Parteien
Entscheidungsgründe
Tenor

Parteien

In der Rechtssache T‑540/08

Esso Société anonyme française mit Sitz in Courbevoie (Frankreich),

Esso Deutschland GmbH mit Sitz in Hamburg (Deutschland),

ExxonMobil Petroleum and Chemical BVBA mit Sitz in Antwerpen (Belgien),

Exxon Mobil Corp. mit Sitz in West Trenton, New Jersey (Vereinigte Staaten),

Prozessbevollmächtigte: R. Subiotto, QC, und Rechtsanwälte R. Snelders, L.-P. Rudolf und M. Piergiovanni,

Klägerinnen,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch F. Castillo de la Torre als Bevollmächtigten im Beistand von M. Gray, Barrister,

Beklagte,

wegen teilweiser Nichtigerklärung der Entscheidung K(2008) 5476 endg. der Kommission vom 1. Oktober 2008 in einem Verfahren nach Art. 81 [EG] und Art. 53 des EWR-Abkommens (Sache COMP/39.181 – Kerzenwachse) sowie Herabsetzung der gegen die Klägerinnen festgesetzten Geldbuße

erlässt

DAS GERICHT (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten O. Czúcz (Berichterstatter) sowie der Richterin I. Labucka und des Richters D. Gratsias,

Kanzler: N. Rosner, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 21. März 2011

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe

Vorgeschichte des Rechtsstreits und angefochtene Entscheidung

Verwaltungsverfahren und Erlass der angefochtenen Entscheidung

1. Mit der Entscheidung K(2008) 5476 endg. vom 1. Oktober 2008 in einem Verfahren nach Artikel 81 [EG] und Artikel 53 des EWR-Abkommens (Sache COMP/39.181 – Kerzenwachse) (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) stellte die Kommission der Europäischen Gemeinschaften fest, dass die Klägerinnen, Esso Deutschland GmbH, Esso Société anonyme française (im Folgenden: Esso France), ExxonMobil Petroleum and Chemical BVBA (im Folgenden: EMPC) sowie Exxon Mobil Corp. (im Folgenden: EMC) (im Folgenden zusammen: ExxonMobil oder ExxonMobil-Gruppe), mit anderen Unternehmen gegen Art. 81 Abs. 1 EG und Art. 53 Abs. 1 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) verstoßen hätten, indem sie sich an einem Kartell auf dem Markt für Paraffinwachse im EWR und auf dem deutschen Markt für Paraffingatsch beteiligt hätten.

2. Außer an die Klägerinnen war die angefochtene Entscheidung an folgende Unternehmen gerichtet: die ENI SpA, die H & R ChemPharm GmbH, die H & R Wax Company Vertrieb GmbH und die Hansen & Rosenthal KG, die Tudapetrol Mineralölerzeugnisse Nils Hansen KG, die MOL Nyrt., die Repsol YPF Lubricantes y Especialidades SA, die Repsol Petróleo SA und die Repsol YPF SA (die drei Letzteren im Folgenden zusammen: Repsol), die Sasol Wax GmbH, die Sasol Wax International AG, die Sasol Holding in Germany GmbH und die Sasol Ltd (im Folgenden zusammen: Sasol), die Shell Deutschland Oil GmbH, die Shell Deutschland Schmierstoff GmbH, die Deutsche Shell GmbH, die Shell International Petroleum Company Ltd, die Shell Petroleum Company Ltd, die Shell Petroleum NV und die Shell Transport and Trading Company Ltd (im Folgenden zusammen: Shell), die RWE Dea AG und die RWE AG (im Folgenden zusammen: RWE) sowie die Total SA und die Total France SA (im Folgenden zusammen: Total) (erster Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

3. Die Paraffinwachse werden in Raffinerien aus Rohöl hergestellt. Sie werden für die Herstellung einer Reihe von Produkten wie Kerzen, Chemikalien, Reifen und Erzeugnissen der Automobilindustrie sowie in der Kautschuk-, Verpackungs- und Klebstoff- und Kaugummiindustrie eingesetzt (vierter Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

4. Bei der Herstellung von Paraffinwachsen dient Paraffingatsch als Ausgangsmaterial. Es fällt in Raffinerien als Nebenprodukt bei der Herstellung von Mineralölen aus Rohöl an. Es wird auch an Endabnehmer, z. B. an Hersteller von Spanplatten, verkauft (fünfter Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

5. Die Kommission begann ihre Untersuchung, nachdem Shell Deutschland Schmierstoff sie mit Schreiben vom 17. März 2005 über das Bestehen eines Kartells informiert hatte und bei ihr einen Antrag auf Geldbußenerlass gemäß der Mitteilung der Kommission über den Erlass und die Ermäßigung von Geldbußen in Kartellsachen (ABl. 2002, C 45, S. 3) gestellt hatte (72. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

6. Am 28. und 29. April 2005 führte die Kommission in Anwendung von Art. 20 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 [EG] und 82 [EG] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) Nachprüfungen in den Räumlichkeiten von „H & R/Tudapetrol“, ENI, MOL sowie in denjenigen der Gesellschaften der Gruppen Sasol, ExxonMobil, Repsol und Total durch (75. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

7. Am 29. Mai 2007 richtete die Kommission eine Mitteilung der Beschwerdepunkte an die oben in Rn. 1 genannten Gesellschaften, darunter die Klägerinnen (85. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Mit Schreiben vom 21. August 2007 beantworteten die Klägerinnen die Mitteilung der Beschwerdepunkte.

8. Am 10. und 11. Dezember 2007 führte die Kommission eine mündliche Anhörung durch, an der die Klägerinnen teilnahmen (91. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

9. In der angefochtenen Entscheidung vertritt die Kommission aufgrund der ihr vorliegenden Beweise die Ansicht, dass die Adressaten, die die Mehrheit der Paraffinwachs- und Paraffingatschhersteller im EWR ausmachten, an einer einzigen, komplexen und fortdauernden Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG und Art. 53 EWR-Abkommen teilgenommen hätten, die das Gebiet des EWR betreffe. Diese Zuwiderhandlung habe in Vereinbarungen oder aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen betreffend Preisfestsetzungen sowie den Austausch und die Offenlegung von kommerziell empfindlichen Informationen über Paraffinwachse bestanden. In Bezug auf RWE (später Shell), ExxonMobil, MOL, Repsol, Sasol und Total habe die Zuwiderhandlung im Hinblick auf Paraffinwachse auch in der Aufteilung der Kunden und/oder der Märkte bestanden. Außerdem habe die von RWE, ExxonMobil, Sasol und Total begangene Zuwiderhandlung auch auf dem deutschen Markt an Endabnehmer verkauftes Paraffingatsch betroffen (Erwägungsgründe 2, 95, 328 und Art. 1 der angefochtenen Entscheidung).

10. Die rechtswidrigen Verhaltensweisen seien bei den wettbewerbswidrigen Zusammenkünften, die von den Teilnehmern als „technische Treffen“ oder manchmal als „Blauer Salon“ bezeichnet worden seien, und bei „Gatsch-Treffen“ besprochen worden, die speziell Fragen zum Paraffingatsch gewidmet gewesen seien.

11. Die im vorliegenden Fall verhängten Geldbußen wurden auf der Grundlage der Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen gemäß Artikel 23 Absatz 2 Buchstabe a) der Verordnung Nr. 1/2003 (ABl. 2006, C 210, S. 2) (im Folgenden: Leitlinien von 2006) berechnet, die zum Zeitpunkt der Bekanntgabe der Mitteilung der Beschwerdepunkte an die oben in Rn. 1 genannten Gesellschaften in Kraft waren.

12. Die angefochtene Entscheidung enthält u. a. folgende Bestimmungen:

„ Artikel 1

Die folgenden Unternehmen haben eine Zuwiderhandlung gegen Artikel 81 Absatz 1 [EG] und – seit dem 1. Januar 1994 – gegen Artikel 53 EWR-Abkommen begangen, indem sie sich in den jeweils genannten Zeiträumen an einer fortdauernden Vereinbarung und/oder einer fortdauernden abgestimmten Verhaltensweise im Paraffinwachssektor auf dem Gemeinsamen Markt und, seit 1. Januar 1994, im Europäischen Wirtschaftsraum beteiligten:

Esso Deutschland GmbH : vom 22. Februar 2001 bis zum 20. November 2003;

Esso Société Anonyme Française: vom 3. September 1992 bis zum 20. November 2003;

ExxonMobil Petroleum and Chemical BVBA: vom 30. November 1999 bis zum 20. November 2003;

Exxon Mobil [Corp.]: vom 30. November 1999 bis zum 20. November 2003;

Bei den folgenden Unternehmen betrifft die Zuwiderhandlung auch an Endkunden auf dem deutschen Markt verkauftes Paraffingatsch im jeweils angegebenen Zeitraum:

Esso Deutschland GmbH: vom 22. Februar 2001 bis zum 18. Dezember 2002;

Esso Société anonyme française: vom 8. März 1999 bis zum 18. Dezember 2002;

ExxonMobil Petroleum and Chemical BVBA: vom 20. November 1999 bis zum 18. Dezember 2002;

Exxon Mobil [Corp.]: vom 20. November 1999 bis zum 18. Dezember 2002;

Artikel 2

Für die in Artikel 1 genannte Zuwiderhandlung werden folgende Geldbußen festgesetzt:

ENI S.p.A: 29 120 000 EUR;

Esso Société Anonyme Française: 83 588 400 EUR,

davon gesamtschuldnerisch mit

ExxonMobil Petroleum and Chemical BVBA und Exxon Mobil [Corp.]: 34 670 400 EUR, davon gesamtschuldnerisch mit Esso Deutschland GmbH: 27 081 600 EUR;

Tudapetrol Mineralölerzeugnisse Nils Hansen KG: 12 000 000 EUR;

Hansen & Rosenthal KG gesamtschuldnerisch mit H & R Wax Company Vertrieb GmbH: 24 000 000 EUR;

davon gesamtschuldnerisch mit

H & R ChemPharm GmbH: 22 000 000 EUR;

MOL Nyrt.: 23 700 000 EUR;

Repsol YPF Lubricantes y Especialidades SA gesamtschuldnerisch mit Repsol Petróleo SA und Repsol YPF SA: 19 800 000 EUR;

Sasol Wax GmbH: 318 200 000 EUR;

davon gesamtschuldnerisch mit

Sasol Wax International AG, Sasol Holding in Germany GmbH und Sasol Limited: 250 700 000 EUR;

Shell Deutschland Oil GmbH, Shell Deutschland Schmierstoff GmbH, Deutsche Shell GmbH, Shell International Petroleum Company Limited, the Shell Petroleum Company Limited, Shell Petroleum N.V. und the Shell Transport and Trading Company Limited: 0 EUR;

RWE-Dea AG gesamtschuldnerisch mit RWE AG: 37 440 000 EUR;

Total France SA gesamtschuldnerisch mit Total SA: 128 163 000 EUR.“

Exxon-Mobil-Fusion und Zurechnung der Verantwortung für die Zuwiderhandlung in der angefochtenen Entscheidung

13. Am 30. November 1999 erwarb die Exxon Corp. die Mobil Corp. und wurde anschließend in EMC umbenannt (im Folgenden: Exxon-Mobil-Fusion). Am 6. Mai 2003 wurde Mobil Oil Française (im Folgenden: Mobil France) von Esso France übernommen.

14. Die Kommission beschreibt die Zurechnung der Verantwortung für die wettbewerbswidrigen Handlungen an die verschiedenen Gesellschaften der ExxonMobil-Gruppe insbesondere in den Erwägungsgründen 348 bis 352 der angefochtenen Entscheidung:

„6.2.2 Die ExxonMobil-Gruppe

(348) In Abschnitt 4 wurde nachgewiesen, dass ExxonMobil während der gesamten Dauer der Zuwiderhandlung über Mitarbeiter von Mobil [France] (sowie dem Rechtsnachfolger dieses Unternehmens) und über die Esso Deutschland GmbH an den geheimen Absprachen beteiligt war …

(349) Mobil [France] war über seine Mitarbeiter von Beginn der Zuwiderhandlung [am 3. September 1992] bis zum Ende seines Bestehens am 6. Mai 2003 und die Esso Deutschland GmbH über ihre Mitarbeiter mindestens ab dem 22. Februar 2001 beteiligt … Die Kommission beabsichtigt daher zunächst, diese Unternehmen für ihre unmittelbare Beteiligung am Kartell haftbar zu machen.

(351) Mobil [France] wurde von [Esso France am 6. Mai 2003] übernommen …

(352) Daher sollte [Esso France] für das [wettbewerbswidrige] Verhalten von Mobil [France] vor dem [6. Mai 2003] haftbar gemacht werden …“

15. Die Haftung von EMPC wurde ab der Exxon-Mobil-Fusion, d. h. ab dem 30. November 1999 festgestellt, da sie die Muttergesellschaft von Esso Deutschland und Esso France war. Die Haftung von EMC wurde ab demselben Zeitpunkt festgestellt, da sie die Muttergesellschaft von EMPC war (Erwägungsgründe 535 und 354 der angefochtenen Entscheidung).

Berechnung der gegen die Klägerinnen verhängten Geldbuße

16. In der vorliegenden Rechtssache legte die Kommission bei der Berechnung des Grundbetrags der Geldbuße einen Anteil am Umsatz der ExxonMobil-Gruppe im EWR zugrunde und multiplizierte sodann den auf diese Weise ermittelten Betrag mit einem Koeffizienten, der die Dauer der Beteiligung der jeweiligen Klägerin an der Zuwiderhandlung widerspiegelt.

17. Erstens bestimmte die Kommission den Jahresumsatz von Paraffinwachsen und Paraffingatsch. Für die Paraffinwachse zog die Kommission die Einnahmen der ExxonMobil-Gruppe der Jahre 2000 bis 2002 als Berechnungsgrundlage für einen durchschnittlichen jährlichen Umsatz heran. Für das Paraffingatsch zog die Kommission die Einnahmen der ExxonMobil-Gruppe der Jahre 2000 bis 2001 als Berechnungsgrundlage für einen durchschnittlichen jährlichen Umsatz heran. Daraus ergaben sich die Beträge von 19 790 382 Euro für die Paraffinwachse und 1 259 217 Euro für Paraffingatsch. Die auf diese Beträge im Hinblick auf die Schwere der Zuwiderhandlung angewandten Multiplikationsfaktoren betrugen 18 % für Paraffinwachse und 15 % für Paraffingatsch.

18. Die Kommission bestimmte sodann die Dauer der Beteiligung der Klägerinnen an der Zuwiderhandlung für Paraffinwachse und Paraffingatsch. Insoweit war die Kommission betreffend die Paraffinwachse der Auffassung, dass Esso France während eines Zeitraums teilgenommen habe, der einem Multiplikationsfaktor von 11,5 entspreche. Für Esso Deutschland betrug dieser Koeffizient 3. Für EMPC und für EMC wurde er auf 4 festgesetzt.

19. Zweitens erhöhte die Kommission nach Ziff. 25 der Leitlinien von 2006 diese Beträge um den „Eintrittsgebühr“ genannten Zusatzbetrag, der 18 % bzw. 15 % des jeweiligen Umsatzes mit Paraffinwachsen und Paraffingatsch entsprach.

20. Drittens wurde kein mildernder oder erschwerender Umstand vorgebracht, der eine Auswirkung auf die Höhe der Geldbuße haben könnte. Daher wurden die Geldbußen insoweit nicht verändert.

21. Viertens war die Kommission der Ansicht, dass aufgrund der Größe der ExxonMobil-Gruppe ein Multiplikationsfaktor zur Abschreckung anzuwenden sei. Folglich wurde ein Multiplikationsfaktor von 2 angewandt.

22. Fünftens wandte die Kommission im Rahmen ihrer Mitteilung über den Erlass und die Ermäßigung von Geldbußen in Kartellsachen eine Ermäßigung von 7 % der Geldbuße aufgrund der von den Klägerinnen übermittelten Informationen und deren anschließender Zusammenarbeit an. Die Geldbußen wurden somit letztlich wie folgt festgesetzt: für Esso France eine Geldbuße in Höhe von 83 588 400 Euro, davon 27 081 600 gesamtschuldnerisch mit Esso Deutschland und 34 670 400 gesamtschuldnerisch mit EMPC und EMC.

Verfahren und Anträge der Parteien

23. Die Klägerinnen haben mit Klageschrift, die am 12. Dezember 2008 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben.

24. Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht (Dritte Kammer) beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen. Im Rahmen prozessleitender Maßnahmen gemäß Art. 64 seiner Verfahrensordnung hat es die Parteien aufgefordert, bestimmte Fragen zu beantworten und bestimmte Schriftstücke vorzulegen. Die Parteien sind dieser Aufforderung fristgerecht nachgekommen.

25. Mit Schreiben vom 10. Februar 2011 hat die Kommission beantragt, das Gericht möge bestimmte Passagen der Antworten der Klägerinnen auf die schriftlichen Fragen aus der Akte entfernen. Die Klägerinnen sind diesem Antrag entgegengetreten. Mit Beschluss vom 3. Mai 2011 hat das Gericht (Dritte Kammer) diese Entscheidung dem Endurteil vorbehalten.

26. In der Sitzung vom 21. März 2011 haben die Parteien mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

27. In Anbetracht des tatsächlichen Zusammenhangs mit den Rechtssachen T‑541/08, Sasol u. a./Kommission, T‑543/08, RWE und RWE Dea/Kommission, T‑544/08, Hansen & Rosenthal und H & R Wax Company Vertrieb/Kommission, T‑548/08, Total/Kommission, T‑550/08, Tudapetrol/Kommission, T‑551/08, H & R ChemPharm/Kommission, T‑558/08, ENI/Kommission, T‑562/08, Repsol YPF Lubricantes y Especialidades u. a./Kommission und T‑566/08, Total Raffinage Marketing/Kommission, und der Sachnähe der aufgeworfenen Rechtsfragen hat das Gericht beschlossen, das Urteil in der vorliegenden Rechtssache erst nach den mündlichen Verhandlungen in den genannten zusammenhängenden Rechtssachen zu verkünden, von denen die letzte am 3. Juli 2013 stattgefunden hat.

28. Die Klägerinnen beantragen,

– die angefochtene Entscheidung teilweise für nichtig zu erklären;

– die gegen sie verhängte Geldbuße herabzusetzen;

– der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

29. Die Kommission beantragt,

– die Klage abzuweisen;

– den Klägerinnen die Kosten aufzuerlegen.

Rechtliche Würdigung

30. Zur Stützung ihrer Klage machen die Klägerinnen zwei Klagegründe geltend. Der erste Klagegrund betrifft einen Rechtsfehler bei der Berechnung des Grundbetrags der gegen Esso France verhängten Geldbuße, da dieser die Tatsache nicht widerspiegle, dass Exxon vor der Fusion nicht an der Zuwiderhandlung teilgenommen habe. Der zweite Klagegrund betrifft eine fehlerhafte Bestimmung des Zeitpunkts des Endes der Beteiligung der Klägerinnen an den Paraffinwachse betreffenden Teilen der Zuwiderhandlung.

31. Das Gericht hält es für zweckmäßig, seine Prüfung der vorliegenden Klage mit dem zweiten Klagegrund zu beginnen.

Zum zweiten Klagegrund: angeblicher Rechtsfehler bei der Bestimmung des Zeitpunkts des Endes der Beteiligung der Klägerinnen an der Zuwiderhandlung

Vorbemerkungen

32. Die Klägerinnen sind der Auffassung, die Kommission habe zu Unrecht festgestellt, dass ihre Beteiligung an den ersten beiden Teilen der Zuwiderhandlung betreffend Paraffinwachse am 20. November 2003 geendet habe. Nach dem Treffen vom 27. und 28. Februar 2003 hätten sie an den technischen Treffen nicht teilgenommen.

