 29. September 2014 mitgeteilt worden seien, Stellung zu nehmen. Das Gericht hat angenommen, dass die kurze Frist nicht bedeutet habe, dass die Rechtsmittelführerin deshalb überhaupt nicht in der Lage gewesen wäre, wirksam Stellung zu nehmen. Die Besprechung vom 29. September 2014 habe in einem sehr fortgeschrittenen Stadium des Verwaltungsverfahrens stattgefunden. Außerdem sei davon auszugehen, dass die Rechtsmittelführerin zu diesem Zeitpunkt eine vertiefte Kenntnis der Akte gehabt habe.

108

Im Übrigen geht aus dieser Randnummer des angefochtenen Urteils ausdrücklich hervor, dass es sich bei den Erwägungen, die das Gericht dort angestellt hat, um ergänzende Ausführungen handelt. In den Rn. 123 bis 143 des angefochtenen Urteils hat das Gericht in erster Linie im Wesentlichen festgestellt, dass die neuen Gesichtspunkte, die der Rechtsmittelführerin in der Besprechung vom 29. September 2014 mitgeteilt worden seien, darauf zurückzuführen seien, dass die Kommission Daten, Berechnungen und methodischen Einwänden Rechnung getragen habe, die ST selbst vor der Besprechung vorgelegt bzw. erhoben habe.

109

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs können Rügen, die gegen nicht tragende Gründe eines Urteils des Gerichts erhoben werden, aber nicht zu dessen Aufhebung führen; sie gehen deshalb ins Leere (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 6. September 2017, Intel/Kommission, C‑413/14 P, EU:C:2017:632, Rn. 105, und vom 17. Oktober 2019, Alcogroup und Alcodis/Kommission, C‑403/18 P, EU:C:2019:870, Rn. 52). Daher ist festzustellen, dass der vierte Rechtsmittelgrund ins Leere geht.

110

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Vorbringen der Rechtsmittelführerin, dass nicht sie selbst, sondern ST vor der Besprechung vom 29. September 2014 von den betreffenden neuen Gesichtspunkten Kenntnis gehabt habe. Denn nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs ist das Rechtsmittel nach Art. 256 Abs. 1 Unterabs. 2 AEUV und Art. 58 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union auf Rechtsfragen beschränkt. Daher ist allein das Gericht für die Feststellung und Beurteilung der relevanten Tatsachen sowie für die Beweiswürdigung zuständig. Die Würdigung dieser Tatsachen und Beweismittel ist somit, vorbehaltlich ihrer Verfälschung, keine Rechtsfrage, die als solche der Kontrolle des Gerichtshofs im Rahmen eines Rechtsmittels unterläge (Urteil vom 9. November 2017, TV2/Danmark/Kommission, C‑649/15 P, EU:C:2017:835, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung). Es entspricht ebenfalls ständiger Rechtsprechung, dass sich eine solche Verfälschung in offensichtlicher Weise aus den Akten ergeben muss, ohne dass es einer neuen Tatsachen- und Beweiswürdigung bedarf (Urteil vom 12. Juli 2012, Cetarsa/Kommission, C‑181/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2012:455, Rn. 97 und die dort angeführte Rechtsprechung).

111

Die Rechtsmittelführerin hat aber weder behauptet noch bewiesen, dass das Gericht mit der Feststellung in den Rn. 18 und 21 des angefochtenen Urteils, dass ST und die Rechtsmittelführerin jeweils auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte und das Sachverhaltsschreiben erwidert hätten, Tatsachen verfälscht hätte. Die Rechtsmittelführerin hat auch keine Verfälschung der Tatsachen in den Rn. 133, 138 und 139 des angefochtenen Urteils behauptet oder bewiesen, in denen das Gericht festgestellt hat, dass die Kommission im streitigen Beschluss ihre Beurteilung der Margenbeschneidung nicht verändert habe, indem sie ST und der Rechtsmittelführerin Tatsachen zur Last gelegt habe, zu denen diese nicht hätten Stellung nehmen können, und dass die Analyse unter Berücksichtigung eines mehrjährigen Zeitraums bei der Ermittlung einer Margenbeschneidung im streitigen Beschluss auf den Einwand hin berücksichtigt worden sei, der von ST in ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte erhoben und von der Rechtsmittelführerin unterstützt worden sei, so dass der Rechtsmittelführerin und ST durch die Analyse unter Berücksichtigung eines mehrjährigen Zeitraums nicht Tatsachen zur Last gelegt worden seien, zu denen diese Gesellschaften sich nicht hätten äußern können.

