Rechtssache T-420/05 R II

Vischim Srl

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften

„Vorläufiger Rechtsschutz – Antrag auf Aussetzung des Vollzugs – Richtlinie 91/414/EWG – Neuer Antrag – Neue Tatsachen – Keine Dringlichkeit“

Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 13. Oktober 2006 

Leitsätze des Beschlusses

Vorläufiger Rechtsschutz – Aussetzung des Vollzugs – Abweisung des Antrags

(Verfahrensordnung des Gerichts, Artikel 109)

Unter „neuen Tatsachen“ im Sinne von Artikel 109 der Verfahrensordnung sind Tatsachen zu verstehen, die nach Erlass des Beschlusses, mit dem der erste Antrag auf einstweilige Anordnung abgewiesen wurde, entstanden sind oder die der Antragsteller in seinem ersten Antrag oder während des dem ersten Beschluss vorangehenden Verfahrens nicht geltend machen konnte und die für die Beurteilung des fraglichen Falls relevant sind.

Eine Aussetzung oder einstweilige Anordnung kommt nur in Betracht, wenn die neuen Tatsachen geeignet sind, die Beurteilung der Voraussetzungen dieser Maßnahme durch den Richter der einstweiligen Anordnung in Zweifel zu ziehen.

(vgl. Randnrn. 54-55)




BESCHLUSS DES PRÄSIDENTEN DES GERICHTS

13. Oktober 2006(*)

„Vorläufiger Rechtsschutz – Antrag auf Aussetzung des Vollzugs – Richtlinie 91/414/EWG – Neuer Antrag – Neue Tatsachen – Keine Dringlichkeit“

In der Rechtssache T‑420/05 R II

Vischim Srl, mit Sitz in Cesano Maderno (Italien), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte C. Mereu und K. Van Maldegem,

Antragstellerin,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch B. Doherty und L. Parpala als Bevollmächtigte,

Antragsgegnerin,

wegen Antrag auf Aussetzung der am 31. August 2006 endenden Frist gemäß Artikel 3 der Richtlinie 2005/53/EG der Kommission vom 16. September 2005 zur Änderung der Richtlinie 91/414/EWG des Rates zwecks Aufnahme der Wirkstoffe Chlorthalonil, Chlortoluron, Cypermethrin, Daminozid und Thiophanatmethyl (ABl. L 241, S. 51)

erlässt

DER PRÄSIDENT DES GERICHTS ERSTER INSTANZ
DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN

folgenden

Beschluss

 Rechtlicher Rahmen

1       Die Richtlinie 91/414/EWG des Rates vom 15. Juli 1991 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln (ABl. L 230, S. 1) enthält u. a. die Gemeinschaftsregelung für die Zulassung und den Widerruf der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln.

2       Nach Artikel 4 der Richtlinie 91/414 tragen „[d]ie Mitgliedstaaten … dafür Sorge, dass ein Pflanzenschutzmittel nur zugelassen wird, wenn … seine Wirkstoffe in Anhang I aufgeführt … sind“.

3       Mit der Richtlinie 2005/53/EG der Kommission vom 16. September 2005 zur Änderung der Richtlinie 91/414 zwecks Aufnahme der Wirkstoffe Chlorthalonil, Chlortoluron, Cypermethrin, Daminozid und Thiophanatmethyl (ABl. L 241, S. 51, im Folgenden: streitige Richtlinie) wird Anhang I der Richtlinie 91/414 zwecks Aufnahme von Chlorthalonil mit einem Hexachlorbenzolreinheitsgrad von 0,01 g/kg geändert. Die streitige Richtlinie ist am 1. März 2006 in Kraft getreten.

4       Artikel 2 der streitigen Richtlinie lautet:

„Die Mitgliedstaaten erlassen und veröffentlichen die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften, um dieser Richtlinie spätestens am 31. August 2006 nachzukommen. Sie teilen der Kommission unverzüglich den Wortlaut dieser Rechtsvorschriften mit und fügen eine Entsprechungstabelle dieser Rechtsvorschriften und der vorliegenden Richtlinie bei.

Sie wenden diese Rechtsvorschriften ab dem 1. September 2006 an.“

5       Artikel 3 der streitigen Richtlinie lautet:

„(1) Die Mitgliedstaaten ändern oder widerrufen gegebenenfalls geltende Zulassungen für Pflanzenschutzmittel, die Chlorthalonil … als Wirkstoff(e) enthalten, gemäß der Richtlinie 91/414/EWG spätestens am 31. August 2006.

Bis zu diesem Datum überprüfen sie insbesondere, ob die Bedingungen in Anhang I zur genannten Richtlinie hinsichtlich Chlorthalonil … erfüllt sind …

(2)      … Nach dieser Bewertung gehen die Mitgliedstaaten wie folgt vor: Wenn es sich um ein Mittel handelt, das Chlorthalonil … als einzigen Wirkstoff enthält, ändern oder widerrufen die Mitgliedstaaten die Zulassung gegebenenfalls bis spätestens 28. Februar 2010 …“

 Sachverhalt

6       Am 8. Juli 1993 setzte die Antragstellerin, eine italienische Gesellschaft und Chlorthalonilherstellerin, die Kommission davon in Kenntnis, dass sie die Aufnahme von Chlorthalonil in Anhang I der Richtlinie 91/414 wünsche. Zu diesem Zweck hinterlegte sie beim Berichterstatter die Unterlagen gemäß Artikel 6 Absätze 2 und 3 der Verordnung (EWG) Nr. 3600/92 der Kommission vom 11. Dezember 1992 mit Durchführungsbestimmungen für die erste Stufe des Arbeitsprogramms gemäß Artikel 8 Absatz 2 der Richtlinie 91/414 (ABl. L 366, S. 10).