33. Insoweit hat die Kommission in der angefochtenen Entscheidung Folgendes ausgeführt:

„…

(600) ExxonMobil erklärt, das letzte Treffen, an dem ein Vertreter von ExxonMobil teilgenommen habe, sei das technische Treffen am 27. und 28. Februar 2003 in München gewesen. … Auf die von Herrn [M.] (Sasol) geschickte Einladung zum Treffen am 15. Januar 2004 antwortete Herr [Hu.] (ExxonMobil) unter anderem: ‚The agenda items seems to be of interest to us. However, as we understand this group of competitors meets without the support of an industry trade association und therefore without a structure und statutes. We feel uncomfortable with this und would like to suggest to bring these meetings under the umbrella of the [European Wax Federation] either as part of the technical committee, or as a separate sub committee. ExxonMobil will not attend this meeting without the support of a statuted industrial trade association.’ [Die Tagesordnung scheint interessant für uns zu sein. Uns scheint allerdings, dass diese Gruppe von Wettbewerbern ohne die Unterstützung eines Industrieverbands und daher ohne Struktur und Satzung zusammenkommt. Wir würden uns dabei nicht recht wohl fühlen und möchten vorschlagen, diese Treffen unter dem Dach [der European Wax Federation] entweder als Bestandteil des technischen Ausschusses oder als getrennten Unterausschuss durchzuführen. Ohne die Unterstützung eines rechtmäßig konstituierten Industrieverbandes wird ExxonMobil an diesem Treffen nicht teilnehmen.] Diese E‑Mail vom 20. November 2003 wurde an Herrn [M.] (Sasol) und in Kopie an Vorgesetzte von Herrn [Hu.] bei ExxonMobil geschickt. Der Kommission liegen keine Beweismittel dafür vor, dass ExxonMobil nach dem Versand dieser E-Mail noch an der Zuwiderhandlung beteiligt gewesen wäre. Daher stellt die Kommission fest, dass sich ExxonMobil mit der genannten E-Mail an Sasol (den Organisator der meisten technischen Treffen) öffentlich von dem Kartell distanziert hat …

(601) Es kann jedoch nicht angenommen werden, dass die Beteiligung von ExxonMobil an der Zuwiderhandlung nach dem technischen Treffen am 27. und 28. Februar 2003 geendet hätte. Als Anzeichen für die Beendigung der Beteiligung an einer Zuwiderhandlung ist nicht hinreichend, dass auf die Teilnahme an Treffen verzichtet wird. Die in der Rechtsprechung geforderte öffentliche Distanzierung erfolgte ausschließlich mit der E-Mail von Herrn [Hu.] vom 20. November 2003. Dass im Fernbleiben von den Treffen eine derartige öffentliche Distanzierung von den anderen Teilnehmern und insbesondere von Sasol nicht erkannt wurde, geht aus der Tatsache hervor, dass ExxonMobil weiterhin Einladungen zu den technischen Treffen erhielt, die schließlich zur E-Mail von Herrn [Hu.] vom 20. November 2003 führten.“

34. Die Klägerinnen treten dieser Beurteilung entgegen. Sie hätten weder an den technischen Treffen teilgenommen, die nach dem Treffen vom 27. und 28. Februar 2003 stattgefunden hätten, bei dem Herr T., ihr Vertreter in den technischen Treffen, die anderen Teilnehmern offiziell über sein unmittelbar bevorstehendes Ausscheiden aus ExxonMobil informiert habe, ohne seinen Nachfolger zu benennen, noch seien sie über die Ergebnisse unterrichtet worden. Es gebe auch keinen Beweis dafür, dass die Klägerinnen nach der Entsendung von Herrn T. und sodann nach seinem Eintritt in den Ruhestand Kenntnis von seiner früheren Beteiligung an der Zuwiderhandlung gehabt hätten. Die vorliegenden Beweise zeigten im Gegenteil, dass Herr T. den wettbewerbswidrigen Inhalt der technischen Treffen seiner Geschäftsführung und seinen Kollegen bewusst verheimlicht habe.

35. Daher hätte die Kommission den 28. Februar 2003, den Zeitpunkt des letzten Treffens, an dem Herr T. teilgenommen habe, oder jedenfalls den Zeitpunkt seiner Entsendung zu Sasol am 31. März 2003 oder den Zeitpunkt seines Eintritts in den Ruhestand am 30. Juni 2003 als Zeitpunkt des Endes der Beteiligung von ExxonMobil am Kartell annehmen müssen.

Zum Erfordernis einer Distanzierung von ExxonMobil von den Kartellaktivitäten für den Nachweis des Endes ihrer Beteiligung an der Zuwiderhandlung

36. Die Klägerinnen tragen vor, die Kommission sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass im vorliegenden Fall für den Nachweis der Beendigung der Beteiligung von ExxonMobil am Kartell nach der Rechtsprechung eine Distanzierung von den Kartellaktivitäten erforderlich gewesen sei.

37. Dieses Vorbringen steht jedoch im Widerspruch zur Rechtsprechung.

38. Das Gericht hat nämlich entschieden, dass der Schluss auf die endgültige Beendigung der Beteiligung eines Unternehmens an dem Kartell nur möglich ist, wenn dieses Unternehmen sich offen vom Inhalt des Kartells distanziert hat (Urteile des Gerichts vom 27. September 2006, Archer Daniels Midland/Kommission, T‑329/01, Slg. 2006, II‑3255, Rn. 246, und vom 28. April 2010, Amann & Söhne und Cousin Filterie/Kommission, T‑446/05, Slg. 2010, II‑1255, Rn. 241).

39. Daher ist dieses Vorbringen zurückzuweisen.

Zum Verständnis der anderen Kartellmitglieder betreffend die angebliche Distanzierung von ExxonMobil

40. Nach der Rechtsprechung kommt es für die Beurteilung der Frage, ob sich das betreffende Unternehmen von der rechtswidrigen Vereinbarung distanzieren wollte, entscheidend auf das Verständnis an, das die übrigen Kartellteilnehmer von seiner Absicht hatten (Urteil des Gerichtshofs vom 19. März 2009, Archer Daniels Midland/Kommission, C‑510/06 P, Slg. 2009, I‑1843, Rn. 120).

41. Insoweit machen die Klägerinnen geltend, Herr T. habe bei dem Treffen vom 27. und 28. Februar 2003 sein Ausscheiden bekannt gegeben, ohne einen Nachfolger für die Teilnahme an den nächsten Treffen vorzustellen. Sie beziehen sich auch auf die Erklärung von Shell, der zufolge Herr S. von Sasol nach dem Ausscheiden von Herrn T. keine Schreiben mit Preiserhöhungen an ExxonMobil mehr geschickt habe.

42. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass im Unionsrecht hinsichtlich der Beweismittel, die insoweit herangezogen werden dürfen, der Grundsatz der freien Beweiswürdigung gilt (Urteil des Gerichts vom 8. Juli 2004, Dalmine/Kommission, T‑50/00, Slg. 2004, II‑2395, Rn. 72).

43. Was den Beweiswert der verschiedenen Beweisstücke anbelangt, ist das alleinige Kriterium für die Beurteilung der beigebrachten Beweise ihre Glaubhaftigkeit (Urteil Dalmine/Kommission, oben in Rn. 42 angeführt, Rn. 72).

44. Nach den allgemeinen Beweisgrundsätzen hängt die Glaubhaftigkeit eines Schriftstücks und damit sein Beweiswert von seiner Herkunft, den Umständen seiner Entstehung, seinem Adressaten und seinem Inhalt ab (Urteil des Gerichts vom 15. März 2000, Cimenteries CBR u. a./Kommission, T‑25/95, T‑26/95, T‑30/95 bis T‑32/95, T‑34/95 bis T‑39/95, T‑42/95 bis T‑46/95, T‑48/95, T‑50/95 bis T‑65/95, T‑68/95 bis T‑71/95, T‑87/95 und T‑88/95, T‑103/95 und T‑104/95, Slg. 2000, II‑491, Rn. 1053 und 1838).

45. Da das Verbot, an wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen und Vereinbarungen teilzunehmen, sowie die Sanktionen, die Zuwiderhandelnden auferlegt werden können, bekannt sind, ist es außerdem üblich, dass die Tätigkeiten, mit denen diese Verhaltensweisen und Vereinbarungen verbunden sind, insgeheim ablaufen, dass die Zusammenkünfte heimlich stattfinden und dass die Unterlagen darüber auf ein Minimum reduziert werden. Daher kann von der Kommission nicht gefordert werden, dass sie Schriftstücke vorlegt, die eine Kontaktaufnahme zwischen den beteiligten Wirtschaftsteilnehmern explizit bestätigen. Selbst wenn die Kommission solche Schriftstücke entdeckt, handelt es sich normalerweise nur um lückenhafte und vereinzelte Belege, so dass es häufig erforderlich ist, bestimmte Einzelheiten durch Schlussfolgerungen zu rekonstruieren (Urteil des Gerichtshofs vom 7. Januar 2004, Aalborg Portland u. a./Kommission, C‑204/00 P, C‑205/00 P, C‑211/00 P, C‑213/00 P, C‑217/00 P und C‑219/00 P, Slg. 2004, I‑123, Rn. 55 bis 57; vgl. auch Urteil des Gerichts vom 27. September 2006, Dresdner Bank u. a./Kommission, T‑44/02 OP, T‑54/02 OP, T‑56/02 OP, T‑60/02 OP und T‑61/02 OP, Slg. 2006, II‑3567, Rn. 64 und 65).

46. Diese Rechtsprechung ist entsprechend auch auf die Wahrnehmung der anderen Kartellmitglieder betreffend die angebliche offene Distanzierung und die fortgesetzte Beteiligung eines Unternehmens an diesem Kartell während eines Zeitraums anwendbar, in dem Letzteres an den wettbewerbswidrigen Treffen nicht teilgenommen hat. Von den anderen Kartellbeteiligten kann nämlich nicht erwartet werden, dass sie ihre Wahrnehmung betreffend die fortgesetzte Beteiligung eines Kartellmitglieds, dessen Vertreter an gewissen wettbewerbswidrigen Treffen nicht teilnimmt, festhalten oder insoweit andere zeitnahe Beweisstücke erstellen, gerade weil sie versuchen, jede ausdrückliche Bezugnahme auf die wettbewerbswidrigen Abmachungen zu vermeiden, um die sie belastenden Beweise auf ein Minimum zu reduzieren. Daher ist die Wahrnehmung der anderen Beteiligten gegebenenfalls aus einem Bündel von Indizien und mittelbaren Beweisen zu schließen, über die die Kommission und das Gericht gegebenenfalls verfügen.

47. Im vorliegenden Fall ist das Gericht aufgrund der Unterlagen in der Akte der Ansicht, dass ExxonMobil sich nach dem Verständnis der anderen Beteiligten vor seinem Schreiben vom 20. November 2003 nicht offen vom Kartell distanzierte.

48. Erstens hat Sasol, wie die Kommission in der angefochtenen Entscheidung zu Recht ausführt, bis zum 20. November 2003, dem Tag, von dem das Schreibens von Herrn Hu. datiert, in dem darauf hingewiesen wird, dass ExxonMobil „[o]hne die Unterstützung eines rechtmäßig konstituierten Industrieverbandes … an diesem Treffen nicht teilnehmen [wird]“, und der von der Kommission als Zeitpunkt des Endes der Beteiligung von ExxonMobil am Kartell angenommen wurde, weiterhin Einladungen zu den technischen Treffen versandt. Hätte Sasol angenommen, dass ExxonMobil nach dem Ausscheiden von Herrn T. nicht mehr an dem Kartell teilnahm, da er keinen Nachfolger ernannt habe, hätte sie nach dem 31. März 2003 keine Einladungen mehr an ExxonMobil versandt.

49. Außerdem hat laut der Antwort von Sasol vom 18. Dezember 2006 auf ein Auskunftsersuchen der Kommission der Nachfolger von Herrn T., Herr Hu., nie an den technischen Treffen teilgenommen, aber zumindest mit Sasol bilaterale Kontakte gehabt.

50. Zweitens können sich die Klägerinnen nicht mit Erfolg auf die Erklärung von Shell vom 16. Juni 2006 berufen, der zufolge Herr S. von Shell nach dem Ausscheiden von Herrn T. keine Preisschreiben an ExxonMobil mehr geschickt habe. Wie die Kommission zu Recht ausführt, kann dieser Umstand auch dadurch erklärt werden, dass es nach dem Ausscheiden von Herrn T. keine Vertrauensperson von Herrn S. bei ExxonMobil gab. Daher ist die von den Klägerinnen angeführte Erklärung kein Beweis für eine Änderung des Verständnisses von Shell hinsichtlich der fortgesetzten Beteiligung von ExxonMobil am Kartell. Jedenfalls hat diese Erklärung keinen Einfluss auf den Schluss, dass Sasol, die Organisatorin der technischen Treffen, ExxonMobil weiterhin als Kartellmitglied wahrgenommen hat, wie sich aus den oben in den Rn. 48 und 49 angeführten Umständen ergibt.

51. Außerdem bestand die in Rede stehende komplexe, einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung in Vereinbarungen oder aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen für Preisfestsetzungen und für den Austausch und die Offenlegung von kommerziell empfindlichen Informationen sowie in der Aufteilung der Kunden und/oder der Märkte. Die Tatsache, dass ExxonMobil keine Preisschreiben von Shell mehr erhielt, betrifft nur einen einzigen Aspekt der Zuwiderhandlung, nämlich einen Teil des Mechanismus zur Kontrolle der Preiserhöhungen, die die Teilnehmer mehrmals bei den technischen Treffen vereinbarten. Die Tatsache, dass Shell ExxonMobil ihre neuen Preise nicht mehr regelmäßig mitteilte, beweist nicht, dass sich ExxonMobil nach der Wahrnehmung der Kartellbeteiligten nicht mehr als an die früheren Verpflichtungen gebunden ansah, die sie im Rahmen der komplexen, einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung eingegangen war.

52. Drittens geht aus der eidesstattlichen Versicherung von Herrn Hu. hervor, dass dieser auf die von Herrn M. von Sasol am 26. Juni 2003 erhaltene Einladung zu einem technischen Treffen antwortete, indem er darauf hinwies, dass er am folgenden Treffen aufgrund einer „Terminkollision“ nicht teilnehmen könne. Ebenso antwortete er auf die Einladung zum Treffen vom 24. September 2003, die er von Herrn M. am 17. Juli 2003 erhalten hatte, dass er Ende September verreisen werde und dass „das technische Treffen für [ihn] nicht verschoben werden sollte“.

53. Diese Reaktionen von Herrn Hu. stellen auch das Vorbringen der Klägerinnen in Frage, dass sich ExxonMobil nach dem Ausscheiden von Herrn T. am 31. März 2003 der Wahrnehmung nach vom Kartell distanziert habe. Wäre nach der Wahrnehmung der anderen Beteiligten ExxonMobil nicht mehr Kartellmitglied gewesen, wären erstens keine E-Mails an ihren Vertreter gerichtet worden, um den Zeitpunkt des nächsten technischen Treffens festzulegen. Zweitens kann vernünftigerweise nicht angenommen werden, dass sich Herr Hu., wenn sich ExxonMobil nach dem Verständnis der Kartellbeteiligten vom Kartell distanziert hätte, in einem E-Mail-Austausch, mit dem ein für alle Beteiligten passender Zeitpunkt gefunden werden sollte, auf „Terminkollisionen“ berufen hätte, da ein solches Verhalten den Eindruck bei den anderen Mitgliedern erweckt, dass er für die fortgesetzte Beteiligung offen war.

54. Daher ist die Würdigung der Kommission, wonach ExxonMobil von den anderen Beteiligten bis zum 20. November 2003 mangels offener Distanzierung als Kartellmitglied wahrgenommen worden war, zu bestätigen.

Zur fehlenden Kenntnis der Mitarbeiter von ExxonMobil von der Beteiligung an der Zuwiderhandlung nach dem Ausscheiden von Herrn T.

55. Die Klägerinnen machen geltend, man könne von ExxonMobil keine offene Distanzierung verlangen, da es keinen Beweis dafür gebe, dass ExxonMobil nach dem Ausscheiden von Herrn T. Kenntnis von dessen früherer Beteiligung an der Zuwiderhandlung gehabt habe, und die vorliegenden Beweise im Gegenteil zeigten, dass Herr T. den wettbewerbswidrigen Inhalt der technischen Treffen seiner Geschäftsführung und seinen Kollegen bewusst verheimlicht habe.

– Zu den verfahrensrechtlichen Fragen

56. Es ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission als Anhang ihrer Gegenerwiderung schriftliche Beweise vorgelegt hat, um das Vorbringen der Klägerinnen, wonach Herr T. der einzige Mitarbeiter von ExxonMobil gewesen sei, der von der Beteiligung Letzterer an der Zuwiderhandlung gewusst habe, zu widerlegen.

57. In ihrer Antwort vom 21. Dezember 2010 auf die schriftlichen Fragen des Gerichts haben die Klägerinnen detaillierte Erklärungen zu diesen Beweisen im Anhang der Gegenerwiderung abgegeben, auch wenn diese Fragen dieses Thema nicht betrafen.

58. Erstens hat die Kommission mit Schreiben vom 10. Februar 2011 beantragt, das Gericht möge bestimmte Passagen der Antworten der Klägerinnen auf die schriftlichen Fragen des Gerichts aus der Akte entfernen, während sich die Klägerinnen in ihrem Schreiben vom 11. März 2011 gegen die teilweise Entfernung des fraglichen Dokuments aus der Akte ausgesprochen haben.

59. Es ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerinnen, wie die Kommission bemerkt, in ihren Antworten auf die schriftlichen Fragen des Gerichts nicht bloß die Fragen des Gerichts beantworten und den Kontext dieser Antworten erklären, sondern auch auf die von der Kommission in ihrer Gegenerwiderung vorgetragenen Argumente und die Beweise in deren Anhang eingegangen sind.

60. Eine schriftliche Antwort auf die Gegenerwiderung ist in der Verfahrensordnung nicht vorgesehen. Die Klägerinnen konnten jedoch, da das Gericht keine Gelegenheit hatte, vor der mündlichen Verhandlung über die Zulässigkeit jedes Punktes dieser Antwort zu entscheiden, annehmen, dass ihre Antworten in vollem Umfang zu den Akten genommen werden, und daher bestimmte Passagen in der mündlichen Verhandlung nicht wiederholen, auch wenn sie Gelegenheit dazu hatten.

61. Außerdem ist das Gericht der Ansicht, dass die Erklärungen der Klägerinnen zu den Beweisen im Anhang der Gegenerwiderung für die Entscheidung des Rechtsstreits von Nutzen sind. Daher kann das Gericht aus Gründen der Verfahrensökonomie entscheiden, die in Rede stehenden Erklärungen in der Akte zu belassen, da es im Rahmen einer prozessleitenden Maßnahme die Klägerinnen zur Stellungnahme zu diesen Beweisen auffordern hätte können.

62. Somit entscheidet das Gericht im Hinblick auf das Kriterium des fairen Verfahrens wie auch auf die Verfahrensökonomie, den Antrag der Kommission auf Entfernung eines Schriftstücks zurückzuweisen und die Antworten der Klägerinnen auf die Fragen des Gerichts in vollem Umfang zur Akte zu nehmen.

63. Zweitens machen die Klägerinnen in diesen Antworten auf die schriftlichen Fragen des Gerichts geltend, die Kommission hätte die verspätete Vorlage der Beweise im Anhang der Gegenerwiderung begründen müssen. Mangels einer solchen Begründung seien diese Beweise unzulässig.

64. Nach Art. 48 § 1 der Verfahrensordnung können Parteien in der Erwiderung oder in der Gegenerwiderung zwar noch Beweismittel benennen, müssen die Verspätung jedoch begründen.

65. Im vorliegenden Fall haben die Klägerinnen in der Erwiderung ihre Ansicht, dass ExxonMobil nach dem Ausscheiden von Herrn T. keine Kenntnis vom Kartell gehabt habe und dass keiner ihrer Mitarbeiter nach diesem Zeitpunkt Kenntnis von dem Kartell gehabt habe, erheblich weiterentwickelt und untermauert. Da sich die Kommission bei der Darlegung der Beweise im Anhang der Gegenerwiderung auf dieses Vorbringen in der Erwiderung bezogen hat, sind die Gründe, aus denen die Kommission diese Beweise zum ersten Mal in der Gegenerwiderung vorgelegt hat, klar verständlich. Außerdem hat die Kommission in der mündlichen Verhandlung näher dargelegt, dass die Beweise im Anhang der Gegenerwiderung in Beantwortung des Vorbringens der Klägerinnen in der Erwiderung und in deren Anlage C 1 vorgelegt worden seien.

66. Daher ist das Gericht der Ansicht, dass die Kommission die verspätete Einreichung der Beweise ausreichend begründet hat, so dass diese zulässig sind.

– Zur Begründetheit

67. Die Klägerinnen nehmen auf die eidesstattliche Versicherung von Herrn Hu., dem Mitarbeiter von ExxonMobil, dem Herr T. damals berichtet habe, Bezug. Er habe erklärt, dass Herr T. ihn über die von Sasol organisierten technischen Treffen Ende März 2003 unterrichtet habe, als dieser sein Ausscheiden vorbereitet habe. Herr T. habe nicht erwähnt, dass auch marktbezogene Fragen besprochen worden seien. Herr Hu. habe erklärt, dass er keinen Nachfolger für Herrn T. ernannt, sondern zunächst beabsichtigt habe, selbst an einem der Treffen teilzunehmen, da er nicht ganz verstanden habe, worin die technischen Gespräche bei diesen Treffen bestanden hätten, und er habe feststellen wollen, ob es „die Mühe wert“ gewesen sei, dass ExxonMobil daran weiterhin teilnehme. Herr Hu. habe bekräftigt, dass damals kein Grund für die Annahme bestanden habe, dass diese Treffen einen wettbewerbswidrigen Inhalt hätten oder dass Herr T. regelmäßig an wettbewerbswidrigen Treffen teilgenommen habe, von denen er sich selbst im Namen von ExxonMobil hätte distanzieren müssen.

68. Es ist darauf hinzuweisen, dass diese Tatsachenbehauptung der Klägerinnen in unmittelbarem Widerspruch zu den Unterlagen in der Akte steht, auch wenn das Gericht entschieden hat, bestimmte von der Kommission im Anhang der Gegenerwiderung vorgelegte Schriftstücke im Hinblick auf die Erklärungen der Klägerinnen in ihren Antworten auf die schriftlichen Fragen nicht zu berücksichtigen. Aus der Akte ergibt sich nämlich, dass Herrn Hu. (Manager für Spezialprodukte für bestimmte Mitgliedstaaten der Union bei Mobil von 1996 bis 2000 und Sales Manager für Wachse und Wachsemulsionen der ExxonMobil-Gruppe auf mehreren Kontinenten ab dem Jahr 2000), dem Herr T. im streitigen Zeitraum berichtete, die Beteiligung von ExxonMobil an der Zuwiderhandlung bekannt war.

