URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer)

19. März 2020 ( *1 )

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Asylpolitik – Gemeinsame Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes – Richtlinie 2013/32/EU – Antrag auf internationalen Schutz – Art. 33 Abs. 2 – Unzulässigkeitsgründe – Nationale Regelung, nach der der Antrag unzulässig ist, wenn der Antragsteller aus einem Land, in dem er nicht der Verfolgung oder der Gefahr eines ernsthaften Schadens ausgesetzt ist, in dem betreffenden Mitgliedstaat eingetroffen ist oder dieses Land ausreichenden Schutz gewährt – Art. 46 – Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf – Gerichtliche Kontrolle von Verwaltungsentscheidungen über die Unzulässigkeit von Anträgen auf internationalen Schutz – Frist von acht Tagen für die Entscheidung – Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union“

In der Rechtssache C‑564/18

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Fővárosi Közigazgatási és Munkaügyi Bíróság (Hauptstädtisches Verwaltungs- und Arbeitsgericht, Ungarn) mit Entscheidung vom 21. August 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 7. September 2018, in dem Verfahren

LH

gegen

Bevándorlási és Menekültügyi Hivatal

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.‑C. Bonichot, der Vizepräsidentin des Gerichtshofs R. Silva de Lapuerta (Berichterstatterin), der Richter M. Safjan und L. Bay Larsen sowie der Richterin C. Toader,

Generalanwalt: M. Bobek,

Kanzler: I. Illéssy, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 11. September 2019,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

von LH, vertreten durch T. Á. Kovács und B. Pohárnok, ügyvédek,

der ungarischen Regierung, ursprünglich vertreten durch M. Z. Fehér, G. Tornyai und M. Tátrai, dann durch M. Z. Fehér und M. M. Tátrai als Bevollmächtigte,

der deutschen Regierung, ursprünglich vertreten durch T. Henze und R. Kanitz, dann durch R. Kanitz als Bevollmächtigte,

der französischen Regierung, vertreten durch D. Colas, D. Dubois und E. de Moustier als Bevollmächtigte,

der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Condou-Durande, A. Tokár und J. Tomkin als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 5. Dezember 2019

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 33 und 46 Abs. 3 der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (ABl. 2013, L 180, S. 60) sowie von Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta).

2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen LH und dem Bevándorlási és Menekültügyi Hivatal (Amt für Einwanderung und Asyl, Ungarn) über dessen Entscheidung, seinen Antrag auf internationalen Schutz ohne Prüfung in der Sache als unzulässig abzulehnen und seine Abschiebung anzuordnen, verbunden mit einem Einreise- und Aufenthaltsverbot für die Dauer von zwei Jahren.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

3

Die Erwägungsgründe 11, 12, 18, 43, 44, 50, 56 und 60 der Richtlinie 2013/32 sehen vor:

„(11)

Um eine umfassende und effiziente Bewertung des Bedürfnisses der Antragsteller nach internationalem Schutz im Sinne der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes [(ABl. 2011, L 337, S. 9)] zu gewährleisten, sollte der Unionsrahmen für Verfahren zur Zuerkennung und Aberkennung internationalen Schutzes auf dem Konzept eines einheitlichen Asylverfahrens beruhen.

(12)

Hauptziel dieser Richtlinie ist die Weiterentwicklung der Normen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung internationalen Schutzes im Hinblick auf die Einführung eines gemeinsamen Asylverfahrens in der Union.

(18)

Es liegt im Interesse sowohl der Mitgliedstaaten als auch der Personen, die internationalen Schutz beantragen, dass über die Anträge auf internationalen Schutz so rasch wie möglich, unbeschadet der Durchführung einer angemessenen und vollständigen Prüfung der Anträge, entschieden wird.

(43)

Die Mitgliedstaaten sollten alle Anträge in der Sache prüfen, d. h. beurteilen, ob der betreffende Antragsteller gemäß der Richtlinie 2011/95/EU als Person mit Anspruch auf internationalen Schutz anerkannt werden kann, sofern die vorliegende Richtlinie nichts anderes vorsieht, insbesondere dann, wenn vernünftigerweise davon ausgegangen werden kann, dass ein anderer Staat den Antrag prüfen oder für einen ausreichenden Schutz sorgen würde. …

(44)

Die Mitgliedstaaten sollten nicht verpflichtet sein, einen Antrag auf internationalen Schutz in der Sache zu prüfen, wenn vom Antragsteller aufgrund einer ausreichenden Verbindung zu einem Drittstaat im Sinne einzelstaatlicher Rechtsvorschriften erwartet werden kann, dass er in diesem Drittstaat Schutz suchen wird, und wenn Grund zu der Annahme besteht, dass die Übernahme oder Rückübernahme des Antragstellers in diesen Staat gewährleistet ist. Die Mitgliedstaaten sollten nur dann nach diesem Grundsatz verfahren, wenn dieser spezifische Antragsteller in dem betreffenden Drittstaat tatsächlich sicher wäre. Zur Vermeidung der Sekundärmigration der Antragsteller sollten gemeinsame Grundsätze festgelegt werden, nach denen Mitgliedstaaten Drittstaaten als sicher betrachten oder als sicher bestimmen.

(50)

Einem Grundprinzip des Unionsrechts zufolge muss gegen die Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz … ein wirksamer Rechtsbehelf vor einem Gericht gegeben sein.

(56)

Da das Ziel dieser Richtlinie, nämlich die Einführung gemeinsamer Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung internationalen Schutzes …

(60)

Diese Richtlinie steht in Einklang mit den Grundrechten und Grundsätzen, die mit der Charta anerkannt wurden. Diese Richtlinie zielt insbesondere darauf ab, die uneingeschränkte Wahrung der Menschenwürde zu gewährleisten und die Anwendung der Artikel 1, 4, 18, 19, 21, 23, 24 und 47 der Charta zu fördern; sie muss entsprechend umgesetzt werden.“

4

Art. 1 der Richtlinie 2013/32 sieht vor:

„Mit dieser Richtlinie werden gemeinsame Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes gemäß der Richtlinie 2011/95/EU eingeführt.“

5

Art. 12 („Garantien für Antragsteller“) der Richtlinie 2013/32 bestimmt:

„(1)   Bezüglich der Verfahren des Kapitels III stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass alle Antragsteller über folgende Garantien verfügen:

b)

Erforderlichenfalls wird ein Dolmetscher beigezogen, damit sie den zuständigen Behörden ihren Fall darlegen können. …

c)

Ihnen darf nicht die Möglichkeit verwehrt werden, mit dem [Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR)] oder einer anderen Organisation, die … Rechtsberatung oder sonstige Beratungsleistungen erbringt, Verbindung aufzunehmen.