7       Obwohl die von der Antragstellerin angemeldete Ausführung des Wirkstoffs einen Hexachlorbenzolreinheitsgrad von 0,072 g/kg aufwies, gab die Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung an (siehe Randnr. 20), dass sie in der Lage sei, Chlorthalonil mit einem Hexachlorbenzolreinheitsgrad von maximal 0,04 g/kg herzustellen.

8       Nach Abschluss des Verfahrens gemäß der Richtlinie 91/414 erließ die Kommission am 16. September 2005 die streitige Richtlinie, durch die Chlorthalonil mit einem Hexachlorbenzolreinheitsgrad von 0,01 g/kg in Anhang I der Richtlinie 91/414 aufgenommen wurde, was dem Standardwert entsprach, der seinerzeit von der Food and Agriculture Organisation (FAO, Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen) zugelassen war.

9       Am 26. April 2006 kam der Mitgliedstaat, der gemäß Artikel 5 Absatz 2 Buchstabe b der Verordnung Nr. 3600/92 zum Berichterstatter bestellt worden war, in seinem Bericht zu dem Ergebnis, dass das Erzeugnis der Antragstellerin dem Referenzerzeugnis, das in der Richtlinie 91/414 beschrieben werde, bis auf den Hexachlorbenzolreinheitsgrad gleichwertig sei.

10     Im Dezember 2005 erließ die FAO einen neuen Chlorthalonilrichtwert mit einem Hexachlorbenzolreinheitsgrad von 0,04 g/kg.

11     Um dem neu erlassenen FAO-Richtwert Folge zu leisten, leitete die Kommission die Verfahren ein, die für den Erlass einer neuen Richtlinie zur Änderung der streitigen Richtlinie und zur Festlegung eines Hexachlorbenzolreinheitsgrads von 0,04 g/kg erforderlich waren.

12     Am 22. September 2006 erließ die Kommission die Richtlinie 2006/76/EG zur Änderung der Richtlinie 91/414 im Hinblick auf die Spezifikation des Wirkstoffs Chlorthalonil (ABl. L 263, S. 9), die gemäß Artikel 3 der Richtlinie seit dem 23. September 2006 in Kraft ist. Diese Richtlinie schreibt einen Hexachlorbenzolreinheitsgrad von 0,04 g/kg vor.

 Verfahren und Anträge der Parteien

13     Mit Klageschrift, die am 25. November 2005 bei der Kanzlei des Gerichts eingereicht wurde, hat die Antragstellerin gemäß Artikel 230 Absatz 4 EG eine Klage auf teilweise Nichtigerklärung der streitigen Richtlinie und des Berichts zur Bewertung von Chlorthalonil und hilfsweise eine Untätigkeitsklage gemäß Artikel 232 EG erhoben. Mit der Klageschrift hat die Antragstellerin außerdem eine Schadensersatzklage gemäß Artikel 288 EG erhoben.

14     Mit besonderem Schriftsatz, der am 12. Dezember 2005 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Antragstellerin einen Antrag auf einstweilige Anordnung gestellt (im Folgenden: erster Antrag auf einstweilige Anordnung).

15     Mit Beschluss vom 4. April 2006 hat der Präsident des Gerichts den ersten Antrag auf einstweilige Anordnung mit der Begründung zurückgewiesen, dass die Antragstellerin rechtlich nicht hinreichend nachgewiesen habe, dass die beantragte einstweilige Anordnung zur Vermeidung eines schweren und nicht wieder gutzumachenden Schadens der Antragstellerin erforderlich sei (im Folgenden: Beschluss vom 4. April 2006).

16     Mit besonderem Schriftsatz, der am 21. August 2006 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Antragstellerin den vorliegenden Antrag auf einstweilige Anordnung gestellt. Darin hat die Antragstellerin den Präsident des Gerichts ersucht, auf der Grundlage von Artikel 105 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts zu entscheiden, bevor die Kommission ihre Stellungnahme abgegeben hat.

17     Am 28. August 2006 hat die Kommission ihre Stellungnahme zu dem neuen Antrag auf einstweilige Anordnung eingereicht.

18     Auf Aufforderung des Präsidenten des Gerichts hat sich die Antragstellerin am 4. September 2006 zur Stellungnahme der Kommission geäußert.

19     Auf Aufforderung des Präsidenten des Gerichts hat die Kommission am 13. September 2006 die Kopie eines Richtlinienentwurfs zur Änderung der streitigen Richtlinie eingereicht.

20     Am 14. September 2006 hat eine mündliche Anhörung der Parteien stattgefunden.

21     Mit Schreiben vom 26. September 2006 hat die Kommission das Gericht informiert, dass sie am 22. September 2006 die Richtlinie 2006/76 erlassen hat.