69. Dazu heißt es in einer E-Mail von Herrn J. von Mobil vom 28. Juni 1999, die an eine Reihe von Adressaten, darunter die Herren Hu. und P. von ExxonMobil, gerichtet ist, zu einem für den 9. Juli 1999 in Wien (Österreich) vorgesehenen technischen Treffen, dass „[Sü. von Sasol] … Hersteller dazu bringen [will], Produktionsgrenzen am unteren Ende freiwillig einzuschränken, um Marktzutrittsschranken zu schaffen“, und dass „[das] Interesse von Mobil … [s]einer Ansicht nach [ist], grundsätzlich den Ansatz von [Herrn] S[ü.] zu unterstützen“ (154. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

70. Zudem unterrichtete Herr Hu. mit interner E-Mail vom 12. September 1997 die Adressaten von seiner Absicht, die von Herrn Sü. von Sasol angekündigten Preiserhöhungen anzuwenden. Einer der Adressaten, Herr Su. von ExxonMobil, antwortete Folgendes:

„[D]anke, gute Nachricht. Ich/Wir würde(n) gerne die anderen dazu anregen, auch zu folgen.“

71. Mit E-Mail vom 10. Oktober 2000, die Herr Hu. an Herrn P. und Herrn S. von ExxonMobil sandte, wurde darauf hingewiesen, dass „sich der Markt auf eine Preiserhöhung von 15 DM (Mindestniveau 140 DM) ab Januar 2001 vorbereitet“. In ihrer Antwort auf die schriftlichen Fragen des Gerichts tragen die Klägerinnen eine andere Erklärung vor, nach der Herr Hu. die Information über die Preiserhöhung nicht von Wettbewerbern erhalten habe, sondern aus anderen Quellen, insbesondere von Kunden. Eine solche Erklärung ist jedoch zurückzuweisen. Es ist nämlich nicht plausibel, dass die Kunden von ExxonMobil, die ein Interesse an anhaltend niedrigen Preisen haben, ihm einen genauen Betrag der Preiserhöhung (und ein Mindestpreisniveau) in Verbindung mit einem genauen Zeitpunkt übermittelt hätten.

72. Mit E-Mail vom 13. November 2000 teilte Herr Hu. Herrn K. von ExxonMobil mit, dass „die allgemeine Botschaft auf dem europäischen Markt eine Erhöhung von 15 % ist“.

73. Die E-Mail vom 19. November 2000, die von Herrn Hu. an Herrn P. von ExxonMobil übermittelt wurde und den Betreff „Preiserhöhung bei Wachsen“ hatte, zeigt, dass Ersterer vom Austausch von Preislisten unter Wettbewerbern wusste. Laut dieser E-Mail „hat [Herr C. von ExxonMobil] noch eine Menge Informationen (Schreiben zu den Wachsen) (EWF, [Herr Sü], Total) erhalten“. Diese E-Mail war Teil einer Reihe von E-Mails, darunter eine ältere E-Mail von Herrn C. von ExxonMobil, mit der Herrn Hu. mitgeteilt worden war, dass „Total und [Herr Sü. von Sasol] ein offizielles Schreiben an die Kunden übermittelt [hatten,] (das die Kunden [von ExxonMobil] bereits erhalten hatten), um sie über die nächste Preiserhöhung am 1. Januar 2001 zu informieren“, und auf die Herr Hu. mit E-Mail geantwortet hatte: „Danke [Herr C.], ich weiß“.

74. Diese Unterlagen belegen eindeutig, dass Herrn Hu. die Beteiligung von ExxonMobil an der Zuwiderhandlung bekannt war, da sie vom Erhalt geschäftlicher Daten der anderen Beteiligten durch Herrn Hu. und der Anpassung des Geschäftsverhaltens von ExxonMobil im Hinblick auf diese Informationen zeugen.

75. Das Gericht ist der Auffassung, dass die eidesstattliche Versicherung von Herrn Hu. vom 6. August 2007 die Feststellung oben in Rn. 74 nicht in Frage stellen kann. Wie die Kommission nämlich darlegt, wurde dieses Schriftstück erstellt, nachdem die Klägerinnen die Mitteilung der Beschwerdepunkte erhalten hatten, um ihre Interessen vor der Kommission zu verteidigen. Die bei den Nachprüfungen gefundenen Unterlagen haben jedoch höheren Beweiswert als die von den Vertretern oder früheren Vertretern der beschuldigten Unternehmen in tempore suspecto abgegebenen Erklärungen, mit der deren Verantwortlichkeit gemindert werden soll (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichts vom 27. September 2006, Archer Daniels Midland/Kommission, T‑59/02, Slg. 2006, II‑3627, Rn. 277, und vom 8. Juli 2008, Lafarge/Kommission, T‑54/03, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Rn. 379).

76. Außerdem hat Herr Hu., wie die E-Mails vom 10. Oktober und 19. November 2000 belegen (siehe oben, Rn. 71 und 73), Herrn P. (Manager für Spezialwachse für Europa, Afrika und den Mittleren Osten) hinreichend Informationen über die Preise der Wettbewerber und ihr Geschäftsverhalten übermittelt, so dass Letzterer erkennen konnte, dass ExxonMobil an den wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen beteiligt war. Herr P. war bis zum Jahr 2005 bei ExxonMobil beschäftigt.

77. Schließlich machen die Klägerinnen geltend, das Gericht dürfe bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung die oben in den Rn. 69 bis 73 angeführten schriftlichen Beweise nicht berücksichtigen, da sie von der Kommission im Anhang ihrer Gegenerwiderung vorgelegt worden seien, so dass sie verspätete Beweise darstellten.

78. Dem kann nicht gefolgt werden.

79. Erstens hat nämlich die Kommission im 154. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung auf das oben in Rn. 69 angeführte Dokument Bezug genommen. Zweitens wurden alle oben in den Rn. 69 bis 73 genannten Unterlagen in den Räumlichkeiten von ExxonMobil gefunden und waren außerdem Teil der Akte, zu der die Klägerinnen im Verwaltungsverfahren Zugang gehabt hatten, so dass ihr Inhalt Letzteren bekannt war. Daher handelt es sich nicht um neue Informationen, die von der Kommission zum ersten Mal vor dem Gericht geltend gemacht wurden. Drittens ist festzustellen, dass die Klägerinnen vor dem Gericht und insbesondere in der Erwiderung ihre Ansicht, dass ExxonMobil nach dem Ausscheiden von Herrn T. keine Kenntnis von dem Kartell gehabt habe, und dass keiner ihrer Mitarbeiter nach diesem Zeitpunkt Kenntnis von dem Kartell gehabt habe, erheblich weiterentwickelt und untermauert haben, während sie sich in ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte auf die eidesstattliche Versicherung von Herrn Hu. konzentriert hatten. Die Wahrung der Verteidigungsrechte der Kommission verlangt jedoch, dass dieser gestattet wird, die von den Klägerinnen vor dem Gericht aufgestellten Tatsachenbehauptungen zu widerlegen, indem sie sich auf Bestandteile der Verwaltungsakte stützt, zu denen die Klägerinnen im Verfahren vor der Kommission Zugang hatten.

80. Nach alledem ist das Vorbringen der Klägerinnen, dass ExxonMobil nach dem Ausscheiden von Herrn T. keine Kenntnis von ihrer Beteiligung an dem Kartell gehabt habe, zurückzuweisen.

81. Viertens machen die Klägerinnen geltend, die Teilnahme von Herrn T. an den technischen Treffen habe keine Auswirkungen gehabt, die über das letzte technische Treffen, an dem er teilgenommen habe, nämlich dem vom 27. und 28. Februar 2003, hätten fortbestehen können.

82. Zunächst sind im Hinblick auf die Erwägungen oben in den Rn. 74 bis 80 die hierzu vorgetragenen Argumente der Klägerinnen zurückzuweisen, soweit sie sich auf die Behauptung stützen, dass Herr T. der einzige Mitarbeiter von ExxonMobil gewesen sei, dem die Beteiligung Letzterer am Kartell bekannt gewesen sei.

83. Sodann ist nach der Rechtsprechung das Verhalten eines redlichen Wettbewerbers dadurch gekennzeichnet, dass er selbständig die Politik bestimmt, die er auf dem Gemeinsamen Markt zu betreiben gedenkt. Selbst wenn das fragliche Unternehmen an den Tätigkeiten des Kartells nach einem bestimmten Zeitpunkt nicht teilgenommen hat, kann man davon ausgehen, dass es die mit seinen Wettbewerbern ausgetauschten Informationen zur Bestimmung seines Marktverhaltens genutzt hat (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 8. Juli 1999, Kommission/Anic Partecipazioni, C‑49/92 P, Slg. 1999, I‑4125, Rn. 121, Hüls/Kommission, C‑199/92 P, Slg. 1999, I‑4287, Rn. 162, und Urteil des Gerichts vom 29. November 2005, Union Pigments/Kommission, T‑62/02, Slg. 2005, II‑5057, Rn. 39).

84. Die bloße Tatsache, dass ExxonMobil nicht an den technischen Treffen teilnahm, die zwischen dem 28. Februar und dem 20. November 2003 stattfanden, hinderte sie keineswegs daran, die Informationen über die von ihren Wettbewerbern angewandten Preise, die sie bei Dutzenden von früheren technischen Treffen, an denen sie teilgenommen hatte, erhalten hatte, zu verwenden und von den Vereinbarungen über die Aufteilung der Märkte und Kunden, die bei den vorausgehenden technischen Treffen festgelegt worden waren, zu profitieren.

85. Daher ist die Kommission in der angefochtenen Entscheidung zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klägerin bis zum 20. November 2003 am Kartell beteiligt war.

86. Nach alledem ist der zweite Klagegrund der Klägerinnen zurückzuweisen.

Zum ersten Klagegrund: Rechtsfehler bei der Berechnung der Geldbuße aufgrund der Nichtberücksichtigung der fehlenden Beteiligung von Exxon an der Zuwiderhandlung vor der Fusion

87. Die Klägerinnen beanstanden die Berechnung der gegen Esso France verhängten Geldbuße aus dem Grund, dass sie die Tatsache nicht widerspiegle, dass Exxon vor der Exxon-Mobil-Fusion im November 1999 nicht an der Zuwiderhandlung teilgenommen habe.

Vorbemerkungen

88. Nach Ziff. 13 der Leitlinien von 2006 verwendet die Kommission für die Berechnung der Geldbuße im Regelfall den Umsatz des Unternehmens im letzten vollständigen Geschäftsjahr, in dem das Unternehmen an der Zuwiderhandlung beteiligt war.

89. Im vorliegenden Fall war das letzte vollständige Geschäftsjahr der Zuwiderhandlung das Jahr 2004 für die Unternehmen, die am Kartell bis zu seinem Ende beteiligt waren, und das Jahr 2002 für ExxonMobil. Die Kommission hat jedoch als Referenzjahr nicht das letzte vollständige Jahr der Beteiligung am Kartell zugrunde gelegt, sondern aufgrund der Erweiterungen der Union im Jahr 2004 den Durchschnitt der letzten drei vollständigen Jahre (634. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Die Kommission hat den durchschnittlichen Umsatz der letzten drei Jahre der Beteiligung für alle Kartellbeteiligten berechnet.

90. Außerdem hat die Kommission den von den Klägerinnen in ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte gestellten Antrag, die Tatsache zu berücksichtigen, dass Exxon an der Zuwiderhandlung vor der Exxon-Mobil-Fusion nicht beteiligt gewesen sei, mit folgenden Ausführungen zurückgewiesen:

„ExxonMobil fordert die Kommission auf, bei der Beteiligung von ExxonMobil jeweils einen Zeitraum vor und nach dem Zusammenschluss zu unterscheiden und im Zeitraum vor dem Zusammenschluss nur die Umsätze von Mobil zu berücksichtigen, weil Exxon damals noch nicht an der Zuwiderhandlung beteiligt gewesen sei. ExxonMobil argumentiert, die Kommission dürfe das Jahr 2002 nicht einbeziehen; sie müsse berücksichtigen, dass Exxon von 1992 bis 2000 nicht an der Zuwiderhandlung beteiligt gewesen sei … Die Kommission teilt diese Ansicht nicht. Die Leitlinien … [von] 2006 sehen vor, dass im Regelfall das letzte vollständige Geschäftsjahr der Beteiligung an der Zuwiderhandlung als Bezugsjahr angenommen wird; für ExxonMobil ist dies das Jahr 2002. ExxonMobil führt keine Argumente dafür an, dass dies in dieser Sache anders gehandhabt werden müsse. Da sich Exxon und Mobil 1999 zusammengeschlossen haben, erkennt die Kommission nicht, warum die Umsätze von ExxonMobil im Jahre 2002 nicht berücksichtigt werden sollten. Wie in Abschnitt 6.2.2 [vgl. Erwägungsgründe 348 bis 352 der angefochtenen Entscheidung] erläutert, liegt die Verantwortung für die Beteiligung von Mobil bei ExxonMobil, und gegen dieses Unternehmen wird die Geldbuße verhängt; entsprechend sind die Umsätze von ExxonMobil zu berücksichtigen.“

91. Auf der Grundlage dieser Erwägungen hat die Kommission den durchschnittlichen Umsatz der ExxonMobil-Gruppe in den Jahren 2000 bis 2002 für die Berechnung der Geldbuße herangezogen. Die Geldbuße aller Klägerinnen, einschließlich der von Esso France, wurde auf der Grundlage dieses Umsatzes berechnet.

Zur Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung

92. Die Klägerinnen machen geltend, die Kommission habe bei der Berechnung der gegen Esso France verhängten Geldbuße einen Fehler begangen, indem sie den Umsatz nach der Fusion der ExxonMobil-Gruppe (den Durchschnitt der Jahre 2000 bis 2002) zugrunde gelegt und ihn auch mit der Anzahl der Jahre (1992 bis 1999) multipliziert habe, in denen nur Mobil (über Mobil France, die anschließend von Esso France übernommen worden sei) am Kartell beteiligt gewesen sei, während Exxon kein Kartellmitglied gewesen sei.

93. Damit habe die Kommission gegen Esso France eine Geldbuße in derselben Höhe verhängt, wie wenn Exxon in dem Zeitraum von etwas mehr als sieben Jahren vor der Fusion (von 1992 bis 1999) tatsächlich an der Zuwiderhandlung teilgenommen hätte. Dieser Ansatz sei mit den Tatsachenfeststellungen in der angefochtenen Entscheidung unvereinbar. Außerdem verstoße er gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit sowie gegen Art. 23 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 und die Leitlinien von 2006.

94. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass nach Ziff. 6 der Leitlinien von 2006 die Verbindung des Umsatzes auf den vom Verstoß „betroffenen Märkten“ mit der Dauer des Verstoßes eine Formel darstellt, die die wirtschaftliche Bedeutung der Zuwiderhandlung und das jeweilige Gewicht des einzelnen an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmens angemessen wiedergibt.

95. Nach der Rechtsprechung kann die Kommission zwar in der Regel bei der Berechnung des Umsatzes auf das letzte Jahr der Beteiligung an der Zuwiderhandlung als Referenzzeitraum abstellen; es muss aber nicht immer so verfahren werden. Es ist nämlich eine Berechnungsmethode zu wählen, die es ermöglicht, Größe und Wirtschaftskraft eines jeden betroffenen Unternehmens sowie das Ausmaß der begangenen Zuwiderhandlung anhand der tatsächlichen wirtschaftlichen Lage zur Zeit der Begehung der Zuwiderhandlung zu berücksichtigen (Urteil des Gerichtshofs vom 16. November 2000, Sarrió/Kommission, C‑291/98 P, Slg. 2000, I‑9991, und Urteil des Gerichts vom 13. September 2010, Trioplast Industrier/Kommission, T‑40/06, Slg. 2010, II‑4893, Rn. 92).

96. Ist auf den Umsatz der an ein und derselben Zuwiderhandlung beteiligt en Unternehmen abzustellen, um das Verhältnis zwischen den festzusetzenden Geldbußen zu bestimmen, so muss außerdem der zu berücksichtigende Zeitraum so abgegrenzt werden, dass die ermittelten Umsatzzahlen möglichst gut vergleichbar sind. Folglich kann ein bestimmtes Unternehmen nur dann verlangen, dass die Kommission bei ihm auf einen anderen als den im Allgemeinen herangezogenen Zeitraum abstellt, wenn es nachweist, dass der von ihm im letztgenannten Zeitraum erzielte Umsatz aus für dieses Unternehmen spezifischen Gründen weder für seine wirkliche Größe und seine Wirtschaftskraft noch für das Ausmaß der von ihm begangenen Zuwiderhandlung einen Anhaltspunkt bietet (Urteil des Gerichts vom 14. Mai 1998, Fiskeby Board/Kommission, T‑319/94, Slg. 1998, II‑1331, Rn. 42).

97. Die Klägerinnen bestreiten nicht, dass der Durchschnitt der Umsätze von ExxonMobil, die von 2000 bis 2002 auf den vom Kartell betroffenen Märkten erzielt wurden, das Ausmaß der von ihnen begangenen Zuwiderhandlung und ihr jeweiliges Gewicht im Kartell für den Zeitraum nach der Fusion, d. h. von November 1999 bis November 2003 (vier Jahre), zutreffend widerspiegelt. Sie beanstanden dagegen, dass der Grundbetrag, der anhand dieses Umsatzes berechnet worden sei, für Esso France mit 11,5 multipliziert worden sei und dass daher die Kommission den Umsatz von ExxonMobil nach der Fusion für den Zeitraum von September 1992 bis November 1999 (siebeneinhalb Jahre) verwendet habe, in dem Mobil am Kartell allein beteiligt gewesen sei. Der Umsatz nach der Fusion der ExxonMobil-Gruppe spiegle das jeweilige Gewicht von Mobil in der Zuwiderhandlung für den Zeitraum von September 1992 bis November 1999 nicht wider.

98. Die Kommission trägt vor, der durchschnittliche Umsatz von ExxonMobil der Jahre 2000 bis 2002 spiegle das jeweilige Gewicht von ExxonMobil im Kartell während eines bedeutenden Teils der Dauer des Kartells, nämlich des Zeitraums nach der Fusion, zutreffend wider, so dass diese Umsätze repräsentativ gewesen seien. Außerdem bezieht sie sich auf das weite Ermessen, über das sie bei der Wahl des Referenzzeitraums verfüge, und auf die einschlägige Rechtsprechung.

99. Erstens belassen nach der Rechtsprechung die in Art. 23 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 genannten Kriterien der Schwere und der Dauer der Zuwiderhandlung der Kommission bei der Berechnung der Geldbuße ein weites Ermessen, was dieser erlaubt, Sanktionen unter Berücksichtigung des Grades der Rechtswidrigkeit des fraglichen Verhaltens zu verhängen (Urteile des Gerichts vom 5. April 2006, Degussa/Kommission, T‑279/02, Slg. 2006, II‑897, Rn. 76, und vom 8. Oktober 2008, Schunk und Schunk Kohlenstoff-Technik/Kommission, T‑69/04, Slg. 2008, II‑2567, Rn. 37).

100. Außerdem hat die Kommission bei der Festsetzung von Geldbußen wie der im vorliegenden Fall in Rede stehenden die allgemeinen Rechtsgrundsätze und insbesondere die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit zu beachten (Urteile Degussa/Kommission, oben in Rn. 99 angeführt, Rn. 77 und 79, und Schunk und Schunk Kohlenstoff-Technik/Kommission, oben in Rn. 99 angeführt, Rn. 41).

101. Zweitens ist nach der Rechtsprechung der Grundsatz der Gleichbehandlung nur verletzt, wenn vergleichbare Sachverhalte unterschiedlich behandelt oder unterschiedliche Sachverhalte gleich behandelt werden, es sei denn, dass eine derartige Behandlung objektiv gerechtfertigt wäre (Urteil des Gerichtshofs vom 13. Dezember 1984, Sermide, 106/83, Slg. 1984, 4209, Rn. 28, und Urteil des Gerichts vom 4. Juli 2006, Hoek Loos/Kommission, T‑304/02, Slg. 2006, II‑1887, Rn. 96).

102. Im vorliegenden Fall war ExxonMobil jedoch in einer anderen Situation als die anderen am Kartell beteiligten Unternehmen, da fast die Hälfte ihrer Paraffinwachsproduktion – die Produktion von Exxon – vor der Exxon-Mobil-Fusion im Jahr 1999 vom Kartell nicht betroffen war. Dagegen hat die Kommission die anderen Kartellbeteiligten und ExxonMobil gleich behandelt, soweit sie den durchschnittlichen Umsatz von ExxonMobil in den letzten drei Jahren ihrer Beteiligung zugrunde gelegt hat.

103. Somit hat die Kommission gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen.

104. Drittens sind die Rügen eines Verstoßes gegen Art. 23 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 und eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zusammen zu prüfen.

105. Nach Art. 23 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 ist bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße sowohl die Schwere der Zuwiderhandlung als auch deren Dauer zu berücksichtigen.

106. Nach der Rechtsprechung verlangt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dass die Handlungen der Organe nicht die Grenzen dessen überschreiten, was zur Erreichung der mit der fraglichen Regelung verfolgten legitimen Ziele geeignet und erforderlich ist. Dabei ist, wenn mehrere geeignete Maßnahmen zur Auswahl stehen, die am wenigsten belastende zu wählen; ferner müssen die verursachten Nachteile in angemessenem Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen (Urteile des Gerichtshofs vom 13. November 1990, Fedesa u. a., C‑331/88, Slg. 1990, I‑4023, Rn. 13, und vom 5. Mai 1998, Vereinigtes Königreich/Kommission, C‑180/96, Slg. 1998, I‑2265, Rn. 96; Urteil des Gerichts vom 12. September 2007, Prym und Prym Consumer/Kommission, T‑30/05, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Rn. 223).