d)

Ihnen und gegebenenfalls ihren Rechtsanwälten oder sonstigen Rechtsberatern gemäß Artikel 23 Absatz 1 wird Zugang zu den in Artikel 10 Absatz 3 Buchstabe b genannten Informationen oder den von Sachverständigen gemäß Artikel 10 Absatz 3 Buchstabe d bereitgestellten Informationen gegeben …

e)

Sie werden innerhalb einer angemessenen Frist von der Entscheidung der Asylbehörde über ihren Antrag in Kenntnis gesetzt. …

(2)   Bezüglich der Verfahren nach Kapitel V sichern die Mitgliedstaaten allen Antragstellern Garantien zu, die den in Absatz 1 Buchstaben b bis e aufgeführten gleichwertig sind.“

6

In Art. 20 Abs. 1 der Richtlinie 2013/32 heißt es:

„Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass in Rechtsbehelfsverfahren nach Kapitel V auf Antrag unentgeltliche Rechtsberatung und ‑vertretung gewährt wird. …“

7

In Art. 22 der Richtlinie wird der Anspruch der Antragsteller auf internationalen Schutz auf Rechtsberatung und ‑vertretung in allen Phasen des Verfahrens anerkannt.

8

Art. 24 („Antragsteller, die besondere Verfahrensgarantien benötigen“) der Richtlinie sieht in Abs. 3 vor:

„Wird festgestellt, dass Antragsteller besondere Verfahrensgarantien benötigen, so stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass diese Antragsteller angemessene Unterstützung erhalten, damit sie während der Dauer des Asylverfahrens die Rechte aus dieser Richtlinie in Anspruch nehmen und den sich aus dieser Richtlinie ergebenden Pflichten nachkommen können.

…“

9

Art. 25 der Richtlinie 2013/32 betrifft die Garantien für unbegleitete Minderjährige.

10

Art. 31 („Prüfungsverfahren“) der Richtlinie 2013/32, mit dem ihr Kapitel III („Erstinstanzliche Verfahren“) beginnt, bestimmt in Abs. 2:

„Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass das Prüfungsverfahren unbeschadet einer angemessenen und vollständigen Prüfung so rasch wie möglich zum Abschluss gebracht wird.“

11

Art. 33 der Richtlinie lautet:

„(1)   Zusätzlich zu den Fällen, in denen nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. 2013, L 180, S. 31)] ein Antrag nicht geprüft wird, müssen die Mitgliedstaaten nicht prüfen, ob dem Antragsteller der internationale Schutz im Sinne der Richtlinie 2011/95/EU zuzuerkennen ist, wenn ein Antrag auf der Grundlage des vorliegenden Artikels als unzulässig betrachtet wird.

(2)   Die Mitgliedstaaten können einen Antrag auf internationalen Schutz nur dann als unzulässig betrachten, wenn

a)

ein anderer Mitgliedstaat internationalen Schutz gewährt hat;

b)

ein Staat, der kein Mitgliedstaat ist, als erster Asylstaat des Antragstellers gemäß Artikel 35 betrachtet wird;

c)

ein Staat, der kein Mitgliedstaat ist, als für den Antragsteller sicherer Drittstaat gemäß Artikel 38 betrachtet wird;

d)

es sich um einen Folgeantrag handelt, bei dem keine neuen Umstände oder Erkenntnisse zu der Frage, ob der Antragsteller nach Maßgabe der Richtlinie 2011/95/EU als Person mit Anspruch auf internationalen Schutz anzuerkennen ist, zutage getreten oder vom Antragsteller vorgebracht worden sind, oder

e)

eine vom Antragsteller abhängige Person förmlich einen Antrag stellt, nachdem sie gemäß Artikel 7 Absatz 2 eingewilligt hat, dass ihr Fall Teil eines in ihrem Namen förmlich gestellten Antrags ist, und keine Tatsachen betreffend die Situation dieser Person vorliegen, die einen gesonderten Antrag rechtfertigen.“

12

In Art. 35 der Richtlinie 2013/32 heißt es:

„Ein Staat kann als erster Asylstaat für einen Antragsteller angesehen werden, wenn

a)

der Antragsteller in dem betreffenden Staat als Flüchtling anerkannt wurde und er diesen Schutz weiterhin in Anspruch nehmen darf oder

b)

ihm in dem betreffenden Staat anderweitig ausreichender Schutz, einschließlich der Anwendung des Grundsatzes der Nicht-Zurückweisung, gewährt wird,

vorausgesetzt, dass er von diesem Staat wieder aufgenommen wird.

Bei der Anwendung des Konzepts des ersten Asylstaats auf die besonderen Umstände des Antragstellers können die Mitgliedstaaten Artikel 38 Absatz 1 berücksichtigen. Der Antragsteller hat die Möglichkeit, die Anwendung des Konzepts des ersten Asylstaats unter Berufung auf seine besonderen Umstände anzufechten.“

13

Art. 38 der Richtlinie lautet wie folgt:

„(1)   Die Mitgliedstaaten können das Konzept des sicheren Drittstaats nur dann anwenden, wenn die zuständigen Behörden sich davon überzeugt haben, dass eine Person, die um internationalen Schutz nachsucht, in dem betreffenden Drittstaat nach folgenden Grundsätzen behandelt wird:

a)

keine Gefährdung von Leben und Freiheit aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung;

b)

keine Gefahr, einen ernsthaften Schaden im Sinne der Richtlinie 2011/95/EU zu erleiden;

c)

Wahrung des Grundsatzes der Nicht-Zurückweisung nach [dem in Genf abgeschlossenen Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (United Nations Treaty Series, Bd. 189, S. 150, Nr. 2545 [1954]) in der durch das New Yorker Protokoll vom 31. Januar 1967 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, seinerseits in Kraft getreten am 4. Oktober 1967, ergänzten Fassung (im Folgenden: Genfer Konvention)];

d)

Einhaltung des Verbots der Abschiebung, wenn diese einen Verstoß gegen das im Völkerrecht festgelegte Verbot der Folter und grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung darstellt, und

e)

Möglichkeit, einen Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zu stellen und im Falle der Anerkennung als Flüchtling Schutz gemäß der Genfer Flüchtlingskonvention zu erhalten.

