Rechtssache T‑279/02

Degussa AG

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften

„Wettbewerb – Artikel 81 EG – Kartelle – Markt für Methionin – Einzige und fortgesetzte Zuwiderhandlung – Geldbuße – Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen – Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung – Zusammenarbeit im Verwaltungsverfahren – Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 – Unschuldsvermutung“

Urteil des Gerichts (Dritte Kammer) vom 5. April 2006 

Leitsätze des Urteils

1.     Gemeinschaftsrecht – Allgemeine Rechtsgrundsätze – Rechtssicherheit – Gesetzmäßigkeit der Strafen

2.     Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung

(Verordnung Nr. 17 des Rates, Artikel 15 Absatz 2; Mitteilung 98/C 9/03 der Kommission)

3.     Wettbewerb – Geldbußen

(Artikel 81 EG, 82 EG, 83 Absätze 1 und 2 Buchstaben a und d EG, 202 dritter Gedankenstrich EG und 211 erster Gedankenstrich EG; Verordnung Nr. 17 des Rates)

4.     Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Entscheidung der Kommission, mit der eine Zuwiderhandlung festgestellt wird

5.     Gemeinschaftsrecht – Grundsätze – Grundrechte – Unschuldsvermutung

(Einheitliche Europäische Akte, Präambel; Vertrag über die Europäische Union, Artikel 6 Absatz 2; Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Artikel 47)

6.     Wettbewerb – Kartelle – Abgestimmte Verhaltensweise – Begriff

(Artikel 81 Absatz 1 EG)

7.     Wettbewerb – Kartelle – Verbot – Zuwiderhandlungen

(Artikel 81 Absatz 1 EG)

8.     Wettbewerb – Geldbußen – Entscheidung, mit der Geldbußen verhängt werden

(Artikel 253 EG; Verordnung Nr. 17 des Rates, Artikel 15 Absatz 2)

9.     Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Kriterien – Schwere der Zuwiderhandlungen

(Verordnung Nr. 17 des Rates, Artikel 15 Absatz 2)

10.   Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Kriterien – Schwere der Zuwiderhandlungen

(Verordnung Nr. 17 des Rates, Artikel 15 Absatz 2)

11.   Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Kriterien – Abschreckende Wirkung der Geldbuße

(Verordnung Nr. 17 des Rates, Artikel 15 Absatz 2; Mitteilung 98/C 9/03 der Kommission, Nr. 1 Teil A Absätze 4, 5 und 6)

12.   Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung

(Verordnung Nr. 17 des Rates, Artikel 15 Absatz 2; Mitteilung 98/C 9/03 der Kommission, Nr. 1 Teil A Absatz 6)

13.   Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Kriterien – Schwere der Zuwiderhandlungen – Mildernde Umstände

(Verordnung Nr. 17 des Rates, Artikel 15)

14.   Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung

(Artikel 18 Absatz 1 EG; Verordnung Nr. 17 des Rates, Artikel 15 Absatz 2)

15.   Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Nichtverhängung oder Herabsetzung einer Geldbuße als Gegenleistung für die Zusammenarbeit des beschuldigten Unternehmens

(Verordnung Nr. 17 des Rates, Artikel 15 Absatz 2; Mitteilung 96/C 207/04 der Kommission, Abschnitt D Nr. 1)

16.   Gemeinschaftsrecht – Allgemeine Rechtsgrundsätze – Verbot der Rückwirkung von Strafvorschriften

(Verordnung Nr. 17 des Rates, Artikel 15; Mitteilung 98/C 9/03 der Kommission)

17.   Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Berufsgeheimnis

(Artikel 287 EG)

1.     Der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Strafen ist ein Korrelat des Grundsatzes der Rechtssicherheit, bei dem es sich um einen allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts handelt und der insbesondere verlangt, dass jede Gemeinschaftsregelung, insbesondere wenn sie die Verhängung von Sanktionen vorschreibt oder gestattet, klar und bestimmt ist, damit die Betroffenen ihre Rechte und Pflichten unzweideutig erkennen und somit ihre Vorkehrungen treffen können. Dieser Grundsatz, der zu den gemeinsamen Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten gehört und in verschiedenen völkerrechtlichen Verträgen, u. a. in Artikel 7 der Europäischen Menschenrechtskonvention, verankert wurde, ist sowohl bei Normen mit strafrechtlichem Charakter als auch bei spezifischen verwaltungsrechtlichen Instrumenten zu beachten, die die Verhängung von Sanktionen durch die Verwaltung vorschreiben oder gestatten. Er gilt nicht nur für Normen, die die Bestandteile einer Zuwiderhandlung festlegen, sondern auch für diejenigen, die die Folgen einer Zuwiderhandlung gegen Erstere regeln. Insoweit geht aus Artikel 7 Absatz 1 der Konvention hervor, dass die Zuwiderhandlungen und die Strafen, mit denen sie bedroht sind, gesetzlich klar definiert sein müssen. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn der Bürger dem Wortlaut der einschlägigen Bestimmung und gegebenenfalls ihrer Auslegung durch die Gerichte entnehmen kann, welche Handlungen und Unterlassungen seine strafrechtliche Haftung auslösen.

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte ist es zur Erfüllung der Anforderungen dieser Bestimmung nicht erforderlich, dass die Vorschriften, aufgrund deren die Sanktionen verhängt werden, so genau formuliert sind, dass die möglichen Folgen eines Verstoßes gegen sie mit absoluter Gewissheit vorhersehbar sind. Nach dieser Rechtsprechung führt die Existenz vager Begriffe in einer Bestimmung nämlich nicht zwangsläufig zu einem Verstoß gegen Artikel 7 der Europäischen Menschenrechtskonvention, und die Tatsache, dass ein Gesetz ein Ermessen verleiht, verletzt als solche nicht das Erfordernis der Vorhersehbarkeit, sofern der Umfang und die Modalitäten der Ausübung eines solchen Ermessens im Hinblick auf das in Rede stehende legitime Ziel hinreichend deutlich festgelegt sind, um dem Einzelnen angemessenen Schutz vor Willkür zu gewähren. Dabei berücksichtigt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte neben dem Wortlaut des Gesetzes die Frage, ob die verwendeten unbestimmten Begriffe durch eine ständige und veröffentlichte Rechtsprechung präzisiert wurden. Im Übrigen führt die Berücksichtigung der gemeinsamen Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten nicht zu einer anderen Auslegung des allgemeinen Grundsatzes des Gemeinschaftsrechts, um den es sich bei dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Strafen handelt.

(vgl. Randnrn. 66-69, 71-73)

2.     Falls Artikel 7 Absatz 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention auf die Sanktionen anwendbar ist, die die Kommission bei Zuwiderhandlungen gegen die Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft verhängt, verstößt Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17, der die Verhängung von Geldbußen für Unternehmen betrifft, die Zuwiderhandlungen gegen die Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft begangen haben, im Hinblick auf folgende Gesichtspunkte nicht gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Strafen:

–       Die Kommission verfügt bei der Festsetzung von Geldbußen nicht über ein unbegrenztes Ermessen, denn sie muss die anhand des Umsatzes der betreffenden Unternehmen festgelegte Obergrenze beachten und Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung berücksichtigen.

–       Die Kommission hat bei der Festsetzung von Geldbußen die allgemeinen Rechtsgrundsätze und insbesondere die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit zu beachten.

–       Die gleichen Grenzen gelten für die Ausübung des Ermessens der Kommission bei der Entscheidung darüber, ob eine Geldbuße zu verhängen ist.

–       Die vom Gemeinschaftsrichter ausgeübte Kontrolle hat es ermöglicht, durch eine ständige und veröffentlichte Rechtsprechung etwaige unbestimmte Begriffe in Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 zu präzisieren.

–       Die Kommission hat eine bekannte und zugängliche Verwaltungspraxis entwickelt, die zwar nicht den rechtlichen Rahmen für Geldbußen bildet, aber als Bezugspunkt für die Einhaltung des Grundsatzes der Gleichbehandlung dienen kann, wobei eine Anhebung des Niveaus der Geldbußen innerhalb der durch Artikel 15 Absatz 2 festgelegten Grenzen jederzeit möglich bleibt, wenn die wirksame Anwendung der Wettbewerbsregeln dies verlangt.

–       Die Kommission hat Leitlinien für die Festsetzung der Geldbußen erlassen, so dass sie selbst die Ausübung ihres Ermessens beschränkt und damit zur Rechtssicherheit beigetragen hat und die Grundsätze der Gleichbehandlung und des Vertrauensschutzes beachten muss.

–       Die Kommission ist nach Artikel 253 EG verpflichtet, Entscheidungen, mit denen eine Geldbuße festgesetzt wird, zu begründen.

(vgl. Randnrn. 71, 74-84)

3.     Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Befugnis, bei Verstößen gegen die Artikel 81 EG und 82 EG Geldbußen zu verhängen, ursprünglich dem Rat zustand, der sie auf die Kommission übertragen oder diese im Sinne von Artikel 202 dritter Gedankenstrich EG mit der Durchführung betraut hat. Nach den Artikeln 83 Absätze 1 und 2 Buchstaben a und d EG und 211 erster Gedankenstrich EG gehört diese Befugnis zur Rolle der Kommission, über die Anwendung des Gemeinschaftsrechts zu wachen, wobei diese Rolle in Bezug auf die Anwendung der Artikel 81 EG und 82 EG durch die Verordnung Nr. 17 präzisiert, umrahmt und formalisiert wurde. Die der Kommission durch diese Verordnung eingeräumte Befugnis zur Verhängung von Geldbußen ergibt sich somit aus den Bestimmungen des Vertrages selbst und soll die effektive Anwendung der in den genannten Artikeln vorgesehenen Verbote ermöglichen.

(vgl. Randnrn. 86-87)

4.     Das Erfordernis der Rechtssicherheit, in deren Genuss die Wirtschaftsteilnehmer kommen müssen, bedeutet, dass bei einem Streit über das Vorliegen einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln die Kommission, die die Beweislast für die von ihr festgestellten Zuwiderhandlungen trägt, Beweise beizubringen hat, mit denen sie in rechtlich hinreichender Weise das Vorliegen des die Zuwiderhandlung begründenden Sachverhalts belegen kann. In Bezug auf die behauptete Dauer einer Zuwiderhandlung folgt aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit, dass die Kommission, wenn es an Beweisen fehlt, mit denen die Dauer der Zuwiderhandlung direkt belegt werden kann, zumindest Beweise beibringt, die sich auf Fakten beziehen, die zeitlich so nahe beieinander liegen, dass sie vernünftigerweise den Schluss zulassen, dass die Zuwiderhandlung zwischen zwei konkreten Zeitpunkten ohne Unterbrechung fortgesetzt wurde.

(vgl. Randnrn. 114, 153)

5.     Der u. a. in Artikel 6 Absatz 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention niedergelegte Grundsatz der Unschuldsvermutung gehört zu den Grundrechten, die nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes, die im Übrigen durch die Präambel der Einheitlichen Europäischen Akte, durch Artikel 6 Absatz 2 des Vertrages über die Europäische Union und durch Artikel 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union bekräftigt worden ist, in der Gemeinschaftsrechtsordnung anerkannt sind. Angesichts der Art der fraglichen Zuwiderhandlungen sowie der Art und Schwere der ihretwegen verhängten Sanktionen gilt der Grundsatz der Unschuldsvermutung auch in Verfahren wegen Verletzung der für Unternehmen geltenden Wettbewerbsregeln, in denen Geldbußen oder Zwangsgelder verhängt werden können.

(vgl. Randnr. 115)

6.     Die „abgestimmte Verhaltensweise“ besteht in einer Form der Koordinierung zwischen Unternehmen, die zwar noch nicht bis zum Abschluss eines Vertrages im eigentlichen Sinne gediehen ist, jedoch bewusst eine praktische Zusammenarbeit an die Stelle des mit Risiken verbundenen Wettbewerbs treten lässt. Die Kriterien der Koordinierung und der Zusammenarbeit verlangen keineswegs die Ausarbeitung eines wirklichen „Plans“; sie sind vielmehr im Sinne des Grundgedankens der Wettbewerbsvorschriften des Vertrages zu verstehen, wonach jeder Wirtschaftsteilnehmer selbständig zu bestimmen hat, welche Politik er auf dem Gemeinsamen Markt zu betreiben gedenkt. Es ist zwar richtig, dass dieses Selbständigkeitspostulat nicht das Recht der Wirtschaftsteilnehmer beseitigt, sich dem festgestellten oder erwarteten Verhalten ihrer Mitbewerber mit wachem Sinn anzupassen; es steht jedoch streng jeder unmittelbaren oder mittelbaren Fühlungnahme zwischen solchen Wirtschaftsteilnehmern entgegen, die bezweckt oder bewirkt, entweder das Marktverhalten eines gegenwärtigen oder potenziellen Mitbewerbers zu beeinflussen oder einen solchen Mitbewerber über das Marktverhalten ins Bild zu setzen, zu dem man sich selbst entschlossen hat oder das man in Erwägung zieht.

Zum Nachweis einer abgestimmten Verhaltensweise muss also nicht dargetan werden, dass der fragliche Mitbewerber sich förmlich gegenüber einem oder mehreren anderen zu einem bestimmten Verhalten verpflichtet hat oder dass die Mitbewerber gemeinsam ihr zukünftiges Verhalten auf dem Markt festgelegt haben. Es genügt, dass der Mitbewerber durch seine Absichtserklärung die Ungewissheit über das von ihm zu erwartende Marktverhalten beseitigt oder zumindest erheblich verringert hat. Außerdem ist zwar nicht Voraussetzung für die Beendigung eines Kartells, dass die Kartellteilnehmer einander ihre dahin gehende Absicht mitteilen, doch kann, wenn ein Unternehmen, selbst ohne sich aktiv zu beteiligen, an Treffen von Unternehmen mit wettbewerbswidrigem Zweck teilnimmt und sich nicht offen vom Inhalt dieser Treffen distanziert, so dass es den anderen Teilnehmern Anlass zu der Annahme gibt, dass es dem Ergebnis der Treffen zustimmt und sich daran halten wird, der Nachweis als erbracht angesehen werden, dass es sich an der aus diesen Treffen resultierenden Absprache beteiligt hat.

Schon nach dem Wortlaut von Artikel 81 Absatz 1 EG setzt eine abgestimmte Verhaltensweise zwar über die Abstimmung zwischen den Unternehmen hinaus ein dieser entsprechendes Marktverhalten und einen ursächlichen Zusammenhang zwischen beiden voraus, doch gilt vorbehaltlich des den betroffenen Unternehmen obliegenden Gegenbeweises die Vermutung, dass die an der Abstimmung beteiligten und weiterhin auf dem Markt tätigen Unternehmen die mit ihren Mitbewerbern ausgetauschten Informationen bei der Bestimmung ihres Marktverhaltens berücksichtigen. Dies gilt umso mehr, wenn die Abstimmung während eines langen Zeitraums regelmäßig stattfindet.

(vgl. Randnrn. 132-134, 136)

7.     Ein Verstoß gegen Artikel 81 Absatz 1 EG kann sich nicht nur aus einer isolierten Handlung, sondern auch aus einer Reihe von Handlungen oder einem fortgesetzten Verhalten ergeben. Dieser Auslegung lässt sich nicht entgegenhalten, dass ein oder mehrere Teile dieser Reihe von Handlungen oder dieses fortgesetzten Verhaltens auch für sich genommen und isoliert betrachtet einen Verstoß gegen die genannte Bestimmung darstellen könnten. Fügen sich die verschiedenen Handlungen wegen ihres identischen Zweckes der Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes in einen „Gesamtplan“ ein, so ist die Kommission berechtigt, die Verantwortung für diese Handlungen anhand der Beteiligung an der Zuwiderhandlung als Ganzes aufzuerlegen.

(vgl. Randnr. 155)

8.     Bei der Berechnung der von der Kommission wegen Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft verhängten Geldbußen sind die Anforderungen durch das wesentliche Formerfordernis, um das es sich bei der Begründungspflicht handelt, erfüllt, wenn die Kommission in ihrer Entscheidung die Beurteilungsgesichtspunkte angibt, die es ihr ermöglicht haben, Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung zu ermitteln. Ferner ist bei der Ermittlung des Umfangs der Begründungspflicht zu berücksichtigen, dass die Schwere der Zuwiderhandlungen anhand einer Vielzahl von Gesichtspunkten zu ermitteln ist, ohne dass es eine zwingende oder abschließende Liste von Kriterien gäbe, die auf jeden Fall berücksichtigt werden müssen. Außerdem verlangt die Begründungspflicht von der Kommission nicht, in ihrer Entscheidung bezifferte Angaben zur Berechnungsweise der Geldbußen zu machen, sondern nur, die Gesichtspunkte wiederzugeben, anhand deren sie die Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung bestimmen konnte.

(vgl. Randnrn. 193-194)

9.     Bei der Ermittlung der Schwere einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln ist insbesondere dem normativen und wirtschaftlichen Zusammenhang der beanstandeten Verhaltensweise Rechnung zu tragen. Wenn die Kommission die konkreten Auswirkungen einer Zuwiderhandlung auf den Markt beurteilt – wozu sie im Rahmen des Möglichen immer verpflichtet ist –, muss sie sich auf den Wettbewerb beziehen, der normalerweise ohne die Zuwiderhandlung geherrscht hätte. Folglich kann die Kommission, wenn sie im Fall von Preisabsprachen feststellt, dass die Vereinbarungen es den betreffenden Unternehmen tatsächlich ermöglicht haben, ein höheres Niveau der Transaktionspreise zu erreichen, als es ohne Absprache bestanden hätte, bei der Ermittlung der Geldbuße die Bedeutung der nachteiligen Auswirkungen der Zuwiderhandlung auf den Markt berücksichtigen und die Geldbuße im Hinblick auf die Schwere der Zuwiderhandlung höher festsetzen, als dies ohne eine solche Feststellung geschehen wäre. Im Rahmen dieser Beurteilung muss die Kommission sämtliche objektiven Bedingungen des betreffenden Marktes im Hinblick auf den bestehenden wirtschaftlichen und etwaigen normativen Zusammenhang berücksichtigen. Gegebenenfalls ist „objektiven wirtschaftlichen Faktoren“ Rechnung zu tragen, aus denen sich ergibt, dass sich bei „freiem Wettbewerb“ das Preisniveau nicht so entwickelt hätte wie das Niveau der tatsächlichen Preise.

(vgl. Randnrn. 216, 222-224)

10.   Die Schwere einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln kann anhand der Art und des Zweckes der missbräuchlichen Verhaltensweisen festgestellt werden. Gesichtspunkte, die den Gegenstand eines Verhaltens betreffen, können für die Festsetzung der Geldbuße größere Bedeutung haben als Gesichtspunkte, die seine Wirkungen betreffen. Die Auswirkung einer wettbewerbswidrigen Praxis ist nämlich bei der Beurteilung der angemessenen Höhe der Geldbuße kein ausschlaggebendes Kriterium. Gesichtspunkte, die die Intention eines Verhaltens betreffen, können größere Bedeutung haben als solche, die dessen Wirkungen betreffen, vor allem, wenn es sich dem Wesen nach um schwere Zuwiderhandlungen wie Preisfestsetzung und Marktaufteilung handelt. Außerdem sind horizontale Preisabsprachen stets zu den schwersten Zuwiderhandlungen gegen das Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft gezählt worden.

(vgl. Randnrn. 250-252)

11.   Bei der Ermittlung des Betrages der Geldbußen wegen Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht muss die Kommission nicht nur die Schwere der Zuwiderhandlung und die besonderen Umstände des Einzelfalls, sondern auch den Kontext der Zuwiderhandlung berücksichtigen und sicherstellen, dass ihr Vorgehen vor allem in Bezug auf solche Zuwiderhandlungen, die die Verwirklichung der Ziele der Gemeinschaft besonders beeinträchtigen, abschreckende Wirkung hat.

Insoweit sehen die Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 EGKS-Vertrag festgesetzt werden, im Übrigen vor, dass neben der Art des Verstoßes, seinen konkreten Auswirkungen auf den Markt und dessen räumlichem Umfang die tatsächliche wirtschaftliche Fähigkeit der Urheber des Verstoßes, Mitbewerber und Verbraucher wirtschaftlich in erheblichem Umfang zu schädigen, zu berücksichtigen und die Geldbuße auf einen Betrag festzusetzen ist, der eine hinreichend abschreckende Wirkung entfaltet (Nr. 1 Teil A Absatz 4). Darüber hinaus kann der Tatsache Rechnung getragen werden, dass Großunternehmen besser erkennen können, in welchem Maß ihre Vorgehensweise einen Verstoß darstellt und welche Folgen zu gewärtigen sind (Nr. 1 Teil A Absatz 5).

Was den erstgenannten Gesichtspunkt angeht, so besteht das Abschreckungsziel, das die Kommission bei der Bemessung einer Geldbuße verfolgen darf, darin, zu gewährleisten, dass die Unternehmen die im Vertrag für ihre Tätigkeiten in der Gemeinschaft oder im Europäischen Wirtschaftsraum festgelegten Wettbewerbsregeln beachten. Dieses Ziel kann nur unter Berücksichtigung der Situation des Unternehmens zum Zeitpunkt der Verhängung der Geldbuße erreicht werden. Es ist nämlich zu unterscheiden zwischen dem Ausmaß der Zuwiderhandlung auf dem Markt und dem jeden Kartellteilnehmer treffenden Teil der Verantwortung (auf die sich Nr. 1 Teil A Absätze 4 und 6 der Leitlinien erstreckt) einerseits und der mit der Verhängung der Geldbuße verfolgten Abschreckungswirkung andererseits.

Was das Ausmaß der Zuwiderhandlung auf dem Markt und den jeden Kartellteilnehmer treffenden Teil der Verantwortung angeht, so kann der Teil des Umsatzes, der mit den Waren erzielt wurde, auf die sich die Zuwiderhandlung bezog, einen zutreffenden Anhaltspunkt für das Ausmaß einer Zuwiderhandlung auf dem betreffenden Markt liefern. Der Umsatz, der mit den Erzeugnissen erzielt wurde, die Gegenstand einer beschränkenden Verhaltensweise waren, stellt ein objektives Kriterium dar, das zutreffend angibt, wie schädlich sich diese Verhaltensweise auf den normalen Wettbewerb auswirkt.

Das Erfordernis, eine hinreichend abschreckende Wirkung der Geldbuße zu gewährleisten, wenn mit ihm nicht die Anhebung des allgemeinen Niveaus der Geldbußen im Rahmen der Umsetzung einer Wettbewerbspolitik begründet wird, verlangt jedoch, dass die Geldbuße angepasst wird, um der gewünschten Auswirkung auf das Unternehmen, gegen das sie verhängt wird, Rechnung zu tragen, damit sie in Einklang mit den Anforderungen, die sich aus der Notwendigkeit, ihre Wirksamkeit zu gewährleisten, und der Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ergeben, insbesondere im Hinblick auf die Finanzkraft des betreffenden Unternehmens weder zu niedrig noch zu hoch ausfällt. Namentlich aufgrund von Aufspaltungen oder Zusammenschlüssen können die Gesamtressourcen eines Unternehmens aber in relativ kurzer Zeit, insbesondere zwischen der Beendigung der Zuwiderhandlung und dem Erlass der Bußgeldentscheidung, erheblich größer oder kleiner werden.

Folglich müssen diese Ressourcen, um unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit das Abschreckungsziel ordnungsgemäß zu erreichen, zu dem Zeitpunkt bewertet werden, zu dem die Geldbuße verhängt wird. Insoweit wird aus den gleichen Gründen im Rahmen des Artikels 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 die Obergrenze der Geldbuße von 10 % des Umsatzes des betroffenen Unternehmens anhand des weltweiten Gesamtumsatzes im Geschäftsjahr vor dem Erlass der Entscheidung ermittelt. Ebenso sind im Rahmen der Ermittlung eines etwaigen Aufschlags auf die Geldbuße zur Gewährleistung ihrer abschreckenden Wirkung die Finanzkraft und die tatsächlichen Ressourcen des Unternehmens zum Zeitpunkt der Verhängung der Geldbuße zu berücksichtigen und nicht die in seine Bilanz aufgenommene, naturgemäß fiktive Pro-forma-Bewertung infolge der Anwendung von Buchungsregeln, denen sich das betroffene Unternehmen unterworfen hat.

Mit dem zweiten Gesichtspunkt – den juristischen und wirtschaftlichen Ressourcen der Unternehmen, anhand deren sie erkennen können, in welchem Maß ihre Vorgehensweise einen Verstoß darstellt – sollen Großunternehmen stärker bestraft werden, da unterstellt wird, dass sie über ausreichende Kenntnisse und Strukturmittel verfügen, um die Rechtswidrigkeit ihres Verhaltens zu erkennen und dessen etwaige Vorteile einzuschätzen. Zu diesem Zweck muss sich der Umsatz, auf dessen Grundlage die Kommission die Größe der fraglichen Unternehmen und damit deren Fähigkeit bestimmt, den Charakter und die Folgen ihres Verhaltens zu ermitteln, auf ihre Situation zum Zeitpunkt der Zuwiderhandlung beziehen.

(vgl. Randnrn. 95-96, 272-274, 278-280, 283, 285, 289-290, 302)

12.   Eine Vorgehensweise bei der Festsetzung der Geldbußen für die verschiedenen Teilnehmer an einem Kartell, die darin besteht, die Mitglieder in mehrere Kategorien einzuteilen, was zu einer Pauschalierung des für die Unternehmen einer Kategorie festgesetzten Ausgangsbetrags führt, ist grundsätzlich nicht zu beanstanden, auch wenn sie bewirkt, dass die Größenunterschiede zwischen Unternehmen ein und derselben Kategorie unberücksichtigt bleiben. Die Kommission ist nämlich, wenn Geldbußen gegen mehrere an derselben Zuwiderhandlung beteiligte Unternehmen festgesetzt werden, bei der Ermittlung der Höhe der Geldbußen nicht verpflichtet, dafür zu sorgen, dass in den Endbeträgen der Geldbußen alle Unterschiede, die zwischen dem Gesamtumsatz der betreffenden Unternehmen bestehen, zum Ausdruck kommen.

Gleichwohl muss bei einer solchen Einteilung in Kategorien der Grundsatz der Gleichbehandlung beachtet werden, der es verbietet, vergleichbare Sachverhalte unterschiedlich oder unterschiedliche Sachverhalte gleich zu behandeln, sofern eine solche Behandlung nicht objektiv gerechtfertigt ist. Im Hinblick darauf sehen die Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 EGKS-Vertrag festgesetzt werden, in Nummer 1 Teil A Absatz 6 vor, dass vor allem eine „sehr unterschiedliche“ Größe der an einem Verstoß derselben Art beteiligten Unternehmen eine Differenzierung bei der Beurteilung der Schwere des Verstoßes rechtfertigen kann. Im Übrigen muss der Betrag der Geldbußen zumindest in angemessenem Verhältnis zu den Faktoren stehen, die bei der Beurteilung der Schwere des Verstoßes herangezogen wurden. Folglich muss, wenn die Kommission die betroffenen Unternehmen zur Festsetzung der Geldbußen in Kategorien einteilt, die Bestimmung der Schwellenwerte für jede der auf diese Weise gebildeten Kategorien schlüssig und objektiv gerechtfertigt sein.

Im Hinblick auf das verfolgte Ziel – die Anpassung der Geldbuße unter Berücksichtigung der Gesamtressourcen des Unternehmens und seiner Fähigkeit, die zur Zahlung der Geldbuße erforderlichen Mittel aufzubringen – soll die Festlegung des zur Sicherstellung einer hinreichend abschreckenden Wirkung der Geldbuße dienenden Aufschlags auf den Grundbetrag eher dazu dienen, die Wirksamkeit der Geldbuße zu gewährleisten, als dazu, die Schädlichkeit der Zuwiderhandlung für den normalen Wettbewerb und damit die Schwere der Zuwiderhandlung deutlich zu machen. Folglich muss das Erfordernis einer objektiven Rechtfertigung der Methode, die Unternehmen in Kategorien einzuteilen, enger ausgelegt werden, wenn diese Einteilung nicht zur Ermittlung der Geldbuße anhand der Schwere der Zuwiderhandlung vorgenommen wird, sondern zur Ermittlung des Aufschlags auf den Grundbetrag, der eine hinreichend abschreckende Wirkung der verhängten Geldbuße sicherstellen soll.

Im Rahmen der Ermittlung der Geldbuße anhand der Schwere der Zuwiderhandlung ist nämlich, selbst wenn wegen der Einteilung in Gruppen bei bestimmten Unternehmen trotz ihrer unterschiedlichen Größe der gleiche Grundbetrag festgesetzt wird, diese unterschiedliche Behandlung objektiv gerechtfertigt, weil der Art der Zuwiderhandlung bei der Bestimmung ihrer Schwere ein sehr viel größeres Gewicht zukommt als der Unternehmensgröße. Diese Rechtfertigung gilt jedoch nicht für die Ermittlung des Aufschlags, der eine hinreichend abschreckende Wirkung der Geldbuße sicherstellen soll, da dieser Aufschlag im Wesentlichen und objektiv auf der Größe und den Ressourcen der Unternehmen beruht und nicht auf der Art der Zuwiderhandlung.

(vgl. Randnrn. 323-325, 328-331)

13.   Im Rahmen der Ermittlung des Betrages einer Geldbuße wegen Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln ist es zwar bedeutsam, dass ein Unternehmen Maßnahmen ergriffen hat, um künftige Zuwiderhandlungen seiner Mitarbeiter gegen das Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft zu verhindern, doch ändert dies nichts daran, dass die festgestellte Zuwiderhandlung tatsächlich begangen wurde. Die bloße Tatsache, dass die Kommission bei ihrer Entscheidungspraxis in bestimmten Fällen die Einführung eines Befolgungsprogramms als mildernden Umstand berücksichtigt hat, bedeutet folglich nicht, dass sie verpflichtet wäre, in einem konkreten Fall ebenso vorzugehen. Die Kommission ist somit nicht verpflichtet, einen solchen Faktor als mildernden Umstand zu berücksichtigen, sofern sie den Grundsatz der Gleichbehandlung beachtet, was voraussetzt, dass die Unternehmen, an die sich eine Entscheidung richtet, in diesem Punkt nicht unterschiedlich beurteilt werden.

Außerdem kann die bloße Einführung eines Programms zur Einhaltung der Wettbewerbsregeln durch ein Unternehmen zweifellos keine tragfähige und sichere Garantie für die künftige dauerhafte Einhaltung dieser Regeln darstellen, so dass ein solches Programm die Kommission nicht zwingen kann, eine Geldbuße herabzusetzen, weil der mit ihr verfolgte Präventionszweck zumindest teilweise bereits erreicht wurde.

(vgl. Randnrn. 350-351, 361)

14.   Das Verbot generalpräventiver Gründe gilt zwar für den Sonderfall der Maßnahmen, mit denen Mitgliedstaaten aus Gründen der öffentlichen Ordnung von dem in Artikel 18 Absatz 1 EG verankerten Grundsatz der Freizügigkeit der Unionsbürger abweichen, stellt aber keineswegs einen allgemeinen Grundsatz dar und kann somit offenkundig nicht ohne weiteres auf den Bereich der von der Kommission wegen Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft gegen Unternehmen verhängten Geldbußen übertragen werden. Vielmehr darf die Kommission dem Umstand Rechnung tragen, dass wettbewerbswidrige Praktiken wegen des Gewinns, den eine Reihe der betroffenen Unternehmen daraus ziehen kann, immer noch verhältnismäßig häufig sind, obwohl ihre Rechtswidrigkeit von Beginn der gemeinschaftlichen Wettbewerbspolitik an feststand, und kann daher das Niveau der Geldbußen anheben, um deren abschreckende Wirkung zu verstärken; dies entspricht zumindest teilweise der Notwendigkeit, den Geldbußen eine abschreckende Wirkung für andere als die von ihnen betroffenen Unternehmen zu verleihen.

(vgl. Randnrn. 359-360)

15.   Die Herabsetzung von Geldbußen im Fall der Kooperation von Unternehmen, die an Zuwiderhandlungen gegen das Wettbewerbsrecht beteiligt waren, beruht auf der Erwägung, dass eine solche Kooperation der Kommission ihre Aufgabe erleichtert.

Insoweit trägt ein Unternehmen, das sich im Verwaltungsverfahren darauf beschränkt, zu den von der Kommission aufgestellten Tatsachenbehauptungen nicht Stellung zu nehmen, und somit deren Richtigkeit nicht einräumt, nicht nachhaltig zur Erleichterung der Aufgabe der Kommission bei. Ebenso reicht eine allgemeine Erklärung eines Unternehmens, dass es den festgestellten Sachverhalt gemäß der Mitteilung über Zusammenarbeit in Kartellsachen nicht bestreite, nicht aus, wenn diese Erklärung im konkreten Fall ohne jeden Nutzen für die Kommission ist. Schließlich kann eine Herabsetzung auf der Grundlage der Mitteilung über Zusammenarbeit nur gerechtfertigt sein, wenn die gelieferten Informationen und allgemeiner das Verhalten des betreffenden Unternehmens insoweit als Zeichen seiner echten Zusammenarbeit angesehen werden können. Wie sich bereits aus dem Begriff der Zusammenarbeit, wie er in der Mitteilung über Zusammenarbeit und insbesondere in der Einführung und in Abschnitt D Nummer 1 dieser Mitteilung verwendet wird, ergibt, kann eine Herabsetzung auf der Grundlage der Mitteilung nur vorgenommen werden, wenn das Verhalten des betreffenden Unternehmens von einem solchen Geist der Zusammenarbeit zeugt.

(vgl. Randnrn. 380-383)

16.   Im Fall einer Änderung der allgemeinen Wettbewerbspolitik der Kommission im Bereich von Geldbußen, wie sie sich insbesondere aus den Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 EGKS-Vertrag festgesetzt werden, ergibt, ist im Rahmen der Kontrolle der Beachtung des Rückwirkungsverbots zu prüfen, ob die Änderung zum Zeitpunkt der Begehung der betreffenden Zuwiderhandlungen hinreichend vorhersehbar war.

Insoweit besteht die wesentliche Neuerung der Leitlinien darin, dass als Ausgangspunkt der Berechnung ein Grundbetrag verwendet wird, der innerhalb von hierfür vorgesehenen Spannen festgelegt wird, wobei diese Spannen verschiedenen Schweregraden der Zuwiderhandlungen entsprechen, als solche aber keinen Bezug zum relevanten Umsatz aufweisen. Diese Methode beruht somit im Wesentlichen auf einer – wenn auch relativen und flexiblen – Tarifierung der Geldbußen. Zu prüfen ist daher, ob diese neue Berechnungsmethode der Geldbußen, falls sie sich verschärfend auf die Höhe der Geldbußen ausgewirkt haben sollte, zum Zeitpunkt der Begehung der betreffenden Zuwiderhandlungen hinreichend vorhersehbar war. Die Kommission ist aber dadurch, dass sie in der Vergangenheit für bestimmte Arten von Zuwiderhandlungen Geldbußen in bestimmter Höhe verhängt hat, nicht daran gehindert, dieses Niveau innerhalb der in der Verordnung Nr. 17 gezogenen Grenzen anzuheben, wenn dies erforderlich ist, um die Durchführung der gemeinschaftlichen Wettbewerbspolitik sicherzustellen; vielmehr verlangt die wirksame Anwendung der Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft, dass die Kommission das Niveau der Geldbußen jederzeit den Erfordernissen dieser Politik anpassen kann.

Somit kann bei Unternehmen, die von einem Verwaltungsverfahren betroffen sind, das zu einer Geldbuße führen kann, ein berechtigtes Vertrauen weder darauf bestehen, dass die Kommission das zuvor praktizierte Bußgeldniveau nicht überschreiten wird, noch auf eine bestimmte Berechnungsmethode der Geldbußen. Die betreffenden Unternehmen müssen sich folglich dessen bewusst sein, dass die Kommission jederzeit beschließen kann, unter Beachtung der für ihr Handeln maßgebenden Vorschriften das Niveau der Geldbußen gegenüber dem in der Vergangenheit praktizierten Niveau anzuheben. Das gilt nicht nur dann, wenn die Kommission das Niveau der in Einzelentscheidungen verhängten Geldbußen anhebt, sondern auch dann, wenn die Anhebung dadurch erfolgt, dass Verhaltensnormen, die wie die Leitlinien allgemeine Geltung haben, auf konkrete Fälle angewandt werden. Im Übrigen steht nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte der Vorhersehbarkeit des Gesetzes nicht entgegen, dass die betreffende Person gezwungen ist, fachkundigen Rat einzuholen, um unter den Umständen des konkreten Falles angemessen zu beurteilen, welche Folgen sich aus einer bestimmten Handlung ergeben können. Das gilt insbesondere für Gewerbstätige, die gewohnt sind, sich bei der Ausübung ihrer Tätigkeit sehr umsichtig verhalten zu müssen. Von ihnen kann daher erwartet werden, dass sie die Risiken ihrer Tätigkeit besonders sorgfältig beurteilen.

Daraus ist zu schließen, dass die Leitlinien und speziell die darin vorgesehene neue Berechnungsmethode der Geldbußen, falls sie sich verschärfend auf die Höhe der Geldbußen ausgewirkt haben sollte, für die Unternehmen zum Zeitpunkt der Begehung der betreffenden Zuwiderhandlung hinreichend vorhersehbar waren.

(vgl. Randnrn. 388-396)

17.   Nach Artikel 287 EG sind die Mitglieder sowie die Beamten und sonstigen Bediensteten der Gemeinschaftsorgane verpflichtet, „Auskünfte, die ihrem Wesen nach unter das Berufsgeheimnis fallen, nicht preiszugeben; dies gilt insbesondere für Auskünfte über Unternehmen sowie deren Geschäftsbeziehungen oder Kostenelemente“. Obwohl sich diese Bestimmung in erster Linie auf Auskünfte bezieht, die bei Unternehmen eingeholt worden sind, zeigt der Zusatz „insbesondere“, dass es sich um einen allgemeinen Grundsatz handelt, der auch für andere vertrauliche Auskünfte gilt. In streitigen Verfahren, die zur Verhängung einer Sanktion führen können, fallen Art und Höhe der vorgeschlagenen Sanktion ihrem Wesen nach unter das Berufsgeheimnis, solange die Sanktion noch nicht endgültig gebilligt und verhängt worden ist. Dieser Grundsatz folgt insbesondere aus der Notwendigkeit, den Ruf und das Ansehen des Betroffenen zu wahren, solange die Sanktion nicht gegen ihn verhängt worden ist.

Insofern deckt sich die Pflicht der Kommission, der Presse keine Auskünfte über die konkret geplante Sanktion zu geben, nicht nur mit ihrer Pflicht zur Wahrung des Berufsgeheimnisses, sondern auch mit ihrer Pflicht zur ordnungsgemäßen Verwaltung. Schließlich gilt der Grundsatz der Unschuldsvermutung auch in Verfahren, die gegen Unternehmen wegen Verletzung der Wettbewerbsregeln eingeleitet werden und zur Verhängung von Geldbußen oder Zwangsgeldern führen können. Diese Unschuldsvermutung wird von der Kommission offensichtlich nicht beachtet, wenn sie das dem Beratenden Ausschuss und dem Kollegium der Kommissionsmitglieder zur Beratung vorgelegte Verdikt vor der förmlichen Verhängung der Sanktion gegen das von ihr beschuldigte Unternehmen der Presse mitteilt.

Zum einen kann jedoch das Vorliegen einer nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens tatsächlich erwiesenen Zuwiderhandlung nicht dadurch in Frage gestellt werden, dass der Kommission nachgewiesen wird, dass sie ihre Überzeugung von der Existenz der Zuwiderhandlung und die Höhe der Geldbuße, die sie deshalb gegen ein Unternehmen zu verhängen beabsichtigt, verfrüht bekundet hat. Es kann auch nicht behauptet werden, dass die Preisgabe des Inhalts einer Entscheidung am Ende des Verwaltungsverfahrens und kurz vor ihrem förmlichen Erlass für sich genommen zum Beweis dafür geeignet ist, dass die Kommission der Entscheidung vorgegriffen oder voreingenommen ermittelt hat.

Zum anderen kann eine derartige Unregelmäßigkeit nur dann zur Nichtigerklärung der fraglichen Entscheidung führen, wenn erwiesen ist, dass die Entscheidung ohne diese Unregelmäßigkeit inhaltlich anders ausgefallen wäre.

In der letztgenannten Voraussetzung kann keine Verletzung des Anspruchs des Einzelnen auf effektiven gerichtlichen Schutz seiner aus der Gemeinschaftsrechtsordnung hergeleiteten Rechte gesehen werden, der zu den allgemeinen Rechtsgrundsätzen gehört, die sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten ergeben, und auch in den Artikeln 6 und 13 der Europäischen Menschenrechtskonvention verankert ist. Dieser Schutz muss nämlich mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit und der für Handlungen der Gemeinschaftsorgane geltenden Gültigkeitsvermutung in Einklang gebracht werden.