22     Die Antragstellerin beantragt,

–       den Antrag für zulässig und begründet zu erklären;

–       festzustellen, dass ihr ein schwerer und nicht wieder gutzumachender Schaden droht, wenn der Fristablauf der streitigen Richtlinie am 31. August 2006 wirksam wird;

–       den von der streitigen Richtlinie festgesetzten Fristablauf am 31. August 2006 für die Erzeugnisse der Antragstellerin auszusetzen, bis vollständig über die Hauptsache entschieden ist, oder alternativ

–       den von der streitigen Richtlinie festgesetzten Fristablauf am 31. August 2006 auszusetzen, bis die Kommission dem Ständigen Ausschuss für die Lebensmittelkette und Tiergesundheit einen Vorschlag vorgelegt hat, der einen neuen Zeitplan für die Anpassung an die neuen Bedingungen für eine Aufnahme in Anhang I festlegt und bis dieser Zeitplan in Kraft tritt;

–       der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

23     Die Kommission beantragt, den Antrag als unzulässig oder unbegründet zurückzuweisen und der Antragstellerin die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

 Vorbringen der Parteien

 Zur Zulässigkeit

24     Die Kommission macht geltend, der Antrag auf einstweilige Anordnung sei unzulässig. Der Antrag verstoße gegen Artikel 104 § 1 der Verfahrensordnung, da er keinen Zusammenhang zur Klage aufweise.

25     Ferner enthalte der Antrag keine Tatsachen, die auf das Vorliegen eines fumus boni iuris schließen ließen.

26     Darüber hinaus stütze sich der neue Antrag auf einstweilige Anordnung nicht auf neue Tatsachen und verstoße daher gegen Artikel 109 der Verfahrensordnung.

27     Die Antragstellerin ist der Auffassung, dass der Antrag zulässig sei. Zum einen habe die Gemeinschaftsrechtsprechung den Grundsatz der weiten Auslegung der Zulässigkeitsbestimmungen aufgestellt, um den Rechtsschutz von Privatpersonen sicherzustellen.

28     Zum anderen seien nach Erlass des Beschlusses vom 4. April 2006 mehrere neue Tatsachen eingetreten, die die Stellung eines neuen Antrags rechtfertigten.

 Zum fumus boni iuris

29     Zum einen wiederholt die Antragstellerin ihr Vorbringen aus dem ersten Antrag auf einstweilige Anordnung, mit dem sie, erstens, die Zulässigkeit der Klage und, zweitens, die Prima-facie-Rechtswidrigkeit der streitigen Richtlinie darlegen wollte.

30     Zum anderen macht die Antragstellerin geltend, dass die Kommission angesichts der von der Antragstellerin eingeleiteten Verfahren und einer neuen Bewertung der Gleichwertigkeit durch den Bericht erstattenden Mitgliedstaat beabsichtige, die streitige Richtlinie zu ändern und in Übereinstimmung mit den neuen FAO-Richtwerten einen Hexachlorbenzolreinheitsgrad von 0,04 g/kg zuzulassen. Das bestätige, zumindest auf den ersten Blick, dass der Reinheitsgrad, den die streitige Richtlinie vorsehe, fehlerhaft sei.

31     Die Kommission ist der Auffassung, dass die Antragstellerin die Begründetheit des vorliegenden Antrags auf einstweilige Anordnung nicht nachgewiesen habe.

 Zur Dringlichkeit

32     Die Antragstellerin ist der Auffassung, dass ihr aufgrund von Artikel 3 der streitigen Richtlinie ab dem 31. August 2006 die bestehenden Zulassungen entzogen würden und ihr daher ein schwerer und nicht wieder gutzumachender Schaden drohe, weil sie Erzeugnisse, die Chlorthalonil enthielten, nicht mehr vermarkten könne.

33     Als Nachweis für den Umstand, dass die nationalen Behörden, im vorliegenden Fall die zuständigen Behörden des Vereinigten Königreichs, bereits die Verfahren zum Widerruf der nationalen Zulassungen eingeleitet hätten, fügt die Antragstellerin ihrem Antrag u. a. ein an sie gerichtetes Schreiben vom 28. Juli 2006 und Schreiben an einige ihrer Kunden vom 2. und 17. August 2006 bei, mit denen diese Behörden ankündigten, dass sie die Zulassungen zu widerrufen beabsichtigten, da die Antragstellerin nicht in der Lage gewesen sei, vollständige Unterlagen mit allen Informationen und Untersuchungen, die nach Anhang II der Richtlinie 91/414 erforderlich seien, einzureichen.

34     Weiter reicht die Antragstellerin ein Schreiben vom 13. Juli 2006 ein, mit dem sie nachweisen möchte, dass ihre Wettbewerberin Syngenta einen Antrag auf Zugang zu deren Unterlagen gemäß Artikel 13 der Richtlinie 91/414 zurückgewiesen habe.

35     Außerdem macht die Antragstellerin geltend, dass sie einen schweren und nicht wieder gutzumachenden Schaden erleiden werde, der sich, erstens, in dem Verlust ihrer Marktanteile, zweitens in der Schließung ihres Herstellungswerks, und, drittens, in der Gefährdung ihrer Existenz niederschlage.

36     Was zunächst den Verlust ihrer Marktanteile betreffe, so werde sie aufgrund des Widerrufs der Zulassungen, erstens, die Vermarktung ihrer Erzeugnisse in der Europäischen Union nicht fortsetzen können, zweitens, ihre Kunden nicht mehr mit ihren Erzeugnissen beliefern können, drittens, drohten ihr Klagen wegen Nichterfüllung von Vertragspflichten, da sie ihre geschäftlichen Verpflichtungen gegenüber ihren Kunden nicht einhalten könne, und, viertens, werde sie Marktanteile an Syngenta verlieren, die als einziges Unternehmen über die erforderlichen Zulassungen zur Vermarktung von Chlorthalonil und chlorthalonilhaltigen Erzeugnissen verfüge.