(2)   Die Anwendung des Konzepts des sicheren Drittstaats unterliegt den Regeln, die im nationalen Recht festgelegt sind; dazu gehören

a)

Regeln, die eine Verbindung zwischen dem Antragsteller und dem betreffenden Drittstaat verlangen, so dass es aufgrund dieser Verbindung vernünftig erscheint, dass diese Person sich in diesen Staat begibt;

b)

Regeln betreffend die Methodik, mit der sich die zuständigen Behörden davon überzeugen, dass das Konzept des sicheren Drittstaats auf einen bestimmten Staat oder einen bestimmten Antragsteller angewandt werden kann. Diese Methodik umfasst die Prüfung der Sicherheit des Staates im Einzelfall für einen bestimmten Antragsteller und/oder die nationale Bestimmung von Staaten, die als im Allgemeinen sicher angesehen werden;

c)

mit dem Völkerrecht vereinbare Regeln, die es ermöglichen, in Form einer Einzelprüfung festzustellen, ob der betreffende Drittstaat für einen bestimmten Antragsteller sicher ist, und die dem Antragsteller zumindest die Möglichkeit bieten, die Anwendung des Konzepts des sicheren Drittstaats mit der Begründung anzufechten, dass der betreffende Drittstaat für ihn in seiner besonderen Situation nicht sicher ist. Darüber hinaus ist dem Antragsteller die Möglichkeit einzuräumen, das Bestehen einer Verbindung gemäß Buchstabe a zwischen ihm und dem betreffenden Drittstaat anzufechten.

(3)   Wenn die Mitgliedstaaten eine Entscheidung durchführen, die ausschließlich auf diesem Artikel beruht,

a)

unterrichten sie den Antragsteller entsprechend und

b)

händigen ihm ein Dokument aus, in dem die Behörden des Drittstaats in der Sprache dieses Staats davon unterrichtet werden, dass der Antrag nicht in der Sache geprüft wurde.

(4)   Erlaubt der Drittstaat dem Antragsteller nicht, in sein Hoheitsgebiet einzureisen, so müssen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass im Einklang mit den Grundsätzen und Garantien nach Kapitel II Zugang zu einem Verfahren gewährt wird.

(5)   Die Mitgliedstaaten unterrichten die Kommission regelmäßig darüber, auf welche Staaten dieses Konzept gemäß den Bestimmungen dieses Artikels angewandt wird.“

14

In Art. 46 Abs. 1, 3, 4 und 10 der Richtlinie 2013/32 heißt es:

„(1)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Antragsteller das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf vor einem Gericht haben gegen

a)

eine Entscheidung über ihren Antrag auf internationalen Schutz, einschließlich einer Entscheidung,

ii)

einen Antrag nach Artikel 33 Absatz 2 als unzulässig zu betrachten;

(3)   Zur Einhaltung des Absatzes 1 stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass der wirksame Rechtsbehelf eine umfassende Ex-nunc-Prüfung vorsieht, die sich sowohl auf Tatsachen als auch auf Rechtsfragen erstreckt und bei der gegebenenfalls das Bedürfnis nach internationalem Schutz gemäß der Richtlinie 2011/95/EU zumindest in Rechtsbehelfsverfahren vor einem erstinstanzlichen Gericht beurteilt wird.

(4)   Die Mitgliedstaaten legen angemessene Fristen und sonstige Vorschriften fest, die erforderlich sind, damit der Antragsteller sein Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf nach Absatz 1 wahrnehmen kann. …

(10)   Die Mitgliedstaaten können für das Gericht nach Absatz 1 Fristen für die Prüfung der Entscheidung der Asylbehörde vorsehen.“

Ungarisches Recht

15

Art. XIV Abs. 4 des Magyarország Alaptörvénye (Grundgesetz Ungarns) in der Fassung vom 29. Juni 2018 sieht vor:

„Ungarn gewährt jenen nichtungarischen Staatsangehörigen – wenn ihnen weder ihr Herkunftsland noch ein anderes Land Schutz bietet – auf Antrag Asyl, die in ihrer Heimat oder im Land ihres gewöhnlichen Aufenthaltsortes wegen ihrer Rassen- bzw. nationalen Zugehörigkeit, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder aber ihrer religiösen bzw. politischen Überzeugung verfolgt werden oder deren Furcht vor unmittelbarer Verfolgung begründet ist. Nichtungarische Staatsangehörige, die über ein Land nach Ungarn gelangt sind, in dem sie keiner Verfolgung oder der unmittelbaren Gefahr einer Verfolgung ausgesetzt waren, haben kein Recht auf Asyl.“

16

§ 6 Abs. 1 des Menedékjogról szóló 2007. évi LXXX. törvény (Gesetz Nr. LXXX von 2007 über das Asylrecht) in der ab dem 1. Juli 2018 geltenden Fassung (im Folgenden: Asylgesetz) sieht vor:

„Ungarn erkennt den Ausländer als Flüchtling an, der die in Artikel XIV Absatz 4 Satz 1 des Grundgesetzes festgelegten Voraussetzungen erfüllt.“

17

§ 12 Abs. 1 des Asylgesetzes lautet:

„Ungarn gewährt einem Ausländer subsidiären Schutz, der die Voraussetzungen für die Anerkennung als Flüchtling nicht erfüllt, bei dem aber bei einer Rückkehr in sein Herkunftsland die Gefahr besteht, dass er einen ernsthaften Schaden erleidet, und der den Schutz seines Herkunftslandes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Gefahr nicht in Anspruch nehmen will.“

18

§ 51 Abs. 2 des Asylgesetzes sieht vor:

„Der Antrag ist unzulässig, wenn

e)

es für den Antragsteller einen Drittstaat gibt, der für ihn einen sicheren Drittstaat darstellt;

f)

der Antragsteller über ein Land eingereist ist, in dem er weder Verfolgung im Sinne von § 6 Abs. 1 noch der Gefahr eines ernsthaften Schadens im Sinne von § 12 Abs. 1 ausgesetzt ist, oder wenn in dem Land, über das er nach Ungarn eingereist ist, ein angemessenes Schutzniveau gewährleistet wird.“

19

Gemäß § 53 Abs. 2 und 4 des Asylgesetzes unterliegt eine Entscheidung, mit der die nationale Asylbehörde einen Asylantrag wegen Unzulässigkeit ablehnt, einer gerichtlichen Überprüfung; das Gericht muss innerhalb von acht Tagen nach Eingang der Klageschrift entscheiden.

20

In § 2 der Regierungsverordnung Nr. 191/2015 vom 21. Juli 2015 wurde eine Liste von Staaten aufgestellt, die als sichere Drittstaaten gelten. Diese Liste enthält die Mitgliedstaaten und die Kandidaten für einen Beitritt zur Europäischen Union, darunter die Republik Serbien.

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

21

Der Kläger des Ausgangsverfahrens ist ein syrischer Staatsangehöriger kurdischer Herkunft, der nach Ungarn in eine Transitzone einreiste. Am 19. Juli 2018 stellte er beim Amt für Einwanderung und Asyl einen Antrag auf internationalen Schutz. Zur Stützung seines Antrags machte er geltend, er habe schon vor dem Krieg in Europa leben wollen, um Archäologie zu studieren.