(vgl. Randnrn. 409-411, 414-416, 421-423)




URTEIL DES GERICHTS (Dritte Kammer)

5. April 2006(*)

„Wettbewerb – Artikel 81 EG – Kartelle – Markt für Methionin – Einzige und fortgesetzte Zuwiderhandlung – Geldbuße – Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen – Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung – Zusammenarbeit im Verwaltungsverfahren – Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 – Unschuldsvermutung“

In der Rechtssache T‑279/02

Degussa AG mit Sitz in Düsseldorf (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte R. Bechtold, M. Karl und C. Steinle,

Klägerin,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch A. Bouquet und W. Mölls als Bevollmächtigte im Beistand von Rechtsanwalt H.‑J. Freund, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagte,

unterstützt durch

Rat der Europäischen Union, vertreten durch E. Karlsson und S. Marquardt als Bevollmächtigte,

Streithelfer,

wegen Nichtigerklärung der Entscheidung 2003/674/EG der Kommission vom 2. Juli 2002 in einem Verfahren nach Artikel 81 EG-Vertrag und Artikel 53 EWR-Abkommen (Sache C.37.519 – Methionin) (ABl. 2003, L 255, S. 1) und, hilfsweise, wegen Herabsetzung der mit dieser Entscheidung gegen die Klägerin festgesetzten Geldbuße

erlässt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ
DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten M. Jaeger sowie der Richterin V. Tiili und des Richters O. Czúcz,

Kanzler: K. Andová, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 27. April 2005

folgendes

Urteil

 Sachverhalt

1       Die Degussa AG (Düsseldorf) (im Folgenden: Degussa oder Klägerin) ist eine deutsche Gesellschaft, die im Jahr 2000 gegründet wurde, als sich SKW Trostberg und Degussa-Hüls, die ihrerseits im Jahr 1998 durch die Fusion der deutschen Chemieunternehmen Degussa AG (Frankfurt am Main) und Hüls AG (Marl) entstanden war, zusammenschlossen. Sie stellt u. a. Tierfutter her und bietet als einziges Unternehmen die drei wichtigsten essenziellen Aminosäuren Methionin, Lysin und Threonin aus einer Hand an.

2       Essenzielle Aminosäuren sind Aminosäuren, die vom Körper nicht selbst hergestellt werden können und die daher den Futtermitteln beigegeben werden müssen. Die erste Aminosäure, deren Fehlen die Eiweißsynthese anderer Aminosäuren unterbricht, wird als „erste unterbrechende Aminosäure“ bezeichnet. Methionin ist eine essenzielle Aminosäure, die den Vormischungen und dem Mischfutter für sämtliche Tierarten beigefügt wird. Hauptverwendungsgebiete sind Futter für Geflügel (für das es die erste unterbrechende Aminosäure darstellt) sowie zunehmend Schweinefutter und Spezialfuttermittel.

3       Methionin kommt in zwei Hauptformen vor: als DL-Methionin (im Folgenden: DLM) und als Hydroxyanalogmethionin (im Folgenden: HAM). DLM wird in Kristallform hergestellt und weist einen Aktivbestandteil von nahezu 100 % auf. Das vom Hersteller Monsanto, einem Vorläuferunternehmen der Novus International Inc., in den achtziger Jahren eingeführte HAM weist einen nominalen Aktivgehalt von 88 % auf. Es machte im Jahr 2002 rund 50 % des weltweiten Verbrauchs aus.

4       Im maßgebenden Zeitraum waren Rhône-Poulenc (heute Aventis SA), deren für die Herstellung von Methionin zuständige Tochtergesellschaft Rhône-Poulenc Animal Nutrition (heute Aventis Animal Nutrition SA) war, Degussa und Novus die drei weltweit größten Hersteller von Methionin. Rhône-Poulenc stellte Methionin in seinen beiden Formen her, während Degussa nur DLM und Novus nur HAM herstellte.

5       Am 26. Mai 1999 legte Rhône-Poulenc der Kommission eine Erklärung vor, in der sie eingestand, an einem Kartell zur Festsetzung der Preise und Verkaufsmengen für Methionin teilgenommen zu haben; gleichzeitig beantragte sie die Anwendung der Mitteilung der Kommission über die Nichtfestsetzung oder die niedrigere Festsetzung von Geldbußen in Kartellsachen (ABl. 1996, C 207, S. 4, im Folgenden: Mitteilung über Zusammenarbeit).

6       Am 16. Juni 1999 führten Bedienstete der Kommission und Beamte des Bundeskartellamts nach dem zu dieser Zeit anwendbaren Artikel 14 Absatz 3 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln [81] und [82] des Vertrages (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204), eine Nachprüfung in den Geschäftsräumen von Degussa-Hüls in Frankfurt am Main durch.

7       Im Anschluss an diese Nachprüfung richtete die Kommission in Bezug auf die dabei gefundenen Unterlagen am 27. Juli 1999 an Degussa-Hüls ein Auskunftsverlangen gemäß Artikel 11 der Verordnung Nr. 17. Degussa-Hüls antwortete darauf am 9. September 1999.

8       Die Kommission richtete zudem am 7. Dezember 1999 Auskunftsverlangen an die Nippon Soda Co. Ltd (im Folgenden: Nippon Soda), die Novus International Inc. (im Folgenden: Novus) und die Sumitomo Chemical Co. Ltd (im Folgenden: Sumitomo) und am 10. Dezember 1999 an die Mitsui & Co. Ltd. Die Antworten dieser Unternehmen gingen im Februar 2000 ein, und Nippon Soda legte am 16. Mai 2000 eine Zusatzerklärung vor.

9       Am 1. Oktober 2001 übersandte die Kommission fünf Herstellern von Methionin, darunter der Klägerin, eine Mitteilung der Beschwerdepunkte. Die gleiche Mitteilung wurde an Aventis Animal Nutrition (im Folgenden: AAN), eine 100%ige Tochtergesellschaft von Aventis, gerichtet.

10     In ihrer Mitteilung der Beschwerdepunkte legte die Kommission diesen Unternehmen zur Last, von 1986 bis, in der Mehrzahl der Fälle, Anfang 1999 an einer fortdauernden gegen Artikel 81 EG und Artikel 53 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (im Folgenden: EWR-Abkommen) verstoßenden Vereinbarung beteiligt gewesen zu sein, die sich auf das gesamte Gebiet des EWR erstreckt habe. Nach Ansicht der Kommission bestand die fragliche Vereinbarung in der Festsetzung der Preise für Methionin, der Schaffung eines Mechanismus für die Durchführung von Preiserhöhungen, der Zuteilung von nationalen Märkten und Marktanteilsquoten und einem Mechanismus zur Überwachung und Durchführung dieser Vereinbarungen.

11     Alle Beteiligten gaben schriftliche Erklärungen zur Mitteilung der Beschwerdepunkte der Kommission ab, wobei Aventis und AAN der Kommission mitteilten, dass sie nur eine Erwiderung für beide Unternehmen vorlegen würden.

12     Die Erwiderungen gingen bei der Kommission zwischen dem 10. und 18. Januar 2002 ein. Aventis und AAN (im Folgenden gemeinsam: Aventis/AAN) sowie Nippon Soda räumten die Zuwiderhandlung ein und gaben den Sachverhalt in vollem Umfang zu. Degussa räumte die Zuwiderhandlung ebenfalls ein, jedoch nur für den Zeitraum von 1992 bis 1997. Am 25. Januar 2002 fand eine Anhörung der betroffenen Unternehmen statt.

13     Am Ende des Verfahrens erließ die Kommission in der Erwägung, dass Aventis/AAN, Degussa und Nippon Soda an einer fortdauernden Vereinbarung und/oder aufeinander abgestimmten Verhaltensweise beteiligt gewesen seien, die das gesamte Gebiet des EWR umfasst habe und mit der sie Zielpreise für Methionin und einen Mechanismus für die Durchführung von Preiserhöhungen vereinbart, Informationen über Absatzmengen und Marktanteile ausgetauscht sowie diese Vereinbarungen überwacht und durchgesetzt hätten, die Entscheidung 2003/674/EG vom 2. Juli 2002 in einem Verfahren nach Artikel 81 EG-Vertrag und Artikel 53 EWR-Abkommen (Sache C.37.519 – Methionin) (ABl. 2003, L 255, S. 1, im Folgenden: Entscheidung).

14     In den Randnummern 63 bis 81 der Entscheidung gab die Kommission als Ziel des Kartells die Vereinbarung von Preisspannen und „Tiefstpreisen“ an. Die Teilnehmer seien übereingekommen, dass eine Erhöhung ihrer Preise erforderlich sei, und hätten erörtert, was der Markt habe akzeptieren können. Daraufhin seien die Preiserhöhungen in mehreren aufeinanderfolgenden „Kampagnen“ durchgeführt worden, deren Verlauf bei den anschließenden Kartellzusammenkünften überprüft worden sei. Außerdem hätten die Teilnehmer Informationen über Verkaufsmengen und Produktionskapazitäten sowie ihre jeweiligen Schätzungen des Gesamtmarktvolumens ausgetauscht.

15     In Bezug auf die Umsetzung der Zielpreise führte die Kommission aus, dass die Verkäufe von den Teilnehmern überwacht sowie die mitgeteilten Zahlen zusammengestellt und bei regelmäßigen Zusammenkünften besprochen worden seien, ohne dass jedoch ein System der Verkaufsmengenüberwachung, flankiert durch eine Ausgleichsregelung, vorgelegen habe, obwohl Degussa einen entsprechenden Vorschlag gemacht habe. Regelmäßige multilaterale (mehr als 25 zwischen 1986 und 1999) und bilaterale Zusammenkünfte seien ein wesentliches Merkmal der Kartellführung gewesen. Sie hätten in „Gipfeltreffen“ und eher technisch ausgerichteten Zusammenkünften der Betriebs-/Verkaufsleiter bestanden.

16     Schließlich lasse sich die Durchführung des Kartells in drei getrennte Zeiträume untergliedern. Der erste Zeitraum, während dessen die Preise hoch gewesen seien, habe sich von Februar 1986 bis zum Jahr 1989 erstreckt und habe geendet, als Sumitomo aus dem Kartell ausgeschieden und Monsanto mit HAM in den Markt eingetreten sei. Während des zweiten Zeitraums, von 1989 bis 1991, seien die Preise dramatisch zurückgegangen. Bei den Kartellteilnehmern habe Unsicherheit über die beste Reaktion auf diese neue Lage geherrscht (Rückgewinnung von Marktanteilen oder Konzentration auf die Preise), und nach mehreren Zusammenkünften in den Jahren 1989 und 1990 seien sie zu dem Schluss gelangt, dass sie ihre Bemühungen auf die Erhöhung der Preise konzentrieren müssten. Im dritten und letzten Zeitraum von 1991 bis Februar 1999 habe die Zunahme der Verkäufe des von Monsanto (seit 1991 Novus) hergestellten HAM die Kartellteilnehmer veranlasst, vor allem das Preisniveau zu halten.

17     Die Entscheidung enthält u. a. folgende Bestimmungen:

„Artikel 1

Die gesamtschuldnerisch haftenden Aventis SA und [AAN], die Degussa AG und die Nippon Soda Company Ltd haben gegen Artikel 81 Absatz 1 EG-Vertrag sowie gegen Artikel 53 Absatz 1 EWR-Abkommen verstoßen, indem sie sich an einer Reihe von Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen beteiligt haben.

Die Zuwiderhandlung dauerte von Februar 1986 bis Februar 1999.

Artikel 3

Wegen der in Artikel 1 genannten Zuwiderhandlung werden folgende Geldbußen verhängt:

–       gegen Degussa AG eine Geldbuße von 118 125 000 EUR,

–       gegen Nippon Soda Company Ltd eine Geldbuße von 9 000 000 EUR.

…“

18     Bei der Festsetzung der Geldbuße wandte die Kommission, ohne ausdrücklich darauf Bezug zu nehmen, im Wesentlichen die in den Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 EGKS-Vertrag festgesetzt werden (ABl. 1998, C 9, S. 3, im Folgenden: Leitlinien), beschriebene Vorgehensweise sowie die Mitteilung über Zusammenarbeit an.

19     Bei der Festsetzung des Grundbetrags der Geldbuße berücksichtigte die Kommission erstens die Schwere der Zuwiderhandlung. Sie stellte fest, dass angesichts der Art des in Rede stehenden Verhaltens, seiner Auswirkungen auf den Methioninmarkt und der Größe des betroffenen räumlichen Marktes die Unternehmen, an die die Entscheidung gerichtet sei, einen besonders schweren Verstoß gegen Artikel 81 Absatz 1 EG und Artikel 53 Absatz 1 EWR-Abkommen begangen hätten (Randnrn. 270 bis 293 der Entscheidung).

20     Da die Kommission im Übrigen der Meinung war, dass eine Differenzierung vorzunehmen sei, um der tatsächlichen wirtschaftlichen Fähigkeit der Unternehmen, Mitbewerber und Verbraucher wirtschaftlich in erheblichem Umfang zu schädigen, Rechnung zu tragen, und dass die Geldbuße so festzusetzen sei, dass sie eine hinreichend abschreckende Wirkung gewährleiste, hielt sie es angesichts der beträchtlichen Größenunterschiede zwischen den Unternehmen für angemessen, deren Weltmarktanteil bei Methionin zugrunde zu legen, so dass Rhône-Poulenc und Degussa eine erste Gruppe von Unternehmen bildeten und Nippon Soda allein die zweite Gruppe. Demzufolge legte die Kommission die Grundbeträge der Geldbußen bei Aventis/AAN und Degussa auf 35 Millionen Euro und bei Nippon Soda auf 8 Millionen Euro fest (Randnrn. 294 bis 302 der Entscheidung).

21     Um eine hinreichend abschreckende Wirkung zu gewährleisten und dem Umstand Rechnung zu tragen, dass Großunternehmen über juristischen und wirtschaftlichen Sachverstand und Ressourcen verfügen, anhand deren sie besser erkennen können, in welchem Maß ihre Vorgehensweise einen Verstoß darstellt und welche Folgen aus wettbewerbsrechtlicher Sicht zu gewärtigen sind, war die Kommission schließlich der Ansicht, dass der sich aus der jeweiligen Marktstellung der Unternehmen ergebende Grundbetrag der gegen Aventis/AAN und Degussa festgesetzten Geldbußen erhöht werden müsse, um der Größe und den Gesamtressourcen dieser beiden Unternehmen gerecht zu werden. Die Kommission beschloss daher, den Grundbetrag der Geldbuße bei Aventis/AAN und Degussa um 100 % auf 70 Millionen Euro zu erhöhen (Randnrn. 303 bis 305 der Entscheidung).

22     Was zweitens die Dauer der Zuwiderhandlung betrifft, so nahmen nach Ansicht der Kommission Aventis/AAN, Degussa und Nippon Soda von Februar 1986 bis Februar 1999 über einen Zeitraum von zwölf Jahren und zehn Monaten fortgesetzt an der Zuwiderhandlung teil. Die anhand der Schwere der Zuwiderhandlung festgelegten Grundbeträge der Geldbußen wurden deshalb um 10 % pro Jahr und 5 % pro Halbjahr, also um 125 %, erhöht. Der Grundbetrag der Geldbuße wurde daher bei Aventis/AAN und Degussa auf 157,5 Millionen Euro und bei Nippon Soda auf 18 Millionen Euro festgesetzt (Randnrn. 306 bis 312 der Entscheidung).

23     Drittens war die Kommission der Meinung, dass bei den an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen weder erschwerende noch mildernde Umstände zu berücksichtigen seien (Randnrn. 313 bis 331 der Entscheidung).

24     Viertens schließlich setzte die Kommission in Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit die Geldbuße von Aventis/AAN nach Abschnitt B dieser Mitteilung um 100 % herab. Dagegen vertrat sie die Ansicht, dass Nippon Soda und Degussa weder die Voraussetzungen für eine wesentlich niedrigere Festsetzung der Geldbuße nach Abschnitt B noch die Voraussetzungen für eine niedrigere Festsetzung der Geldbuße nach Abschnitt C der Mitteilung über Zusammenarbeit erfüllten. Sie erkannte allerdings an, dass Nippon Soda die Voraussetzungen von Abschnitt D Nummer 2 erster und zweiter Gedankenstrich der Mitteilung und Degussa die Voraussetzungen von Abschnitt D Nummer 2 erster Gedankenstrich erfüllte, und ermäßigte deshalb die gegen diese Unternehmen verhängten Geldbußen um 50 % bzw. 25 % (Randnrn. 332 bis 355 der Entscheidung).

 Verfahren und Anträge der Parteien

25     Mit Klageschrift, die am 16. September 2002 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.

26     Am 13. Dezember 2002 hat der Rat die Zulassung als Streithelfer beantragt. Mit Beschluss vom 13. Februar 2003 hat der Präsident der Vierten Kammer des Gerichts den Rat als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen.

27     Durch Beschluss des Gerichts ist der Berichterstatter der Dritten Kammer zugewiesen worden, an die die vorliegende Rechtssache deshalb verwiesen worden ist.

28     Im Rahmen prozessleitender Maßnahmen gemäß Artikel 64 seiner Verfahrensordnung hat das Gericht die Parteien aufgefordert, bestimmte Fragen zu beantworten und bestimmte Schriftstücke vorzulegen. Die Parteien sind dieser Aufforderung nachgekommen.

29     Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht (Dritte Kammer) beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen. Die Parteien haben in der Sitzung vom 27. April 2005 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

30     Die Klägerin beantragt,

–       die Entscheidung für nichtig zu erklären;

–       hilfsweise, die gegen sie verhängte Geldbuße herabzusetzen;

–       der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

31     Die Kommission beantragt,

–       die Klage abzuweisen;

–       der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

32     Der Rat beantragt,

–       die Klage abzuweisen;

–       über die Kosten nach Rechtslage zu entscheiden.

 Rechtliche Würdigung

33     Die Klägerin stützt ihre Klage im Wesentlichen auf vier Gründe. Der erste Klagegrund, in dessen Rahmen die Klägerin eine Einrede der Rechtswidrigkeit des Artikels 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 erhebt, wird auf einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Strafen gestützt. Mit dem zweiten Klagegrund wird ein Beurteilungsfehler in Bezug auf den einheitlichen und fortgesetzten Charakter und auf die Dauer der Zuwiderhandlung gerügt, an der die Klägerin beteiligt gewesen sein soll. Der dritte Klagegrund betrifft Beurteilungsfehler, Rechtsfehler, Sachverhaltsirrtümer und die Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, des Rückwirkungsverbots von Strafen und des Grundsatzes der Gleichbehandlung sowie der Begründungspflicht bei der Ermittlung der Höhe der Geldbuße. Der vierte Klagegrund schließlich betrifft einen Verstoß gegen das Berufsgeheimnis, den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung und die Unschuldsvermutung.

I –  Zum ersten, auf einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Strafen gestützten Klagegrund

A –  Zur Einrede der Rechtswidrigkeit des Artikels 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17

1.     Vorbringen der Parteien

34     Die Klägerin erhebt eine Einrede der Rechtswidrigkeit im Sinne des Artikels 241 EG und macht geltend, dass Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17, der die Kommission ermächtige, bei Zuwiderhandlungen gegen das Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft Geldbußen festzusetzen, gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Strafen als Korrelat des Gebotes der Rechtssicherheit, eines allgemeinen Grundsatzes des Gemeinschaftsrechts, verstoße, da diese Bestimmung die Entscheidungspraxis der Kommission nicht hinreichend im Voraus festlege.

35     Die Klägerin verweist zunächst darauf, dass der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Strafen in Artikel 7 Absatz 1 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) verankert sei, der vorsehe, dass „keine schwerere als die zur Zeit der Begehung angedrohte Strafe verhängt werden“ dürfe. Der gleiche Grundsatz (nulla poena sine lege) sei auch in Artikel 49 Absatz 1 der am 7. Dezember 2000 in Nizza proklamierten Charta der Grundrechte der Europäischen Union (ABl. C 364, S. 1) (im Folgenden: Charta) verankert und gehöre zu den Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten (vgl. z. B. Artikel 103 Absatz 2 des deutschen Grundgesetzes). Aus diesem Grundsatz ergebe sich nach der Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) und durch den Gerichtshof sowohl das Rückwirkungsverbot als auch der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Strafen (vgl. u. a. Urteil des EGMR vom 22. November 1995, S. W./Vereinigtes Königreich, Serie A, Nr. 335, § 35, und Urteil des Gerichtshofes vom 12. Dezember 1996 in den Rechtssachen C‑74/95 und C‑129/95, X, Slg. 1996, I‑6609, Randnr. 25). Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes stelle der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Strafen eine Ausprägung des allgemeinen gemeinschaftsrechtlichen Grundsatzes der Rechtssicherheit dar (Urteile des Gerichtshofes vom 12. November 1981 in den Rechtssachen 212/80 bis 217/80, Salumi u. a., Slg. 1981, 2735, Randnr. 10, und vom 22. Februar 1984 in der Rechtssache 70/83, Kloppenburg, Slg. 1984, 1075, Randnr. 11) und verlange insbesondere, dass das Gemeinschaftsrecht eindeutig und für die Betroffenen vorhersehbar sei, wobei das Erfordernis der Eindeutigkeit und Vorhersehbarkeit von Gemeinschaftsrechtsakten in besonderem Maße gelte, wenn es sich um Vorschriften handele, die finanzielle Konsequenzen haben könnten, denn die Betroffenen müssten in der Lage sein, den Umfang der ihnen auferlegten Verpflichtungen genau zu erkennen (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 13. März 1990 in der Rechtssache C‑30/89, Kommission/Frankreich, Slg. 1990, I‑691, Randnr. 23 und die dort genannte Rechtsprechung).

36     In Bezug auf die Kriterien, an denen die ausreichende Bestimmtheit und Vorhersehbarkeit eines „Gesetzes“ im Sinne des Artikels 7 Absatz 1 EMRK zu messen sei, verlange der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, dass es den Betroffenen zugänglich und hinreichend genau formuliert sei, damit sie – falls erforderlich mit Hilfe kundiger Anwälte – in einem den jeweiligen Umständen entsprechenden Ausmaß die möglichen Konsequenzen einer bestimmten Handlung erkennen könnten. Nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte verstoße ein Gesetz, in dem ein Ermessen eingeräumt werde, als solches nicht gegen dieses Erfordernis, sofern die Tragweite und die Bedingungen für die Ausübung dieser Befugnis im Hinblick auf das in Rede stehende berechtigte Interesse hinreichend klar festgelegt seien, so dass der Einzelne gegen Willkür angemessen geschützt sei (Urteile des EGMR vom 25. Februar 1992, Margareta und Roger Andersson/Schweden, Serie A, Nr. 226, § 75, und vom 2. August 1984, Malone/Vereinigtes Königreich, Serie A, Nr. 82, § 66).

37     Der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Strafen gelte sowohl für strafrechtliche Sanktionen als auch für Sanktionen ohne strafrechtlichen Charakter im engeren Sinne und damit auch für Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17, unabhängig von der Rechtsnatur der von der Kommission aufgrund dieser Bestimmung festgesetzten Geldbußen. Nach Auffassung des Gerichtshofes dürfe nämlich „eine Sanktion, selbst wenn sie keinen strafrechtlichen Charakter besitzt, nur dann verhängt werden, wenn sie auf einer klaren und unzweideutigen Rechtsgrundlage beruht“ (Urteile des Gerichtshofes vom 25. September 1984 in der Rechtssache 117/83, Könecke, Slg. 1984, 3291, Randnr. 11, und vom 18. November 1987 in der Rechtssache 137/85, Maizena, Slg. 1987, 4587, Randnr. 15). Die Formulierung in Artikel 15 Absatz 4 der Verordnung Nr. 17, wonach Entscheidungen der Kommission, mit denen Geldbußen wegen Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft festgesetzt würden, „nicht strafrechtlicher Art“ seien, sei insoweit unerheblich, da es für die Beurteilung eines Rechtsakts nicht auf dessen Bezeichnung ankomme (Urteil des EGMR vom 8. Juni 1976, Engel u. a./Niederlande, Serie A, Nr. 22, § 81). Aus der Schwere der festgesetzten Geldbußen sowie aus ihrer repressiven und präventiven Funktion ergebe sich vielmehr, dass sie im Kern strafähnlichen, wenn nicht gar strafrechtlichen Charakter im weiteren Sinne hätten.

38     Dies entspreche im Übrigen der Auslegung des Begriffes der strafrechtlichen Anklage durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (Urteile des EGMR vom 29. April 1988, Belilos/Schweiz, Serie A, Nr. 132, §§ 62 und 68, und vom 21. Februar 1984, Öztürk/Deutschland, Serie A, Nr. 73, §§ 46 ff., sowie oben in Randnr. 37 angeführtes Urteil Engel u. a./Niederlande, §§ 80 ff.), wonach selbst Geldbußen von geringer Höhe, die im Rahmen verwaltungsrechtlicher Verfahren festgesetzt würden, strafrechtlicher Art seien. Bei den von der Kommission wegen Verstößen gegen das Gemeinschaftsrecht festgesetzten Geldbußen müsse dies angesichts ihrer Höhe erst recht der Fall sein.

39     Der Gerichtshof habe entschieden, dass das Erfordernis der Rechtsklarheit „besonders zwingend [ist] auf einem Gebiet, auf dem jede Unsicherheit … zur Anwendung besonders empfindlicher Sanktionen führen kann“ (Urteil des Gerichtshofes vom 10. Juli 1980 in der Rechtssache 32/79, Kommission/Vereinigtes Königreich, Slg. 1980, 2403, Randnr. 46), was bei Geldbußen nach Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 der Fall sei.

40     Außerdem gehe aus der in den Artikeln 83 EG und 85 EG vorgesehenen Kompetenzverteilung zwischen Rat und Kommission hervor, dass für den Erlass der zur Verwirklichung der in den Artikeln 81 EG und 82 EG niedergelegten Grundsätze zweckdienlichen Verordnungen oder Richtlinien allein der Rat zuständig sei. Nach den aus dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Strafen abgeleiteten Anforderungen sei der Rat daher nicht befugt, die Einführung von Geldbußen an die Kommission zu delegieren, sofern keine hinreichend bestimmte Regelung vorliege.

41     Die Kommission sei Untersuchungsbehörde, Ankläger und Richter in einer Person. Dieser Macht, die nicht in Einklang mit den Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten stehe, müsse durch klare und eindeutige Regeln ein Rahmen gesetzt werden. So müsse die Durchführungsverordnung des Rates zu den Artikeln 81 EG und 82 EG Inhalt, Zweck und Ausmaß der Sanktionen genau festlegen. Außerdem verlange der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Strafen, dass eine Höchstgrenze vorgesehen sei, die nicht übermäßig hoch sein dürfe, damit die Geldbuße keinen strafrechtlichen Charakter annehme. Könnte die Geldbuße nämlich ausufern, so würde sie letztlich nicht vom Rat im Voraus bestimmt, sondern von der Kommission als ausführender Behörde angeordnet.

42     Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 erfülle die oben dargestellten Anforderungen des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Strafen nicht.

43     Erstens sehe die Verordnung Nr. 17 nicht vor, in welchen Fällen einer Zuwiderhandlung gegen die Artikel 81 EG und 82 EG eine Geldbuße festzusetzen sei, und überlasse die Entscheidung über das Ob einer Geldbuße dem Ermessen der Kommission. Insoweit sei auf das Urteil des Gerichtshofes vom 12. Juli 1979 in den Rechtssachen 32/78 und 36/78 bis 82/78 (BMW Belgium u. a./Kommission, Slg. 1979, 2435, Randnr. 53) zu verweisen, wonach die Kommission bei der Ausübung des Ermessens, über das sie in Bezug auf die Verhängung einer Geldbuße verfüge, völlig frei sei.

44     Zweitens enthalte Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 keine zahlenmäßige Obergrenze. Somit sei dieser Rahmen nicht mit dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Strafen zu vereinbaren und stelle die Übertragung einer Befugnis auf die Kommission dar, die nach dem Vertrag dem Rat zustehe. Die Höhe der Geldbuße werde in Wirklichkeit nicht durch die Verordnung im Voraus bestimmt, sondern ausschließlich durch die Kommission, und zwar in einer weder vorhersehbaren noch nachprüfbaren Weise (vgl. das oben in Randnr. 35 angeführte Urteil Kommission/Frankreich, Randnr. 23 und die dort genannte Rechtsprechung). Die Notwendigkeit, eine abschreckende Wirkung der Geldbuße zu gewährleisten, könne das Fehlen einer absoluten Obergrenze nicht rechtfertigen, da dieses Erfordernis mit dem höherrangigen Grundprinzip des Gemeinschaftsrechts, um das es sich bei dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Strafen handele, in Einklang gebracht werden müsse (oben in Randnr. 35 angeführte Urteile Kloppenburg, Randnr. 11, und Salumi u. a., Randnr. 10).

45     Drittens fehle es, abgesehen von Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung, an vom Gesetzgeber festgelegten Kriterien für die Festsetzung der Geldbuße. Diese beiden Kriterien hätten aber in der Praxis so gut wie keine das Ermessen der Kommission beschränkende Wirkung. Zum einen gelte für die Kommission nämlich keine zwingende oder abschließende Liste von Kriterien, die auf jeden Fall berücksichtigt werden müssten (Beschluss des Gerichtshofes vom 25. März 1996 in der Rechtssache C‑137/95 P, SPO u. a./Kommission, Slg. 1996, I‑1611, Randnr. 54, und Urteil des Gerichtshofes vom 17. Juli 1997 in der Rechtssache C‑219/95 P, Ferriere Nord/Kommission, Slg. 1997, I‑4411, Randnr. 33; Urteil des Gerichts vom 20. März 2002 in der Rechtssache T‑9/99, HFB u. a./Kommission, Slg. 2002, II‑1487, Randnr. 443), und zum anderen berücksichtige die Kommission eine Vielzahl erschwerender oder mildernder Faktoren, die für die Normadressaten nicht im Voraus erkennbar seien.

46     Außerdem ermöglichten es die aus der Beachtung des Grundsatzes der Gleichbehandlung abgeleiteten Anforderungen nicht, diese Unbestimmtheit auszugleichen, wenn man berücksichtige, dass die Kommission nach der Rechtsprechung nicht verpflichtet sei, dafür zu sorgen, dass die Endbeträge der Geldbußen alle Umsatzunterschiede zwischen den beteiligten Unternehmen zum Ausdruck brächten (Urteil des Gerichts vom 20. März 2002 in der Rechtssache T‑23/99, LR AF 1998/Kommission, Slg. 2002, II‑1705, Randnr. 278).

47     Für diese Auffassung spreche auch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, mit der eine Strafnorm, die als Obergrenze der Strafe das Vermögen des Verurteilten vorgesehen habe, wegen Verstoßes gegen das Bestimmtheitsgebot für nichtig erklärt worden sei (Urteil vom 20. März 2002, BvR 794/95, NJW 2002, S. 1779). Entgegen den Behauptungen des Rates enthalte § 81 Absatz 2 des deutschen Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) keine Vorschrift wie Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17, da der Gesetzgeber bewusst auf einen solchen Rahmen verzichtet habe.

48     Viertens veranschauliche die Entscheidungspraxis der Kommission die Richtigkeit dieser Auffassung. Sie sei durch erhebliche Unterschiede bei der Höhe der festgesetzten Geldbußen und durch einen sprunghaften Anstieg dieser Beträge in jüngster Zeit gekennzeichnet. Insbesondere seien acht der zehn höchsten Geldbußen seit 1998 verhängt worden, u. a. eine Rekordgeldbuße von 855,23 Millionen Euro, davon 462 Millionen Euro für ein einziges Unternehmen, im Jahr 2001 in der Rechtssache „Vitamine“ (Entscheidung K[2001] 3695 endg. der Kommission vom 21. November 2001, Sache COMP/E‑1/37.512). Der letztgenannte Betrag übersteige den Durchschnittswert der zwischen 1994 und 2000 verhängten Geldbußen um das Fünfzehnfache, und die zweithöchste Geldbuße aus dem Jahr 2001 betrage noch immer das Sechsfache dieses Durchschnittswerts (Entscheidung K[2001] 4573 endg. der Kommission vom 20. Dezember 2001, Sache COMP/E‑1/36.212 – Selbstdurchschreibepapier).

49     Fünftens könne die bestehende Regelung nicht mit der Notwendigkeit einer abschreckenden Wirkung der Geldbußen für die Unternehmen gerechtfertigt werden. Zwar müsse die genaue Höhe der Geldbuße nicht im Voraus feststellbar sein, doch ermächtige das Abschreckungsziel den Rat nicht zu dem Verzicht, „die Grenzen der der Kommission übertragenen Befugnisse deutlich anzugeben“. Außerdem habe das Fehlen eines Mindestmaßes an Vorhersehbarkeit der Geldbuße die Unternehmen in Wirklichkeit von der Kooperation mit der Kommission abgehalten. Die Möglichkeit, die zu erwartenden Konsequenzen eines Verhaltens auch nur annähernd abzuschätzen, gewährleiste im Gegenteil wie bei den nationalen Strafgesetzen weit besser den beabsichtigten abschreckenden Effekt.

50     Sechstens könne man nicht davon ausgehen, dass die Leitlinien die mangelnde Bestimmtheit des Artikels 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 ausglichen. Zum einen könnten diese Leitlinien keinen Rechtsakt im Sinne des Artikels 249 EG darstellen, und zum anderen sei nach Artikel 83 EG allein der Rat befugt, Vorschriften auf diesem Gebiet zu erlassen. Daher obliege es dem Rat, den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Strafen zu beachten. Aus den gleichen Gründen könne die dem Gerichtshof durch Artikel 17 der Verordnung Nr. 17 zuerkannte Befugnis zur unbeschränkten Nachprüfung die Rechtswidrigkeit des Artikels 15 Absatz 2 dieser Verordnung nicht kompensieren. Denn trotz dieser Befugnis obliege es in erster Linie der Kommission, die Höhe der Geldbuße festzusetzen und im Verwaltungsverfahren den Sachverhalt zu ermitteln. Zudem führten die Unbestimmtheit des Artikels 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und das Fehlen von Prüfungskriterien dazu, dass die den Gemeinschaftsgerichten eingeräumte Befugnis zur unbeschränkten Nachprüfung leer laufe. Schließlich könne von den Normadressaten nicht verlangt werden, regelmäßig um gerichtlichen Rechtsschutz nachzusuchen, weil der rechtliche Rahmen für die Festsetzung von Geldbußen nicht hinreichend bestimmt sei. Der Ausgleich von Fehlern des Gesetzgebers durch die Gemeinschaftsgerichte gehe über die der Judikative zustehenden Aufgaben hinaus und sei daher im Hinblick auf Artikel 7 Absatz 1 EG bedenklich.

51     Die Kommission hält das Vorbringen der Klägerin für unbegründet.

52     Sie führt aus, Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 stelle eine klare und unzweideutige Rechtsgrundlage dar, die die Unternehmen in die Lage versetze, die möglichen Konsequenzen ihres Handelns in hinreichendem Umfang abzusehen.

53     Außerdem müsse sie das ihr eingeräumte Ermessen unter Beachtung der in dieser Bestimmung aufgestellten Kriterien der Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung, der allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts, insbesondere der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung, sowie der Rechtsprechung des Gerichtshofes und des Gerichts ausüben. Somit müsse sie diese Grundsätze jedes Mal beachten, wenn sie ihr Ermessen ausübe (vgl. zur Beachtung des Grundsatzes der Gleichbehandlung Urteile des Gerichts vom 20. März 2002 in der Rechtssache T‑15/99, Brugg Rohrsysteme/Kommission, Slg. 2002, II‑1613, Randnrn. 149 ff., und vom 9. Juli 2003 in der Rechtssache T‑224/00, Archer Daniels Midland und Archer Daniels Midland Ingredients/Kommission, Slg. 2003, II‑2597, Randnrn. 69, 207, 281 und 308; Schlussanträge des Generalanwalts Ruiz‑Jarabo Colomer in den Rechtssachen C‑204/00 P, C‑205/00 P, C‑211/00 P, C‑213/00 P, C‑217/00 P und C‑219/00 P, Aalborg Portland u. a./Kommission, Urteil des Gerichtshofes vom 7. Januar 2004, Slg. 2004, I‑123, I‑133, Nrn. 96 ff.).

54     Entgegen den Behauptungen der Klägerin könne dem oben in Randnummer 43 angeführten Urteil BMW Belgium u. a./Kommission insoweit nicht entnommen werden, dass sich diese Kontrolle nicht auf die Entscheidung erstrecke, ob eine Geldbuße festgesetzt werde. Dass der Gerichtshof in jener Rechtssache die Möglichkeit der Kommission anerkannt habe, gegen Wiederverkäufer eine Geldbuße festzusetzen, während er dies in früheren Rechtssachen nicht getan habe, bedeute nämlich nicht, dass die Ermessensentscheidung der Kommission über die Festsetzung einer Geldbuße schrankenlos sei, da das Ermessen anhand sachlicher, dem Sinn und Zweck der Norm, die der Kommission dieses Ermessen einräume, entsprechender Gründe ausgeübt werden müsse.

55     Die Klägerin könne sich auch nicht darauf berufen, dass es sich bei der Entscheidung um eine „Überraschungsentscheidung“ handele, da es die Abschreckungswirkung der Geldbuße mit sich bringe, dass sie nicht im Voraus von den Unternehmen berechnet und mit den zu erwartenden Gewinnen verglichen werden könne. Jedenfalls habe die Klägerin nicht darauf vertrauen können, dass gegen sie keine höhere als die jeweils höchste während des Zeitraums der Zuwiderhandlung verhängte Geldbuße festgesetzt werde (oben in Randnr. 46 angeführtes Urteil LR AF 1998/Kommission, Randnr. 241, und oben in Randnr. 53 angeführtes Urteil Archer Daniels Midland und Archer Daniels Midland Ingredients/Kommission, Randnrn. 63 und 64).

56     Zudem widersprächen die Befugnis des Gerichts zur unbeschränkten Nachprüfung sowie der Erlass der – für vereinbar mit Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 erklärten – Leitlinien im Januar 1998 dem Standpunkt der Klägerin, dass die Festsetzung der Geldbuße willkürlich und intransparent sei.

57     Dem Rat könne auch nicht vorgeworfen werden, dass er unter Verstoß gegen den Vertrag Befugnisse auf die Kommission übertragen habe, da Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 aufgrund der darin genannten Kriterien nach deren Auslegung durch die Gemeinschaftsgerichte und des Erfordernisses, die allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts zu beachten, eine im Hinblick auf die mit der Festsetzung von Geldbußen verfolgten Zwecke hinreichend bestimmte Rechtsgrundlage darstelle. Die Rüge, die Leitlinien könnten die mangelnde Bestimmtheit dieser Vorschrift nicht ersetzen, sei daher gegenstandslos. Außerdem hätten die Leitlinien die Rechtssicherheit und Transparenz der Entscheidungsfindung verbessert.

58     Was schließlich die Anhebung der Geldbußen in den letzten Jahren betreffe, so rechtfertige zum einen die Steigerung der Unternehmensumsätze seit den sechziger Jahren an sich schon den der Kommission durch die angefochtene Bestimmung eingeräumten Spielraum, und zum anderen müsse die Kommission nach ständiger Rechtsprechung (Urteil des Gerichtshofes vom 7. Juni 1983 in den Rechtssachen 100/80 bis 103/80, Musique diffusion française u. a./Kommission, Slg. 1983, 1825, Randnrn. 108 und 109, oben in Randnr. 46 angeführtes Urteil LR AF 1998/Kommission, Randnr. 237, und Urteil des Gerichts vom 12. Juli 2001 in den Rechtssachen T‑202/98, T‑204/98 und T‑207/98, Tate & Lyle u. a./Kommission, Slg. 2001, II‑2035, Randnrn. 144 und 145) das Niveau der Geldbußen erhöhen können, um deren abschreckende Wirkung zu verstärken. Dieses Ermessen sei jedoch nicht schrankenlos, da der Gerichtshof und das Gericht prüften, ob die von der Kommission beschlossenen Erhöhungen durch das angegebene Interesse gerechtfertigt seien (Urteile des Gerichts vom 14. Mai 1998 in der Rechtssache T‑334/94, Sarrió/Kommission, Slg. 1998, II‑1439, Randnrn. 323 bis 335, und vom 20. März 2002 in der Rechtssache T‑16/99, Lögstör Rör/Kommission, Slg. 2002, II‑1633, Randnr. 251). Trotz dieser Anhebung des Niveaus der Geldbußen seien offenkundige und gravierende Wettbewerbsverstöße von langer Dauer immer noch verhältnismäßig häufig.

59     Der dem Rechtsstreit beigetretene Rat vertritt die Ansicht, dass die Einrede der Rechtswidrigkeit des Artikels 15 der Verordnung Nr. 17 als unbegründet zurückzuweisen sei. Er räumt ein, dass eine Geldbuße, auch wenn es sich dabei um eine Sanktion ohne strafrechtlichen Charakter handele, auf einer klaren und unzweideutigen Rechtsgrundlage beruhen müsse. Artikel 15 der Verordnung Nr. 17 erfülle jedoch diese Anforderungen. Außerdem könne der Grundsatz „nulla poena sine lege“ nur auf Strafen Anwendung finden, was bei den nach Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 festgesetzten Geldbußen gemäß dessen Absatz 4 nicht der Fall sei. Die diesem Grundsatz entnommenen Anforderungen seien daher auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar (oben in Randnr. 37 angeführtes Urteil Maizena, Randnr. 14, und Urteil des EGMR vom 9. Februar 1995, Welch/Vereinigtes Königreich, Serie A, Nr. 307).

60     Außerdem sei die Höhe der Sanktion hinreichend bestimmt, da Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 eine Obergrenze für die Geldbuße nach Maßgabe des Umsatzes des betroffenen Unternehmens vorsehe. Eine absolute Obergrenze sei ungeeignet, da die Entscheidungen der Kommission einzelfallbezogen seien. Im Übrigen sei das Ermessen der Kommission weit davon entfernt, uneingeschränkt zu sein, sondern werde durch die zwingende Berücksichtigung der in diesem Artikel vorgesehenen Kriterien der Dauer und Schwere der Zuwiderhandlung beschränkt. Außerdem müsse die Kommission den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und das Diskriminierungsverbot beachten.

61     Es wäre schwierig, einen restriktiveren Rahmen festzulegen, der die Berücksichtigung der Umstände jeder einzelnen Zuwiderhandlung in deren Kontext zuließe, und eine hinreichende Abschreckungswirkung zu gewährleisten. Im Übrigen habe das Gericht die Gültigkeit von Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 nie in Zweifel gezogen, sondern bejaht (oben in Randnr. 58 angeführtes Urteil Tate & Lyle u. a./Kommission, Randnrn. 98 bis 101).

