Rechtssache T‑471/08
Ciarán Toland
gegen
Europäisches Parlament
„Zugang zu Dokumenten – Verordnung (EG) Nr. 1049/2001– Prüfbericht über die Zulage für parlamentarische Assistenz – Verweigerung des Zugangs – Ausnahme zum Schutz des Zwecks von Inspektions-, Untersuchungs- und Audittätigkeiten – Ausnahme zum Schutz des Entscheidungsprozesses“
Leitsätze des Urteils
1. Europäische Union – Organe – Recht der Öffentlichkeit auf Zugang zu Dokumenten – Verordnung Nr. 1049/2001 – Ausnahmen vom Recht auf Zugang zu Dokumenten – Schutz des Zwecks von Inspektions-, Untersuchungs- und Audittätigkeiten – Bedeutung
(Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates Nr. 1049/2001, Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich)
2. Europäische Union – Organe – Recht der Öffentlichkeit auf Zugang zu Dokumenten – Verordnung Nr. 1049/2001 – Ausnahmen vom Recht auf Zugang zu Dokumenten – Schutz des Entscheidungsprozesses – Voraussetzungen
(Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates Nr. 1049/2001, Art. 4 Abs. 3)
1. Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission ist dahin auszulegen, dass diese Vorschrift, die den Zweck von Inspektions-, Untersuchungs- und Audittätigkeiten schützen soll, nur dann anwendbar ist, wenn die Zugänglichmachung der betreffenden Dokumente dazu führen kann, dass diese Tätigkeiten nicht abgeschlossen werden können.
Untersuchungs- oder Inspektionshandlungen können zwar auch noch unter die Ausnahme zum Schutz von Inspektions-, Untersuchungs- und Audittätigkeiten fallen, solange die Untersuchungs- oder Inspektionstätigkeiten noch im Gang sind, selbst wenn die konkrete Untersuchung oder Inspektion, die Grundlage des Berichts ist, zu dem Zugang begehrt wird, beendet ist.
Nähme man jedoch an, dass die verschiedenen mit Inspektions-, Untersuchungs- und Audittätigkeiten im Zusammenhang stehenden Dokumente solange unter die in Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 vorgesehene Ausnahme fallen, wie die in diesen Verfahren zu ergreifenden Folgemaßnahmen nicht bestimmt wurden, würde man den Zugang zu diesen Dokumenten je nach der Schnelligkeit und Sorgfalt der befassten Verwaltungsstellen von einem zufälligen, künftigen und vielleicht fern liegenden Ereignis abhängig machen. Dieses Ergebnis stünde im Widerspruch zu dem Ziel, den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten über eventuelle Unregelmäßigkeiten bei der Verwaltung der finanziellen Interessen zu gewährleisten, um den Bürgern die Möglichkeit zu geben, die Ausübung öffentlicher Gewalt wirksamer auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu kontrollieren.
Die Ausnahme vom Recht auf Zugang zu Dokumenten aufgrund des Schutzes von Inspektions-, Untersuchungs- und Audittätigkeiten kann auf einen Prüfbericht wie einen Bericht des Referats Internes Audit des Europäischen Parlaments über die Zulage für parlamentarische Assistenz für anwendbar erklärt werden, dessen Verbreitung die Inspektions- oder Untersuchungstätigkeiten beeinträchtigen könnte, die auf der Grundlage seines Inhalts binnen einer angemessenen Frist fortgeführt werden. Das ist jedoch nicht der Fall, wenn die die Ausnahme anwendende Entscheidung kein Inspektions- oder Untersuchungsverfahren oder andere verwaltungsrechtliche Nachprüfungen nennt, die beim Erlass dieser Entscheidung im Gang gewesen wären und eine Umsetzung der in diesem Bericht empfohlenen sofortigen Maßnahmen darstellten, und wenn sie sich in dem Teil, der sich mit der Zurückweisung des Antrags auf Zugang dem Bericht befasst, auf eine abstrakte Bezugnahme auf die Notwendigkeit beschränkt, der Verwaltung eine angemessene Frist zu belassen, um die in dem streitigen Bericht enthaltenen Vorschläge unverzüglich umzusetzen, sowie auf die Angabe verschiedener Initiativen, die im Hinblick auf eine von der Verwaltung und/oder vom Gesetzgeber ausgehende Reform des einschlägigen normativen Rahmens in die Wege geleitet worden seien.
(vgl. Randnrn. 43-45, 47, 51-52)
2. Die Anwendung der auf den Schutz des Entscheidungsprozesses gestützten Ausnahme nach Art. 4 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1049/2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission setzt den Nachweis voraus, dass der Zugang zu dem vom Organ für seinen internen Gebrauch erstellten Dokument geeignet war, den Schutz des Entscheidungsprozesses dieses Organs tatsächlich und konkret zu beeinträchtigen, und dass die Gefahr der Beeinträchtigung wahrscheinlich und nicht rein hypothetisch war.
Darüber hinaus fällt die Beeinträchtigung des Entscheidungsprozesses nur dann unter diese Ausnahmeregelung, wenn sie erheblich („ernstlich“) ist. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn sich die Verbreitung des betreffenden Dokuments wesentlich auf den Entscheidungsprozess auswirkt. Die Beurteilung der Erheblichkeit hängt von der Gesamtheit der Umstände des Falles ab, u. a. von den negativen Auswirkungen auf den Entscheidungsprozess, die vom Organ geltend gemacht werden.
Ein Prüfbericht über die Zulage für parlamentarische Assistenz, der vom Referat Internes Audit des Europäischen Parlaments zur Durchführung von Art. 86 der Haushaltsordnung erstellt wird, ist ein von diesem Organ für seinen internen Gebrauch erstelltes Dokument. Die Anwendung der auf den Schutz des Entscheidungsprozesses gestützten Ausnahme ist jedoch nicht begründet, wenn die den Zugang hierzu verwehrende Entscheidung keine fassbare Angabe enthält, die den Schluss zuließe, dass die Gefahr einer Beeinträchtigung des Entscheidungsprozesses zum Zeitpunkt ihres Erlasses wahrscheinlich und nicht rein hypothetisch war, und wenn sie insbesondere weder das Vorliegen von Beeinträchtigungen oder Versuchen einer Beeinträchtigung des laufenden Entscheidungsprozesses zu diesem Zeitpunkt erwähnt, noch objektive Gründe angibt, denen zufolge es wahrscheinlich ist, dass solche Beeinträchtigungen im Fall einer Verbreitung des Berichts auftreten würden. Insoweit kann der Umstand, dass die Verwendung der den Mitgliedern des Europäischen Parlaments zur Verfügung gestellten Mittel durch diese ein sensibles, von den Medien mit Interesse verfolgtes Thema sein mag, selbst keinen objektiven Grund darstellen, der dafür ausreichte, eine ernstliche Beeinträchtigung des Entscheidungsprozesses zu befürchten, es sei denn, der vom EG-Vertrag gewollte Grundsatz der Transparenz selbst wird in Frage gestellt. Ebenso wenig stellt die behauptete Komplexität des Entscheidungsprozesses allein einen besonderen Grund dar, zu befürchten, dass die Verbreitung des fraglichen Berichts diesen Prozess ernstlich gefährden würde.