22

Das Amt für Einwanderung und Asyl lehnte diesen Antrag auf der Grundlage von § 51 Abs. 2 Buchst. f des Asylgesetzes als unzulässig und somit ohne Prüfung in der Sache ab und stellte fest, dass der Grundsatz der Nicht-Zurückweisung auf den Kläger des Ausgangsverfahrens nicht anwendbar sei. Daher verfügte das Amt für Einwanderung und Asyl zum einen die Ausweisung des Klägers des Ausgangsverfahrens aus dem Gebiet der Europäischen Union auf serbisches Gebiet und ordnete zum anderen zur Vollstreckung dieser Entscheidung seine Abschiebung an. Gleichzeitig verhängte es ein Einreise- und Aufenthaltsverbot für die Dauer von zwei Jahren.

23

Der Kläger des Ausgangsverfahrens focht diese Entscheidung vor dem vorlegenden Gericht an.

24

Das vorlegende Gericht ist der Auffassung, dass die Aufzählung der in Art. 33 Abs. 2 der Richtlinie 2013/32 genannten Unzulässigkeitsgründe abschließend sei und dass § 51 Abs. 2 Buchst. f des Asylgesetzes inhaltlich keinem der in Art. 33 Abs. 2 aufgezählten Unzulässigkeitsgründe entspricht; es fragt sich daher, ob die nationale Regelung nicht einen neuen, gegen das Unionsrecht verstoßenden Unzulässigkeitsgrund eingeführt hat.

25

Im Übrigen stellt das vorlegende Gericht fest, dass ein Gericht, das mit einem Rechtsbehelf gegen eine Entscheidung befasst wird, mit der ein Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig abgelehnt wurde, gemäß § 53 Abs. 4 des Asylgesetzes verpflichtet ist, innerhalb von acht Tagen nach Eingang der Klageschrift zu entscheiden. Das vorlegende Gericht ist jedoch der Ansicht, dass eine solche Frist unter Berücksichtigung der individuellen Umstände und der Besonderheiten der in Rede stehenden Rechtssache unzureichend sein könne, um Beweise zu erlangen und den Sachverhalt festzustellen und somit eine ordnungsgemäß begründete gerichtliche Entscheidung zu treffen. Daher fragt sich das vorlegende Gericht, ob die in Rede stehende nationale Regelung mit Art. 31 Abs. 2 der Richtlinie 2013/32 und Art. 47 der Charta vereinbar ist.

26

Unter diesen Umständen hat das Fővárosi Közigazgatási és Munkaügyi Bíróság (Hauptstädtisches Verwaltungs- und Arbeitsgericht, Ungarn) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.

Können die unzulässige Anträge betreffenden Bestimmungen des Art. 33 der Richtlinie 2013/32 dahin ausgelegt werden, dass sie der Regelung eines Mitgliedstaats nicht entgegenstehen, nach der im Asylverfahren ein Antrag unzulässig ist, aus dem hervorgeht, dass der Antragsteller über ein Land eingereist ist, in dem er weder Verfolgung noch der Gefahr eines ernsthaften Schadens ausgesetzt ist, oder dass in dem Land, über das er nach Ungarn eingereist ist, ein angemessenes Schutzniveau gewährleistet wird?

2.

Können Art. 47 der Charta bzw. Art. 31 der Richtlinie 2013/32 – auch unter Berücksichtigung von Art. 6 und Art. 13 der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten – dahin ausgelegt werden, dass mit ihnen die Regelung eines Mitgliedstaats vereinbar ist, die bei im Asylverfahren für unzulässig erklärten Anträgen für das verwaltungsgerichtliche Verfahren eine zwingende Verfahrenshöchstdauer von acht Tagen vorschreibt?

Verfahren vor dem Gerichtshof

27

Das vorlegende Gericht hat beantragt, die Rechtssache dem in Art. 23a der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union vorgesehenen Eilvorabentscheidungsverfahren zu unterwerfen. Am 19. September 2018 hat die Erste Kammer nach Anhörung des Generalanwalts beschlossen, diesem Antrag nicht stattzugeben.

Zu den Vorlagefragen

Zur ersten Frage

28

Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 33 der Richtlinie 2013/32 dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der ein Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig abgelehnt werden kann, weil der Antragsteller über einen Staat in das Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats eingereist ist, in dem er keiner Verfolgung oder Gefahr eines ernsthaften Schadens ausgesetzt ist oder in dem ein angemessenes Schutzniveau gewährleistet ist.

29

Gemäß Art. 33 Abs. 1 der Richtlinie 2013/32 müssen die Mitgliedstaaten zusätzlich zu den Fällen, in denen nach Maßgabe der Verordnung Nr. 604/2013 ein Antrag nicht geprüft wird, nicht prüfen, ob dem Antragsteller der internationale Schutz im Sinne der Richtlinie 2011/95/EU zuzuerkennen ist, wenn ein Antrag auf der Grundlage dieses Artikels als unzulässig betrachtet wird. Insoweit zählt Art. 33 Abs. 2 der Richtlinie 2013/32 abschließend die Situationen auf, in denen die Mitgliedstaaten einen Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig betrachten können (Urteil vom 19. März 2019, Ibrahim u. a., C‑297/17, C‑318/17, C‑319/17 und C‑438/17, EU:C:2019:219, Rn. 76).

30

Der abschließende Charakter der Aufzählung in Art. 33 Abs. 2 der Richtlinie 2013/32 beruht sowohl auf dem Wortlaut dieses Artikels, insbesondere auf dem Wort „ausschließlich“, das der Aufzählung der Unzulässigkeitsgründe vorausgeht, als auch auf seinem Zweck, der, wie der Gerichtshof bereits festgestellt hat, gerade darin besteht, die Pflicht des zuständigen Mitgliedstaats, einen Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, dadurch zu lockern, dass Fälle definiert werden, in denen ein solcher Antrag als unzulässig zu betrachten ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. März 2016, Mirza, C-695/15 PPU, EU:C:2016:188, Rn. 43).

31

Daher ist zu prüfen, ob eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende als Umsetzung eines der in Art. 33 Abs. 2 der Richtlinie 2013/32 vorgesehenen Unzulässigkeitsgründe angesehen werden kann.