107. Im Rahmen der von der Kommission zur Ahndung der Verstöße gegen die Wettbewerbsregeln eingeleiteten Verfahren bedeutet die Anwendung dieses Grundsatzes, dass die Geldbußen nicht außer Verhältnis zu den angestrebten Zielen – d. h. zur Beachtung dieser Regeln – stehen dürfen und die einem Unternehmen wegen einer Zuwiderhandlung im Bereich des Wettbewerbs auferlegte Geldbuße so zu bemessen ist, dass sie bei einer Gesamtwürdigung der Zuwiderhandlung unter besonderer Berücksichtigung ihrer Schwere und Dauer in angemessenem Verhältnis zu ihr steht (vgl. in diesem Sinne Urteil Prym und Prym Consumer/Kommission, oben in Rn. 106 angeführt, Rn. 223 und 224 und die dort angeführte Rechtsprechung). Aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit folgt insbesondere, dass die Kommission die Geldbuße verhältnismäßig nach den Gesichtspunkten festsetzen muss, die sie für die Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung berücksichtigt hat, und dass sie diese Gesichtspunkte dabei schlüssig und objektiv gerechtfertigt bewerten muss (Urteile des Gerichts vom 27. September 2006, Jungbunzlauer/Kommission, T‑43/02, Slg. 2006, II‑3435, Rn. 226 bis 228, sowie Amann & Söhne und Cousin Filterie/Kommission, oben in Rn. 38 angeführt, Rn. 171).

108. Es ist darauf hinzuweisen, dass nach Ziff. 6 der Leitlinien von 2006 „[d]ie Verbindung des Umsatzes auf den vom Verstoß betroffenen Märkten mit der Dauer … eine Formel dar[stellt], die die wirtschaftliche Bedeutung der Zuwiderhandlung und das jeweilige Gewicht des einzelnen an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmens angemessen wiedergibt“. Eine solche Bestimmung enthält die Begründung für die allgemeine von der Kommission nach diesen Leitlinien angewandte Methode, die darin besteht, einen bestimmten Teil des im Referenzzeitraum erzielten Umsatzes (im vorliegenden Fall 18 % für Paraffinwachse) mit der der Zahl der Jahre der Beteiligung an der Zuwiderhandlung zu multiplizieren.

109. Die Tatsache, dass nach dieser Methode der Grundbetrag arithmetisch proportional zur Dauer der Beteiligung an der Zuwiderhandlung ist (mit Ausnahme des durch die „Eintrittsgebühr“ gebildeten kleineren Teils) deutet darauf hin, dass nach der Systematik der Leitlinien von 2006 die Verbindung des Umsatzes mit der Dauer eine Formel darzustellen hat, die die gesamte Dauer der Beteiligung und nicht nur das das letzte vollständige Geschäftsjahr der Beteiligung oder einen „bedeutenden Teil“ von ihr wiedergibt. Eine solche Feststellung ist außerdem aufgrund der oben in Rn. 95 angeführten Rechtsprechung geboten, nach der eine Berechnungsmethode zu wählen ist, die es ermöglicht, Größe und Wirtschaftskraft eines jeden betroffenen Unternehmens sowie das Ausmaß der begangenen Zuwiderhandlung anhand der tatsächlichen wirtschaftlichen Lage zur Zeit der Begehung der Zuwiderhandlung zu berücksichtigen.

110. Der anhand des Umsatzes im Referenzzeitraum berechnete Grundbetrag, der mit dem Koeffizienten für die Dauer multipliziert wird, stellt jedoch nur dann eine Formel dar, die die tatsächliche wirtschaftliche Lage während der gesamten Dauer der Zuwiderhandlung angemessen wiedergibt, wenn der Bestandteil, der ihren Ausgangspunkt bildet – der Umsatz –, zumindest annähernd repräsentativ für die gesamte Dauer der Zuwiderhandlung ist.

111. Zwar erlaubt der Ermessensspielraum, über den die Kommission bei der Berechnung der Geldbuße verfügt, ihr unter gewöhnlichen Umständen, das letzte Jahr der Beteiligung an der Zuwiderhandlung als Referenzzeitraum zu berücksichtigen. Eine solche allgemeine Lösung ist nämlich gerechtfertigt, da dieses Ermessen der Kommission erlaubt, nicht jede Umsatzschwankung in den Jahren der Zuwiderhandlung zu berücksichtigen, und eine Erhöhung des Umsatzes das Ergebnis des Kartells selbst sein kann.

112. Dagegen kann für den Fall, dass eine Fusion während der Dauer des Kartells erfolgt ist, an dem vor der Fusion nur eine der Gesellschaften beteiligt war, der Umsatz der aus der Fusion hervorgehenden Einheit während des letzten vollständigen Geschäftsjahrs, der mit der Zahl der Jahre der Beteiligung nicht nur der aus der Fusion hervorgehenden Einheit, sondern auch der Gesellschaft multipliziert wird, die vor der Fusion allein am Kartell beteiligt war, keine „Formel dar[stellen], die die wirtschaftliche Bedeutung der Zuwiderhandlung und das jeweilige Gewicht des einzelnen an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmens“ für die gesamte Dauer der Beteiligung „angemessen wiedergibt“. Indem die Kommission nämlich den Umsatz der aus der Fusion hervorgehenden Einheit auch mit der Zahl der Jahre multipliziert, in denen nur eine der fusionierten Gesellschaften an der Zuwiderhandlung teilgenommen hat, erhöht sie künstlich den Grundbetrag der Geldbuße auf eine Weise, die die tatsächliche wirtschaftliche Lage in den Jahren vor der Fusion nicht wiedergibt.

113. Dies ist jedoch hier der Fall gewesen, da die Kommission den Grundbetrag für die Festsetzung der Höhe der Geldbuße von Esso France berechnet hat, indem sie den Umsatz der ExxonMobil-Gruppe im Zeitraum von 2000 bis 2002 mit einer Zahl von Jahren multipliziert hat, die die Jahre umfasst, in denen nur Mobil am Kartell beteiligt war (von 1992 bis 1999). Der auf diese Weise ermittelte Grundbetrag steht außer Verhältnis zur Schwere der Zuwiderhandlung, weil er weder die wirtschaftliche Bedeutung der von Mobil France vor der Fusion begangenen Zuwiderhandlung noch ihr jeweiliges Gewicht im Kartell angemessen wiedergibt.

114. Daher hat die Kommission gegen Art. 23 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen.

115. Das weitere Vorbringen der Kommission vermag die oben in den Rn. 103 und 114 dargelegten Erwägungen nicht in Frage zu stellen.

116. Erstens macht die Kommission geltend, sie habe die Exxon-Mobil-Fusion bei der Berechnung der Geldbuße berücksichtigt, da sie Koeffizienten für eine kürzere Dauer für Esso Deutschland, EMC und EMPC angewandt habe.

117. Es ist jedoch festzustellen, dass der von der Kommission berücksichtigte Umsatz von ExxonMobil für die Berechnung der Geldbuße von Esso France den Umsatz aus der Tätigkeit „Hydro-Paraffinwachse“ umfasst, die von Exxon, die vor der Exxon-Mobil-Fusion nicht am Kartell beteiligt gewesen war, übernommen wurde.

118. Somit ist dieses Vorbringen zurückzuweisen.

119. Zweitens sind die Argumente der Kommission betreffend die einschlägige Rechtsprechung zu prüfen.

120. Zunächst hat die Kommission in der mündlichen Verhandlung auf das Urteil vom 3. März 2011, Siemens und VA Tech Transmission & Distribution/Kommission (T‑122/07 bis T‑124/07, Slg. 2011, II‑793, Rn. 124 und 127), Bezug genommen, in dem das Gericht ihre Herangehensweise bestätigt hat, den Umsatz des aus der Fusion der Reyrolle Ltd, der Schneider Electric High Voltage SA und der Nuova Magrini Galileo SpA hervorgegangenen Unternehmens im letzten vollständigen Geschäftsjahr der Zuwiderhandlung für die Berechnung des Ausgangsbetrags für alle diese Gesellschaften heranzuziehen, obwohl deren Fusion erst zwei Jahre vor dem Beginn ihrer Beteiligung an der Zuwiderhandlung erfolgt war.

121. Insoweit genügt der Hinweis, dass, wie die Klägerinnen zutreffend bemerken, Reyrolle, Schneider Electric High Voltage und Nuova Magrini Galileo, anders als Exxon im vorliegenden Fall, vor der Fusion einzeln am Kartell teilgenommen hatten (Urteil Siemens und VA Tech Transmission & Distribution/Kommission, oben in Rn. 120 angeführt, Rn. 19). Das Gericht ist der Auffassung, dass dieser Umstand einen wesentlichen tatsächlichen Unterschied darstellt, so dass sich die Kommission in der vorliegenden Rechtssache nicht mit Erfolg auf dieses Urteil berufen kann.

122. Sodann bezieht sich die Kommission auf das Urteil des Gerichts vom 30. September 2009, Akzo Nobel u. a./Kommission (T‑175/05, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Rn. 139 bis 146), das auch ein Kartell betreffe, während dessen Bestehens die Klägerinnen eine Gesellschaft erworben hätten, die vor dem Zusammenschluss nicht am Kartell beteiligt gewesen sei.

123. Insoweit ist auf das Urteil Akzo Nobel u. a./Kommission, oben in Rn. 122 angeführt, zu verweisen, das in der Rechtssache „Monochloressigsäure“ (im Folgenden: MCE) ergangen ist, in der die Kommission die Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 [KS] festgesetzt werden (ABl. 1998, C 9, S. 3, im Folgenden: Leitlinien von 1998), angewandt hatte.

124. Das Gericht hat in Rn. 143 des Urteils Akzo Nobel u. a./Kommission, oben in Rn. 122 angeführt, entschieden, dass die Heranziehung des im Referenzjahr, nämlich dem letzten vollständigen Geschäftsjahr des zugrunde gelegten Zeitraums der Zuwiderhandlung, von jedem Unternehmen erzielten Umsatzes ermöglicht habe, die Größe und die Wirtschaftskraft jedes Unternehmens sowie das Ausmaß der von jedem von ihnen begangenen Zuwiderhandlung einzuschätzen, wobei diese Gesichtspunkte für die Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung der einzelnen Unternehmen relevant sind.

125. Sodann hat das Gericht die Analyse der Kommission bestätigt, die Akzo Nobel in die erste Kategorie der Zuwiderhandelnden eingestuft hatte, für die der Grundbetrag der Geldbuße auf 30 Mio. Euro festgesetzt worden war, vor Hoechst, die in die zweite Kategorie eingestuft wurde, für die der Grundbetrag der Geldbuße auf 21 Mio. Euro festgesetzt worden war und die während des größten Teils der Dauer ihrer Beteiligung (von 1984 bis 1994) der größte Hersteller von MCE war. Akzo war nämlich von 1984 bis 1999 am Kartell beteiligt, jedoch wurde Akzo Nobel erst im Jahr 1994, nach ihrer Fusion mit Nobel Industrier, die seit 1993 am Kartell beteiligt gewesen war, vor Hoechst der bedeutendste Hersteller von MCE.

126. Insoweit ist festzustellen, dass die allgemeine Methode, der die Kommission nach den Leitlinien von 2006 folgte, sich erheblich von der nach den Leitlinien von 1998 angewandten unterscheidet.

127. In den Leitlinien von 1998 gab es nämlich keine Bestimmung, die die Kommission dazu verpflichtete, den Umsatz der betroffenen Unternehmen auf den von dem Kartell betroffenen Märkten zu berücksichtigen. Der Ausgangsbetrag der Geldbuße war im Hinblick auf die Schwere der Zuwiderhandlung, „die tatsächliche wirtschaftliche Fähigkeit der Urheber der Verstöße, Wettbewerber ... wirtschaftlich in erheblichem Umfang zu schädigen“, sowie „das jeweilige Gewicht und damit die tatsächliche Auswirkung des Verstoßes jedes einzelnen Unternehmens auf den Wettbewerb“ festzusetzen, so dass er „hinreichend abschreckende Wirkung [für das betreffende Unternehmen] entfaltet“.

128. Daher lassen die Leitlinien von 1998 der Kommission einen viel größeren Ermessensspielraum bei der Bestimmung des Ausgangsbetrags der Geldbuße, wobei sie für diese Bestimmung die am Kartell beteiligten Unternehmen oft in mehrere Kategorien, insbesondere in Abhängigkeit von ihren jeweiligen Marktanteilen, unterteilt. In den Leitlinien von 2006 hat sich die Kommission dagegen eine Methode auferlegt, nach der der Grundbetrag arithmetisch proportional zum Umsatz ist, da zur Bestimmung dieses Betrags „ein bestimmter Anteil am Umsatz, der sich nach der Schwere des Verstoßes richtet, mit der Anzahl der Jahre der Zuwiderhandlung multipliziert“ wird, zu dem ein „Eintrittsgebühr“ genannter Betrag zwischen 15 % und 25 % des Umsatzes hinzugefügt wird, um die Unternehmen von der Beteiligung an den schwerwiegendsten Vereinbarungen abzuschrecken.

129. Folglich ist das Ergebnis des Urteils Akzo Nobel u. a./Kommission, oben in Rn. 122 angeführt, zur Anwendung der Leitlinien von 1998 in Anbetracht der von der Kommission in der angefochtenen Entscheidung, die auf der Grundlage der Leitlinien von 2006 erlassen wurde, angewandten unterschiedlichen Methode auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar.

130. Nach alledem ist dem ersten Klagegrund stattzugeben und die angefochtene Entscheidung hinsichtlich Esso France in Bezug auf die Berechnung des Umsatzes für Paraffinwachse für nichtig zu erklären, ohne die weiteren Rügen und das weitere Vorbringen der Klägerinnen zu prüfen. Die Schlüsse, die hieraus für die Festsetzung der Höhe der Geldbuße zu ziehen sind, werden unten in den Rn. 134 ff. untersucht.

131. Im Übrigen ist die Klage abzuweisen.

Zur Ausübung der Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung und zur Festsetzung des endgültigen Betrags der Geldbuße

132. Die Kontrolle der Rechtmäßigkeit der von der Kommission erlassenen Entscheidungen wird durch die Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung ergänzt, die den Unionsgerichten in Art. 31 der Verordnung Nr. 1/2003 gemäß Art. 261 AEUV eingeräumt ist. Diese Befugnis ermächtigt die Gerichte über die reine Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Zwangsmaßnahme hinaus dazu, die Beurteilung der Kommission durch ihre eigene Beurteilung zu ersetzen und demgemäß die verhängte Geldbuße oder das verhängte Zwangsgeld aufzuheben, herabzusetzen oder zu erhöhen. Die in den Verträgen vorgesehene Kontrolle bedeutet somit – im Einklang mit den Anforderungen des Grundsatzes des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes gemäß Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union –, dass die Unionsgerichte sowohl in rechtlicher als auch in tatsächlicher Hinsicht eine Kontrolle vornehmen und befugt sind, die Beweise zu würdigen, die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären und die Höhe der Geldbußen zu ändern (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 8. Februar 2007, Groupe Danone/Kommission, C‑3/06 P, Slg. 2007, I‑1331, Rn. 60 bis 62, und Urteil des Gerichts vom 21. Oktober 2003, General Motors Nederland und Opel Nederland/Kommission, T‑368/00, Slg. 2003, II‑4491, Rn. 181).

133. Das Gericht hat daher im Rahmen seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung zu dem Zeitpunkt, zu dem es seine Entscheidung erlässt, zu bewerten, ob gegen die klägerischen Parteien eine Geldbuße verhängt wurde, deren Höhe die Schwere und die Dauer der fraglichen Zuwiderhandlung so zutreffend widerspiegelt, dass diese Geldbuße gemessen an den in Art. 23 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 vorgesehenen Kriterien verhältnismäßig ist (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichts vom 11. März 1999, Aristrain/Kommission, T‑156/94, Slg. 1999, II‑645, Rn. 584 bis 586, und vom 9. Juli 2003, Cheil Jedang/Kommission, T‑220/00, Slg. 2003, II‑2473, Rn. 93). Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die Ausübung der Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung nicht einer Prüfung von Amts wegen entspricht und dass das Verfahren vor den Gerichten der Union ein streitiges Verfahren ist.

134. Um die von der Kommission begangenen, oben in den Rn. 103 und 114 festgestellten Rechtsverletzungen zu bereinigen, ist auf gesonderte Umsätze für die Zeiträume vor und nach der Exxon-Mobil-Fusion abzustellen.

135. Was die Beteiligung von Esso France an der Zuwiderhandlung im Zeitraum vom 3. September 1992 bis zum 29. November 1999 betrifft, ist mangels verfügbarer Daten für das Jahr 1999 der Umsatz von Esso France im Jahr 2000 zu berücksichtigen und mit dem Koeffizienten von 7,5 zu multiplizieren, um die Dauer dieses Teils der Zuwiderhandlung widerzuspiegeln.

136. Hinsichtlich der Beteiligung von Esso France an der Zuwiderhandlung nach der Exxon-Mobil-Fusion vom 30. November 1999 bis zum 20. November 2003 ist der Umsatz der ExxonMobil-Gruppe zu berücksichtigen, wie er von der Kommission in der angefochtenen Entscheidung festgesetzt wurde, d. h. der Durchschnitt des Umsatzes, der in den Jahren 2000 bis 2002 erzielt wurde. Sodann ist dieser Betrag mit einem Koeffizienten von 4 zu multiplizieren, um der Dauer dieses Teils der Zuwiderhandlung Rechnung zu tragen.

137. Die übrigen Gesichtspunkte der Berechnung der Geldbuße bleiben unverändert. Insbesondere stellt das Gericht fest, dass die Kommission gemäß Ziff. 30 der Leitlinien von 2006 aufgrund der Größe der ExxonMobil-Gruppe einen Multiplikationsfaktor von 2 zur Abschreckung angewandt hat, bei dessen Festsetzung sie nur den Anteil der Umsätze am Gesamtumsatz von ExxonMobil berücksichtigt und gleichzeitig die Verhältnismäßigkeit mit den auf die anderen am Kartell beteiligten Unternehmen angewandten Multiplikationsfaktoren sichergestellt hat, ohne zur Abschreckung eine Untergrenze der Geldbuße festzusetzen (vgl. Erwägungsgründe 712 und 713 der angefochtenen Entscheidung). Unter diesen Umständen ist das Gericht mangels gegenteiliger Argumente und Beweismittel der Auffassung, dass in derselben Weise vorzugehen und aufgrund der Größe der ExxonMobil-Gruppe ein Multiplikationsfaktor von 2 auf den Grundbetrag der gegen Esso France verhängten Geldbuße anzuwenden ist, wie er nach der oben in den Rn. 135 und 136 beschriebenen Methode berechnet wurde. Daraus folgt, dass die in Art. 2 der angefochtenen Entscheidung gegen Esso France verhängte Geldbuße auf 62 712 895 Euro festzusetzen ist.

138. Jedenfalls ist das Gericht in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung der Ansicht, dass die Höhe der so festgesetzten Geldbuße unter Berücksichtigung der Schwere und des Zeitraums der Zuwiderhandlung von Esso France angemessen ist.

Kosten

139. Nach Art. 87 § 3 der Verfahrensordnung kann das Gericht die Kosten teilen oder beschließen, dass jede Partei ihre eigenen Kosten trägt, wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt.

140. Im vorliegenden Fall hat das Gericht dem ersten Klagegrund der Klägerinnen betreffend Fehler der Kommission bei der Berechnung der gegen Esso France verhängten Geldbuße hinsichtlich des Zeitraums der Beteiligung vor der Exxon-Mobil-Fusion stattgegeben. Das Vorbringen zu diesem Klagegrund stellte den größten Teil der Klageschrift dar, deren Umfang im Übrigen wesentlich geringer war als die maximale Seitenzahl für Schriftsätze, wie in Nr. 15 der Praktischen Anweisungen für die Parteien vor dem Gericht festgelegt. Hingegen wurde das Vorbringen im Rahmen des zweiten Klagegrundes zur Stützung des Antrags auf Herabsetzung der Geldbuße für den Zeitraum der Beteiligung am Kartell nach der Exxon-Mobil-Fusion zur Gänze zurückgewiesen. Die gesamtschuldnerisch gegen Esso Deutschland, EMPC und EMC verhängte Geldbuße bezieht sich ausschließlich auf diesen zweiten Zeitraum. Es erscheint nach den Umständen des Falles daher angemessen, dass die Kommission ihre eigenen Kosten und die Kosten von Esso France trägt und dass Esso Deutschland, EMPC und EMC jeweils ihre eigenen Kosten tragen.

Tenor

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Dritte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Der Betrag der gegen die Esso Sociéte anonyme française in Art. 2 der Entscheidung K(2008) 5476 endg. der Kommission vom 1. Oktober 2008 in einem Verfahren nach Artikel 81 [EG] und Artikel 53 des EWR-Abkommens (Sache COMP/39.181 – Kerzenwachse) verhängten Geldbuße wird auf 62 712 895 Euro festgesetzt.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Europäische Kommission trägt ihre eigenen Kosten und die Kosten, die der Esso Société anonyme française entstanden sind.

4. Die Esso Deutschland GmbH, die ExxonMobil Petroleum and Chemical BVBA und die Exxon Mobil Corp. tragen ihre eigenen Kosten.


