URTEIL DES GERICHTS (Zweite Kammer)

12. Dezember 2007(*)

„Wettbewerb – Kartelle auf dem Gebiet der Vitaminprodukte – Cholinchlorid (Vitamin B 4) – Entscheidung, mit der eine Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG und Art. 53 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum festgestellt wird – Zurechenbarkeit der Zuwiderhandlung“

In der Rechtssache T‑112/05

Akzo Nobel NV mit Sitz in Arnheim (Niederlande),

Akzo Nobel Nederland BV mit Sitz in Arnheim,

Akzo Nobel Chemicals International BV mit Sitz in Amersfoort (Niederlande),

Akzo Nobel Chemicals BV mit Sitz in Amersfoort,

Akzo Nobel Functional Chemicals BV mit Sitz in Amersfoort, Prozessbevollmächtigte: zunächst C. Swaak und J. de Gou, dann C. Swaak, M. van der Woude und M. Mollica, Rechtsanwälte,

Klägerinnen,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch A. Whelan und F. Amato als Bevollmächtigte,

Beklagte,

wegen Nichtigerklärung der Entscheidung 2005/566/EG der Kommission vom 9. Dezember 2004 in einem Verfahren nach Artikel 81 EG und Artikel 53 EWR Abkommen (Sache COMP IV/E-2/37.533 – Cholinchlorid) (Zusammenfassung in ABl. L 190, S. 22),

erlässt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ
DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Richters A. W. H. Meij in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten sowie der Richter N. J. Forwood und S. Papasavvas,

Kanzler: C. Kantza, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 13. Februar 2007

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits und angefochtene Entscheidung

1        Mit der Entscheidung 2005/566/EG vom 9. Dezember 2004 in einem Verfahren nach Artikel 81 EG und Artikel 53 EWR-Abkommen (Sache COMP IV/E-2/37.533 – Cholinchlorid) (Zusammenfassung in ABl. L 190, S. 22) (im Folgenden: Entscheidung) stellte die Kommission fest, dass mehrere Unternehmen durch ihre Beteiligung an einem Komplex von Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen bestehend aus der Festsetzung von Preisen, der Aufteilung des Marktes und der Vereinbarung von Maßnahmen gegen Wettbewerber im Cholinchloridsektor im EWR gegen Art. 81 Abs. 1 EG und Art. 53 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) verstoßen hätten (Art. 1 der Entscheidung).

2        Zu dem genannten Produkt führt die Kommission aus, dass Cholinchlorid Bestandteil der B-Komplex-Gruppe der wasserlöslichen Vitamine (Vitamin B 4) sei. Es werde überwiegend in der Futtermittelindustrie (Geflügel und Schweine) als Zusatz verwendet. Es komme entweder in einer 70%-Wasserlösung oder aufgesprüht auf einen trockenen Getreide- oder Kieselerdeträger mit einer Potenz von 50 % bis 60 % auf den Markt. Der Teil des Cholinchlorids, der nicht als Futtermittelzusatz verwendet werde, werde weiter zu Lebensmittelqualität (pharmazeutische Qualität) gereinigt. Auf dem Cholinchloridmarkt seien neben den Herstellern zum einen die Verarbeiter, die flüssiges Cholinchlorid von den Herstellern bezögen und es entweder für den Hersteller oder auf eigene Rechnung zu Cholinchlorid in Trägerverbindungen verarbeiteten, und zum anderen die Vertriebsunternehmen tätig.

3        Aus dem dritten Erwägungsgrund der Entscheidung ergibt sich, dass die Kommission Ermittlungen in der weltweiten Cholinchloridbranche einleitete, nachdem im April 1999 ein Antrag des amerikanischen Anbieters Bioproducts auf Anwendung der Kronzeugen-Mitteilung bei ihr eingegangen war. Die Untersuchungen hätten den Zeitraum von 1992 bis Ende 1998 umfasst. In Erwägungsgrund 45 der Entscheidung führt die Kommission aus, dass der kanadische Hersteller Chinook sie bereits am 25. November 1998 sowie am 3. und 16. Dezember 1998 wegen der fraglichen Kartellabsprachen angesprochen habe; zu diesem Zeitpunkt habe sie jedoch keine Untersuchung eingeleitet.

4        Was den EWR betrifft, wurde das in Rede stehende Kartell nach Erwägungsgrund 64 der Entscheidung auf zwei verschiedenen, aber eng miteinander verbundenen Ebenen umgesetzt: der weltweiten und der europäischen Ebene. Auf weltweiter Ebene hätten die Hersteller Bioproducts (Vereinigte Staaten), Chinook (Kanada), Chinook Group Ltd (Kanada), DuCoa (Vereinigte Staaten), BASF AG (Deutschland), UCB SA (Belgien) und die Klägerinnen, fünf Gesellschaften der Gruppe Akzo Nobel (Niederlande), von Juni 1992 bis April 1994 direkt oder indirekt an wettbewerbsbeschränkenden Aktivitäten teilgenommen. Diese Aktivitäten hätten im Wesentlichen das Ziel gehabt, weltweit, auch im EWR, die Preise zu erhöhen, die Verarbeiter, auch im EWR, zu kontrollieren, um zu verhindern, dass diese die vereinbarten Erhöhungen gefährdeten, sowie den weltweiten Markt durch den Rückzug der nordamerikanischen Hersteller aus dem europäischen Markt und im Gegenzug den Rückzug der europäischen Hersteller aus dem nordamerikanischen Markt aufzuteilen. Die Kommission führt neun Treffen des Kartells auf globaler Ebene von 1992 (in Mexiko Stadt, Mexiko) bis April 1994 (in Johor Bahru, Malaysia) an. Das wichtigste Treffen sei das Treffen in Ludwigshafen (Deutschland) im November 1992 gewesen.

5        Nur die europäischen Hersteller (BASF, UCB und die Klägerinnen) hätten an den Treffen zur Umsetzung des Kartells auf europäischer Ebene teilgenommen, das von März 1994 bis Oktober 1998 gedauert habe. Die Kommission stellt fest, dass von März 1994 (in Schoten, Belgien) bis Oktober 1998 (in Brüssel, Belgien, oder Aachen, Deutschland) fünfzehn Treffen zu diesem Thema stattgefunden hätten. Nach Erwägungsgrund 65 der Entscheidung dienten diese Treffen der Fortsetzung der weltweiten Vereinbarung. Ziel dieser Treffen seien regelmäßige Preiserhöhungen im EWR in Verbindung mit einer Marktaufteilung und einer Zuordnung der einzelnen Kunden sowie die Kontrolle der Verarbeiter in Europa zur Wahrung eines hohen Preisniveaus gewesen.

6        Nach den Beurteilungen der Kommission waren die weltweiten und die europäischen Absprachen, was den EWR betrifft, zusammen Bestandteil eines Gesamtplans, mit dem die Vorgehensweisen der Mitglieder des Kartells festgelegt und ihr jeweiliges geschäftliches Verhalten beschränkt wurde, um ein einziges wettbewerbswidriges wirtliches Ziel zu verfolgen, nämlich die Beschränkung der normalen Wettbewerbsbedingungen im EWR. Nach Ansicht der Kommission sind die Absprachen auf weltweiter und auf europäischer Ebene daher als einzige und fortgesetzte komplexe Zuwiderhandlung betreffend den EWR anzusehen, an der die nordamerikanischen Hersteller für eine gewisse Zeit und die europäischen Hersteller im gesamten Zeitraum teilgenommen hätten.

7        Zur Bestimmung der Adressaten der Entscheidung führt die Kommission in Erwägungsgrund 166 der Entscheidung aus, dass die Klägerinnen, BASF, Bioproducts, Chinook, DuCoa und UCB für die Zuwiderhandlung verantwortlich zu machen seien. Die Entscheidung richtete sich hingegen nicht an Ertisa, ein spanisches Unternehmen, das 50 % des spanischen Markts hielt, da die Kommission laut deren Erwägungsgrund 178 die Anhaltspunkte dafür, Ertisa die vermuteten Zuwiderhandlungen anzulasten, für unzureichend hielt.

8        In Art. 3 der Entscheidung gab die Kommission den Adressatinnen auf, die in Art. 1 der Entscheidung genannten Zuwiderhandlungen unverzüglich einzustellen, falls sie dies noch nicht getan hätten, und sich künftig der festgestellten rechtswidrigen Handlungen oder Verhaltensweisen sowie aller Maßnahmen mit gleichem Zweck oder gleicher Wirkung zu enthalten.

9        Was die Verhängung der Geldbußen betrifft, ging die Kommission davon aus, dass die nordamerikanischen Hersteller (Bioproducts, Chinook und DuCoa) ihre Teilnahme an der Zuwiderhandlung spätestens am 20. April 1994 bei dem Treffen in Johor Bahru (siehe oben, Randnr. 4) beendet hätten. Nach Erwägungsgrund 165 der Entscheidung hatte die Kommission keine Nachweise für weitere Zusammenkünfte oder Kontakte mit nordamerikanischen Herstellern, bei denen diese ihre Preise für den EWR festgesetzt oder ihre ursprüngliche Zusage, nicht nach Europa zu liefern, bekräftigt hätten. Da die Kommission in Bezug auf diese Zuwiderhandlung am 26. Mai 1999, d. h. mehr als fünf Jahre nach Beendigung der Beteiligung der nordamerikanischen Hersteller, erstmals tätig wurde, verhängte sie gemäß Art. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2988/74 des Rates vom 26. November 1974 über die Verfolgungs- und Vollstreckungsverjährung im Verkehrs- und Wettbewerbsrecht der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (ABl. L 319, S. 1) und Art. 25 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 [EG] und 82 [EG] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) keine Geldbuße gegen diese Hersteller.