(vgl. Randnrn. 70-72, 78-81)
URTEIL DES GERICHTS (Zweite Kammer)
7. Juni 2011(*)
„Zugang zu Dokumenten – Verordnung (EG) Nr. 1049/2001– Prüfbericht über die Zulage für parlamentarische Assistenz – Verweigerung des Zugangs – Ausnahme zum Schutz des Zwecks von Inspektions-, Untersuchungs- und Audittätigkeiten – Ausnahme zum Schutz des Entscheidungsprozesses“
In der Rechtssache T‑471/08
Ciarán Toland, wohnhaft in Dublin (Irland), Prozessbevollmächtigte: A. Burke, Solicitor, E. Regan, SC, und J. Newman, Barrister,
Kläger,
unterstützt durch
Königreich Dänemark, vertreten durch B. Weis Fogh und C. Vang als Bevollmächtigte,
Republik Finnland, vertreten durch J. Heliskoski, A. Guimaraes-Purokoski und H. Leppo als Bevollmächtigte,
Königreich Schweden, vertreten durch A. Falk, S. Johannesson und K. Petkovska als Bevollmächtigte,
Streithelfer,
gegen
Europäisches Parlament, vertreten durch H. Krück, N. Lorenz und D. Moore als Bevollmächtigte,
Beklagter,
betreffend eine Klage auf teilweise Nichtigerklärung der Entscheidung des Europäischen Parlaments vom 11. August 2008, Referenz A (2008) 10636, soweit mit dieser der Zugang zum internen Prüfbericht Nr. 06/02 („Prüfung der Zulage für parlamentarische Assistenz“) des Referats Internes Audit des Europäischen Parlaments vom 9. Januar 2008 verweigert wurde,
erlässt
DAS GERICHT (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten N. J. Forwood sowie der Richter F. Dehousse (Berichterstatter) und J. Schwarcz,
Kanzler: K. Andovà, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 7. Dezember 2010
folgendes
Urteil
Rechtlicher Rahmen
1 Die Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission (ABl. L 145, S. 43) legt die Grundsätze, Bedingungen und Einschränkungen des in Art. 255 EG niedergelegten Rechts auf Zugang zu den Dokumenten dieser Organe fest.
2 Art. 4 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 1049/2001 bestimmt:
„(2) Die Organe verweigern den Zugang zu einem Dokument, durch dessen Verbreitung Folgendes beeinträchtigt würde:
…
– der Schutz des Zwecks von Inspektions-, Untersuchungs- und Audittätigkeiten,
es sei denn, es besteht ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Verbreitung.
(3) Der Zugang zu einem Dokument, das von einem Organ für den internen Gebrauch erstellt wurde oder bei ihm eingegangen ist und das sich auf eine Angelegenheit bezieht, in der das Organ noch keinen Beschluss gefasst hat, wird verweigert, wenn eine Verbreitung des Dokuments den Entscheidungsprozess des Organs ernstlich beeinträchtigen würde, es sei denn, es besteht ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Verbreitung.
…“
Der dem Rechtsstreit zugrunde liegende Sachverhalt
3 Mit Schreiben vom 11. Juni 2008 beantragte der Kläger, Herr Ciarán Toland, beim Parlament, ihm den Jahresbericht des Referats Internes Audit des Parlaments für das Jahr 2006 zu übermitteln, darin eingeschlossen sechzehn interne Prüfberichte, die in Randnr. 24 der Entschließung des Europäischen Parlaments vom 22. April 2008 mit den Bemerkungen, die integraler Bestandteil des Beschlusses betreffend die Entlastung für die Ausführung des Gesamthaushaltsplans der Europäischen Union für das Haushaltsjahr 2006, Einzelplan I – Europäisches Parlament, sind (ABl. 2009, L 88, S. 3), angeführt werden.
4 Mit Schreiben vom 23. Juni 2008 gewährte der Generalsekretär des Parlaments dem Kläger Zugang zum Jahresbericht des Referats Internes Audit des Parlaments für das Jahr 2006 mit der Referenznummer 07/01 und Datum vom 16. Juli 2007 (im Folgenden: Bericht Nr. 07/01), mit Ausnahme eines Abschnitts in diesem Bericht, der eine noch laufende Prüfung betraf. Die anderen sechzehn internen Prüfberichte, um die der Kläger ersucht hatte, wurden im Schreiben vom 23. Juni 2008 nicht erwähnt.
5 Mit Schreiben vom 19. Juli 2008 stellte der Kläger einen Zweitantrag, in dem er seinen Antrag auf Zugang zu den sechzehn internen Prüfberichten aus den im Schreiben vom 11. Juni 2008 dargelegten Gründen und unter Hinweis darauf, dass das Schreiben des Generalsekretärs des Parlaments vom 23. Juni 2008 keine objektive, ordnungsgemäß begründete Ablehnung der Übermittlung dieser Berichte enthalte, wiederholte. Der Kläger beantragte auch den Zugang zu dem im Bericht Nr. 07/01 geschwärzten Abschnitt.
6 Mit Schreiben vom 11. August 2008 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) verweigerte das Parlament erstens den Zugang zu den im Bericht Nr. 07/01 geschwärzten Abschnitt, gewährte zweitens vollständigen Zugang zu dreizehn der sechzehn internen Prüfberichte und teilweisen Zugang zu zwei weiteren dieser Berichte und verweigerte drittens den Zugang zum vierzehnten Bericht, dem Bericht Nr. 06/02 („Prüfung der Zulage für parlamentarische Assistenz“) seines Referats Internes Audit vom 9. Januar 2008 (im Folgenden: Bericht Nr. 06/02).
7 Das Parlament beschrieb den Bericht Nr. 06/02 in der angefochtenen Entscheidung dahin, dass er in einem ersten Teil eine Analyse der Risiken enthalte, die der Zahlung der Zulage für parlamentarische Assistenz eigen seien, sowie eine ausführliche Analyse der geltenden Vorschriften und ihrer Funktionsweise; er enthalte in einem zweiten Teil eine Zusammenfassung der Aktionspläne, die der interne Prüfer erstellt habe, um die Funktionsweise des Systems zu verbessern, und in einem dritten Teil eine ausführliche Erläuterung dieser Aktionspläne (S. 2 letzter Absatz der angefochtenen Entscheidung).
8 Als Studie der Risiken, die mit den finanziellen Vorgängen der Dienste des Parlaments bei der Zahlung der Zulage für parlamentarische Assistenz verbunden seien, und als Zusammenstellung von Vorschlägen zur Verbesserung des Systems stelle der Bericht Nr. 06/02 ein Audit im Sinne von Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 dar (S. 2 letzter Absatz und S. 3 oben der angefochtenen Entscheidung).
9 Obwohl der Bericht Nr. 06/02 am 9. Januar 2008 fertiggestellt worden sei, sei er weiterhin von der in Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 vorgesehenen Ausnahme vom Recht auf Zugang erfasst. Dies ergebe sich aus dem Urteil des Gerichts vom 6. Juli 2006, Franchet und Byk/Kommission (T‑391/03 und T‑70/04, Slg. 2006, II‑2023, Randnrn. 120 ff.). Die in dem Bericht Nr. 06/02 enthaltenen Aktionspläne stellten die Grundsätze auf, auf die eine Überprüfung des gesetzlichen Rahmens der parlamentarischen Assistenz gestützt werden könne. Zudem führten diese Aktionspläne weitere Maßnahmen auf, die bereits jetzt, vor irgendeiner Änderung des rechtlichen Rahmens, von der Generaldirektion (GD) „Haushalt“ des Parlaments ergriffen werden könnten. Der Verwaltung des Parlaments müsse für die Berücksichtigung und die unverzügliche Umsetzung dieser Vorschläge eine angemessene Frist eingeräumt werden, wie dies Art. 86 der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1605/2002 des Rates vom 25. Juni 2002 über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Europäischen Gemeinschaften (ABl. L 248, S. 1, im Folgenden: Haushaltsordnung) verlange. In diesem Stadium einen auch nur teilweisen Zugang zu dem Bericht Nr. 06/02 zu gewähren, könnte seine effektive Umsetzung und dadurch den Zweck der Audittätigkeit im Sinne von Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 beeinträchtigen (S. 3 erster Absatz der angefochtenen Entscheidung).