URTEIL DES GERICHTS (Dritte Kammer)

11. Juli 2014 ( *1 )

„Wettbewerb — Kartelle — Markt für Paraffinwachse — Markt für Paraffingatsch — Entscheidung, mit der eine Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG festgestellt wird — Festsetzung der Preise und Aufteilung der Märkte — Leitlinien von 2006 für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen — Dauer der Zuwiderhandlung — Gleichbehandlung — Verhältnismäßigkeit — Unbeschränkte Nachprüfung“

In der Rechtssache T‑540/08

Esso Société anonyme française mit Sitz in Courbevoie (Frankreich),

Esso Deutschland GmbH mit Sitz in Hamburg (Deutschland),

ExxonMobil Petroleum and Chemical BVBA mit Sitz in Antwerpen (Belgien),

Exxon Mobil Corp. mit Sitz in West Trenton, New Jersey (Vereinigte Staaten),

Prozessbevollmächtigte: R. Subiotto, QC, und Rechtsanwälte R. Snelders, L.-P. Rudolf und M. Piergiovanni,

Klägerinnen,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch F. Castillo de la Torre als Bevollmächtigten im Beistand von M. Gray, Barrister,

Beklagte,

wegen teilweiser Nichtigerklärung der Entscheidung K(2008) 5476 endg. der Kommission vom 1. Oktober 2008 in einem Verfahren nach Art. 81 [EG] und Art. 53 des EWR-Abkommens (Sache COMP/39.181 – Kerzenwachse) sowie Herabsetzung der gegen die Klägerinnen festgesetzten Geldbuße

erlässt

DAS GERICHT (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten O. Czúcz (Berichterstatter) sowie der Richterin I. Labucka und des Richters D. Gratsias,

Kanzler: N. Rosner, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 21. März 2011

folgendes

Urteil

Vorgeschichte des Rechtsstreits und angefochtene Entscheidung

Verwaltungsverfahren und Erlass der angefochtenen Entscheidung

1

Mit der Entscheidung K(2008) 5476 endg. vom 1. Oktober 2008 in einem Verfahren nach Artikel 81 [EG] und Artikel 53 des EWR-Abkommens (Sache COMP/39.181 – Kerzenwachse) (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) stellte die Kommission der Europäischen Gemeinschaften fest, dass die Klägerinnen, Esso Deutschland GmbH, Esso Société anonyme française (im Folgenden: Esso France), ExxonMobil Petroleum and Chemical BVBA (im Folgenden: EMPC) sowie Exxon Mobil Corp. (im Folgenden: EMC) (im Folgenden zusammen: ExxonMobil oder ExxonMobil-Gruppe), mit anderen Unternehmen gegen Art. 81 Abs. 1 EG und Art. 53 Abs. 1 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) verstoßen hätten, indem sie sich an einem Kartell auf dem Markt für Paraffinwachse im EWR und auf dem deutschen Markt für Paraffingatsch beteiligt hätten.

2

Außer an die Klägerinnen war die angefochtene Entscheidung an folgende Unternehmen gerichtet: die ENI SpA, die H&R ChemPharm GmbH, die H&R Wax Company Vertrieb GmbH und die Hansen & Rosenthal KG, die Tudapetrol Mineralölerzeugnisse Nils Hansen KG, die MOL Nyrt., die Repsol YPF Lubricantes y Especialidades SA, die Repsol Petróleo SA und die Repsol YPF SA (die drei Letzteren im Folgenden zusammen: Repsol), die Sasol Wax GmbH, die Sasol Wax International AG, die Sasol Holding in Germany GmbH und die Sasol Ltd (im Folgenden zusammen: Sasol), die Shell Deutschland Oil GmbH, die Shell Deutschland Schmierstoff GmbH, die Deutsche Shell GmbH, die Shell International Petroleum Company Ltd, die Shell Petroleum Company Ltd, die Shell Petroleum NV und die Shell Transport and Trading Company Ltd (im Folgenden zusammen: Shell), die RWE Dea AG und die RWE AG (im Folgenden zusammen: RWE) sowie die Total SA und die Total France SA (im Folgenden zusammen: Total) (erster Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

3

Die Paraffinwachse werden in Raffinerien aus Rohöl hergestellt. Sie werden für die Herstellung einer Reihe von Produkten wie Kerzen, Chemikalien, Reifen und Erzeugnissen der Automobilindustrie sowie in der Kautschuk-, Verpackungs- und Klebstoff- und Kaugummiindustrie eingesetzt (vierter Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

4

Bei der Herstellung von Paraffinwachsen dient Paraffingatsch als Ausgangsmaterial. Es fällt in Raffinerien als Nebenprodukt bei der Herstellung von Mineralölen aus Rohöl an. Es wird auch an Endabnehmer, z. B. an Hersteller von Spanplatten, verkauft (fünfter Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

5

Die Kommission begann ihre Untersuchung, nachdem Shell Deutschland Schmierstoff sie mit Schreiben vom 17. März 2005 über das Bestehen eines Kartells informiert hatte und bei ihr einen Antrag auf Geldbußenerlass gemäß der Mitteilung der Kommission über den Erlass und die Ermäßigung von Geldbußen in Kartellsachen (ABl. 2002, C 45, S. 3) gestellt hatte (72. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

6

Am 28. und 29. April 2005 führte die Kommission in Anwendung von Art. 20 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 [EG] und 82 [EG] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) Nachprüfungen in den Räumlichkeiten von „H & R/Tudapetrol“, ENI, MOL sowie in denjenigen der Gesellschaften der Gruppen Sasol, ExxonMobil, Repsol und Total durch (75. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

7

Am 29. Mai 2007 richtete die Kommission eine Mitteilung der Beschwerdepunkte an die oben in Rn. 1 genannten Gesellschaften, darunter die Klägerinnen (85. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Mit Schreiben vom 21. August 2007 beantworteten die Klägerinnen die Mitteilung der Beschwerdepunkte.

8

Am 10. und 11. Dezember 2007 führte die Kommission eine mündliche Anhörung durch, an der die Klägerinnen teilnahmen (91. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

9

In der angefochtenen Entscheidung vertritt die Kommission aufgrund der ihr vorliegenden Beweise die Ansicht, dass die Adressaten, die die Mehrheit der Paraffinwachs- und Paraffingatschhersteller im EWR ausmachten, an einer einzigen, komplexen und fortdauernden Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG und Art. 53 EWR-Abkommen teilgenommen hätten, die das Gebiet des EWR betreffe. Diese Zuwiderhandlung habe in Vereinbarungen oder aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen betreffend Preisfestsetzungen sowie den Austausch und die Offenlegung von kommerziell empfindlichen Informationen über Paraffinwachse bestanden. In Bezug auf RWE (später Shell), ExxonMobil, MOL, Repsol, Sasol und Total habe die Zuwiderhandlung im Hinblick auf Paraffinwachse auch in der Aufteilung der Kunden und/oder der Märkte bestanden. Außerdem habe die von RWE, ExxonMobil, Sasol und Total begangene Zuwiderhandlung auch auf dem deutschen Markt an Endabnehmer verkauftes Paraffingatsch betroffen (Erwägungsgründe 2, 95, 328 und Art. 1 der angefochtenen Entscheidung).

10

Die rechtswidrigen Verhaltensweisen seien bei den wettbewerbswidrigen Zusammenkünften, die von den Teilnehmern als „technische Treffen“ oder manchmal als „Blauer Salon“ bezeichnet worden seien, und bei „Gatsch-Treffen“ besprochen worden, die speziell Fragen zum Paraffingatsch gewidmet gewesen seien.

11

Die im vorliegenden Fall verhängten Geldbußen wurden auf der Grundlage der Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen gemäß Artikel 23 Absatz 2 Buchstabe a) der Verordnung Nr. 1/2003 (ABl. 2006, C 210, S. 2) (im Folgenden: Leitlinien von 2006) berechnet, die zum Zeitpunkt der Bekanntgabe der Mitteilung der Beschwerdepunkte an die oben in Rn. 1 genannten Gesellschaften in Kraft waren.

12

Die angefochtene Entscheidung enthält u. a. folgende Bestimmungen:

„Artikel 1

Die folgenden Unternehmen haben eine Zuwiderhandlung gegen Artikel 81 Absatz 1 [EG] und – seit dem 1. Januar 1994 – gegen Artikel 53 EWR-Abkommen begangen, indem sie sich in den jeweils genannten Zeiträumen an einer fortdauernden Vereinbarung und/oder einer fortdauernden abgestimmten Verhaltensweise im Paraffinwachssektor auf dem Gemeinsamen Markt und, seit 1. Januar 1994, im Europäischen Wirtschaftsraum beteiligten:

Esso Deutschland GmbH : vom 22. Februar 2001 bis zum 20. November 2003;

Esso Société Anonyme Française: vom 3. September 1992 bis zum 20. November 2003;

ExxonMobil Petroleum and Chemical BVBA: vom 30. November 1999 bis zum 20. November 2003;

Exxon Mobil [Corp.]: vom 30. November 1999 bis zum 20. November 2003;

Bei den folgenden Unternehmen betrifft die Zuwiderhandlung auch an Endkunden auf dem deutschen Markt verkauftes Paraffingatsch im jeweils angegebenen Zeitraum:

Esso Deutschland GmbH: vom 22. Februar 2001 bis zum 18. Dezember 2002;

Esso Société anonyme française: vom 8. März 1999 bis zum 18. Dezember 2002;

ExxonMobil Petroleum and Chemical BVBA: vom 20. November 1999 bis zum 18. Dezember 2002;

Exxon Mobil [Corp.]: vom 20. November 1999 bis zum 18. Dezember 2002;

Artikel 2

Für die in Artikel 1 genannte Zuwiderhandlung werden folgende Geldbußen festgesetzt:

ENI S.p.A: 29120000 EUR;

Esso Société Anonyme Française: 83588400 EUR,

davon gesamtschuldnerisch mit

ExxonMobil Petroleum and Chemical BVBA und Exxon Mobil [Corp.]: 34670400 EUR, davon gesamtschuldnerisch mit Esso Deutschland GmbH: 27081600 EUR;

Tudapetrol Mineralölerzeugnisse Nils Hansen KG: 12000000 EUR;

Hansen & Rosenthal KG gesamtschuldnerisch mit H&R Wax Company Vertrieb GmbH: 24000000 EUR;

davon gesamtschuldnerisch mit

H&R ChemPharm GmbH: 22000000 EUR;

MOL Nyrt.: 23700000 EUR;

Repsol YPF Lubricantes y Especialidades SA gesamtschuldnerisch mit Repsol Petróleo SA und Repsol YPF SA: 19800000 EUR;

Sasol Wax GmbH: 318200000 EUR;

davon gesamtschuldnerisch mit

Sasol Wax International AG, Sasol Holding in Germany GmbH und Sasol Limited: 250700000 EUR;

Shell Deutschland Oil GmbH, Shell Deutschland Schmierstoff GmbH, Deutsche Shell GmbH, Shell International Petroleum Company Limited, the Shell Petroleum Company Limited, Shell Petroleum N.V. und the Shell Transport and Trading Company Limited: 0 EUR;

RWE-Dea AG gesamtschuldnerisch mit RWE AG: 37440000 EUR;

Total France SA gesamtschuldnerisch mit Total SA: 128163000 EUR.“

Exxon-Mobil-Fusion und Zurechnung der Verantwortung für die Zuwiderhandlung in der angefochtenen Entscheidung

13

Am 30. November 1999 erwarb die Exxon Corp. die Mobil Corp. und wurde anschließend in EMC umbenannt (im Folgenden: Exxon-Mobil-Fusion). Am 6. Mai 2003 wurde Mobil Oil Française (im Folgenden: Mobil France) von Esso France übernommen.

14

Die Kommission beschreibt die Zurechnung der Verantwortung für die wettbewerbswidrigen Handlungen an die verschiedenen Gesellschaften der ExxonMobil-Gruppe insbesondere in den Erwägungsgründen 348 bis 352 der angefochtenen Entscheidung:

„6.2.2 Die ExxonMobil-Gruppe

(348)

In Abschnitt 4 wurde nachgewiesen, dass ExxonMobil während der gesamten Dauer der Zuwiderhandlung über Mitarbeiter von Mobil [France] (sowie dem Rechtsnachfolger dieses Unternehmens) und über die Esso Deutschland GmbH an den geheimen Absprachen beteiligt war …

(349)

Mobil [France] war über seine Mitarbeiter von Beginn der Zuwiderhandlung [am 3. September 1992] bis zum Ende seines Bestehens am 6. Mai 2003 und die Esso Deutschland GmbH über ihre Mitarbeiter mindestens ab dem 22. Februar 2001 beteiligt … Die Kommission beabsichtigt daher zunächst, diese Unternehmen für ihre unmittelbare Beteiligung am Kartell haftbar zu machen.

(351)

Mobil [France] wurde von [Esso France am 6. Mai 2003] übernommen …

(352)

Daher sollte [Esso France] für das [wettbewerbswidrige] Verhalten von Mobil [France] vor dem [6. Mai 2003] haftbar gemacht werden …“

15

Die Haftung von EMPC wurde ab der Exxon-Mobil-Fusion, d. h. ab dem 30. November 1999 festgestellt, da sie die Muttergesellschaft von Esso Deutschland und Esso France war. Die Haftung von EMC wurde ab demselben Zeitpunkt festgestellt, da sie die Muttergesellschaft von EMPC war (Erwägungsgründe 535 und 354 der angefochtenen Entscheidung).

Berechnung der gegen die Klägerinnen verhängten Geldbuße

16

In der vorliegenden Rechtssache legte die Kommission bei der Berechnung des Grundbetrags der Geldbuße einen Anteil am Umsatz der ExxonMobil-Gruppe im EWR zugrunde und multiplizierte sodann den auf diese Weise ermittelten Betrag mit einem Koeffizienten, der die Dauer der Beteiligung der jeweiligen Klägerin an der Zuwiderhandlung widerspiegelt.

17

Erstens bestimmte die Kommission den Jahresumsatz von Paraffinwachsen und Paraffingatsch. Für die Paraffinwachse zog die Kommission die Einnahmen der ExxonMobil-Gruppe der Jahre 2000 bis 2002 als Berechnungsgrundlage für einen durchschnittlichen jährlichen Umsatz heran. Für das Paraffingatsch zog die Kommission die Einnahmen der ExxonMobil-Gruppe der Jahre 2000 bis 2001 als Berechnungsgrundlage für einen durchschnittlichen jährlichen Umsatz heran. Daraus ergaben sich die Beträge von 19790382 Euro für die Paraffinwachse und 1 259 217 Euro für Paraffingatsch. Die auf diese Beträge im Hinblick auf die Schwere der Zuwiderhandlung angewandten Multiplikationsfaktoren betrugen 18 % für Paraffinwachse und 15 % für Paraffingatsch.

18

Die Kommission bestimmte sodann die Dauer der Beteiligung der Klägerinnen an der Zuwiderhandlung für Paraffinwachse und Paraffingatsch. Insoweit war die Kommission betreffend die Paraffinwachse der Auffassung, dass Esso France während eines Zeitraums teilgenommen habe, der einem Multiplikationsfaktor von 11,5 entspreche. Für Esso Deutschland betrug dieser Koeffizient 3. Für EMPC und für EMC wurde er auf 4 festgesetzt.

19

Zweitens erhöhte die Kommission nach Ziff. 25 der Leitlinien von 2006 diese Beträge um den „Eintrittsgebühr“ genannten Zusatzbetrag, der 18 % bzw. 15 % des jeweiligen Umsatzes mit Paraffinwachsen und Paraffingatsch entsprach.

20

Drittens wurde kein mildernder oder erschwerender Umstand vorgebracht, der eine Auswirkung auf die Höhe der Geldbuße haben könnte. Daher wurden die Geldbußen insoweit nicht verändert.

21

Viertens war die Kommission der Ansicht, dass aufgrund der Größe der ExxonMobil-Gruppe ein Multiplikationsfaktor zur Abschreckung anzuwenden sei. Folglich wurde ein Multiplikationsfaktor von 2 angewandt.

22

Fünftens wandte die Kommission im Rahmen ihrer Mitteilung über den Erlass und die Ermäßigung von Geldbußen in Kartellsachen eine Ermäßigung von 7 % der Geldbuße aufgrund der von den Klägerinnen übermittelten Informationen und deren anschließender Zusammenarbeit an. Die Geldbußen wurden somit letztlich wie folgt festgesetzt: für Esso France eine Geldbuße in Höhe von 83588400 Euro, davon 27081600 gesamtschuldnerisch mit Esso Deutschland und 34 670 400 gesamtschuldnerisch mit EMPC und EMC.

Verfahren und Anträge der Parteien

23

Die Klägerinnen haben mit Klageschrift, die am 12. Dezember 2008 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben.

24

Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht (Dritte Kammer) beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen. Im Rahmen prozessleitender Maßnahmen gemäß Art. 64 seiner Verfahrensordnung hat es die Parteien aufgefordert, bestimmte Fragen zu beantworten und bestimmte Schriftstücke vorzulegen. Die Parteien sind dieser Aufforderung fristgerecht nachgekommen.

25

Mit Schreiben vom 10. Februar 2011 hat die Kommission beantragt, das Gericht möge bestimmte Passagen der Antworten der Klägerinnen auf die schriftlichen Fragen aus der Akte entfernen. Die Klägerinnen sind diesem Antrag entgegengetreten. Mit Beschluss vom 3. Mai 2011 hat das Gericht (Dritte Kammer) diese Entscheidung dem Endurteil vorbehalten.

26

In der Sitzung vom 21. März 2011 haben die Parteien mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

27

In Anbetracht des tatsächlichen Zusammenhangs mit den Rechtssachen T‑541/08, Sasol u. a./Kommission, T‑543/08, RWE und RWE Dea/Kommission, T‑544/08, Hansen & Rosenthal und H&R Wax Company Vertrieb/Kommission, T‑548/08, Total/Kommission, T‑550/08, Tudapetrol/Kommission, T‑551/08, H&R ChemPharm/Kommission, T‑558/08, ENI/Kommission, T‑562/08, Repsol YPF Lubricantes y Especialidades u. a./Kommission und T‑566/08, Total Raffinage Marketing/Kommission, und der Sachnähe der aufgeworfenen Rechtsfragen hat das Gericht beschlossen, das Urteil in der vorliegenden Rechtssache erst nach den mündlichen Verhandlungen in den genannten zusammenhängenden Rechtssachen zu verkünden, von denen die letzte am 3. Juli 2013 stattgefunden hat.

28

Die Klägerinnen beantragen,

die angefochtene Entscheidung teilweise für nichtig zu erklären;

die gegen sie verhängte Geldbuße herabzusetzen;

der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

29

Die Kommission beantragt,

die Klage abzuweisen;

den Klägerinnen die Kosten aufzuerlegen.

Rechtliche Würdigung

30

Zur Stützung ihrer Klage machen die Klägerinnen zwei Klagegründe geltend. Der erste Klagegrund betrifft einen Rechtsfehler bei der Berechnung des Grundbetrags der gegen Esso France verhängten Geldbuße, da dieser die Tatsache nicht widerspiegle, dass Exxon vor der Fusion nicht an der Zuwiderhandlung teilgenommen habe. Der zweite Klagegrund betrifft eine fehlerhafte Bestimmung des Zeitpunkts des Endes der Beteiligung der Klägerinnen an den Paraffinwachse betreffenden Teilen der Zuwiderhandlung.

31

Das Gericht hält es für zweckmäßig, seine Prüfung der vorliegenden Klage mit dem zweiten Klagegrund zu beginnen.

Zum zweiten Klagegrund: angeblicher Rechtsfehler bei der Bestimmung des Zeitpunkts des Endes der Beteiligung der Klägerinnen an der Zuwiderhandlung

Vorbemerkungen

32

Die Klägerinnen sind der Auffassung, die Kommission habe zu Unrecht festgestellt, dass ihre Beteiligung an den ersten beiden Teilen der Zuwiderhandlung betreffend Paraffinwachse am 20. November 2003 geendet habe. Nach dem Treffen vom 27. und 28. Februar 2003 hätten sie an den technischen Treffen nicht teilgenommen.