32

Hierzu ist festzustellen, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung, wie die ungarische Regierung in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat, zwei unterschiedliche Fallgestaltungen betrifft, die zur Unzulässigkeit eines Antrags auf internationalen Schutz führen, nämlich zum einen, wenn der Antragsteller über einen Staat nach Ungarn eingereist ist, in dem er keiner Verfolgung oder Gefahr eines ernsthaften Schadens ausgesetzt ist, und zum anderen, wenn der Antragsteller über einen Staat nach Ungarn eingereist ist, in dem ein angemessenes Schutzniveau gewährleistet ist.

33

Angesichts des Inhalts sowohl dieser Regelung als auch des Art. 33 Abs. 2 der Richtlinie 2013/32 ist von vornherein auszuschließen, dass die in dieser Regelung genannten Unzulässigkeitsgründe die Umsetzung der in Art. 33 Abs. 2 Buchst. a, d und e dieser Richtlinie vorgesehenen Unzulässigkeitsgründe darstellen können; es können also nur die in Art. 33 Abs. 2 Buchst. b bzw. c der Richtlinie genannten Unzulässigkeitsgründe in Bezug auf den ersten Asylstaat oder den sicheren Drittstaat hierfür in Betracht kommen.

34

In diesem Zusammenhang trägt die ungarische Regierung vor, die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Rechtsvorschriften dienten der Ergänzung der nationalen Regelung, die zur Anwendung des in Art. 33 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie 2013/32 vorgesehenen Unzulässigkeitsgrundes betreffend den sicheren Drittstaat erlassen worden sei.

35

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Mitgliedstaaten nach dem Wortlaut dieser Bestimmung einen Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig betrachten können, wenn ein Staat, der kein Mitgliedstaat ist, als für den Antragsteller sicherer Drittstaat gemäß Art. 38 der Richtlinie betrachtet wird.

36

Wie der Generalanwalt in den Nrn. 42 bis 45 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, geht aus Art. 38 der Richtlinie 2013/32 hervor, dass die Anwendung des Begriffs „sicherer Drittstaat“ im Rahmen von Art. 33 Abs. 2 Buchst. c dieser Richtlinie den in Art. 38 Abs. 1 bis 4 vorgesehenen Voraussetzungen unterliegt.

37

Insbesondere verlangt Art. 38 Abs. 1 der Richtlinie 2013/32 als Erstes, dass die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten Gewissheit darüber erlangt haben, dass das betreffende Drittland die in dieser Bestimmung ausdrücklich genannten Grundsätze beachtet, nämlich erstens keine Gefährdung des Lebens und der Freiheit des Antragstellers auf internationalen Schutz aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung; zweitens keine Gefahr für den Antragsteller auf internationalen Schutz, einen ernsthaften Schaden im Sinne der Richtlinie 2011/95 zu erleiden; drittens Wahrung des Grundsatzes der Nicht-Zurückweisung nach der Genfer Flüchtlingskonvention; viertens, Einhaltung des völkerrechtlichen Verbots der Abschiebung, wenn diese einen Verstoß gegen das Verbot der Folter und grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung darstellt, und fünftens Möglichkeit für den Antragsteller auf internationalen Schutz, einen Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zu stellen und im Falle der Anerkennung als Flüchtling Schutz gemäß der Genfer Flüchtlingskonvention zu erhalten.

38

Als Zweites macht Art. 38 Abs. 2 der Richtlinie 2013/32 die Anwendung des Begriffs „sicherer Drittstaat“ von den im nationalen Recht festgelegten Regeln abhängig, insbesondere von jenen, die erstens vorsehen, dass eine Verbindung zwischen dem Antragsteller auf internationalen Schutz und dem betreffenden Drittstaat bestehen muss, so dass es vernünftig erscheint, dass der Antragsteller dorthin zurückkehrt; zweitens von jenen, die die Methodik festlegen, mit der sich die zuständigen Behörden davon überzeugen, dass das Konzept des sicheren Drittstaats auf einen bestimmten Staat oder einen bestimmten Antragsteller auf internationalen Schutz angewandt werden kann, wobei diese Methodik im Übrigen die Prüfung der Sicherheit des Staates im Einzelfall für einen bestimmten Antragsteller und/oder die nationale Bestimmung von Staaten, die als im Allgemeinen sicher angesehen werden, umfassen muss, und drittens von jenen, die es im Einklang mit dem Völkerrecht ermöglichen, in Form einer Einzelprüfung festzustellen, ob der betreffende Drittstaat für einen bestimmten Antragsteller auf internationalen Schutz sicher ist und die es dem Antragsteller in diesem Zusammenhang ermöglichen, sowohl die Anwendung des Begriffs „sicherer Drittstaat“ auf seine persönliche Situation wie auch das Bestehen einer Verbindung zwischen ihm und diesem Staat anzufechten.

39

Als Drittes verpflichtet Art. 38 Abs. 3 und 4 der Richtlinie 2013/32 die Mitgliedstaaten, die eine Entscheidung ausführen, die sich ausschließlich auf den Begriff „sicherer Drittstaat“ stützt, den Antragsteller auf internationalen Schutz entsprechend zu unterrichten und ihm ein Dokument auszuhändigen, in dem die Behörden des Drittstaats in der Sprache dieses Staats davon unterrichtet werden, dass der Antrag nicht in der Sache geprüft wurde, sowie sicherzustellen, dass dem Antragsteller auf internationalen Schutz im Einklang mit den in Kapitel II der Richtlinie beschriebenen Grundsätzen und Garantien Zugang zu einem Verfahren gewährt wird, wenn der Drittstaat ihm nicht erlaubt, in sein Hoheitsgebiet einzureisen.

40

Die in Art. 38 der Richtlinie 2013/32 aufgeführten Voraussetzungen sind kumulativ (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Juli 2018, Alheto, C‑585/16, EU:C:2018:584, Rn. 121), so dass der Unzulässigkeitsgrund des Art. 33 Abs. 2 Buchst. c dieser Richtlinie nicht zur Anwendung kommen kann, wenn eine dieser Voraussetzungen fehlt.

41

Daher kann eine nationale Regelung, die zur Unzulässigkeit eines Antrags auf internationalen Schutz führt, nur dann eine Anwendung des in Art. 33 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie 2013/32 vorgesehenen Unzulässigkeitsgrundes darstellen, wenn sie alle in Art. 38 dieser Richtlinie genannten Voraussetzungen erfüllt.

42

Was im vorliegenden Fall erstens die in Art. 38 Abs. 1 der Richtlinie 2013/32 genannte Voraussetzung angeht, so macht die nationale Regelung in Anbetracht ihres Wortlauts die Anwendung des in der ersten Variante dieser Regelung genannten Unzulässigkeitsgrundes offenbar nur von der Einhaltung eines Teils der in Art. 38 Abs. 1 dieser Richtlinie genannten Grundsätze durch den betreffenden Drittstaat abhängig – was das vorlegende Gericht zu prüfen hat, wobei insbesondere das Erfordernis der Einhaltung des Grundsatzes der Nicht-Zurückweisung durch diesen Staat fehlt. Somit ist die in Art. 38 Abs. 1 der Richtlinie aufgestellte Voraussetzung nicht erfüllt.