62     Was die Rüge der Klägerin angehe, dass die Praxis der Kommission durch enorme Unterschiede bei der Höhe der festgesetzten Geldbußen und durch einen sprunghaften Anstieg in jüngster Zeit gekennzeichnet sei, so spiegelten diese Feststellungen nur den Umstand wider, dass die betreffenden Unternehmen unterschiedliche Umsätze hätten und dass die Größe der betroffenen Unternehmen zunehme.

63     Unrichtig sei auch die Behauptung, bei der Kommission kämen die Aufgaben der Untersuchungsbehörde, des Anklägers und des Richters zusammen, da sie einer unbeschränkten gerichtlichen Kontrolle unterliege und daher nicht als Richter in eigener Sache bezeichnet werden könne.

64     Das Gleiche gelte für die Behauptung, der Rat habe seine Befugnis zur Einführung von Geldbußen auf die Kommission übertragen. Die Übertragung auf die Kommission betreffe lediglich die Befugnis, auf der Grundlage von Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17, der Ausdruck der Befugnis des Rates sei, Entscheidungen zu treffen. Dies stehe in Einklang mit Artikel 202 dritter Gedankenstrich EG.

65     Schließlich sei darauf hinzuweisen, dass es entgegen den Behauptungen der Klägerin auf der Ebene der Mitgliedstaaten, insbesondere in Schweden und in Deutschland, vergleichbare Vorschriften gebe.

2.     Würdigung durch das Gericht

66     Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes ist der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Strafen ein Korrelat des Grundsatzes der Rechtssicherheit, bei dem es sich um einen allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts handelt und der insbesondere verlangt, dass jede Gemeinschaftsregelung, insbesondere wenn sie die Verhängung von Sanktionen vorschreibt oder gestattet, klar und bestimmt ist, damit die Betroffenen ihre Rechte und Pflichten unzweideutig erkennen und somit ihre Vorkehrungen treffen können (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofes vom 9. Juli 1981 in der Rechtssache 169/80, Gondrand Frères und Garancini, Slg. 1981, 1931, Randnr. 17, oben in Randnr. 37 angeführtes Urteil Maizena, Randnr. 15, Urteil des Gerichtshofes vom 13. Februar 1996 in der Rechtssache C‑143/93, Van Es Douane Agenten, Slg. 1996, I‑431, Randnr. 27, und oben in Randnr. 35 angeführtes Urteil X, Randnr. 25).

67     Dieser Grundsatz, der zu den gemeinsamen Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten gehört und in verschiedenen völkerrechtlichen Verträgen, u. a. in Artikel 7 EMRK, verankert wurde, ist sowohl bei Normen mit strafrechtlichem Charakter als auch bei spezifischen verwaltungsrechtlichen Instrumenten zu beachten, die die Verhängung von Sanktionen durch die Verwaltung vorschreiben oder gestatten (vgl. das oben in Randnr. 37 angeführte Urteil Maizena, Randnrn. 14 und 15 und die dort genannte Rechtsprechung). Er gilt nicht nur für Normen, die die Bestandteile einer Zuwiderhandlung festlegen, sondern auch für diejenigen, die die Folgen einer Zuwiderhandlung gegen Erstere regeln (vgl. in diesem Sinne das oben in Randnr. 35 angeführte Urteil X, Randnrn. 22 und 25).

68     Artikel 7 Absatz 1 EMRK lautet:

„Niemand darf wegen einer Handlung oder Unterlassung verurteilt werden, die zur Zeit ihrer Begehung nach innerstaatlichem oder internationalem Recht nicht strafbar war. Es darf auch keine schwerere als die zur Zeit der Begehung angedrohte Strafe verhängt werden.“

69     Nach Ansicht des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte geht aus dieser Bestimmung hervor, dass die Zuwiderhandlungen und die Strafen, mit denen sie bedroht sind, gesetzlich klar definiert sein müssen. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn der Bürger dem Wortlaut der einschlägigen Bestimmung und gegebenenfalls ihrer Auslegung durch die Gerichte entnehmen kann, welche Handlungen und Unterlassungen seine strafrechtliche Haftung auslösen (EGMR, Urteil Coëme/Belgien vom 22. Juni 2000, Recueil des arrêts et décisions 2000‑VII, § 145).

70     Der Rat trägt vor, das Gericht könne sich bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit von Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 nicht durch Artikel 7 Absatz 1 EMRK und die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zu diesem Artikel leiten lassen, da nach Artikel 15 Absatz 4 der Verordnung Nr. 17 u. a. die Entscheidungen der Kommission aufgrund von Absatz 2 dieser Bestimmung nicht strafrechtlicher Art seien.

71     Ohne dass über die Frage entschieden zu werden braucht, ob Artikel 7 Absatz 1 EMRK insbesondere aufgrund von Art und Schwere der von der Kommission gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 verhängten Geldbußen auf solche Sanktionen Anwendung findet, ist festzustellen, dass auch dann, wenn Artikel 7 Absatz 1 EMRK auf solche Sanktionen anwendbar sein sollte, aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte hervorgeht, dass es zur Erfüllung der Anforderungen dieser Bestimmung nicht erforderlich ist, dass die Vorschriften, aufgrund deren die Sanktionen verhängt werden, so genau formuliert sind, dass die möglichen Folgen eines Verstoßes gegen sie mit absoluter Gewissheit vorhersehbar sind.

72     Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte führt die Existenz vager Begriffe in einer Bestimmung nicht zwangsläufig zu einem Verstoß gegen Artikel 7 EMRK, und die Tatsache, dass ein Gesetz ein Ermessen verleiht, verletzt als solche nicht das Erfordernis der Vorhersehbarkeit, sofern der Umfang und die Modalitäten der Ausübung eines solchen Ermessens im Hinblick auf das in Rede stehende legitime Ziel hinreichend deutlich festgelegt sind, um dem Einzelnen angemessenen Schutz vor Willkür zu gewähren (EGMR, oben in Randnr. 36 angeführtes Urteil Margareta und Roger Andersson/Schweden, § 75). Dabei berücksichtigt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte neben dem Wortlaut des Gesetzes die Frage, ob die verwendeten unbestimmten Begriffe durch eine ständige und veröffentlichte Rechtsprechung präzisiert wurden (Urteil G./Frankreich vom 27. September 1995, Serie A, Nr. 325‑B, § 25).

73     Im Übrigen führt die Berücksichtigung der gemeinsamen Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten nicht zu einer anderen Auslegung des allgemeinen Grundsatzes des Gemeinschaftsrechts, um den es sich bei dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Strafen handelt. Zu dem Vorbringen der Klägerin, das auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 20. März 2002 (siehe oben, Randnr. 47) – falls es sich im Rahmen der gegen Unternehmen wegen Verletzung der Wettbewerbsregeln verhängten Geldbußen als relevant erweisen sollte – und auf § 81 Absatz 2 GWB, der angeblich keine mit Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 vergleichbare Bestimmung enthält, gestützt wird, ist festzustellen, dass eine gemeinsame Verfassungstradition der Mitgliedstaaten nicht aus der Rechtslage in nur einem Mitgliedstaat abgeleitet werden kann. Wie der Rat ausgeführt und die Klägerin nicht bestritten hat, sehen die einschlägigen Rechtsnormen anderer Mitgliedstaaten bei der Verhängung von Verwaltungssanktionen z. B. wegen Verletzung der nationalen Wettbewerbsvorschriften vielmehr ähnliche Obergrenzen wie Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 oder sogar ähnliche oder identische Kriterien wie diese Gemeinschaftsbestimmung vor; der Rat verweist insoweit auf das Beispiel des Königreichs Schweden.

74     Zur Gültigkeit von Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 im Hinblick auf den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Strafen, wie er vom Gemeinschaftsrichter in Einklang mit den von der EMRK gelieferten Anhaltspunkten und den Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten anerkannt worden ist, ist festzustellen, dass die Kommission entgegen dem Vorbringen der Klägerin bei der Festsetzung von Geldbußen wegen Verletzung der Wettbewerbsregeln nicht über ein unbegrenztes Ermessen verfügt.

75     Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 selbst schränkt nämlich das Ermessen der Kommission ein. Zum einen heißt es darin, dass die Kommission „gegen Unternehmen und Unternehmensvereinigungen durch Entscheidung Geldbußen in Höhe von eintausend bis einer Million [Euro] oder über diesen Betrag hinaus bis zu zehn vom Hundert des von dem einzelnen an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen im letzten Geschäftsjahr erzielten Umsatzes festsetzen [kann]“; damit sieht er eine Obergrenze der Geldbußen anhand des Umsatzes der betreffenden Unternehmen, d. h. anhand eines objektiven Kriteriums, vor. Auch wenn es somit, wie die Klägerin vorträgt, keine für alle Zuwiderhandlungen gegen die Wettbewerbsregeln geltende absolute Obergrenze gibt, besteht für die mögliche Geldbuße doch eine bezifferbare und absolute Obergrenze, die bei jedem Unternehmen für jeden Fall der Zuwiderhandlung in einer Weise berechnet wird, bei der der Höchstbetrag der möglichen Geldbuße im Voraus bestimmbar ist. Zum anderen ist die Kommission nach dieser Bestimmung verpflichtet, bei der Festsetzung der Geldbußen in jedem Einzelfall „neben der Schwere des Verstoßes auch die Dauer der Zuwiderhandlung zu berücksichtigen“.

76     Es ist zwar richtig, dass diese beiden Kriterien der Kommission ein weites Ermessen belassen, doch ändert dies nichts daran, dass es sich um Kriterien handelt, die von anderen Gesetzgebern bei vergleichbaren Bestimmungen herangezogen wurden und die es der Kommission erlauben, Sanktionen unter Berücksichtigung des Grades der Rechtswidrigkeit des fraglichen Verhaltens zu verhängen. Daher ist in diesem Stadium davon auszugehen, dass Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17, auch wenn er der Kommission ein gewisses Ermessen belässt, die Kriterien und Grenzen festlegt, die sie bei der Ausübung ihrer Befugnis im Bereich der Geldbußen zu beachten hat.

77     Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission bei der Festlegung von Geldbußen gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 die allgemeinen Rechtsgrundsätze und insbesondere die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit zu beachten hat, wie sie durch die Rechtsprechung des Gerichtshofes und des Gerichts entwickelt wurden.

78     Entgegen dem Vorbringen der Klägerin gelten die Grenzen des soeben beschriebenen Ermessens der Kommission auch für die Entscheidung über die Verhängung einer Geldbuße, insbesondere wenn die Kommission die Mitteilung über Zusammenarbeit anwendet, deren Gültigkeit im Übrigen nicht in Frage gestellt wird. Insoweit kann aus der Tatsache, dass der Gerichtshof in dem von der Klägerin genannten Urteil (oben in Randnr. 43 angeführtes Urteil BMW Belgium u. a./Kommission, Randnr. 53) anerkannt hat, dass der Umstand, dass die Kommission in früheren Fällen gleicher Art die Festsetzung einer Geldbuße gegen bestimmte Wirtschaftsteilnehmer nicht für erforderlich gehalten hat, nicht zum Wegfall dieser ihr ausdrücklich durch die Verordnung Nr. 17 verliehenen Befugnis führen kann, sofern die Voraussetzungen für deren Ausübung vorliegen, nicht geschlossen werden, dass es im Ermessen der Kommission stünde, keine Geldbuße zu verhängen, ohne dass sie dabei verpflichtet wäre, die Selbstbeschränkung der Ausübung ihres Ermessens durch die Leitlinien und die Mitteilung über Zusammenarbeit und vor allem die allgemeinen Rechtsgrundsätze, insbesondere die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit, sowie allgemein die praktische Wirksamkeit der Artikel 81 EG und 82 EG und den aus Artikel 4 Absatz 1 EG folgenden Grundsatz des freien Wettbewerbs zu beachten.

79     Hinzuzufügen ist noch, dass der Gerichtshof und das Gericht nach Artikel 229 EG und Artikel 17 der Verordnung Nr. 17 mit einer Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung über Klagen gegen die Entscheidungen befinden, mit denen die Kommission Geldbußen festsetzt, und somit nicht nur die Entscheidungen der Kommission für nichtig erklären, sondern auch die verhängte Geldbuße aufheben, herabsetzen oder erhöhen können. Die Verwaltungspraxis der Kommission unterliegt mithin der unbeschränkten Kontrolle durch den Gemeinschaftsrichter. Entgegen dem Vorbringen der Klägerin veranlasst diese Kontrolle den Gemeinschaftsrichter nicht zur Überschreitung seiner Kompetenzen unter Verstoß gegen Artikel 7 Absatz 1 EG, denn zum einen ist eine solche Kontrolle in den genannten Bestimmungen, deren Gültigkeit nicht bestritten wird, ausdrücklich vorgesehen und zum anderen übt der Gemeinschaftsrichter sie unter Beachtung der in Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 aufgestellten Kriterien aus. Daher hat es gerade die vom Gemeinschaftsrichter ausgeübte Kontrolle ermöglicht, durch eine ständige und veröffentlichte Rechtsprechung etwaige unbestimmte Begriffe in Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 zu präzisieren.

80     Im Übrigen hat die Kommission selbst auf der Grundlage der in Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 herangezogenen und durch die Rechtsprechung des Gerichtshofes und des Gerichts präzisierten Kriterien eine bekannte und zugängliche Verwaltungspraxis entwickelt. Auch wenn die Entscheidungspraxis der Kommission nicht selbst den rechtlichen Rahmen für Geldbußen in Wettbewerbssachen bildet (vgl. Urteil des Gerichts vom 18. Juli 2005 in der Rechtssache T‑241/01, Scandinavian Airlines System/Kommission, Slg. 2005, I‑00000, Randnr. 87 und die dort genannte Rechtsprechung), darf die Kommission nach dem Grundsatz der Gleichbehandlung weder vergleichbare Sachverhalte unterschiedlich noch unterschiedliche Sachverhalte gleichbehandeln, sofern eine Differenzierung nicht objektiv gerechtfertigt ist (Urteil des Gerichtshofes vom 13. Dezember 1984 in der Rechtssache 106/83, Sermide, Slg. 1984, 4209, Randnr. 28, und Urteil des Gerichts vom 14. Mai 1998 in der Rechtssache T‑311/94, BPB de Eendracht/Kommission, Slg. 1998, II‑1129, Randnr. 309).

81     Außerdem kann die Kommission nach ständiger Rechtsprechung das Niveau der Geldbußen jederzeit anheben, wenn die wirksame Anwendung der Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft dies verlangt (oben in Randnr. 58 angeführtes Urteil Musique diffusion française u. a./Kommission, Randnr. 109, und oben in Randnr. 46 angeführtes Urteil LR AF 1998/Kommission, Randnrn. 236 und 237), so dass eine solche Änderung einer Verwaltungspraxis als durch das Ziel, Zuwiderhandlungen gegen die Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft generell zu verhindern, objektiv gerechtfertigt angesehen werden kann. Die von der Klägerin behauptete und gerügte Erhöhung des Niveaus der Geldbußen in jüngster Zeit kann daher als solche nicht als Verstoß gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Strafen angesehen werden, da sie nicht über den in Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 in dessen Auslegung durch die Gemeinschaftsgerichte festgelegten Rahmen hinausgeht.

82     Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die Kommission im Bestreben nach Transparenz und zur Erhöhung der Rechtssicherheit der betroffenen Unternehmen Leitlinien veröffentlicht hat, in denen sie die Berechnungsmethode darlegt, zu deren Anwendung sie sich in jedem Einzelfall verpflichtet. Insoweit hat der Gerichtshof im Übrigen die Ansicht vertreten, dass die Kommission dadurch, dass sie derartige Verhaltensnormen erlassen und durch deren Veröffentlichung angekündigt hat, dass sie sie künftig auf die von diesen Normen erfassten Fälle anwenden werde, selbst die Ausübung ihres Ermessens beschränkt und nicht von diesen Normen abweichen kann, ohne gegebenenfalls wegen Verstoßes gegen allgemeine Rechtsgrundsätze wie die Gleichbehandlung und den Vertrauensschutz mit einer Sanktion belegt zu werden. Außerdem stellen die Leitlinien zwar nicht die Rechtsgrundlage der Entscheidung dar, doch enthalten sie eine allgemeine und abstrakte Regelung des Verfahrens, das sich die Kommission zur Festsetzung der in dieser Entscheidung verhängten Geldbußen auferlegt hat, und schaffen damit Rechtssicherheit für die Unternehmen (Urteil des Gerichtshofes vom 28. Juni 2005 in den Rechtssachen C‑189/02 P, C‑202/02 P, C‑205/02 P bis C‑208/02 P und C‑213/02 P, Dansk Rørindustri u. a./Kommission Slg. 2005, I‑5425, Randnrn. 211 und 213). Folglich kann entgegen dem Vorbringen der Klägerin nicht von einer Unzuständigkeit der Kommission für den Erlass der Leitlinien ausgegangen werden, da sich ihr Erlass in den durch Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 vorgegebenen rechtlichen Rahmen einfügte und nur zur Klarstellung der Grenzen für die Ausübung des der Kommission durch diese Bestimmung bereits eingeräumten Ermessens beigetragen hat.

83     Somit kann ein verständiger Wirtschaftsteilnehmer im Hinblick auf die verschiedenen oben genannten Anhaltspunkte – falls erforderlich mit Hilfe eines Rechtsberaters – in hinreichend genauer Weise die Methode und die Größenordnung der Geldbußen vorhersehen, die ihm bei einem bestimmten Verhalten drohen. Dass dieser Wirtschaftsteilnehmer das Niveau der Geldbußen, die die Kommission in jedem Einzelfall verhängen wird, nicht im Voraus genau erkennen kann, stellt keine Verletzung des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Strafen dar, da aufgrund der Schwere der von der Kommission zu ahndenden Zuwiderhandlungen die Ziele der Repression und der Abschreckung es rechtfertigen, dass die Unternehmen daran gehindert sind, den Nutzen einzuschätzen, den sie aus ihrer Beteiligung an einer Zuwiderhandlung ziehen würden, indem sie im Voraus die Höhe der Geldbuße berücksichtigen, die ihnen aufgrund dieses rechtswidrigen Verhaltens auferlegt würde.

84     Auch wenn die Unternehmen nicht in der Lage sind, das Niveau der Geldbußen, die die Kommission in jedem Einzelfall verhängen wird, im Voraus genau zu erkennen, ist insoweit darauf hinzuweisen, dass die Kommission nach Artikel 253 EG verpflichtet ist, in der Entscheidung, mit der eine Geldbuße festgesetzt wird, ungeachtet des im Allgemeinen bekannten Kontextes der Entscheidung eine Begründung u. a. für die Höhe der verhängten Geldbuße und die dabei angewandte Methode zu geben. Diese Begründung muss die Überlegungen der Kommission so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, dass es den Betroffenen möglich ist, Kenntnis von den Gründen für die getroffene Maßnahme zu erlangen, damit sie die Zweckmäßigkeit der Anrufung des Gemeinschaftsrichters beurteilen können, und dass dieser gegebenenfalls die ihm obliegende Kontrolle wahrnehmen kann.

85     Schließlich ist das Argument unbegründet, dass der Rat durch die Festlegung des Rahmens der Geldbuße in Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 de facto eine nach dem Vertrag ihm zustehende Befugnis unter Verstoß gegen die Artikel 83 EG und 229 EG auf die Kommission übertragen habe.

86     Zum einen belässt Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 zwar, wie bereits ausgeführt, der Kommission ein weites Ermessen, doch beschränkt er dessen Ausübung durch die Einführung objektiver Kriterien, an die sich die Kommission halten muss. Zum anderen hat der Rat in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass die Verordnung Nr. 17 auf der Grundlage von Artikel 83 Absatz 1 EG erlassen wurde, in dem es heißt: „Die zweckdienlichen Verordnungen oder Richtlinien zur Verwirklichung der in den Artikeln 81 [EG] und 82 [EG] niedergelegten Grundsätze werden vom Rat … auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Europäischen Parlaments beschlossen.“ Diese Verordnungen oder Richtlinien bezwecken nach Artikel 83 Absatz 2 Buchstaben a und d EG insbesondere, „die Beachtung der in Artikel 81 Absatz 1 [EG] und Artikel 82 [EG] genannten Verbote durch die Einführung von Geldbußen und Zwangsgeldern zu gewährleisten“ und „die Aufgaben der Kommission und des Gerichtshofes bei der Anwendung der in diesem Absatz vorgesehenen Vorschriften gegeneinander abzugrenzen“. Im Übrigen hat die Kommission nach Artikel 211 erster Gedankenstrich EG „für die Anwendung dieses Vertrags sowie der von den Organen aufgrund dieses Vertrags getroffenen Bestimmungen Sorge zu tragen“, und nach dem dritten Gedankenstrich dieses Artikels kann sie dabei „in eigener Zuständigkeit Entscheidungen … treffen“.

87     Folglich kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Befugnis, bei Verstößen gegen die Artikel 81 EG und 82 EG Geldbußen zu verhängen, ursprünglich dem Rat zustand, der sie auf die Kommission übertragen oder diese im Sinne von Artikel 202 dritter Gedankenstrich EG mit der Durchführung betraut hat. Nach den vorgenannten Bestimmungen des Vertrages gehört diese Befugnis zur Rolle der Kommission, über die Anwendung des Gemeinschaftsrechts zu wachen, wobei diese Rolle in Bezug auf die Anwendung der Artikel 81 EG und 82 EG durch die Verordnung Nr. 17 präzisiert, umrahmt und formalisiert wurde. Die der Kommission durch diese Verordnung eingeräumte Befugnis zur Verhängung von Geldbußen ergibt sich somit aus den Bestimmungen des Vertrages selbst und soll die effektive Anwendung der in den genannten Artikeln vorgesehenen Verbote ermöglichen (vgl. in diesem Sinne das oben in Randnr. 58 angeführte Urteil Tate & Lyle u. a./Kommission, Randnr. 133). Daher ist das Argument der Klägerin zurückzuweisen.

88     Aus all diesen Erwägungen folgt, dass die in Bezug auf Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 erhobene Einrede der Rechtswidrigkeit als unbegründet zurückzuweisen ist.

B –  Zur Auslegung von Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 im Licht des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Strafen

89     Für den Fall, dass das Gericht Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 nicht für ungültig erklären sollte, macht die Klägerin hilfsweise geltend, dass diese Bestimmung nach dem Vorbild der Entscheidungspraxis der Kommission und der Rechtsprechung zu den Artikeln 81 EG und 82 EG im Hinblick auf den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Strafen konkretisiert und eng ausgelegt werden müsse. Sie macht insoweit einige Vorschläge, die eine hinreichende Vorhersehbarkeit der Geldbuße ermöglichen sollen, und beantragt die Nichtigerklärung der Entscheidung.

90     Die Kommission und der Rat halten diese Argumente für unbegründet.

91     Insoweit genügt es, zunächst festzustellen, dass die im Rahmen des zweiten, hilfsweise geltend gemachten Teils des Klagegrundes der Verletzung des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Strafen vorgetragenen Argumente der Klägerin zum Teil nur eine Wiederholung bestimmter bereits im Rahmen des ersten Teils dieses Klagegrundes entwickelter Argumente darstellen, die gegen die Entscheidungspraxis der Kommission, wie sich aus der Anwendung der Leitlinien ergibt, und gegen die Entscheidung gerichtet werden, soweit sie diese Praxis verdeutlicht. Abgesehen davon, dass die Entscheidungspraxis der Kommission nicht Gegenstand einer Nichtigkeitsklage sein kann, ist aber daran zu erinnern, dass Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 nach den obigen Ausführungen nicht gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Strafen verstößt und dass die Entscheidungspraxis der Kommission und die Leitlinien unter der Kontrolle durch die Gemeinschaftsgerichte gerade dazu beigetragen haben, die Rechtssicherheit für die Unternehmen zu erhöhen. Die Entscheidung kann nicht allein deshalb als rechtswidrig angesehen werden, weil sie einen Anwendungsfall der angeblich rechtswidrigen Entscheidungspraxis der Kommission bei Geldbußen darstellt. Diese Rügen gehen daher fehl.

92     Soweit die Klägerin im Rahmen des vorliegenden Teils des Klagegrundes sodann Argumente in Bezug auf die angeblich fehlende Begründung der Entscheidung – insbesondere hinsichtlich der Bestimmung des Grundbetrags, der tatsächlichen Auswirkungen der Zuwiderhandlung auf den Markt und der Erhöhung der Geldbuße zur Erzielung einer hinreichenden Abschreckungswirkung – vorträgt, ist festzustellen, dass diese Argumente im Wesentlichen zum dritten Klagegrund gehören, der speziell die Frage der Begründung der Entscheidung betrifft, und deshalb in dessen Rahmen zu prüfen sind.

93     Schließlich bestehen die übrigen Argumente der Klägerin in allgemeinen und theoretischen Erwägungen zu der Entscheidungspraxis, die die Kommission verfolgen sollte, zu neuen Bestimmungen, die der Rat erlassen sollte, sowie zu Fortentwicklungen der Rechtsprechung, die das Gericht vornehmen sollte; mit ihnen wird daher keine Rüge rechtlicher Art gegen die Entscheidung erhoben, so dass sie zurückzuweisen sind.

94     In der Erwiderung und in der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin hinzugefügt, dass es sich bei dem Umsatz, auf den sich die Obergrenze der Geldbuße von 10 % des im letzten Geschäftsjahr vor Erlass der Bußgeldentscheidung erzielten Umsatzes beziehe, um den Umsatz auf dem relevanten Markt und nicht um den gesamten Umsatz handeln müsse.

95     Soweit aus dieser Behauptung abgeleitet werden könnte, dass die Klägerin die Entscheidung mit der Begründung anfechten will, dass gegen sie eine Geldbuße verhängt worden sei, die 10 % ihres Umsatzes auf dem Markt für Methionin im letzten Geschäftsjahr vor Erlass der Entscheidung übersteige, genügt – ohne dass geprüft zu werden braucht, ob diese Argumentation im Hinblick auf Artikel 48 § 2 der Verfahrensordnung zulässig ist und ob insbesondere ein enger Zusammenhang zwischen ihr und einem der Klagegründe in der Klageschrift besteht – der Hinweis, dass weder nach der Verordnung Nr. 17 noch nach der Rechtsprechung oder den Leitlinien der Bußgeldbetrag unmittelbar anhand des Umfangs des betroffenen Marktes festzusetzen ist, denn dieser Faktor ist nur ein Gesichtspunkt neben anderen. Nach der Verordnung Nr. 17 in ihrer Auslegung durch die Rechtsprechung muss die Geldbuße, die gegen ein Unternehmen wegen einer Zuwiderhandlung im Bereich des Wettbewerbs verhängt wird, in angemessenem Verhältnis zu der Zuwiderhandlung als Ganzes unter Berücksichtigung u. a. ihrer Schwere stehen (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichts vom 6. Oktober 1994 in der Rechtssache T‑83/91, Tetra Pak/Kommission, Slg. 1994, II‑755, Randnr. 240, und analog dazu Urteil vom 21. Oktober 1997 in der Rechtssache T‑229/94, Deutsche Bahn/Kommission, Slg. 1997, II‑1689, Randnr. 127). Wie der Gerichtshof in Randnummer 120 seines oben in Randnummer 58 angeführten Urteils Musique diffusion française u. a./Kommission bestätigt hat, sind bei der Beurteilung der Schwere einer Zuwiderhandlung sehr viele Faktoren zu berücksichtigen, deren Charakter und Bedeutung von der Art der fraglichen Zuwiderhandlung und deren besonderen Umständen abhängen (Urteil des Gerichts vom 8. Juli 2004 in den Rechtssachen T‑67/00, T‑68/00, T‑71/00 und T‑78/00, JFE Engineering/Kommission, Slg. 2004, II‑00000, Randnr. 532).

96     Insoweit ist ferner darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung der einzige ausdrückliche Hinweis auf den Umsatz des fraglichen Unternehmens, nämlich die in Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 für die Bemessung von Geldbußen festgelegte Obergrenze von 10 % des Umsatzes, den weltweiten Gesamtumsatz des Unternehmens betrifft (vgl. in diesem Sinne das oben in Randnr. 58 angeführte Urteil Musique diffusion française u. a./Kommission, Randnr. 119) und nicht dessen Umsatz auf dem Markt, der von dem geahndeten Wettbewerbsverstoß betroffen ist. Wie aus derselben Randnummer dieses Urteils hervorgeht, sollen mit dieser Obergrenze Geldbußen vermieden werden, die außer Verhältnis zur Größe des Unternehmens als Ganzes stehen (oben in Randnr. 95 angeführtes Urteil JFE Engineering/Kommission, Randnr. 533).

97     Folglich ist der zweite Teil des ersten Klagegrundes zurückzuweisen.

98     Infolgedessen ist der erste Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

II –  Zum zweiten, auf einen Beurteilungsfehler in Bezug auf den einheitlichen und fortgesetzten Charakter und auf die Dauer der Zuwiderhandlung gestützten Klagegrund

99     Die Klägerin bestreitet in erster Linie, an einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung von Februar 1986 bis Februar 1999 teilgenommen zu haben. Sie räumt ihre Beteiligung an einer Zuwiderhandlung in der Zeit von 1986 bis 1988 und nach 1992 ein, behauptet aber, das wettbewerbswidrige Verhalten sei zum einen zwischen 1988 und 1992 unterbrochen und zum anderen Ende 1997 endgültig aufgegeben worden. Hilfsweise trägt sie vor, die Kommission hätte jedenfalls dem Umstand Rechnung tragen müssen, dass die Vereinbarungen zumindest von 1988 bis 1992 und nach 1997 ausgesetzt worden seien.

A –  Zur Unterbrechung der Zuwiderhandlung zwischen 1988 und 1992

1.     Argumente der Parteien

100   Die Klägerin trägt vor, dass die Gipfeltreffen und die wettbewerbswidrigen Vereinbarungen im Anschluss an den Rückzug von Sumitomo aus dem Kartell 1988 eingestellt und erst 1992 wieder aufgenommen worden seien.

101   Sie vertritt zunächst die Ansicht, mit der Behauptung in Randnummer 212 der Entscheidung, dass nicht als bewiesen angesehen werden könne, dass das Kartell zwischen 1988 und 1992 ausgesetzt worden sei, da die Kartellteilnehmer nicht ihre Absicht mitgeteilt hätten, die Vereinbarungen zu ändern oder aufzugeben, und mit der Annahme in den Randnummern 251 ff. der Entscheidung, daraus, dass die Kartellteilnehmer einander nie ihre Absicht mitgeteilt hätten, die Vereinbarungen zu beenden, sei zu schließen, dass es nicht zur Bildung eines neuen Kartells, sondern nur zur organischen Fortentwicklung eines komplexen Kartellgefüges gekommen sei, habe die Kommission stillschweigend eingeräumt, dass sie über keinen unmittelbaren Beweis für die Existenz des Kartells zwischen 1988 und 1992 verfüge. Somit habe sie sich unter Missachtung der Anforderungen an die Beweisführung und des Grundsatzes „in dubio pro reo“ auf Unterstellungen und von ihr angenommene Verhaltenspflichten gestützt (Urteile des Gerichtshofes vom 16. Dezember 1975 in den Rechtssachen 40/73 bis 48/73, 50/73, 54/73 bis 56/73, 111/73, 113/73 und 114/73, Suiker Unie u. a./Kommission, Slg. 1975, 1663, Randnr. 354, vom 14. Februar 1978 in der Rechtssache 27/76, United Brands/Kommission, Slg. 1978, 207, Randnrn. 261 bis 266, und vom 28. März 1984 in den Rechtssachen 29/83 und 30/83, CRAM und Rheinzink/Kommission, Slg. 1984, 1679, Randnr. 16). Im Übrigen sei die gegenseitige Mitteilung der Absicht, eine Vereinbarung aufzugeben, keineswegs Voraussetzung für die Beendigung einer wettbewerbswidrigen Vereinbarung (oben in Randnr. 46 angeführtes Urteil LR AF 1998/Kommission, Randnrn. 59 ff.). Daher obliege es nicht der Klägerin, zu beweisen, dass sie während des in Betracht gezogenen Zeitraums nicht an der Zuwiderhandlung beteiligt gewesen sei, sondern der Kommission, den Beweis für ihre tatsächliche Beteiligung zu erbringen (Urteil des Gerichtshofes vom 17. Dezember 1998 in der Rechtssache C‑185/95 P, Baustahlgewebe/Kommission, Slg. 1998, I‑8417, Randnr. 58).

102   Sodann macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, dass die Kommission die verschiedenen Unterlagen, die die Existenz eines Kartells zwischen 1988 und 1992 belegen sollten, fehlerhaft gewürdigt habe.

103   Erstens werde bei der Darstellung des Sachverhalts durch Nippon Soda in deren Stellungnahme vom 23. Februar 2000, auf die sich die Kommission stütze, nur an einer Stelle erwähnt, dass es zwischen 1988 und 1990 Treffen gegeben habe, die in verschiedener Form und ausschließlich auf Betriebs‑/Verkaufsleiterebene bis 13. Mai 1998 stattgefunden hätten. Die Kommission lasse aber außer Acht, dass die Erklärungen von Nippon Soda zum einen bestätigten, dass die Gipfeltreffen 1988 beendet worden seien, und zum anderen, dass sich die Treffen auf Betriebs‑/Verkaufsleiterebene zwischen 1988 und 1990 nur darauf bezogen hätten, wie sich die Teilnehmer gegen den Wettbewerb von Monsanto schützen könnten und wie ein Informationsaustausch aussehen könne, der keine Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht darstelle.

104   Was zweitens den von Nippon Soda vorgelegten Vermerk vom 5. Mai 1990 (im Folgenden: Vermerk vom 5. Mai 1990) betreffe, dem die Kommission entnehme, dass 1989 ein Treffen stattgefunden habe, so würden darin vielmehr einleitend die Gründe genannt, aus denen die geschäftliche Zusammenarbeit 1989 zusammengebrochen sei, nämlich eine Kontroverse zwischen Sumitomo auf der einen und Degussa und Rhône-Poulenc auf der anderen Seite. Außerdem heiße es in dem Vermerk vom 5. Mai 1990, dass das Treffen vom August 1989 dazu gedient habe, Degussa davon abzubringen, Methionin mit Rabatt zu verkaufen. Aus dem Vermerk gehe jedoch hervor, dass Degussa alle Bemühungen, sie davon abzuhalten, kategorisch zurückgewiesen habe, da sie das geschäftliche Ziel verfolgt habe, Monsanto und Sumitomo Konkurrenz zu machen. Dieses Treffen könne daher höchstens als Versuch von Nippon Soda und Rhône-Poulenc angesehen werden, die Klägerin zur Teilnahme an einer Zuwiderhandlung anzustiften, und beweise jedenfalls, dass bei ihr keine wettbewerbswidrige Einstellung vorgelegen habe.

105   Im Übrigen habe die Kommission in den Randnummern 103 bis 106 der Entscheidung aus dem Vermerk vom 5. Mai 1990 zu Unrecht abgeleitet, dass es zu einer Anfrage über die Möglichkeit eines neuen Treffens gekommen, aber nicht bekannt sei, ob ein entsprechendes Treffen stattgefunden habe; Nippon Soda stelle darin vielmehr fest, dass eine gemeinsame Einschätzung für den Verkaufspreis nicht habe erreicht werden können, da auch Rhône-Poulenc nicht an einer gemeinsamen Preispolitik interessiert gewesen sei.

106   Schließlich werde im Vermerk vom 5. Mai 1990 der Schluss gezogen, dass „alles für die Annahme spricht, dass Degussa sich nicht sehr dafür interessiert, was Rhône-Poulenc tatsächlich denkt“. Daher stelle sich die Frage nach der Grundlage für die Behauptung der Kommission in Randnummer 106 der Entscheidung, dass Degussa, Rhône-Poulenc und Nippon Soda in den Jahren 1989 und 1990 mehrmals zusammengekommen seien, um Preise und Marktdaten zu erörtern und ihre gemeinsame Reaktion auf die neue Marktlage festzulegen. Degussa habe vielmehr gegenüber den anderen beteiligten Unternehmen klar zum Ausdruck gebracht, dass sie die Vereinbarungen nicht fortführen wolle.

107   Drittens habe die Kommission auch die Beteiligung der Klägerin an einer Zuwiderhandlung zwischen 1990 und 1992 nicht rechtlich hinreichend bewiesen. Aus der Zusatzerklärung von Rhône-Poulenc vom 5. Dezember 2000 gehe nämlich hervor, dass die Zusammenkunft von Degussa und Rhône-Poulenc am 10. Juni 1990 lediglich zu dem Entschluss geführt habe, mit Nippon Soda Verbindung aufzunehmen, um die Preisrückgänge zu besprechen und regelmäßigere Treffen zu organisieren. Die Behauptung der Kommission, das Kartell von 1986 sei niemals beendet worden und Nippon Soda sei bereits am Erlass solcher Maßnahmen beteiligt gewesen (Randnr. 110 der Entscheidung), sei daher falsch.

108   Im Übrigen enthalte der Vermerk von Nippon Soda über das Treffen in Seoul am 7. November 1990 (im Folgenden: Vermerk über das Treffen am 7. November 1990) keinen Hinweis auf die Vereinbarung einer Ankündigung oder Durchführung einer Preiserhöhung, sondern lasse erkennen, dass Rhône-Poulenc und Degussa keine zweite Preiserhöhung ohne Beteiligung von Monsanto hätten vornehmen wollen. Dieses Dokument lasse auch entgegen der Behauptung der Kommission nicht den Schluss auf eine erste Preiserhöhung zu, wie der Vermerk vom 5. Mai 1990 bestätige. Hinzu komme im Wesentlichen, dass man sich auf die Formulierungen in diesem Vermerk nicht verlassen könne, da es sich nicht um das Original, sondern um eine Übersetzung – wahrscheinlich aus dem Japanischen – handele, wie das Druckbild sowie die offensichtlich falsche Jahresangabe beim Datum „November 1998“ belegten.

109   Der Kommission sei es auch nicht gelungen, für das Jahr 1991 irgendeine Vereinbarung nachzuweisen. Rhône-Poulenc gebe in ihrer Erklärung vom 26. Mai 1999 nämlich an, dass die Zusammenkünfte von 1991 dazu gedient hätten, Vertrauen zwischen den drei Konkurrenten zu erzeugen und zu vertiefen. Sie hätten daher Vorbereitungshandlungen dargestellt, die das Stadium des Versuchs einer Vereinbarung oder abgestimmten Verhaltensweise noch nicht erreicht hätten. Diese Einschätzung werde im Übrigen in der Zusatzerklärung von Rhône-Poulenc vom 5. Dezember 2000 bestätigt.

110   Die Kommission trägt vor, sie habe in rechtlich hinreichender Weise dargetan, dass die Klägerin von Februar 1986 bis Februar 1999 an einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung teilgenommen habe, und wiederholt ihre Ausführungen in den Randnummern 96 bis 115, 212, 255 und 256 der Entscheidung.

2.     Würdigung durch das Gericht

111   Die Klägerin bestreitet im Rahmen der vorliegenden Klage nicht, dass sie an zwei ihrer Ansicht nach gesonderten Kartellen teilgenommen hat, und zwar von Februar 1986 bis Herbst 1988, als auch der japanische Hersteller Sumitomo am Kartell mitwirkte, und von März 1992 bis Oktober 1997, als die Zuwiderhandlung ihres Erachtens endete, während sie nach den Ausführungen der Kommission bis Februar 1999 fortdauerte. Für den Zeitraum von 1988 bis 1992 ist die Klägerin der Meinung, dass die Kommission die Existenz eines Kartells unter ihrer Beteiligung nicht dargetan und deshalb einen Beurteilungsfehler begangen habe, als sie ihr die Teilnahme an einer einzigen und fortgesetzten Zuwiderhandlung von März 1986 bis März 1999 zur Last gelegt habe.

112   Daher ist zu klären, ob die Kommission in rechtlich hinreichender Weise nachgewiesen hat, dass die Klägerin von Herbst 1988 bis März 1992 an Handlungen mitwirkte, die eine Zuwiderhandlung gegen Artikel 81 Absatz 1 EG und Artikel 53 des EWR-Abkommens darstellten und sich mit den unbestrittenen Zuwiderhandlungen vor und nach diesem Zeitraum aufgrund ihres identischen Zweckes der Verfälschung des Wettbewerbs im Gemeinsamen Markt in einen „Gesamtplan“ einfügten. Im Hinblick darauf sind für diesen Zeitraum die von der Kommission gesammelten Beweise sowie die Schlussfolgerungen zu prüfen, zu denen sie in den Randnummern 95 ff. der Entscheidung gelangt ist.

a)     Zur Beteiligung der Klägerin an einer Vereinbarung und/oder einer abgestimmten Verhaltensweise zwischen 1988 und 1992

113   Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin der Kommission in erster Linie vorwirft, in den Randnummern 212 und 251 ff. der Entscheidung aus dem bloßen Umstand, dass die Teilnehmer am Kartell von 1986 nach dem Ausscheiden von Sumitomo im Jahr 1988 nicht ihre Absicht zum Ausdruck gebracht hätten, die Vereinbarungen zu beenden, geschlossen habe, dass eine Unterbrechung des Kartells nicht erwiesen sei. Gestützt auf eine solche Unterstellung habe die Kommission die grundsätzlich sie treffende Beweislast umgekehrt.