33

Insoweit hat die Kommission in der angefochtenen Entscheidung Folgendes ausgeführt:

„…

(600)

ExxonMobil erklärt, das letzte Treffen, an dem ein Vertreter von ExxonMobil teilgenommen habe, sei das technische Treffen am 27. und 28. Februar 2003 in München gewesen. … Auf die von Herrn [M.] (Sasol) geschickte Einladung zum Treffen am 15. Januar 2004 antwortete Herr [Hu.] (ExxonMobil) unter anderem: ‚The agenda items seems to be of interest to us. However, as we understand this group of competitors meets without the support of an industry trade association und therefore without a structure und statutes. We feel uncomfortable with this und would like to suggest to bring these meetings under the umbrella of the [European Wax Federation] either as part of the technical committee, or as a separate sub committee. ExxonMobil will not attend this meeting without the support of a statuted industrial trade association.’ [Die Tagesordnung scheint interessant für uns zu sein. Uns scheint allerdings, dass diese Gruppe von Wettbewerbern ohne die Unterstützung eines Industrieverbands und daher ohne Struktur und Satzung zusammenkommt. Wir würden uns dabei nicht recht wohl fühlen und möchten vorschlagen, diese Treffen unter dem Dach [der European Wax Federation] entweder als Bestandteil des technischen Ausschusses oder als getrennten Unterausschuss durchzuführen. Ohne die Unterstützung eines rechtmäßig konstituierten Industrieverbandes wird ExxonMobil an diesem Treffen nicht teilnehmen.] Diese E‑Mail vom 20. November 2003 wurde an Herrn [M.] (Sasol) und in Kopie an Vorgesetzte von Herrn [Hu.] bei ExxonMobil geschickt. Der Kommission liegen keine Beweismittel dafür vor, dass ExxonMobil nach dem Versand dieser E-Mail noch an der Zuwiderhandlung beteiligt gewesen wäre. Daher stellt die Kommission fest, dass sich ExxonMobil mit der genannten E-Mail an Sasol (den Organisator der meisten technischen Treffen) öffentlich von dem Kartell distanziert hat …

(601)

Es kann jedoch nicht angenommen werden, dass die Beteiligung von ExxonMobil an der Zuwiderhandlung nach dem technischen Treffen am 27. und 28. Februar 2003 geendet hätte. Als Anzeichen für die Beendigung der Beteiligung an einer Zuwiderhandlung ist nicht hinreichend, dass auf die Teilnahme an Treffen verzichtet wird. Die in der Rechtsprechung geforderte öffentliche Distanzierung erfolgte ausschließlich mit der E-Mail von Herrn [Hu.] vom 20. November 2003. Dass im Fernbleiben von den Treffen eine derartige öffentliche Distanzierung von den anderen Teilnehmern und insbesondere von Sasol nicht erkannt wurde, geht aus der Tatsache hervor, dass ExxonMobil weiterhin Einladungen zu den technischen Treffen erhielt, die schließlich zur E-Mail von Herrn [Hu.] vom 20. November 2003 führten.“

34

Die Klägerinnen treten dieser Beurteilung entgegen. Sie hätten weder an den technischen Treffen teilgenommen, die nach dem Treffen vom 27. und 28. Februar 2003 stattgefunden hätten, bei dem Herr T., ihr Vertreter in den technischen Treffen, die anderen Teilnehmern offiziell über sein unmittelbar bevorstehendes Ausscheiden aus ExxonMobil informiert habe, ohne seinen Nachfolger zu benennen, noch seien sie über die Ergebnisse unterrichtet worden. Es gebe auch keinen Beweis dafür, dass die Klägerinnen nach der Entsendung von Herrn T. und sodann nach seinem Eintritt in den Ruhestand Kenntnis von seiner früheren Beteiligung an der Zuwiderhandlung gehabt hätten. Die vorliegenden Beweise zeigten im Gegenteil, dass Herr T. den wettbewerbswidrigen Inhalt der technischen Treffen seiner Geschäftsführung und seinen Kollegen bewusst verheimlicht habe.

35

Daher hätte die Kommission den 28. Februar 2003, den Zeitpunkt des letzten Treffens, an dem Herr T. teilgenommen habe, oder jedenfalls den Zeitpunkt seiner Entsendung zu Sasol am 31. März 2003 oder den Zeitpunkt seines Eintritts in den Ruhestand am 30. Juni 2003 als Zeitpunkt des Endes der Beteiligung von ExxonMobil am Kartell annehmen müssen.

Zum Erfordernis einer Distanzierung von ExxonMobil von den Kartellaktivitäten für den Nachweis des Endes ihrer Beteiligung an der Zuwiderhandlung

36

Die Klägerinnen tragen vor, die Kommission sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass im vorliegenden Fall für den Nachweis der Beendigung der Beteiligung von ExxonMobil am Kartell nach der Rechtsprechung eine Distanzierung von den Kartellaktivitäten erforderlich gewesen sei.

37

Dieses Vorbringen steht jedoch im Widerspruch zur Rechtsprechung.

38

Das Gericht hat nämlich entschieden, dass der Schluss auf die endgültige Beendigung der Beteiligung eines Unternehmens an dem Kartell nur möglich ist, wenn dieses Unternehmen sich offen vom Inhalt des Kartells distanziert hat (Urteile des Gerichts vom 27. September 2006, Archer Daniels Midland/Kommission, T-329/01, Slg. 2006, II-3255, Rn. 246, und vom 28. April 2010, Amann & Söhne und Cousin Filterie/Kommission, T-446/05, Slg. 2010, II-1255, Rn. 241).

39

Daher ist dieses Vorbringen zurückzuweisen.

Zum Verständnis der anderen Kartellmitglieder betreffend die angebliche Distanzierung von ExxonMobil

40

Nach der Rechtsprechung kommt es für die Beurteilung der Frage, ob sich das betreffende Unternehmen von der rechtswidrigen Vereinbarung distanzieren wollte, entscheidend auf das Verständnis an, das die übrigen Kartellteilnehmer von seiner Absicht hatten (Urteil des Gerichtshofs vom 19. März 2009, Archer Daniels Midland/Kommission, C-510/06 P, Slg. 2009, I-1843, Rn. 120).

41

Insoweit machen die Klägerinnen geltend, Herr T. habe bei dem Treffen vom 27. und 28. Februar 2003 sein Ausscheiden bekannt gegeben, ohne einen Nachfolger für die Teilnahme an den nächsten Treffen vorzustellen. Sie beziehen sich auch auf die Erklärung von Shell, der zufolge Herr S. von Sasol nach dem Ausscheiden von Herrn T. keine Schreiben mit Preiserhöhungen an ExxonMobil mehr geschickt habe.

42

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass im Unionsrecht hinsichtlich der Beweismittel, die insoweit herangezogen werden dürfen, der Grundsatz der freien Beweiswürdigung gilt (Urteil des Gerichts vom 8. Juli 2004, Dalmine/Kommission, T-50/00, Slg. 2004, II-2395, Rn. 72).

43

Was den Beweiswert der verschiedenen Beweisstücke anbelangt, ist das alleinige Kriterium für die Beurteilung der beigebrachten Beweise ihre Glaubhaftigkeit (Urteil Dalmine/Kommission, oben in Rn. 42 angeführt, Rn. 72).

44

Nach den allgemeinen Beweisgrundsätzen hängt die Glaubhaftigkeit eines Schriftstücks und damit sein Beweiswert von seiner Herkunft, den Umständen seiner Entstehung, seinem Adressaten und seinem Inhalt ab (Urteil des Gerichts vom 15. März 2000, Cimenteries CBR u. a./Kommission, T-25/95, T-26/95, T-30/95 bis T-32/95, T-34/95 bis T-39/95, T-42/95 bis T-46/95, T-48/95, T-50/95 bis T-65/95, T-68/95 bis T-71/95, T-87/95 und T-88/95, T-103/95 und T-104/95, Slg. 2000, II-491, Rn. 1053 und 1838).

45

Da das Verbot, an wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen und Vereinbarungen teilzunehmen, sowie die Sanktionen, die Zuwiderhandelnden auferlegt werden können, bekannt sind, ist es außerdem üblich, dass die Tätigkeiten, mit denen diese Verhaltensweisen und Vereinbarungen verbunden sind, insgeheim ablaufen, dass die Zusammenkünfte heimlich stattfinden und dass die Unterlagen darüber auf ein Minimum reduziert werden. Daher kann von der Kommission nicht gefordert werden, dass sie Schriftstücke vorlegt, die eine Kontaktaufnahme zwischen den beteiligten Wirtschaftsteilnehmern explizit bestätigen. Selbst wenn die Kommission solche Schriftstücke entdeckt, handelt es sich normalerweise nur um lückenhafte und vereinzelte Belege, so dass es häufig erforderlich ist, bestimmte Einzelheiten durch Schlussfolgerungen zu rekonstruieren (Urteil des Gerichtshofs vom 7. Januar 2004, Aalborg Portland u. a./Kommission, C-204/00 P, C-205/00 P, C-211/00 P, C-213/00 P, C-217/00 P und C-219/00 P, Slg. 2004, I-123, Rn. 55 bis 57; vgl. auch Urteil des Gerichts vom 27. September 2006, Dresdner Bank u. a./Kommission, T‑44/02 OP, T‑54/02 OP, T‑56/02 OP, T‑60/02 OP und T‑61/02 OP, Slg. 2006, II‑3567, Rn. 64 und 65).

46

Diese Rechtsprechung ist entsprechend auch auf die Wahrnehmung der anderen Kartellmitglieder betreffend die angebliche offene Distanzierung und die fortgesetzte Beteiligung eines Unternehmens an diesem Kartell während eines Zeitraums anwendbar, in dem Letzteres an den wettbewerbswidrigen Treffen nicht teilgenommen hat. Von den anderen Kartellbeteiligten kann nämlich nicht erwartet werden, dass sie ihre Wahrnehmung betreffend die fortgesetzte Beteiligung eines Kartellmitglieds, dessen Vertreter an gewissen wettbewerbswidrigen Treffen nicht teilnimmt, festhalten oder insoweit andere zeitnahe Beweisstücke erstellen, gerade weil sie versuchen, jede ausdrückliche Bezugnahme auf die wettbewerbswidrigen Abmachungen zu vermeiden, um die sie belastenden Beweise auf ein Minimum zu reduzieren. Daher ist die Wahrnehmung der anderen Beteiligten gegebenenfalls aus einem Bündel von Indizien und mittelbaren Beweisen zu schließen, über die die Kommission und das Gericht gegebenenfalls verfügen.

47

Im vorliegenden Fall ist das Gericht aufgrund der Unterlagen in der Akte der Ansicht, dass ExxonMobil sich nach dem Verständnis der anderen Beteiligten vor seinem Schreiben vom 20. November 2003 nicht offen vom Kartell distanzierte.

48

Erstens hat Sasol, wie die Kommission in der angefochtenen Entscheidung zu Recht ausführt, bis zum 20. November 2003, dem Tag, von dem das Schreibens von Herrn Hu. datiert, in dem darauf hingewiesen wird, dass ExxonMobil „[o]hne die Unterstützung eines rechtmäßig konstituierten Industrieverbandes … an diesem Treffen nicht teilnehmen [wird]“, und der von der Kommission als Zeitpunkt des Endes der Beteiligung von ExxonMobil am Kartell angenommen wurde, weiterhin Einladungen zu den technischen Treffen versandt. Hätte Sasol angenommen, dass ExxonMobil nach dem Ausscheiden von Herrn T. nicht mehr an dem Kartell teilnahm, da er keinen Nachfolger ernannt habe, hätte sie nach dem 31. März 2003 keine Einladungen mehr an ExxonMobil versandt.

49

Außerdem hat laut der Antwort von Sasol vom 18. Dezember 2006 auf ein Auskunftsersuchen der Kommission der Nachfolger von Herrn T., Herr Hu., nie an den technischen Treffen teilgenommen, aber zumindest mit Sasol bilaterale Kontakte gehabt.

50

Zweitens können sich die Klägerinnen nicht mit Erfolg auf die Erklärung von Shell vom 16. Juni 2006 berufen, der zufolge Herr S. von Shell nach dem Ausscheiden von Herrn T. keine Preisschreiben an ExxonMobil mehr geschickt habe. Wie die Kommission zu Recht ausführt, kann dieser Umstand auch dadurch erklärt werden, dass es nach dem Ausscheiden von Herrn T. keine Vertrauensperson von Herrn S. bei ExxonMobil gab. Daher ist die von den Klägerinnen angeführte Erklärung kein Beweis für eine Änderung des Verständnisses von Shell hinsichtlich der fortgesetzten Beteiligung von ExxonMobil am Kartell. Jedenfalls hat diese Erklärung keinen Einfluss auf den Schluss, dass Sasol, die Organisatorin der technischen Treffen, ExxonMobil weiterhin als Kartellmitglied wahrgenommen hat, wie sich aus den oben in den Rn. 48 und 49 angeführten Umständen ergibt.

51

Außerdem bestand die in Rede stehende komplexe, einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung in Vereinbarungen oder aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen für Preisfestsetzungen und für den Austausch und die Offenlegung von kommerziell empfindlichen Informationen sowie in der Aufteilung der Kunden und/oder der Märkte. Die Tatsache, dass ExxonMobil keine Preisschreiben von Shell mehr erhielt, betrifft nur einen einzigen Aspekt der Zuwiderhandlung, nämlich einen Teil des Mechanismus zur Kontrolle der Preiserhöhungen, die die Teilnehmer mehrmals bei den technischen Treffen vereinbarten. Die Tatsache, dass Shell ExxonMobil ihre neuen Preise nicht mehr regelmäßig mitteilte, beweist nicht, dass sich ExxonMobil nach der Wahrnehmung der Kartellbeteiligten nicht mehr als an die früheren Verpflichtungen gebunden ansah, die sie im Rahmen der komplexen, einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung eingegangen war.

52

Drittens geht aus der eidesstattlichen Versicherung von Herrn Hu. hervor, dass dieser auf die von Herrn M. von Sasol am 26. Juni 2003 erhaltene Einladung zu einem technischen Treffen antwortete, indem er darauf hinwies, dass er am folgenden Treffen aufgrund einer „Terminkollision“ nicht teilnehmen könne. Ebenso antwortete er auf die Einladung zum Treffen vom 24. September 2003, die er von Herrn M. am 17. Juli 2003 erhalten hatte, dass er Ende September verreisen werde und dass „das technische Treffen für [ihn] nicht verschoben werden sollte“.

53

Diese Reaktionen von Herrn Hu. stellen auch das Vorbringen der Klägerinnen in Frage, dass sich ExxonMobil nach dem Ausscheiden von Herrn T. am 31. März 2003 der Wahrnehmung nach vom Kartell distanziert habe. Wäre nach der Wahrnehmung der anderen Beteiligten ExxonMobil nicht mehr Kartellmitglied gewesen, wären erstens keine E-Mails an ihren Vertreter gerichtet worden, um den Zeitpunkt des nächsten technischen Treffens festzulegen. Zweitens kann vernünftigerweise nicht angenommen werden, dass sich Herr Hu., wenn sich ExxonMobil nach dem Verständnis der Kartellbeteiligten vom Kartell distanziert hätte, in einem E-Mail-Austausch, mit dem ein für alle Beteiligten passender Zeitpunkt gefunden werden sollte, auf „Terminkollisionen“ berufen hätte, da ein solches Verhalten den Eindruck bei den anderen Mitgliedern erweckt, dass er für die fortgesetzte Beteiligung offen war.

54

Daher ist die Würdigung der Kommission, wonach ExxonMobil von den anderen Beteiligten bis zum 20. November 2003 mangels offener Distanzierung als Kartellmitglied wahrgenommen worden war, zu bestätigen.

Zur fehlenden Kenntnis der Mitarbeiter von ExxonMobil von der Beteiligung an der Zuwiderhandlung nach dem Ausscheiden von Herrn T.

55

Die Klägerinnen machen geltend, man könne von ExxonMobil keine offene Distanzierung verlangen, da es keinen Beweis dafür gebe, dass ExxonMobil nach dem Ausscheiden von Herrn T. Kenntnis von dessen früherer Beteiligung an der Zuwiderhandlung gehabt habe, und die vorliegenden Beweise im Gegenteil zeigten, dass Herr T. den wettbewerbswidrigen Inhalt der technischen Treffen seiner Geschäftsführung und seinen Kollegen bewusst verheimlicht habe.

– Zu den verfahrensrechtlichen Fragen

56

Es ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission als Anhang ihrer Gegenerwiderung schriftliche Beweise vorgelegt hat, um das Vorbringen der Klägerinnen, wonach Herr T. der einzige Mitarbeiter von ExxonMobil gewesen sei, der von der Beteiligung Letzterer an der Zuwiderhandlung gewusst habe, zu widerlegen.

57

In ihrer Antwort vom 21. Dezember 2010 auf die schriftlichen Fragen des Gerichts haben die Klägerinnen detaillierte Erklärungen zu diesen Beweisen im Anhang der Gegenerwiderung abgegeben, auch wenn diese Fragen dieses Thema nicht betrafen.

58

Erstens hat die Kommission mit Schreiben vom 10. Februar 2011 beantragt, das Gericht möge bestimmte Passagen der Antworten der Klägerinnen auf die schriftlichen Fragen des Gerichts aus der Akte entfernen, während sich die Klägerinnen in ihrem Schreiben vom 11. März 2011 gegen die teilweise Entfernung des fraglichen Dokuments aus der Akte ausgesprochen haben.

59

Es ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerinnen, wie die Kommission bemerkt, in ihren Antworten auf die schriftlichen Fragen des Gerichts nicht bloß die Fragen des Gerichts beantworten und den Kontext dieser Antworten erklären, sondern auch auf die von der Kommission in ihrer Gegenerwiderung vorgetragenen Argumente und die Beweise in deren Anhang eingegangen sind.

60

Eine schriftliche Antwort auf die Gegenerwiderung ist in der Verfahrensordnung nicht vorgesehen. Die Klägerinnen konnten jedoch, da das Gericht keine Gelegenheit hatte, vor der mündlichen Verhandlung über die Zulässigkeit jedes Punktes dieser Antwort zu entscheiden, annehmen, dass ihre Antworten in vollem Umfang zu den Akten genommen werden, und daher bestimmte Passagen in der mündlichen Verhandlung nicht wiederholen, auch wenn sie Gelegenheit dazu hatten.

61

Außerdem ist das Gericht der Ansicht, dass die Erklärungen der Klägerinnen zu den Beweisen im Anhang der Gegenerwiderung für die Entscheidung des Rechtsstreits von Nutzen sind. Daher kann das Gericht aus Gründen der Verfahrensökonomie entscheiden, die in Rede stehenden Erklärungen in der Akte zu belassen, da es im Rahmen einer prozessleitenden Maßnahme die Klägerinnen zur Stellungnahme zu diesen Beweisen auffordern hätte können.

62

Somit entscheidet das Gericht im Hinblick auf das Kriterium des fairen Verfahrens wie auch auf die Verfahrensökonomie, den Antrag der Kommission auf Entfernung eines Schriftstücks zurückzuweisen und die Antworten der Klägerinnen auf die Fragen des Gerichts in vollem Umfang zur Akte zu nehmen.

63

Zweitens machen die Klägerinnen in diesen Antworten auf die schriftlichen Fragen des Gerichts geltend, die Kommission hätte die verspätete Vorlage der Beweise im Anhang der Gegenerwiderung begründen müssen. Mangels einer solchen Begründung seien diese Beweise unzulässig.

64

Nach Art. 48 § 1 der Verfahrensordnung können Parteien in der Erwiderung oder in der Gegenerwiderung zwar noch Beweismittel benennen, müssen die Verspätung jedoch begründen.

65

Im vorliegenden Fall haben die Klägerinnen in der Erwiderung ihre Ansicht, dass ExxonMobil nach dem Ausscheiden von Herrn T. keine Kenntnis vom Kartell gehabt habe und dass keiner ihrer Mitarbeiter nach diesem Zeitpunkt Kenntnis von dem Kartell gehabt habe, erheblich weiterentwickelt und untermauert. Da sich die Kommission bei der Darlegung der Beweise im Anhang der Gegenerwiderung auf dieses Vorbringen in der Erwiderung bezogen hat, sind die Gründe, aus denen die Kommission diese Beweise zum ersten Mal in der Gegenerwiderung vorgelegt hat, klar verständlich. Außerdem hat die Kommission in der mündlichen Verhandlung näher dargelegt, dass die Beweise im Anhang der Gegenerwiderung in Beantwortung des Vorbringens der Klägerinnen in der Erwiderung und in deren Anlage C 1 vorgelegt worden seien.

66

Daher ist das Gericht der Ansicht, dass die Kommission die verspätete Einreichung der Beweise ausreichend begründet hat, so dass diese zulässig sind.

– Zur Begründetheit

67

Die Klägerinnen nehmen auf die eidesstattliche Versicherung von Herrn Hu., dem Mitarbeiter von ExxonMobil, dem Herr T. damals berichtet habe, Bezug. Er habe erklärt, dass Herr T. ihn über die von Sasol organisierten technischen Treffen Ende März 2003 unterrichtet habe, als dieser sein Ausscheiden vorbereitet habe. Herr T. habe nicht erwähnt, dass auch marktbezogene Fragen besprochen worden seien. Herr Hu. habe erklärt, dass er keinen Nachfolger für Herrn T. ernannt, sondern zunächst beabsichtigt habe, selbst an einem der Treffen teilzunehmen, da er nicht ganz verstanden habe, worin die technischen Gespräche bei diesen Treffen bestanden hätten, und er habe feststellen wollen, ob es „die Mühe wert“ gewesen sei, dass ExxonMobil daran weiterhin teilnehme. Herr Hu. habe bekräftigt, dass damals kein Grund für die Annahme bestanden habe, dass diese Treffen einen wettbewerbswidrigen Inhalt hätten oder dass Herr T. regelmäßig an wettbewerbswidrigen Treffen teilgenommen habe, von denen er sich selbst im Namen von ExxonMobil hätte distanzieren müssen.

68

Es ist darauf hinzuweisen, dass diese Tatsachenbehauptung der Klägerinnen in unmittelbarem Widerspruch zu den Unterlagen in der Akte steht, auch wenn das Gericht entschieden hat, bestimmte von der Kommission im Anhang der Gegenerwiderung vorgelegte Schriftstücke im Hinblick auf die Erklärungen der Klägerinnen in ihren Antworten auf die schriftlichen Fragen nicht zu berücksichtigen. Aus der Akte ergibt sich nämlich, dass Herrn Hu. (Manager für Spezialprodukte für bestimmte Mitgliedstaaten der Union bei Mobil von 1996 bis 2000 und Sales Manager für Wachse und Wachsemulsionen der ExxonMobil-Gruppe auf mehreren Kontinenten ab dem Jahr 2000), dem Herr T. im streitigen Zeitraum berichtete, die Beteiligung von ExxonMobil an der Zuwiderhandlung bekannt war.