37     Was darüber hinaus ihr Herstellungswerk in Italien betreffe, so werde sie dieses nicht aufrechterhalten können, da das betreffende Werk speziell der ausschließlichen Herstellung von Chlorthalonil gewidmet sei. Die Werkskapazität sei zu 80 % auf den europäischen Markt ausgerichtet, und es sei beim derzeitigen Zustand des Werkes technisch ohne bedeutende Investitionen unmöglich, von der Chlorthalonilherstellung auf die Herstellung eines anderen Produkts umzusteigen.

38     Schließlich laufe die Antragstellerin Gefahr, ihre Geschäftstätigkeit aufgeben zu müssen, wenn eine abschließende Entscheidung in der Hauptsache abgewartet werde, da sie zum einen ausschließlich Erzeugnisse auf der Grundlage von Chlorthalonil herstelle und vertreibe und zum anderen 80 % ihres Umsatzes in der Europäischen Union erziele. Da ihr Vermögen ausschließlich auf den Zulassungen für die Vermarktung ihres einzigen Erzeugnisses basiere, werde der Verlust der Zulassungen unweigerlich ihre Zahlungsunfähigkeit zur Folge haben.

39     Die Kommission ist der Auffassung, die Antragstellerin habe rechtlich nicht hinreichend nachgewiesen, dass Tatsachen vorlägen, aus denen geschlossen werden könne, dass der Antragstellerin ein schwerer und nicht wieder gutzumachender Schaden drohe, wenn die beantragte einstweilige Anordnung nicht getroffen werde.

 Zur Interessenabwägung

40     Die Antragstellerin ist der Auffassung, dass eine Interessenabwägung für den Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung spreche.

41     Erstens beschränke sich die beantragte Aussetzung der Frist auf die Aufrechterhaltung des Status quo im Hinblick auf Chlorthalonil und die Erzeugnisse der Antragstellerin.

42     Zweitens habe die Antragstellerin erhebliche Investitionen im europäischen Markt getätigt, und sie sei davon ausgegangen, dass ihr Erzeugnis in Anhang I der Richtlinie 91/414 aufgenommen werde. Folglich habe sie ein berechtigtes Schutzinteresse.

43     Drittens füge die beantragte Aussetzung weder Mensch noch Tier, noch der Umwelt Schaden zu, da zum einen die Bewertung des Berichterstatters, die vom Ständigen Ausschuss bestätigt worden sei, die Sicherheit des Erzeugnisses der Antragstellerin bescheinige und zum anderen die streitige Richtlinie geändert werden müsse, um der Bewertung Rechnung zu tragen.

44     Die Kommission ist der Auffassung, die Antragstellerin habe nicht nachgewiesen, dass eine Interessenabwägung für den Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung spreche.

 Würdigung durch den Richter der einstweiligen Anordnung

45     Das Gericht kann nach den Artikeln 242 EG und 243 EG in Verbindung mit Artikel 225 Absatz 1 EG, wenn es dies den Umständen nach für nötig hält, die Durchführung der angefochtenen Handlung aussetzen oder die erforderliche einstweilige Anordnung treffen.

46     Nach Artikel 104 § 2 der Verfahrensordnung müssen Anträge auf einstweilige Anordnung den Streitgegenstand bezeichnen und die Umstände anführen, aus denen sich die Dringlichkeit ergibt; ferner ist die Notwendigkeit der beantragten einstweiligen Anordnung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht glaubhaft zu machen (fumus boni iuris). Diese Voraussetzungen haben kumulativen Charakter, so dass der Antrag auf einstweilige Anordnung zurückzuweisen ist, sofern eine von ihnen nicht erfüllt ist. Der Richter der einstweiligen Anordnung nimmt gegebenenfalls auch eine Abwägung der widerstreitenden Interessen vor (Beschlüsse des Präsidenten des Gerichtshofes vom 19. Juli 1995 in der Rechtssache C‑149/95 P[R], Kommission/Atlantic Container Line u. a., Slg. 1995, I‑2165, Randnr. 22, und vom 17. Dezember 1998 in der Rechtssache C‑364/98 P[R], Emesa Sugar/Kommission, Slg. 1998, I‑8815, Randnrn. 43 und 47).

47     Ferner verfügt der Richter der einstweiligen Anordnung im Rahmen dieser Gesamtprüfung über ein weites Ermessen; er kann im Einzelfall die Art und Weise, in der diese verschiedenen Voraussetzungen zu prüfen sind, sowie die Reihenfolge dieser Prüfung frei bestimmen, da keine Vorschrift des Gemeinschaftsrechts ihm ein feststehendes Prüfungsschema für die Beurteilung der Erforderlichkeit einer vorläufigen Entscheidung vorschreibt (Beschlüsse Kommission/Atlantic Container Line u. a., zitiert in Randnr. 46, Randnr. 23, und Emesa Sugar/Kommission, zitiert in Randnr. 46, Randnr. 44).

48     Dem vorliegenden Antrag auf einstweilige Anordnung geht ein ähnlicher Antrag voraus, der ebenfalls im Rahmen der Rechtssache T‑420/05 gestellt und durch Beschluss des Präsidenten des Gerichts zurückgewiesen wurde.

49     In dem Beschluss vom 4. April 2006 hat der Richter der einstweiligen Anordnung u. a. festgestellt, die Antragstellerin habe die Dringlichkeit der beantragten einstweiligen Anordnung rechtlich nicht hinreichend nachgewiesen (Randnr. 91).