10 Darüber hinaus machte das Parlament geltend, dass die Aktionspläne des Berichts Nr. 06/02 Vorschläge enthielten, die den Erlass einer Entscheidung durch die zuständigen politischen Stellen erforderten, d. h. nicht nur das Präsidium des Parlaments und die Konferenz der Präsidenten des Parlaments, sondern auch die Kommission, den Rat und die Mitgliedstaaten. In seiner Plenarsitzung vom 22. April 2008 habe das Parlament erstens die Arbeitsgruppe des Präsidiums des Parlaments betreffend das Statut der Mitglieder aufgefordert, ihre Schlussfolgerungen vorzulegen, um auf die in dem Bericht Nr. 06/02 enthaltenen Bemerkungen hin rasch und angemessen tätig zu werden, zweitens habe es zur sofortigen Aufnahme der Verhandlungen mit den Mitgliedstaaten und der belgischen Regierung aufgerufen, drittens habe es seinem Generalsekretär das Mandat erteilt, mit der Kommission und dem Rat Kontakt aufzunehmen, um die Möglichkeit einer neuen Regelung der parlamentarischen Assistenz im Wege einer Änderung der Vorschriften über Vertragsbedienstete sicherzustellen, und schließlich habe es seine Arbeitsgruppe betreffend das Statut der Mitglieder des Parlaments, die parlamentarischen Assistenten und den Pensionsfonds beauftragt, vordringlich die Funktionsweise der geltenden Vorschriften zu beurteilen und angesichts der Bedeutung der Sache alle Vorschläge zur Änderung dieser Vorschriften einzubringen, die diese Arbeitsgruppe für erforderlich halte (S. 3 dritter Absatz der angefochtenen Entscheidung).
11 Das Parlament führte weiter aus, dass das Präsidium des Parlaments zwar am 9. Juli 2008 Maßnahmen zur Umsetzung des Statuts der Mitglieder des Parlaments erlassen habe, der sensible und komplexe Entscheidungsprozess, in dem der Bericht Nr. 06/02 ein wichtiges Referenzdokument sei, jedoch noch andauere. Wie seine Mitglieder die ihnen zur Verfügung gestellten Zulagen verwendeten, sei ein sensibles Thema, das von den Medien mit großem Interesse verfolgt werde, und Teile des Berichts Nr. 06/02 könnten verwendet werden, um die Debatte über die Reform des Systems entgleisen zu lassen, und eine rasche Reform in Frage stellen. Folglich würde die Verbreitung des Berichts Nr. 06/02 den Entscheidungsprozess des Parlaments zum gegenwärtigen Zeitpunkt, aber auch noch darüber hinaus ernstlich beeinträchtigen, da es die in Rede stehende Reform nicht allein durchführen könne (S. 3 letzter Absatz und S. 4 oben der angefochtenen Entscheidung).
12 Im Ergebnis war das Parlament der Auffassung, dass der Antrag des Klägers vom 19. Juli 2008 kein Argument enthalte, das die Verbreitung des Berichts Nr. 06/02 rechtfertigen könne, und dass eine solche, auch nur teilweise Verbreitung zum einen den Zweck des Audits im Sinne von Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 und zum anderen den Entscheidungsprozess des Parlaments im Sinne von Art. 4 Abs. 3 dieser Verordnung beeinträchtige, und entschied daher, den Antrag des Klägers auf Zugang zu diesem Bericht zurückzuweisen (S. 4 zweiter und dritter Absatz der angefochtenen Entscheidung).
Verfahren und Anträge der Beteiligten
13 Mit Klageschrift, die am 23. Oktober 2008 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben.
14 Mit am 13., 17. bzw. 30. März 2009 eingegangenen Schriftsätzen haben das Königreich Schweden, die Republik Finnland und das Königreich Dänemark beantragt, im vorliegenden Verfahren als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge des Klägers zugelassen zu werden.
15 Mit Beschluss vom 25. Juni 2009 hat der Präsident der Ersten Kammer des Gerichts diesen Streithilfeanträgen stattgegeben.
16 Im Zuge einer Änderung der Zusammensetzung der Kammern des Gerichts ist der Berichterstatter der Zweiten Kammer zugeteilt worden, der die Rechtssache dementsprechend zugewiesen worden ist.
17 Mit am 26. August, 9. und 11. September 2009 eingegangenen Schriftsätzen haben das Königreich Schweden, die Republik Finnland und das Königreich Dänemark ihre Streithilfeschriftsätze eingereicht.
18 Das Parlament und der Kläger haben zu diesen Streithilfeschriftsätzen am 16. bzw. 18. November 2009 Stellung genommen.
19 Das Gericht (Zweite Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen.
20 Die Beteiligten haben in der Sitzung vom 7. Dezember 2010 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.
21 In seiner Klageschrift beantragt der Kläger,
– die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit mit ihr der Zugang zum Bericht Nr. 06/02 verweigert wird;
– das Parlament zu verpflichten, ihm Zugang zum Bericht Nr. 06/02 zu geben;
– dem Parlament die Kosten aufzuerlegen.
22 In der Erwiderung hat der Kläger seinen Antrag, das Parlament zu verpflichten, ihm Zugang zum Bericht Nr. 06/02 zu gewähren, zurückgenommen.
23 Unter Berücksichtigung dieser Änderung der Anträge des Klägers beantragt das Parlament,
– den Antrag auf Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung als unbegründet abzuweisen;
– dem Kläger die Kosten aufzuerlegen;
– den Streithelfern ihre eigenen Kosten aufzuerlegen.
24 Das Königreich Dänemark, die Republik Finnland und das Königreich Schweden unterstützen im Wesentlichen den auf Nichtigerklärung gerichteten Antrag des Klägers.
Rechtliche Würdigung
25 Mit der vorliegenden Klage werden über die Formulierung von drei Klagegründen hinaus, die formell auf einen offensichtlichen Beurteilungsfehler, eine Verletzung der Begründungspflicht und einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gestützt sind, im Wesentlichen Rechtsfehler gerügt, die in einem Verstoß des Parlaments zum einen gegen Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 und zum anderen gegen Art. 4 Abs. 3 dieser Verordnung bestehen sollen. Entsprechend dieser Unterscheidung sind nach einigen einleitenden Erwägungen die verschiedenen Klagegründe und Argumente des Klägers zu prüfen.
Einleitende Erwägungen
26 Die Verordnung Nr. 1049/2001 bezweckt ihren Art. 1 und 2 Abs. 1 und 3 zufolge, der Öffentlichkeit vorbehaltlich in ihr festgelegter bestimmter Ausnahmen ein Recht auf Zugang zu den Dokumenten der Organe in allen Tätigkeitsbereichen der Union zu gewähren.
27 Nach ihrem ersten Erwägungsgrund ist diese Verordnung eine Ausprägung des Willens, der in dem durch den Vertrag von Amsterdam eingefügten Art. 1 Abs. 2 EU seinen Ausdruck gefunden hat und wonach dieser Vertrag eine neue Stufe bei der Verwirklichung einer immer engeren Union der Völker Europas darstellt, in der die Entscheidungen möglichst offen und möglichst bürgernah getroffen werden. Wie im zweiten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1049/2001 ausgeführt, knüpft das Recht der Öffentlichkeit auf Zugang zu Dokumenten der Organe an deren demokratischen Charakter an.