10      Die Beteiligung der europäischen Hersteller hingegen dauerte der Kommission zufolge bis zum 30. September 1998; sie verhängte daher Geldbußen in einer Gesamthöhe von 66,34 Millionen Euro gegen sie.

11      Speziell in Bezug auf die Gruppe Akzo Nobel beschloss die Kommission, die Entscheidung an Akzo Nobel NV, Akzo Nobel Functional Chemicals BV, Akzo Nobel Chemicals BV, Akzo Nobel Chemicals International BV und Akzo Nobel Nederland BV als Gesamtschuldner zu richten. Die drei Letztgenannten bzw. ihre Rechtsvorgänger hätten direkt an der Zuwiderhandlung teilgenommen. Akzo Nobel Functional Chemicals sei im Juni 1999 als Tochterunternehmen von Akzo Nobel Chemicals gegründet worden, die zu jener Zeit zu einer Holdinggesellschaft wurde. Die Kommission ging daher davon aus, dass Akzo Nobel Functional Chemicals Rechtsnachfolgerin in Bezug auf die meisten der zuvor von ihrer Muttergesellschaft durchgeführten Cholinchloridtätigkeiten sei und daher ebenfalls Adressatin der Entscheidung sein müsse.

12      Akzo Nobel bilde eine wirtschaftliche Einheit mit den übrigen Rechtseinheiten der Gruppe Akzo Nobel, an die die Entscheidung gerichtet sei. Die wirtschaftliche Einheit sei für die Herstellung von Cholinchlorid im EWR zuständig gewesen und habe an dem Kartell teilgenommen. Eine andere Schlussfolgerung wäre nur möglich, wenn die betrieblichen Tochtergesellschaften von Akzo Nobel in dem betreffenden Zeitraum eine eigenständige Geschäftspolitik hätten verfolgen können und tatsächlich verfolgt hätten. Akzo Nobel sei jedoch nicht einfach ein Finanzinvestor, sondern diene als Unternehmenszentrale für die Gruppe Akzo Nobel, die die wichtigsten Tätigkeiten hinsichtlich der allgemeinen Gruppenstrategie, der Finanzen, der Rechtsangelegenheiten und der Humanressourcen koordiniere. Durch diese Funktionen habe Akzo Nobel tatsächlich entscheidenden Einfluss auf die Geschäftspolitik ihrer Tochtergesellschaften ausgeübt, die sie ausnahmslos direkt oder indirekt zu 100 % kontrolliert habe. Die Kommission kam daher zu dem Schluss, dass die Tochtergesellschaften von Akzo Nobel keine geschäftliche Eigenständigkeit besäßen, und hat die Entscheidung daher an Akzo Nobel gerichtet, obwohl diese nicht selbst an dem Kartell teilgenommen habe (Erwägungsgrund 172 der Entscheidung).

13      Die fehlende geschäftliche Eigenständigkeit der Betriebsgesellschaften bzw. Geschäftseinheiten innerhalb der Gruppe Akzo Nobel werde auch durch die als „Zuständigkeitsschema“ betitelten Unterlagen belegt, die Akzo Nobel im Verwaltungsverfahren vorgelegt habe. Aus diesen Unterlagen ergebe sich, dass die Ziele der Gruppe sowie die Leitlinien für die Strategien der Geschäftseinheiten vom Verwaltungsrat von Akzo Nobel festgelegt würden. Diese Strategien könnten nur dann gebilligt werden, wenn sie in den Strategieplan der Gruppe passten. Außerdem entscheide der Verwaltungsrat von Akzo Nobel auch über die Zusammenstellung des Portefeuilles im Rahmen des Strategieplans, während der Betriebsplan jeder Geschäftseinheit mit den Leitlinien und den vom genannten Verwaltungsrat bestimmten Zielen der Gruppe im Einklang stehen müsse. Investitionen von über 2,5 Millionen Euro schließlich bedürften je nach ihren finanziellen Auswirkungen der Genehmigung durch das „Board Committee“, das „Full Board of Management“ oder das „Supervisory Board“ von Akzo Nobel. Der Verwaltungsrat entscheide auch über die Verteilung der Gewinne und Dividenden sowie über Ernennungen, Vergütungen und Entlassungen (Erwägungsgrund 173 der Entscheidung).

14      Die Entscheidung wurde nicht an Akzo Nobel Chemicals SpA gerichtet, die aufgrund des Verdachts, dass sie an unerlaubten Tätigkeiten in Bezug auf den spanischen Cholinchloridmarkt beteiligt gewesen sei, Adressatin der Beschwerdepunkte war, weil die Kommission der Ansicht war, dass die vorhandenen Nachweise nicht ausreichten, um sie zur Verantwortung zu ziehen (Erwägungsgrund 176 der Entscheidung).

15      Die Höhe der Geldbußen setzte die Kommission nach ihren Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 EGKS Vertrag festgesetzt werden (ABl. 1998, C 9, S. 3) und ihrer Mitteilung über die Nichtfestsetzung oder die niedrigere Festsetzung von Geldbußen in Kartellsachen (ABl. 1996, C 207, S. 4) fest.

16      Die Kommission erklärte, dass sie zur Festsetzung des Ausgangsbetrags der Geldbußen die beteiligten Unternehmen unterschiedlich behandeln werde, um ihre wirtschaftliche Fähigkeit zu berücksichtigen, den Wettbewerb in unterschiedlichem Maße erheblich zu beeinträchtigen. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Zuwiderhandlung auf weltweiter Ebene mit der Teilnahme nordamerikanischer Unternehmen begonnen habe, die u. a. eingewilligt hätten, sich aus dem europäischen Markt zurückzuziehen, hielt die Kommission es daher für angemessen, die weltweiten Marktanteile der an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen bei der Ermittlung ihres jeweiligen Gewichts zugrunde zu legen (Erwägungsgründe 200 und 201 der Entscheidung).

17      Auf der Grundlage der im Jahre 1997 gehaltenen Anteile am Weltmarkt ordnete die Kommission somit die Klägerinnen mit einem Marktanteil von 12 % der dritten Gruppe zu. Um eine hinreichend abschreckende Wirkung zu gewährleisten, multiplizierte die Kommission unter Berücksichtigung der Umsätze von Akzo Nobel im Jahre 2003 (13 Milliarden Euro) den Ausgangsbetrag mit einem Faktor von 1,5.

18      Anschließend erhöhte die Kommission den Ausgangsbetrag um 10 % für jedes volle Jahr der Zuwiderhandlung und um 5 % für jeden verbleibenden Zeitraum von sechs Monaten oder mehr, jedoch weniger als einem Jahr. Da die Zuwiderhandlung mindestens fünf Jahre und elf Monate (vom 13. Oktober 1992 bis zum 30. September 1998) gedauert habe, erhöhte die Kommission den Ausgangsbetrag um 55 %. Der Grundbetrag der gegen die Klägerinnen als Gesamtschuldner verhängten Geldbuße wurde somit auf 29,99 Millionen Euro festgesetzt.

19      Hinsichtlich der Anwendung der Mitteilung über die Nichtfestsetzung oder die niedrigere Festsetzung von Geldbußen in Kartellsachen auf die Klägerinnen wies die Kommission auf die Bedeutung einer freiwilligen Mitteilung vom 8. Januar 2002 betreffend fünf Zusammenkünfte auf europäischer Ebene hin. Nach dem Erwägungsgrund 233 der Entscheidung sei es der Kommission dadurch möglich gewesen, die Reichweite und die Dauer der Zuwiderhandlung auf europäischer Ebene nachzuweisen. Die Klägerinnen hätten außerdem den von der Kommission zugrunde gelegten Sachverhalt nicht bestritten. Die Kommission war daher der Ansicht, dass Akzo Nobel eine Ermäßigung von 30 % der festzusetzenden Geldbuße eingeräumt werden könne (Erwägungsgründe 233 bis 236 der Entscheidung).

20      Die gegen die Klägerinnen verhängte Geldbuße wurde nach diesem Verfahren auf 20,99 Millionen Euro festgesetzt.

 Verfahren und Anträge der Parteien

21      Die Klägerinnen haben mit Klageschrift, die am 2. März 2005 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben.

22      Mit Klageschriften, die am 25. Februar 2005 (eingetragen in das Register unter dem Aktenzeichen T‑111/05) und am 1. März 2005 (eingetragen in das Register unter dem Aktenzeichen T‑101/05) bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen sind, haben UCB und BASF, ebenfalls Adressatinnen der Entscheidung, jeweils gegen diese Klage erhoben.

23      Mit Beschluss vom 7. September 2006 hat der Präsident der Zweiten Kammer des Gerichts nach Anhörung der Parteien beschlossen, die Rechtssachen T‑101/05, T‑111/05 und die vorliegende Rechtssache gemäß Art. 50 der Verfahrensordnung des Gerichts zu gemeinsamem mündlichen Verfahren und zu gemeinsamer Entscheidung zu verbinden.

24      Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen, und den Parteien im Rahmen prozessleitender Maßnahmen schriftlich eine Frage gestellt.

25      Nach Anhörung der Parteien zu diesem Punkt in der mündlichen Verhandlung hat das Gericht in seinem Urteil in den Rechtssachen T‑101/05 und T‑111/05 entschieden, gemäß Art. 50 der Verfahrensordnung die Verbindung der vorliegenden Rechtssache mit den Rechtssachen T‑101/05 und T‑111/05 für die Zwecke der Entscheidung aufzuheben.