43

Hinsichtlich des auf die zweite Variante der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Regelung gestützten Unzulässigkeitsgrundes hat das vorlegende Gericht keine Angaben zum Inhalt des von dieser Regelung geforderten „angemessenen Schutzniveaus“ gemacht und insbesondere nicht zu der Frage, ob ein solches Schutzniveau die Beachtung aller in Art. 38 Abs. 1 der Richtlinie 2013/32 genannten Grundsätze in dem betreffenden Drittstaat einschließt. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob dies der Fall ist.

44

Was zweitens die in Art. 38 Abs. 2 der Richtlinie 2013/32 genannten Voraussetzungen, insbesondere die des Bestehens einer Verbindung zwischen dem Antragsteller auf internationalen Schutz und dem betreffenden Drittstaat betrifft, so beruht die von der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Regelung hergestellte Verbindung zwischen einem solchen Antragsteller und dem betreffenden Drittstaat auf der bloßen Durchreise dieser Person durch das Gebiet dieses Staats.

45

Daher ist zu prüfen, ob eine solche Durchreise eine „Verbindung“ im Sinne von Art. 38 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2013/32 darstellen kann.

46

Hierzu ist festzustellen, dass, wie sich aus dem 44. Erwägungsgrund und aus Art. 38 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2013/32 ergibt, die für die Anwendung des in Art. 33 Abs. 2 Buchst. c dieser Richtlinie vorgesehenen Unzulässigkeitsgrundes erforderliche Verbindung zwischen dem Antragsteller auf internationalen Schutz und dem betreffenden Drittstaat ausreichend sein muss, um eine Rückkehr des Antragstellers dorthin als vernünftig erscheinen zu lassen.

47

Der Umstand, dass ein Antragsteller auf internationalen Schutz das Gebiet eines Drittstaats durchreist hat, kann aber für sich genommen nicht die Annahme begründen, dass er vernünftigerweise in dieses Land zurückkehren könnte.

48

Im Übrigen müssen die Mitgliedstaaten, wie sich aus Art. 38 Abs. 2 der Richtlinie 2013/32 ergibt, Regeln erlassen, die nicht nur das Bestehen einer „Verbindung“ im Sinne dieser Bestimmung verlangen, sondern auch die Methodik vorsehen, mit der im Einzelfall anhand der besonderen Umstände des Antragstellers auf internationalen Schutz beurteilt wird, ob der betreffende Drittstaat die Voraussetzungen erfüllt, um für diesen Antragsteller als sicher angesehen zu werden, sowie die Möglichkeit des Antragstellers, das Bestehen einer solchen Verbindung anzufechten.

49

Wie jedoch der Generalanwalt in Nr. 53 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, wäre die den Mitgliedstaaten vom Unionsgesetzgeber für die Zwecke der Anwendung des Begriffs „sicherer Drittstaat“ auferlegte Verpflichtung, solche Regeln zu erlassen, nicht zu rechtfertigen, wenn die bloße Durchreise des Antragstellers auf internationalen Schutz durch den betreffenden Drittstaat eine hierfür hinreichende oder signifikante Verbindung darstellte. Dann wären diese Regeln ebenso wie die individuelle Prüfung und die in diesen Regeln ausdrücklich vorzusehende Möglichkeit des Antragstellers, das Bestehen der Verbindung anzufechten, nämlich völlig nutzlos.

50

Nach alledem kann die Durchreise des Antragstellers auf internationalen Schutz durch den betreffenden Drittstaat keine „Verbindung“ im Sinne von Art. 38 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2013/32 darstellen.

51

Folglich kann die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung – selbst unterstellt, dass sie die Voraussetzung des Art. 38 Abs. 1 der Richtlinie 2013/32 erfüllt – jedenfalls keine Anwendung des in Art. 33 Abs. 2 Buchst. c dieser Richtlinie vorgesehenen Unzulässigkeitsgrundes bezüglich des sicheren Drittstaats darstellen, da die in Art. 38 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie genannte Voraussetzung der Verbindung nicht erfüllt ist.

52

Schließlich kann eine solche nationale Regelung auch keine Anwendung des in Art. 33 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2013/32 vorgesehenen Unzulässigkeitsgrundes bezüglich des ersten Asylstaats darstellen.

53

Hierzu genügt der Hinweis, dass ein Staat schon nach dem Wortlaut von Art. 35 Abs. 1 Buchst. a und b der Richtlinie 2013/32 nur dann als erster Asylstaat eines Antragstellers auf internationalen Schutz angesehen werden kann, wenn der Antragsteller in dem betreffenden Staat als Flüchtling anerkannt wurde und er diesen Schutz weiterhin in Anspruch nehmen darf oder wenn ihm dort anderweitig ausreichender Schutz, einschließlich der Anwendung des Grundsatzes der Nicht-Zurückweisung, gewährt wird, vorausgesetzt, dass er von diesem Staat wieder aufgenommen wird.

54

Aus den dem Gerichtshof vorgelegten Akten geht jedoch hervor, dass die Anwendung des in der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Regelung vorgesehenen Unzulässigkeitsgrundes nicht davon abhängt, dass der Antragsteller auf internationalen Schutz in dem betreffenden Land als Flüchtling anerkannt ist oder aus einem anderen Grund ausreichenden Schutz genießt, so dass die Prüfung der Notwendigkeit eines Schutzes in der Union entbehrlich wäre.

55

Folglich ist festzustellen, dass eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nicht als Umsetzung eines der in Art. 33 Abs. 2 der Richtlinie 2013/32 vorgesehenen Unzulässigkeitsgründe angesehen werden kann.

56

Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 33 der Richtlinie 2013/32 dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der ein Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig abgelehnt werden kann, weil der Antragsteller über einen Staat in das Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats eingereist ist, in dem er keiner Verfolgung oder Gefahr eines ernsthaften Schadens ausgesetzt ist oder in dem ein angemessenes Schutzniveau gewährleistet ist.

Zur zweiten Frage

57

Zunächst ist festzustellen, dass die zweite Frage, so wie sie vom vorlegenden Gericht formuliert ist, zwar die Auslegung von Art. 31 der Richtlinie 2013/32 betrifft, der das Verwaltungsverfahren zur Prüfung von Anträgen auf internationalen Schutz betrifft, sich in Wirklichkeit aber auf die Umsetzung des in Art. 46 dieser Richtlinie vorgesehenen Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf bezieht. Daher ist die letztgenannte Bestimmung, insbesondere ihr Abs. 3, auszulegen, um dem vorlegenden Gericht eine sachdienliche Antwort zu geben.