28 Nach ständiger Rechtsprechung sind die Ausnahmen vom Zugang zu Dokumenten eng auszulegen und anzuwenden, um die Anwendung des allgemeinen Grundsatzes, der Öffentlichkeit möglichst umfassenden Zugang zu den Dokumenten der Organe zu gewähren, nicht zu beeinträchtigen (Urteile des Gerichtshofs vom 18. Dezember 2007, Schweden/Kommission, C‑64/05 P, Slg. 2007, I‑11389, Randnr. 66, und vom 1. Juli 2008, Schweden und Turco/Rat, C‑39/05 P und C‑52/05 P, Slg. 2008, I‑4723, Randnr. 36; Urteil Franchet und Byk/Kommission, oben in Randnr. 9 angeführt, Randnr. 84). Im Übrigen verlangt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dass Ausnahmen nicht über das zur Erreichung des verfolgten Ziels angemessene und erforderliche Maß hinausgehen (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 6. Dezember 2001, Rat/Hautala, C‑353/99 P, Slg. 2001, I‑9565, Randnr. 28).
29 Außerdem muss die im Rahmen der Bearbeitung eines Antrags auf Zugang zu Dokumenten erforderliche Prüfung konkret sein. Der bloße Umstand, dass ein Dokument ein durch eine Ausnahme geschütztes Interesse betrifft, kann nämlich nicht ausreichen, um die Anwendung der Ausnahme zu rechtfertigen (vgl. entsprechend Urteil des Gerichts vom 13. September 2000, Denkavit Nederland/Kommission, T‑20/99, Slg. 2000, I‑3011, Randnr. 45). Deren Anwendung kann grundsätzlich nur dann gerechtfertigt sein, wenn das Organ zuvor geprüft hat, ob erstens der Zugang zu dem Dokument das geschützte Interesse tatsächlich konkret verletzt und ob zweitens – in den Fällen von Art. 4 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 1049/2001 – nicht ein überwiegendes öffentliches Interesse besteht, das die Verbreitung des betreffenden Dokuments rechtfertigt (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 19. Januar 2010, Co-Frutta/Kommission, T‑355/04 und T‑446/04, Slg. 2010, II‑1, Randnr. 123). Die Gefahr einer Beeinträchtigung des geschützten Interesses muss zudem bei vernünftiger Betrachtung absehbar und darf nicht rein hypothetisch sein (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteil des Gerichts vom 7. Februar 2002, Kuijer/Rat, T‑211/00, Slg. 2002, II‑485, Randnr. 56). Dass dies geprüft worden ist, muss aus der Begründung der Entscheidung hervorgehen (Urteile des Gerichts vom 13. April 2005, Verein für Konsumenteninformation/Kommission, T‑2/03, Slg. 2005, II‑1121, Randnr. 69, und Franchet und Byk/Kommission, oben in Randnr. 9 angeführt, Randnr. 115).
30 Eine konkrete und individuelle Prüfung jedes Dokuments ist auch deswegen erforderlich, weil – auch in den Fällen, in denen klar ist, dass ein Zugangsantrag von einer Ausnahme erfasste Dokumente betrifft – nur eine solche Prüfung es dem Organ ermöglicht, zu beurteilen, ob dem Antragsteller teilweiser Zugang nach Art. 4 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1049/2001 gewährt werden kann (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichts vom 12. Oktober 2000, JT’s Corporation/Kommission, T‑123/99, Slg. 2000, II‑3269, Randnr. 46, und Franchet und Byk/Kommission, oben in Randnr. 9 angeführt, Randnr. 117).
31 Die vorliegende Klage ist im Licht dieser Grundsätze zu prüfen.
Zum Verstoß gegen Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001
Vorbringen der Beteiligten
32 Der Kläger, unterstützt durch die Streithelfer, macht geltend, dass das Parlament sich im vorliegenden Fall zu Unrecht auf die Ausnahme vom Recht auf Zugang nach Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001, der den Schutz des Zwecks von Audittätigkeiten betreffe, berufen habe.
33 Da das Audit am 9. Januar 2008 fertiggestellt worden sei, gebe es keinerlei Grund mehr, im August 2008 seine Verbreitung, die den erfolgreichen Abschluss nicht mehr habe beeinträchtigen können, zu verweigern. Zur Behauptung, eine solche Verbreitung hätte den „Zweck von Audittätigkeiten“ gefährdet, weil sie der Verwaltung keine angemessene Frist für die Prüfung und Umsetzung der im Bericht Nr. 06/02 empfohlenen Maßnahmen gelassen hätte, macht der Kläger geltend, dass sich die Sachlage im vorliegenden Fall von der unterscheide, um die es im oben in Randnr. 9 angeführten Urteil Franchet und Byk/Kommission gegangen sei. Im vorliegenden Fall sei nämlich in der angefochtenen Entscheidung keine Frist angegeben, nach deren Ablauf der Bericht Nr. 06/02 übermittelt werden könne. Die Entscheidung habe in keiner Weise dargelegt, dass die geplante Reform rechts- und verwaltungstechnischer Art sei, und keine andere Untersuchung oder Inspektion genannt, deren Abschluss durch eine Verbreitung des Berichts Nr. 06/02 gefährdet würde. Folglich seien die Voraussetzungen für die Anwendung der Ausnahme des Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 hinsichtlich einer Beeinträchtigung des Zwecks von Audittätigkeiten nicht erfüllt gewesen.
34 Zur Begründung der angefochtenen Entscheidung macht der Kläger geltend, dass die Entscheidung nicht die Frage beantworte, wie der Zugang zum Bericht Nr. 06/02 das von Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 geschützte Interesse konkret und tatsächlich beeinträchtigen könne. Außerdem werde in dieser Entscheidung nicht geprüft, ob ein überwiegendes öffentliches Interesse bestehe, das eine Verbreitung des Berichts Nr. 06/02 ungeachtet der angeblichen Beeinträchtigung des Zwecks von Audittätigkeiten rechtfertige. Da diese Entscheidung keine solche Prüfung enthalte, verstoße sie überdies gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
35 Das Interesse der Öffentlichkeit an der Kenntnis eines Prüfberichts, der ihr Informationen darüber verschaffe, wie ein erheblicher Teil der dem Parlament für seine Arbeitsweise zugewiesenen öffentlichen Mittel verwendet werde, stelle jedoch eindeutig ein überwiegendes öffentliches Interesse dar.
36 Das Parlament macht geltend, dass das oben in Randnr. 9 angeführte Urteil Franchet und Byk/Kommission die Rechtmäßigkeit einer der Verwaltung belassenen angemessenen Frist anerkenne, um über Maßnahmen zu entscheiden, die auf der Grundlage von in einem Bericht enthaltenen Informationen zu treffen seien. Im vorliegenden Fall habe das Parlament bei Erlass der angefochtenen Entscheidung kaum sieben Monate Zeit gehabt, um über diese Maßnahmen zu befinden, was in Anbetracht der vom Gericht im oben in Randnr. 9 angeführten Urteil Franchet und Byk/Kommission anerkannten längeren Fristen sicherlich angemessen sei.
37 Das Parlament hebt hervor, dass bei der Beurteilung der Angemessenheit der Frist auf den Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung abzustellen sei und dass es rechtlich nicht verpflichtet sei, in dieser Entscheidung anzugeben, zu welchem zukünftigen Zeitpunkt diese Frist ablaufe. Ihm werde zu Unrecht vorgeworfen, diese Angabe nicht gemacht zu haben.