26      Die Klägerinnen beantragen,

–        die Entscheidung für nichtig zu erklären;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

27      Die Kommission beantragt,

–        die Klage in Bezug auf Akzo Nobel Nederland, Akzo Nobel Chemicals International und Akzo Nobel Chemicals als unzulässig oder offensichtlich unbegründet abzuweisen;

–        die Klage im Übrigen abzuweisen;

–        den Klägerinnen die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

28      Die Klägerinnen machen drei Klagegründe geltend: Erstens sei Akzo Nobel zu Unrecht eine Haftung als Gesamtschuldnerin zugewiesen worden, zweitens liege ein Verstoß gegen Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 vor, da die Geldbuße 10 % des Umsatzes von Akzo Nobel Functional Chemicals im Jahre 2003 übersteige, drittens sei hinsichtlich einer Haftung von Akzo Nobel als Gesamtschuldnerin gegen die Begründungspflicht verstoßen worden.

 1. Zulässigkeit der Klage in Bezug auf Akzo Nobel Nederland, Akzo Nobel Chemicals International und Akzo Nobel Chemicals

 Vorbringen der Parteien

29      Die Kommission ist der Ansicht, dass die Klage, die als fünf einzelne Klagen zu sehen sei, keine Klagegründe enthalte, die die Nichtigerklärung der Entscheidung oder die Herabsetzung der Geldbuße für Akzo Nobel Nederland, Akzo Nobel Chemicals International und Akzo Nobel Chemicals rechtfertigen könnten. Sie entspreche somit, was diese drei Klägerinnen angehe, weder Art. 21 der Satzung des Gerichtshofs noch Art. 44 der Verfahrensordnung des Gerichts. Jedenfalls müsse die Klage in Bezug auf diese Klägerinnen als offensichtlich jeder rechtlichen Grundlage entbehrend abgewiesen werden.

30      Die Klägerinnen sind der Ansicht, dass die Klage, was Akzo Nobel Nederland, Akzo Nobel Chemicals International und Akzo Nobel Chemicals betreffe, zulässig sei. Die Klage erfülle die Voraussetzungen von Art. 21 der Satzung des Gerichtshofs und Art. 44 der Verfahrensordnung des Gerichts, und die Möglichkeit einer Nichtigerklärung der Entscheidung begründe eine Klagebefugnis.

 Würdigung durch das Gericht

31      Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die Einrede der Kommission nicht zu prüfen ist, da es sich um ein und dieselbe Klage handelt, die, was Akzo Nobel und Akzo Nobel Functional Chemicals angeht, zulässig ist (vgl. in diesem Sinne und in Analogie Urteil des Gerichtshofs vom 24. März 1993, CIRFS u. a./Kommission, C‑313/90, Slg. 1993, I‑1125, Randnrn. 30 und 31).

32      Das von der Kommission in der mündlichen Verhandlung vorgebrachte Argument, dass die in der vorstehenden Randnummer angeführte Beurteilung nur für die Fälle gelte, in denen die Nichtigerklärung jedermann zugutekomme, unabhängig davon, ob er eine Klage erhoben habe oder nicht, genügt insoweit nicht, um die Prüfung der fraglichen Einrede erforderlich zu machen. Denn die Nichtigerklärung einer Entscheidung, mit der gegen mehrere Subjekte Geldbußen nach Art. 81 EG verhängt wurden, soll zwar nicht denjenigen zugutekommen, die keine Klage erhoben haben (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 14. September 1999, Kommission/AssiDomän Kraft Products u. a., C‑310/97 P, Slg. 1999, I‑5363, Randnr. 63) oder deren Klage unzulässig ist, die Kommission hat jedoch nicht erklärt, wie eine eventuelle Nichtigerklärung der Entscheidung auf der Grundlage der in Randnr. 30 des vorliegenden Urteils genannten Klagegründe Akzo Nobel Nederland, Akzo Nobel Chemicals International und Akzo Nobel Chemicals zugutekommen könnte. Die Kommission selbst macht im Übrigen in ihrer Gegenerwiderung geltend, dass eine eventuelle Nichtigerklärung angesichts der in der Klageschrift angeführten Klagegründe nur die Haftung des an der Spitze der Gruppe stehenden Unternehmens oder den Betrag der gegen Akzo Nobel Functional Chemicals verhängten Geldbuße betreffen könne. Außerdem müsste das Gericht, selbst wenn die Klage, was Akzo Nobel Nederland, Akzo Nobel Chemicals International und Akzo Nobel Chemicals angeht, unzulässig sein sollte, trotzdem die gesamte Klage prüfen. Unter diesen Umständen rechtfertigen es prozessökonomische Gründe, die von der Kommission erhobene Einrede der Unzulässigkeit nicht zu prüfen.

 2. Begründetheit


 Zum ersten Klagegrund: Akzo Nobel sei zu Unrecht eine Haftung als Gesamtschuldnerin zugewiesen worden

 Vorbringen der Parteien

33      Die Klägerinnen sind der Ansicht, dass die Kommission durch die gesamtschuldnerische Verhängung der Geldbuße gegen Akzo Nobel, das Unternehmen an der Spitze der Gruppe, das direkt oder indirekt 100 % des Kapitals seiner Tochterunternehmen halte, einen Rechtsfehler begangen habe. Sie stellen die organisatorische und die rechtliche Struktur der Gruppe Akzo Nobel wie folgt dar. Die organisatorische Struktur bestehe aus einem allgemeinen Zentrum (Akzo Nobel NV), Geschäftseinheiten und Geschäftsuntereinheiten. Die Aktivitäten der Gruppe seien so organisiert, dass eine Geschäftseinheit oder ‑untereinheit für eine von mehreren Tochterunternehmen von Akzo Nobel ausgeübte Tätigkeit zuständig sei; die Untereinheit für Methylamine und Cholinchlorid z. B. umfasse von mehreren Tochterunternehmen von Akzo Nobel ausgeübte Tätigkeiten. Die rechtliche Struktur umfasse Akzo Nobel als Unternehmen an der Spitze der Gruppe sowie über tausend direkt oder indirekt zu 100 % von diesem Unternehmen gehaltene rechtliche Einheiten. Diese rechtlichen Einheiten seien als Portefeuille-Inhaber anzusehen, die von den Geschäftseinheiten und ‑untereinheiten verwaltete Geschäftstätigkeiten ausübten. Im vorliegenden Fall seien Akzo Nobel Chemicals International, Akzo Nobel Chemicals und Akzo Nobel Functional Chemicals die Eigentümer insbesondere des Tätigkeitsbereichs der Geschäftsuntereinheit für Methylamine und Cholinchlorid. Die Gruppe Akzo Nobel habe folglich parallele organisatorische und rechtliche Strukturen.

34      Diese Gruppe umfasse somit in organisatorischer Hinsicht zwei Ebenen: ein allgemeines für die strategischen Angelegenheiten zuständiges Zentrum (größere Investitionen, Finanzen, Rechtsangelegenheiten, Humanressourcen) und zwanzig Geschäftseinheiten auf der Ebene darunter. Jede Einheit verfüge über einen Generaldirektor, ein Leitungsgremium, allgemeine Dienste und Verantwortliche für ihre gesamte Betriebsverwaltung. Vorausgesetzt, dass die Leitung der Geschäftseinheit die von Akzo Nobel festgelegten und gebilligten strategischen Finanzziele beachte, sei sie vollkommen eigenständig und nur durch die für die gesamte Gruppe Akzo Nobel geltenden „business principles“ (die wesentlichen Werte der Geschäftswelt, wie Unternehmergeist, persönliche Integrität, soziale Verantwortung usw.) und „corporate directives“ (die Leitlinien des Unternehmens für die Bereiche Rechts‑ und Steuerangelegenheiten, Humanressourcen, Gesundheit, Sicherheit, Umwelt usw.) gebunden. Jede Einheit sei in mit Leitungsorganen ausgestattete Untereinheiten aufgeteilt. Im vorliegenden Fall seien die Geschäftstätigkeiten im Cholinchloridbereich von Akzo Nobel Chemicals, Akzo Nobel Functional Chemicals und Akzo Nobel Chemicals SpA ausgeübt worden.

35      Die für den betreffenden Bereich zuständigen Geschäftseinheiten und ‑untereinheiten bestimmten gegenüber Akzo Nobel eigenständig die Politik, die Strategie und die Geschäfte. Dies bedeute jedoch nicht, dass diese Einheiten oder Untereinheiten in Bezug auf die Tochterunternehmen über dieselben Entscheidungsbefugnisse verfügten. Es lasse sich nämlich nicht sagen, dass jede Geschäftseinheit und ‑untereinheit die Geschäftspolitik der verschiedenen Tochterunternehmen bestimme.

36      Nach der von Akzo Nobel vorgenommenen Analyse der Rechtsprechung muss der bestimmende Einfluss, den ein Mutterunternehmen ausüben muss, damit es für die Handlungen seines Tochterunternehmens verantwortlich gemacht werden kann, dessen Geschäftspolitik im engen Sinne betreffen. Die Kommission müsse somit erstens beweisen, dass das Mutterunternehmen Weisungsbefugnisse habe ausüben können, die soweit gingen, dass sie seinem Tochterunternehmen jede Eigenständigkeit in seinem Geschäftsverhalten nähmen, und zweitens, dass es von diesen Weisungsbefugnissen Gebrauch gemacht habe.