69

Dazu heißt es in einer E-Mail von Herrn J. von Mobil vom 28. Juni 1999, die an eine Reihe von Adressaten, darunter die Herren Hu. und P. von ExxonMobil, gerichtet ist, zu einem für den 9. Juli 1999 in Wien (Österreich) vorgesehenen technischen Treffen, dass „[Sü. von Sasol] … Hersteller dazu bringen [will], Produktionsgrenzen am unteren Ende freiwillig einzuschränken, um Marktzutrittsschranken zu schaffen“, und dass „[das] Interesse von Mobil … [s]einer Ansicht nach [ist], grundsätzlich den Ansatz von [Herrn] S[ü.] zu unterstützen“ (154. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

70

Zudem unterrichtete Herr Hu. mit interner E-Mail vom 12. September 1997 die Adressaten von seiner Absicht, die von Herrn Sü. von Sasol angekündigten Preiserhöhungen anzuwenden. Einer der Adressaten, Herr Su. von ExxonMobil, antwortete Folgendes:

„[D]anke, gute Nachricht. Ich/Wir würde(n) gerne die anderen dazu anregen, auch zu folgen.“

71

Mit E-Mail vom 10. Oktober 2000, die Herr Hu. an Herrn P. und Herrn S. von ExxonMobil sandte, wurde darauf hingewiesen, dass „sich der Markt auf eine Preiserhöhung von 15 DM (Mindestniveau 140 DM) ab Januar 2001 vorbereitet“. In ihrer Antwort auf die schriftlichen Fragen des Gerichts tragen die Klägerinnen eine andere Erklärung vor, nach der Herr Hu. die Information über die Preiserhöhung nicht von Wettbewerbern erhalten habe, sondern aus anderen Quellen, insbesondere von Kunden. Eine solche Erklärung ist jedoch zurückzuweisen. Es ist nämlich nicht plausibel, dass die Kunden von ExxonMobil, die ein Interesse an anhaltend niedrigen Preisen haben, ihm einen genauen Betrag der Preiserhöhung (und ein Mindestpreisniveau) in Verbindung mit einem genauen Zeitpunkt übermittelt hätten.

72

Mit E-Mail vom 13. November 2000 teilte Herr Hu. Herrn K. von ExxonMobil mit, dass „die allgemeine Botschaft auf dem europäischen Markt eine Erhöhung von 15 % ist“.

73

Die E-Mail vom 19. November 2000, die von Herrn Hu. an Herrn P. von ExxonMobil übermittelt wurde und den Betreff „Preiserhöhung bei Wachsen“ hatte, zeigt, dass Ersterer vom Austausch von Preislisten unter Wettbewerbern wusste. Laut dieser E-Mail „hat [Herr C. von ExxonMobil] noch eine Menge Informationen (Schreiben zu den Wachsen) (EWF, [Herr Sü], Total) erhalten“. Diese E-Mail war Teil einer Reihe von E-Mails, darunter eine ältere E-Mail von Herrn C. von ExxonMobil, mit der Herrn Hu. mitgeteilt worden war, dass „Total und [Herr Sü. von Sasol] ein offizielles Schreiben an die Kunden übermittelt [hatten,] (das die Kunden [von ExxonMobil] bereits erhalten hatten), um sie über die nächste Preiserhöhung am 1. Januar 2001 zu informieren“, und auf die Herr Hu. mit E-Mail geantwortet hatte: „Danke [Herr C.], ich weiß“.

74

Diese Unterlagen belegen eindeutig, dass Herrn Hu. die Beteiligung von ExxonMobil an der Zuwiderhandlung bekannt war, da sie vom Erhalt geschäftlicher Daten der anderen Beteiligten durch Herrn Hu. und der Anpassung des Geschäftsverhaltens von ExxonMobil im Hinblick auf diese Informationen zeugen.

75

Das Gericht ist der Auffassung, dass die eidesstattliche Versicherung von Herrn Hu. vom 6. August 2007 die Feststellung oben in Rn. 74 nicht in Frage stellen kann. Wie die Kommission nämlich darlegt, wurde dieses Schriftstück erstellt, nachdem die Klägerinnen die Mitteilung der Beschwerdepunkte erhalten hatten, um ihre Interessen vor der Kommission zu verteidigen. Die bei den Nachprüfungen gefundenen Unterlagen haben jedoch höheren Beweiswert als die von den Vertretern oder früheren Vertretern der beschuldigten Unternehmen in tempore suspecto abgegebenen Erklärungen, mit der deren Verantwortlichkeit gemindert werden soll (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichts vom 27. September 2006, Archer Daniels Midland/Kommission, T-59/02, Slg. 2006, II-3627, Rn. 277, und vom 8. Juli 2008, Lafarge/Kommission, T‑54/03, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Rn. 379).

76

Außerdem hat Herr Hu., wie die E-Mails vom 10. Oktober und 19. November 2000 belegen (siehe oben, Rn. 71 und 73), Herrn P. (Manager für Spezialwachse für Europa, Afrika und den Mittleren Osten) hinreichend Informationen über die Preise der Wettbewerber und ihr Geschäftsverhalten übermittelt, so dass Letzterer erkennen konnte, dass ExxonMobil an den wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen beteiligt war. Herr P. war bis zum Jahr 2005 bei ExxonMobil beschäftigt.

77

Schließlich machen die Klägerinnen geltend, das Gericht dürfe bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung die oben in den Rn. 69 bis 73 angeführten schriftlichen Beweise nicht berücksichtigen, da sie von der Kommission im Anhang ihrer Gegenerwiderung vorgelegt worden seien, so dass sie verspätete Beweise darstellten.

78

Dem kann nicht gefolgt werden.

79

Erstens hat nämlich die Kommission im 154. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung auf das oben in Rn. 69 angeführte Dokument Bezug genommen. Zweitens wurden alle oben in den Rn. 69 bis 73 genannten Unterlagen in den Räumlichkeiten von ExxonMobil gefunden und waren außerdem Teil der Akte, zu der die Klägerinnen im Verwaltungsverfahren Zugang gehabt hatten, so dass ihr Inhalt Letzteren bekannt war. Daher handelt es sich nicht um neue Informationen, die von der Kommission zum ersten Mal vor dem Gericht geltend gemacht wurden. Drittens ist festzustellen, dass die Klägerinnen vor dem Gericht und insbesondere in der Erwiderung ihre Ansicht, dass ExxonMobil nach dem Ausscheiden von Herrn T. keine Kenntnis von dem Kartell gehabt habe, und dass keiner ihrer Mitarbeiter nach diesem Zeitpunkt Kenntnis von dem Kartell gehabt habe, erheblich weiterentwickelt und untermauert haben, während sie sich in ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte auf die eidesstattliche Versicherung von Herrn Hu. konzentriert hatten. Die Wahrung der Verteidigungsrechte der Kommission verlangt jedoch, dass dieser gestattet wird, die von den Klägerinnen vor dem Gericht aufgestellten Tatsachenbehauptungen zu widerlegen, indem sie sich auf Bestandteile der Verwaltungsakte stützt, zu denen die Klägerinnen im Verfahren vor der Kommission Zugang hatten.

80

Nach alledem ist das Vorbringen der Klägerinnen, dass ExxonMobil nach dem Ausscheiden von Herrn T. keine Kenntnis von ihrer Beteiligung an dem Kartell gehabt habe, zurückzuweisen.

81

Viertens machen die Klägerinnen geltend, die Teilnahme von Herrn T. an den technischen Treffen habe keine Auswirkungen gehabt, die über das letzte technische Treffen, an dem er teilgenommen habe, nämlich dem vom 27. und 28. Februar 2003, hätten fortbestehen können.

82

Zunächst sind im Hinblick auf die Erwägungen oben in den Rn. 74 bis 80 die hierzu vorgetragenen Argumente der Klägerinnen zurückzuweisen, soweit sie sich auf die Behauptung stützen, dass Herr T. der einzige Mitarbeiter von ExxonMobil gewesen sei, dem die Beteiligung Letzterer am Kartell bekannt gewesen sei.

83

Sodann ist nach der Rechtsprechung das Verhalten eines redlichen Wettbewerbers dadurch gekennzeichnet, dass er selbständig die Politik bestimmt, die er auf dem Gemeinsamen Markt zu betreiben gedenkt. Selbst wenn das fragliche Unternehmen an den Tätigkeiten des Kartells nach einem bestimmten Zeitpunkt nicht teilgenommen hat, kann man davon ausgehen, dass es die mit seinen Wettbewerbern ausgetauschten Informationen zur Bestimmung seines Marktverhaltens genutzt hat (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 8. Juli 1999, Kommission/Anic Partecipazioni, C-49/92 P, Slg. 1999, I-4125, Rn. 121, Hüls/Kommission, C-199/92 P, Slg. 1999, I-4287, Rn. 162, und Urteil des Gerichts vom 29. November 2005, Union Pigments/Kommission, T-62/02, Slg. 2005, II-5057, Rn. 39).

84

Die bloße Tatsache, dass ExxonMobil nicht an den technischen Treffen teilnahm, die zwischen dem 28. Februar und dem 20. November 2003 stattfanden, hinderte sie keineswegs daran, die Informationen über die von ihren Wettbewerbern angewandten Preise, die sie bei Dutzenden von früheren technischen Treffen, an denen sie teilgenommen hatte, erhalten hatte, zu verwenden und von den Vereinbarungen über die Aufteilung der Märkte und Kunden, die bei den vorausgehenden technischen Treffen festgelegt worden waren, zu profitieren.

85

Daher ist die Kommission in der angefochtenen Entscheidung zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klägerin bis zum 20. November 2003 am Kartell beteiligt war.

86

Nach alledem ist der zweite Klagegrund der Klägerinnen zurückzuweisen.

Zum ersten Klagegrund: Rechtsfehler bei der Berechnung der Geldbuße aufgrund der Nichtberücksichtigung der fehlenden Beteiligung von Exxon an der Zuwiderhandlung vor der Fusion

87

Die Klägerinnen beanstanden die Berechnung der gegen Esso France verhängten Geldbuße aus dem Grund, dass sie die Tatsache nicht widerspiegle, dass Exxon vor der Exxon-Mobil-Fusion im November 1999 nicht an der Zuwiderhandlung teilgenommen habe.

Vorbemerkungen

88

Nach Ziff. 13 der Leitlinien von 2006 verwendet die Kommission für die Berechnung der Geldbuße im Regelfall den Umsatz des Unternehmens im letzten vollständigen Geschäftsjahr, in dem das Unternehmen an der Zuwiderhandlung beteiligt war.

89

Im vorliegenden Fall war das letzte vollständige Geschäftsjahr der Zuwiderhandlung das Jahr 2004 für die Unternehmen, die am Kartell bis zu seinem Ende beteiligt waren, und das Jahr 2002 für ExxonMobil. Die Kommission hat jedoch als Referenzjahr nicht das letzte vollständige Jahr der Beteiligung am Kartell zugrunde gelegt, sondern aufgrund der Erweiterungen der Union im Jahr 2004 den Durchschnitt der letzten drei vollständigen Jahre (634. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Die Kommission hat den durchschnittlichen Umsatz der letzten drei Jahre der Beteiligung für alle Kartellbeteiligten berechnet.

90

Außerdem hat die Kommission den von den Klägerinnen in ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte gestellten Antrag, die Tatsache zu berücksichtigen, dass Exxon an der Zuwiderhandlung vor der Exxon-Mobil-Fusion nicht beteiligt gewesen sei, mit folgenden Ausführungen zurückgewiesen:

„ExxonMobil fordert die Kommission auf, bei der Beteiligung von ExxonMobil jeweils einen Zeitraum vor und nach dem Zusammenschluss zu unterscheiden und im Zeitraum vor dem Zusammenschluss nur die Umsätze von Mobil zu berücksichtigen, weil Exxon damals noch nicht an der Zuwiderhandlung beteiligt gewesen sei. ExxonMobil argumentiert, die Kommission dürfe das Jahr 2002 nicht einbeziehen; sie müsse berücksichtigen, dass Exxon von 1992 bis 2000 nicht an der Zuwiderhandlung beteiligt gewesen sei … Die Kommission teilt diese Ansicht nicht. Die Leitlinien … [von] 2006 sehen vor, dass im Regelfall das letzte vollständige Geschäftsjahr der Beteiligung an der Zuwiderhandlung als Bezugsjahr angenommen wird; für ExxonMobil ist dies das Jahr 2002. ExxonMobil führt keine Argumente dafür an, dass dies in dieser Sache anders gehandhabt werden müsse. Da sich Exxon und Mobil 1999 zusammengeschlossen haben, erkennt die Kommission nicht, warum die Umsätze von ExxonMobil im Jahre 2002 nicht berücksichtigt werden sollten. Wie in Abschnitt 6.2.2 [vgl. Erwägungsgründe 348 bis 352 der angefochtenen Entscheidung] erläutert, liegt die Verantwortung für die Beteiligung von Mobil bei ExxonMobil, und gegen dieses Unternehmen wird die Geldbuße verhängt; entsprechend sind die Umsätze von ExxonMobil zu berücksichtigen.“

91

Auf der Grundlage dieser Erwägungen hat die Kommission den durchschnittlichen Umsatz der ExxonMobil-Gruppe in den Jahren 2000 bis 2002 für die Berechnung der Geldbuße herangezogen. Die Geldbuße aller Klägerinnen, einschließlich der von Esso France, wurde auf der Grundlage dieses Umsatzes berechnet.

Zur Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung

92

Die Klägerinnen machen geltend, die Kommission habe bei der Berechnung der gegen Esso France verhängten Geldbuße einen Fehler begangen, indem sie den Umsatz nach der Fusion der ExxonMobil-Gruppe (den Durchschnitt der Jahre 2000 bis 2002) zugrunde gelegt und ihn auch mit der Anzahl der Jahre (1992 bis 1999) multipliziert habe, in denen nur Mobil (über Mobil France, die anschließend von Esso France übernommen worden sei) am Kartell beteiligt gewesen sei, während Exxon kein Kartellmitglied gewesen sei.

93

Damit habe die Kommission gegen Esso France eine Geldbuße in derselben Höhe verhängt, wie wenn Exxon in dem Zeitraum von etwas mehr als sieben Jahren vor der Fusion (von 1992 bis 1999) tatsächlich an der Zuwiderhandlung teilgenommen hätte. Dieser Ansatz sei mit den Tatsachenfeststellungen in der angefochtenen Entscheidung unvereinbar. Außerdem verstoße er gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit sowie gegen Art. 23 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 und die Leitlinien von 2006.

94

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass nach Ziff. 6 der Leitlinien von 2006 die Verbindung des Umsatzes auf den vom Verstoß „betroffenen Märkten“ mit der Dauer des Verstoßes eine Formel darstellt, die die wirtschaftliche Bedeutung der Zuwiderhandlung und das jeweilige Gewicht des einzelnen an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmens angemessen wiedergibt.

95

Nach der Rechtsprechung kann die Kommission zwar in der Regel bei der Berechnung des Umsatzes auf das letzte Jahr der Beteiligung an der Zuwiderhandlung als Referenzzeitraum abstellen; es muss aber nicht immer so verfahren werden. Es ist nämlich eine Berechnungsmethode zu wählen, die es ermöglicht, Größe und Wirtschaftskraft eines jeden betroffenen Unternehmens sowie das Ausmaß der begangenen Zuwiderhandlung anhand der tatsächlichen wirtschaftlichen Lage zur Zeit der Begehung der Zuwiderhandlung zu berücksichtigen (Urteil des Gerichtshofs vom 16. November 2000, Sarrió/Kommission, C-291/98 P, Slg. 2000, I-9991, und Urteil des Gerichts vom 13. September 2010, Trioplast Industrier/Kommission, T-40/06, Slg. 2010, II-4893, Rn. 92).

96

Ist auf den Umsatz der an ein und derselben Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen abzustellen, um das Verhältnis zwischen den festzusetzenden Geldbußen zu bestimmen, so muss außerdem der zu berücksichtigende Zeitraum so abgegrenzt werden, dass die ermittelten Umsatzzahlen möglichst gut vergleichbar sind. Folglich kann ein bestimmtes Unternehmen nur dann verlangen, dass die Kommission bei ihm auf einen anderen als den im Allgemeinen herangezogenen Zeitraum abstellt, wenn es nachweist, dass der von ihm im letztgenannten Zeitraum erzielte Umsatz aus für dieses Unternehmen spezifischen Gründen weder für seine wirkliche Größe und seine Wirtschaftskraft noch für das Ausmaß der von ihm begangenen Zuwiderhandlung einen Anhaltspunkt bietet (Urteil des Gerichts vom 14. Mai 1998, Fiskeby Board/Kommission, T-319/94, Slg. 1998, II-1331, Rn. 42).

97

Die Klägerinnen bestreiten nicht, dass der Durchschnitt der Umsätze von ExxonMobil, die von 2000 bis 2002 auf den vom Kartell betroffenen Märkten erzielt wurden, das Ausmaß der von ihnen begangenen Zuwiderhandlung und ihr jeweiliges Gewicht im Kartell für den Zeitraum nach der Fusion, d. h. von November 1999 bis November 2003 (vier Jahre), zutreffend widerspiegelt. Sie beanstanden dagegen, dass der Grundbetrag, der anhand dieses Umsatzes berechnet worden sei, für Esso France mit 11,5 multipliziert worden sei und dass daher die Kommission den Umsatz von ExxonMobil nach der Fusion für den Zeitraum von September 1992 bis November 1999 (siebeneinhalb Jahre) verwendet habe, in dem Mobil am Kartell allein beteiligt gewesen sei. Der Umsatz nach der Fusion der ExxonMobil-Gruppe spiegle das jeweilige Gewicht von Mobil in der Zuwiderhandlung für den Zeitraum von September 1992 bis November 1999 nicht wider.

98

Die Kommission trägt vor, der durchschnittliche Umsatz von ExxonMobil der Jahre 2000 bis 2002 spiegle das jeweilige Gewicht von ExxonMobil im Kartell während eines bedeutenden Teils der Dauer des Kartells, nämlich des Zeitraums nach der Fusion, zutreffend wider, so dass diese Umsätze repräsentativ gewesen seien. Außerdem bezieht sie sich auf das weite Ermessen, über das sie bei der Wahl des Referenzzeitraums verfüge, und auf die einschlägige Rechtsprechung.

99

Erstens belassen nach der Rechtsprechung die in Art. 23 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 genannten Kriterien der Schwere und der Dauer der Zuwiderhandlung der Kommission bei der Berechnung der Geldbuße ein weites Ermessen, was dieser erlaubt, Sanktionen unter Berücksichtigung des Grades der Rechtswidrigkeit des fraglichen Verhaltens zu verhängen (Urteile des Gerichts vom 5. April 2006, Degussa/Kommission, T-279/02, Slg. 2006, II-897, Rn. 76, und vom 8. Oktober 2008, Schunk und Schunk Kohlenstoff-Technik/Kommission, T-69/04, Slg. 2008, II-2567, Rn. 37).

100

Außerdem hat die Kommission bei der Festsetzung von Geldbußen wie der im vorliegenden Fall in Rede stehenden die allgemeinen Rechtsgrundsätze und insbesondere die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit zu beachten (Urteile Degussa/Kommission, oben in Rn. 99 angeführt, Rn. 77 und 79, und Schunk und Schunk Kohlenstoff-Technik/Kommission, oben in Rn. 99 angeführt, Rn. 41).

101

Zweitens ist nach der Rechtsprechung der Grundsatz der Gleichbehandlung nur verletzt, wenn vergleichbare Sachverhalte unterschiedlich behandelt oder unterschiedliche Sachverhalte gleich behandelt werden, es sei denn, dass eine derartige Behandlung objektiv gerechtfertigt wäre (Urteil des Gerichtshofs vom 13. Dezember 1984, Sermide, 106/83, Slg. 1984, 4209, Rn. 28, und Urteil des Gerichts vom 4. Juli 2006, Hoek Loos/Kommission, T-304/02, Slg. 2006, II-1887, Rn. 96).

102

Im vorliegenden Fall war ExxonMobil jedoch in einer anderen Situation als die anderen am Kartell beteiligten Unternehmen, da fast die Hälfte ihrer Paraffinwachsproduktion – die Produktion von Exxon – vor der Exxon-Mobil-Fusion im Jahr 1999 vom Kartell nicht betroffen war. Dagegen hat die Kommission die anderen Kartellbeteiligten und ExxonMobil gleich behandelt, soweit sie den durchschnittlichen Umsatz von ExxonMobil in den letzten drei Jahren ihrer Beteiligung zugrunde gelegt hat.

103

Somit hat die Kommission gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen.

104

Drittens sind die Rügen eines Verstoßes gegen Art. 23 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 und eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zusammen zu prüfen.

105

Nach Art. 23 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 ist bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße sowohl die Schwere der Zuwiderhandlung als auch deren Dauer zu berücksichtigen.

106

Nach der Rechtsprechung verlangt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dass die Handlungen der Organe nicht die Grenzen dessen überschreiten, was zur Erreichung der mit der fraglichen Regelung verfolgten legitimen Ziele geeignet und erforderlich ist. Dabei ist, wenn mehrere geeignete Maßnahmen zur Auswahl stehen, die am wenigsten belastende zu wählen; ferner müssen die verursachten Nachteile in angemessenem Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen (Urteile des Gerichtshofs vom 13. November 1990, Fedesa u. a., C-331/88, Slg. 1990, I-4023, Rn. 13, und vom 5. Mai 1998, Vereinigtes Königreich/Kommission, C-180/96, Slg. 1998, I-2265, Rn. 96; Urteil des Gerichts vom 12. September 2007, Prym und Prym Consumer/Kommission, T‑30/05, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Rn. 223).