38 Hinsichtlich des Vorbringens, die angefochtene Entscheidung nenne keine andere noch laufende Untersuchung oder Inspektion, sei die angefochtene Entscheidung dahin zu verstehen, dass die Angabe, der Bericht Nr. 06/02 enthalte Aktionspläne, „die andere Maßnahmen beschreiben, die von der GD Haushalt vor irgendeiner Änderung des gesetzlichen Rahmens getroffen werden können“, im Kontext der Entscheidung offensichtlich nicht nur legislative Reformen, sondern auch Untersuchungen und Inspektionen bezeichne. Im Übrigen seien im August Untersuchungen der Verwaltung über die Verwendung der unter dem Titel der Zulage für parlamentarische Assistenz gezahlten Beträge durch bestimmte Abgeordnete im Gang gewesen, und die Verbreitung des Berichts Nr. 06/02 hätte ihnen schaden können. Dies sei auch allgemein bekannt und dem Kläger bewusst gewesen.
39 Das Parlament bestreitet, dass die angefochtene Entscheidung unzureichend begründet sei, sei es hinsichtlich des Bestehens einer möglichen Beeinträchtigung des Schutzes des Zwecks von Audittätigkeiten oder hinsichtlich des Fehlens eines überwiegenden öffentlichen Interesses an der Verbreitung.
40 Zu dem auf eine Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gestützten Vorbringen macht das Parlament geltend, dass dieses Vorbringen im Wesentlichen nur eine Wiederholung anderer Argumente des Klägers sei und zudem die im vorliegenden Fall in Rede stehende Frage nichts mit der Prüfung der Verhältnismäßigkeit zu tun habe, sondern mit dem Ausgleich, der zwischen dem Interesse der Öffentlichkeit am Schutz eines Dokuments und ihrem Interesse an seiner Verbreitung herzustellen sei.
41 Was schließlich das Argument angehe, dass die Transparenz ein überwiegendes öffentliches Interesse darstellen könne, das die Verbreitung eines andernfalls durch die Ausnahmen des Art. 4 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 1049/2001 erfassten Dokuments rechtfertige, so verkenne diese Behauptung die Logik der Verordnung.
Würdigung durch das Gericht
42 Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 erlaubt es, den Zugang zu einem Dokument zu verweigern, durch dessen Verbreitung der Schutz des Zwecks von Inspektions-, Untersuchungs- und Audittätigkeiten beeinträchtigt würde, es sei denn, es besteht ein überwiegendes öffentliches Interesse an dieser Verbreitung.
43 Das Gericht hat im Urteil Franchet und Byk/Kommission (oben in Randnr. 9 angeführt, Randnr. 109) entschieden, dass diese Vorschrift, die den Zweck von Inspektions-, Untersuchungs- und Audittätigkeiten schützen soll, nur dann anwendbar ist, wenn die Zugänglichmachung der betreffenden Dokumente dazu führen kann, dass diese Tätigkeiten nicht abgeschlossen werden können.
44 Untersuchungs- oder Inspektionshandlungen können zwar auch noch unter die Ausnahme zum Schutz von Inspektions-, Untersuchungs- und Audittätigkeiten fallen, solange die Untersuchungs- oder Inspektionstätigkeiten noch im Gang sind, selbst wenn die konkrete Untersuchung oder Inspektion, die Grundlage des Berichts ist, zu dem Zugang begehrt wird, beendet ist (Urteil Franchet und Byk/Kommission, oben in Randnr. 9 angeführt, Randnr. 110).
45 Nähme man jedoch an, dass die verschiedenen mit Inspektions-, Untersuchungs- und Audittätigkeiten im Zusammenhang stehenden Dokumente solange unter die in Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 vorgesehene Ausnahme fallen, wie die in diesen Verfahren zu ergreifenden Folgemaßnahmen nicht bestimmt wurden, würde man den Zugang zu diesen Dokumenten je nach der Schnelligkeit und Sorgfalt der befassten Verwaltungsstellen von einem zufälligen, künftigen und vielleicht fern liegenden Ereignis abhängig machen. Dieses Ergebnis stünde im Widerspruch zu dem Ziel, den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten über eventuelle Unregelmäßigkeiten bei der Verwaltung der finanziellen Interessen zu gewährleisten, um den Bürgern die Möglichkeit zu geben, die Ausübung öffentlicher Gewalt wirksamer auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu kontrollieren (Urteil Franchet und Byk/Kommission, oben in Randnr. 9 angeführt, Randnrn. 111 und 112).
46 Es war daher zu prüfen, ob zum Zeitpunkt des Erlasses der in jener Rechtssache in Rede stehenden Entscheidungen noch Inspektions- und Untersuchungstätigkeiten im Gang waren, die durch die Zugänglichmachung der beantragten Dokumente hätten gefährdet werden können, und ob diese Tätigkeiten in einer angemessenen Frist durchgeführt wurden (Urteil Franchet und Byk/Kommission, oben in Randnr. 9 angeführt, Randnr. 113).
47 Daraus ergibt sich, dass die Ausnahme vom Zugangsrecht gemäß Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 auf einen Prüfbericht für anwendbar erklärt werden kann, dessen Verbreitung die Inspektions- oder Untersuchungstätigkeiten beeinträchtigen könnte, die auf der Grundlage seines Inhalts binnen einer angemessenen Frist fortgeführt werden.
48 Im vorliegenden Fall wird die vom Parlament angesprochene Verweigerung des Zugangs zum Bericht Nr. 06/02 auf S. 3 erster Absatz der angefochtenen Entscheidung unter Bezugnahme auf das oben in Randnr. 9 angeführte Urteil Franchet und Byk/Kommission auf die Erwägung gestützt, dass „der Verwaltung [des Parlaments] … eine angemessene Frist eingeräumt werden [sollte], um die [im Bericht Nr. 06/02 enthaltenen] Vorschläge zu berücksichtigen und unmittelbar umzusetzen, wie von Art. 86 der Haushaltsordnung verlangt“.
49 Im selben Absatz der angefochtenen Entscheidung heißt es: „In diesem Stadium einen auch nur teilweisen Zugang [zu dem Bericht Nr. 06/02] zu gewähren, könnte die effektive Verwendung des [Inhalts des Berichts Nr. 06/02] und daher den ‚Zweck des Audits‘ beeinträchtigen.“ Auf S. 4 erster und zweiter Absatz der angefochtenen Entscheidung zieht das Parlament sodann bejahend die Schlussfolgerung, dass die Gewährung eines solchen, auch nur teilweisen Zugangs zum gegenwärtigen Zeitpunkt „die effektive Verwendung [des] Inhalts [des Berichts Nr. 06/02] gefährden“ bzw. „den Zweck des Audits beeinträchtigen [würde]“.
50 Daraus ergibt sich, dass das Parlament auf der Grundlage des oben in Randnr. 9 angeführten Urteils Franchet und Byk/Kommission der Auffassung ist, dass eine Verbreitung des Berichts Nr. 06/02 zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung zu früh gekommen wäre, um ihm zu ermöglichen, noch vor einer Reform des Rechts- und Verwaltungsrahmens der Zulage für parlamentarische Assistenz die in diesem Bericht empfohlenen sofortigen Maßnahmen durchzuführen.
51 Die angefochtene Entscheidung nennt jedoch kein konkretes Inspektions- oder Untersuchungsverfahren oder andere verwaltungsrechtliche Nachprüfungen, die beim Erlass dieser Entscheidung im Gang gewesen wären und eine Umsetzung der im Bericht Nr. 06/02 empfohlenen sofortigen Maßnahmen darstellten.
52 Die angefochtene Entscheidung beschränkt sich daher in dem Teil, der sich mit der Zurückweisung des Antrags auf Zugang zum Bericht Nr. 06/02 befasst, auf eine abstrakte Bezugnahme auf die Notwendigkeit, der Verwaltung eine angemessene Frist zu belassen, um die in diesem Bericht enthaltenen Vorschläge unverzüglich umzusetzen, sowie auf die Angabe verschiedener Initiativen, die im Hinblick auf eine von der Verwaltung und/oder vom Gesetzgeber ausgehende Reform des normativen Rahmens der parlamentarischen Assistenz in die Wege geleitet worden seien.