37      Die Klägerinnen weisen jedoch darauf hin, dass sich aus der Rechtsprechung ergebe, dass man bei einem 100 %igen Tochterunternehmen vermuten könne, dass es die von seinem Mutterunternehmen erhaltenen Anweisungen befolgt habe. Die Kommission sei demnach in einem solchen Fall nur dann verpflichtet, nur dem Tochterunternehmen die Haftung zuzuweisen, wenn dieses seine Geschäftspolitik zum großen Teil selbst bestimme. Stehe dies fest, sei es wiederum Sache der Kommission, nachzuweisen, dass das Mutterunternehmen tatsächlich in einem konkreten Fall einen bestimmenden Einfluss ausgeübt habe. Eine Organisation in Form von Einheiten, wie die der Gruppe Akzo Nobel, genüge als solche somit nicht, um den Nachweis der tatsächlichen Beteiligung des Mutterunternehmens überflüssig zu machen. Außerdem verwendeten die Kommission im Rahmen ihrer Entscheidungspraxis und die Gemeinschaftsgerichte stets Tatsachen, um die genannte Vermutung zu untermauern.

38      Die Tochterunternehmen von Akzo Nobel, die jeweils ein Entscheidungsorgan besäßen, bestimmten ihre Geschäftspolitik zum großen Teil selbst. Da Akzo Nobel keine Geschäftstätigkeit ausübe und keine Waren herstelle oder vertreibe, verfüge sie nicht über Weisungsbefugnisse gegenüber den Tochterunternehmen, die soweit gingen, dass sie diesen jede tatsächliche Eigenständigkeit bei der Bestimmung ihres Vorgehens auf dem Markt nähmen. Akzo Nobel bestimme lediglich die allgemeine makroökonomische Strategie der Gruppe, ohne eine Rolle bei rein geschäftlichen Entscheidungen für sich in Anspruch zu nehmen. Die Entscheidungen über Verkaufspreise und deren Erhöhungen würden grundsätzlich innerhalb der einzelnen Tochterunternehmen von den für die betroffenen Waren zuständigen Marketingleitern getroffen. Akzo Nobel behandle somit nur die wichtigsten strategischen Fragen (Finanzen, Rechtsangelegenheiten, Vorschriften und Politik in den Bereichen Gesundheit, Sicherheit, Umwelt usw.), was Fragen der Geschäftspolitik ausschließe. Für Fragen der Geschäftspolitik seien somit die Geschäftseinheiten und ‑untereinheiten zuständig, zu denen alle operativen Tochterunternehmen der Gruppe gehörten.

39      Das von Akzo Nobel herausgegebene interne internationale Magazin zeige, dass die Tochterunternehmen über eine außerordentlich detaillierte Struktur verfügten. Diese Struktur wäre jedoch überflüssig, wenn die Geschäftspolitik vom Verwaltungsrat von Akzo Nobel beschlossen würde. Allerdings würde kein Mutterunternehmen, das das gesamte Kapital seines Tochterunternehmens halte, dieses ohne jegliche Kontrolle handeln lassen. So bestimme Akzo Nobel die Politik und die Vorschriften in den Bereichen Gesundheit, Sicherheit, Umwelt, Firmenidentität und Tarifverträge, die die Tochterunternehmen befolgen müssten. Diese Art von Kontrolle könne jedoch nicht mit einer Kontrolle der Geschäftspolitik der Tochterunternehmen im engen Sinne gleichgesetzt werden.

40      Außerdem besitze jedes der am vorliegenden Verfahren beteiligten Tochterunternehmen seinen eigenen Verwaltungsrat, während die Geschäftspolitik (Preisfestsetzungen, Vertrieb) auf der Ebene der für die betroffenen Waren zuständigen Geschäftseinheiten und ‑untereinheiten beschlossen werde. Der im Cholinchloridsektor erzielte Umsatz sei in den Geschäftsbüchern von Akzo Nobel Chemicals, Akzo Nobel Functional Chemicals und Akzo Nobel Chemicals SpA verbucht.

41      Der Marketingleiter für Cholinchlorid habe, wie aus der Beschreibung seiner Stelle hervorgehe, in erster Linie die Aufgabe, einen Entwurf des Verkaufsplans mit den Mengen, den Preisen, dem Warensortiment und der Marketingstrategie zu erstellen. Dass keine schriftlichen Beweise zur Untermauerung aller geltend gemachten Tatsachen vorlägen, könne angesichts des Umstands, dass Akzo Nobel insbesondere im Verwaltungsverfahren zahlreiche Beweise vorgelegt habe, den Wert ihres Vorbringens nicht schmälern.

42      Da die in Rede stehende Vermutung aufgrund der vorstehenden Erwägungen widerlegt worden sei, träfe die Ansicht der Kommission zu, wenn Akzo Nobel Anweisungen zu Preisfestsetzungen und zur Aufteilung des Cholinchloridmarkts gegeben hätte. Ein Mutterunternehmen von über tausend rechtlichen Einheiten könne jedoch faktisch auch nicht einem einzigen seiner Tochterunternehmen Anweisungen in Bezug auf die Preispolitik oder das Geschäftsverhalten geben. Die Kommission habe weder nachgewiesen, dass Akzo Nobel Kenntnis von der Zuwiderhandlung gehabt habe, noch, dass sie direkt daran beteiligt gewesen sei oder ihre Tochterunternehmen angewiesen habe, sie zu begehen. Die Gesichtspunkte, auf die sich die Entscheidung stütze, um Akzo Nobel als Gesamtschuldnerin die Haftung für die Zuwiderhandlung zuzuweisen, beträfen nicht die Geschäftspolitik der Tochterunternehmen im engen Sinne. Da die Klägerinnen gezeigt hätten, dass die Untereinheit für Methylamine und Cholinchlorid zumindest über große geschäftliche Autonomie verfügt habe, hätte die Kommission nachweisen müssen, dass Akzo Nobel einen bestimmenden Einfluss auf die Geschäftspolitik der übrigen Klägerinnen oder auf die Geschäftsuntereinheit für Methylamine und Cholinchlorid ausgeübt habe. Die Kommission sei dieser Verpflichtung jedoch nicht nachgekommen, und Akzo Nobel habe keinen Grund, einen solchen Einfluss auszuüben.

43      Vor diesem Hintergrund sei es müßig, die natürliche oder juristische Person zu ermitteln, die die Vize-Präsidenten der Gruppe, die leitenden Mitarbeiter und andere für die Untereinheit für Methylamine und Cholinchlorid handelnden Personen bestimme und der gegenüber diese Rechenschaft ablegen müssten. Die entscheidende Frage sei die, ob Akzo Nobel eine entscheidende Kontrolle über die Geschäftspolitik ihrer Tochterunternehmen oder dieser Geschäftsuntereinheit ausgeübt habe. Man könne sogar die Ansicht vertreten, dass die Untereinheit für Methylamine und Cholinchlorid die Adressatin der Entscheidung sein müsse.

44      Wenn alle rechtlichen Einheiten des Cholinchloridsektors als eine einzige wirtschaftliche Einheit anzusehen wären, gäbe es keinen Grund, Akzo Nobel Chemicals aus dem Kreis der Adressaten der Entscheidung allein deswegen auszuschließen, weil die Kommission nicht über hinreichende Beweise verfügt habe, um deren Verantwortung festzustellen. Dieser Ausschluss widerspreche außerdem der Behauptung der Kommission, dass Akzo Nobel das einzige Bindeglied zwischen der Herstellung von Cholinchlorid in Italien und der Herstellung von Cholinchlorid in den Niederlanden sei.

45      Akzo Nobel sei im Verwaltungsverfahren nie als einziger Gesprächspartner der Kommission aufgetreten. Außerdem habe jede der Klägerinnen den sie vertretenden Rechtsanwälten ein gesondertes Mandat erteilt.

46      Aufgrund der vorstehenden Erwägungen und unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Gesichtspunkte, auf die die Kommission sich gestützt habe, abgesehen vom Vorliegen einer 100%igen Kapitalbeteiligung, entweder irrelevant oder falsch seien, ist Akzo Nobel der Ansicht, dass sie die Vermutung bezüglich der Verantwortung des an der Spitze der Gruppe stehenden Unternehmens widerlegt habe. Da die Kommission nicht dargelegt habe, dass Akzo Nobel einen bestimmenden Einfluss auf die Geschäftspolitik ihrer Tochterunternehmen ausgeübt habe, sei dem vorliegenden Klagegrund zu folgen.

47      Die Kommission macht geltend, nach der Rechtsprechung könne vermutet werden, dass ein Mutterunternehmen einen bestimmenden Einfluss auf ein Tochterunternehmen ausübe, wenn dessen Verhalten im Wesentlichen den Anweisungen unterliege, die es von seinem Mutterunternehmen erhalte, d. h., wenn das Mutterunternehmen die Grundzüge der Strategie und der Geschäfte seines Tochterunternehmens bestimme. Nach der Rechtsprechung sei es nicht erforderlich, dass das Mutterunternehmen sein Tochterunternehmen anweise, eine Zuwiderhandlung zu begehen, damit die Kommission eine Entscheidung an dieses richten könne, mit der eine Geldbuße verhängt werde. Es genüge also, dass das Mutterunternehmen einen bestimmenden Einfluss auf die allgemeine Geschäftspolitik seiner Tochterunternehmen ausgeübt habe, um ihre gesamtschuldnerische Haftung zu begründen, ohne dass die Kommission nachweisen müsste, dass es Kenntnis von der Zuwiderhandlung gehabt habe oder direkt daran beteiligt gewesen sei.