114   Insoweit ist daran zu erinnern, dass nach ständiger Rechtsprechung das Erfordernis der Rechtssicherheit, in deren Genuss die Wirtschaftsteilnehmer kommen müssen, bedeutet, dass bei einem Streit über das Vorliegen einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln die Kommission, die die Beweislast für die von ihr festgestellten Zuwiderhandlungen trägt, Beweise beizubringen hat, mit denen sie in rechtlich hinreichender Weise das Vorliegen des die Zuwiderhandlung begründenden Sachverhalts belegen kann. In Bezug auf die behauptete Dauer einer Zuwiderhandlung folgt aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit, dass die Kommission, wenn es an Beweisen fehlt, mit denen die Dauer der Zuwiderhandlung direkt belegt werden kann, zumindest Beweise beibringt, die sich auf Fakten beziehen, die zeitlich so nahe beieinander liegen, dass sie vernünftigerweise den Schluss zulassen, dass die Zuwiderhandlung zwischen zwei konkreten Zeitpunkten ohne Unterbrechung fortgesetzt wurde (oben in Randnr. 101 angeführtes Urteil Baustahlgewebe/Kommission, Randnr. 58, und Urteil des Gerichts vom 7. Juli 1994 in der Rechtssache T‑43/92, Dunlop Slazenger/Kommission, Slg. 1994, II‑441, Randnr. 79).

115   Der u. a. in Artikel 6 Absatz 2 EMRK niedergelegte Grundsatz der Unschuldsvermutung gehört zu den Grundrechten, die nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes, die im Übrigen durch die Präambel der Einheitlichen Europäischen Akte, durch Artikel 6 Absatz 2 des Vertrages über die Europäische Union und durch Artikel 47 der Charta bekräftigt worden ist, in der Gemeinschaftsrechtsordnung anerkannt sind. Angesichts der Art der fraglichen Zuwiderhandlungen sowie der Art und Schwere der ihretwegen verhängten Sanktionen gilt der Grundsatz der Unschuldsvermutung auch in Verfahren wegen Verletzung der für Unternehmen geltenden Wettbewerbsregeln, in denen Geldbußen oder Zwangsgelder verhängt werden können (vgl. in diesem Sinne u. a. EGMR, oben in Randnr. 38 angeführtes Urteil Öztürk/Deutschland und Urteil vom 25. August 1987 in der Rechtssache Lutz/Deutschland, Serie A, Nr. 123‑A; Urteile des Gerichtshofes vom 8. Juli 1999 in den Rechtssachen C‑199/92 P, Hüls/Kommission, Slg. 1999, I‑4287, Randnrn. 149 und 150, und C‑235/92 P, Montecatini/Kommission, Slg. 1999, I‑4539, Randnrn. 175 und 176).

116   Im vorliegenden Fall hat die Kommission in Randnummer 212 der Entscheidung Folgendes ausgeführt:

„… Aus den Randnummern 95 bis 125 ergibt sich, dass die Teilnehmer 1989, 1990 und 1991 weiterhin zu Treffen kamen, ohne sich öffentlich davon zu distanzieren. Geht man von der offensichtlich wettbewerbswidrigen Natur der früheren Treffen aus, beweist das Fehlen einer klaren Aussage darüber, dass die Teilnahme an den Treffen ohne wettbewerbswidrige Absicht erfolgte, dass die illegalen Absprachen tatsächlich fortgesetzt wurden. …“

117   Aus der Argumentation der Kommission in den Randnummern 96 bis 125, 212 und 255 der Entscheidung geht jedoch hervor, dass sie sich keineswegs ausschließlich oder auch nur vorwiegend darauf stützte, dass die Teilnehmer am Kartell von 1986 nicht ihre Absicht zum Ausdruck brachten, das Kartell nach 1988 zu beenden, sondern eine eingehende Analyse der ihr von den Kartellteilnehmern zur Verfügung gestellten Schriftstücke vornahm, aus denen sie schloss, dass weder Letztere je ihre Absicht zum Ausdruck gebracht hätten, die Vereinbarungen zu beenden, noch das Kartell jemals ausgesetzt worden sei.

118   Bei einer Gesamtbetrachtung der Entscheidung kann der Kommission somit nicht vorgeworfen werden, ihre Beurteilung, dass eine einzige und fortgesetzte Zuwiderhandlung vorlag, die somit auch zwischen 1988 und 1992 bestand, allein auf die Erwägung gestützt zu haben, wonach, da die Teilnehmer am Kartell von 1986 nicht ihre Absicht zum Ausdruck gebracht hätten, dieses Kartell zu beenden, davon auszugehen sei, dass die Treffen in der Zeit von 1989 bis 1991 einen wettbewerbswidrigen Zweck gehabt und die Fortsetzung des früheren Kartells dargestellt hätten. Daher kann dem Argument der Klägerin, dass die Annahme der Kommission, das Kartell habe nach Herbst 1988 fortbestanden, auf einer bloßen Unterstellung beruhe, nicht gefolgt werden.

119   Dagegen ist zu klären, ob die Schriftstücke, auf die sich die Kommission gestützt hat, geeignet sind, in rechtlich hinreichender Weise zu belegen, dass die Klägerin zwischen 1988 und 1992 an einer Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht teilnahm, und, wenn ja, dass diese Zuwiderhandlung die Fortsetzung des früheren Kartells darstellt, dessen Existenz die Klägerin nicht bestreitet.

120   Die Prüfung der Akten ergibt, dass zwischen 1988 und 1992 zwei Zeiträume zu unterscheiden sind, von denen sich der erste von Ende 1988, als Sumitomo aus dem ursprünglichen Kartell ausschied, bis zum Spätsommer 1990 erstreckt und der zweite vom Spätsommer 1990 bis März 1992; für den letztgenannten Zeitraum räumt die Klägerin ein, an einer von ihr als gesondert eingestuften Zuwiderhandlung beteiligt gewesen zu sein.

 Zum Zeitraum von Ende 1988 bis zum Spätsommer 1990

121   In Bezug auf den Zeitraum von Ende 1988 bis zum Sommer 1990 ist daran zu erinnern, dass die Kommission in den Randnummern 98 bis 106 der Entscheidung ausgeführt hat, dass Degussa, Rhône-Poulenc und Nippon Soda nach dem Ausscheiden von Sumitomo aus dem ursprünglichen Kartell trotz der erheblichen Schwierigkeiten bei der Abstimmung ihres Vorgehens in den Jahren 1989 und 1990 mehrmals zusammengekommen seien, um die Preise und Marktdaten zu erörtern und ihre gemeinsame Reaktion auf die neue Lage nach dem Markteintritt von Monsanto festzulegen. Dabei hat die Kommission auf folgende, von der Klägerin im Übrigen nicht bestrittene Treffen Bezug genommen:

Datum

Ort

Teilnehmer

August 1989

Nicht genannt

Nippon Soda, Degussa, Rhône-Poulenc

Herbst 1989

Japan

Nippon Soda, Degussa

10. Juni 1990

Frankfurt am Main

Degussa, Rhône-Poulenc


122   Die Klägerin argumentiert im Wesentlichen, diese Treffen seien kein Beleg für die Fortsetzung des Kartells, und die Schriftstücke, auf die sich die Kommission stütze, bewiesen im Gegenteil, dass zwischen den Teilnehmern an den genannten Treffen keine Einigkeit bestanden habe und dass insbesondere die Klägerin jeden Vorschlag einer Preisabsprache abgelehnt habe.

123   Aus der Antwort von Nippon Soda vom 23. Februar 2000 auf das Auskunftsverlangen der Kommission (im Folgenden: Erklärung von Nippon Soda vom 23. Februar 2000) und dem Vermerk vom 5. Mai 1990 geht aber hervor, dass die „Gipfeltreffen“ zwar 1988 endeten, dass aber – wie die Klägerin nicht bestreitet – nach diesen Schriftstücken die Zusammenkünfte auf Betriebs‑/Verkaufsleiterebene zwischen 1988 und 1998 fortgesetzt wurden und teilweise als Ersatz für die früheren Gipfeltreffen dienten.

124   Außerdem lässt sich zwar aus der Erklärung von Nippon Soda vom 23. Februar 2000 nicht ableiten, dass die Teilnehmer an den Zusammenkünften in den Jahren 1989 und 1990 die Festsetzung von Preisen, die Zuweisung von Kunden oder eine Beschränkung der Produktionskapazitäten vereinbart hatten, doch heißt es in den Abschnitten 2.8 und 2.9 dieser Erklärung, dass sich ein flexibleres System von „Zielpreisen“ entwickelt habe und dass die Zusammenkünfte dazu gedient hätten, sich vor der Konkurrenz durch den neuen Marktteilnehmer Monsanto zu schützen und zu diesem Zweck Informationen auszutauschen. In Abschnitt 6.2, der mit „Gegenstand der Zusammenkünfte nach dem 1. Januar 1990“ überschrieben ist, bestätigt Nippon Soda diese Beschreibung, indem sie ausführt, dass 1990 die Aktivitäten von Monsanto die Hauptbedrohung für die Parteien der Vereinbarungen gewesen seien und dass sich die – als regelmäßig dargestellten – Zusammenkünfte daher auf den Austausch von Informationen über diese Aktivitäten und auf die Erörterung von Zielpreisen konzentriert hätten.

125   Darüber hinaus geht insbesondere aus dem Vermerk vom 5. Mai 1990 hervor, dass im August 1989 eine Zusammenkunft von Nippon Soda, Rhône-Poulenc und Degussa und im Herbst 1989 eine weitere Zusammenkunft von Degussa und Nippon Soda stattfand, was die Klägerin nicht bestreitet. Zweck dieser Zusammenkünfte war es, Degussa davon abzuhalten, Methionin mit Rabatt zu verkaufen. Nach dem Vermerk lehnte Degussa diesen Vorschlag ab, so dass nicht davon auszugehen ist, dass die Parteien bei den Zusammenkünften eine Preisabsprache trafen. In dem Vermerk heißt es jedoch, Degussa habe bei dieser Gelegenheit u. a. angegeben, dass die Preissenkungen für sie erforderlich seien, um ihr Absatzvolumen und damit ihre Fixkosten zu halten, und dass ihres Erachtens der angemessene Preis für Methionin bei etwa 2,80 USD pro Kilogramm liege, so dass das aktuelle Niveau von 3 USD/kg zu hoch sei.

126   Die Klägerin trägt vor, dieser Vermerk belege, dass ein Kartell zwischen den Teilnehmern an den damaligen Zusammenkünften unmöglich gewesen sei.

127   Insoweit ist anzuerkennen, dass der Vermerk vom 5. Mai 1990 erkennen lässt, dass Degussa von 1989 bis Sommer 1990 eine erhebliche Preissenkung vornahm, um insbesondere Monsanto Kunden abzunehmen. Ebenso bestätigt Nippon Soda, dass sich die Beziehungen zwischen Degussa und Rhône-Poulenc verschlechtert hatten und dass die kurzfristige Strategie Letzterer wahrscheinlich darin bestehen würde, Monsanto, Degussa, Sumitomo und Nippon Soda weiterhin Konkurrenz zu machen.

128   Hervorzuheben ist jedoch, dass die Kommission zwar nicht nachgewiesen hat, dass es eine Preisabsprache gab, wohl aber, dass die Klägerin während dieses gesamten Zeitraums an Zusammenkünften mit Nippon Soda und Rhône-Poulenc teilnahm und dass bei diesen Zusammenkünften Informationen über die Marktbedingungen ausgetauscht und das Preisniveau erörtert wurden und die Teilnehmer ihre geplante Geschäftsstrategie auf dem Markt darlegten, wobei die Klägerin u. a. den von ihr zu dieser Zeit als angemessen angesehenen Preis, nämlich 2,80 USD/kg, nannte.

129   Daher kann aus diesem kurzen, von Ende 1988 bis zum Spätsommer 1990 dauernden Zeitraum der Uneinigkeit zwischen den Beteiligten nicht geschlossen werden, dass die Absprache geendet hatte, da die Zusammenkünfte nicht nur regelmäßig fortgesetzt wurden, sondern gerade dazu dienten, die Reaktion auf die neuen Marktgegebenheiten zu vereinbaren. Dass die Klägerin die Preise vorübergehend senkte, um Monsanto Kunden abzunehmen, und dass sie die Vorschläge von Nippon Soda und Rhône-Poulenc, die Preise nicht zu senken, punktuell ablehnte, kann daher nicht zu dem Schluss führen, dass sie sich vom Inhalt der Zusammenkünfte distanzieren und eigenständig handeln wollte, zumal sie nach dem Vermerk vom 5. Mai 1990 eine Einigung mit den übrigen Teilnehmern über eine Preiserhöhung schon im Juli 1990 anstrebte, wofür es von entscheidender Bedeutung war, Rhône-Poulenc davon zu überzeugen, sich den gemeinsamen Bemühungen um eine Preiserhöhung anzuschließen.

130   Darüber hinaus ist festzustellen, dass die angebliche Meinungsverschiedenheit zwischen Degussa und Rhône-Poulenc, die im Vermerk vom 5. Mai 1990 im Übrigen nur vermutet wird, diese Unternehmen nicht daran gehindert hat, sich im Sommer 1990 zweimal zu treffen, das erste Mal am 10. Juni 1990 in Frankfurt am Main in den Geschäftsräumen von Degussa und das zweite Mal in Paris. Bei dem letztgenannten Treffen tauschten die Parteien nach den unbestrittenen Angaben von Rhône-Poulenc Informationen über den Markt aus. Insbesondere legte Rhône-Poulenc Degussa ihre weltweiten Absatzzahlen vor, und der Absatz von Degussa wurde erörtert, auch wenn diese keine genauen Zahlen mitteilte.

131   Daraus folgt – wie die Kommission in Randnummer 103 der Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt hat –, dass das ursprüngliche Kartell zwar zwischen Ende 1988 und dem Sommer 1990 aufgrund des Ausscheidens von Sumitomo und des Markteintritts von Monsanto gewissen Schwankungen unterworfen war, doch setzten Degussa, Rhône-Poulenc und Nippon Soda während dieser Zeit ihre Zusammenkünfte zur Vereinbarung einer gemeinsamen Strategie für den Kampf gegen die Konkurrenz durch Monsanto fort, und im Hinblick darauf wurden Informationen u. a. über die Preise und den Absatz von Rhône-Poulenc, Nippon Soda und Degussa sowie Angaben über die Aktivitäten von Monsanto ausgetauscht.

132   In diesem Stadium genügt der Hinweis, dass die „abgestimmte Verhaltensweise“ in einer Form der Koordinierung zwischen Unternehmen besteht, die zwar noch nicht bis zum Abschluss eines Vertrages im eigentlichen Sinne gediehen ist, jedoch bewusst eine praktische Zusammenarbeit an die Stelle des mit Risiken verbundenen Wettbewerbs treten lässt (Urteil des Gerichtshofes vom 14. Juli 1972 in der Rechtssache 48/69, ICI/Kommission, Slg. 1972, 619, Randnr. 64). Die Kriterien der Koordinierung und der Zusammenarbeit verlangen keineswegs die Ausarbeitung eines wirklichen „Plans“; sie sind vielmehr im Sinne des Grundgedankens der Wettbewerbsvorschriften des Vertrages zu verstehen, wonach jeder Wirtschaftsteilnehmer selbständig zu bestimmen hat, welche Politik er auf dem Gemeinsamen Markt zu betreiben gedenkt. Es ist zwar richtig, dass dieses Selbständigkeitspostulat nicht das Recht der Wirtschaftsteilnehmer beseitigt, sich dem festgestellten oder erwarteten Verhalten ihrer Mitbewerber mit wachem Sinn anzupassen; es steht jedoch streng jeder unmittelbaren oder mittelbaren Fühlungnahme zwischen solchen Wirtschaftsteilnehmern entgegen, die bezweckt oder bewirkt, entweder das Marktverhalten eines gegenwärtigen oder potenziellen Mitbewerbers zu beeinflussen oder einen solchen Mitbewerber über das Marktverhalten ins Bild zu setzen, zu dem man sich selbst entschlossen hat oder das man in Erwägung zieht (oben in Randnr. 101 angeführtes Urteil Suiker Unie u. a./Kommission, Randnrn. 173 und 174; Urteil des Gerichts vom 20. April 1999 in den Rechtssachen T‑305/94 bis T‑307/94, T‑313/94 bis T‑316/94, T‑318/94, T‑325/94, T‑328/94, T‑329/94 und T‑335/94, Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, Slg. 1999, II‑931, Randnr. 720).

133   Zum Nachweis einer abgestimmten Verhaltensweise muss also nicht dargetan werden, dass der fragliche Mitbewerber sich förmlich gegenüber einem oder mehreren anderen zu einem bestimmten Verhalten verpflichtet hat oder dass die Mitbewerber gemeinsam ihr zukünftiges Verhalten auf dem Markt festgelegt haben (Urteil des Gerichts vom 15. März 2000 in den Rechtssachen T‑25/95, T‑26/95, T‑30/95 bis T‑32/95, T‑34/95 bis T‑39/95, T‑42/95 bis T‑46/95, T‑48/95, T‑50/95 bis T‑65/95, T‑68/95 bis T‑71/95, T‑87/95, T‑88/95, T‑103/95 und T‑104/95, Cimenteries CBR u. a./Kommission, Slg. 2000, II‑491, Randnr. 1852). Es genügt, dass der Mitbewerber durch seine Absichtserklärung die Ungewissheit über das von ihm zu erwartende Marktverhalten beseitigt oder zumindest erheblich verringert hat (Urteile des Gerichts vom 17. Dezember 1991 in den Rechtssachen T‑4/89, BASF/Kommission, Slg. 1991, II‑1523, Randnr. 242, und T‑7/89, Hercules Chemicals/Kommission, Slg. 1991, II‑1711, Randnr. 260).

134   Außerdem ist zwar, wie die Klägerin ausführt, nicht Voraussetzung für die Beendigung eines Kartells, dass die Kartellteilnehmer einander ihre dahin gehende Absicht mitteilen, doch kann nach gefestigter Rechtsprechung, wenn ein Unternehmen, selbst ohne sich aktiv zu beteiligen, an Treffen von Unternehmen mit wettbewerbswidrigem Zweck teilnimmt und sich nicht offen vom Inhalt dieser Treffen distanziert, so dass es den anderen Teilnehmern Anlass zu der Annahme gibt, dass es dem Ergebnis der Treffen zustimmt und sich daran halten wird, der Nachweis als erbracht angesehen werden, dass es sich an der aus diesen Treffen resultierenden Absprache beteiligt hat (oben in Randnr. 133 angeführtes Urteil Hercules Chemicals/Kommission, Randnr. 232; Urteile des Gerichts vom 10. März 1992 in der Rechtssache T‑12/89, Solvay/Kommission, Slg. 1992, II‑907, Randnr. 98, und vom 6. April 1995 in der Rechtssache T‑141/89, Tréfileurope/Kommission, Slg. 1995, II‑791, Randnrn. 85 und 86).

135   Auch wenn sich aus den oben genannten Aktenstücken ergibt, dass es zwischen den Teilnehmern an den Treffen gewisse Meinungsverschiedenheiten gegeben haben mag, ändert dies doch nichts daran, dass die Treffen weiterhin stattfanden und dass sich Degussa nicht offen von ihrem Inhalt distanzierte, da sie u. a. angab, wie sie sich auf dem Markt verhalten würde und welchen Preis sie für angemessen hielt, und da sie selbst ihre Absicht erkennen ließ, ein gemeinsames Vorgehen zur Erhöhung der Preise im Juli 1990 zu initiieren.

136   Schon nach dem Wortlaut von Artikel 81 Absatz 1 EG setzt eine abgestimmte Verhaltensweise zwar über die Abstimmung zwischen den Unternehmen hinaus ein dieser entsprechendes Marktverhalten und einen ursächlichen Zusammenhang zwischen beiden voraus (Urteil des Gerichtshofes vom 8. Juli 1999 in der Rechtssache C‑49/92 P, Kommission/Anic Partecipazioni, Slg. 1999, I‑4125, Randnr. 118, und oben in Randnr. 115 angeführtes Urteil Hüls/Kommission, Randnr. 161), doch gilt vorbehaltlich des den betroffenen Unternehmen obliegenden Gegenbeweises die Vermutung, dass die an der Abstimmung beteiligten und weiterhin auf dem Markt tätigen Unternehmen die mit ihren Mitbewerbern ausgetauschten Informationen bei der Bestimmung ihres Marktverhaltens berücksichtigen (Urteile Kommission/Anic Partecipazioni, Randnr. 121, und Hüls/Kommission, Randnr. 162). Dies gilt umso mehr, wenn die Abstimmung während eines langen Zeitraums regelmäßig stattfindet, wie es hier der Fall war, da das Kartell im Jahr 1986 begann.

137   Aus dem Vorstehenden ist zu schließen, dass die Kommission zu Recht in Randnummer 106 der Entscheidung die Ansicht vertreten hat, dass „auf jeden Fall fest[steht], dass … die Parteien in den Jahren 1989 und 1990 miteinander in Verbindung standen, Informationen über Preise und Verkäufe austauschten und Preiserhöhungen erörterten“, und daraus in den Randnummern 194 ff. der Entscheidung, gestützt auf die oben genannte Rechtsprechung, geschlossen hat, dass die Klägerin während dieses Zeitraums an einer Vereinbarung und/oder einer abgestimmten Verhaltensweise teilnahm.

138   Ob – wie die Kommission in Randnummer 106 ausführt – der Vermerk von Nippon Soda vom 7. November 1990 den Schluss zuließ, dass es schon im Sommer 1990 eine „erste“ Preiserhöhungskampagne gab, ist insoweit unerheblich, da die Kommission ihre Schlussfolgerungen nicht auf diesen Umstand stützt, der ergänzend und als bloß wahrscheinlich präsentiert wird. Im Übrigen kann eine solche Annahme nicht als völlig unbegründet angesehen werden, da es zum einen in der Einleitung des genannten Vermerks klar heißt, dass Rhône-Poulenc und Degussa wegen der vorgeschlagenen zweiten Preiserhöhung nervös gewesen seien, und Degussa zum anderen bereits ihre Absicht hatte erkennen lassen, im Juli 1990 eine Preiserhöhung vorzunehmen, und zu diesem Zweck mit Rhône-Poulenc und Nippon Soda Kontakt zwecks einer trilateralen Zusammenkunft aufgenommen hatte.

139   Desgleichen kann die Klägerin mit ihrem Argument, aus der Zusatzerklärung von Rhône-Poulenc vom 5. Dezember 2000 gehe hervor, dass sich deren Vertreter und die Vertreter von Degussa am 10. Juni 1990 erstmals getroffen hätten, dass sie bei dieser Gelegenheit beschlossen hätten, Kontakt zu Nippon Soda aufzunehmen, und dass es somit zu dieser Zeit weder eine Vereinbarung noch die Fortsetzung irgendeines Programms gegeben habe, die Erklärungen von Nippon Soda sowie den von ihr vorgelegten Vermerk vom 5. Mai 1990 nicht in Frage stellen, aus dem sich ergibt, dass die Treffen auf Betriebs‑/Verkaufsleiterebene im fraglichen Zeitraum fortgesetzt wurden und dass insbesondere im August 1989 ein Treffen von Nippon Soda, Rhône-Poulenc und Degussa und im Herbst 1989 ein weiteres Treffen von Degussa und Nippon Soda stattfand.

140   In der Zusatzerklärung von Rhône-Poulenc vom 5. Dezember 2000, auf die sich die Klägerin beruft, heißt es lediglich, dass Herr H. und Herr B. von Rhône-Poulenc Herrn K., der im April 1990 in das Unternehmen gekommen sei, ermuntert hätten, Kontakt zu Frau R. von Degussa aufzunehmen, um sich ihr als Nachfolger von Herrn B. vorzustellen. Aus der Tatsache, dass sich Herr K. und Frau R. am 10. Juni 1990 erstmals trafen, kann daher nicht geschlossen werden, dass die Kontakte zwischen Rhône-Poulenc, Degussa und Nippon Soda von Ende 1988 bis zu diesem Zeitpunkt eingestellt worden waren. Ebenso kann aus der bloßen Angabe in der genannten Erklärung, dass Rhône-Poulenc und Degussa bei dem bilateralen Treffen am 10. Juni 1990 beschlossen hätten, Kontakt zu Nippon Soda aufzunehmen, um den Preisverfall bei Methionin und die Möglichkeit regelmäßigerer Zusammenkünfte zu erörtern, nicht geschlossen werden, dass diese Unternehmen nach dem Ausscheiden von Sumitomo aus dem Kartell Ende 1988 jeden bilateralen oder trilateralen Kontakt eingestellt hatten.

 Zum Zeitraum vom Spätsommer 1990 bis zum März 1992

141   In Bezug auf den Zeitraum vom Spätsommer 1990 bis zum März 1992 ist erstens daran zu erinnern, dass es in der Erklärung von Rhône-Poulenc vom 26. Mai 1999 unmissverständlich heißt, dass sich Degussa, Rhône-Poulenc und Nippon Soda im Spätsommer 1990 in Hongkong getroffen hätten, um den jüngsten Preisverfall bei Methionin zu erörtern, und bei dieser Gelegenheit vereinbart hätten, ihre Preise von 2,50 auf 2,80 USD/kg zu erhöhen.

142   Nach dem Vermerk von Nippon Soda über das Treffen in Seoul am 7. November 1990 – von dem die Kommission vermutet, dass es in Wirklichkeit mit dem Treffen identisch sein könnte, das nach den Angaben von Rhône-Poulenc in ihrer Zusatzerklärung vom 5. Dezember 2000 am 19. November 1990 in Hongkong stattfand – kamen die Teilnehmer über folgende Punkte überein: erstens Beibehaltung der in der DM-Zone bestehenden Preise (d. h. 5,10 DM/kg) während des ersten Quartals 1991, zweitens Ankündigung einer Preiserhöhung um etwa 10 % in dieser Zone mit Wirkung ab April 1991, drittens allgemeine Preisanhebung im Rahmen einer zweiten Aktion ab Januar 1991 und infolgedessen viertens Anpassung der Preise in den Zonen mit niedrigem Preisniveau (insbesondere Kanada), um Wiederverkäufer von Reexporten abzuhalten. Außerdem sollte Ende Februar 1991 ein Treffen in Europa stattfinden, um die Preise für den Monat April 1991 und die Zeit danach zu erörtern.

143   Folglich bestand spätestens im November 1990 ein gemeinsamer Wille der Teilnehmer an den Treffen, eine Preiserhöhung vorzunehmen, deren Modalitäten festgelegt wurden, so dass von der Existenz einer Vereinbarung zwischen ihnen auszugehen ist.

144   Insoweit greift das Argument der Klägerin nicht durch, die den Inhalt des Vermerks von Nippon Soda nicht abstreitet, aber geltend macht, dieser Vermerk belege im Gegenteil, dass Degussa ohne Beteiligung von Monsanto keine Preiserhöhung habe vornehmen wollen.

145   Zum einen geht aus diesem Vermerk, insbesondere aus dem von der Klägerin zitierten Abschnitt iii („Sowohl Rhône-Poulenc als auch Degussa sollten unabhängig voneinander Kontakt mit Monsanto aufnehmen und versuchen, Monsanto zur Teilnahme an der zweiten Preiserhöhungskampagne zu veranlassen. Um für die vorgeschlagene Preiserhöhung im Januar 1991 und danach bereit zu sein, sollten Zusammenkünfte mit Monsanto im November 199[0] stattfinden.“), nicht hervor, dass die Beteiligung von Monsanto eine notwendige Voraussetzung für die Vereinbarung war. In dem genannten Vermerk wird nur erwähnt, dass Rhône-Poulenc und Degussa versuchen sollten, Monsanto vor der vorgeschlagenen Preiserhöhung im Januar 1991 von einer Beteiligung am Kartell zu überzeugen, ohne dass von einem Scheitern der Vereinbarungen mangels einer solchen Beteiligung die Rede ist. Die vorgesehenen Schritte erscheinen daher eher als Mittel zur Erhöhung der Wirksamkeit der Vereinbarung denn als Voraussetzung für deren Existenz.

146   Selbst wenn man unterstellt, dass die erwähnte Maßnahme als Voraussetzung für die Durchführung der Vereinbarung verstanden werden könnte, ändert dies zum anderen nichts daran, dass ein gemeinsamer Wille der Parteien bestand, den Marktpreis von Methionin zu erhöhen, so dass eine wettbewerbswidrige Vereinbarung getroffen wurde (vgl. in diesem Sinne das oben in Randnr. 53 angeführte Urteil Archer Daniels Midland und Archer Daniels Midland Ingredients/Kommission, Randnr. 228). Außerdem war der Teil der Vereinbarung, der darin bestand, die Preise in den Zonen mit niedrigem Preisniveau anzupassen, um Wiederverkäufer von Reexporten abzuhalten, von einer Beteiligung von Monsanto unabhängig.

147   Im Übrigen sind die von der Klägerin angeführten Indizien, die belegen sollen, dass es sich bei dem Vermerk von Nippon Soda vom 7. November 1990 nicht um das Original, sondern um eine Übersetzung handelt, nicht nur bloße Behauptungen, deren Richtigkeit sie nicht zu beweisen vermocht hat, sondern sie sind auch nicht geeignet, den Beweiswert dieses Schriftstücks in Frage zu stellen, und sind deshalb als unbegründet zurückzuweisen.

148   Schließlich ist festzustellen, dass die Klägerin jedenfalls nicht die von Rhône-Poulenc in ihrer Erklärung vom 26. Mai 1999 gemachte und von der Kommission in ihrer Klagebeantwortung aufgegriffene Angabe bestreitet, dass Nippon Soda, Degussa und Rhône-Poulenc im Spätsommer 1990 in Hongkong übereinkamen, die Preise von 2,50 auf 2,80 USD/kg anzuheben.

149   In Bezug auf die Zeit nach der Vereinbarung vom November 1990 macht die Klägerin erneut geltend, dass die Kommission ihre Beteiligung an einer Vereinbarung oder einer abgestimmten Verhaltensweise bis März 1992 nicht nachgewiesen habe und dass die Zusammenkünfte, deren Besuch sie einräumt, nur zur Vertiefung des Vertrauens zwischen den Mitbewerbern gedient hätten.

150   Diese Behauptung ist offensichtlich unbegründet. Die Klägerin lässt außer Acht, dass es in der Erklärung von Rhône-Poulenc vom 26. Mai 1999 zwar – wie von ihr angegeben – tatsächlich heißt, dass die 1991 begonnenen vierteljährlichen Treffen in verschiedenen europäischen und asiatischen Städten zur Vertiefung des Vertrauens zwischen den Parteien gedient hätten, doch wird darin hinzugefügt, dass die Teilnehmer bei diesen Treffen „über Produktion, Mitbewerber in China und Asien, Kunden und jüngste Verträge“ gesprochen und „häufig auf Länder- oder regionaler Ebene berechnete Verkaufszahlen“ ausgetauscht hätten. Weiter heißt es: „Während nie eine Aufteilung von Kunden vorgenommen wurde, gab es ein ständiges Bestreben, die Preise aufrechtzuerhalten.“ In der Zusatzerklärung von Rhône-Poulenc vom 5. Dezember 2000 wird diese Darstellung um die Angabe ergänzt, dass die vierteljährlichen Treffen zu einem Informationsaustausch über Preisstrategien und Produktionsfragen geführt hätten und dass regionale Zielpreise vereinbart worden seien. Außerdem heißt es dort, wenn sich ein Teilnehmer über das Verhalten eines Mitbewerbers auf dem Markt beschwert habe, hätten die Parteien versucht, die Meinungsverschiedenheit zu beseitigen. Schließlich führt Rhône-Poulenc aus, dass Einigkeit darüber bestanden habe, von drastischen Maßnahmen und insbesondere von erheblichen Preissenkungen abzusehen.

151   Die Kommission hat somit zu Recht in den Randnummern 115 bis 123 der Entscheidung die oben genannten Schriftstücke angeführt und darauf gestützt in Randnummer 125 der Entscheidung die Argumentation von Degussa zurückgewiesen, dass ihre Beteiligung an Treffen mit wettbewerbswidrigem Zweck vor 1992 nicht dargetan worden sei.

152   Es trifft zu, dass in der Entscheidung keine genauen Angaben zu Zeitpunkt und Ort dieser Treffen im Jahr 1991 gemacht werden. Aus den von der Klägerin nicht bestrittenen Erklärungen von Rhône-Poulenc geht jedoch klar hervor, dass die Entscheidung, vierteljährliche Treffen zu veranstalten, schon Anfang 1991 getroffen wurde. Außerdem schildern sowohl Nippon Soda als auch Rhône-Poulenc diese Treffen als ständige Praxis von 1991 bis 1998. Die bloße von der Klägerin angeführte Tatsache, dass die genauen Zeitpunkte und Orte der Kartelltreffen im Jahr 1991 nicht ermittelt werden konnten, lässt daher nicht den Schluss zu, dass die Aktivitäten des Kartells in diesem Zeitraum eingestellt wurden, zumal nachgewiesen wurde, dass schon Ende 1990 eine Vereinbarung getroffen worden war, und die Klägerin ihre Beteiligung an einer Vereinbarung im März 1992 nicht bestreitet.

153   Es ist daran zu erinnern, dass die Kommission, soweit es an Beweismaterial fehlt, mit dem die Dauer einer Zuwiderhandlung direkt belegt werden kann, zumindest Beweismaterial beibringen muss, das sich auf Fakten bezieht, die zeitlich so nahe beieinander liegen, dass sie vernünftigerweise den Schluss zulassen, dass die Zuwiderhandlung zwischen zwei konkreten Zeitpunkten ohne Unterbrechung fortgesetzt wurde (oben in Randnr. 114 angeführtes Urteil Dunlop Slazenger/Kommission, Randnr. 79, und Urteil des Gerichts vom 6. Juli 2000 in der Rechtssache T‑62/98, Volkswagen/Kommission, Slg. 2000, II‑2707, Randnr. 188). Da die Kommission ordnungsgemäß nachgewiesen hat, dass es im November 1990 eine rechtswidrige Vereinbarung gab, da die Klägerin nicht bestreitet, dass ab 1992 eine Zuwiderhandlung vorlag, und da schließlich in den Erklärungen von Rhône-Poulenc und Nippon Soda übereinstimmend von regelmäßigen vierteljährlichen Treffen ab Anfang 1991 die Rede ist, sind diese Anforderungen im vorliegenden Fall als erfüllt anzusehen.

154   Aus alledem folgt, dass die Kommission zu Recht die Ansicht vertreten hat, dass die Klägerin von Ende 1988 bis März 1992 an einer Vereinbarung und/oder einer abgestimmten Verhaltensweise teilnahm.

b)     Zur Einstufung als einzige und fortgesetzte Zuwiderhandlung

155   Ein Verstoß gegen Artikel 81 Absatz 1 EG kann sich nicht nur aus einer isolierten Handlung, sondern auch aus einer Reihe von Handlungen oder einem fortgesetzten Verhalten ergeben. Dieser Auslegung lässt sich nicht entgegenhalten, dass ein oder mehrere Teile dieser Reihe von Handlungen oder dieses fortgesetzten Verhaltens auch für sich genommen und isoliert betrachtet einen Verstoß gegen die genannte Bestimmung darstellen könnten (vgl. in diesem Sinne das oben in Randnr. 136 angeführte Urteil Kommission/Anic Partecipazioni, Randnr. 81). Fügen sich die verschiedenen Handlungen wegen ihres identischen Zweckes der Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes in einen „Gesamtplan“ ein, so ist die Kommission berechtigt, die Verantwortung für diese Handlungen anhand der Beteiligung an der Zuwiderhandlung als Ganzes aufzuerlegen (Urteil des Gerichtshofes vom 7. Januar 2004 in den Rechtssachen C‑204/00 P, C‑205/00 P, C‑211/00 P, C‑213/00 P, C‑217/00 P und C‑219/00 P, Aalborg Portland u. a./Kommission, Slg. 2004, I‑123, Randnr. 258).

156   Die Kartelle, an denen die Klägerin nach ihren eigenen Angaben bis Ende 1988 und ab März 1992 beteiligt war, hatten mit Ausnahme von Sumitomo, die 1988 ausschied, dieselben Teilnehmer und denselben Gegenstand wie das Kartell, an dem die Klägerin von 1988 bis 1992 teilnahm, nämlich ein konzertiertes Vorgehen zur Aufrechterhaltung und Erhöhung der Preise auf dem Methioninmarkt des EWR sowie einen Informationsaustausch über Preise, Marktanteile und Absatzmengen.

157   Die Kommission ist folglich in den Randnummern 206 bis 212 der Entscheidung zu Recht zu dem Ergebnis gekommen, dass die Zuwiderhandlung, an der Degussa, Rhône-Poulenc und Nippon Soda teilnahmen, als einzige und fortgesetzte Zuwiderhandlung einzustufen sei.

158   Die Rüge der Klägerin, dass die Zuwiderhandlung von Ende 1988 bis März 1992 unterbrochen worden sei, ist daher zurückzuweisen.

B –  Zum Ende der Zuwiderhandlung

1.     Vorbringen der Parteien

159   Die Klägerin ist der Ansicht, dass es der Kommission nicht gelungen sei, ihre Beteiligung am Kartell nach dem Herbst 1997 nachzuweisen, als das Kartell beendet worden sei, nachdem Herr H. Rhône-Poulenc verlassen und sein Nachfolger, Herr Z., die Einstellung sämtlicher Kontakte zu den Mitbewerbern verfügt habe.

160   Die Wiederaufnahme der Kontakte sei im März 1988 von Herrn G., dem neuen Generaldirektor von Rhône-Poulenc, nur gestattet worden, um das Kartell unter Vermeidung zu großer Marktstörungen zu beenden.

161   Schließlich sei die Existenz einer Vereinbarung zwischen Degussa und Rhône-Poulenc über Preiserhöhungen kein Beweis für die Fortsetzung der Aktivitäten des ursprünglichen Kartells, dem Degussa, Rhône-Poulenc und Nippon Soda angehört hätten.

162   Die Kommission hält die Einwände der Klägerin in Bezug auf das Fehlen von Beweisen für ihre Ausführungen in den Randnummern 180 bis 185 der Entscheidung für unbegründet.

2.     Würdigung durch das Gericht

163   Erstens ist festzustellen, dass zwar – wie die Kommission in Randnummer 180 der Entscheidung ausführt – nach dem Weggang von Herrn H. im Herbst 1997 sein Nachfolger, Herr Z., tatsächlich die Einstellung jeder Kommunikation zwischen Rhône-Poulenc und ihren Mitbewerbern anordnete, doch steht fest, dass schon im März 1998 der Nachfolger von Herrn Z., Herr G., die Fortsetzung der Kontakte zu den Mitbewerbern gestattete, um eine „weiche Landung“ zu ermöglichen und zu große Marktstörungen zu vermeiden; zugleich ordnete er die Einstellung der vierteljährlichen Treffen an.

164   Dass nach Ansicht des Generaldirektors von Rhône-Poulenc, der nicht an den Treffen teilnahm, die Kontakte zwischen den Kartellteilnehmern zur behutsamen Beendigung des Kartells dienen sollten, ist nicht nur kein Beleg dafür, dass dies wirklich der Fall war, sondern belegt darüber hinaus, dass sich Rhône-Poulenc und ihre Mitbewerber bis zu einer späteren definitiven Beendigung des Kartells weiterhin abstimmen wollten. Dies wird im Übrigen durch den Gegenstand der nach der Gestattung durch Herrn G. durchgeführten Treffen bestätigt, wie nachstehend geprüft wird. Außerdem ordnete nach den von Rhône-Poulenc selbst gemachten Angaben die Direktion erst im Februar 1999 die endgültige Einstellung der Kontakte zu den Mitbewerbern an.

165   Dass die Kommission in Randnummer 181 der Entscheidung als wahrscheinliche Erklärung für die Einstellung der vierteljährlichen Zusammenkünfte anführt, dass sie besonders auffällig waren und dass aufgrund des Voranschreitens der damaligen Ermittlungen der amerikanischen Wettbewerbsbehörden im Vitaminsektor die Gefahr ihrer Entdeckung bestand, ist insoweit unerheblich. Diese Erläuterung stellt zum einen nur eine Annahme dar, aus der die Kommission in Bezug auf die Klägerin keine Konsequenz zieht, und hat zum anderen keinen Einfluss auf die Richtigkeit der Feststellung der Kommission, dass Herr G., der Generaldirektor von Rhône-Poulenc, schon im März 1998 wieder Kontakte zu den Mitbewerbern gestattete.

166   Zweitens bestreitet die Klägerin nicht, dass die folgenden in den Randnummern 179 bis 184 der Entscheidung erwähnten Zusammenkünfte stattfanden:

Datum

Ort

Teilnehmer

Mai 1998

Frankfurt am Main oder Düsseldorf

Degussa, Rhône-Poulenc, Nippon Soda

Spätsommer/Frühherbst 1998

Heidelberg

Degussa, Rhône-Poulenc

4. Februar 1999

Nancy

Degussa, Rhône-Poulenc

4. Februar 1999 (abends)

Paris

Nippon Soda, Rhône-Poulenc


167   Somit ist festzustellen, dass sich Degussa und Rhône-Poulenc in der Zeit von Herbst 1997 bis Februar 1999 zweimal trafen, das erste Mal im Spätsommer oder Frühherbst 1998 in Heidelberg und das zweite Mal am 4. Februar 1999 in Nancy. Nach Angaben der Kommission vereinbarten Degussa und Rhône-Poulenc bei diesen beiden Anlässen, die Preise zu erhöhen und Zielpreise festzulegen (3,20 USD/kg oder 5,30 DM/kg).

168   Die Klägerin bestreitet dies nicht ausdrücklich, behauptet aber, dass die Kommission diese Umstände nicht als Beleg für die Fortsetzung des früheren Kartells heranziehen könne, dem drei Teilnehmer angehört hätten (Degussa, Rhône-Poulenc und Nippon Soda).

169   Dieser Argumentation kann nicht gefolgt werden.

170   Wie die Kommission nämlich zu Recht ausführt, geht aus den Erklärungen von Rhône-Poulenc hervor, dass es von April 1998 bis zum 4. Februar 1999 weiterhin bilaterale, insbesondere telefonische Kontakte zwischen Rhône-Poulenc und Degussa einerseits und zwischen Rhône-Poulenc und Nippon Soda andererseits gab.