58

Somit möchte das vorlegende Gericht mit seiner zweiten Frage wissen, ob Art. 46 Abs. 3 der Richtlinie 2013/32 in Verbindung mit Art. 47 der Charta dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die einem Gericht, das mit einem Rechtsbehelf gegen eine Entscheidung befasst wird, mit der ein Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig abgelehnt wurde, eine Frist von acht Tagen für seine Entscheidung setzt.

59

Art. 46 Abs. 1 der Richtlinie 2013/32 verpflichtet die Mitgliedstaaten, das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf vor einem Gericht gegen die Entscheidung zu gewährleisten, mit der ein Antrag auf internationalen Schutz abgelehnt wurde, einschließlich gegen Entscheidungen, mit denen der Antrag für offensichtlich unzulässig oder unbegründet erklärt wurde.

60

Die Pflicht der Mitgliedstaaten, ein solches Recht auf einen Rechtsbehelf vorzusehen, entspricht dem Recht gemäß Art. 47 („Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht“) der Charta, wonach jede Person, deren durch das Recht der Union garantierte Rechte oder Freiheiten verletzt worden sind, das Recht hat, bei einem Gericht einen wirksamen Rechtsbehelf einzulegen (Urteil vom 18. Oktober 2018, E. G., C-662/17, EU:C:2018:847, Rn. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung).

61

Folglich sind die Merkmale des in Art. 46 der Richtlinie 2013/32 vorgesehenen Rechtsbehelfs im Einklang mit Art. 47 der Charta zu bestimmen, der den Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes bekräftigt (Urteil vom 18. Oktober 2018, E. G., C-662/17, EU:C:2018:847, Rn. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung).

62

Was insbesondere die Dauer des Gerichtsverfahrens betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass die Richtlinie 2013/32 nicht nur keine harmonisierten Vorschriften über die Dauer des Gerichtsverfahrens enthält, sondern in Art. 46 Abs. 10 die Mitgliedstaaten sogar ermächtigt, solche Fristen vorzusehen (Urteil vom heutigen Tag, Bevándorlási és Menekültügyi Hivatal, C‑406/18, Rn. 25).

63

Im Übrigen ist es nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs mangels einschlägiger Unionsregeln nach dem Grundsatz der Verfahrensautonomie Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung jedes Mitgliedstaats, die verfahrensrechtlichen Modalitäten der Rechtsbehelfe, die zum Schutz der Rechte der Bürger bestimmt sind, festzulegen, vorausgesetzt allerdings, dass sie nicht ungünstiger sind als diejenigen, die gleichartige Sachverhalte regeln, die dem innerstaatlichen Recht unterliegen (Äquivalenzgrundsatz), und dass sie die Ausübung der durch das Unionsrecht verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz) (Urteil vom heutigen Tag, Bevándorlási és Menekültügyi Hivatal, C‑406/18, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).

64

Zur Beachtung des Äquivalenzgrundsatzes bei einer Dauer des Gerichtsverfahrens wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden ist – vorbehaltlich der dem vorlegenden Gericht obliegenden Prüfungen – festzustellen, dass aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten nicht hervorgeht und im Übrigen auch nicht vorgetragen wurde, dass gleichartige Sachverhalte durch innerstaatliche Verfahrensmodalitäten geregelt würden, die günstiger wären als die, die für die Umsetzung der Richtlinie 2013/32 vorgesehen sind und im Ausgangsverfahren angewandt wurden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom heutigen Tag, Bevándorlási és Menekültügyi Hivatal, C‑406/18, Rn. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).

65

Zur Beachtung des Effektivitätsgrundsatzes ist darauf hinzuweisen, dass Art. 46 Abs. 3 der Richtlinie 2013/32 regelt, wie weit das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf reicht, indem klargestellt wird, dass die durch diese Richtlinie gebundenen Mitgliedstaaten sicherstellen müssen, dass das Gericht, bei dem die Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz angefochten wird, „eine umfassende Ex-nunc-Prüfung [vornimmt], die sich sowohl auf Tatsachen als auch auf Rechtsfragen erstreckt und bei der gegebenenfalls das Bedürfnis nach internationalem Schutz gemäß der Richtlinie [2011/95] beurteilt wird“ (Urteil vom heutigen Tag, Bevándorlási és Menekültügyi Hivatal, C‑406/18, Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung).

66

Selbst im Falle eines Rechtsbehelfs gegen eine Entscheidung, mit der ein Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig abgelehnt wurde, hat das mit diesem Rechtsbehelf befasste Gericht die vollständige Ex-nunc-Prüfung im Sinne von Art. 46 Abs. 3 der Richtlinie 2013/32 durchzuführen.

67

Wie der Gerichtshof nämlich bereits festgestellt hat, macht das Wort „gegebenenfalls“ in dem Satzteil „und bei der gegebenenfalls das Bedürfnis nach internationalem Schutz gemäß der Richtlinie [2011/95] beurteilt wird“ deutlich, dass die dem Gericht obliegende umfassende Ex-nunc-Prüfung nicht zwingend eine inhaltliche Prüfung des Bedürfnisses nach internationalem Schutz zum Gegenstand hat und somit die Zulässigkeit des Antrags auf internationalen Schutz betreffen kann, wenn das nationale Recht dies gemäß Art. 33 Abs. 2 der Richtlinie 2013/32 erlaubt (Urteil vom 25. Juli 2018, Alheto, C-585/16, EU:C:2018:584, Rn. 115).

68

Was im Übrigen insbesondere einen Rechtsbehelf gegen eine Entscheidung betrifft, mit der ein Antrag auf internationalen Schutz aus den in Art. 33 Abs. 2 Buchst. b bzw. c der Richtlinie 2013/32 genannten Unzulässigkeitsgründen betreffend den ersten Asylstaat bzw. den sicheren Drittstaat als unzulässig zurückgewiesen wird, muss das mit diesem Antrag befasste Gericht im Rahmen der ihm obliegenden umfassenden und aktualisierten Prüfung u. a. prüfen, ob der Antragsteller in einem Drittstaat ausreichenden Schutz genießt oder ob ein Drittstaat für ihn als sicherer Drittstaat angesehen werden kann.