48      Aus der Rechtsprechung ergebe sich, dass zur Widerlegung dieser Vermutung entweder nachgewiesen werden müsse, dass das Mutterunternehmen nicht in der Lage gewesen sei, die Geschäftspolitik seines Tochterunternehmens in bestimmender Weise zu beeinflussen, oder dass das Tochterunternehmen tatsächlich eigenständig gewesen sei. Es müsse folglich mittels hinreichender Beweise dargelegt werden, dass das Mutterunternehmen trotz seiner 100%igen Beteiligung am Kapital seines Tochterunternehmens nicht in der Lage gewesen sei, einen bestimmenden Einfluss auf die Grundzüge der Strategie und der Geschäfte dieses Tochterunternehmens auszuüben, oder diesen tatsächlich nicht ausgeübt habe. Es genüge hingegen nicht, nachzuweisen, dass das Tochterunternehmen zum großen Teil seine Tätigkeit selbst ausgeübt und einen eigenen Verwaltungsrat besessen habe, was im vorliegenden Fall jedenfalls auch nicht bewiesen worden sei.

49      Die Klägerinnen könnten weder geltend machen, dass sie die zu Lasten von Akzo Nobel bestehende Vermutung mittels in Beantwortung der Mitteilung der Beschwerdepunkte übermittelter Unterlagen widerlegt hätten, noch auf der Grundlage von im Verwaltungsverfahren nicht vorgelegten Unterlagen die Rechtmäßigkeit der Entscheidung bestreiten.

50      Das Vorbringen der Klägerinnen reiche jedenfalls nicht aus, um die Vermutung zu Lasten von Akzo Nobel zu widerlegen. Die Klägerinnen hätten nämlich nicht mitgeteilt, welche rechtlichen Einheiten die Vize‑Präsidenten der Gruppe, die Leiter der Geschäftseinheiten und die Personen oder Einheiten, von denen diese Vize-Präsidenten abhängig seien, bestimmten. Die Kommission ist daher der Ansicht, dass sie vernünftigerweise davon ausgehen könne, dass die Vize-Präsidenten der Gruppe von Akzo Nobel ernannt würden, der gegenüber sie über ihre Geschäftsführung Rechenschaft ablegen müssten.

51      Die Klägerinnen gäben in der Klageschrift an, dass die Geschäftspolitik der Tochterunternehmen nicht von diesen, sondern von den Geschäftseinheiten und ‑untereinheiten beschlossen werde und dass die Leitung von Akzo Nobel die Koordinierung und Ausrichtung dieser Politik übernehme. Dass die klagenden Tochtergesellschaften einen Verwaltungsrat besäßen, bedeute nicht notwendigerweise, dass sie vollkommen eigenständig die grundlegenden Geschäftsentscheidungen über die Herstellung und den Vertrieb von Cholinchlorid träfen. Ihre Zugehörigkeit zur Geschäftsuntereinheit für Methylamine und Cholinchlorid, die Leitungsorgane besitze, spreche für das Gegenteil. Angesichts der Behauptung der Klägerinnen, dass die Leitung jeder Geschäftsuntereinheit der Leitung einer Geschäftseinheit gegenüber Rechenschaft ablege, gehe die Kommission davon aus, dass die Leitung jeder Geschäftseinheit ihrerseits der Leitung von Akzo Nobel gegenüber rechenschaftspflichtig sei. Genau diese Verpflichtung rechtfertige es, die Gruppe Akzo Nobel als „wirtschaftliche Einheit“ einzustufen. Selbst wenn der Marketingleiter der Geschäftsuntereinheit für Cholinchlorid die Warenpreise vollkommen eigenständig beschließen sollte, bestätige dies die fehlende Eigenständigkeit der Tochterunternehmen der Gruppe und schließe einen bestimmenden Einfluss seitens Akzo Nobel nicht aus.

52      Außerdem sei das Vorbringen der Klägerinnen, dass die Kommission die Entscheidung an die Geschäftsuntereinheit für Methylamine und Cholinchlorid hätte richten müssen, zurückzuweisen, da diese Untereinheit keine rechtliche Einheit sei; rechtliche Einheiten seien lediglich die Tochterunternehmen der von Akzo Nobel koordinierten Gruppe. Diese rechtlichen Einheiten könnten nicht allein deswegen, weil ihre Struktur sich in Einheiten ohne Rechtspersönlichkeit aufgliedere, ihrer Haftung entgehen. Außerdem sei Akzo Nobel aufgrund ihrer Eigenschaft als einziger Anteilseigner ihrer Tochterunternehmen naturgemäß in der Lage, deren Vorgehen im Wesentlichen zu kontrollieren.

53      Im Übrigen zeigten die von den Klägerinnen beigebrachten Unterlagen nur, dass die laufenden Geschäftsentscheidungen betreffend Cholinchlorid von den Mitgliedern des Leitungsgremiums der Geschäftsuntereinheit für Methylamine und Cholinchlorid getroffen würden, ohne jedoch die Personen zu nennen, die diese Mitglieder ernennten und anstellten. Die Klägerinnen hätten die Vermutung der Haftung von Akzo Nobel somit nicht widerlegt.

54      Jedenfalls sei die Haftung von Akzo Nobel aufgrund anderer Gesichtspunkte als der Vermutung in Bezug auf ihre 100%ige Kapitalbeteiligung an ihren Tochterunternehmen begründet. Es sei nämlich durch das Zuständigkeitsschema bewiesen, dass jedes Vorhaben einer Geschäftseinheit, für das eine Investition erforderlich sei, je nach der Höhe der betreffenden Investition der Zustimmung des „Board Committee“, des Verwaltungsrats oder des „Supervisory Board“ von Akzo Nobel bedürfe. Die Rolle, die Akzo Nobel bei der Ernennung der Leiter der einzelnen Geschäftseinheiten spiele, sowie ihre Verwaltungsaufgaben zeigten, dass sie mit diesen Geschäftseinheiten wie eine einzige wirtschaftliche Einheit funktioniere. Die geschäftliche Eigenständigkeit betreffe jedoch nicht nur Entscheidungen von zweitrangiger Bedeutung, wie die gewöhnlichen Verkäufe, sondern auch wichtigere Entscheidungen, wie die Ernennung der leitenden Mitarbeiter, die Bestimmung der Geschäftsziele und die Entscheidungen über Investitionen. Für diese Fragen sei jedoch Akzo Nobel zuständig.

55      Auch dass Akzo Nobel, Akzo Nobel Nederland, Akzo Nobel Chemicals International und Akzo Nobel Chemicals keine Geschäftstätigkeit ausübten, bestätige die Schlussfolgerung, dass man bei keiner dieser rechtlichen Einheiten davon ausgehen könne, dass sie als solche eigenständige Wirtschaftsteilnehmer darstellten.

56      Außerdem seien die Tätigkeiten im Cholinchloridsektor in Italien und in den Niederlanden nur über Akzo Nobel aufgrund von Eigentumsverhältnissen miteinander verbunden. Diese Feststellung stehe nicht im Widerspruch zu dem Umstand, dass Akzo Nobel Chemicals SpA nicht Adressatin der Entscheidung gewesen sei. Die Kommission besitze nämlich keine Beweise für deren Beteiligung an der Zuwiderhandlung. Darüber hinaus sei dieses Unternehmen keine für das Verhalten der direkt beteiligten Einheiten verantwortliche Verwaltungsgesellschaft. Jedenfalls sei die Kommission nicht verpflichtet, alle rechtlichen Einheiten, die zusammen ein Unternehmen bildeten, haftbar zu machen. Auch die gemeinsame Vertretung der Klägerinnen sei ein Gesichtspunkt, der für die Analyse der Kommission spreche.

 Würdigung durch das Gericht

–       Einleitende Bemerkungen zur Frage, ob die Zuwiderhandlung eines Tochterunternehmens seinem Mutterunternehmen zugerechnet werden kann

57      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der Begriff des Unternehmens im Sinne von Art. 81 EG wirtschaftliche Einheiten umfasst, die jeweils in einer einheitlichen Organisation persönlicher, materieller und immaterieller Mittel bestehen, mit der dauerhaft ein bestimmter wirtschaftlicher Zweck verfolgt wird; eine solche Organisation kann an einer Zuwiderhandlung im Sinne dieser Vorschrift beteiligt sein (vgl. Urteil des Gerichts vom 20. März 2002, HFB u. a./Kommission, T‑9/99, Slg. 2002, II‑1487, Randnr. 54 und die dort angeführte Rechtsprechung).

58      Nicht ein zwischen Mutter‑ und Tochterunternehmen in Bezug auf die Zuwiderhandlung bestehendes Anstiftungsverhältnis und schon gar nicht eine Beteiligung Ersterer an dieser Zuwiderhandlung, sondern der Umstand, dass sie ein einziges Unternehmen im vorstehend genannten Sinne darstellen, gibt somit der Kommission die Befugnis, die Entscheidung, mit der Geldbußen verhängt werden, an das Mutterunternehmen einer Unternehmensgruppe zu richten. Nach dem gemeinschaftlichen Wettbewerbsrecht stellen nämlich verschiedene Gesellschaften, die zum selben Konzern gehören, eine wirtschaftliche Einheit und somit ein Unternehmen im Sinne der Art. 81 EG und 82 EG dar, wenn sie ihr Marktverhalten nicht autonom bestimmen (Urteil des Gerichts vom 30. September 2003, Michelin/Kommission, T‑203/01, Slg. 2003, II‑4071, Randnr. 290).

59      Außerdem ist es für die Anwendung und den Vollzug der wettbewerbsrechtlichen Entscheidungen der Kommission erforderlich, als Adressat eine Einheit mit Rechtspersönlichkeit zu bestimmen (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 20. April 1999, Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, „PVC II“, T‑305/94 bis T‑307/94, T‑313/94 bis T‑316/94, T‑318/94, T‑325/94, T‑328/94, T‑329/94 und T‑335/94, Slg. 1999, II‑931, Randnr. 978).