50     Insbesondere hinsichtlich des ersten der beiden Schadensposten, die die Antragstellerin geltend macht, hat der Richter der einstweiligen Anordnung festgestellt, dass der Schaden, der nach Auffassung der Antragstellerin mit dem Widerruf der nationalen Zulassungen der Antragstellerin verbunden sei, nicht mit der Handlung verknüpft sei, deren Aussetzung beantragt werde, sondern mit dem etwaigen Erlass einer Entscheidung durch einen Mitgliedstaat (Randnrn. 70 bis 72). Außerdem werde der Schaden, der nach Auffassung der Antragstellerin mit dem Verlust ihrer Marktanteile verbunden sei, zum einen nicht durch die streitige Richtlinie verursacht, und zum anderen könne er nicht als nicht wieder gutzumachender Schaden angesehen werden (Randnrn. 75 und 76). Was schließlich den Schaden betreffe, der nach Auffassung der Antragstellerin mit ihrer Existenzgefährdung verbunden sei, so ergebe sich dieser zum einen nicht aus der streitigen Richtlinie und zum anderen habe die Antragstellerin keine Tatsachen dargelegt, die die Schwere des Schadens belegten, insbesondere im Hinblick auf die geschätzte Vermögenssituation der Antragstellerin unter Berücksichtigung der Merkmale der Gruppe, der die Antragstellerin aufgrund Kapitalbeteiligung angehöre (Randnrn. 77 bis 82).

51     Hinsichtlich des zweiten, von der Antragstellerin geltend gemachten Schadenspostens, der mit der angeblichen Verletzung von Artikel 13 der Richtlinie 91/414 und insbesondere der Unmöglichkeit, Zugang zu den Unterlagen von Syngenta zu erhalten, verbunden sei, hat der Richter der einstweiligen Anordnung festgestellt, dass sich die Antragstellerin darauf beschränkt habe, zum einen diese Tatsachen vorzutragen, ohne einen entsprechenden Nachweis zu erbringen, und zum anderen sich auf den Umstand zu berufen, dass Syngenta ein konkurrierendes Unternehmen sei. Allein diese Tatsache reiche jedoch nicht aus, um ausschließen zu können, dass Syngenta bereit gewesen sei, Zugang zu ihren Unterlagen zu gewähren (Randnrn. 83 und 87).

52     In Anbetracht der Tatsache, dass der Antrag auf einstweilige Anordnung durch den Beschluss vom 4. April 2006 zurückgewiesen und gegen diesen Beschluss kein Rechtsmittel beim Gerichtshof eingelegt wurde, ist darauf hinzuweisen, dass zum einen Artikel 108 der Verfahrensordnung im vorliegenden Fall nicht anwendbar ist (vgl. in diesem Sinne Beschlüsse des Gerichtshofes vom 14. Februar 2002 in der Rechtssache C‑440/01 P[R], Kommission/Artegodan, Slg. 2002, I‑1489, Randnrn. 62 bis 64, und des Präsidenten des Gerichts vom 22. Dezember 2004 in der Rechtssache T‑303/04 R II, European Dynamics/Kommission, Slg. 2004, II‑4621, Randnr. 54) und zum anderen der vorliegende Antrag nur dann für zulässig erklärt werden kann, wenn die Voraussetzungen von Artikel 109 der Verfahrensordnung erfüllt sind (vgl. in diesem Sinne Beschlüsse des Präsidenten des Gerichts European Dynamics/Kommission, Randnr. 56, und vom 17. Februar 2006 in der Rechtssache T‑171/05 R II, Nijs/Rechnungshof, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 27).

53     Artikel 109 der Verfahrensordnung lautet: „Die Abweisung eines Antrags auf einstweilige Anordnung hindert den Antragsteller nicht, einen weiteren, auf neue Tatsachen gestützten Antrag zu stellen.“

54     Unter „neuen Tatsachen“ im Sinne dieser Bestimmung sind Tatsachen zu verstehen, die nach Verkündung des Beschlusses, mit dem der erste Antrag auf einstweilige Anordnung zurückgewiesen wurde, entstanden sind oder die der Antragsteller in seinem ersten Antrag oder während des dem ersten Beschluss vorangehenden Verfahrens nicht geltend machen konnte und die für die Beurteilung des fraglichen Falls relevant sind (Beschlüsse European Dynamics/Kommission, zitiert in Randnr. 52, Randnr. 60, und Nijs/Rechnungshof, zitiert in Randnr. 52, Randnr. 28).

55     Daher ist zu prüfen, ob die Antragstellerin im vorliegenden Antrag neue Tatsachen vorgetragen hat, die geeignet sind, die Beurteilung der in Randnummer 46 dargelegten Voraussetzungen der Aussetzung oder der einstweiligen Anordnung durch den Richter der einstweiligen Anordnung in Zweifel zu ziehen (vgl. in diesem Sinne Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 10. Juli 1979 in der Rechtssache 51/79 R II, Buttner u. a./Kommission, Slg. 1979, 2387, Randnr. 4, Beschlüsse des Präsidenten des Gerichts vom 8. Oktober 2001 in der Rechtssache T‑236/00 R II, Stauner u. a./Parlament und Kommission, Slg. 2001, II‑2943, Randnr. 49, European Dynamics/Kommission, zitiert in Randnr. 52, Randnrn. 65, 73 und 75, und vom 22. Dezember 2004 in der Rechtssache T‑201/04 R, Microsoft/Kommission, Slg. 2004, II‑4463, Randnr. 325; vgl. auch entsprechend zum Begriff der „veränderten Umstände“ im Sinne von Artikel 108 der Verfahrensordnung Beschluss Kommission/Artedogan, zitiert in Randnr. 52, Randnrn. 63 und 64, Beschlüsse des Präsidenten des Gerichts vom 4. April 2002 in der Rechtssache T‑198/01 R, Technische Glaswerke Ilmenau/Kommission, Slg. 2002, II‑2153, Randnr. 123, und vom 21. Januar 2004 in der Rechtssache T‑245/03 R, FNSEA u. a./Kommission, Slg. 2004, II‑271, Randnr. 129).