112

Folglich ist die Feststellung des Gerichts, dass die Rechtsmittelführerin und ST von den neuen Gesichtspunkten, die von der Kommission berücksichtigt worden seien, vor der Besprechung vom 29. September 2014 Kenntnis gehabt hätten, als erwiesene Tatsache anzusehen. Sie stützt das Ergebnis, zu dem der Gerichtshof oben in Rn. 109 gelangt ist.

113

Somit ist der vierte Rechtsmittelgrund als ins Leere gehend zurückzuweisen.

Zu dem Antrag auf Teilhabe am Erfolg eines Urteils

114

Die Rechtsmittelführerin beantragt, sie an einem Erfolg eines Rechtsmittelgrundes teilhaben zu lassen, den ST in der Rechtssache C‑165/19 P zur Stützung des Rechtsmittels gegen das Urteil des Gerichts vom 13. Dezember 2018, Slovak Telekom/Kommission (T‑851/14, EU:T:2018:929), geltend gemacht hat und mit dem Fehler bei der Berechnung der langfristigen durchschnittlichen Grenzkosten zur Feststellung einer missbräuchlichen Kosten-Preis-Schere von ST gerügt werden. Die Rechtsmittelführerin begründet ihren Antrag damit, dass sie vor dem Gericht einen Klagegrund mit demselben Gegenstand erhoben habe und dass im vorliegenden Fall die vom Gerichtshof in dem Urteil vom 22. Januar 2013, Kommission/Tomkins (C‑286/11 P, EU:C:2013:29), aufgestellten Voraussetzungen erfüllt seien.

115

Die Kommission meint, dass der Antrag zurückzuweisen sei, da es sich nicht um einen Rechtsmittelgrund handele, die Voraussetzungen gemäß der genannten Rechtsprechung im vorliegenden Fall nicht alle erfüllt seien und der von ST geltend gemachte Rechtsmittelgrund jedenfalls zurückzuweisen sei.

116

Insoweit kann es mit der Feststellung sein Bewenden haben, dass der Gerichtshof das Rechtsmittel von ST mit dem heute in der Rechtssache Slovak Telekom/Kommission (C‑165/19 P) ergangenen Urteil zurückgewiesen hat, so dass der Antrag der Rechtsmittelführerin gegenstandslos ist und damit ins Leere geht.

117

Folglich ist das Rechtsmittel in vollem Umfang zurückzuweisen.

Kosten

118

Nach Art. 184 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs entscheidet der Gerichtshof über die Kosten, wenn das Rechtsmittel unbegründet ist.

119

Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung, der nach deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

120

Da die Rechtsmittelführerin mit ihrem Vorbringen unterlegen ist und die Kommission beantragt hat, ihr die Kosten aufzuerlegen, hat sie neben ihren eigenen Kosten die der Kommission zu tragen.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

 

1.

Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

 

2.

Die Deutsche Telekom AG trägt neben ihren eigenen Kosten die der Europäischen Kommission.

 

Prechal

Lenaerts

Wahl

Biltgen

Rossi

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 25. März 2021.

Der Kanzler

A. Calot Escobar

Die Präsidentin der Dritten Kammer

A. Prechal


( *1 ) Verfahrenssprache: Deutsch.