60      In dem speziellen Fall, dass ein Mutterunternehmen 100 % des Kapitals seines Tochterunternehmens hält, das eine Zuwiderhandlung begangen hat, besteht eine einfache Vermutung, dass dieses Mutterunternehmen einen bestimmenden Einfluss auf das Verhalten seines Tochterunternehmens ausübt (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 25. Oktober 1983, AEG/Kommission, 107/82, Slg. 1983, 3151, Randnr. 50, und Urteil PVC II, oben in Randnr. 59 angeführt, Randnrn. 961 und 984) und dass beide daher ein einziges Unternehmen im Sinne von Art. 81 EG darstellen (Urteil des Gerichts vom 15. Juni 2005, Tokai Carbon u. a./Kommission, T‑71/03, T‑74/03, T‑87/03 und T‑91/03, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 59). Wenn die Muttergesellschaft vor dem Gemeinschaftsrichter gegen eine Entscheidung der Kommission vorgeht, mit der ihr für ein Verhalten ihrer Tochtergesellschaft eine Geldbuße auferlegt wird, obliegt es damit ihr, diese Vermutung durch Beweise zu entkräften, die geeignet sind, die Selbständigkeit ihrer Tochtergesellschaft zu belegen (Urteil des Gerichts vom 27. September 2006, Avebe/Kommission, T‑314/01, Slg. 2006, II‑3085, Randnr. 136, siehe auch in diesem Sinne, Urteil des Gerichtshofs vom 16. November 2000, Stora Kopparbergs Bergslags/Kommission, C‑286/98 P, Slg. 2000, I‑9925, im Folgenden: Urteil Stora, Randnr. 29).

61      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof zwar in den Randnrn. 28 und 29 des Urteils Stora (oben in Randnr. 60 angeführt) neben der 100%igen Kapitalbeteiligung an dem Tochterunternehmen weitere Umstände, wie das Nichtbestreiten des vom Mutterunternehmen auf die Geschäftspolitik seines Tochterunternehmens ausgeübten Einflusses und die gemeinsame Vertretung der beiden Unternehmen im Verwaltungsverfahren, angeführt hat, dass jedoch diese Umstände vom Gerichtshof nur erwähnt wurden, um die Gesamtheit der Gesichtspunkte aufzuführen, auf die das Gericht seine Argumentation gestützt hatte, und daraufhin festzustellen, dass diese sich nicht nur auf die 100%ige Kapitalbeteiligung des Mutterunternehmens an dem Tochterunternehmen stützte. Dass der Gerichtshof die Würdigung des Gerichts in dieser Rechtssache bestätigt hat, kann somit nicht zu einer Änderung des in Randnr. 50 des Urteils AEG/Kommission (oben angeführt in Randnr. 60) aufgestellten Grundsatzes führen.

62      Für die Schlussfolgerung, dass ein Mutterunternehmen einen bestimmenden Einfluss auf die Geschäftspolitik seines Tochterunternehmens ausübt, genügt es demnach, dass die Kommission beweist, dass das gesamte Kapital dieses Tochterunternehmens von seinem Mutterunternehmen gehalten wird. Die Kommission kann in der Folge dem Mutterunternehmen als Gesamtschuldnerin die Haftung für die Zahlung der gegen dessen Tochterunternehmen verhängten Geldbuße zuweisen, sofern es nicht nachweist, dass sein Tochterunternehmen im Wesentlichen nicht die von ihm ausgegebenen Leitlinien anwendet und demnach auf dem Markt eigenständig auftritt.

63      Im Rahmen dieser einleitenden Bemerkungen ist ferner das in den Schriftsätzen der Klägerinnen zentrale Argument zu prüfen, dass der aufgrund der 100%igen Kapitalbeteiligung an seinem Tochterunternehmen vermutete Einfluss des Mutterunternehmens sich auf die Geschäftspolitik des Tochterunternehmens im engen Sinne beziehe (siehe oben, Randnr. 36). Zu dieser Politik gehört nach Ansicht der Klägerinnen z. B. die Vertriebs‑ und Preisstrategie. Diesem Vorbringen zufolge könnte das Mutterunternehmen daher die Vermutung widerlegen, indem es zeigt, dass das Tochterunternehmen diese spezifischen Aspekte seiner Geschäftspolitik selbst in der Hand hat, ohne insoweit Weisungen zu erhalten.

64      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der Gemeinschaftsrichter im Rahmen der Untersuchung der Frage, ob mehrere zu einer Gruppe gehörende Unternehmen eine wirtschaftliche Einheit bilden, geprüft hat, ob das Mutterunternehmen die Preispolitik (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 14. Juli 1972, ICI/Kommission, 48/69, Slg. 1972, 619, Randnr. 137, und Geigy/Kommission, 52/69, Slg. 1972, 787, Randnr. 45), die Herstellungs‑ und Vertriebsaktivitäten (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 6. März 1974, Istituto Chemioterapico Italiano und Commercial Solvents/Kommission, 6/73 und 7/73, Slg. 1974, 223, Randnrn. 37 und 39 bis 41), die Verkaufsziele, die Bruttomargen, die Verkaufskosten, den „cash flow“, die Lagerbestände und das Marketing (Urteil des Gerichts vom 12. Januar 1995, Viho/Kommission, T‑102/92, Slg. 1995, II‑17, Randnr. 48) beeinflussen konnte. Daraus lässt sich jedoch nicht ableiten, dass nur diese Aspekte unter den Begriff der Geschäftspolitik eines Tochterunternehmens fielen, wenn es um die Anwendung der Art. 81 EG und 82 EG in Bezug auf dessen Mutterunternehmen geht.

65      Aus dieser Rechtsprechung in Verbindung mit den Erwägungen in den vorstehenden Randnrn. 57 und 58 ergibt sich vielmehr, dass es Sache des Mutterunternehmens ist, dem Gericht alle Angaben in Bezug auf die organisatorischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Verbindungen zwischen ihm und seinem Tochterunternehmen zur Würdigung vorzulegen, die seiner Ansicht nach dem Nachweis dienen könnten, dass sie keine wirtschaftliche Einheit darstellen. Aus dieser Rechtsprechung ergibt sich ferner, dass das Gericht bei seiner Würdigung alle Angaben berücksichtigen muss, die ihm die Parteien vorlegen, wobei deren Charakter und Bedeutung je nach den Merkmalen des jeweiligen Falls variieren können.

66      Im Licht dieser Erwägungen ist zu prüfen, ob Akzo Nobel und ihre Tochterunternehmen, die Adressaten der Entscheidung sind, eine wirtschaftliche Einheit bilden.

–       Zum Bestehen einer aus Akzo Nobel und ihren Tochterunternehmen, die Adressaten der Entscheidung sind, gebildeten wirtschaftlichen Einheit

67      Im vorliegenden Fall wird von den Parteien nicht bestritten, dass Akzo Nobel direkt oder indirekt 100 % des Kapitals ihrer Tochterunternehmen, die Adressaten der Entscheidung sind, hält. Aufgrund der vorstehenden Erwägungen ist es somit Sache von Akzo Nobel, darzulegen, dass diese Tochterunternehmen ihre Geschäftspolitik selbständig bestimmen und somit keine wirtschaftliche Einheit und folglich kein einheitliches Unternehmen im Sinne von Art. 81 EG mit ihr bilden (siehe oben, Randnr. 57).

68      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass das von Akzo Nobel im Verwaltungsverfahren vorgelegte und im Erwägungsgrund 173 der Entscheidung kurz analysierte Zuständigkeitsschema (siehe oben, Randnr. 13) in seinem Einleitungsteil eine Beschreibung der Zuständigkeitsverteilung in den Entscheidungsverfahren innerhalb der Gruppe Akzo Nobel für vierzehn Bereiche enthält.

69      Es handelt sich um die Bereiche Strategie, Betriebsplan, Investitionen, Ankäufe und Veräußerungen, Umstrukturierungspläne, allgemeine Betriebspolitiken, Finanzen, Rechnungsprüfung und Buchführung, Humanressourcen, Rechtsangelegenheiten, Risikomanagement, Technologie und Umwelt, Datenverarbeitung und einen Bereich „Verschiedenes“.

70      Im Einleitungsteil des Zuständigkeitsschemas heißt:

„Detaillierte Ermächtigungen und Weisungen (möglicherweise auch für nicht im Zuständigkeitsschema von Akzo Nobel erwähnte Bereiche) sind in gesonderten Leitlinien und/oder Satzungen enthalten oder werden zwischen dem betreffenden Leiter der Geschäftseinheit oder ‑untereinheit und dem zuständigen Board-Mitglied vereinbart. 

Für die Tochterunternehmen, die nicht direkt oder indirekt zu 100 % von Akzo Nobel gehalten werden, ist diese Zuständigkeitsverteilung so weit wie möglich ohne Einschränkungen durchzusetzen.“

[Detailed authorities and instructions (possibly also for items not mentioned in the Akzo Nobel Authority Schedules) are laid down in separate directives and/or charters or are agreed upon between the BU/SU manager and the responsible Board Member.

As to subsidiaries not wholly owned by Akzo Nobel, either directly or indirectly, this allocation of authorities shall be integrally enforced as much as possible.]

71      Außerdem sind mehrere Punkte des Zuständigkeitsschemas, nämlich Strategie, Investitionen, allgemeine Betriebspolitiken, Rechnungsprüfung und Buchführung, Humanressourcen und Rechtsangelegenheiten zu untersuchen.