53 Insoweit betrifft die Bezugnahme auf diese verschiedenen, im Hinblick auf eine Reform der parlamentarischen Assistenz eingeleiteten Initiativen weniger die in Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 vorgesehene Ausnahme zum Schutz des Zwecks von Inspektions-, Untersuchungs- und Audittätigkeiten, als vielmehr die Ausnahme nach Art. 4 Abs. 3 der Verordnung zum Schutz des Entscheidungsprozesses des Organs. In diesem Sinne führt das Parlament im Übrigen auf S. 4 oben der angefochtenen Entscheidung aus, dass „die Verbreitung des Berichts [Nr. 06/02] zum gegenwärtigen Zeitpunkt den Entscheidungsprozess des Europäischen Parlaments ernstlich beeinträchtigen [würde]“.
54 Die einzige Bezugnahme in der angefochtenen Entscheidung auf einen konkreten Fall einer Untersuchung ist in dem Teil der Entscheidung enthalten, mit dem der Antrag auf Zugang zu bestimmten geschwärzten Abschnitten anderer Prüfberichte als dem Bericht Nr. 06/02 mit der Begründung zurückgewiesen wird, dass ein Zugang zu diesen Abschnitten zur Folge hätte, dass ein einzelner Fall eines vermuteten, vom Europäischen Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) noch nicht abschließend untersuchten Betrugs verbreitet würde. In Beantwortung einer Frage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung hat das Parlament jedoch ausgeführt, dass der Bericht Nr. 06/02 selbst keine namentlichen Angaben enthalte, die die Identifizierung individueller Fälle ermöglichten.
55 In der mündlichen Verhandlung hat das Parlament geltend gemacht, dass Inspektions- und Untersuchungsverfahren sowie sonstige verwaltungsrechtliche Nachprüfungen auf der Grundlage des Berichts Nr. 06/02 zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung im Gang gewesen seien. Wie oben in Randnr. 51 ausgeführt, wird in dieser Entscheidung jedoch kein Verfahren dieser Art genannt. Folglich enthält diese Entscheidung, die diese angeblich laufenden Verfahren nicht erwähnt, erst recht keine Rechtfertigung dafür, inwiefern die Frist für die Durchführung dieser Verfahren im August 2008 als angemessen anzusehen gewesen sein soll, und auch nicht dafür, inwiefern insbesondere ihr erfolgreicher Abschluss unter einer Verbreitung des Berichts Nr. 06/02 gelitten hätte.
56 In der mündlichen Verhandlung hat das Parlament auch vorgetragen, dass die Verbreitung des Berichts Nr. 06/02 mit der Natur dieses Dokuments unvereinbar gewesen wäre. Es handele sich um ein internes, im Rahmen der Haushaltsordnung erstelltes Dokument und nicht um ein Dokument zur Veröffentlichung, wie es der Bericht des Rechnungshofs der Europäischen Union über die Ausführung des Haushaltsplans sei, der jedes Jahr im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht werde. Die Verbreitung derartiger interner Dokumente könne die internen Prüfer der Organe dazu veranlassen, sich selbst in ihren Bemerkungen zurückzuhalten, mit der Folge einer geringeren Effizienz der internen Prüfungen für die Verbesserung der Arbeitsweise der betroffenen Organe.
57 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass diese Begründung nicht in der angefochtenen Entscheidung enthalten ist. Zwar hat das Parlament auf den S. 2 und 3 der Entscheidung Art. 86 Abs. 1 Unterabs. 1 der Haushaltsordnung angeführt, wonach der interne Prüfer das Organ in Fragen der Risikokontrolle berät. Auf diese Zitate, von denen eines im Übrigen in einem anderen Teil der angefochtenen Entscheidung enthalten ist als dem, mit dem der Antrag auf Zugang zu dem Bericht Nr. 06/02 geprüft wird, hat es jedoch keine Erwägung gestützt, die der vergleichbar wäre, die es erstmals in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat. Ferner zeigt die Tatsache, dass das Parlament im vorliegenden Fall den zumindest teilweisen Zugang zu fünfzehn der sechzehn internen Prüfberichte, auf die sich der Antrag auf Zugang erstreckt, gestattet hat, dass nicht so sehr der Umstand, dass diese Prüfberichte die Natur eines internen Dokuments haben, eine den Zugang gewährende oder verweigernde Entscheidung bedingt, als vielmehr das konkrete Thema und der konkrete Inhalt dieser Berichte.
58 Unter Berücksichtigung des Vorstehenden ist davon auszugehen, dass das Parlament in der angefochtenen Entscheidung rechtlich nicht hinreichend dargelegt hat, dass der Zugang zum Bericht Nr. 06/02 den Schutz des Zwecks der Audittätigkeiten beeinträchtigen würde. Folglich ist die angefochtene Entscheidung, soweit mit ihr der Zugang zum Bericht Nr. 06/02 auf der Grundlage von Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 verweigert wird, nicht begründet, ohne dass es der Prüfung der Frage bedürfte, ob ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Verbreitung besteht.
Zum Verstoß gegen Art. 4 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1049/2001
Vorbringen der Beteiligten
59 Der Kläger, unterstützt durch die Streithelfer, macht geltend, dass das Parlament im vorliegenden Fall zu Unrecht die Ausnahme vom Zugangsrecht nach Art. 4 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1049/2001 zum Schutz des Entscheidungsprozesses des Organs für sich in Anspruch genommen habe.
60 Die Gründe der angefochtenen Entscheidung, die zum einen darauf gestützt seien, dass die Verwendung der parlamentarischen Assistenz durch die Mitglieder des Parlaments ein sensibles Thema sei, das großes Interesse in den Medien hervorrufe, und zum anderen darauf, dass die Verbreitung des Berichts Nr. 06/02 den Entscheidungsprozess entgleisen lassen könne, seien nämlich politische und keine rechtlichen Ausführungen und beruhten darüber hinaus auf der Prämisse, dass die Transparenz und die Information der Öffentlichkeit dem reibungslosen Ablauf der Tätigkeit von Gesetzgebung und Verwaltung entgegenstünden. Damit stelle die angefochtene Entscheidung den fundamentalen Grundsatz der Transparenz in Frage.
61 Der Kläger weist darauf hin, dass das Parlament dem überwiegenden öffentlichen Interesse an Information in der angefochtenen Entscheidung in keiner Weise Rechnung getragen habe. Es sei vielmehr davon auszugehen, dass der Entscheidungsprozess eines demokratischen Organs im Bereich der Rechtsetzung und Verwaltung grundsätzlich nicht durch die Information der Öffentlichkeit gestört werden könne. Das überwiegende öffentliche Interesse an der Verbreitung sei wichtiger als die Sorge, die – im Übrigen hypothetische – Gefahr fernzuhalten, dass die öffentliche Debatte durch diese Verbreitung verfälscht werde. Die angefochtene Entscheidung enthalte keine angemessene Begründung, die es rechtfertigen könnte, dass im vorliegenden Fall vom Grundsatz der Transparenz abgewichen werde.
62 Die besondere Bedeutung, die in der Verordnung Nr. 1049/2001 der Transparenz in Bezug auf Dokumente und Informationen über die gesetzgeberische Tätigkeit beigemessen werde, könne nicht als Rechtfertigung angeführt werden, dass der Transparenzpflicht in anderen Tätigkeitsbereichen des Parlaments, insbesondere im Bereich seiner Verwaltungstätigkeiten, nicht nachgekommen worden sei. Die Transparenz gelte nicht nur für den Bereich der Rechtsetzung, sondern auch für die Exekutive des Organs in seinen verwaltungsrechtlichen, nicht legislativen und internen Teilen.