171   Im Übrigen gibt Nippon Soda in ihren Erklärungen, die die Klägerin selbst als Anlagen vorgelegt hat, insbesondere an, dass sie sich mit einem Vertreter von Rhône-Poulenc bei einem Abendessen in Paris im Oktober 1998 und mit Vertretern von Degussa ein erstes Mal im Oktober 1998 in Frankfurt am Main und ein zweites Mal im Herbst 1998 in Tokio getroffen habe. Nach den Angaben von Nippon Soda sollten diese Zusammenkünfte den Teilnehmern die Erörterung der Marktbedingungen und Preistendenzen ermöglichen. Weiter heißt es in diesem Schriftstück, dass sich Rhône-Poulenc und Nippon Soda am 4. Februar 1999, am Abend nach der Zusammenkunft von Degussa und Rhône-Poulenc in Nancy, in Paris getroffen und die Nachfrage sowie die Bedingungen auf dem Methioninmarkt erörtert hätten (Randnr. 183 der Entscheidung).

172   Schließlich bestreitet die Klägerin auch nicht, dass im Mai 1998 eine trilaterale Zusammenkunft stattfand (laut Rhône-Poulenc in Frankfurt am Main, laut Nippon Soda in Düsseldorf), bei der Nippon Soda nach den von der Klägerin nicht bestrittenen Erklärungen von Rhône-Poulenc bestätigte, dass sie sich jeder Preiserhöhung anschließen werde.

173   Aus dem Vorstehenden folgt, dass die Klägerin nicht behaupten kann, dass die Kommission die Beteiligung von Nippon Soda an der genannten Abstimmung zwischen Herbst 1997 und Februar 1999 nicht in rechtlich hinreichender Weise dargetan habe. Wie in Randnummer 184 der Entscheidung ausgeführt wird, setzten die drei Kartellteilnehmer während dieses gesamten Zeitraums die bilateralen Kontakte fort. Sowohl Rhône-Poulenc als auch die Klägerin standen weiterhin in Kontakt zu Nippon Soda, um die Marktbedingungen und das Preisniveau zu erörtern, während sich Nippon Soda bei der letzten trilateralen Zusammenkunft im Mai 1998 grundsätzlich mit jeder Preiserhöhung einverstanden erklärt hatte. Unter diesen Umständen kann die bloße Tatsache, dass es nach der letztgenannten Zusammenkunft kein trilaterales Treffen der drei Gesellschaften gab, offenkundig nicht zu dem Schluss führen, dass das Kartell zu dieser Zeit beendet worden war.

174   Insoweit entbehrt das Argument der Klägerin, aus Randnummer 184 der Entscheidung ergebe sich, dass die Kommission ihre Erwägungen auf die bloße Vermutung gestützt habe, dass nach der Zusammenkunft im Mai 1998 bilaterale Kontakte fortbestanden hätten, jeder Grundlage. Aus den Randnummern 182 bis 184 ergibt sich nämlich, dass die Kommission anhand der übereinstimmenden Erklärungen von Rhône-Poulenc und Nippon Soda nachgewiesen hat, dass es solche Kontakte gab; dies ist vorstehend dargelegt worden. Die einzige Annahme der Kommission in Randnummer 184 betrifft die Frage, bei welcher trilateralen Zusammenkunft die Teilnehmer beschlossen, die trilateralen Kontakte zu beenden; dies hat keinen Einfluss auf die Richtigkeit ihrer Feststellungen.

175   Selbst wenn nicht dargetan werden könnte, dass Nippon Soda nach dem Herbst 1997 am Kartell teilnahm, würde dies jedenfalls nichts daran ändern, dass es nach der Zusatzerklärung von Rhône-Poulenc vom 5. Dezember 2000, deren Beweiskraft die Klägerin nicht in Frage zu stellen vermocht hat, zwei Zusammenkünfte von Rhône-Poulenc und der Klägerin – die eine im Spätsommer oder Frühherbst 1998 in Heidelberg und die andere am 4. Februar 1999 in Nancy – gab, bei denen Zielpreise und Preiserhöhungen vereinbart wurden. Ein etwaiger Rückzug von Nippon Soda aus dem früheren Kartell hätte jedoch keinen Einfluss auf den offensichtlich wettbewerbswidrigen Charakter dieser Zusammenkünfte und darauf, dass es sich bei ihnen nach der oben in Randnummer 155 zitierten Rechtsprechung um die Fortsetzung des früheren Kartells handelte.

176   Aus dem Vorstehenden folgt, dass die Rüge der Klägerin in Bezug auf den Zeitpunkt, zu dem nach Ansicht der Kommission die Zuwiderhandlung endete, zurückzuweisen ist.

C –  Zur Aussetzung des Kartells

177   Für den Fall, dass das Vorliegen einer einzigen und fortgesetzten Zuwiderhandlung bejaht werden sollte, trägt die Klägerin hilfsweise vor, die Kommission hätte – wie in der Sache „Fernwärmetechnik-Kartell“ (Entscheidung 1999/60/EG der Kommission vom 21. Oktober 1998 in einem Verfahren gemäß Artikel 85 EG-Vertrag [Sache IV/35.691/E‑4: Fernwärmetechnik-Kartell] [ABl. 1999, L 24, S. 1]) – berücksichtigen müssen, dass die Zuwiderhandlung zumindest von Ende 1988 bis März 1992 und ab Herbst 1997 ausgesetzt worden sei.

178   Insoweit ist zunächst festzustellen, dass diese Rüge irrelevant ist, soweit sie den Zeitraum ab Herbst 1997 betrifft. Die Aussetzung eines Kartells kann nämlich nur vorliegen, sofern eine bestimmte, wenn auch einzige und fortgesetzte Zuwiderhandlung während eines kurzen Zeitraums unterbrochen war, so dass dieser Zeitraum nicht in die Berechnung der Gesamtdauer der Zuwiderhandlung einbezogen werden kann, wobei das Kartell anschließend in vollem Umfang fortgeführt wurde. Diese Methode erlaubt es, den Begriff der einzigen und fortgesetzten Zuwiderhandlung mit den Anforderungen in Einklang zu bringen, die sich aus der genauen Bestimmung der Dauer der Zuwiderhandlung und damit, da die Berechnung der Geldbuße u. a. von diesem Kriterium abhängt, aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Geldbuße ergeben.

179   Die Klägerin behauptet, dass das Kartell von Herbst 1997 bis zum 4. Februar 1999, an dem die Zuwiderhandlung nach Ansicht der Kommission endete, ausgesetzt worden sei. Diese Argumentation läuft somit im Wesentlichen darauf hinaus, den Zeitpunkt der Beendigung der Zuwiderhandlung in Frage zu stellen und die dahin gehenden Behauptungen der Klägerin zu wiederholen. Die Rüge der Klägerin in Bezug auf die Aussetzung des Kartells ab Herbst 1997 ist folglich aus den oben in den Randnummern 163 bis 176 genannten Gründen zurückzuweisen, aus denen sich ergibt, dass nach der letzten trilateralen Zusammenkunft im Mai 1998 noch bis zum 4. Februar 1999 bilaterale Kontakte zwischen Nippon Soda, Rhône-Poulenc und der Klägerin fortbestanden.

180   Zum Zeitraum von Ende 1988 bis März 1992 ist daran zu erinnern, dass die Entscheidungspraxis der Kommission nicht selbst den rechtlichen Rahmen für Geldbußen in Wettbewerbssachen bildet (vgl. u. a. das oben in Randnr. 80 angeführte Urteil Scandinavian Airlines System/Kommission, Randnr. 87 und die dort genannte Rechtsprechung). Außerdem ist festzustellen, dass das Gericht in dem oben in Randnummer 58 angeführten Urteil Lögstör Rör/Kommission (Randnrn. 59 bis 65) lediglich ausgeführt hat, dass die Kommission selbst in ihrer Entscheidung zum Fernwärmetechnik-Kartell eingeräumt und berücksichtigt hatte, dass das Kartell von Oktober 1993 bis März 1994 ausgesetzt worden war, und dass sie der Klägerin somit entgegen deren Behauptungen nicht vorgeworfen hatte, an wettbewerbswidrigen Aktivitäten in diesem Zeitraum teilgenommen zu haben.

181   Folglich kann der Umstand, dass die Kommission in der das Fernwärmetechnik-Kartell betreffenden Sache eine von ihr anerkannte Aussetzung des Kartells berücksichtigt hatte, für sich genommen nicht zum Nachweis dafür dienen, dass die vorliegende Entscheidung rechtswidrig ist, weil die Kommission dort nicht in gleicher Weise vorgegangen ist.

182   Darüber hinaus ist auf die Unterschiede zwischen dem vorliegenden Fall und dem von der Klägerin angeführten Fall des Fernwärmetechnik-Kartells hinzuweisen. In der letztgenannten Sache vertrat die Kommission nämlich in Randnummer 152 ihrer Entscheidung die Ansicht, dass das als einzige und fortgesetzte Zuwiderhandlung eingestufte Kartell von Oktober 1993 bis März 1994 sechs Monate lang ausgesetzt worden sei. Dabei berücksichtigte sie zum einen, dass die Hersteller einen „Preiskrieg“ entfacht hatten und das Preisniveau auf den großen Märkten um 20 % zurückgegangen war, und zum anderen, dass sich die Hersteller während dieses Zeitraums zwar weiter auf bilateraler oder trilateraler Ebene trafen, aber abgesehen von der Kompensationsforderung durch Tarco, die von Lögstör abgelehnt wurde, keine Einzelheiten zum Gegenstand dieser Treffen verfügbar waren (Randnr. 52).

183   Im vorliegenden Fall geht zwar aus dem Vermerk von Nippon Soda vom 5. Mai 1990 hervor, dass Degussa vorübergehend den Methioninpreis senkte, doch erschöpft sich die Ähnlichkeit mit der das Fernwärmetechnik-Kartell betreffenden Sache in dieser einen Feststellung. Entgegen der Situation in der letztgenannten Sache verfügte die Kommission nämlich im vorliegenden Fall über stichhaltige Belege dafür, dass – auch wenn es den Kartellteilnehmern nicht vor November 1990 gelungen sein mag, eine Preiserhöhung zu vereinbaren – die Zusammenkünfte in der Zeit zwischen Ende 1988 und November 1990, an denen die Klägerin teilnahm, wie zuvor dargelegt dazu dienten, eine gemeinsame Reaktion auf den Markteintritt von Monsanto zu vereinbaren und Informationen über deren Aktivitäten, die Absatzmengen und die Methioninpreise auszutauschen.

184   Außerdem geht, anders als in der das Fernwärmetechnik-Kartell betreffenden Sache, aus der Erklärung von Rhône-Poulenc vom 26. Mai 1999 hervor, dass der Preisverfall bei Methionin im Sommer 1989 nicht darauf beruhte, dass zwischen den Kartellteilnehmern ein freier Wettbewerb wiederhergestellt worden war, sondern auf dem Markteintritt von Monsanto und HAM und auf dem allgemeinen Nachfragerückgang. Ferner ergibt sich aus dem Vermerk von Nippon Soda vom 5. Dezember 1990, dass Degussa gerade zur Rückgewinnung von Kunden von Monsanto zunächst ihre Preise senkte und dann den Kartellteilnehmern eine Preiserhöhung für Juli 1990 vorschlug, da auch Monsanto angekündigt hatte, dass sie ihre Preise im Juli 1990 erhöhen werde.

185   Schließlich hat die Kommission, wie bereits festgestellt, ordnungsgemäß nachgewiesen, dass im Spätsommer und/oder im November 1990 eine Vereinbarung über die Erhöhung der Preise getroffen worden war, an die sich vierteljährliche Zusammenkünfte anschlossen, bei denen Marktinformationen ausgetauscht und Zielpreise festgelegt wurden.

186   Angesichts der von der Kommission vorgelegten Beweismittel ist die Rüge der Klägerin, dass die Zuwiderhandlung zumindest zwischen 1988 und 1992 ausgesetzt worden sei, daher als unbegründet zurückzuweisen. Diese Schlussfolgerung greift jedoch der Frage, welche konkreten Auswirkungen die Zuwiderhandlung in diesem Zeitraum auf den Markt hatte, nicht vor.

187   Nach alledem ist der zweite Klagegrund in vollem Umfang zurückzuweisen.

III –  Zum dritten Klagegrund, mit dem Beurteilungsfehler, ein Rechts- und Tatsachenirrtum sowie die Verletzung der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung, des Rückwirkungsverbots von Strafen und der Begründungspflicht bei der Ermittlung der Höhe der Geldbuße gerügt werden

188   Der dritte Klagegrund besteht im Wesentlichen aus vier Teilen, die die Schwere der Zuwiderhandlung, die Erhöhung der Geldbuße zur Gewährleistung einer hinreichend abschreckenden Wirkung, die Kooperation der Klägerin und die Verletzung des Rückwirkungsverbots von Strafen betreffen.

A –  Zur Schwere der Zuwiderhandlung

189   Die Klägerin führt im Wesentlichen drei Rügen an, die sie erstens auf eine unzureichende Begründung bei der Ermittlung der Schwere der Zuwiderhandlung, zweitens auf einen Beurteilungsfehler hinsichtlich des Umfangs des relevanten geografischen Marktes und drittens auf einen Beurteilungsfehler hinsichtlich der Auswirkung der Zuwiderhandlung auf den Markt stützt.

1.     Zur Begründung der Schwere der Zuwiderhandlung

a)     Vorbringen der Parteien

190   Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, die Beurteilung der besonderen Schwere der Zuwiderhandlung durch die Kommission sei nicht hinreichend begründet, vor allem in Bezug darauf, dass der Grundbetrag der Geldbuße von 35 Millionen Euro über der Untergrenze von 20 Millionen Euro liege, die nach den Leitlinien für als besonders schwer eingestufte Zuwiderhandlungen gelte. Insbesondere hätte die Kommission nach dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Strafen eine Gewichtung der verschiedenen Gesichtspunkte vornehmen müssen, die bei der Einstufung der Zuwiderhandlung als besonders schwer und der Festlegung des Grundbetrags herangezogen worden seien.

191   Die Kommission hält diese Rüge für unbegründet.

b)     Würdigung durch das Gericht

192   Nach ständiger Rechtsprechung muss die Begründung einer Einzelfallentscheidung die Überlegungen des Gemeinschaftsorgans, das den Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, dass die Betroffenen ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen können und das zuständige Gericht seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann. Das Begründungserfordernis ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen. In der Begründung brauchen nicht alle tatsächlich und rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden, da die Frage, ob sie den Erfordernissen des Artikels 253 EG genügt, nicht nur anhand des Wortlauts des fraglichen Rechtsakts zu beurteilen ist, sondern auch anhand des Kontexts, in dem er erlassen wurde (Urteil des Gerichtshofes vom 2. April 1998 in der Rechtssache C‑367/95 P, Kommission/Sytraval und Brink’s France, Slg. 1998, I‑1719, Randnr. 63).

193   Speziell in Bezug auf die Berechnung der von der Kommission wegen Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft verhängten Geldbußen ist daran zu erinnern, dass nach der Rechtsprechung die Anforderungen durch das wesentliche Formerfordernis, um das es sich bei der Begründungspflicht handelt, erfüllt sind, wenn die Kommission in ihrer Entscheidung die Beurteilungsgesichtspunkte angibt, die es ihr ermöglicht haben, Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung zu ermitteln (Urteil des Gerichtshofes vom 16. November 2000 in der Rechtssache C‑291/98 P, Sarrió/Kommission, Slg. 2000, I‑9991, Randnr. 73). Ferner ist bei der Ermittlung des Umfangs der Begründungspflicht zu berücksichtigen, dass die Schwere der Zuwiderhandlungen anhand einer Vielzahl von Gesichtspunkten zu ermitteln ist, ohne dass es eine zwingende oder abschließende Liste von Kriterien gäbe, die auf jeden Fall berücksichtigt werden müssen (oben in Randnr. 45 angeführter Beschluss SPO u. a./Kommission, Randnr. 54, oben in Randnr. 46 angeführtes Urteil LR AF 1998/Kommission, Randnr. 378, und Urteil des Gerichts vom 30. September 2003 in den Rechtssachen T‑191/98 und T‑212/98 bis T‑214/98, Atlantic Container Line u. a./Kommission, Slg. 2003, II‑3275, Randnr. 1532).

194   Außerdem ist daran zu erinnern, dass die Begründungspflicht von der Kommission nicht verlangt, in ihrer Entscheidung bezifferte Angaben zur Berechnungsweise der Geldbußen zu machen, sondern nur, die Gesichtspunkte wiederzugeben, anhand deren sie die Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung bestimmen konnte (oben in Randnr. 193 angeführte Urteile Sarrió/Kommission, Randnrn. 73 und 76, und Atlantic Container Line u. a./Kommission, Randnr. 1558).

195   Im vorliegenden Fall hat die Kommission zunächst in den Randnummern 271 bis 275 der Entscheidung dargelegt, dass die Zuwiderhandlung ihrem Wesen nach als sehr gravierend einzustufen sei, da sie in der Aufteilung von Märkten und der Festsetzung von Preisen, dem wichtigsten Wettbewerbsfaktor, bestanden habe. Sodann hat sie in den Randnummern 276 bis 291 die Gründe genannt, aus denen die Zuwiderhandlung ihres Erachtens konkrete Auswirkungen auf den Markt hatte. Ferner hat sie in Randnummer 292 ausgeführt, dass der räumlich relevante Markt in der gesamten Gemeinschaft und, nach dessen Errichtung, im gesamten EWR bestanden habe. Schließlich hat sie in den Randnummern 294 bis 300 dargelegt, dass der tatsächlichen Fähigkeit der Unternehmen, den Wettbewerb in erheblichem Umfang zu schädigen, Rechnung zu tragen sei und daher im Hinblick auf die Marktanteile der Kartellteilnehmer zwei Kategorien von Unternehmen zu bilden seien, wobei Degussa und Rhône-Poulenc zur ersten Kategorie gehörten und Nippon Soda die zweite Kategorie bilde. Infolgedessen ist die Kommission in Randnummer 302 zu dem Ergebnis gekommen, dass der Grundbetrag der Geldbußen anhand der Schwere des Verstoßes bei Degussa und Rhône-Poulenc auf 35 Millionen Euro und bei Nippon Soda auf 8 Millionen Euro festzusetzen sei.

196   Aus der Schilderung der Funktionsweise des Kartells in den Randnummern 79 bis 185 der Entscheidung ist somit der Schluss zu ziehen, dass die Kommission in rechtlich hinreichender Weise die Gründe dargelegt hat, die ihres Erachtens die Einstufung als „besonders schwere“ Zuwiderhandlung rechtfertigten. Nach der oben in den Randnummern 193 und 194 wiedergegebenen Rechtsprechung verpflichtet das Begründungserfordernis die Kommission nicht zur Erläuterung der rechnerischen Gewichtung der Kriterien, die sie bei der Ermittlung der Schwere der Zuwiderhandlung berücksichtigt. Das Argument der Klägerin, dass die Kommission den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit, zu dessen Ausprägungen die Begründungspflicht gehöre, verletzt habe, indem sie die Gewichtung der insoweit herangezogenen Kriterien – Art der Zuwiderhandlung, Umfang des betroffenen räumlichen Marktes und konkrete Auswirkung der Zuwiderhandlung auf den Markt – nicht angegeben habe, ist daher zurückzuweisen.

197   Schließlich ist in Bezug auf das Argument der Klägerin, dass in der Entscheidung nicht angegeben werde, welche Gründe die Festsetzung eines Betrages rechtfertigten, der über der in den Leitlinien für besonders schwere Zuwiderhandlungen vorgesehenen Untergrenze liege, daran zu erinnern, dass nach Nummer 1 Teil A dritter Gedankenstrich der Leitlinien, deren Rechtmäßigkeit die Klägerin nicht bestreitet, die „voraussichtlichen“ Grundbeträge bei einem als besonders schwer eingestuften Verstoß „oberhalb von 20 Millionen [Euro]“ liegen. Die Kommission wollte sich dadurch in Einklang mit dem ihr im Bußgeldbereich zustehenden weiten Ermessen die Möglichkeit vorbehalten, nach Maßgabe der Umstände jedes Einzelfalls über diesem Betrag liegende Grundbeträge festzusetzen. Unter diesen Umständen besteht kein Grund, von ihr zu verlangen, die speziellen Gründe darzulegen, die sie veranlasst haben, einen Grundbetrag von über 20 Millionen Euro festzusetzen, wenn aus ihrer Entscheidung die Gründe, die als solche die Festsetzung des Grundbetrags in der in der Entscheidung festgelegten Höhe rechtfertigen, in rechtlich hinreichender Weise hervorgehen. Wie sich aus der obigen Randnummer 196 ergibt, hat die Kommission aber in rechtlich hinreichender Weise die Gesichtspunkte dargelegt, die es ihres Erachtens rechtfertigten, den Grundbetrag der Geldbuße anhand der Schwere der Zuwiderhandlung auf 35 Millionen Euro festzusetzen.

198   Die auf eine unzureichende Begründung der Einstufung der Zuwiderhandlung als besonders schwer und der Festsetzung des Grundbetrags der Geldbuße anhand der Schwere der Zuwiderhandlung auf 35 Millionen Euro gestützte Rüge der Klägerin ist daher als unbegründet zurückzuweisen.

2.     Zum Umfang des räumlich relevanten Marktes

a)     Vorbringen der Parteien

199   Die Klägerin trägt vor, entgegen den Ausführungen der Kommission in ihrer Klagebeantwortung ergebe sich aus bestimmten Stellen der Entscheidung implizit, dass von einem weltweiten Kartell ausgegangen worden sei. Insbesondere habe die Kommission angegeben, dass Preiserhöhungen „für jede Region und jedes Land“ erörtert worden seien (Randnr. 128), und habe an verschiedenen Stellen der Entscheidung auf andere Regionen der Welt als den EWR Bezug genommen (Randnrn. 138, 139, 155 und 158). Diese Feststellung werde aber durch nichts untermauert. Außerdem habe die Kommission mit der Annahme, dass die Zuwiderhandlung weltweit begangen worden sei, den Grundsatz „non bis in idem“ verletzt und die Auswirkungen des Kartells überschätzt.

200   Die Kommission hält diese Argumentation für unbegründet.

b)     Würdigung durch das Gericht

201   Auch wenn einige Stellen der Entscheidung kurze Erörterungen über außereuropäische Länder enthalten (vgl. insbesondere Randnrn. 87, 138 und 139), geht aus ihrer Randnummer 2 klar hervor, dass sich die Kommission auf die Feststellung einer Zuwiderhandlung im gesamten EWR beschränkt hat. Dies wird durch Randnummer 292 in Zusammenhang mit der Prüfung des Umfangs des räumlich relevanten Marktes bestätigt.

202   Die Behauptung der Klägerin, dass die Kommission von einem weltweiten Kartell ausgegangen sei, trifft daher nicht zu. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, wäre jedenfalls darauf hinzuweisen, dass die Kommission bei der Festsetzung der Geldbuße in den Randnummern 268 bis 312 den etwaigen weltweiten Charakter des Kartells nicht berücksichtigt hat, während die oben genannten Gesichtspunkte, aus denen sich ergeben soll, dass von einem solchen Charakter ausgegangen wurde, nur beiläufig in dem der Schilderung der Funktionsweise des Kartells gewidmeten Teil (Randnrn. 79 bis 185) erwähnt werden. Insbesondere aus den Randnummern 272, 275 und 293 sowie aus der Überschrift des Abschnitts über die „konkreten Auswirkungen der Zuwiderhandlung auf den Methionin-Markt im EWR“ geht vielmehr hervor, dass allein die den Gemeinsamen Markt und, nach seiner Schaffung, den EWR betreffenden Merkmale der Zuwiderhandlung bei der Festsetzung der Geldbuße berücksichtigt wurden.

203   Die Kommission hat folglich entgegen dem Vorbringen der Klägerin den angeblich weltweiten Charakter des Kartells nicht als erschwerenden Umstand herangezogen. Die vorliegende Rüge ist daher zurückzuweisen.

3.     Zur Beurteilung der Auswirkung der Zuwiderhandlung auf den Markt

a)     Vorbringen der Parteien

204   Die Klägerin ist der Ansicht, die Kommission habe die konkrete Auswirkung der Zuwiderhandlung auf den Markt nicht in rechtlich hinreichender Weise dargetan.

205   Das Kartell habe keinen Mechanismus zur Erhöhung der Preise vorgesehen, und es seien nur Zielpreise festgelegt worden. Es habe auch weder einen Mechanismus für die Zuteilung von Quoten, Absatzmengen oder Kunden noch einen Ausgleichs- und Überwachungsmechanismus zur Gewährleistung der Einhaltung der Zielpreise gegeben.

206   Die Kommission habe festgestellt, dass die Nichtteilnahme von Novus am Kartell die Erreichung von Zielpreisen unmöglich gemacht habe (Randnrn. 276 ff. der Entscheidung) und dass trotz der Zuwiderhandlung die Preise in den Jahren 1992 bis 1997 gesunken seien (Randnrn. 287 ff.), und habe diesen Umständen zu Unrecht die Beweiskraft dafür abgesprochen, dass die Durchsetzung der Vereinbarungen keine Rolle bei der Preisstruktur und ‑fluktuation auf dem Methioninmarkt gespielt habe; sie habe damit die konkreten Auswirkungen der Zuwiderhandlung auf den Markt unzutreffend gewürdigt.

207   Die Kommission habe lediglich die Auswirkungen der Zuwiderhandlung auf den Markt festgestellt und dadurch gegen ihre eigenen Leitlinien verstoßen, die in Nummer 1 Teil A Absatz 3 hinsichtlich der Kategorien von Verstößen nach Maßgabe ihrer Schwere vorsähen, dass „[i]nnerhalb dieser einzelnen Kategorien und insbesondere bei den als schwer und besonders schwer eingestuften … die Skala der festzusetzenden Geldbußen eine Differenzierung gemäß der Art des begangenen Verstoßes [ermöglicht]“. Obwohl die Kommission einräume, dass es sich bei der Zuwiderhandlung um einen komplexen Sachverhalt gehandelt habe, der über mehrere Jahre den tatsächlichen Marktbedingungen angepasst worden sei, habe sie auch keine differenzierende Betrachtung der konkreten Auswirkungen dieses komplexen Sachverhalts vorgenommen.

208   Die Kommission sei den Nachweis der konkreten Auswirkungen des Kartells schuldig geblieben und habe damit die Anforderungen an die Beweislast verkannt. In Randnummer 287 der Entscheidung führe sie nämlich aus, die beteiligten Unternehmen hätten keinen Beweis dafür erbracht, dass die Durchsetzung der Vereinbarungen keine Rolle bei der Preisgestaltung und ‑fluktuation auf dem Methioninmarkt gespielt habe. Es sei aber Sache der Kommission, sowohl das Ausmaß der Auswirkungen als auch das Vorliegen der Zuwiderhandlung selbst zu beweisen (oben in Randnr. 115 angeführtes Urteil Hüls/Kommission, Randnr. 154, und oben in Randnr. 101 angeführtes Urteil Baustahlgewebe/Kommission, Randnr. 58). Da die Kommission das Ausmaß der konkreten Auswirkungen der Zuwiderhandlung auf den Markt nicht nachgewiesen habe, sei davon auszugehen, dass es solche Auswirkungen nicht gegeben habe und dass die Geldbuße daher hätte niedriger ausfallen müssen. Unter diesen Umständen wäre allenfalls die Untergrenze der Geldbuße für besonders schwere Verstöße in Höhe von 20 Millionen Euro hinnehmbar gewesen.

209   Die Kommission hält diese Argumentation für unbegründet.

210   Sie weist zunächst darauf hin, dass sie in dem Teil der Entscheidung, der die konkreten Auswirkungen der Zuwiderhandlung betreffe, keineswegs behaupte, dass es Mechanismen zur Erhöhung der Preise oder für die Zuteilung von Quoten, Absatzmengen oder Kunden oder einen Ausgleichs- und Überwachungsmechanismus zur Gewährleistung der Einhaltung der Zielpreise gegeben habe, so dass die dahin gehenden Argumente der Klägerin gegenstandslos seien.

211   Sodann macht sie geltend, sie habe neben der konkreten Auswirkung auf den Markt das Wesen der Zuwiderhandlung und den Umfang des räumlich relevanten Marktes berücksichtigt; diese seien von der Klägerin nicht bestritten worden.

212   Außerdem seien die wettbewerbswidrigen Vereinbarungen umgesetzt und die Zielpreise den Kunden gewöhnlich über die Fachpresse angekündigt worden. Solche Ankündigungen hätten zwangsläufig Auswirkungen auf den Markt (Urteil des Gerichts vom 14. Mai 1998 in der Rechtssache T‑308/94, Cascades/Kommission, Slg. 1998, II‑925, Randnr. 177). Die Bemühungen der Kartellteilnehmer, den Preisverfall nach dem Markteintritt von Monsanto und dem Rückgang der Nachfrage umzukehren, seien im Übrigen erfolgreich gewesen.

213   Folglich könne kein Zweifel daran bestehen, dass das Kartell konkrete Auswirkungen auf den Markt gehabt habe, die auch dann gewürdigt werden könnten, wenn sich nicht feststellen lasse, inwieweit die tatsächlichen Preise von denjenigen abwichen, die sich ohne Absprache gebildet hätten. Die Leitlinien sähen nämlich vor, dass die Kommission die konkreten Auswirkungen der Zuwiderhandlung auf den Markt berücksichtige und nicht das Ausmaß dieser Auswirkungen.

b)     Würdigung durch das Gericht

214   Zunächst ist festzustellen, dass die Kommission die Leitlinien zwar in der Entscheidung nicht ausdrücklich erwähnt, gleichwohl aber die gegen die Klägerin festgesetzte Geldbuße in Anwendung der Berechnungsmethode ermittelt hat, die sie sich dort auferlegt hat.

215   In den Leitlinien heißt es (Nr. 1 Teil A Absatz 1): „Bei der Ermittlung der Schwere eines Verstoßes sind … die konkreten Auswirkungen auf den Markt, sofern diese messbar sind, … zu berücksichtigen.“

216   Nach der Rechtsprechung ist die Kommission zu einer solchen Prüfung verpflichtet, wenn diese Auswirkungen messbar erscheinen (oben in Randnr. 53 angeführtes Urteil Archer Daniels Midland und Archer Daniels Midland Ingredients/Kommission, Randnr. 143).

217   In diesem Zusammenhang hat sich die Kommission darauf gestützt, dass die Zuwiderhandlung konkrete Auswirkungen auf den Methioninmarkt im EWR gehabt habe (Randnrn. 276 bis 291 der Entscheidung).

218   Im vorliegenden Fall genügt es, die Kontrolle der von der Kommission vorgenommenen Beurteilung der Auswirkungen der Zuwiderhandlung auf ihre Beurteilung der Auswirkungen des Kartells auf den Preis zu beschränken.

219   Zum einen ist nämlich darauf hinzuweisen, dass die Zuwiderhandlung von der Kommission als Kartell zur Aufrechterhaltung oder Erhöhung der Preise geschildert worden ist, in dessen Rahmen Informationen über Absatzmengen und Marktanteile ausgetauscht wurden, während die Auswirkungen der Zuwiderhandlung auf den Markt nur im Hinblick auf ihre Folgen für die Preise beurteilt wurden. Zum anderen ermöglicht die Prüfung der Folgen des Kartells für die Preise jedenfalls auch die Beurteilung der Frage, ob das mit dem Informationsaustausch über Absatzmengen und Marktanteile verfolgte Ziel erreicht wurde, da dieser Austausch gerade die effektive Verwirklichung des Preiskartells ermöglichen sollte (vgl. in diesem Sinne das oben in Randnr. 53 angeführte Urteil Archer Daniels Midland und Archer Daniels Midland Ingredients/Kommission, Randnr. 148 und die dort genannte Rechtsprechung).

220   Zur Argumentation der Klägerin, dass das – von der Kommission im Rahmen der vorliegenden Rüge nicht bestrittene – Fehlen von Mechanismen zur Erhöhung der Preise, für die Zuteilung von Absatzmengen oder Kunden und zum Ausgleich und zur Überwachung belege, dass die Zuwiderhandlung keine konkreten Auswirkungen auf den Markt gehabt habe, ist zu sagen, dass zwar das Fehlen solcher Mechanismen eine Erklärung dafür sein kann, dass die Zuwiderhandlung keine konkreten Auswirkungen auf die Preise hatte, falls diese nicht feststellbar sind, doch lässt es nicht die Annahme zu, dass die Zuwiderhandlung ohne solche Auswirkungen geblieben ist. Daher sind die von der Kommission als Beleg für die Existenz derartiger Auswirkungen angeführten Gesichtspunkte zu prüfen.

221   Hierzu hat die Kommission die Ansicht vertreten, dass es den Kartellmitgliedern während der gesamten Dauer des Kartells gelungen sei, die Preise auf einem höheren Niveau zu halten, als dies ohne die rechtswidrigen Absprachen möglich gewesen wäre (Randnr. 289 der Entscheidung).

222   Es ist daran zu erinnern, dass bei der Ermittlung der Schwere der Zuwiderhandlung insbesondere dem normativen und wirtschaftlichen Zusammenhang der beanstandeten Verhaltensweise Rechnung zu tragen ist (oben in Randnr. 101 angeführtes Urteil Suiker Unie u. a./Kommission, Randnr. 612, und oben in Randnr. 45 angeführtes Urteil Ferriere Nord/Kommission, Randnr. 38). Aus der Rechtsprechung geht hervor, dass sich die Kommission, wenn sie die konkreten Auswirkungen einer Zuwiderhandlung auf den Markt beurteilt, auf den Wettbewerb beziehen muss, der normalerweise ohne die Zuwiderhandlung geherrscht hätte (vgl. in diesem Sinne Urteil Suiker Unie u. a./Kommission, Randnrn. 619 und 620, sowie Urteile des Gerichts vom 14. Mai 1998 in der Rechtssache T‑347/94, Mayr-Melnhof/Kommission, Slg. 1998, II‑1751, Randnr. 235, und vom 11. März 1999 in der Rechtssache T‑141/94, Thyssen Stahl/Kommission, Slg. 1999, II‑347, Randnr. 645).

223   Folglich kann die Kommission, wenn sie im Fall von Preisabsprachen feststellt, dass die Vereinbarungen es den betreffenden Unternehmen tatsächlich ermöglicht haben, ein höheres Niveau der Transaktionspreise zu erreichen, als es ohne Absprache bestanden hätte, bei der Ermittlung der Geldbuße die Bedeutung der nachteiligen Auswirkungen der Zuwiderhandlung auf den Markt berücksichtigen und die Geldbuße im Hinblick auf die Schwere der Zuwiderhandlung höher festsetzen, als dies ohne eine solche Feststellung geschehen wäre.

224   Im Rahmen dieser Beurteilung muss die Kommission sämtliche objektiven Bedingungen des betreffenden Marktes im Hinblick auf den bestehenden wirtschaftlichen und etwaigen normativen Zusammenhang berücksichtigen. Gegebenenfalls ist „objektiven wirtschaftlichen Faktoren“ Rechnung zu tragen, aus denen sich ergibt, dass sich bei „freiem Wettbewerb“ das Preisniveau nicht so entwickelt hätte wie das Niveau der tatsächlichen Preise (oben in Randnr. 212 angeführtes Urteil Cascades/Kommission, Randnrn. 183 und 184, und oben in Randnr. 222 angeführtes Urteil Mayr-Melnhof/Kommission, Randnrn. 234 und 235).

225   Im vorliegenden Fall hat die Kommission ihre Schlussfolgerungen zu den tatsächlichen Auswirkungen des Kartells auf das Preisniveau im Wesentlichen auf drei Gesichtspunkte gestützt.

226   Erstens hat sie die Ansicht vertreten, dass die Zuwiderhandlung von Unternehmen begangen worden sei, die im betreffenden Zeitraum den „Löwenanteil“ des Marktes abgedeckt hätten, und dass die aufgedeckten Vereinbarungen, da sie eigens darauf gerichtet gewesen seien, die Preise über das Niveau anzuheben, auf dem sie sich normalerweise eingependelt hätten, und die Absatzmengen zu beschränken, und da sie über zehn Jahre lang kontinuierlich angewandt worden seien, zwangsläufig tatsächliche Auswirkungen auf den Markt gehabt hätten (Randnrn. 276, 278, 281 und 287 der Entscheidung).

227   Hierzu hat die Kommission festgestellt, dass die Kartellvereinbarungen umgesetzt worden seien und dass die Parteien während der gesamten Dauer des Kartells ihre Absatzzahlen ausgetauscht hätten, um neue Zielpreise zu vereinbaren. Die neuen Zielpreise seien den Kunden über die Fachpresse bekannt gegeben worden (Randnr. 278 der Entscheidung).

228   Zweitens hat die Kommission ausgeführt, dass die beteiligten Unternehmen in den Anfangsjahren des Kartells in erster Linie die Erhöhung der Methioninpreise im Auge gehabt hätten. Nach dem Markteintritt von Monsanto im Jahr 1989 und dem generellen Rückgang der Nachfrage sei es den Kartellmitgliedern jedoch mit vereinten Kräften gelungen, den Abwärtstrend bei den Preisen umzukehren. Danach hätten sich ihre Anstrengungen in erster Linie darauf gerichtet, die geltenden Preise zu halten (Randnr. 279 der Entscheidung).

229   Dies werde durch einen Vermerk von Nippon Soda über eine Zusammenkunft am 17. Mai 1993 bestätigt, aus dem die steigende Tendenz der Preise auf dem Methioninmarkt hervorgeht. Degussa sei es gelungen, einem ihrer Großabnehmer – Cebeco – Methionin zu einem Preis von 6,80 DM/kg zu verkaufen. Vor der Zusammenkunft am 7. November 1990 hätten die Preise noch bei 2,50 USD/kg (4,03 DM/kg) gelegen. Außerdem hätten die Kartellmitglieder bei ihrer Zusammenkunft im November 1990 vereinbart, die Preise von 2,50 USD/kg auf 2,80 USD/kg (4,51 DM/kg) zu erhöhen. Nippon Soda nenne höhere Preise: Mit der ersten Erhöhung im Januar 1991 habe der Preis auf 3,30 bis 3,50 USD/kg angehoben werden sollen (also auf durchschnittlich 5,10 DM/kg nach den Angaben von Nippon Soda selbst und auf eine Preisspanne von 5,31 bis 5,64 DM/kg nach den Angaben des Statistischen Amtes der Europäischen Gemeinschaften [Eurostat]) und mit der zweiten Erhöhung auf 3,60 bis 3,70 USD/kg (5,80 bis 5,92 DM/kg) (Randnr. 280 der Entscheidung).

230   Drittens schließlich hat die Kommission in Randnummer 290 der Entscheidung festgestellt, dass es auch angesichts der damit verbundenen Risiken nicht vorstellbar sei, dass die beteiligten Unternehmen wiederholt zu Treffen in der ganzen Welt zusammengekommen seien, um Zielpreise festzusetzen, wenn sie der Meinung gewesen wären, dass das Kartell keinen oder nur geringen Einfluss auf den Methioninmarkt habe.

231   Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass sich – wie die Kommission im Wesentlichen in Randnummer 277 der Entscheidung ausführt – der Nachweis konkreter Auswirkungen einer Zuwiderhandlung auf den Markt in bestimmten Fällen als besonders schwierig erweisen kann, da er den Vergleich der aus dieser Zuwiderhandlung resultierenden Situation mit der Situation erfordert, die ohne die Zuwiderhandlung entstanden wäre und die zwangsläufig hypothetischer Art ist. Insoweit ist bei der Beurteilung der Gesichtspunkte, auf die sich die Kommission zum Nachweis der Auswirkung auf den Markt gestützt hat, zum einen zu berücksichtigen, dass die Zuwiderhandlung teilweise weit zurückreicht (wie die Kommission festgestellt und die Klägerin nicht bestritten hat, begann die Zuwiderhandlung Anfang 1986), und zum anderen, dass es nach 1993 einen Abwärtstrend bei den Preisen gab (vor allem aufgrund des Wettbewerbs durch Novus), so dass die Kommission nicht nachzuweisen brauchte, dass die Preise wegen der Absprache stiegen, sondern, dass sie ohne die Absprache noch stärker gesunken wären als tatsächlich geschehen.

232   Zur ersten Gruppe der von der Kommission angeführten Gesichtspunkte ist festzustellen, dass sowohl die Tatsache, dass die Kartellteilnehmer über die Mehrheit der Marktanteile verfügten, als auch der – den Gegenstand und nicht die Auswirkungen des Kartells betreffende – Umstand, dass die aufgedeckten Vereinbarungen eigens darauf gerichtet waren, die Preise über das Niveau anzuheben, auf dem sie sich sonst eingependelt hätten, und die Absatzmengen zu beschränken, nur Anhaltspunkte dafür sind, dass die Zuwiderhandlung erhebliche wettbewerbswidrige Wirkungen haben konnte, und nicht dafür, dass dies tatsächlich der Fall war. Außerdem ist hervorzuheben, dass nach den von der Kommission selbst getroffenen Feststellungen der Marktanteil der Kartellteilnehmer nach dem Markteintritt von Monsanto allmählich zurückging und gegen Ende der Zuwiderhandlung bei 60 % lag, während Novus (vormals Monsanto) in diesem Zeitraum zum weltweit führenden Hersteller von Methionin mit einem Marktanteil von über 30 % wurde (Randnr. 44 der Entscheidung), was im Übrigen schon Ende 1993 die Besorgnis der Kartellteilnehmer erregt hatte (Randnr. 150).