72      Zur Strategie ergibt sich aus dem Zuständigkeitsschema, dass jede Geschäftseinheit oder ‑untereinheit ihren Strategieplan anfertigt und dem [vertraulich](1) von Akzo Nobel zur Stellungnahme vorlegt, der ihn anschließend im Rahmen der vom Verwaltungsrat von Akzo Nobel festgelegten Leitlinien dem [vertraulich] zur Überprüfung vorlegt; über wichtigere strategische Aktionen entscheidet im Rahmen des [vertraulich] der Verwaltungsrat von Akzo Nobel.

73      Für die Erstellung des Betriebsplans der einzelnen Geschäftseinheiten ist der [vertraulich] von Akzo Nobel zu konsultieren, der wiederum im Rahmen der Leitlinien und der Ziele der Gruppe alle Fragen der Verwaltung von Akzo Nobel zur Entscheidung vorlegt.

74      In Bezug auf Investitionen (einschließlich Mieten, Leasing, Verkauf oder Erwerb immaterieller Vermögenswerte) sind die einzelnen Geschäftseinheiten und ‑untereinheiten entscheidungsbefugt, allerdings nur innerhalb der zuvor mit dem [vertraulich] von Akzo Nobel vereinbarten Grenzen. Dieser entscheidet über Projekte mit einem Wert unter [vertraulich] Euro; je nachdem, ob der Wert zwischen 2,5 und 10, 10 und 20 oder über 20 Millionen Euro liegt, ist der [vertraulich], der [vertraulich] oder der [vertraulich] für die jeweiligen Projekte zuständig.

75      Was die allgemeinen Betriebspolitiken angeht, unterbreitet der [vertraulich] von Akzo Nobel für einen Tätigkeitsbereich einen Vorschlag, über den der [vertraulich] im Rahmen des [vertraulich] entscheidet.

76      Im Bereich Rechnungsprüfung und Buchführung berichten die einzelnen Geschäftseinheiten und ‑untereinheiten regelmäßig über die Ergebnisse, während der [vertraulich] von Akzo Nobel, der [vertraulich] und der [vertraulich] regelmäßig die Leistungen auf der Ebene der Einheiten oder Untereinheiten und der Gruppe überprüfen.

77      In Bezug auf ihre Humanressourcen legen die Geschäftseinheiten und ‑untereinheiten ihre Vorschläge für größere organisatorische Änderungen dem [vertraulich] von Akzo Nobel zur Anbringung eines Sichtvermerks im Hinblick auf die Organisationskonzepte vor; die abschließende Entscheidung trifft der [vertraulich] von Akzo Nobel. Steht der Vorschlag nicht mit den Organisationskonzepten im Einklang, ist die endgültige Entscheidung Sache des [vertraulich] von Akzo Nobel.

78      Was Rechtsangelegenheiten angeht, legen die Einheiten und Untereinheiten bei wichtigen Verträgen in den Bereichen Know-how, Patente, Marken, Forschungskooperationen und strategische Bündnisse ihre Vorschläge dem [vertraulich] von Akzo Nobel vor, der wiederum je nach dem Wert der Angelegenheit den [vertraulich], den [vertraulich] oder den [vertraulich] berät, der für die Entscheidung zuständig ist. Bei wichtigen langfristigen Belieferungsverträgen besteht nach Maßgabe ihrer Dauer und der mit ihnen verbundenen finanziellen Verpflichtungen dieselbe Zuständigkeitsverteilung.

79      Aus dem Zuständigkeitsschema ergibt sich im Übrigen, dass Akzo Nobel über den [vertraulich], den [vertraulich], den [vertraulich] oder den [vertraulich] an den Entscheidungsverfahren in Bezug auf alle betroffenen Themen beteiligt ist (siehe oben, Randnr. 69).

80      Auf eine entsprechende Befragung zu diesem Punkt in der mündlichen Verhandlung haben die Klägerinnen geltend gemacht, dass das Zuständigkeitsschema die Zuständigkeitsverteilung innerhalb der Gruppe Akzo Nobel zeige, jedoch nicht belege, dass diese Zuständigkeiten tatsächlich in Bezug auf die in Rede stehende Zuwiderhandlung ausgeübt worden seien. Diese Äußerung geht jedoch in diesem Stadium der Prüfung, in dem es darum geht, ob Akzo Nobel Einfluss auf die Geschäftspolitik ihrer Tochterunternehmen hatte, und nicht darum, ob Akzo Nobel speziell in Bezug auf die in Rede stehende Zuwiderhandlung auf diese eingewirkt hat, ins Leere (siehe oben, Randnr. 58).

81      Zur organisatorischen Beziehung zwischen den Tochterunternehmen der Gruppe Akzo Nobel, die Adressaten der Entscheidung sind, und der Geschäftsuntereinheit für Methylamine und Cholinchlorid genügt der Hinweis, dass, wie die Klägerinnen geltend gemacht haben (siehe oben, Randnr. 33), Akzo Nobel Chemicals International, Akzo Nobel Chemicals und Akzo Nobel Functional Chemicals die „Eigentümer“ insbesondere des Tätigkeitsbereichs dieser Geschäftsuntereinheit sind. Da die Entscheidung nur an Einheiten mit Rechtspersönlichkeit gerichtet werden konnte (siehe oben, Randnr. 59), die im Übrigen direkt an der Zuwiderhandlung beteiligt waren oder Rechtsnachfolger der daran beteiligten Einheiten sind (siehe oben, Randnr. 11), können die Klägerinnen nicht geltend machen, dass die Kommission die Bestimmung der Politik der Geschäftseinheiten oder ‑untereinheiten der Gruppe von der Bestimmung der Politik der Tochterunternehmen von Akzo Nobel hätte unterscheiden müssen. Jedenfalls haben die Klägerinnen in den Randnrn. 16, 17 und 54 ihrer Erwiderung ausgeführt, die zentrale Frage sei die, ob sie die Vermutung hätten widerlegen können, dass Akzo Nobel einen bestimmenden Einfluss entweder auf die betroffene Geschäftsuntereinheit oder auf ihre Tochterunternehmen, die Adressaten der Entscheidung seien, ausgeübt habe.

82      Vor diesem Hintergrund ist wie im Erwägungsgrund 173 der Entscheidung festzustellen, dass die zuständigen Mitarbeiter und vor allem die Leitung von Akzo Nobel in erheblichem Maße auf mehrere wesentliche Aspekte der Strategie der fraglichen Tochterunternehmen Einfluss nehmen, indem sie sich die abschließende Entscheidung in einer Reihe von Bereichen, die deren Vorgehen auf dem Markt bestimmen, vorbehalten.

83      Das Vorbringen, dass die Entscheidungen über Verkaufspreise und Preiserhöhungen grundsätzlich von den für die betroffenen Waren zuständigen Marketingleitern, die innerhalb ihrer jeweiligen Tochterunternehmen tätig seien, und insbesondere vom Marketingleiter für Cholinchlorid getroffen würden (siehe oben, Randnrn. 38 und 41), kann dieses Ergebnis nicht erschüttern. Dies gilt auch für das Vorbringen in Bezug auf die aus zwei Ebenen bestehende Struktur der Gruppe Akzo Nobel, die dazu diene, die Geschäftspolitik im engen Sinne der Kontrolle von Akzo Nobel zu entziehen (siehe oben, Randnr. 38). Wie in Randnr. 58 dieses Urteils ausgeführt, bedarf es dafür, dass die Zuwiderhandlung eines Tochterunternehmens dessen Mutterunternehmen zugerechnet wird, nämlich nicht des Beweises, dass das Mutterunternehmen Einfluss auf die Politik seines Tochterunternehmens in dem spezifischen Bereich nimmt, in dem es zu der Zuwiderhandlung gekommen ist, die im vorliegenden Fall den Vertrieb und die Preise betroffen hat. Dagegen können die organisatorischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Verbindungen zwischen dem Mutterunternehmen und seinem Tochterunternehmen einen Einfluss des Ersteren auf die Strategie des Letzteren begründen und es somit rechtfertigen, sie als wirtschaftliche Einheit zu begreifen.

84      Das Argument, dass jedes Tochterunternehmen einen Verwaltungsrat besitze (siehe oben, Randnr. 40), kann nicht überzeugen. Jede Aktiengesellschaft hat nämlich einen von seinen Anteilseignern, im vorliegenden Fall Akzo Nobel, ernannten Verwaltungsrat. Im Übrigen haben die Klägerinnen in Randnr. 45 ihrer Erwiderung insoweit ausgeführt, dass die Vize-Präsidenten der Gruppe (die die Geschäftseinheiten leiten) nach Zustimmung des zuständigen Mitglieds des Verwaltungsrats von Akzo Nobel von den Präsidenten der Abteilungen für chemische Produkte der Gruppe bestimmt werden. Sie legen dem Präsidenten von Akzo Nobel Chemicals gegenüber Rechenschaft ab, der wiederum gegenüber dem zuständigen Mitglied des Verwaltungsrats von Akzo Nobel rechenschaftspflichtig ist. In dem von Akzo Nobel herausgegebenen internen internationalen Magazin (siehe oben, Randnr. 39) wird außerdem darauf hingewiesen, dass der Vize-Präsident der Gruppe, der an der Spitze einer Geschäftseinheit steht, die hierarchische Kontrolle innerhalb dieser Geschäftseinheit gewährleistet.