63 Der Versuch des Parlaments, den Grundsatz der Transparenz als überwiegendes öffentliches Interesse auf das Gesetzgebungsverfahren nach Bekanntgabe eines Gesetzentwurfs zu beschränken, zeuge von einer engen und unrichtigen Sichtweise des vorliegenden Falles und der Grundprinzipien der Verordnung Nr. 1049/2001. Das Parlament leugne zu Unrecht, dass der Bericht Nr. 06/02 die Grundsätze festlege, nach denen eine Reform des rechtlichen Rahmens durchgeführt werden könne, und es nehme eine künstliche Trennung zwischen dem Gesetzgebungsverfahren und interinstitutionellen Debatten vor, die im Allgemeinen der Vorlage eines förmlichen Gesetzentwurfs durch die Kommission vorausgingen.
64 Selbst wenn angenommen würde, dass das oben in Randnr. 28 angeführte Urteil Schweden und Turco/Rat nur das überwiegende Interesse an der Transparenz im Bereich der Rechtsetzung betreffe, gebiete das überwiegende öffentliche Interesse an der Transparenz ein gleiches Zugangsrecht in Bezug auf Bereiche wie den im vorliegenden Fall, der die Verwaltung öffentlicher Finanzen betreffe.
65 Das Parlament macht geltend, dass der Bericht Nr. 06/02, was den vom Kläger hergestellten Bezug zum oben in Randnr. 28 angeführten Urteil Schweden und Turco/Rat angehe, ein interner, im Rahmen der Haushaltsordnung erstellter Prüfbericht und weder ein externer Prüfbericht noch ein Rechtsgutachten sei. Zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung sei kein Gesetzgebungsverfahren im Gang gewesen, und es sei daher nicht möglich, im vorliegenden Fall eine erhöhte Transparenz zu fordern, wie sie von Art. 12 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 garantiert werde. Die Grundsätze des oben in Randnr. 28 angeführten Urteils Schweden und Turco/Rat, das im Kontext eines Antrags auf Zugang zu einem im Zusammenhang mit der Gesetzgebung formulierten Rechtsgutachtens ergangen sei, könnten nicht ohne Weiteres auf den vorliegenden Fall übertragen werden, der einen internen, außerhalb eines Gesetzgebungsverfahrens erstellten Prüfbericht betreffe.
66 Wenn die angefochtene Entscheidung den Bericht Nr. 06/02 als „wichtiges Referenzdokument“ qualifiziere, verweise dies auf den „delikaten und komplexen Entscheidungsprozess“ und nicht auf ein zum damaligen Zeitpunkt nicht existentes Gesetzgebungsverfahren. Daher habe der Kläger kein überwiegendes öffentliches Interesse an der Verbreitung dargestellt. Das einzige vom Kläger geltend gemachte Interesse, das sich auf die legislativen Dokumente beziehe, könne nicht auf einen internen Prüfbericht übertragen werden.
67 Zu Unrecht sehe der Kläger den Bericht Nr. 06/02 als eine Form eines „Gesetzgebungsvorschlags“, der nach den Erwägungen des oben in Randnr. 28 angeführten Urteils Schweden und Turco/Rat zu prüfen sei. Alle auf dieses Urteil gestützten Argumente zur Notwendigkeit für die Bürger, sich an einer umfassenden Debatte über den Inhalt dieses Berichts zu beteiligen, seien daher unerheblich.
68 In der angefochtenen Entscheidung sei nicht kategorisch und ohne Begründung ein Vertraulichkeitserfordernis geltend gemacht worden, sondern es seien im Gegenteil die zahlreichen Initiativen, die seinerzeit ergriffen worden seien, sowie der delikate und komplexe Entscheidungsprozess, der zum Zeitpunkt ihres Erlasses noch im Gang gewesen sei, beschrieben worden. Zudem seien alle anderen, früheren Reformversuche in dem fraglichen Bereich gescheitert, und die Situation im Jahr 2008 sei noch ungewisser gewesen, sowohl hinsichtlich des Grundsatzes einer Reform als auch hinsichtlich ihrer konkreten Modalitäten. In diesem Zusammenhang habe man vernünftigerweise befürchten dürfen, dass der Reformprozess erneut scheitern werde, wenn der Bericht Nr. 06/02 verbreitet würde. Diese Verbreitung hätte nämlich die Verwendung bestimmter Elemente dieses Berichts ermöglicht, um die Debatte zum Scheitern zu bringen und einer schnellen Reform zu schaden. Im Übrigen habe das Parlament im Juli 2008 Übergangs- und Eilmaßnahmen ergriffen, mit denen der Gefahr eines Scheiterns des Prozesses begegnet werden sollte. Der Kläger behaupte daher zu Unrecht, dass sich das Parlament fälschlich auf einen laufenden Entscheidungsprozess berufe, um den Zugangsantrag auf der Grundlage von Art. 4 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1049/2001 zurückzuweisen.
Würdigung durch das Gericht
69 Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 1049/2001 bestimmt: „Der Zugang zu einem Dokument, das von einem Organ für den internen Gebrauch erstellt wurde oder bei ihm eingegangen ist und das sich auf eine Angelegenheit bezieht, in der das Organ noch keinen Beschluss gefasst hat, wird verweigert, wenn eine Verbreitung des Dokuments den Entscheidungsprozess des Organs ernstlich beeinträchtigen würde, es sei denn, es besteht ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Verbreitung.“
70 Nach ständiger Rechtsprechung setzt die Anwendung dieser Ausnahme den Nachweis voraus, dass der Zugang zu dem vom Organ für seinen internen Gebrauch erstellten Dokument geeignet war, den Schutz des Entscheidungsprozesses des Organs tatsächlich und konkret zu beeinträchtigen, und dass die Gefahr der Beeinträchtigung wahrscheinlich und nicht rein hypothetisch war (vgl. neben der oben in den Randnrn. 29 und 30 angeführten Rechtsprechung in diesem Sinne auch Urteil des Gerichts vom 18. Dezember 2008, Muñiz/Kommission, T‑144/05, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 74).
71 Darüber hinaus fällt die Beeinträchtigung des Entscheidungsprozesses nur dann unter die Ausnahmeregelung im Sinne von Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 1049/2001, wenn sie erheblich („ernstlich“) ist. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn sich die Verbreitung des betreffenden Dokuments wesentlich auf den Entscheidungsprozess auswirkt. Die Beurteilung der Erheblichkeit hängt von der Gesamtheit der Umstände des Falles ab, u. a. von den negativen Auswirkungen auf den Entscheidungsprozess, die vom Organ geltend gemacht werden (Urteil Muñiz/Kommission, oben in Randnr. 70 angeführt, Randnr. 75).
72 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der Bericht Nr. 06/02, der ein vom Referat Internes Audit des Parlaments erstellter interner Bericht zur Durchführung von Art. 86 der Haushaltsordnung ist, ein vom Organ für seinen internen Gebrauch erstelltes Dokument ist.
73 Sodann steht fest, dass sich dieses Dokument, das nach dem Wortlaut der angefochtenen Entscheidung „die Grundsätze [festlegte], auf die eine Überarbeitung des gesetzlichen Rahmens der parlamentarischen Assistenz gestützt werden könnte“ und „Vorschläge [enthielt], die eine Entscheidung der zuständigen politischen Stellen erfordern“, auf eine Frage bezog, zu der das Organ noch keinen Beschluss gefasst hatte.