233   Darüber hinaus ist jedoch festzustellen, dass die Kommission in rechtlich hinreichender Weise dargetan hat, dass die Vereinbarungen umgesetzt worden waren, wobei – wie es in Randnummer 278 der Entscheidung heißt – die Preise den Marktbedingungen angepasst wurden (Randnrn. 88, 128, 130, 139, 150 und 154), und dass insbesondere in der Zeit von 1986 bis 1988 und von 1992 bis 1995 die neuen Zielpreise den Kunden bekannt gegeben wurden, gewöhnlich über die Fachpresse (Randnrn. 88, 136, 157 und 167). Wie die Kommission geltend macht, wirken sich solche Preisankündigungen ihrem Wesen nach auf den Markt und das Verhalten der verschiedenen Marktteilnehmer sowohl auf der Angebots- als auch auf der Nachfrageseite aus, da sie insofern in den Preisbildungsprozess eingreifen, als der angekündigte Preis einen Bezugspunkt bei der individuellen Aushandlung der Verkaufspreise mit den Kunden darstellt (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 14. Mai 1998 in der Rechtssache T‑338/94, Finnboard/Kommission, Slg. 1998, II‑1617, Randnr. 342), deren Verhandlungsspielraum bei den Preisen zwangsläufig eingeschränkt wurde (vgl. in diesem Sinne das oben in Randnr. 132 angeführte Urteil vom 20. April 1999, Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, Randnr. 745).

234   Dagegen ist für die Zeit von Herbst 1988 bis Sommer 1990 nicht nachgewiesen worden, dass die Preisabsprachen umgesetzt und Zielpreise angekündigt wurden, wobei die Kommission einräumt, dass zu dieser Zeit aufgrund des Markteintritts von Monsanto Uneinigkeit zwischen den Kartellteilnehmern bestand (Randnr. 100 der Entscheidung).

235   Was sodann die von der Kommission in Randnummer 280 der Entscheidung vorgenommene Analyse der Preiserhöhung betrifft, so erlaubt sie in stichhaltiger Weise die Feststellung, dass die von den Kartellmitgliedern festgelegten Zielpreise zwischen 1990 und 1993 stiegen. Wie bereits ausgeführt, geht aus dem Vermerk vom 5. Mai 1990 hervor, dass die Methioninpreise 1989 erheblich, bis auf 2,00 USD/kg, gefallen waren. Die Kommission weist darauf hin, dass der Methioninpreis nach den Erklärungen von Rhône-Poulenc Ende 1990 bei 2,50 USD/kg (4,03 DM/kg) lag und auf 2,80 USD/kg (4,51 DM/kg) angehoben werden sollte. Außerdem gibt Nippon Soda im Vermerk über die Zusammenkunft am 7. November 1990 an, dass die Preise zu dieser Zeit in der DM-Zone bei 3,40 bis 3,50 USD/kg gelegen hätten. Schließlich heißt es in dem Vermerk von Nippon Soda vom 17. Mai 1993, dass die Preistendenz nach oben gegangen sei und dass Degussa im zweiten Quartal 1993 einem ihrer Kunden Methionin zum Preis von 6,80 DM/kg verkauft habe. Ferner geht aus den Randnummern 132 bis 152, deren Inhalt die Klägerin nicht bestritten hat, hervor, dass die Zielpreise zwischen 1992 und 1993 von 6,05 (Randnr. 132) auf 6,20 DM/kg (Randnr. 137) angehoben wurden, wobei die letztgenannte Zahl, wenn auch mit gewissen Ausnahmen, bis zum dritten Quartal 1993 fortgelten sollte (Randnr. 144). Auch wenn diese Ziele nicht immer erreicht wurden, ergibt sich aus Randnummer 136, dass der Durchschnittspreis für Methionin in Europa im vierten Quartal des Jahres 1992 bei 5,60 DM/kg (oder 3,35 USD/kg) und im ersten Quartal des Jahres 1993 bei 5,20 DM/kg (oder 3,23 USD/kg) lag. Daraus folgt, dass ab Sommer 1990, während der Preis zuvor nach unten tendiert hatte, die Ziel- und Verkaufspreise stiegen und sich in gewissem Maß stabilisierten, woraus die Kommission den Schluss ziehen durfte, dass die gemeinsamen Anstrengungen der Kartellteilnehmer in diesem Zeitraum konkrete Auswirkungen auf den Markt hatten.

236   Dagegen hat die Kommission den Einfluss des Kartells vor Sommer 1990 nicht in gleicher Weise dargetan, wie sie insbesondere für die Zeit von Herbst 1988 bis Sommer 1990 ausdrücklich anzuerkennen scheint; das Gleiche gilt für den tendenziellen Preisrückgang ab 1993.

237   In Bezug auf die Zeit von Herbst 1988 bis Sommer 1990 ist bereits ausgeführt worden, dass das Kartell aufgrund des Ausscheidens von Sumitomo, des Markteintritts von Monsanto und dem generellen Rückgang der Nachfrage gewissen Schwankungen unterworfen war, die u. a. in einem erheblichen Rückgang der Preise von Degussa zum Ausdruck kamen; diese wollte vor allem Marktanteile von Monsanto zurückgewinnen, da der Preisrückgang Auswirkungen auf den gesamten Markt hatte.

238   Ebenso geht für die Zeit von 1993 bis zum Ende des Kartells aus den Randnummern 152 bis 179 der Entscheidung hervor, dass die Zielpreise allmählich sanken und dass die Teilnehmer die Unerreichbarkeit dieser Ziele konstatierten (Randnrn. 152, 153 und 160). Außerdem hat die Kommission selbst eingeräumt, dass die Zielpreise nicht erreicht wurden und dass sich dieser Umstand mit den Argumenten von Degussa – Nichtmitwirkung von Novus am Kartell und Fehlen von Mechanismen zur Erhöhung der Preise, für die Zuteilung von Absatzmengen oder Kunden und zur Überwachung – erklären lasse (Randnrn. 284 bis 287). Sie hat ferner anerkannt, dass das Sinken der Methioninpreise im Laufe der Zeit die Probleme der Parteien deutlich mache, in einer schwierigen Marktsituation Preiserhöhungen durchzusetzen (Randnr. 288).

239   Trotz dieser Feststellungen kam die Kommission jedoch in Randnummer 289 der Entscheidung zu dem Ergebnis, dass es den Kartellmitgliedern während der gesamten Dauer des Kartells gelungen sei, die Preise auf einem höheren Niveau zu halten, als dies ohne die rechtswidrigen Absprachen möglich gewesen wäre.

240   Was schließlich den letzten von der Kommission angeführten und im Rahmen der vorliegenden Klage wiederholten Gesichtspunkt angeht, wonach sich die Kartellteilnehmer nicht während der gesamten Dauer des Kartells regelmäßig getroffen hätten, wenn das Kartell keine Auswirkung auf den Markt gehabt hätte, so beruht er auf reinen Mutmaßungen und nicht auf objektiven wirtschaftlichen Faktoren. Da er jeder Beweiskraft entbehrt, ist er zurückzuweisen (oben in Randnr. 53 angeführtes Urteil Archer Daniels Midland und Archer Daniels Midland Ingredients/Kommission, Randnr. 159).

241   Nach alledem hat die Kommission die tatsächliche Auswirkung des Kartells auf den Methioninmarkt in der Zeit von 1986 bis 1999 nur teilweise nachgewiesen. Insbesondere hätte sie berücksichtigen müssen, dass von Herbst 1988 bis Sommer 1990 die Uneinigkeit der Kartellmitglieder zusammen mit der Konkurrenz durch den neuen Marktteilnehmer und dem generellen Rückgang der Nachfrage zu einem erheblichen Preisverfall führte, der den Nachweis der konkreten Auswirkungen der Absprache während dieses Zeitraums in Frage stellte und die Hypothese, dass es keine solchen Auswirkungen gegeben habe, untermauerte. Dies gilt umso mehr, als – wie die Prüfung der Dauer der Zuwiderhandlung ergeben hat – nicht nachgewiesen werden konnte, dass in diesem Zeitraum eine Preisabsprache getroffen wurde.

242   Aus der Entscheidung geht aber nicht hervor, dass die Kommission speziell diesen Gesichtspunkt berücksichtigt hat. Sie hat vielmehr in den Randnummern 97 und 255 der Entscheidung behauptet, dass das Kartell niemals aufgehört habe, zu funktionieren. Ebenso ergibt sich aus Randnummer 291, dass die Kommission die dagegen erhobenen Einwände der Klägerin zurückgewiesen und die Ansicht vertreten hat, dass ihr Verhalten in diesem Zeitraum nicht besage, dass die Kartellteilnehmer den Kartellvereinbarungen nicht nachgekommen seien. Wie zuvor dargelegt, hat die Kommission jedoch weder den Abschluss einer neuen Preisabsprache zwischen Herbst 1988 und Sommer 1990 noch die Umsetzung der früheren Absprache nach dem Rückzug von Sumitomo vom Kartell Ende 1988 nachgewiesen.

243   Außerdem ist festzustellen, dass die Methioninpreise von 1993 bis zum Ende der Zuwiderhandlung allmählich sanken und dass während dieser Zeit die Zielpreise nicht erreicht wurden, was insbesondere an der Konkurrenz durch Novus lag, die am Ende der Zuwiderhandlung einen Anteil von über 30 % am Weltmarkt für Methionin hielt (25 % bis 26 % auf der Ebene des EWR nach den Angaben in Randnr. 286 der Entscheidung) und – wie von den Kartellmitgliedern schon Ende 1993 vermutet – dabei war, sich den größten Teil des Methioninmarkts zu sichern (Randnr. 150). Im Übrigen hat die Kommission zwar nachgewiesen, dass die von den Kartellteilnehmern festgelegten Zielpreise bis Anfang 1995 in der Fachpresse angekündigt wurden (Randnrn. 136, 155, 157 und 167), was zwangsläufig gewisse Auswirkungen auf den Preisbildungsprozess hatte. Dagegen ist in der Entscheidung von keiner Preisankündigung nach diesem Zeitpunkt die Rede. Deshalb ist davon auszugehen, dass die Kommission entgegen ihren Behauptungen in Randnummer 289 nicht in vollem Umfang nachgewiesen hat, dass die Preise nach 1992/93 auf einem höheren Niveau gehalten wurden, als es ohne die rechtswidrigen Absprachen möglich gewesen wäre; dies gilt insbesondere für die Zeit von Anfang 1995 bis zum Ende der Zuwiderhandlung.

244   Das Gericht hat daher die Tragweite dieses Ergebnisses im Rahmen seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung im Bereich von Geldbußen zu prüfen.

4.     Ergebnis in Bezug auf die Ermittlung der Geldbuße anhand der Schwere der Zuwiderhandlung

245   Wie zuvor ausgeführt, hat die Kommission insbesondere für den Zeitraum von Herbst 1988 bis Sommer 1990 und von 1995 bis zum Ende der Zuwiderhandlung deren konkrete Auswirkungen auf den Markt nur teilweise nachgewiesen.

246   Gleichwohl hat die Kommission in Randnummer 289 der Entscheidung ausgeführt, dass es den Kartellmitgliedern während der gesamten Dauer des Kartells – auch nach 1992/93 – gelungen sei, die Preise auf einem höheren Niveau zu halten, als es ohne die rechtswidrigen Absprachen möglich gewesen wäre. Ferner hat sie zur Schwere der Zuwiderhandlung festgestellt (Randnr. 293), dass das den Kartellteilnehmern zur Last gelegte Verhalten konkrete Auswirkungen auf den Markt gehabt habe.

247   Folglich hat die Kommission bei der Ermittlung der Geldbuße anhand der Schwere der Zuwiderhandlung berücksichtigt, dass die Zuwiderhandlung konkrete Auswirkungen auf den Markt hatte, obwohl solche Auswirkungen nicht für die gesamte Dauer des Kartells in vollem Umfang nachgewiesen werden konnten.

248   Unter diesen Umständen ist das Gericht der Ansicht, dass aufgrund seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung im Bereich von Geldbußen die von der Kommission in Randnummer 302 der Entscheidung anhand der Schwere der Zuwiderhandlung auf 35 Millionen Euro festgesetzte Geldbuße herabzusetzen ist.

249   Insoweit ist jedoch zu berücksichtigen, dass – wie die Kommission ausführt – die Zuwiderhandlung in Randnummer 273 der Entscheidung „ihrem Wesen nach“ als besonders schwer eingestuft wurde, wobei die Kommission feststellte, dass die Zuwiderhandlung in einer Marktaufteilung und einer Preisfestsetzung bestanden habe, „die von ihrem Wesen her die gravierendsten Verstöße gegen Artikel 81 Absatz 1 [EG] und Artikel 53 Absatz 1 EWR-Abkommen darstellen“ (Randnr. 271). In Randnummer 275 fügte sie hinzu: „Es besteht kein Zweifel, dass Preis- und Marktaufteilungskartelle ihrem Wesen nach das ordnungsgemäße Funktionieren des Binnenmarkts gefährden.“

250   Das Gericht hat bereits in seinem Urteil vom 30. September 2003 in der Rechtssache T‑203/01 (Michelin/Kommission, Slg. 2003, II‑4071, Randnrn. 258 und 259) entschieden, dass die Schwere der Zuwiderhandlung anhand der Art und des Zwecks der missbräuchlichen Verhaltensweisen festgestellt werden kann und dass nach ständiger Rechtsprechung Gesichtspunkte, die den Gegenstand eines Verhaltens betreffen, für die Festsetzung der Geldbuße größere Bedeutung haben können als Gesichtspunkte, die die Wirkungen des Verhaltens betreffen (oben in Randnr. 222 angeführtes Urteil Thyssen Stahl/Kommission, Randnr. 636, und Urteil des Gerichts vom 13. Dezember 2001 in den Rechtssachen T‑45/98 und T‑47/98, Krupp Thyssen Stainless und Acciai speciali Terni/Kommission, Slg. 2001, II‑3757, Randnr. 199).

251   Der Gerichtshof hat diesen Ansatz bestätigt und die Ansicht vertreten, dass die Auswirkung einer wettbewerbswidrigen Praxis bei der Beurteilung der angemessenen Höhe der Geldbuße kein ausschlaggebendes Kriterium ist. Gesichtspunkte, die die Intention eines Verhaltens betreffen, können größere Bedeutung haben als solche, die dessen Wirkungen betreffen, vor allem, wenn es sich dem Wesen nach um schwere Zuwiderhandlungen wie die Preisfestsetzung und die Marktaufteilung handelt (Urteil des Gerichtshofes vom 2. Oktober 2003 in der Rechtssache C‑194/99 P, Thyssen Stahl/Kommission, Slg. 2003, I‑10821, Randnr. 118).

252   Außerdem ist daran zu erinnern, dass horizontale Preisabsprachen stets zu den schwersten Zuwiderhandlungen gegen das Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft gezählt worden sind (oben in Randnr. 58 angeführtes Urteil Tate & Lyle u. a./Kommission, Randnr. 103, und Urteil des Gerichts vom 19. März 2003 in der Rechtssache T‑213/00, CMA CGM u. a./Kommission, Slg. 2003, II‑913, Randnr. 262).

253   Schließlich ist noch hervorzuheben, dass die Kommission dem Kriterium der konkreten Auswirkung der Zuwiderhandlung auf den Markt keine entscheidende Bedeutung bei der Festlegung des Grundbetrags der Geldbuße beigemessen hat. Sie hat ihre Beurteilung nämlich auch auf andere Gesichtspunkte gestützt, und zwar auf die Feststellung, dass die Zuwiderhandlung ihrem Wesen nach als besonders schwer einzustufen sei (Randnrn. 271 bis 275 der Entscheidung) und dass der räumlich relevante Markt in der gesamten Gemeinschaft und, nach dessen Errichtung, im gesamten EWR bestanden habe (Randnr. 292).

254   Nach alledem ist das Gericht der Ansicht, dass die Kommission die Zuwiderhandlung zu Recht als besonders schwer eingestuft hat. Da die konkreten Auswirkungen der Zuwiderhandlung jedoch nur teilweise nachgewiesen wurden, ist die anhand der Schwere der Zuwiderhandlung ermittelte Geldbuße von 35 auf 30 Millionen Euro herabzusetzen.

B –  Zur Erhöhung der Geldbuße zwecks Gewährleistung einer hinreichend abschreckenden Wirkung

255   Die Klägerin rügt in diesem Rahmen erstens einen Rechts- und Tatsachenirrtum bei der Ermittlung ihres Umsatzes, zweitens eine Verletzung des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit von Strafen, der Begründungspflicht und der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung bei der Ermittlung des Erhöhungssatzes und drittens einen Beurteilungsfehler hinsichtlich der hinreichend abschreckenden Wirkung im Hinblick auf ihr Verhalten nach Beendigung der Zuwiderhandlung.

1.     Zum Rechts- und Tatsachenirrtum hinsichtlich des Umsatzes der Klägerin

a)     Vorbringen der Parteien

256   Die Klägerin macht erstens geltend, dass ihr von der Kommission für das Jahr 2000 zugrunde gelegter Umsatz falsch sei. Dieser habe nämlich nicht 16,9 Milliarden Euro, sondern 10,715 Milliarden Euro betragen, wie sie der Kommission auf deren Anfrage vom 28. Mai 2002 in ihrem Antwortschreiben vom 5. Juni 2002 mitgeteilt habe. Angesichts des unmittelbaren Zusammenhangs zwischen den mit der Erhöhung der Geldbuße verfolgten Zielen und dem Umsatz des Unternehmens stelle der von der Kommission begangene Fehler eine Außerachtlassung wesentlicher Umstände dar, deren Berücksichtigung sie zu einer anderen Entscheidung veranlasst hätte. Daher sei der Kommission ein Beurteilungsfehler unterlaufen, der die Nichtigerklärung der Entscheidung rechtfertige.

257   Zweitens habe die Kommission bei der Berechnung der Geldbuße zu Unrecht auf die Lage des neuen Unternehmens Degussa AG (Düsseldorf) abgestellt. Dieses sei nämlich durch die im Jahr 2000, also nach Beendigung der Zuwiderhandlung, durchgeführte Fusion von Degussa-Hüls und SKW entstanden (siehe oben, Randnr. 1). Außerdem sei Degussa-Hüls selbst das Ergebnis der im Jahr 1998, also ebenfalls nach Beendigung des gerügten wettbewerbswidrigen Verhaltens, durchgeführten Fusion der Degussa AG (Frankfurt am Main) und der Hüls AG (Marl) (siehe dieselbe Randnr.). Die Zuwiderhandlung sei somit von der Degussa AG (Frankfurt am Main) begangen worden, auf deren Umsatz die Kommission bei der Berechnung der Geldbuße hätte abstellen müssen. Im Geschäftsjahr 1997/98 habe der Umsatz dieses Unternehmens aber bei 15,905 Milliarden DM gelegen.

258   Es treffe zu, dass die aus der Fusion hervorgegangene neue wirtschaftliche Einheit grundsätzlich für die Zuwiderhandlungen verantwortlich sei, die zuvor von den fusionierenden Einheiten begangen worden seien. Diese Verantwortlichkeit beschränke sich jedoch auf die ursprüngliche Zuwiderhandlung und das dadurch verursachte Unrecht. Durch die Berücksichtigung des Umsatzes der aus der Fusion hervorgegangenen Einheit habe die Kommission daher gegen das in den Strafrechtsordnungen der Mitgliedstaaten und durch Artikel 6 Absatz 2 EMRK sowie Artikel 49 Absatz 3 der Charta anerkannte Schuldprinzip (nulla poena sine culpa) verstoßen, nach dem die verhängte Sanktion in angemessenem Verhältnis zur Schuld des betroffenen Unternehmens stehen müsse. Auch in der Rechtsprechung des Gerichtshofes sei dieser Grundsatz anerkannt, der sich als maßgebendes Element der Strafzumessung zum Teil aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergebe (Urteile des Gerichtshofes vom 19. Oktober 1983 in der Rechtssache 179/82, Lucchini/Kommission, Slg. 1983, 3083, Randnr. 27, vom 14. Februar 1984 in der Rechtssache 2/83, Alfer/Kommission, Slg. 1984, 799, Randnrn. 17 und 18, und vom 17. Mai 1984 in der Rechtssache 83/83, Estel/Kommission, Slg. 1984, 2195, Randnrn. 39 ff.).

259   Aus dem Umstand, dass das Ziel der Geldbuße darin bestehe, sowohl unerlaubte Handlungen zu ahnden als auch ihrer Wiederholung vorzubeugen (Urteil des Gerichtshofes vom 15. Juli 1970 in der Rechtssache 41/69, Chemiefarma/Kommission, Slg. 1970, 661, Randnrn. 172 bis 176), sei zu schließen, dass die Zuwiderhandlung sowohl Voraussetzung für die Verhängung der Sanktion als auch für deren Höhe sei.

260   Indem die Kommission die Lage des Unternehmens in der Zeit nach Beendigung der Zuwiderhandlung zugrunde gelegt habe, habe sie die Berechnung der Geldbuße daher allein auf den Zweck der Abschreckung und Vorbeugung gestützt und es versäumt, das Verhältnis zwischen Sanktion und Schwere des verwirklichten Unrechts zu berücksichtigen.

261   In Bezug auf die erste dieser Rügen räumt die Kommission ein, dass der weltweite Umsatz der Klägerin im Jahr 2000 nach den Angaben im Schreiben vom 5. Juni 2002 bei 10,715 Milliarden Euro gelegen habe. Sie hält diese Zahl jedoch für offenkundig falsch.

262   Insoweit weist sie erstens darauf hin, dass die Klägerin in ihrem Geschäftsbericht für das Jahr 2000 einen Umsatz von 16,9 Milliarden Euro angegeben habe. Diese Zahl sei in die Mitteilung der Beschwerdepunkte und dann, da die Klägerin in ihrer Erwiderung auf diese Mitteilung keinen Einwand erhoben habe, in die Entscheidung übernommen worden.

263   Zweitens werde im Geschäftsbericht wie auch im Lagebericht für das Jahr 2000 ein Pro-forma-Umsatz von 20,3 Milliarden Euro und ein Umsatz ohne Edelmetallhandel von 16,9 Milliarden Euro angegeben. In der zusammengefassten Gewinn‑und‑Verlust‑Rechnung für den Degussa-Konzern zum 31. Dezember 2000, die die Ergebnisse von Degussa-Hüls vom 1. Januar bis 31. Dezember 2000 und von SKW vom 1. Juli bis 31. Dezember 2000 einschließe, würden die Umsatzerlöse mit 18,198 Milliarden Euro angegeben. Daraus sei abzuleiten, dass der von der Klägerin in ihrem Schreiben vom 5. Juni 2002 angegebene Umsatz von 10,715 Milliarden Euro, bei dem es sich um den Umsatz von Degussa-Hüls einschließlich des Umsatzes von SKW in den sechs auf die Fusion beider Unternehmen folgenden Monaten handeln solle, falsch sei.

264   Außerdem habe die Klägerin in ihrem Lagebericht ausgeführt, die Pro-forma-Betrachtung, die die Ergebnisse von Degussa-Hüls und SKW für einen Zeitraum von 12 Monaten enthalte, sei „wirtschaftlich aussagefähiger“ als die formalrechtliche Betrachtung, bei der die Ergebnisse von SKW nur für einen Zeitraum von sechs Monaten veranschlagt würden. Die interne Steuerung und die strategische Führung des Unternehmens seien somit auf der Grundlage dieser Daten vorgenommen worden. Unter diesen Umständen könne die Klägerin der Kommission nicht den Vorwurf machen, dass sie Zahlen berücksichtigt habe, die die Klägerin selbst als wirtschaftlich aussagefähiger angesehen und in ihrem für die Öffentlichkeit bestimmten Geschäftsbericht in den Vordergrund gestellt habe.

265   Jedenfalls hätte die Heranziehung des Umsatzes ohne die Pro-forma-Ergebnisse (in Höhe von 2 Milliarden Euro) von SKW für das erste Halbjahr 2000 an dem Ergebnis kaum etwas geändert.

266   Schließlich wolle die Klägerin möglicherweise geltend machen, dass die Verschmelzung von Degussa-Hüls und SKW erst am 9. Februar 2001 in das Handelsregister eingetragen worden sei und somit für das Geschäftsjahr 2000 nur der Umsatz von Degussa-Hüls, der sich auf 10,715 Milliarden Euro belaufen haben möge, hätte berücksichtigt werden dürfen. Zum einen hätte die Klägerin in diesem Fall in ihrem Schreiben vom 5. Juni 2002 nicht angeben dürfen, dass der Betrag von 10,715 Milliarden Euro den von SKW in den sechs Monaten nach der Fusion mit Degussa-Hüls erzielten Umsatz einschließe, und zum anderen seien nach dem Geschäftsbericht der Klägerin die beiden Gesellschaften rückwirkend zum 30. Juni 2000 verschmolzen worden, wie im Übrigen der Umstand bestätige, dass die Klägerin ihren Konzernabschluss zum 31. Dezember 2000 unter Zusammenfassung der Abschlüsse von Degussa-Hüls und SKW habe erstellen können.

267   In Bezug auf die zweite Rüge macht die Kommission erstens geltend, dass sie bei der Bemessung der Geldbuße anhand der Schwere der Zuwiderhandlung neben dem Umsatz der Klägerin deren Beteiligung an einem sehr schweren Wettbewerbsverstoß (Randnr. 293 der Entscheidung) und ihren Marktanteil weltweit und im EWR im Jahr 1998 berücksichtigt habe.

268   Zweitens habe die Zuwiderhandlung bis Februar 1999, also über die Fusion von Degussa und Hüls hinaus, angedauert (Randnr. 306 der Entscheidung). Die Klägerin habe im Verwaltungsverfahren insoweit für das Geschäftsjahr 1998/99 einen Umsatz von 12,354 Milliarden Euro angegeben.

269   Ein Umsatz von 8,1, 10,715, 12,354 oder 16,9 Milliarden Euro rechtfertige aber jedenfalls die Einstufung der Klägerin als Großunternehmen und somit eine Erhöhung der Geldbuße aus den in Randnummer 303 der Entscheidung genannten Gründen.

b)     Würdigung durch das Gericht

270   Die Klägerin wirft der Kommission im Wesentlichen vor, einen Tatsachenirrtum in Bezug auf ihren Umsatz im Jahr 2000 sowie einen Rechtsirrtum begangen zu haben, der darin bestehe, dass sie bei der Ermittlung des Aufschlags auf die Geldbuße ihren Umsatz im Jahr 2000 herangezogen habe, obwohl die Zuwiderhandlung nach den Angaben in der Entscheidung im Februar 1999 geendet habe.

271   Zunächst ist die zweite dieser Rügen zu prüfen.

 Zur Berücksichtigung des Umsatzes der Klägerin im Jahr 2000

272   Bei der Ermittlung des Betrages der Geldbußen wegen Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht muss die Kommission nicht nur die Schwere der Zuwiderhandlung und die besonderen Umstände des Einzelfalls, sondern auch den Kontext der Zuwiderhandlung berücksichtigen und sicherstellen, dass ihr Vorgehen vor allem in Bezug auf solche Zuwiderhandlungen, die die Verwirklichung der Ziele der Gemeinschaft besonders beeinträchtigen, abschreckende Wirkung hat (vgl. in diesem Sinne das oben in Randnr. 58 angeführte Urteil Musique diffusion française u. a./Kommission, Randnr. 106).

273   Insoweit sehen die Leitlinien im Übrigen vor, dass neben der Art des Verstoßes, seinen konkreten Auswirkungen auf den Markt und dessen räumlichem Umfang die tatsächliche wirtschaftliche Fähigkeit der Urheber des Verstoßes, Mitbewerber und Verbraucher wirtschaftlich in erheblichem Umfang zu schädigen, zu berücksichtigen und die Geldbuße auf einen Betrag festzusetzen ist, der eine hinreichend abschreckende Wirkung entfaltet (Nr. 1 Teil A Absatz 4).

274   Darüber hinaus kann der Tatsache Rechnung getragen werden, dass Großunternehmen besser erkennen können, in welchem Maß ihre Vorgehensweise einen Verstoß darstellt und welche Folgen zu gewärtigen sind (Nr. 1 Teil A Absatz 5).

275   Im vorliegenden Fall hat die Kommission, ohne ausdrücklich auf die genannten Leitlinien Bezug zu nehmen, in Randnummer 303 der Entscheidung ausgeführt, es sei „sicherzustellen, dass die Geldbuße eine hinreichend abschreckende Wirkung entfaltet und dem Umstand Rechnung trägt, dass Großunternehmen über juristischen und wirtschaftlichen Sachverstand und Ressourcen verfügen, anhand deren sie besser erkennen können, in welchem Maß ihre Vorgehensweise einen Verstoß darstellt und welche Folgen aus wettbewerbsrechtlicher Sicht zu gewärtigen sind“. Daher hat sie in den Randnummern 304 und 305 die Ansicht vertreten, dass angesichts des weltweiten Umsatzes von Aventis, Degussa und Nippon Soda in Höhe von 22,3 Milliarden Euro, 16,9 Milliarden Euro und 1,6 Milliarden Euro im Wirtschaftsjahr 2000 der sich aus ihrer Marktstellung ergebende Grundbetrag um 100 % zu erhöhen sei, um der Größe von Aventis und Degussa und ihren Gesamtressourcen gerecht zu werden.

276   Wie bereits entschieden, hat die Kommission in der Entscheidung zu Recht die Ansicht vertreten, dass die Zuwiderhandlung im Februar 1999 geendet habe. Die Klägerin weist jedoch darauf hin, dass die Kommission ihre Beurteilung der Erhöhung des Grundbetrags auf die Umsätze der Unternehmen im Wirtschaftsjahr 2000, also nach Beendigung der Zuwiderhandlung, gestützt habe (Randnr. 304 der Entscheidung). Entgegen dem Vorbringen der Klägerin ist dieser Umstand nicht geeignet, die Rechtmäßigkeit der Berechnungsmethode der Kommission in Frage zu stellen.

277   Aus Randnummer 303 der Entscheidung ergibt sich, dass die Kommission auf zwei Gesichtspunkte zurückgegriffen hat, um die Erhöhung des Grundbetrags um 100 % bei Aventis und Degussa zu rechtfertigen. Eine solche Erhöhung sei erforderlich gewesen, um sicherzustellen, dass die Geldbuße eine hinreichend abschreckende Wirkung entfalte und dem Umstand Rechnung trage, dass Großunternehmen über juristischen und wirtschaftlichen Sachverstand und Ressourcen verfügten, anhand deren sie besser erkennen könnten, in welchem Maß ihre Vorgehensweise einen Verstoß darstelle.

278   In Bezug auf den erstgenannten Gesichtspunkt ist daran zu erinnern, dass das Abschreckungsziel, das die Kommission bei der Bemessung einer Geldbuße verfolgen darf, darin besteht, zu gewährleisten, dass die Unternehmen die im Vertrag für ihre Tätigkeiten in der Gemeinschaft oder im EWR festgelegten Wettbewerbsregeln beachten. Nach Ansicht des Gerichts kann dieses Ziel nur unter Berücksichtigung der Situation des Unternehmens zum Zeitpunkt der Verhängung der Geldbuße erreicht werden.

279   Es ist nämlich zu unterscheiden zwischen dem Ausmaß der Zuwiderhandlung auf dem Markt und dem jeden Kartellteilnehmer treffenden Teil der Verantwortung (auf die sich Nr. 1 Teil A Absätze 4 und 6 der Leitlinien erstreckt) einerseits und der mit der Verhängung der Geldbuße verfolgten Abschreckungswirkung andererseits.

280   Zu dem Ausmaß der Zuwiderhandlung auf dem Markt und dem jeden Kartellteilnehmer treffenden Teil der Verantwortung ist entschieden worden, dass der Teil des Umsatzes, der mit den Waren erzielt wurde, auf die sich die Zuwiderhandlung bezog, einen zutreffenden Anhaltspunkt für das Ausmaß einer Zuwiderhandlung auf dem betreffenden Markt liefern kann (vgl. u. a. das oben in Randnr. 58 angeführte Urteil Musique diffusion française u. a./Kommission, Randnr. 121, und das oben in Randnr. 222 angeführte Urteil Mayr-Melnhof/Kommission, Randnr. 369) und dass der Umsatz, der mit den Erzeugnissen erzielt wurde, die Gegenstand einer beschränkenden Verhaltensweise waren, ein objektives Kriterium darstellt, das zutreffend angibt, wie schädlich sich diese Verhaltensweise auf den normalen Wettbewerb auswirkt (Urteil des Gerichts vom 11. März 1999 in der Rechtssache T‑151/94, British Steel/Kommission, Slg. 1999, II‑629, Randnr. 643).

281   Diese Vorgehensweise hat die Kommission im Übrigen in den Randnummern 294 bis 302 der Entscheidung bei der Ermittlung der Geldbuße anhand der Schwere der Zuwiderhandlung angewandt. Dabei hat die Kommission den Anteil am Weltmarkt und am Markt des EWR jedes der auf dem Methioninmarkt tätigen Unternehmen im Jahr 1998, dem letzten Kalenderjahr der Zuwiderhandlung, herangezogen und daraus geschlossen, dass Aventis und Degussa eine erste Gruppe bildeten und Nippon Soda eine zweite Gruppe, so dass sie unterschiedlich zu behandeln seien. Die Klägerin wendet sich auch nicht gegen diese Schlussfolgerung.

282   Daher ist in diesem Stadium festzustellen, dass das Argument der Klägerin, die Kommission habe allein den Umsatz der im Jahr 2000 neu errichteten Degussa AG (Düsseldorf) herangezogen und ihre Erwägungen somit allein auf den Abschreckungszweck gestützt, ohne die aus ihrem Verhalten während der Zuwiderhandlung resultierenden wettbewerbswidrigen Beeinträchtigungen zu berücksichtigen, unbegründet ist.

283   Der zweite dieser Begriffe – das Erfordernis, eine hinreichend abschreckende Wirkung der Geldbuße zu gewährleisten, wenn mit ihm nicht die Anhebung des allgemeinen Niveaus der Geldbußen im Rahmen der Umsetzung einer Wettbewerbspolitik begründet wird – verlangt jedoch, dass die Geldbuße angepasst wird, um der gewünschten Auswirkung auf das Unternehmen, gegen das sie verhängt wird, Rechnung zu tragen, damit sie in Einklang mit den Anforderungen, die sich aus der Notwendigkeit, ihre Wirksamkeit zu gewährleisten, und der Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ergeben, insbesondere im Hinblick auf die Finanzkraft des betreffenden Unternehmens weder zu niedrig noch zu hoch ausfällt.

284   So hat das Gericht bereits ausgeführt, dass eines der betroffenen Unternehmen „aufgrund [seines] im Verhältnis zu den übrigen Kartellmitgliedern erheblich höheren Gesamtumsatzes die zur Zahlung [seiner] Geldbuße erforderlichen Mittel leichter würde aufbringen können, was im Hinblick auf eine hinreichende abschreckende Wirkung der Geldbuße die Anwendung eines Multiplikators rechtfertigte“ (Urteil des Gerichts vom 29. April 2004 in den Rechtssachen T‑236/01, T‑239/01, T‑244/01 bis T‑246/01, T‑251/01 und T‑252/01, Tokai Carbon u. a./Kommission, Slg. 2004, II‑1181, Randnr. 241).

285   Namentlich aufgrund von Aufspaltungen oder Zusammenschlüssen können die Gesamtressourcen eines Unternehmens aber in relativ kurzer Zeit, insbesondere zwischen der Beendigung der Zuwiderhandlung und dem Erlass der Bußgeldentscheidung, erheblich größer oder kleiner werden. Folglich müssen diese Ressourcen, um unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit das Abschreckungsziel ordnungsgemäß zu erreichen, zu dem Zeitpunkt bewertet werden, zu dem die Geldbuße verhängt wird. Insoweit ist aus den gleichen Gründen darauf hinzuweisen, dass im Rahmen des Artikels 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 die Obergrenze der Geldbuße von 10 % des Umsatzes des betroffenen Unternehmens anhand des Umsatzes im Geschäftsjahr vor dem Erlass der Entscheidung ermittelt wird (oben in Randnr. 193 angeführtes Urteil Sarrió/Kommission, Randnr. 85).

286   Folglich kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Kommission einen Rechtsfehler beging, als sie sich auf die Umsätze in einem Geschäftsjahr nach Beendigung der Zuwiderhandlung stützte. Wie zuvor ausgeführt, hätte die Kommission jedoch im Hinblick darauf, dass die Entscheidung am 2. Juli 2002 erlassen wurde, zur Gewährleistung einer hinreichend abschreckenden Wirkung der Geldbuße grundsätzlich den von den verschiedenen Adressaten der Entscheidung im Geschäftsjahr 2001 erzielten Umsatz berücksichtigen müssen. In Beantwortung einer Frage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung hat die Kommission aber angegeben, dass die Umsätze von Sumitomo und Nippon Soda in diesem Geschäftsjahr zum Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung nicht verfügbar gewesen seien und dass die von den betroffenen Unternehmen im Jahr 2000 erzielten Umsätze Gegenstand einer Buchprüfung gewesen seien. Diese von der Klägerin nicht in Abrede gestellten Umstände können es rechtfertigen, dass die Kommission nicht die von den betroffenen Unternehmen im Jahr 2001 erzielten Umsätze herangezogen hat, sondern die jüngsten ihr zur Verfügung stehenden Umsätze, nämlich die des Geschäftsjahrs 2000.

287   Somit kann der Kommission nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass sie bei der Ermittlung des Aufschlags zu Abschreckungszwecken den Umsatz der Klägerin im Jahr 2000 herangezogen hat.

288   Das Argument der Klägerin, dass die Kommission zu Unrecht auf den Umsatz im Anschluss an die – nach Beendigung der Zuwiderhandlung erfolgten – Zusammenschlüsse von Degussa und Hüls im Jahr 1998 und von Degussa-Hüls und SKW im Jahr 2000 abgestellt habe, ist daher – abgesehen davon, dass es teilweise in der Sache nicht zutrifft, da die Zuwiderhandlung nachweislich im Februar 1999 endete – insoweit irrelevant. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass gerade die Umstände des vorliegenden Falles deutlich machen, dass es notwendig ist, die Gesamtressourcen des betroffenen Unternehmens anhand seines letzten verfügbaren Umsatzes zu beurteilen.

289   Zum zweiten von der Kommission im Rahmen der Erhöhung des Grundbetrags der Geldbuße berücksichtigten Gesichtspunkt – den juristischen und wirtschaftlichen Ressourcen der Unternehmen, anhand deren sie erkennen können, in welchem Maß ihre Vorgehensweise einen Verstoß darstellt – ist hervorzuheben, dass damit entgegen den vorstehenden Ausführungen Großunternehmen stärker bestraft werden sollen, da unterstellt wird, dass sie über ausreichende Kenntnisse und Strukturmittel verfügen, um die Rechtswidrigkeit ihres Verhaltens zu erkennen und dessen etwaige Vorteile einzuschätzen.

290   Dann muss sich aber der Umsatz, auf dessen Grundlage die Kommission die Größe der fraglichen Unternehmen und damit deren Fähigkeit bestimmt, den Charakter und die Folgen ihres Verhaltens zu ermitteln, auf ihre Situation zum Zeitpunkt der Zuwiderhandlung beziehen. Im vorliegenden Fall war die Kommission daher im Rahmen dieses Aspekts nicht berechtigt, auf den von der Klägerin im Jahr 2000 erzielten Umsatz abzustellen, da die Zuwiderhandlung im Februar 1999 geendet hatte.

291   Diese Feststellung kann jedoch als solche nichts an der Richtigkeit der Schlussfolgerung der Kommission ändern, wonach der Grundbetrag der gegen die Klägerin verhängten Geldbuße um 100 % zu erhöhen war.

292   Zum einen heißt es nämlich in den Randnummern 303 bis 305 der Entscheidung:

„Ausreichende Abschreckung

(303) Um sicherzustellen, dass die Geldbuße eine hinreichend abschreckende Wirkung entfaltet und dem Umstand Rechnung trägt, dass Großunternehmen über juristischen und wirtschaftlichen Sachverstand und Ressourcen verfügen, anhand deren sie besser erkennen können, in welchem Maß ihre Vorgehensweise einen Verstoß darstellt und welche Folgen aus wettbewerbsrechtlicher Sicht zu gewärtigen sind, wird die Kommission prüfen, ob der Grundbetrag im Einzelfall einer Korrektur bedarf.

(304) Ausgehend von ihrem Weltumsatz (22,3 Milliarden Euro bzw. 16,9 Milliarden Euro) sind Aventis und Degussa weit größere Anbieter als Nippon Soda (Weltumsatz 1,6 Milliarden Euro). Die Kommission ist der Ansicht, dass der sich aus ihrer Marktstellung ergebende Geldbußengrundbetrag einer weiteren Korrektur nach oben bedarf, um der Größe von Aventis und Degussa und ihren Gesamtressourcen gerecht zu werden.

(305) Damit die Geldbußen eine hinreichend abschreckende Wirkung entfalten, hält es die Kommission für erforderlich, den unter Randnummer 302 festgesetzten Geldbußengrundbetrag für Degussa und Aventis SA um 100 % (×2) auf 70 Millionen Euro zu erhöhen.“

293   Aus dem Vorstehenden folgt, dass die Kommission den Gesichtspunkt der juristischen und wirtschaftlichen Ressourcen zwar erwähnt, tatsächlich aber die Erhöhung des Grundbetrags im Wesentlichen mit der Notwendigkeit gerechtfertigt hat, eine hinreichend abschreckende Wirkung der Geldbuße sicherzustellen, wie die Schlussfolgerung in Randnummer 305 und die Überschrift des Abschnitts zeigen.