69

Dabei hat das vorlegende Gericht genau zu prüfen, ob jede der kumulativen Voraussetzungen erfüllt ist, denen die Anwendung solcher Unzulässigkeitsgründe unterliegt – wie etwa die Voraussetzungen in Art. 35 der Richtlinie 2013/32 in Bezug auf den Grund betreffend den ersten Asylstaat und die in Art. 38 dieser Richtlinie in Bezug auf den Grund betreffend den sicheren Drittstaat. Hierfür muss es gegebenenfalls die für die Prüfung der Anträge auf internationalen Schutz zuständige Behörde zur Vorlage aller möglicherweise erheblichen Unterlagen und Informationen auffordern und sich vor seiner Entscheidung vergewissern, dass der Antragsteller Gelegenheit hatte, zur Anwendbarkeit des Unzulässigkeitsgrundes auf seine besondere Situation persönlich Stellung zu nehmen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Juli 2018, Alheto, C-585/16, EU:C:2018:584, Rn. 121 und 124).

70

Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass den Klägern, wie der Generalanwalt in Nr. 84 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, im Rahmen des in Art. 46 Abs. 3 der Richtlinie 2013/32 vorgesehenen gerichtlichen Rechtsbehelfs eine Reihe besonderer Verfahrensrechte garantiert werden, nämlich gemäß Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie das Recht auf einen Dolmetscher, die Möglichkeit, u. a. mit dem Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) Verbindung aufzunehmen und der Zugang zu bestimmten Informationen, gemäß Art. 20 der Richtlinie die Möglichkeit der unentgeltlichen Rechtsberatung und ‑vertretung, gemäß Art. 22 der Richtlinie Rechte betreffend den Zugang zur Rechtsberatung sowie gemäß Art. 24 und 25 der Richtlinie Rechte betreffend Personen mit besonderen Bedürfnissen und unbegleitete Minderjährige.

71

Überdies hat das Gericht, das mit einem Rechtsbehelf gegen eine Entscheidung befasst ist, mit der ein Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig abgelehnt wurde, wenn es eine Anhörung des Antragstellers für die Durchführung der ihm obliegenden umfassenden Ex-nunc-Prüfung für erforderlich hält, eine solche Anhörung durchzuführen, wobei der Antragsteller erforderlichenfalls Anspruch auf die Beiziehung eines Dolmetschers hat, damit er seinen Fall darlegen kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Juli 2018, Alheto, C-585/16, EU:C:2018:584, Rn. 126 und 128).

72

Im vorliegenden Fall sieht die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung eine Frist von acht Tagen für die Entscheidung über eine Klage gegen eine Entscheidung vor, mit der ein Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig abgelehnt wurde. Dem vorlegenden Gericht zufolge ist es unmöglich, über einen solchen Rechtsbehelf innerhalb von acht Tagen nach Eingang der Klageschrift beim Gericht zu entscheiden, ohne gegen das Erfordernis einer vollständigen Prüfung zu verstoßen.

73

Insoweit kann sich, wie der Generalanwalt in den Nrn. 86 und 87 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, eine Frist von acht Tagen – auch wenn nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann, dass sie in den offenkundigsten Fällen der Unzulässigkeit angemessen ist – unter bestimmten Umständen als tatsächlich unzureichend erweisen, um es dem Gericht, das mit einer Klage gegen eine Entscheidung befasst ist, mit der ein Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig abgelehnt wurde, zu ermöglichen, in allen ihm vorgelegten Fällen die Beachtung aller in den Rn. 65 bis 71 des vorliegenden Urteils genannten Rechte sicherzustellen und somit das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf der Antragsteller auf internationalen Schutz zu gewährleisten.

74

Art. 46 Abs. 4 der Richtlinie 2013/32 sieht jedoch die Verpflichtung der Mitgliedstaaten vor, angemessene Entscheidungsfristen festzulegen.

75

In einem Fall, in dem einem Gericht, das mit einem Rechtsbehelf gegen eine Entscheidung befasst ist, mit der ein Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig abgelehnt wurde, eine Frist gesetzt ist, die es nicht ermöglicht, die Wirksamkeit der materiell-rechtlichen Vorschriften und der dem Antragsteller vom Unionsrecht gewährten Verfahrensgarantien zu gewährleisten, verpflichtet der Grundsatz der Effektivität des Unionsrechts das betreffende Gericht daher, die nationale Regelung, nach der diese Frist als zwingend angesehen wird, unangewendet zu lassen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom heutigen Tag, Bevándorlási és Menekültügyi Hivatal, C‑406/18, Rn. 34).

76

In Anbetracht des im 18. Erwägungsgrund der Richtlinie 2013/32 festgelegten allgemeinen Ziels einer möglichst raschen Bearbeitung der Anträge auf internationalen Schutz entbindet die Verpflichtung, eine nationale Regelung, die eine mit dem Grundsatz der Effektivität des Unionsrechts unvereinbare Entscheidungsfrist vorsieht, unangewendet zu lassen, den Richter aber nicht von der Pflicht zu zügiger Bearbeitung, sondern gebietet ihm lediglich, die ihm gesetzte Frist als Richtvorgabe zu betrachten und nach ihrem Ablauf so schnell wie möglich zu entscheiden (Urteil vom heutigen Tag, Bevándorlási és Menekültügyi Hivatal, C‑406/18, Rn. 35 und 36).

77

Nach alledem ist auf die zweite Frage zu antworten, dass Art. 46 Abs. 3 der Richtlinie 2013/32 in Verbindung mit Art. 47 der Charta dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die einem Gericht, das mit einem Rechtsbehelf gegen eine Entscheidung befasst wird, mit der ein Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig abgelehnt wurde, eine Frist von acht Tagen für seine Entscheidung setzt, wenn dieses Gericht nicht in der Lage ist, innerhalb einer solchen Frist die Wirksamkeit der materiell-rechtlichen Vorschriften und der dem Antragsteller vom Unionsrecht gewährten Verfahrensgarantien zu gewährleisten.

Kosten

78

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt:

 

1.

Art. 33 der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der ein Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig abgelehnt werden kann, weil der Antragsteller über einen Staat in das Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats eingereist ist, in dem er keiner Verfolgung oder Gefahr eines ernsthaften Schadens ausgesetzt ist oder in dem ein angemessenes Schutzniveau gewährleistet ist.

 

2.

Art. 46 Abs. 3 der Richtlinie 2013/32 in Verbindung mit Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die einem Gericht, das mit einem Rechtsbehelf gegen eine Entscheidung befasst wird, mit der ein Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig abgelehnt wurde, eine Frist von acht Tagen für seine Entscheidung setzt, wenn dieses Gericht nicht in der Lage ist, innerhalb einer solchen Frist die Wirksamkeit der materiell-rechtlichen Vorschriften und der dem Antragsteller vom Unionsrecht gewährten Verfahrensgarantien zu gewährleisten.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Ungarisch.