74 Insoweit wird nicht ernsthaft bestritten, dass die Beschlüsse über die Stellung der Mitglieder des Parlaments, die dieses vor der angefochtenen Entscheidung gefasst hat, die – viel umfassendere – Frage der Reform der Stellung der parlamentarischen Assistenten nicht erschöpften. Der Entscheidungsprozess des Parlaments, ob er nun von diesem Organ allein oder zusammen mit dem Rat, der Kommission und den Mitgliedstaaten betrieben wird, war also mit diesen Beschlüssen noch nicht beendet.
75 Daher ist zu prüfen, ob das Parlament in der angefochtenen Entscheidung ordnungsgemäß nachgewiesen hat, dass die Verbreitung des Berichts Nr. 06/02 seinen Entscheidungsprozess ernstlich beeinträchtigen würde und, wenn ja, dass kein überwiegendes öffentliches Interesses besteht, das die Verbreitung rechtfertigen würde.
76 In der angefochtenen Entscheidung legte das Parlament dar, dass ein „sensible[r] und komplexe[r] Entscheidungsprozess [noch andauert], in dem der Bericht [Nr. 06/02] ein wichtiges Referenzdokument darstellt“, und dass „[d]ie Verwendung, der die Mitglieder die ihnen zur Verfügung stehenden Zulagen zuführen, ein sensibles Thema ist, das von den Medien mit großem Interesse verfolgt wird“ (S. 3 letzter Absatz der angefochtenen Entscheidung). Weiter heißt es dort, dass „Elemente des Berichts Nr. 06/02 … verwendet werden [könnten], um die Debatte über die Reform des Systems entgleisen zu lassen und eine rasche Reform zu gefährden“ (S. 4 oben der angefochtenen Entscheidung). Somit würde „die Verbreitung des Berichts [Nr. 06/02] den Entscheidungsprozess des Europäischen Parlaments zum gegenwärtigen Zeitpunkt, aber auch noch darüber hinaus ernstlich beeinträchtigen, weil die Reform nicht vom Parlament allein durchgeführt werden kann“ (ebd.). Im verbleibenden Teil der angefochtenen Entscheidung wiederholte das Parlament diese Feststellung hinsichtlich der Beeinträchtigung seines Entscheidungsprozesses.
77 Aus dieser Begründung der angefochtenen Entscheidung ergibt sich, dass die Zugangsverweigerung im Wesentlichen auf die Befürchtung gestützt ist, dass Elemente des Berichts Nr. 06/02 verwendet werden „könnten“, um die Debatte über die Reform entgleisen zu lassen.
78 Die angefochtene Entscheidung enthält jedoch keine fassbare Angabe, die den Schluss zuließe, dass diese Gefahr einer Beeinträchtigung des Entscheidungsprozesses zum Zeitpunkt ihres Erlasses wahrscheinlich und nicht rein hypothetisch war.
79 Insbesondere erwähnt die angefochtene Entscheidung weder das Vorliegen von Beeinträchtigungen oder Versuchen einer Beeinträchtigung des laufenden Entscheidungsprozesses zum Zeitpunkt ihres Erlasses, noch gibt sie objektive Gründe an, denen zufolge es wahrscheinlich ist, dass solche Beeinträchtigungen im Fall einer Verbreitung des Berichts Nr. 06/02 auftreten würden.
80 Insoweit kann der Umstand, dass die Verwendung der Mitglieder des Parlaments zur Verfügung gestellten Mittel durch diese ein sensibles, von den Medien mit Interesse verfolgtes Thema sein mag – was der Kläger im Übrigen nicht in Abrede stellt, ganz im Gegenteil –, selbst keinen objektiven Grund darstellen, der dafür ausreichte, eine ernstliche Beeinträchtigung des Entscheidungsprozesses zu befürchten, es sei denn, der vom EG-Vertrag gewollte Grundsatz der Transparenz selbst wird in Frage gestellt.
81 Ebenso wenig stellte die behauptete Komplexität des Entscheidungsprozesses allein einen besonderen Grund dar, zu befürchten, dass die Verbreitung des Berichts Nr. 06/02 diesen Prozess ernstlich gefährden würde.
82 Zu der vom Parlament vorgebrachten Tatsache, dass mehrere Versuche einer Reform der parlamentarischen Assistenz in der Vergangenheit gescheitert seien, ist festzustellen, dass sie nicht in der angefochtenen Entscheidung enthalten ist. Sie ist erst verspätet vor dem Gericht vorgetragen worden und zudem ohne jeden Hinweis darauf, dass diese Misserfolge auf Beeinträchtigungen des Entscheidungsprozesses infolge einer Verbreitung sensibler Informationen zurückzuführen gewesen wären.
83 Unterstellt man, dass das Parlament nachgewiesen hat, dass die Verbreitung des Berichts Nr. 06/02 seinen Entscheidungsprozess ernstlich beeinträchtigen würde, ist jedenfalls festzustellen, dass die angefochtene Entscheidung keine Begründung zu der Frage enthält, ob nicht ein überwiegendes öffentliches Interesse dennoch die Verbreitung dieses Berichts geboten hätte.
84 Die in der angefochtenen Entscheidung enthaltene Behauptung, dass „[der] Zweitantrag kein Argument enthält, das die Verbreitung rechtfertigen könnte“, kann nicht als eine solche Begründung angesehen werden. Insoweit genügt der Hinweis, dass nach dem Wortlaut von Art. 6 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1049/2001 der Antragsteller nicht verpflichtet ist, Gründe für seinen Antrag anzugeben.
85 Unter Berücksichtigung der vorstehenden Erwägungen, aus denen sich ergibt, dass das Parlament in der angefochtenen Entscheidung nicht nachgewiesen hat, dass der Zugang zum Bericht Nr. 06/02 seinen Entscheidungsprozess ernstlich beeinträchtigen würde, und jedenfalls seine Zugangsverweigerung angesichts dessen, dass hierfür das Fehlen eines überwiegenden öffentlichen Interesses erforderlich wäre, nicht begründet hat, ist im Ergebnis festzustellen, dass die angefochtene Entscheidung rechtswidrig ist, soweit mit ihr der Zugang zum Bericht Nr. 06/02 auf der Grundlage von Art. 4 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1049/2001 verweigert wird.
86 Daher ist der vorliegenden Klage stattzugeben, und die angefochtene Entscheidung ist für nichtig zu erklären, soweit mit ihr dem Kläger der Zugang zum Bericht Nr. 06/02 verweigert wird.
Kosten
87 Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Nach Art. 87 § 4 Abs. 1 der Verfahrensordnung tragen die Mitgliedstaaten, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten.
88 Da das Parlament mit seinem Vorbringen unterlegen ist, ist es gemäß dem Antrag des Klägers zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Das Königreich Dänemark, die Republik Finnland und das Königreich Schweden tragen ihre eigenen Kosten.
Aus diesen Gründen hat
DAS GERICHT (Zweite Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Entscheidung des Europäischen Parlaments vom 11. August 2008, Referenz A (2008) 10636, wird für nichtig erklärt, soweit mit ihr der Zugang zum Bericht Nr. 06/02, „Audit der Zulage für parlamentarische Assistenz“, des Referats Internes Audit des Parlaments vom 9. Januar 2008 verweigert wird.
2. Das Europäische Parlament trägt seine eigenen Kosten und die Kosten des Klägers.
3. Das Königreich Dänemark, die Republik Finnland und das Königreich Schweden tragen ihre eigenen Kosten.
Forwood |
Dehousse |
Schwarcz |
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 7. Juni 2011.
Unterschriften
* Verfahrenssprache: Englisch.