56     Dabei ist darauf hinzuweisen, dass der Richter der einstweiligen Anordnung es in seinem Beschluss vom 4. April 2006 nicht für erforderlich gehalten hat, die Voraussetzung des fumus boni iuris zu prüfen und eine Abwägung der vorliegenden Interessen vorzunehmen (Randnr. 91). Folglich ist zunächst zu prüfen, ob die Antragstellerin neue Tatsachen vorgetragen hat, die eine Überprüfung der Beurteilung der Dringlichkeit durch den Richter der einstweiligen Anordnung erforderlich machen.

 Von der Antragstellerin ausdrücklich als neu vorgetragene Tatsachen

57     Zunächst ist festzustellen, dass die Antragstellerin in ihrer Stellungnahme vom 4. September 2006 drei Tatsachen vorträgt, die sie ausdrücklich als neu bewertet. Erstens seien die Erzeugnisse der Antragstellerin am 26. April 2006 vom Berichterstatter untersucht und hinsichtlich ihrer Reinheit als gleichwertig mit dem Erzeugnis, das in Anhang I der Richtlinie 91/414 aufgenommen wurde, angesehen worden. Zweitens habe die Kommission eine neue Richtlinie zur Änderung der streitigen Richtlinie erlassen. Drittens werde mit Ablauf der Frist am 31. August 2006 das einzige Erzeugnis der Antragstellerin vom Markt genommen.

58     Erstens ist zum einen festzustellen, dass der Bericht vom 26. April 2006 nach dem Beschluss vom 4. April 2006 verfasst wurde und für die Beurteilung der vorliegenden Rechtssache relevant ist.

59     Zum anderen ist jedoch festzustellen, dass, anders als von der Antragstellerin vorgetragen, die neue Bewertung ihres Erzeugnisses durch den Bericht erstattenden Mitgliedstaat nicht zu dem Ergebnis kommt, dass das betreffende Erzeugnis dem Referenzerzeugnis, das in Anhang I der Richtlinie 91/414 beschrieben wird, im Hinblick auf den von der Richtlinie festgelegten Hexachlorbenzolreinheitsgrad gleichwertig ist.

60     Selbst wenn jedoch unterstellt wird, dass die neue Bewertung die Gleichwertigkeit des Vischim-Erzeugnisses mit dem Referenzerzeugnis aus Anhang I der Richtlinie 91/414 feststellt, so wäre dieser Umstand nicht geeignet, sich auf die Beurteilung der Dringlichkeit im Beschluss vom 4. April 2006 auszuwirken, der sich, wie in Randnummer 50 dargelegt, auf die Tatsache stützt, dass die Antragstellerin zum einen keinen Kausalzusammenhang zwischen der angefochtenen Handlung und dem angeblichen Schaden dargelegt hat und sie zum anderen keine Tatsachen vorgetragen hat, die darauf schließen lassen, dass – insbesondere im Hinblick auf ihre wirtschaftliche Situation – der angebliche Schaden schwer und nicht wieder gutzumachen ist (vgl. in diesem Sinne Beschluss European Dynamics/Kommission, zitiert in Randnr. 52, Randnr. 76).

61     Folglich ist festzustellen, dass der Bericht, auch wenn er nach dem Beschluss vom 4. April 2006 verfasst wurde und für die Beurteilung der vorliegenden Rechtssache relevant ist, keine Überprüfung der Beurteilung der Notwendigkeit der beantragten einstweiligen Anordnung durch den Richter der einstweiligen Anordnung erforderlich macht.

62     Zweitens ist hinsichtlich des Erlasses einer neuen Richtlinie zur Änderung der Richtlinie 91/414 festzustellen, dass die Richtlinie erst am 22. September 2006 unter der Nummer 2006/76 erlassen wurde, somit nach Eingang der letzten Stellungnahme der Antragstellerin. Folglich bezieht sich die Antragstellerin in ihrer Stellungnahme nur auf den Entwurf des fraglichen Rechtsakts.

63     Die Kommission hat sich stets geweigert, der Antragstellerin den genannten Entwurf zu übermitteln, und folglich konnte sich die Antragstellerin weder im ersten Antrag auf einstweilige Anordnung noch während des Verfahrens, das dem Beschluss vom 4. April 2006 voranging, auf den Entwurf berufen. Erst auf Aufforderung des Präsidenten des Gerichts hat die Kommission am 13. September 2006 eine Abschrift des Entwurfs eingereicht.

64     Daraus ergibt sich, dass der Entwurf, soweit er für die Beurteilung der vorliegenden Rechtssache relevant ist, eine neue Tatsache im Sinne von Artikel 109 der Verfahrensordnung darstellt.

65     Wie aus Randnummer 72 des Beschlusses vom 4. April 2006 hervorgeht, hatte der Richter der einstweiligen Anordnung jedoch bereits die von der Antragstellerin vorgetragene Möglichkeit geprüft, dass die Kommission eine Änderung der streitigen Richtlinie vornehmen und einen Hexachlorbenzolreinheitsgrad oberhalb des Reinheitsgrads der streitigen Richtlinie als zulässig ansehen würde. Die Antragstellerin hat in ihrem Antrag auf einstweilige Anordnung keine Tatsachen vorgetragen, die den Schluss zuließen, dass der Entwurf der Richtlinie 2006/76 als solcher eine Überprüfung der Dringlichkeitsbeurteilung des Beschlusses vom 4. April 2006 erforderlich macht.