294   Zum anderen ist darauf hinzuweisen, dass der Gesamtumsatz der Klägerin im Geschäftsjahr 1997/98 nach ihren eigenen Angaben jedenfalls bei etwa 15,9 Milliarden DM lag. Es kann nicht geltend gemacht werden, dass die Klägerin bei dieser Sachlage nicht über die juristischen und wirtschaftlichen Ressourcen eines Großunternehmens verfügt habe, was sie im Übrigen auch nicht behauptet. Die Heranziehung des Umsatzes der Klägerin im Jahr 2000 (den die Kommission mit 16,9 Milliarden Euro veranschlagt) konnte daher keinen Einfluss auf die Erwägung der Kommission haben, dass der Grundbetrag erhöht werden müsse, um der Tatsache Rechnung zu tragen, dass die Klägerin über die notwendigen Ressourcen verfügte, anhand deren sie erkennen konnte, in welchem Maß ihre Vorgehensweise einen Verstoß darstellte und welche Folgen zu gewärtigen waren.

295   Folglich kann der Klagegrund, den die Klägerin darauf stützt, dass die Kommission einen Rechtsirrtum begangen habe, indem sie zur Begründung des Aufschlags auf die anhand der Schwere der Zuwiderhandlung ermittelte Geldbuße auf ihren Umsatz im Geschäftsjahr 2000 abgestellt habe, weder zur Nichtigerklärung der Entscheidung noch zur Herabsetzung der Geldbuße führen.

 Zum Tatsachenirrtum in Bezug auf den Umsatz der Klägerin im Jahr 2000

296   Die Klägerin trägt vor, der von der Kommission herangezogene Umsatz im Jahr 2000 (16,9 Milliarden Euro) sei falsch; er habe in Wirklichkeit 10,715 Milliarden Euro betragen, wie aus ihrem Schreiben an die Kommission vom 5. Juni 2002 hervorgehe, mit dem eine Anfrage der Kommission vom 28. Mai 2002 beantwortet werde.

297   In ihren Antworten auf schriftliche Fragen des Gerichts und in der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin angegeben, der Umsatz von 10,715 Milliarden Euro sei der einzige, der von Buchprüfern in Einklang mit den allgemein anerkannten Buchungsgrundsätzen der Vereinigten Staaten (United States generally accepted accounting principles) bestätigt worden sei. In Ermangelung von Gemeinschaftsvorschriften zur Festlegung von Regeln zur Berechnung des Umsatzes der Unternehmen gebiete es die Rechtssicherheit, dass nur Umsätze berücksichtigt würden, die nach den für das betreffende Unternehmen geltenden Regeln, im vorliegenden Fall den genannten Buchungsgrundsätzen, zusammengestellt und bestätigt worden seien.

298   Die Kommission führt aus, der von ihr herangezogene Betrag von 16,9 Milliarden Euro stamme aus dem Lagebericht der Klägerin für das Jahr 2000. In der mündlichen Verhandlung hat die Kommission jedoch eingeräumt, dass der heranzuziehende Umsatz die tatsächliche Lage des Unternehmens widerspiegeln muss und dass folglich, da der Zusammenschluss der Klägerin mit SKW am 1. Juli 2000 stattfand, der von SKW in der Zeit vom 1. Januar bis zum 30. Juni 2000 erzielte Pro-forma-Umsatz nicht einzubeziehen ist.

299   Aus den Akten und insbesondere den Antworten der Klägerin auf die schriftlichen Fragen des Gerichts ergibt sich Folgendes:

–       Der von der Kommission herangezogene Betrag von 16,9 Milliarden Euro schließt eine Pro-forma-Bewertung des Umsatzes von SKW in der Zeit vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 2000 sowie den Umsatz in drei nachrangigen Sparten (dmc², Dental und Phenolchemie) ein, die von der Klägerin im Jahr 2001 veräußert wurden (im Folgenden: Umsatz in den drei 2001 veräußerten Sparten).

–       Der von der Klägerin angeführte Betrag von 10,715 Milliarden Euro schließt nur den Umsatz von SKW in der Zeit vom 1. Juli bis zum 31. Dezember 2000 ein, nicht aber den Umsatz in den drei 2001 veräußerten Sparten.

–       Der Umsatz in den drei 2001 veräußerten Sparten lag bei 4,131 Milliarden Euro.

300   Die Parteien haben in der mündlichen Verhandlung Einigkeit über diese Daten erzielt, und das Gericht hat dies zur Kenntnis genommen.

301   Aus dem Vorstehenden folgt, dass der Unterschied zwischen den von den Parteien angeführten Umsatzzahlen damit zu erklären ist, dass diese Zahlen nicht die gleichen Bestandteile haben. Während der von der Kommission herangezogene Betrag sowohl den Umsatz von SKW in der Zeit vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 2000 als auch den Umsatz in den drei 2001 veräußerten Sparten einschließt, enthält der von der Klägerin genannte Betrag zum einen nur den Umsatz von SKW in der Zeit vom 1. Juli bis zum 31. Dezember 2000 und umfasst zum anderen nicht den Umsatz in den drei 2001 veräußerten Sparten.

302   Wie zuvor ausgeführt, ist das Gericht der Ansicht, dass im Rahmen der Ermittlung eines etwaigen Aufschlags auf die Geldbuße zur Gewährleistung ihrer abschreckenden Wirkung die Finanzkraft und die tatsächlichen Ressourcen des Unternehmens zum Zeitpunkt der Verhängung der Geldbuße zu berücksichtigen sind und nicht die in seine Bilanz aufgenommene, naturgemäß fiktive Pro-forma-Bewertung infolge der Anwendung von Buchungsregeln, denen sich das betroffene Unternehmen unterworfen hat.

303   Daher ist weder der Pro-forma-Umsatz von SKW in der Zeit vom 1. Januar bis zum 30. Juni 2000 noch der Pro-forma-Abzug des Umsatzes in den drei 2001 veräußerten Sparten zu berücksichtigen.

304   Im Geschäftsjahr 2000, auf das nach den obigen Ausführungen bei der Ermittlung des Aufschlags auf die Geldbuße zur Gewährleistung einer hinreichend abschreckenden Wirkung abzustellen war, ist der Klägerin nämlich, da ihr Zusammenschluss mit SKW erst am 1. Juli 2000 stattfand, der von SKW in der Zeit vom 1. Januar bis zum 30. Juni 2000 erzielte Umsatz nicht zugeflossen, wohl aber der Umsatz in den drei 2001 veräußerten Sparten.

305   Folglich handelt es sich bei dem hier relevanten Umsatz um die Summe aus dem von der Klägerin angeführten Umsatz in Höhe von 10,715 Milliarden Euro und dem Umsatz in den drei 2001 veräußerten Sparten in Höhe von 4,131 Milliarden Euro, also um 14,846 Milliarden Euro.

306   Keines der Argumente der Kommission, die im Übrigen in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat, dass in der Entscheidung der falsche Umsatz herangezogen wurde, vermag diese Schlussfolgerung in Frage zu stellen.

307   Erstens ist die Tatsache, dass die Klägerin in ihrer Erwiderung vom 10. Januar 2002 auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte vom 1. Oktober 2001 (im Folgenden: MB) keinen Einwand gegen die Heranziehung des Betrages von 16,9 Milliarden Euro erhoben hat, nicht nur als solcher nicht ausschlaggebend, sondern auch irrelevant, da die Kommission diesen Betrag nur in dem die Kartellmitglieder beschreibenden Teil der MB erwähnt hat, während sie im Übrigen keine Schätzung der denkbaren Geldbuße enthält. Hätte die Kommission auf jeden Fall den in der MB genannten Betrag heranziehen wollen, so würde sich zudem die Frage stellen, weshalb sie am 28. Mai 2002 ein Auskunftsverlangen an die Klägerin richtete, um Angaben über deren Umsatz zu erhalten. Darüber hinaus ist festzustellen, dass die Klägerin in ihrer Antwort vom 5. Juni 2002 auf dieses Auskunftsverlangen ausdrücklich erwähnte, dass die für das Geschäftsjahr 2000 angegebene Zahl von 10,715 Milliarden Euro nur den Umsatz von SKW in der Zeit vom 1. Juli bis zum 31. Dezember 2000 einschließe. Folglich war für die Kommission eine Unstimmigkeit zwischen diesem Betrag und dem in der MB genannten Betrag von 16,9 Milliarden Euro erkennbar. Unter diesen Umständen hätte sie von der Klägerin zusätzliche Auskünfte einholen können oder sogar müssen, um sich der Richtigkeit des heranzuziehenden Betrages zu vergewissern.

308   Zweitens hat die Kommission zum einen keinen Beweis dafür erbracht, dass die im Lagebericht der Klägerin erwähnte Pro-forma-Betrachtung von dieser darin als wirtschaftlich aussagefähiger angesehen wird, und zum anderen kann dies jedenfalls nichts an der Schlussfolgerung ändern, dass die Kommission bei der Beurteilung der nötigen Abschreckungswirkung der Geldbuße die tatsächliche Situation des Unternehmens zum Zeitpunkt der Berechnung der in Betracht kommenden Geldbuße berücksichtigen muss; dies hat sie im Übrigen in der mündlichen Verhandlung eingeräumt.

309   Drittens schließlich ist entgegen dem Vorbringen der Kommission hervorzuheben, dass die Klägerin keineswegs behauptet, dass bei der Ermittlung ihres Umsatzes im Jahr 2000 nur der Umsatz von Degussa-Hüls, nicht aber der von SKW heranzuziehen sei, weil der Zusammenschluss erst am 9. Februar 2001 in das Handelsregister eingetragen wurde. Im Schreiben der Klägerin an die Kommission vom 5. Juni 2002 heißt es im Übrigen ausdrücklich, dass der angegebene Umsatz den von SKW in den letzten sechs Monaten des Jahres 2000 erzielten Umsatz einschließe. Das auf diese Erwägung gestützte Argument der Kommission geht daher fehl.

310   Aus dem Vorstehenden folgt, dass der Umsatz, den die Kommission bei der Ermittlung des zur Gewährleistung einer hinreichend abschreckenden Wirkung der Geldbuße vorzunehmenden Aufschlags herangezogen hat, falsch ist. Dieser Betrag stellt jedoch keinen tragenden Grund für die Feststellung der Zuwiderhandlung, an der die Klägerin teilnahm, durch die Kommission dar. Der von der Kommission begangene Irrtum könnte sich nämlich nur auf die Ermittlung des Bußgeldbetrags auswirken, in Bezug auf den das Gericht über eine Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung verfügt. Folglich kann die Unrichtigkeit des von der Kommission herangezogenen Umsatzes nicht zur Nichtigerklärung der Entscheidung führen. Der dahin gehende Antrag der Klägerin ist daher zurückzuweisen.

311   Das Gericht hat jedoch zu prüfen, ob dieser Umstand zu einem Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung führen und deshalb eine Herabsetzung der Geldbuße der Klägerin rechtfertigen kann.

2.     Zur Verletzung des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit von Strafen, der Begründungspflicht sowie der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung bei der Erhöhung der Geldbuße zu Abschreckungszwecken

a)     Zur Verletzung des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit von Strafen und der Begründungspflicht

 Vorbringen der Parteien

312   Die Klägerin trägt vor, die Kommission habe bei der Ermittlung des Aufschlags auf den Grundbetrag der Geldbuße ihre Verpflichtung nicht erfüllt, eine Begründung anzugeben, aus der die Kriterien für die Festsetzung der Geldbuße hervorgingen (Urteil des Gerichts vom 14. Mai 1998 in der Rechtssache T‑295/94, Buchmann/Kommission, Slg. 1998, II‑813, Randnr. 173). Sie wendet sich außerdem gegen die von der Kommission im Hinblick auf die erforderliche Abschreckungswirkung der Geldbuße vorgenommene Verdoppelung des Grundbetrags, da sie willkürlich erscheine und nicht auf ihre Rechtmäßigkeit überprüft werden könne. Diese Methode laufe darauf hinaus, der Kommission eine unbegrenzte Entscheidungsfreiheit bei der Ermittlung der Geldbuße zu gewähren, unabhängig von dem ursprünglich ermittelten Grundbetrag.

313   Die Kommission hält diese Argumentation für unbegründet. Sie führt aus, in den Randnummern 303 bis 305 der Entscheidung würden die Überlegungen, die sie veranlasst hätten, den Grundbetrag im Fall der Klägerin zu verdoppeln, klar zum Ausdruck gebracht.

 Würdigung durch das Gericht

314   Was zunächst die angebliche Verletzung der Begründungspflicht durch die Kommission angeht, so geht aus den Randnummern 303 bis 305 der Entscheidung klar hervor, dass die Erhöhung des anhand der Schwere der Zuwiderhandlung ermittelten Grundbetrags der Geldbuße der Klägerin um 100 % auf dem Erfordernis beruht, angesichts der Größe und der Gesamtressourcen der Klägerin sicherzustellen, dass die Geldbuße eine hinreichend abschreckende Wirkung entfaltet, und dem Umstand Rechnung zu tragen, dass Großunternehmen über juristischen und wirtschaftlichen Sachverstand und Ressourcen verfügen, anhand deren sie besser erkennen können, welchen Charakter und welche Folgen ihre Vorgehensweise hat. Sodann wird in der Entscheidung ausdrücklich der Umsatz der Klägerin im Jahr 2000 angegeben, um die Erhöhung des Grundbetrags der Geldbuße zu rechtfertigen.

315   Die Entscheidung bringt somit die Überlegungen der Kommission klar zum Ausdruck, so dass die Klägerin Kenntnis von den bei der Erhöhung der Geldbuße herangezogenen Gesichtspunkten erlangen und deren Begründetheit in Frage stellen und das Gericht die ihm obliegende Kontrolle wahrnehmen konnte. Die auf eine Verletzung der Begründungspflicht in diesem Punkt gestützte Rüge der Klägerin ist daher zurückzuweisen.

316   Soweit die Klägerin darüber hinaus der Ansicht ist, dass die in der Verdoppelung des Grundbetrags bestehende Methode willkürlich sei und gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit von Strafen verstoße, ist daran zu erinnern, dass das Erfordernis, eine hinreichend abschreckende Wirkung der Geldbuße sicherzustellen, ein legitimes Ziel ist, das die Kommission bei der Bemessung einer Geldbuße verfolgen darf und das gewährleisten soll, dass Unternehmen die im Vertrag festgelegten Wettbewerbsregeln beachten. Wie im Rahmen des ersten Klagegrundes ausgeführt, hat die Kommission jedoch die allgemeinen Rechtsgrundsätze und insbesondere die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit zu beachten; dies gilt nicht nur für die Ermittlung des Grundbetrags, sondern auch für die Erhöhung dieses Betrages zur Sicherstellung einer hinreichend abschreckenden Wirkung der Geldbuße.

317   Folglich verfügt die Kommission zwar tatsächlich über das notwendige Ermessen bei der Festlegung des Erhöhungssatzes zu Abschreckungszwecken, doch wird ihre Befugnis durch die Beachtung der genannten Grundsätze eingeschränkt, die gerichtlicher Kontrolle unterliegt, in deren Rahmen das Gericht im Übrigen über eine Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung verfügt. Die Rüge der Klägerin ist daher zurückzuweisen.

b)     Zum Verstoß gegen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung

 Vorbringen der Parteien

318   Die Klägerin trägt vor, dass die von der Kommission vorgenommene Erhöhung der anhand der Schwere der Zuwiderhandlung ermittelten Geldbuße (35 Millionen Euro) um 100 % zur Gewährleistung einer hinreichend abschreckenden Wirkung der Geldbuße einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung darstelle.

319   Nach ihren Schätzungen sei sie im Jahr 2000 nicht einmal halb so groß gewesen wie Aventis. Durch die bei beiden Unternehmen in gleichem Umfang vorgenommene Erhöhung der Geldbuße habe die Kommission somit gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßen, und zwar auch dann, wenn der von ihr fälschlicherweise zugrunde gelegte Betrag berücksichtigt werde. Unter Berücksichtigung dessen, dass der Umsatz der Klägerin zwischen dem von Nippon Soda und dem von Aventis liege, hätte die Erhöhung bei ihr nur halb so groß wie bei Aventis ausfallen, d. h. 27,5 Millionen Euro betragen dürfen.

320   Außerdem verstoße die Verdoppelung des Grundbetrags gegen den Grundsatz der schuldangemessenen Strafe, da dem Abschreckungsziel eine im Hinblick auf die ihr zur Last gelegte Zuwiderhandlung übermäßige Bedeutung beigemessen werde.

321   Die Kommission führt aus, in der Verdoppelung des Grundbetrags der Geldbuße von Aventis und Degussa spiegele sich der Umstand wider, dass es sich bei diesen beiden Unternehmen nach ihrer Größe und ihren Gesamtressourcen um weit bedeutendere Unternehmen als Nippon Soda handele (Randnr. 304 der Entscheidung).

322   Sie weist insoweit darauf hin, dass die Erhöhung des Grundbetrags der Notwendigkeit entspreche, sicherzustellen, dass die Geldbuße eine hinreichend abschreckende Wirkung entfalte, und gegebenenfalls dem Umstand Rechnung zu tragen, dass Großunternehmen über wirtschaftlichen Sachverstand und größere Ressourcen verfügten (Randnr. 303 der Entscheidung). Im vorliegenden Fall sei insbesondere auf den Größenunterschied zwischen der Klägerin und Aventis auf der einen und Nippon Soda auf der anderen Seite abzustellen (Randnr. 304). Sollte nämlich der von der Klägerin genannte Betrag zu berücksichtigen sein, so entspräche deren Umsatz dem 6,7-fachen Umsatz von Nippon Soda, während der Umsatz von Aventis nur das Doppelte des Umsatzes der Klägerin betrage. Somit hätte die Kommission die Klägerin und Aventis in jedem Fall gleichbehandeln müssen. Außerdem müsse keine arithmetische Formel zur Anwendung kommen, die eine Erhöhung des Betrages der Geldbuße proportional zum Umsatz des betroffenen Unternehmens vorsehe, da die mit der Erhöhung der Geldbußen verfolgten Zwecke bereits durch die Einteilung der Unternehmen in Kategorien anhand ihrer Größe erreicht werden könnten (Urteil des Gerichtshofes vom 15. Oktober 2002 in den Rechtssachen C‑238/99 P, C‑244/99 P, C‑245/99 P, C‑247/99 P, C‑250/99 P bis C‑252/99 P und C‑254/99 P, Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, Slg. 2002, I‑8375, Randnr. 464).

 Würdigung durch das Gericht

323   In Bezug auf den von der Klägerin gerügten Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung ist daran zu erinnern, dass – wie die Kommission ausgeführt hat – eine Vorgehensweise, die darin besteht, die Mitglieder eines Kartells in mehrere Kategorien einzuteilen, was zu einer Pauschalierung des für die Unternehmen einer Kategorie festgesetzten Ausgangsbetrags führt, grundsätzlich nicht zu beanstanden ist, auch wenn sie bewirkt, dass die Größenunterschiede zwischen Unternehmen ein und derselben Kategorie unberücksichtigt bleiben (oben in Randnr. 284 angeführtes Urteil Tokai Carbon u. a./Kommission, Randnrn. 217 bis 221). Die Kommission ist nämlich, wenn Geldbußen gegen mehrere an derselben Zuwiderhandlung beteiligte Unternehmen festgesetzt werden, bei der Ermittlung der Höhe der Geldbußen nicht verpflichtet, dafür zu sorgen, dass in den Endbeträgen der Geldbußen alle Unterschiede, die zwischen dem Gesamtumsatz der betreffenden Unternehmen bestehen, zum Ausdruck kommen (vgl. das oben in Randnr. 252 angeführte Urteil CMA CGM u. a./Kommission, Randnr. 385 und die dort genannte Rechtsprechung).

324   Gleichwohl muss nach der Rechtsprechung bei einer solchen Einteilung in Kategorien der Grundsatz der Gleichbehandlung beachtet werden, der es verbietet, vergleichbare Sachverhalte unterschiedlich oder unterschiedliche Sachverhalte gleich zu behandeln, sofern eine solche Behandlung nicht objektiv gerechtfertigt ist (oben in Randnr. 252 angeführtes Urteil CMA CGM u. a./Kommission, Randnr. 406). Im Hinblick darauf sehen die Leitlinien in Nummer 1 Teil A Absatz 6 vor, dass vor allem eine „sehr unterschiedliche“ Größe der an einem Verstoß derselben Art beteiligten Unternehmen eine Differenzierung bei der Beurteilung der Schwere des Verstoßes rechtfertigen kann. Im Übrigen muss nach der Rechtsprechung der Betrag der Geldbußen zumindest in angemessenem Verhältnis zu den Faktoren stehen, die bei der Beurteilung der Schwere des Verstoßes herangezogen wurden (oben in Randnr. 58 angeführtes Urteil Tate & Lyle u. a./Kommission, Randnr. 106).

325   Folglich muss, wenn die Kommission die betroffenen Unternehmen zur Festsetzung der Geldbußen in Kategorien einteilt, die Bestimmung der Schwellenwerte für jede der auf diese Weise gebildeten Kategorien schlüssig und objektiv gerechtfertigt sein (oben in Randnr. 252 angeführtes Urteil CMA CGM u. a./Kommission, Randnr. 416, und oben in Randnr. 46 angeführtes Urteil LR AF 1998/Kommission, Randnr. 298).

326   Im vorliegenden Fall ist hervorzuheben, dass die Kommission in den Randnummern 294 bis 301 der Entscheidung die Unternehmen anhand ihrer Marktanteile in Kategorien eingeteilt hat. Aufgrund dieser Einteilung, gegen die die Klägerin keine Einwände erhoben hat, wurde in Randnummer 302 anhand der Schwere der Zuwiderhandlung ein Ausgangsbetrag von 35 Millionen Euro bei Degussa und Aventis und von 8 Millionen Euro bei Nippon Soda festgesetzt.

327   Die Klägerin wendet sich jedoch dagegen, dass die Kommission, um eine hinreichend abschreckende Wirkung der Geldbuße sicherzustellen, bei Degussa und Aventis, ausgehend von den weltweiten Umsätzen dieser Unternehmen, den gleichen Erhöhungssatz (100 %) anwandte, obwohl die Umsätze nach Ansicht der Klägerin nicht vergleichbar waren.

328   Im Hinblick auf das verfolgte Ziel – die Anpassung der Geldbuße unter Berücksichtigung der Gesamtressourcen des Unternehmens und seiner Fähigkeit, die zur Zahlung der Geldbuße erforderlichen Mittel aufzubringen – soll die Festlegung des zur Sicherstellung einer hinreichend abschreckenden Wirkung der Geldbuße dienenden Aufschlags auf den Grundbetrag eher dazu dienen, die Wirksamkeit der Geldbuße zu gewährleisten, als dazu, die Schädlichkeit der Zuwiderhandlung für den normalen Wettbewerb und damit die Schwere der Zuwiderhandlung deutlich zu machen.

329   Folglich muss das Erfordernis einer objektiven Rechtfertigung der Methode, die Unternehmen in Kategorien einzuteilen, enger ausgelegt werden, wenn diese Einteilung nicht zur Ermittlung der Geldbuße anhand der Schwere der Zuwiderhandlung vorgenommen wird, sondern zur Ermittlung des Aufschlags auf den Grundbetrag, der eine hinreichend abschreckende Wirkung der verhängten Geldbuße sicherstellen soll.

330   Nach der Rechtsprechung ist nämlich im Rahmen der Ermittlung der Geldbuße anhand der Schwere der Zuwiderhandlung, selbst wenn wegen der Einteilung in Gruppen bei bestimmten Unternehmen trotz ihrer unterschiedlichen Größe der gleiche Grundbetrag festgesetzt wird, diese unterschiedliche Behandlung objektiv gerechtfertigt, weil der Art der Zuwiderhandlung bei der Bestimmung ihrer Schwere ein sehr viel größeres Gewicht zukommt als der Unternehmensgröße (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofes vom 8. November 1983 in den Rechtssachen 96/82 bis 102/82, 104/82, 105/82, 108/82 und 110/82, IAZ u. a./Kommission, Slg. 1983, 3369, Randnrn. 50 bis 53, und oben in Randnr. 252 angeführtes Urteil CMA CGM u. a./Kommission, Randnr. 411).

331   Diese Rechtfertigung gilt jedoch nicht für die Ermittlung des Aufschlags, der eine hinreichend abschreckende Wirkung der Geldbuße sicherstellen soll, da dieser Aufschlag im Wesentlichen und objektiv auf der Größe und den Ressourcen der Unternehmen beruht und nicht auf der Art der Zuwiderhandlung. Im Übrigen wurde in der Entscheidung der zur Sicherstellung einer hinreichend abschreckenden Wirkung der Geldbuße dienende Aufschlag im Anschluss an den anhand der Schwere der Zuwiderhandlung ermittelten Grundbetrag festgelegt (Randnr. 303).

332   Außerdem ergibt sich aus Randnummer 304 der Entscheidung, in der es heißt, dass „der sich aus ihrer Marktstellung ergebende Geldbußengrundbetrag einer weiteren Korrektur nach oben bedarf, um der Größe von Aventis und Degussa und ihren Gesamtressourcen gerecht zu werden“, dass die Kommission darüber hinaus – abgesehen von der Erwägung, dass die Klägerin über juristischen und wirtschaftlichen Sachverstand verfüge, der es ihr ermögliche, den wettbewerbswidrigen Charakter und die Folgen ihres Verhaltens einzuschätzen – keinen weiteren Gesichtspunkt anführt, der es objektiv rechtfertigen könnte, dass die Grundbeträge der Klägerin und von Aventis im gleichen Umfang erhöht wurden.

333   Unter diesen Umständen und im Hinblick darauf, dass sich die Kommission in Randnummer 304 der Entscheidung ausdrücklich auf die weltweiten Umsätze der betreffenden Unternehmen gestützt hat, ist davon auszugehen, dass der Aufschlag auf die anhand der Schwere der Zuwiderhandlung ermittelte Geldbuße zumindest annäherungsweise den erheblichen Unterschied zwischen den genannten Umsätzen hätte widerspiegeln müssen.

334   Die Kommission durfte zwar den Umsatz von Degussa (16,9 Milliarden Euro) und von Aventis (22,3 Milliarden Euro) im Jahr 2000 als Beleg dafür ansehen, dass sie „weit größere Anbieter als Nippon Soda“ (1,6 Milliarden Euro) waren, so dass bei Letzterer kein Aufschlag erforderlich war, um eine hinreichend abschreckende Wirkung der verhängten Geldbuße sicherzustellen, doch hat sie bei Degussa und Aventis den gleichen Aufschlag vorgenommen, obwohl nach ihren eigenen Zahlen der Umsatz von Degussa um etwa 25 % unter dem Umsatz von Aventis lag. Diese Differenz erhöht sich sogar auf über 33 %, wenn – wie oben in den Randnummern 302 bis 305 dargelegt – der Umsatz von 14,846 Milliarden Euro herangezogen wird.

335   Die Kommission konnte daher die anhand der Schwere der Zuwiderhandlung ermittelte Geldbuße nicht in gleichem Umfang wie bei Aventis erhöhen, ohne gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung zu verstoßen.

336   Keines der Argumente der Kommission vermag diese Schlussfolgerung in Frage zu stellen.

337   Erstens trifft es zwar zu, dass dem erheblichen Größenunterschied zwischen Degussa und Aventis einerseits und Nippon Soda andererseits Rechnung zu tragen war, der es rechtfertigte, die Geldbuße von Nippon Soda nicht zu Abschreckungszwecken zu erhöhen, doch konnte diese Erwägung die Kommission nicht davon entbinden, auch dem Größenunterschied zwischen Degussa und Aventis Rechnung zu tragen. Dies gilt umso mehr, als dieser Unterschied in Wirklichkeit noch größer war, als er aufgrund des von der Kommission herangezogenen falschen Umsatzes erschien.

338   Zweitens ist die Kommission zwar – wie bereits ausgeführt –, wenn Geldbußen gegen mehrere an derselben Zuwiderhandlung beteiligte Unternehmen festgesetzt werden, bei der Ermittlung der Höhe der Geldbußen nicht verpflichtet, dafür zu sorgen, dass in den Endbeträgen der Geldbußen alle Unterschiede, die zwischen dem Gesamtumsatz der betreffenden Unternehmen bestehen, zum Ausdruck kommen (vgl. das oben in Randnr. 252 angeführte Urteil CMA CGM u. a./Kommission, Randnr. 385 und die dort genannte Rechtsprechung), doch ändert dies nichts daran, dass die Einteilung der Unternehmen in Kategorien gemäß dem Grundsatz der Gleichbehandlung objektiv gerechtfertigt sein muss, wobei dieses Erfordernis enger auszulegen ist, wenn die Einteilung nicht zur Ermittlung des spezifischen Gewichts der Zuwiderhandlung jedes Unternehmens vorgenommen wird, sondern zur Ermittlung des zur Sicherstellung einer hinreichend abschreckenden Wirkung dienenden Aufschlags auf die anhand der Schwere der Zuwiderhandlung ermittelte Geldbuße, mit dem ein abweichender und eigenständiger Zweck verfolgt wird und der auf einer objektiven Beurteilung der Fähigkeit der Unternehmen beruht, die zur Zahlung der Geldbuße erforderlichen Mittel aufzubringen.

339   Infolgedessen ist das Gericht der Ansicht, dass in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung der bei der Klägerin vorgenommene Aufschlag auf die anhand der Schwere der Zuwiderhandlung ermittelte Geldbuße so zu verringern ist, dass er den erheblichen Größenunterschied zwischen ihr und Aventis widerspiegelt (vgl. in diesem Sinne das oben in Randnr. 284 angeführte Urteil Tokai Carbon u. a./Kommission, Randnrn. 244 bis 249).

340   Hierzu ist jedoch festzustellen, dass sich die Kommission zwar – wie aus der Überschrift des aus den Randnummern 303 bis 305 der Entscheidung bestehenden Abschnitts sowie aus den Randnummern 304 und 305 selbst hervorgeht – bei der Ermittlung des Aufschlags auf die Geldbuße im Wesentlichen auf die Notwendigkeit gestützt hat, eine hinreichend abschreckende Wirkung der Geldbuße sicherzustellen, doch hat sie in Randnummer 303 auch berücksichtigt, dass Großunternehmen über juristischen und wirtschaftlichen Sachverstand und Ressourcen verfügen, anhand deren sie besser erkennen können, in welchem Maß ihre Vorgehensweise einen Verstoß darstellt und welche Folgen sie hat. Wie die Kommission ausführt und wie zuvor bereits festgestellt worden ist, besteht insoweit kein Anlass, zwischen zwei Unternehmen zu differenzieren, deren Umsätze es jedenfalls rechtfertigen, sie als Großunternehmen mit derartigen Ressourcen einzustufen.

341   Folglich ist unter Berücksichtigung dieses Aspekts davon auszugehen, dass die zwischen Aventis und Degussa bestehende Gemeinsamkeit, die – wie zuvor dargelegt – darin besteht, dass sie aufgrund ihrer Größe über juristischen und wirtschaftlichen Sachverstand und Ressourcen verfügen, es rechtfertigt, dass in der Höhe des Aufschlags nicht die gesamte Differenz zwischen den Umsätzen dieser Unternehmen zum Ausdruck kommt.

342   Nach alledem ist das Gericht in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung der Ansicht, dass die anhand der Schwere der Zuwiderhandlung ermittelte Geldbuße der Klägerin in Höhe von 30 Millionen Euro (siehe oben, Randnr. 254) um 80 % auf 54 Millionen Euro erhöht wird.

343   Unter diesen Umständen ist das Gericht in Bezug auf die zweite von der Klägerin in ihrer Erwiderung erhobene Rüge eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Auffassung, dass angesichts der Gesamtgröße der Klägerin die Erhöhung des Grundbetrags um 80 % im Hinblick auf ihre Verantwortung innerhalb des Kartells und ihre Fähigkeit, den Wettbewerb erheblich zu beeinträchtigen, die aus ihrem – von der Kommission ordnungsgemäß berücksichtigten (Randnrn. 297 bis 301 der Entscheidung) – beträchtlichen Anteil am Methioninmarkt im Zeitraum der Zuwiderhandlung (etwa 25 % auf dem EWR-Markt im Jahr 1998) resultieren, nicht als unverhältnismäßig anzusehen ist. Eine solche Erhöhung verleiht dem Abschreckungsziel somit keine übermäßige Bedeutung im Verhältnis zu dem der Klägerin zur Last gelegten Verhalten. Die vorliegende Rüge ist daher zurückzuweisen.

3.     Zum Beurteilungsfehler hinsichtlich der Abschreckungswirkung der Geldbuße im Hinblick auf das Verhalten der Klägerin nach Beendigung der Zuwiderhandlung

a)     Vorbringen der Parteien

344   Die Klägerin trägt vor, die Kommission habe bei der von ihr für erforderlich gehaltenen Verdoppelung des Grundbetrags der Geldbuße deren Abschreckungswirkung einen zu hohen Stellenwert eingeräumt, denn sie habe unberücksichtigt gelassen, dass Degussa bereits vor der Einleitung des Verfahrens durch die Kommission die Zuwiderhandlung beendet und sodann unverzüglich Maßnahmen in Form eines „Compliance-Programms“ geschaffen habe, um künftigen Zuwiderhandlungen vorzubeugen. Insbesondere habe die Kommission in Randnummer 330 der Entscheidung diese Bemühungen der Klägerin zu Unrecht mit dem Hinweis abgetan, dass es sich dabei nicht um mildernde Umstände im Licht der Leitlinien handeln könne. Bei einer solchen Vorgehensweise fehle es an einer Belohnung der Unternehmen, die die Einhaltung wettbewerbsrechtlicher Vorschriften anstrebten und es daher überflüssig machten, gegen sie auf eine weitere Abschreckung gerichtete Maßnahmen zu ergreifen.

345   Müssten die Leitlinien dahin ausgelegt werden, dass das Verhalten der Klägerin im vorliegenden Fall keinen Einfluss auf die Höhe der Geldbuße habe, so stünden sie insoweit in Widerspruch zum Grundsatz des angemessenen Verhältnisses zwischen Vergehen und Strafe, der als allgemein anerkannter rechtsstaatlicher Grundsatz nach Artikel 6 Absatz 1 EU auch im Gemeinschaftsrecht gelte.

346   Schließlich umfasse der Begriff der Abschreckung einen präventiven Aspekt in Bezug auf den Täter der Zuwiderhandlung (Spezialprävention) sowie in Bezug auf andere Wirtschaftsteilnehmer, die künftig eine ähnliche Zuwiderhandlung begehen könnten (Generalprävention). Im vorliegenden Fall werde die Spezialprävention bereits dadurch gewährleistet, dass die Klägerin das Compliance-Programm beschlossen habe. Sollte die Kommission der Ansicht sein, dass sich die Erhöhung allein an Erwägungen der Generalprävention orientieren müsse, so stünde dies in Widerspruch zur Rechtsprechung des Gerichtshofes und des Gerichts (Urteile des Gerichtshofes vom 28. Oktober 1975 in der Rechtssache 36/75, Rutili, Slg. 1975, 1219, Randnrn. 51 bis 53, vom 27. Oktober 1977 in der Rechtssache 30/77, Bouchereau, Slg. 1977, 1999, Randnrn. 27 bis 30, und vom 10. Februar 2000 in der Rechtssache C‑340/97, Nazli u. a., Slg. 2000, I‑957, Randnr. 63).

347   Die Kommission hält diese Rüge für unbegründet.

b)     Würdigung durch das Gericht

348   Die Klägerin wirft der Kommission im Wesentlichen vor, bei der Beurteilung der erforderlichen Abschreckungswirkung der Geldbuße außer Acht gelassen zu haben, dass sie die Zuwiderhandlung bereits vor der Eröffnung des Verfahrens durch die Kommission beendet und ein internes Programm zur Einhaltung des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft geschaffen habe.

349   Zum erstgenannten Gesichtspunkt genügt der Hinweis, dass die Zuwiderhandlung zwar nach den Angaben in der Entscheidung im Februar 1999, also vor der Eröffnung des Verfahrens am 1. Oktober 2001 endete, doch geschah dies, wie in Randnummer 185 der Entscheidung ausgeführt, auf Initiative von Rhône-Poulenc. Außerdem beschränkt sich die Klägerin, die diese Feststellung nicht ernsthaft bestreitet, jedenfalls auf die Behauptung, dass die Zuwiderhandlung 1997 im Anschluss an den Weggang von Herrn H. von Rhône-Poulenc und die Politik seiner Nachfolger geendet habe. Sie kann sich daher nicht auf diesen Umstand berufen, um eine Verringerung des zur Sicherstellung einer Abschreckungswirkung der Geldbuße notwendigen Aufschlags zu beanspruchen. Außerdem kann die Tatsache, dass die Zuwiderhandlung bereits beendet war, als das Verfahren eröffnet wurde, keinesfalls einen stichhaltigen Beleg dafür darstellen, dass sich die Klägerin künftig definitiv an die Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft halten wollte. Der von der Klägerin angesprochene spezialpräventive Zweck, der mit der Verhängung der Geldbuße verfolgt wird, besteht aber nicht nur darin, die Zuwiderhandlung abzustellen, sondern auch darin, zu verhindern, dass die Täter ihr Verhalten später wieder aufnehmen.

350   Zum zweiten Gesichtspunkt ergibt sich aus einer gefestigten Rechtsprechung, dass es zwar bedeutsam ist, dass ein Unternehmen Maßnahmen ergriffen hat, um künftige Zuwiderhandlungen seiner Mitarbeiter gegen das Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft zu verhindern, doch ändert dies nichts daran, dass die festgestellte Zuwiderhandlung tatsächlich begangen wurde. Die bloße Tatsache, dass die Kommission bei ihrer Entscheidungspraxis in bestimmten Fällen die Einführung eines Befolgungsprogramms als mildernden Umstand berücksichtigt hat, bedeutet folglich nicht, dass sie verpflichtet wäre, in einem konkreten Fall ebenso vorzugehen (oben in Randnr. 133 angeführtes Urteil Hercules Chemicals/Kommission, Randnr. 357, Urteil des Gerichts vom 14. Mai 1998 in der Rechtssache T‑352/94, Mo och Domsjö/Kommission, Slg. 1998, II‑1989, Randnrn. 417 und 419, und oben in Randnr. 53 angeführtes Urteil Archer Daniels Midland und Archer Daniels Midland Ingredients/Kommission, Randnr. 280).

351   Nach dieser Rechtsprechung ist die Kommission somit nicht verpflichtet, einen solchen Faktor als mildernden Umstand zu berücksichtigen, sofern sie den Grundsatz der Gleichbehandlung beachtet, was voraussetzt, dass die Unternehmen, an die sich eine Entscheidung richtet, in diesem Punkt nicht unterschiedlich beurteilt werden (oben in Randnr. 53 angeführtes Urteil Archer Daniels Midland und Archer Daniels Midland Ingredients/Kommission, Randnr. 281).

352   Auch wenn die Klägerin diesen Umstand im Rahmen der Erhöhung des Grundbetrags der Geldbuße zu Abschreckungszwecken geltend macht und nicht förmlich als mildernden Umstand, gelten diese Erwägungen auch für den vorliegenden Fall.

353   Aus der Entscheidung geht nicht hervor, dass die Kommission die drei Unternehmen, an die sie gerichtet ist, in diesem Punkt unterschiedlich beurteilt hätte; dies wird von der Klägerin auch nicht behauptet.

354   Folglich kann der Kommission nicht vorgeworfen werden, außer Acht gelassen zu haben, dass die Klägerin nach Beendigung der Zuwiderhandlung ein Programm zur Befolgung des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft einführte.

355   Keines der Argumente der Klägerin vermag diese Schlussfolgerung in Frage zu stellen.

356   Was erstens den angeblichen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nach der oben genannten Rechtsprechung angeht, so ist hervorzuheben, dass das Verhalten der Klägerin nach der Zuwiderhandlung nichts an deren Existenz und Schwere ändert (vgl. in diesem Sinne das oben in Randnr. 82 angeführte Urteil Dansk Rørindustri u. a./Kommission, Randnr. 373); sie stellt eine dauerhafte und offensichtliche Verletzung von Artikel 81 Absatz 1 EG dar. Angesichts dieser Umstände war die Kommission nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der besagt, dass die verhängte Geldbuße nicht außer Verhältnis zu den Merkmalen der Zuwiderhandlung stehen darf, nicht verpflichtet, das Verhalten der Klägerin nach ihrer Beendigung zu berücksichtigen.

357   Folglich kann weder in der Entscheidung noch in den Leitlinien, die die Berücksichtigung solcher Umstände jedenfalls weder vorsehen noch ausschließen, auf dieser Grundlage ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gesehen werden.

358   Zweitens ist zu dem Argument, die Kommission habe sich durch die Weigerung, das Compliance-Programm der Klägerin zu berücksichtigen, entgegen der Rechtsprechung des Gerichtshofes zu Unrecht ausschließlich auf einen spezialpräventiven Zweck gestützt, hervorzuheben, dass die von der Klägerin angeführte Rechtsprechung Maßnahmen zur Ausweisung von Angehörigen der Mitgliedstaaten aus anderen Mitgliedstaaten aus Gründen der öffentlichen Ordnung betraf. In diesem Rahmen hat der Gerichtshof entschieden, dass solche Maßnahmen nach Artikel 3 der Richtlinie 64/221/EWG des Rates vom 25. Februar 1964 zur Koordinierung der Sondervorschriften für die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern, soweit sie aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sind (ABl. 1964, Nr. 56, S. 850), nur dann gerechtfertigt sind, wenn sie ausschließlich auf das persönliche Verhalten der in Betracht kommenden Personen gestützt werden (vgl. kürzlich Urteil des Gerichtshofes vom 29. April 2004 in den Rechtssachen C‑482/01 und C‑493/01, Orfanopoulos und Oliveri, Slg. 2004, I‑5257, Randnr. 66). Der Gerichtshof hat daraus u. a. geschlossen, dass das Gemeinschaftsrecht der Ausweisung eines Angehörigen eines Mitgliedstaats entgegensteht, die auf generalpräventive Gründe – nämlich die Abschreckung anderer Ausländer – gestützt wird, insbesondere wenn die Ausweisung nach einer strafrechtlichen Verurteilung automatisch verfügt wird, ohne dass das persönliche Verhalten des Täters oder die von ihm ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung berücksichtigt wird (Urteil des Gerichtshofes vom 26. Februar 1975 in der Rechtssache 67/74, Bonsignore, Slg. 1975, 297, Randnr. 7, oben in Randnr. 346 angeführtes Urteil Nazli u. a., Randnr. 59, und oben angeführtes Urteil Orfanopoulos und Oliveri, Randnr. 68).