107

Im Rahmen der von der Kommission zur Ahndung der Verstöße gegen die Wettbewerbsregeln eingeleiteten Verfahren bedeutet die Anwendung dieses Grundsatzes, dass die Geldbußen nicht außer Verhältnis zu den angestrebten Zielen – d. h. zur Beachtung dieser Regeln – stehen dürfen und die einem Unternehmen wegen einer Zuwiderhandlung im Bereich des Wettbewerbs auferlegte Geldbuße so zu bemessen ist, dass sie bei einer Gesamtwürdigung der Zuwiderhandlung unter besonderer Berücksichtigung ihrer Schwere und Dauer in angemessenem Verhältnis zu ihr steht (vgl. in diesem Sinne Urteil Prym und Prym Consumer/Kommission, oben in Rn. 106 angeführt, Rn. 223 und 224 und die dort angeführte Rechtsprechung). Aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit folgt insbesondere, dass die Kommission die Geldbuße verhältnismäßig nach den Gesichtspunkten festsetzen muss, die sie für die Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung berücksichtigt hat, und dass sie diese Gesichtspunkte dabei schlüssig und objektiv gerechtfertigt bewerten muss (Urteile des Gerichts vom 27. September 2006, Jungbunzlauer/Kommission, T-43/02, Slg. 2006, II-3435, Rn. 226 bis 228, sowie Amann & Söhne und Cousin Filterie/Kommission, oben in Rn. 38 angeführt, Rn. 171).

108

Es ist darauf hinzuweisen, dass nach Ziff. 6 der Leitlinien von 2006 „[d]ie Verbindung des Umsatzes auf den vom Verstoß betroffenen Märkten mit der Dauer … eine Formel dar[stellt], die die wirtschaftliche Bedeutung der Zuwiderhandlung und das jeweilige Gewicht des einzelnen an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmens angemessen wiedergibt“. Eine solche Bestimmung enthält die Begründung für die allgemeine von der Kommission nach diesen Leitlinien angewandte Methode, die darin besteht, einen bestimmten Teil des im Referenzzeitraum erzielten Umsatzes (im vorliegenden Fall 18 % für Paraffinwachse) mit der der Zahl der Jahre der Beteiligung an der Zuwiderhandlung zu multiplizieren.

109

Die Tatsache, dass nach dieser Methode der Grundbetrag arithmetisch proportional zur Dauer der Beteiligung an der Zuwiderhandlung ist (mit Ausnahme des durch die „Eintrittsgebühr“ gebildeten kleineren Teils) deutet darauf hin, dass nach der Systematik der Leitlinien von 2006 die Verbindung des Umsatzes mit der Dauer eine Formel darzustellen hat, die die gesamte Dauer der Beteiligung und nicht nur das das letzte vollständige Geschäftsjahr der Beteiligung oder einen „bedeutenden Teil“ von ihr wiedergibt. Eine solche Feststellung ist außerdem aufgrund der oben in Rn. 95 angeführten Rechtsprechung geboten, nach der eine Berechnungsmethode zu wählen ist, die es ermöglicht, Größe und Wirtschaftskraft eines jeden betroffenen Unternehmens sowie das Ausmaß der begangenen Zuwiderhandlung anhand der tatsächlichen wirtschaftlichen Lage zur Zeit der Begehung der Zuwiderhandlung zu berücksichtigen.

110

Der anhand des Umsatzes im Referenzzeitraum berechnete Grundbetrag, der mit dem Koeffizienten für die Dauer multipliziert wird, stellt jedoch nur dann eine Formel dar, die die tatsächliche wirtschaftliche Lage während der gesamten Dauer der Zuwiderhandlung angemessen wiedergibt, wenn der Bestandteil, der ihren Ausgangspunkt bildet – der Umsatz –, zumindest annähernd repräsentativ für die gesamte Dauer der Zuwiderhandlung ist.

111

Zwar erlaubt der Ermessensspielraum, über den die Kommission bei der Berechnung der Geldbuße verfügt, ihr unter gewöhnlichen Umständen, das letzte Jahr der Beteiligung an der Zuwiderhandlung als Referenzzeitraum zu berücksichtigen. Eine solche allgemeine Lösung ist nämlich gerechtfertigt, da dieses Ermessen der Kommission erlaubt, nicht jede Umsatzschwankung in den Jahren der Zuwiderhandlung zu berücksichtigen, und eine Erhöhung des Umsatzes das Ergebnis des Kartells selbst sein kann.

112

Dagegen kann für den Fall, dass eine Fusion während der Dauer des Kartells erfolgt ist, an dem vor der Fusion nur eine der Gesellschaften beteiligt war, der Umsatz der aus der Fusion hervorgehenden Einheit während des letzten vollständigen Geschäftsjahrs, der mit der Zahl der Jahre der Beteiligung nicht nur der aus der Fusion hervorgehenden Einheit, sondern auch der Gesellschaft multipliziert wird, die vor der Fusion allein am Kartell beteiligt war, keine „Formel dar[stellen], die die wirtschaftliche Bedeutung der Zuwiderhandlung und das jeweilige Gewicht des einzelnen an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmens“ für die gesamte Dauer der Beteiligung „angemessen wiedergibt“. Indem die Kommission nämlich den Umsatz der aus der Fusion hervorgehenden Einheit auch mit der Zahl der Jahre multipliziert, in denen nur eine der fusionierten Gesellschaften an der Zuwiderhandlung teilgenommen hat, erhöht sie künstlich den Grundbetrag der Geldbuße auf eine Weise, die die tatsächliche wirtschaftliche Lage in den Jahren vor der Fusion nicht wiedergibt.

113

Dies ist jedoch hier der Fall gewesen, da die Kommission den Grundbetrag für die Festsetzung der Höhe der Geldbuße von Esso France berechnet hat, indem sie den Umsatz der ExxonMobil-Gruppe im Zeitraum von 2000 bis 2002 mit einer Zahl von Jahren multipliziert hat, die die Jahre umfasst, in denen nur Mobil am Kartell beteiligt war (von 1992 bis 1999). Der auf diese Weise ermittelte Grundbetrag steht außer Verhältnis zur Schwere der Zuwiderhandlung, weil er weder die wirtschaftliche Bedeutung der von Mobil France vor der Fusion begangenen Zuwiderhandlung noch ihr jeweiliges Gewicht im Kartell angemessen wiedergibt.

114

Daher hat die Kommission gegen Art. 23 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen.

115

Das weitere Vorbringen der Kommission vermag die oben in den Rn. 103 und 114 dargelegten Erwägungen nicht in Frage zu stellen.

116

Erstens macht die Kommission geltend, sie habe die Exxon-Mobil-Fusion bei der Berechnung der Geldbuße berücksichtigt, da sie Koeffizienten für eine kürzere Dauer für Esso Deutschland, EMC und EMPC angewandt habe.

117

Es ist jedoch festzustellen, dass der von der Kommission berücksichtigte Umsatz von ExxonMobil für die Berechnung der Geldbuße von Esso France den Umsatz aus der Tätigkeit „Hydro-Paraffinwachse“ umfasst, die von Exxon, die vor der Exxon-Mobil-Fusion nicht am Kartell beteiligt gewesen war, übernommen wurde.

118

Somit ist dieses Vorbringen zurückzuweisen.

119

Zweitens sind die Argumente der Kommission betreffend die einschlägige Rechtsprechung zu prüfen.

120

Zunächst hat die Kommission in der mündlichen Verhandlung auf das Urteil vom 3. März 2011, Siemens und VA Tech Transmission & Distribution/Kommission (T-122/07 bis T-124/07, Slg. 2011, II-793, Rn. 124 und 127), Bezug genommen, in dem das Gericht ihre Herangehensweise bestätigt hat, den Umsatz des aus der Fusion der Reyrolle Ltd, der Schneider Electric High Voltage SA und der Nuova Magrini Galileo SpA hervorgegangenen Unternehmens im letzten vollständigen Geschäftsjahr der Zuwiderhandlung für die Berechnung des Ausgangsbetrags für alle diese Gesellschaften heranzuziehen, obwohl deren Fusion erst zwei Jahre vor dem Beginn ihrer Beteiligung an der Zuwiderhandlung erfolgt war.

121

Insoweit genügt der Hinweis, dass, wie die Klägerinnen zutreffend bemerken, Reyrolle, Schneider Electric High Voltage und Nuova Magrini Galileo, anders als Exxon im vorliegenden Fall, vor der Fusion einzeln am Kartell teilgenommen hatten (Urteil Siemens und VA Tech Transmission & Distribution/Kommission, oben in Rn. 120 angeführt, Rn. 19). Das Gericht ist der Auffassung, dass dieser Umstand einen wesentlichen tatsächlichen Unterschied darstellt, so dass sich die Kommission in der vorliegenden Rechtssache nicht mit Erfolg auf dieses Urteil berufen kann.

122

Sodann bezieht sich die Kommission auf das Urteil des Gerichts vom 30. September 2009, Akzo Nobel u. a./Kommission (T‑175/05, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Rn. 139 bis 146), das auch ein Kartell betreffe, während dessen Bestehens die Klägerinnen eine Gesellschaft erworben hätten, die vor dem Zusammenschluss nicht am Kartell beteiligt gewesen sei.

123

Insoweit ist auf das Urteil Akzo Nobel u. a./Kommission, oben in Rn. 122 angeführt, zu verweisen, das in der Rechtssache „Monochloressigsäure“ (im Folgenden: MCE) ergangen ist, in der die Kommission die Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 [KS] festgesetzt werden (ABl. 1998, C 9, S. 3, im Folgenden: Leitlinien von 1998), angewandt hatte.

124

Das Gericht hat in Rn. 143 des Urteils Akzo Nobel u. a./Kommission, oben in Rn. 122 angeführt, entschieden, dass die Heranziehung des im Referenzjahr, nämlich dem letzten vollständigen Geschäftsjahr des zugrunde gelegten Zeitraums der Zuwiderhandlung, von jedem Unternehmen erzielten Umsatzes ermöglicht habe, die Größe und die Wirtschaftskraft jedes Unternehmens sowie das Ausmaß der von jedem von ihnen begangenen Zuwiderhandlung einzuschätzen, wobei diese Gesichtspunkte für die Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung der einzelnen Unternehmen relevant sind.

125

Sodann hat das Gericht die Analyse der Kommission bestätigt, die Akzo Nobel in die erste Kategorie der Zuwiderhandelnden eingestuft hatte, für die der Grundbetrag der Geldbuße auf 30 Mio. Euro festgesetzt worden war, vor Hoechst, die in die zweite Kategorie eingestuft wurde, für die der Grundbetrag der Geldbuße auf 21 Mio. Euro festgesetzt worden war und die während des größten Teils der Dauer ihrer Beteiligung (von 1984 bis 1994) der größte Hersteller von MCE war. Akzo war nämlich von 1984 bis 1999 am Kartell beteiligt, jedoch wurde Akzo Nobel erst im Jahr 1994, nach ihrer Fusion mit Nobel Industrier, die seit 1993 am Kartell beteiligt gewesen war, vor Hoechst der bedeutendste Hersteller von MCE.

126

Insoweit ist festzustellen, dass die allgemeine Methode, der die Kommission nach den Leitlinien von 2006 folgte, sich erheblich von der nach den Leitlinien von 1998 angewandten unterscheidet.

127

In den Leitlinien von 1998 gab es nämlich keine Bestimmung, die die Kommission dazu verpflichtete, den Umsatz der betroffenen Unternehmen auf den von dem Kartell betroffenen Märkten zu berücksichtigen. Der Ausgangsbetrag der Geldbuße war im Hinblick auf die Schwere der Zuwiderhandlung, „die tatsächliche wirtschaftliche Fähigkeit der Urheber der Verstöße, Wettbewerber ... wirtschaftlich in erheblichem Umfang zu schädigen“, sowie „das jeweilige Gewicht und damit die tatsächliche Auswirkung des Verstoßes jedes einzelnen Unternehmens auf den Wettbewerb“ festzusetzen, so dass er „hinreichend abschreckende Wirkung [für das betreffende Unternehmen] entfaltet“.

128

Daher lassen die Leitlinien von 1998 der Kommission einen viel größeren Ermessensspielraum bei der Bestimmung des Ausgangsbetrags der Geldbuße, wobei sie für diese Bestimmung die am Kartell beteiligten Unternehmen oft in mehrere Kategorien, insbesondere in Abhängigkeit von ihren jeweiligen Marktanteilen, unterteilt. In den Leitlinien von 2006 hat sich die Kommission dagegen eine Methode auferlegt, nach der der Grundbetrag arithmetisch proportional zum Umsatz ist, da zur Bestimmung dieses Betrags „ein bestimmter Anteil am Umsatz, der sich nach der Schwere des Verstoßes richtet, mit der Anzahl der Jahre der Zuwiderhandlung multipliziert“ wird, zu dem ein „Eintrittsgebühr“ genannter Betrag zwischen 15 % und 25 % des Umsatzes hinzugefügt wird, um die Unternehmen von der Beteiligung an den schwerwiegendsten Vereinbarungen abzuschrecken.

129

Folglich ist das Ergebnis des Urteils Akzo Nobel u. a./Kommission, oben in Rn. 122 angeführt, zur Anwendung der Leitlinien von 1998 in Anbetracht der von der Kommission in der angefochtenen Entscheidung, die auf der Grundlage der Leitlinien von 2006 erlassen wurde, angewandten unterschiedlichen Methode auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar.

130

Nach alledem ist dem ersten Klagegrund stattzugeben und die angefochtene Entscheidung hinsichtlich Esso France in Bezug auf die Berechnung des Umsatzes für Paraffinwachse für nichtig zu erklären, ohne die weiteren Rügen und das weitere Vorbringen der Klägerinnen zu prüfen. Die Schlüsse, die hieraus für die Festsetzung der Höhe der Geldbuße zu ziehen sind, werden unten in den Rn. 134 ff. untersucht.

131

Im Übrigen ist die Klage abzuweisen.

Zur Ausübung der Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung und zur Festsetzung des endgültigen Betrags der Geldbuße

132

Die Kontrolle der Rechtmäßigkeit der von der Kommission erlassenen Entscheidungen wird durch die Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung ergänzt, die den Unionsgerichten in Art. 31 der Verordnung Nr. 1/2003 gemäß Art. 261 AEUV eingeräumt ist. Diese Befugnis ermächtigt die Gerichte über die reine Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Zwangsmaßnahme hinaus dazu, die Beurteilung der Kommission durch ihre eigene Beurteilung zu ersetzen und demgemäß die verhängte Geldbuße oder das verhängte Zwangsgeld aufzuheben, herabzusetzen oder zu erhöhen. Die in den Verträgen vorgesehene Kontrolle bedeutet somit – im Einklang mit den Anforderungen des Grundsatzes des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes gemäß Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union –, dass die Unionsgerichte sowohl in rechtlicher als auch in tatsächlicher Hinsicht eine Kontrolle vornehmen und befugt sind, die Beweise zu würdigen, die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären und die Höhe der Geldbußen zu ändern (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 8. Februar 2007, Groupe Danone/Kommission, C-3/06 P, Slg. 2007, I-1331, Rn. 60 bis 62, und Urteil des Gerichts vom 21. Oktober 2003, General Motors Nederland und Opel Nederland/Kommission, T-368/00, Slg. 2003, II-4491, Rn. 181).

133

Das Gericht hat daher im Rahmen seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung zu dem Zeitpunkt, zu dem es seine Entscheidung erlässt, zu bewerten, ob gegen die klägerischen Parteien eine Geldbuße verhängt wurde, deren Höhe die Schwere und die Dauer der fraglichen Zuwiderhandlung so zutreffend widerspiegelt, dass diese Geldbuße gemessen an den in Art. 23 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 vorgesehenen Kriterien verhältnismäßig ist (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichts vom 11. März 1999, Aristrain/Kommission, T-156/94, Slg. 1999, II-645, Rn. 584 bis 586, und vom 9. Juli 2003, Cheil Jedang/Kommission, T-220/00, Slg. 2003, II-2473, Rn. 93). Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die Ausübung der Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung nicht einer Prüfung von Amts wegen entspricht und dass das Verfahren vor den Gerichten der Union ein streitiges Verfahren ist.

134

Um die von der Kommission begangenen, oben in den Rn. 103 und 114 festgestellten Rechtsverletzungen zu bereinigen, ist auf gesonderte Umsätze für die Zeiträume vor und nach der Exxon-Mobil-Fusion abzustellen.

135

Was die Beteiligung von Esso France an der Zuwiderhandlung im Zeitraum vom 3. September 1992 bis zum 29. November 1999 betrifft, ist mangels verfügbarer Daten für das Jahr 1999 der Umsatz von Esso France im Jahr 2000 zu berücksichtigen und mit dem Koeffizienten von 7,5 zu multiplizieren, um die Dauer dieses Teils der Zuwiderhandlung widerzuspiegeln.

136

Hinsichtlich der Beteiligung von Esso France an der Zuwiderhandlung nach der Exxon-Mobil-Fusion vom 30. November 1999 bis zum 20. November 2003 ist der Umsatz der ExxonMobil-Gruppe zu berücksichtigen, wie er von der Kommission in der angefochtenen Entscheidung festgesetzt wurde, d. h. der Durchschnitt des Umsatzes, der in den Jahren 2000 bis 2002 erzielt wurde. Sodann ist dieser Betrag mit einem Koeffizienten von 4 zu multiplizieren, um der Dauer dieses Teils der Zuwiderhandlung Rechnung zu tragen.

137

Die übrigen Gesichtspunkte der Berechnung der Geldbuße bleiben unverändert. Insbesondere stellt das Gericht fest, dass die Kommission gemäß Ziff. 30 der Leitlinien von 2006 aufgrund der Größe der ExxonMobil-Gruppe einen Multiplikationsfaktor von 2 zur Abschreckung angewandt hat, bei dessen Festsetzung sie nur den Anteil der Umsätze am Gesamtumsatz von ExxonMobil berücksichtigt und gleichzeitig die Verhältnismäßigkeit mit den auf die anderen am Kartell beteiligten Unternehmen angewandten Multiplikationsfaktoren sichergestellt hat, ohne zur Abschreckung eine Untergrenze der Geldbuße festzusetzen (vgl. Erwägungsgründe 712 und 713 der angefochtenen Entscheidung). Unter diesen Umständen ist das Gericht mangels gegenteiliger Argumente und Beweismittel der Auffassung, dass in derselben Weise vorzugehen und aufgrund der Größe der ExxonMobil-Gruppe ein Multiplikationsfaktor von 2 auf den Grundbetrag der gegen Esso France verhängten Geldbuße anzuwenden ist, wie er nach der oben in den Rn. 135 und 136 beschriebenen Methode berechnet wurde. Daraus folgt, dass die in Art. 2 der angefochtenen Entscheidung gegen Esso France verhängte Geldbuße auf 62712895 Euro festzusetzen ist.

138

Jedenfalls ist das Gericht in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung der Ansicht, dass die Höhe der so festgesetzten Geldbuße unter Berücksichtigung der Schwere und des Zeitraums der Zuwiderhandlung von Esso France angemessen ist.

Kosten

139

Nach Art. 87 § 3 der Verfahrensordnung kann das Gericht die Kosten teilen oder beschließen, dass jede Partei ihre eigenen Kosten trägt, wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt.

140

Im vorliegenden Fall hat das Gericht dem ersten Klagegrund der Klägerinnen betreffend Fehler der Kommission bei der Berechnung der gegen Esso France verhängten Geldbuße hinsichtlich des Zeitraums der Beteiligung vor der Exxon-Mobil-Fusion stattgegeben. Das Vorbringen zu diesem Klagegrund stellte den größten Teil der Klageschrift dar, deren Umfang im Übrigen wesentlich geringer war als die maximale Seitenzahl für Schriftsätze, wie in Nr. 15 der Praktischen Anweisungen für die Parteien vor dem Gericht festgelegt. Hingegen wurde das Vorbringen im Rahmen des zweiten Klagegrundes zur Stützung des Antrags auf Herabsetzung der Geldbuße für den Zeitraum der Beteiligung am Kartell nach der Exxon-Mobil-Fusion zur Gänze zurückgewiesen. Die gesamtschuldnerisch gegen Esso Deutschland, EMPC und EMC verhängte Geldbuße bezieht sich ausschließlich auf diesen zweiten Zeitraum. Es erscheint nach den Umständen des Falles daher angemessen, dass die Kommission ihre eigenen Kosten und die Kosten von Esso France trägt und dass Esso Deutschland, EMPC und EMC jeweils ihre eigenen Kosten tragen.

 

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Dritte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

 

1.

Der Betrag der gegen die Esso Sociéte anonyme française in Art. 2 der Entscheidung K(2008) 5476 endg. der Kommission vom 1. Oktober 2008 in einem Verfahren nach Artikel 81 [EG] und Artikel 53 des EWR-Abkommens (Sache COMP/39.181 – Kerzenwachse) verhängten Geldbuße wird auf 62712895 Euro festgesetzt.

 

2.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

 

3.

Die Europäische Kommission trägt ihre eigenen Kosten und die Kosten, die der Esso Société anonyme française entstanden sind.

 

4.

Die Esso Deutschland GmbH, die ExxonMobil Petroleum and Chemical BVBA und die Exxon Mobil Corp. tragen ihre eigenen Kosten.

 

Czúcz

Labucka

Gratsias

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 11. Juli 2014.

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Englisch.