66     Was, drittens, die Gefahr des Widerrufs der Zulassungen der Antragstellerin betrifft, so wurde sie bereits im Beschluss vom 4. April 2006 in den Randnummern 70 bis 72 geprüft. Im vorliegenden Antrag auf einstweilige Anordnung hat die Antragstellerin keine neuen Tatsachen vorgetragen, die eine abgeänderte Beurteilung rechtfertigen könnten.

67     Folglich ist festzustellen, dass keine der Tatsachen, die die Antragstellerin ausdrücklich als neue Tatsachen vorgetragen hat, eine Überprüfung der Beurteilung der Dringlichkeit der beantragten einstweiligen Anordnung durch den Richter der einstweiligen Anordnung erforderlich macht.

 Weitere von der Antragstellerin im vorliegenden Antrag erstmals vorgetragene Tatsachen

68     Zweitens ist festzustellen, dass die Antragstellerin, ohne sich ausdrücklich auf neue Tatsachen zu berufen, vier Tatsachen vorträgt, die sie in ihrem ersten Antrag auf einstweilige Anordnung nicht vorgetragen hat. Erstens trägt die Antragstellerin vor, dass Syngenta ihr mit Schreiben vom 13. Juli 2006, folglich nach dem Beschluss vom 4. April 2006, Zugang zu ihren Unterlagen verweigert habe. Zweitens macht die Antragstellerin geltend, dass die zuständigen Behörden des Vereinigten Königreichs durch ein an die Antragstellerin gerichtetes Schreiben vom 28. Juli 2006 und durch die Schreiben vom 2. und 17. August 2006 an einige Kunden der Antragstellerin die Absicht bekundet hätten, die nationalen Zulassungen der Antragstellerin zu widerrufen. Drittens beruft sich die Antragstellerin im vorliegenden Antrag zum ersten Mal auf den Umstand, dass sie Gefahr laufe, aufgrund des Erlasses der streitigen Richtlinie ihr Herstellungswerk in Italien zu verlieren. Zur Stützung ihres Vorbringens hinsichtlich ihrer Existenzgefährdung und zur Darlegung der wirtschaftlichen Situation der Unternehmensgruppe, der die Antragstellerin aufgrund Kapitalbeteiligung angehört, hat die Antragstellerin den Quartalsbericht zum zweiten Quartal 2006 einer ihrer Gesellschafter vorgelegt.

69     Erstens hat der Richter der einstweiligen Anordnung in seinem Beschluss vom 4. April 2006 (Randnr. 87) festgestellt:

„… zum einen hat sich die Antragstellerin hinsichtlich der Unmöglichkeit, Zugang zu den Unterlagen von Syngenta zu erhalten, darauf beschränkt, diese Tatsachen ohne einen entsprechenden Nachweis vorzutragen und sich auf den Umstand zu berufen, dass Syngenta ein konkurrierendes Unternehmen sei. Allein diese Tatsache reicht jedoch nicht aus, um ausschließen zu können, dass Syngenta bereit ist, Zugang zu ihren Unterlagen zu gewähren.“

70     Folglich ist festzustellen, dass das ablehnende Schreiben der Syngenta vom 13. Juli 2006 nach dem Beschluss vom 4. April 2006 liegt und für die Beurteilung des Schadens, der angeblich damit verbunden ist, dass die Antragstellerin sich keinen Zugang zu den Unterlagen der Syngenta verschaffen konnte, relevant ist. Daraus folgt, dass das Schreiben eine neue Tatsache im Sinne von Artikel 109 der Verfahrensordnung darstellt.

71     Folglich ist zu prüfen, ob das Schreiben vom 13. Juli 2006, mit dem Syngenta der Antragstellerin Zugang zu ihren Unterlagen verweigert hat, eine Überprüfung der Beurteilung des Richters der einstweiligen Anordnung im Beschluss vom 4. April 2006 erforderlich macht.

72     Hierzu trägt die Antragstellerin vor, dass Syngenta sich geweigert habe, Verhandlungen über den Austausch von Informationen aufzunehmen, solange die Antragstellerin nicht nachgewiesen habe, dass die in der streitigen Maßnahme aufgenommene Spezifikation geändert worden sei, und die Antragstellerin folglich das Schiedsverfahren nach Artikel 16 der Verordnung des Vereinigten Königreichs von 2005 über Pflanzenschutzmittel nicht habe einleiten und durchführen können. Ferner macht sie geltend, dass gemäß dieser Verordnung einem solchen Schiedsverfahren eine Vermittlungsphase von 21 Tagen vorangehen müsse, was zu einer Verschiebung weit über die Frist bis zum 31. August hinaus führen würde.

73     Die Antragstellerin hat aber zum einen nicht die inländischen Verfahren eingeleitet, die die gesetzlichen Bestimmungen des Vereinigten Königreichs für einen Informationsaustausch vorsehen, und zum anderen sich auf das Vorbringen beschränkt, dass ihr die Durchführung dieser Verfahren unmöglich sei, ohne jedoch Tatsachen vorzutragen, die diese Unmöglichkeit belegen.