85      Auch wenn die in Randnr. 37 dieses Urteils angeführte Argumentation der Klägerinnen zur Beweislast richtig sein sollte, ist es ihnen somit dennoch nicht gelungen, die Vermutung zu widerlegen, dass Akzo Nobel als Mutterunternehmen, das 100 % des Kapitals seiner Tochterunternehmen hält, die Adressaten der Entscheidung sind, einen bestimmenden Einfluss auf deren Politik ausübte. Daher ist festzustellen, dass Akzo Nobel mit seinen Tochterunternehmen ein Unternehmen im Sinne von Art. 81 EG darstellt, ohne dass geprüft werden müsste, ob Akzo Nobel Einfluss auf das in Rede stehende Verhalten ausgeübt hat. Der erste Klagegrund ist somit zurückzuweisen.

 Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003

 Vorbringen der Parteien

86      Die Klägerinnen machen geltend, dass die Kommission, indem sie die Geldbuße gesamtschuldnerisch gegen Akzo Nobel Functional Chemicals verhängt habe, die in Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 festgesetzte Obergrenze von 10 % des Umsatzes verletzt habe. Da der Umsatz von Akzo Nobel Functional Chemicals im Jahre 2003 124,5 Millionen Euro betragen habe, habe die Geldbuße (20,99 Millionen Euro) diese Obergrenze überschritten.

87      Da nämlich Akzo Nobel zu Unrecht die Haftung zugewiesen worden sei, bestehe keine wirtschaftliche Einheit, die die Berechnung der Obergrenze von 10 % auf der Grundlage ihres konsolidierten Umsatzes rechtfertigen könnte. Akzo Nobel Chemicals, Akzo Nobel Chemicals International und Akzo Nobel Nederland hätten nach der Entscheidung im Übrigen direkt an der Zuwiderhandlung teilgenommen, ohne dass die Kommission festgestellt habe, dass eine von ihnen einen bestimmenden Einfluss auf eine der anderen ausgeübt habe.

88      Die Kommission bestätigt, dass sie die Obergrenze von 10 % auf der Grundlage des konsolidierten Umsatzes von Akzo Nobel berechnet habe. Der Begriff „Unternehmen“ habe nämlich in der Verordnung Nr. 1/2003 und in den Art. 81 EG und 82 EG dieselbe Bedeutung. Akzo Nobel sei jedoch deswegen als haftbar angesehen worden, weil sie mit ihren Tochterunternehmen, die Adressaten der Entscheidung seien, ein Unternehmen im Sinne von Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 bilde. Die Kommission habe daher bei der Berechnung der Obergrenze keinen Fehler begangen.

89      Selbst wenn die Kommission Akzo Nobel zu Unrecht die Haftung als Gesamtschuldnerin zugewiesen hätte, hätten die Klägerinnen erstens ihren zweiten Klagegrund nicht auf diesen vermeintlichen Fehler gestützt. Die erstmalige Darlegung dieses Klagegrundes in dieser Form in der Erwiderung stelle in Wirklichkeit einen neuen Klagegrund dar, der nach Art. 48 Abs. 2 der Verfahrensordnung unzulässig sei. Zweitens hätten die Klägerinnen keine Ermäßigung der Geldbuße für den Fall beantragt, dass das Gericht im Rahmen der Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung der Auffassung sein sollte, dass die Kommission die Entscheidung nicht an Akzo Nobel hätte richten dürfen. Drittens hätten die Klägerinnen nicht behauptet, dass die Tochterunternehmen von Akzo Nobel kein Unternehmen im Sinne der Verordnung Nr. 1/2003 bildeten.

 Würdigung durch das Gericht

90      Der Umstand, dass mehrere Unternehmen gesamtschuldnerisch zur Zahlung einer Geldbuße verpflichtet sind, weil sie ein Unternehmen im Sinne von Art. 81 EG bilden, bedeutet hinsichtlich der Anwendung der in Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 vorgesehenen Obergrenze nicht, dass die Verpflichtung jedes einzelnen dieser Unternehmen auf 10 % ihres Umsatzes im letzten Geschäftsjahr beschränkt wäre. Die in dieser Bestimmung festgelegte Obergrenze von 10 % ist nämlich anhand des gesamten Umsatzes aller Gesellschaften zu ermitteln, aus denen die als Unternehmen im Sinne von Art. 81 EG auftretende wirtschaftliche Einheit besteht, da nur der Gesamtumsatz der zu dieser Einheit gehörenden Gesellschaften die Größe und die Wirtschaftskraft des fraglichen Unternehmens widerspiegeln kann (Urteil HFB u. a./Kommission, oben in Randnr. 57 angeführt, Randnrn. 528 und 529).

91      Angesichts der Erwägungen, die zur Zurückweisung des ersten Klagegrundes geführt haben, hat die Kommission dadurch, dass sie sich bei der Berechnung der fraglichen Obergrenze am konsolidierten Umsatz von Akzo Nobel orientiert hat, somit keinen Fehler begangen. Der zweite Klagegrund ist daher zurückzuweisen, ohne dass über die von der Kommission erhobene Einrede der Unzulässigkeit entschieden zu werden braucht.

 Zum dritten Klagegrund: Verletzung der Begründungspflicht

 Vorbringen der Parteien

92      Die Klägerinnen machen geltend, dass die Argumentation, die die Kommission verfolge, um die Haftung von Akzo Nobel zu begründen, insoweit auf unzutreffenden Gründen beruhe, als die dafür angeführten Tatsachen nicht ausreichten und nicht geeignet seien, um zu diesem Schluss zu gelangen. Die Kommission habe außerdem nicht erklärt, warum sie gegen Akzo Nobel Functional Chemicals eine Geldbuße verhängt habe, die 10 % ihres Umsatzes übersteige. Aufgrund dieser Mängel sei die Begründung der Entscheidung unzureichend, wenn nicht gar inexistent, was allein schon die Nichtigerklärung der Entscheidung rechtfertige.

93      Die Kommission hält dieses Vorbringen für unbegründet. Die Entscheidung enthalte nämlich in den Erwägungsgründen 172 bis 175 eine klare Begründung hinsichtlich der Haftung von Akzo Nobel. Zu der gegen Akzo Nobel Functional Chemicals verhängten Geldbuße ist die Kommission der Ansicht, dass sie ihre Berechnung nicht habe begründen müssen, da die Obergrenze von 10 % nicht überschritten worden sei. Jedenfalls habe die Entscheidung den Klägerinnen alle Angaben geliefert, die diese gebraucht hätten, um Klage zu erheben und ihre Argumente vorzubringen. Auch der dritte Klagegrund sei daher insgesamt zurückzuweisen.

 Würdigung durch das Gericht

94      Was die Begründung hinsichtlich der Haftung von Akzo Nobel angeht, ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei der Begründungspflicht um ein wesentliches Formerfordernis handelt, das von der Stichhaltigkeit der Begründung zu unterscheiden ist, die zur materiellen Rechtmäßigkeit des streitigen Rechtsakts gehört (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 22. März 2001, Frankreich/Kommission, C‑17/99, Slg. 2001, I‑2481, Randnr. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).

95      Im vorliegenden Fall geht es bei dem die Haftung von Akzo Nobel betreffenden Teil des vorliegenden Klagegrundes um die Stichhaltigkeit der Begründung der Entscheidung, die im Rahmen des ersten Klagegrundes geprüft worden ist (siehe oben, Randnrn. 67 bis 85). Da im Übrigen mit diesem Teil des vorliegenden Klagegrundes eine Verletzung wesentlicher Formvorschriften weder geltend gemacht noch untermauert wird, entbehrt er jeder sachlichen Grundlage.

96      Außerdem ist der vorliegende Klagegrund, soweit er den Umsatz von Akzo Nobel Functional Chemicals betrifft, zurückzuweisen, weil die Kommission die Höhe der Geldbuße nicht speziell für diese Gesellschaft begründen musste, da die Obergrenze für den Umsatz, der rechtmäßigerweise berücksichtigt werden konnte, nicht überschritten worden ist (siehe oben, Randnrn. 90 und 91). Der dritte Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

97      Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass die Klage insgesamt abzuweisen ist.

 Kosten

98      Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerinnen unterlegen sind, sind ihnen gemäß dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Zweite Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Akzo Nobel NV, die Akzo Nobel Nederland BV, die Akzo Nobel Chemicals International BV, die Akzo Nobel Chemicals BV und die Akzo Nobel Functional Chemicals BV tragen die Kosten.

Meij

Forwood

Papasavvas

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 12. Dezember 2007.

Der Kanzler

 

       Für den Präsidenten

E. Coulon

 

       A. W. H. Meij

Inhaltsverzeichnis


Vorgeschichte des Rechtsstreits und angefochtene Entscheidung

Verfahren und Anträge der Parteien

Rechtliche Würdigung

1. Zulässigkeit der Klage in Bezug auf Akzo Nobel Nederland, Akzo Nobel Chemicals International und Akzo Nobel Chemicals

Vorbringen der Parteien

Würdigung durch das Gericht

2. Begründetheit

Zum ersten Klagegrund: Akzo Nobel sei zu Unrecht eine Haftung als Gesamtschuldnerin zugewiesen worden

Vorbringen der Parteien

Würdigung durch das Gericht

– Einleitende Bemerkungen zur Frage, ob die Zuwiderhandlung eines Tochterunternehmens seinem Mutterunternehmen zugerechnet werden kann

– Zum Bestehen einer aus Akzo Nobel und ihren Tochterunternehmen, die Adressaten der Entscheidung sind, gebildeten wirtschaftlichen Einheit

Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003

Vorbringen der Parteien

Würdigung durch das Gericht

Zum dritten Klagegrund: Verletzung der Begründungspflicht

Vorbringen der Parteien

Würdigung durch das Gericht

Kosten


* Verfahrenssprache: Englisch.


1 Nicht wiedergegebene vertrauliche Daten.