74     Regulation 16 (4) der Plant Protection Products Regulations 2005, die dem Antrag beigefügt ist, lautet:

„Kommt zwischen einer Person, die beabsichtigt, die Zulassung eines Pflanzenschutzmittels zu beantragen, und den Inhabern früherer Zulassungen für das gleiche Pflanzenschutzmittel keine Einigung über den Austausch von Informationen zustande, kann der Secretary of State anordnen, dass die betreffende Person und die betreffenden Inhaber früherer Zulassungen, die in England oder Wales niedergelassen sind, Informationen austauschen, damit eine Wiederholung von Versuchen an Wirbeltieren vermieden wird, das Verfahren zur Verwendung dieser Informationen festlegen sowie eine angemessene Abwägung der Interessen der beteiligten Parteien vornehmen.“

75     Diese Regulation schließt nicht aus, dass die Antragstellerin Syngenta um einen Informationsaustausch ersuchen und im Falle einer Weigerung, selbst wenn sich diese auf die Gründe stützt, die Syngenta in ihrem Schreiben vom 13. Juli 2006 vorgebracht hat, den Secretary of State anrufen konnte, um eine Einigung zu erreichen.

76     Folglich ist festzustellen, dass die Antragstellerin rechtlich nicht hinreichend nachgewiesen hat, dass ihr das im Vereinigten Königreich vorgesehene Verfahren des Informationsaustauschs nicht zur Verfügung stand.

77     Folglich ist festzustellen, dass das Schreiben der Syngenta vom 13. Juli 2006 keine Überprüfung der Beurteilung des Richters der einstweiligen Anordnung im Beschluss vom 4. April 2006 erforderlich macht, auch wenn es sich zum einen um eine Tatsache handelt, die nach dem Beschluss vom 4. April 2006 eingetreten ist, und diese Tatsache zum anderen für die vorliegende Rechtssache relevant ist.

78     Zweitens ist festzustellen, dass, auch wenn die Schreiben der Behörden des Vereinigten Königreichs nach dem Beschluss vom 4. April 2006 datiert und für die Beurteilung der vorliegenden Rechtssache relevant sind, aus den Schreiben hervorgeht, dass zum einen dem beabsichtigten Widerruf der nationalen Zulassungen der Antragstellerin durch die Behörden die Tatsache zugrunde liegt, dass die Antragstellerin keinen Zugang zu vollständigen Unterlagen gemäß Anhang II der Richtlinie 91/414 nachgewiesen hat, und zum anderen der Adressat bei den genannten Behörden gegen deren Beurteilung Widerspruch einlegen kann.

79     Folglich ist festzustellen, dass die Schreiben keine Überprüfung der Dringlichkeitsbeurteilung des Richters der einstweiligen Anordnung im Beschluss vom 4. April 2006 erforderlich machen, da sie nur bestätigen, dass der angebliche Schaden in Form des Widerrufs der nationalen Zulassungen nicht auf der streitigen Richtlinie beruht, sondern auf einer etwaigen Entscheidung der nationalen Behörden, die über einen gewissen Ermessensspielraum verfügen.

80     Was, drittens, den Umstand betrifft, dass die Antragstellerin Gefahr zu laufen angibt, aufgrund des Erlasses der streitigen Richtlinie ihr Herstellungswerk in Italien zu verlieren, so hat sich die Antragstellerin im vorliegenden Antrag zum ersten Mal auf diesen Umstand berufen. Es ist jedoch festzustellen, dass es sich hierbei nicht um einen unvorhersehbaren Umstand und jedenfalls nicht um einen Umstand handelt, der nicht bereits im ersten Antrag auf einstweilige Anordnung hätte vorgebracht werden können.

81     Daraus folgt, dass dieses Vorbringen nicht als neue Tatsache im Sinne von Artikel 109 der Verfahrensordnung angesehen werden kann.

82     Schließlich hat die Antragstellerin zur Stützung ihres Vorbringens hinsichtlich ihrer Existenzgefährdung und zur Darlegung der wirtschaftlichen Situation der Unternehmensgruppe, der die Antragstellerin aufgrund Kapitalbeteiligung angehört, den Quartalsbericht zum zweiten Quartal 2006 einer ihrer Gesellschafter vorgelegt.

83     Auch wenn der Quartalsbericht zumindest teilweise Daten enthält, die sich auf den Zeitraum nach dem Beschluss vom 4. April 2006 beziehen und für die vorliegende Rechtssache relevant sind, so ist doch festzustellen, dass es sich zum einen nicht um ein beglaubigtes Dokument handelt und es zum anderen nicht möglich ist, anhand dieses Dokuments die Finanzlage des anderen Gesellschafters der Antragstellerin zu beurteilen.

84     Daraus ergibt sich, dass es nicht möglich ist, anhand des Berichts die Vermögenssituation der Antragstellerin unter Berücksichtigung der Merkmale der Gruppe, der die Antragstellerin aufgrund Kapitalbeteiligung angehört, zu beurteilen. Folglich macht der Bericht keine Überprüfung der Beurteilung des Richters der einstweiligen Anordnung im Beschluss vom 4. April 2006 erforderlich.

85     Aus alledem ergibt sich, dass es der Antragstellerin nicht gelungen ist, rechtlich hinreichend nachzuweisen, dass im vorliegenden Fall neue Tatsachen gegeben sind, die eine Überprüfung der Beurteilung der Notwendigkeit der beantragten Anordnung durch den Richter der einstweiligen Anordnung im Beschluss vom 4. April 2006 erforderlich macht.

Aus diesen Gründen hat

DER PRÄSIDENT DES GERICHTS

beschlossen:

1.      Der Antrag auf einstweilige Anordnung wird zurückgewiesen.

2.      Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.

Luxemburg, den 13. Oktober 2006

Der Kanzler

 

      Der Präsident

E. Coulon

 

      B. Vesterdorf


* Verfahrenssprache: Englisch.