359   Daraus folgt, dass das Verbot generalpräventiver Gründe keineswegs einen allgemeinen Grundsatz darstellt, sondern für den Sonderfall der Maßnahmen gilt, mit denen Mitgliedstaaten aus Gründen der öffentlichen Ordnung von dem in Artikel 18 Absatz 1 EG verankerten Grundsatz der Freizügigkeit der Unionsbürger abweichen. Dieses Verbot kann somit offenkundig nicht ohne weiteres auf den Bereich der von der Kommission wegen Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft gegen Unternehmen verhängten Geldbußen übertragen werden.

360   Vielmehr ergibt sich aus einer ständigen Rechtsprechung, dass die Kommission dem Umstand Rechnung tragen darf, dass wettbewerbswidrige Praktiken der hier in Rede stehenden Art wegen des Gewinns, den eine Reihe der betroffenen Unternehmen daraus ziehen kann, immer noch verhältnismäßig häufig sind, obwohl ihre Rechtswidrigkeit von Beginn der gemeinschaftlichen Wettbewerbspolitik an feststand, und dass sie daher das Niveau der Geldbußen anheben kann, um deren abschreckende Wirkung zu verstärken (vgl. z. B. das oben in Randnr. 58 angeführte Urteil Musique diffusion française u. a./Kommission, Randnr. 108); dies entspricht zumindest teilweise der Notwendigkeit, den Geldbußen eine abschreckende Wirkung für andere als die von ihnen betroffenen Unternehmen zu verleihen.

361   Außerdem ist festzustellen, dass die bloße Einführung eines Programms zur Einhaltung der Wettbewerbsregeln durch ein Unternehmen zweifellos keine tragfähige und sichere Garantie für die künftige dauerhafte Einhaltung dieser Regeln darstellen kann, so dass ein solches Programm die Kommission nicht zwingen kann, eine Geldbuße herabzusetzen, weil der mit ihr verfolgte Präventionszweck zumindest teilweise bereits erreicht wurde. Im Übrigen geht aus der Entscheidung entgegen dem Vorbringen der Klägerin nicht hervor, dass die Kommission die Erhöhung des Grundbetrags ausschließlich auf die Notwendigkeit gestützt hat, eine Abschreckungswirkung gegenüber anderen Unternehmen zu erzielen.

362   Zum einen stellen nämlich die Berücksichtigung der Größe der Klägerin in den Randnummern 303 bis 305 der Entscheidung und die daraus resultierende Erhöhung des Grundbetrags gerade einen Gesichtspunkt dar, der zur Anpassung der Geldbuße anhand für die Klägerin spezifischer Faktoren dient. Zum anderen geht aus Randnummer 330 hervor, dass die Kommission die Berücksichtigung der Einführung des Compliance-Programms als mildernden Umstand mit der Begründung abgelehnt hat, dass „diese Initiative … zu spät [kam] und … – als Präventivmaßnahme – die Kommission nicht von ihrer Pflicht entbinden [kann], den von Degussa in der Vergangenheit begangenen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht zu ahnden“. Dies ist als zutreffender Hinweis darauf zu verstehen, dass – wie die Klägerin im Rahmen ihrer Einrede der Rechtswidrigkeit des Artikels 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 ausführt – mit der Geldbuße nicht nur ein Präventions-, sondern auch ein Repressionszweck verfolgt wird. Die Kommission hat das fragliche Argument der Klägerin somit nicht nur zur Abschreckung nicht an der Zuwiderhandlung beteiligter Unternehmen zurückgewiesen, sondern auch, weil das Compliance-Programm ihres Erachtens keine Verringerung der Sanktion für die begangene Zuwiderhandlung rechtfertigte.

363   Dabei spielt es keine Rolle, dass die Klägerin dieses Argument jetzt im Rahmen der Beurteilung der Abschreckungswirkung der Geldbuße und nicht im Rahmen der mildernden Umstände vorträgt, da die Notwendigkeit, eine solche Wirkung zu gewährleisten, nicht nur – wie die Klägerin anzunehmen scheint – dem mit der Geldbuße verfolgten Präventionszweck entspricht, sondern auch dem Repressionszweck.

364   Nach alledem ist die Rüge der Klägerin, die Kommission habe hinsichtlich der Abschreckungswirkung der Geldbuße im Hinblick auf ihr Verhalten nach Beendigung der Zuwiderhandlung einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen, als unbegründet zurückzuweisen.

C –  Zur Kooperation der Klägerin

1.     Vorbringen der Parteien

365   Die Klägerin beanstandet die Weigerung der Kommission, ihre Geldbuße nach Abschnitt D Nummer 2 zweiter Gedankenstrich der Mitteilung über Zusammenarbeit niedriger festzusetzen, weil sie die Sachverhaltsdarstellung in der MB hinsichtlich der Dauer des Kartells bestritten habe. Sie trägt vor, sie habe die vorgelegten Beweisstücke akzeptiert und lediglich zu deren Auslegung durch die Kommission eine abweichende Meinung geäußert, die zu anderen rechtlichen Würdigungen und Schlussfolgerungen geführt habe. So stelle die Ermittlung der Dauer der Zuwiderhandlung im vorliegenden Fall keine Tatsachenfeststellung dar, sondern sei eine Frage der rechtlichen Würdigung; diese Begriffe habe die Kommission in Abschnitt C der MB vermengt.

366   Die Kommission hält diese Rüge für unbegründet.

2.     Würdigung durch das Gericht

367   Nach den Randnummern 353 und 354 der Entscheidung wurde die Geldbuße der Klägerin gemäß Abschnitt D Nummer 2 erster Gedankenstrich der Mitteilung über Zusammenarbeit um 25 % herabgesetzt.

368   Abschnitt D der Mitteilung über Zusammenarbeit lautet:

„1.      Arbeitet ein Unternehmen mit der Kommission zusammen, ohne dass es alle Voraussetzungen [der Abschnitte B und C] erfüllt, so wird die Höhe der Geldbuße, die ohne seine Mitarbeit festgesetzt worden wäre, um 10 bis 50 % niedriger festgesetzt.

2.      Dies gilt insbesondere, wenn

–       ein Unternehmen der Kommission vor der Mitteilung der Beschwerdepunkte Informationen, Unterlagen oder andere Beweismittel liefert, die zur Feststellung des Vorliegens eines Verstoßes beitragen;

–       ein Unternehmen der Kommission nach Erhalt der Mitteilung der Beschwerdepunkte mitteilt, dass es den Sachverhalt, auf den die Kommission ihre Einwände stützt, nicht bestreitet.“

369   In Randnummer 354 der Entscheidung vertrat die Kommission jedoch die Ansicht, dass die Klägerin die Sachverhaltsdarstellung in der MB insoweit bestreite, als sie die Dauer des Kartells betreffe. Sie schloss daraus, dass die Klägerin die Voraussetzungen von Abschnitt D Nummer 2 zweiter Gedankenstrich der Mitteilung über Zusammenarbeit nicht erfülle, so dass eine darauf beruhende weitere Herabsetzung ihrer Geldbuße nicht möglich sei.

370   Daher ist zu klären, ob die Entscheidung in Bezug auf die Frage, ob die Klägerin nach der MB den Sachverhalt, auf den die Kommission ihre Vorwürfe stützte, bestritten hat, mit einem Sachverhaltsirrtum behaftet ist.

371   Hierzu ist die Erwiderung der Klägerin auf die MB zu prüfen.

372   Wie die Klägerin ausführt, heißt es darin erstens, dass die Sachverhaltsdarstellung in der MB „im Wesentlichen nicht bestritten“ werde (S. 3 und 9 der Erwiderung auf die MB). Entgegen der von der Klägerin vorgenommenen Auslegung belegt diese Feststellung aber gerade, dass der Sachverhalt teilweise bestritten wurde, und überdies ermöglichte sie es der Kommission nicht, genau zu ermitteln, welche Tatsachen bestritten wurden und welche nicht. Diese Erwägung wird im Übrigen durch die Angabe der Klägerin (S. 9 der Erwiderung auf die MB) bestätigt, dass die Sachverhaltsdarstellung der Kommission zur Dauer des Verstoßes teilweise nicht richtig sei. In Punkt 12 (S. 14) ihrer Erwiderung auf die MB fügte die Klägerin sogar hinzu, dass der Sachverhalt erst ab Mitte 1992 richtig dargestellt werde, als sie an dem Treffen in Barcelona teilgenommen habe, und erklärte, dass die Dauer des Kartells auf die Jahre 1992 bis 1997 begrenzt gewesen sei (S. 33 der Erwiderung auf die MB).

373   Auch wenn diese formalen Gesichtspunkte als solche nicht zu dem Schluss führen können, dass die Klägerin die Sachverhaltsdarstellung der Kommission in der MB im Wesentlichen bestritten hat, reichen sie jedenfalls zum Nachweis dafür aus, dass die Klägerin nicht positiv zu erkennen gegeben hat, dass sie den Sachverhalt in seiner Gesamtheit nicht bestreitet. Sie hat vielmehr für die Kommission Unklarheit in Bezug auf die Frage geschaffen, ob sie den Sachverhalt bestreitet und, wenn ja, welche Tatsachen im Einzelnen bestritten werden.

374   Zweitens hat die Klägerin zwar unter der Überschrift „D. Zum Sachverhalt“ (S. 9 der Erwiderung auf die MB) gegen den Standpunkt der Kommission gerichtete Kommentare abgegeben, doch ist anzuerkennen, dass sich die meisten dieser Kommentare im Wesentlichen nicht unmittelbar gegen den Sachverhalt (insbesondere die Durchführung von Treffen und deren Gegenstand) richten, sondern gegen dessen Auslegung durch die Kommission und gegen deren Schlussfolgerung hinsichtlich des Vorliegens einer Zuwiderhandlung vor 1992 und nach 1997.

375   Es ist richtig, dass das Bestreiten der rechtlichen Würdigung bestimmter Tatsachen durch die Kommission nicht mit einem Bestreiten des Vorliegens dieser Tatsachen gleichgesetzt werden kann, auch wenn sich beides im vorliegenden Fall nicht klar voneinander trennen lässt.

376   Gleichwohl ist jedenfalls in Einklang mit der Kommission festzustellen, dass die Klägerin in Punkt 13 ihrer Erwiderung auf die MB (S. 14 f.) ausgeführt hat, dass es nach dem Gipfeltreffen in Kopenhagen im Jahr 1997 kein Treffen mehr gegeben habe, bei dem Zielpreise vereinbart worden seien. In Nummer 61 der MB hat die Kommission aber klar dargelegt, dass sich Degussa und Rhône-Poulenc im Spätsommer oder Frühherbst 1998 in Heidelberg getroffen hätten und dass bei dieser Gelegenheit eine Preiserhöhung vereinbart worden sei. Die Kommission fügt hinzu, eine weitere Zusammenkunft beider Unternehmen habe am 4. Februar 1999 in Nancy stattgefunden und zur Festlegung eines Zielpreises von 3,20 USD/kg (5,30 DM/kg) geführt. Zumindest in dem soeben beschriebenen Umfang hat die Klägerin also nach Erhalt der MB den von der Kommission dargelegten Sachverhalt bestritten.

377   Außerdem hat die Klägerin in ihrer Erwiderung unter der Überschrift „E. Rechtliche Würdigung“ in dem der Dauer der Zuwiderhandlung gewidmeten Teil ausgeführt, dass sie keine Informationen über Treffen im Zeitraum 1989/90 habe und daher weder ausdrücklich bestreiten (S. 29 der Erwiderung auf die MB) noch bestätigen (a. a. O., S. 30) könne, dass solche Treffen stattgefunden hätten. Die Kommission hat aber in den Nummern 22 bis 29 der MB drei Treffen, an denen die Klägerin in diesem Zeitraum teilgenommen haben soll (im August 1989 an einem nicht genannten Ort, am 10. Juni 1990 in Frankfurt am Main und im November 1990 in Hongkong und/oder Seoul), eingehend beschrieben. Wiederum lassen die mehrdeutigen Ausführungen der Klägerin nicht den Schluss zu, dass sie bestritten hat, dass diese Treffen stattfanden, doch ermöglichten sie es der Kommission auch nicht, davon auszugehen, dass die Klägerin den Sachverhalt insoweit einräumte.

378   Ebenso hat die Kommission in der MB den Beginn des Kartells auf Februar 1986 datiert (vgl. u. a. Nrn. 18 bis 21 und 97), während die Klägerin in ihrer Erwiderung auf die MB nicht ausdrücklich zu den Ausführungen der Kommission in Bezug auf die Zeit von Februar 1986 bis Ende 1988 Stellung genommen, aber klargestellt hat, dass das Kartell ihres Erachtens nur von 1992 bis 1997 dauerte.

379   Folglich hat die Kommission keinen Sachverhaltsirrtum begangen, als sie feststellte, dass die Klägerin den in der MB geschilderten Sachverhalt teilweise bestritten habe.

380   In Bezug auf die Frage, ob die Kommission auf dieser Grundlage die Ansicht vertreten durfte, dass die Geldbuße der Klägerin nicht noch zusätzlich nach Abschnitt D Nummer 2 zweiter Gedankenstrich der Mitteilung über Zusammenarbeit herabgesetzt werden konnte, ist daran zu erinnern, dass nach der Rechtsprechung die Herabsetzung von Geldbußen im Fall der Kooperation von Unternehmen, die an Zuwiderhandlungen gegen das Wettbewerbsrecht beteiligt waren, auf der Erwägung beruht, dass eine solche Kooperation der Kommission ihre Aufgabe erleichtert (oben in Randnr. 80 angeführtes Urteil BPB de Eendracht/Kommission, Randnr. 325, oben in Randnr. 233 angeführtes Urteil Finnboard/Kommission, Randnr. 363, im Rechtsmittelverfahren bestätigt durch Urteil des Gerichtshofes vom 16. November 2000 in der Rechtssache C‑298/98 P, Finnboard/Kommission, Slg. 2000, I‑10157, und oben in Randnr. 222 angeführtes Urteil Mayr-Melnhof/Kommission, Randnr. 330).

381   Insoweit ist jedoch entschieden worden, dass ein Unternehmen, das sich im Verwaltungsverfahren darauf beschränkt, zu den von der Kommission aufgestellten Tatsachenbehauptungen nicht Stellung zu nehmen, und somit deren Richtigkeit nicht einräumt, nicht nachhaltig zur Erleichterung der Aufgabe der Kommission beiträgt (Urteil des Gerichtshofes vom 16. November 2000 in der Rechtssache C‑297/98 P, SCA Holding/Kommission, Slg. 2000, I‑10101, Randnr. 37).

382   Ebenso reicht eine allgemeine Erklärung eines Unternehmens, dass es den festgestellten Sachverhalt gemäß der Mitteilung über Zusammenarbeit nicht bestreite, nicht aus, wenn diese Erklärung im konkreten Fall ohne jeden Nutzen für die Kommission ist (Urteil des Gerichts vom 8. Juli 2004 in der Rechtssache T‑48/00, Corus UK/Kommission, Slg. 2004, II‑2325, Randnr. 193).

383   Schließlich kann eine Herabsetzung auf der Grundlage der Mitteilung über Zusammenarbeit nur gerechtfertigt sein, wenn die gelieferten Informationen und allgemeiner das Verhalten des betreffenden Unternehmens insoweit als Zeichen seiner echten Zusammenarbeit angesehen werden können. Wie sich bereits aus dem Begriff der Zusammenarbeit, wie er in der Mitteilung über Zusammenarbeit und insbesondere in der Einführung und in Abschnitt D Nummer 1 dieser Mitteilung verwendet wird, ergibt, kann eine Herabsetzung auf der Grundlage der Mitteilung nur vorgenommen werden, wenn das Verhalten des betreffenden Unternehmens von einem solchen Geist der Zusammenarbeit zeugt (oben in Randnr. 82 angeführtes Urteil Dansk Rørindustri u. a./Kommission, Randnrn. 395 und 396).

384   Nach alledem hat im vorliegenden Fall die mehrdeutige Anerkennung bestimmter in der MB angeführter Tatsachen durch die Klägerin unter gleichzeitigem Bestreiten anderer Tatsachen nicht dazu beigetragen, der Kommission ihre Aufgabe in einer Weise zu erleichtern, die hinreichend wirksam war, um diese Anerkennung im Rahmen der Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit berücksichtigen zu können. Die Kommission hat somit keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen, als sie die Ansicht vertrat, dass die Anerkennung nicht geeignet sei, eine Herabsetzung der Geldbuße der Klägerin im Hinblick auf die genannte Mitteilung nach deren Auslegung durch die Rechtsprechung zu rechtfertigen.

385   Folglich ist die Rüge, die im Wesentlichen auf einen Tatsachenirrtum und/oder einen offensichtlichen Beurteilungsfehler hinsichtlich der Kooperation der Klägerin im Verwaltungsverfahren gestützt wird, als unbegründet zurückzuweisen.

D –  Zur Verletzung des Rückwirkungsverbots von Strafen

386   In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin geltend gemacht, die Kommission habe das Rückwirkungsverbot von Strafen verletzt, indem sie die in den Leitlinien enthaltenen neuen Kriterien für die Festsetzung von Geldbußen auf Zuwiderhandlungen vor Erlass der Leitlinien im Jahr 1998 angewandt habe.

387   Ohne dass auf die Frage eingegangen werden muss, ob diese in der mündlichen Verhandlung vorgetragene Argumentation im Hinblick auf Artikel 48 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts zulässig ist und ob es sich insbesondere um ein neues Angriffsmittel oder eine bloße Erweiterung eines in der Klageschrift angeführten Angriffsmittels handelt, die mit ihm in engem Zusammenhang steht, genügt die Feststellung, dass sich der Gerichtshof und das Gericht bereits zur Begründetheit der genannten Argumentation geäußert haben.

388   Nach den Randnummern 224 bis 231 des oben in Randnummer 82 angeführten Urteils Dansk Rørindustri u. a./Kommission ist im Rahmen der Kontrolle der Beachtung des Rückwirkungsverbots zu prüfen, ob die Änderung der allgemeinen Wettbewerbspolitik der Kommission im Bereich von Geldbußen, wie sie sich insbesondere aus den Leitlinien ergibt, zum Zeitpunkt der Begehung der betreffenden Zuwiderhandlungen hinreichend vorhersehbar war.

389   Hierzu ist festzustellen, dass die wesentliche Neuerung der Leitlinien darin besteht, dass als Ausgangspunkt der Berechnung ein Grundbetrag verwendet wird, der innerhalb von hierfür vorgesehenen Spannen festgelegt wird, wobei diese Spannen verschiedenen Schweregraden der Zuwiderhandlungen entsprechen, als solche aber keinen Bezug zum relevanten Umsatz aufweisen. Diese Methode beruht somit im Wesentlichen auf einer – wenn auch relativen und flexiblen – Tarifierung der Geldbußen.

390   Zu prüfen ist daher, ob diese neue Berechnungsmethode der Geldbußen, falls sie sich verschärfend auf die Höhe der Geldbußen ausgewirkt haben sollte, zum Zeitpunkt der Begehung der betreffenden Zuwiderhandlungen hinreichend vorhersehbar war.

391   Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes ist die Kommission dadurch, dass sie in der Vergangenheit für bestimmte Arten von Zuwiderhandlungen Geldbußen in bestimmter Höhe verhängt hat, nicht daran gehindert, dieses Niveau innerhalb der in der Verordnung Nr. 17 gezogenen Grenzen anzuheben, wenn dies erforderlich ist, um die Durchführung der gemeinschaftlichen Wettbewerbspolitik sicherzustellen; vielmehr verlangt die wirksame Anwendung der Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft, dass die Kommission das Niveau der Geldbußen jederzeit den Erfordernissen dieser Politik anpassen kann (oben in Randnr. 58 angeführtes Urteil Musique diffusion française u. a./Kommission, Randnr. 109, und Urteil des Gerichtshofes vom 2. Oktober 2003 in der Rechtssache C‑196/99 P, Aristrain/Kommission, Slg. 2003, I‑11005).

392   Somit kann bei Unternehmen, die von einem Verwaltungsverfahren betroffen sind, das zu einer Geldbuße führen kann, ein berechtigtes Vertrauen weder darauf bestehen, dass die Kommission das zuvor praktizierte Bußgeldniveau nicht überschreiten wird, noch auf eine bestimmte Berechnungsmethode der Geldbußen.

393   Die betreffenden Unternehmen müssen sich folglich dessen bewusst sein, dass die Kommission jederzeit beschließen kann, unter Beachtung der für ihr Handeln maßgebenden Vorschriften das Niveau der Geldbußen gegenüber dem in der Vergangenheit praktizierten Niveau anzuheben.

394   Das gilt nicht nur dann, wenn die Kommission das Niveau der in Einzelentscheidungen verhängten Geldbußen anhebt, sondern auch dann, wenn die Anhebung dadurch erfolgt, dass Verhaltensnormen, die wie die Leitlinien allgemeine Geltung haben, auf konkrete Fälle angewandt werden.

395   Im Übrigen steht nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte der Vorhersehbarkeit des Gesetzes nicht entgegen, dass die betreffende Person gezwungen ist, fachkundigen Rat einzuholen, um unter den Umständen des konkreten Falles angemessen zu beurteilen, welche Folgen sich aus einer bestimmten Handlung ergeben können. Das gilt insbesondere für Gewerbstätige, die gewohnt sind, sich bei der Ausübung ihrer Tätigkeit sehr umsichtig verhalten zu müssen. Von ihnen kann daher erwartet werden, dass sie die Risiken ihrer Tätigkeit besonders sorgfältig beurteilen (Urteil Cantoni/Frankreich vom 15. November 1996, Recueil des arrêts et décisions 1996‑V, § 35).

396   Daraus ist zu schließen, dass die Leitlinien und speziell die darin vorgesehene neue Berechnungsmethode der Geldbußen, falls sie sich verschärfend auf die Höhe der Geldbußen ausgewirkt haben sollte, für Unternehmen wie die Klägerin zum Zeitpunkt der Begehung der betreffenden Zuwiderhandlung hinreichend vorhersehbar waren.

397   Die Kommission hat daher, als sie die Leitlinien in der Entscheidung im Wesentlichen auf eine vor deren Erlass begangene Zuwiderhandlung anwandte, nicht gegen das Rückwirkungsverbot verstoßen.

398   Folglich ist die von der Klägerin erhobene Rüge einer Verletzung des Rückwirkungsverbots von Strafen als unbegründet zurückzuweisen.

IV –  Zum vierten, auf einen Verstoß gegen das Berufsgeheimnis, den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung und die Unschuldsvermutung gestützten Klagegrund

A –  Vorbringen der Parteien

399   Die Klägerin trägt vor, die Kommission habe der Presse schon vor Erlass der Entscheidung vertrauliche Informationen zukommen lassen und damit gegen das durch Artikel 287 EG geschützte Berufsgeheimnis, den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung sowie die Unschuldsvermutung verstoßen.

400   Am Dienstag, dem 2. Juli 2002, habe die Zeitung „Handelsblatt“ nämlich auf der Titelseite einen Artikel unter der Überschrift „Degussa muss über 100 Millionen zahlen“ veröffentlicht. Darin heiße es, die Zeitung sei aus Kommissionskreisen in Brüssel unterrichtet worden, und es werde hinzugefügt: „Nach Erkenntnissen Montis war der Düsseldorfer Chemie-Konzern treibende Kraft eines Aminosäure-Kartells, das ein Jahrzehnt lang mit systematischen Preisabsprachen den Markt für Tierfutterzusatzstoffe aufteilte.“

401   Die veröffentlichten Informationen hätten nicht ohne Mitwirkung eines Bediensteten der Kommission erlangt werden können, was einen Verstoß gegen die Verpflichtung zur Wahrung des Berufsgeheimnisses nach Artikel 287 EG darstelle. Das Gericht habe nämlich entschieden, dass in streitigen Verfahren, die zur Verhängung einer Sanktion führen könnten, Art und Höhe der vorgeschlagenen Sanktion ihrem Wesen nach unter das Berufsgeheimnis fielen, solange die Sanktion noch nicht endgültig gebilligt und verhängt worden sei. Dieser Grundsatz folge insbesondere aus der Notwendigkeit, den Ruf und das Ansehen des Betroffenen zu wahren, solange die Sanktion nicht gegen ihn verhängt worden sei (oben in Randnr. 153 angeführtes Urteil Volkswagen/Kommission, Randnr. 281).

402   Es sei unerheblich, auf welche Weise die Kommission die Presse unterrichtet habe, da es nur darauf ankomme, dass die Kommission eine Situation geschaffen habe, in der das Unternehmen den genauen Inhalt der Sanktion, die ihm aller Wahrscheinlichkeit nach auferlegt werde, aus der Presse erfahren habe (oben in Randnr. 153 angeführtes Urteil Volkswagen/Kommission, Randnr. 281). Die Kommission habe nicht ausdrücklich bestritten, dass einer ihrer Bediensteten die in Rede stehenden vertraulichen Informationen weitergegeben habe. Jedenfalls könne allein die Kommission Ursprung dieser Verlautbarung sein. Unter diesen Umständen obliege es der Kommission, das Gegenteil zu beweisen, zumal es in dem fraglichen Artikel heiße, dass die Information „aus Kommissionskreisen in Brüssel“ stamme.

403   Die Kommission habe auch gegen das in Artikel 41 Absatz 1 der Charta verankerte Recht auf eine gute Verwaltung verstoßen, wonach „[j]ede Person … ein Recht darauf [hat], dass ihre Angelegenheiten von den Organen und Einrichtungen der Union unparteiisch, gerecht und innerhalb einer angemessenen Frist behandelt werden“. Die aus Kommissionsquellen stammende Verlautbarung lasse nämlich die Voreingenommenheit der Kommission gegenüber der Klägerin erkennen.

404   Schließlich habe die Kommission gegen die Unschuldsvermutung verstoßen, die in Artikel 6 Absatz 2 EMRK und in Artikel 48 Absatz 1 der Charta verankert sei und zu den Grundrechten der Gemeinschaftsrechtsordnung zähle (oben in Randnr. 115 angeführtes Urteil Hüls/Kommission, Randnr. 149). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, des Gerichtshofes und des Gerichts gelte dieser Grundsatz auch in Verfahren wegen Verletzung der Wettbewerbsregeln (oben in Randnr. 38 angeführtes Urteil Öztürk/Deutschland, § 46, oben in Randnr. 115 angeführtes Urteil Hüls/Kommission, Randnr. 50, und oben in Randnr. 153 angeführtes Urteil Volkswagen/Kommission, Randnr. 281). Indem die Kommission der Presse den Inhalt der Entscheidung bekannt gegeben habe, bevor diese dem Kollegium der Kommissionsmitglieder zur Beratung vorgelegt worden sei und damit vor der Verurteilung des Unternehmens, habe sie offenkundig gegen die Unschuldsvermutung verstoßen.

405   Zurückzuweisen sei die Argumentation der Kommission, wonach ihr die Verlautbarung der betreffenden Informationen gegenüber der Presse nicht zuzurechnen sei. Es spiele keine Rolle, ob die Informationen offiziell weitergegeben worden seien. Nach Artikel 288 EG sei die Kommission nämlich für eine durch einen ihrer Bediensteten begangene Zuwiderhandlung verantwortlich, wenn diese Zuwiderhandlung in unmittelbarem Zusammenhang mit ihrer Amtstätigkeit begangen worden sei (Urteil des Gerichtshofes vom 10. Juli 1969 in der Rechtssache 9/69, Sayag u. a., Slg. 1969, 329), was hier der Fall sei. Auf die Frage, ob die Zuwiderhandlung von der Kommission autorisiert worden sei, komme es daher – analog dazu, dass einem Unternehmen von seinen Mitarbeitern begangene Wettbewerbsverstöße zugerechnet würden (oben in Randnr. 58 angeführtes Urteil Musique diffusion française u. a./Kommission, Randnr. 37) – nicht an.

406   Die Wirksamkeit des Schutzes der Grundrechte verlange somit die Nichtigerklärung der Entscheidung auf dieser Grundlage (Urteil des Gerichtshofes vom 15. Mai 1986 in der Rechtssache 222/84, Johnston, Slg. 1986, 1651, Randnr. 19). Dies sei deshalb erforderlich, weil sich derartige Verstöße durch die Kommission häuften (oben in Randnr. 101 angeführtes Urteil Suiker Unie u. a./Kommission, Randnr. 90, oben in Randnr. 114 angeführtes Urteil Dunlop Slazenger/Kommission, Randnr. 27, und oben in Randnr. 153 angeführtes Urteil Volkswagen/Kommission). Außerdem habe die Rechtsprechung, wonach eine solche Unregelmäßigkeit nur dann die Nichtigerklärung der Entscheidung rechtfertige, wenn erwiesen sei, dass die Entscheidung ohne sie inhaltlich anders ausgefallen wäre, offensichtlich keine Abschreckungswirkung entfaltet und verlange von dem Unternehmen einen Beweis, den es nicht erbringen könne. Diese Rechtsprechung werde daher dem Erfordernis eines wirksamen Schutzes der betreffenden Rechte nicht gerecht und versetze das betreffende Unternehmen unter Missachtung des Grundsatzes der „Waffengleichheit“ in eine nachteilige Lage gegenüber seinen Kunden, Mitarbeitern, Anteilseignern und den Medien.

407   Somit reiche der Nachweis aus, dass nicht ausgeschlossen werden könne, dass ohne die vorzeitige Verlautbarung der betreffenden Informationen die Entscheidung inhaltlich hätte anders ausfallen können, wie in Bezug auf einen Verfahrensfehler entschieden worden sei (Urteil des Gerichtshofes vom 23. Februar 1988 in der Rechtssache 68/86, Vereinigtes Königreich/Rat, Slg. 1988, 855, Randnr. 49; Urteil des Gerichts vom 23. Februar 1994 in den Rechtssachen T‑39/92 und T‑40/92, CB und Europay/Kommission, Slg. 1994, II‑49, Randnr. 58). Dies sei hier der Fall, da die Verlautbarung des Inhalts der Entscheidung vor deren Erlass es der Kommission unmöglich gemacht habe, eine Entscheidung zu treffen, die von der in der Presse gemachten Ankündigung abweiche, da dies eine kaum vorstellbare Desavouierung des für Wettbewerbsfragen zuständigen Kommissionsmitglieds dargestellt hätte.

408   Die Kommission hält diesen Klagegrund für unbegründet.

B –  Würdigung durch das Gericht

409   Nach Artikel 287 EG sind die Mitglieder sowie die Beamten und sonstigen Bediensteten der Gemeinschaftsorgane verpflichtet, „Auskünfte, die ihrem Wesen nach unter das Berufsgeheimnis fallen, nicht preiszugeben; dies gilt insbesondere für Auskünfte über Unternehmen sowie deren Geschäftsbeziehungen oder Kostenelemente“. Obwohl sich diese Bestimmung in erster Linie auf Auskünfte bezieht, die bei Unternehmen eingeholt worden sind, zeigt der Zusatz „insbesondere“, dass es sich um einen allgemeinen Grundsatz handelt, der auch für andere vertrauliche Auskünfte gilt (Urteil des Gerichtshofes vom 7. November 1985 in der Rechtssache 145/83, Adams/Kommission, Slg. 1985, 3539, Randnr. 34, und Urteil des Gerichts vom 18. September 1996 in der Rechtssache T‑353/94, Postbank/Kommission, Slg. 1996, II‑921, Randnr. 86).

410   In streitigen Verfahren, die zur Verhängung einer Sanktion führen können, fallen Art und Höhe der vorgeschlagenen Sanktion ihrem Wesen nach unter das Berufsgeheimnis, solange die Sanktion noch nicht endgültig gebilligt und verhängt worden ist. Dieser Grundsatz folgt insbesondere aus der Notwendigkeit, den Ruf und das Ansehen des Betroffenen zu wahren, solange die Sanktion nicht gegen ihn verhängt worden ist (oben in Randnr. 153 angeführtes Urteil Volkswagen/Kommission, Randnr. 281).

411   Insofern deckt sich die Pflicht der Kommission, der Presse keine Auskünfte über die konkret geplante Sanktion zu geben, nicht nur mit ihrer Pflicht zur Wahrung des Berufsgeheimnisses, sondern auch mit ihrer Pflicht zur ordnungsgemäßen Verwaltung. Schließlich gilt der Grundsatz der Unschuldsvermutung auch in Verfahren, die gegen Unternehmen wegen Verletzung der Wettbewerbsregeln eingeleitet werden und zur Verhängung von Geldbußen oder Zwangsgeldern führen können (oben in Randnr. 115 angeführtes Urteil Hüls/Kommission, Randnr. 150, oben in Randnr. 38 angeführtes Urteil Öztürk/Deutschland, und oben in Randnr. 115 angeführtes Urteil Lutz/Deutschland). Diese Unschuldsvermutung wird von der Kommission offensichtlich nicht beachtet, wenn sie das dem Beratenden Ausschuss und dem Kollegium der Kommissionsmitglieder zur Beratung vorgelegte Verdikt vor der förmlichen Verhängung der Sanktion gegen das von ihr beschuldigte Unternehmen der Presse mitteilt (oben in Randnr. 153 angeführtes Urteil Volkswagen/Kommission, Randnr. 281).

412   Im vorliegenden Fall ist jedoch festzustellen, dass im Gegensatz zu der Situation, die zu dem oben in Randnummer 153 angeführten Urteil Volkswagen/Kommission führte, nicht erwiesen ist, dass die Verlautbarung des Inhalts der Entscheidung gegenüber der Presse durch die Kommission erfolgte. Während nämlich in der vorgenannten Rechtssache feststand, dass das zum damaligen Zeitpunkt für Wettbewerbsfragen zuständige Kommissionsmitglied der Presse schon vor der Entscheidung der Kommission den Betrag der Geldbuße für Volkswagen mitgeteilt hatte, führt die Klägerin im vorliegenden Fall selbst aus, dass es in dem fraglichen Artikel nur heiße, dass die Information aus „Kommissionskreisen“ stamme. Außerdem ist entgegen dem Vorbringen der Klägerin festzustellen, dass die Kommission keine dahin gehende Verantwortung eingeräumt hat. Es ist zwar einleuchtend, dass die undichte Stelle bei der Kommission zu suchen sein könnte, doch genügt diese Möglichkeit entgegen der Behauptung der Klägerin nicht, der Kommission die Last des Gegenbeweises aufzuerlegen.

413   Selbst wenn die Dienststellen der Kommission tatsächlich für die Verlautbarung der Informationen in dem von der Klägerin angeführten Presseartikel verantwortlich wären, hätte dies jedenfalls keinen Einfluss auf die Rechtmäßigkeit der Entscheidung.

414   Zum einen ist in Bezug auf das Argument der Klägerin, dass diese Verlautbarung die Parteilichkeit der Kommission ihr gegenüber belege, darauf hinzuweisen, dass das Vorliegen einer nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens tatsächlich erwiesenen Zuwiderhandlung nicht dadurch in Frage gestellt werden kann, dass der Kommission nachgewiesen wird, dass sie ihre Überzeugung von der Existenz der Zuwiderhandlung und die Höhe der Geldbuße, die sie deshalb gegen ein Unternehmen zu verhängen beabsichtigt, verfrüht bekundet hat. Im Übrigen ist bei der Prüfung der verschiedenen Klagegründe dargelegt worden, dass die Entscheidung in Bezug auf das Vorliegen und die Bestandteile der Zuwiderhandlung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht ordnungsgemäß begründet ist.

415   Es kann auch nicht behauptet werden, dass die Preisgabe des Inhalts einer Entscheidung am Ende des Verwaltungsverfahrens und kurz vor ihrem förmlichen Erlass für sich genommen zum Beweis dafür geeignet ist, dass die Kommission der Entscheidung vorgegriffen oder voreingenommen ermittelt hat (vgl. in diesem Sinne das oben in Randnr. 153 angeführte Urteil Volkswagen/Kommission, Randnrn. 270 bis 272).

416   Zum anderen kann nach ständiger Rechtsprechung eine Unregelmäßigkeit der von der Klägerin behaupteten Art dann zur Nichtigerklärung der fraglichen Entscheidung führen, wenn erwiesen ist, dass die Entscheidung ohne diese Unregelmäßigkeit inhaltlich anders ausgefallen wäre (oben in Randnr. 101 angeführtes Urteil Suiker Unie u. a./Kommission, Randnr. 91, oben in Randnr. 114 angeführtes Urteil Dunlop Slazenger/Kommission, Randnr. 29, und oben in Randnr. 153 angeführtes Urteil Volkswagen/Kommission, Randnr. 283).

417   Im vorliegenden Fall hat die Klägerin einen solchen Beweis aber nicht erbracht. Denn es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass das Kollegium der Kommissionsmitglieder die Höhe der Geldbuße oder den Inhalt der Entscheidung gegenüber dem Vorschlag abgeändert hätte, wenn die fraglichen Informationen nicht preisgegeben worden wären. Außerdem kann entgegen den rein hypothetischen Ausführungen der Klägerin angesichts des Kollegialprinzips, dem die Entscheidungen der Kommission entsprechen müssen, nicht davon ausgegangen werden, dass die Mitglieder der Kommission von einem Gefühl der Solidarität gegenüber ihrem für Wettbewerbsfragen zuständigen Kollegen beeinflusst wurden oder aus diesem Grund daran gehindert waren, eine niedrigere Geldbuße zu verhängen.

418   Folglich ist der vorliegende Klagegrund zurückzuweisen.

419   Keines der Argumente der Klägerin kann dieses Ergebnis in Frage stellen.

420   Die Klägerin trägt vor, die oben genannte Rechtsprechung genüge nicht den Anforderungen, die sich aus dem Grundsatz eines effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes ergäben. Dieser Grundsatz werde nur dann eingehalten, wenn es als ein zur Rechtfertigung der Nichtigerklärung der Entscheidung ausreichender Nachweis angesehen werde, dass nicht ausgeschlossen werden könne, dass die Entscheidung ohne die fragliche Verlautbarung inhaltlich anders ausgefallen wäre.

421   Insoweit ist daran zu erinnern, dass die Einzelnen nach gefestigter Rechtsprechung die Möglichkeit haben müssen, einen effektiven gerichtlichen Schutz der Rechte, die sie aus der Gemeinschaftsrechtsordnung herleiten, in Anspruch zu nehmen, wobei das Recht auf einen solchen Schutz zu den allgemeinen Rechtsgrundsätzen gehört, die sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten ergeben. Dieses Recht ist auch in den Artikeln 6 und 13 EMRK verankert (vgl. u. a. das oben in Randnr. 406 angeführte Urteil Johnston, Randnr. 18, Urteil vom 27. November 2001 in der Rechtssache C‑424/99, Kommission/Österreich, Slg. 2001, I‑9285, Randnr. 45, und Urteil vom 25. Juli 2002 in der Rechtssache C‑50/00 P, Unión de Pequeños Agricultores/Rat, Slg. 2002, I‑6677, Randnr. 39).

422   Dieser Grundsatz muss jedoch mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit und der für Handlungen der Gemeinschaftsorgane geltenden Gültigkeitsvermutung in Einklang gebracht werden (Urteil des Gerichtshofes vom 15. Juni 1994 in der Rechtssache C‑137/92 P, Kommission/BASF u. a., Slg. 1994, I‑2555, Randnr. 48), die besagt, dass derjenige, der sich auf die Ungültigkeit einer solchen Handlung beruft, den Nachweis dafür erbringen muss.

423   Wie oben dargelegt, kann aber die angebliche Verlautbarung des Inhalts einer Entscheidung durch die Kommission vor ihrem förmlichen Erlass für sich genommen, anders als die Nichteinhaltung wesentlicher Formvorschriften, keine Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit der Entscheidung haben.

424   Außerdem ist zum einen festzustellen, dass die Lösung, die in den oben in Randnummer 416 genannten Urteilen herausgearbeitet wurde, die Klägerin weder daran hindert, den Nachweis zu erbringen, dass die Entscheidung aufgrund der festgestellten Unregelmäßigkeit rechtswidrig ist, noch diesen Nachweis übermäßig erschwert, und dass die Klägerin zum anderen, auch wenn ihr nicht der Nachweis gelingt, dass die Entscheidung ohne die Unregelmäßigkeit anders ausgefallen wäre, mittels der in Artikel 288 Absatz 2 EG vorgesehenen Klage gegebenenfalls Ersatz für den Schaden verlangen kann, den die Gemeinschaft dadurch verursacht hat.

425   Daher ist nicht davon auszugehen, dass der Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes dem Erfordernis entgegensteht, dass die Klägerin bei Vorliegen einer Unregelmäßigkeit der hier in Rede stehenden Art, um die Nichtigerklärung der Entscheidung zu rechtfertigen, nachweisen muss, dass die Entscheidung ohne diese Unregelmäßigkeit inhaltlich anders ausgefallen wäre.

426   Aus dem Vorstehenden folgt, dass der Klagegrund eines Verstoßes gegen das Berufsgeheimnis, den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung und die Unschuldsvermutung zurückzuweisen ist.

 Ergebnis

427   Wie oben in Randnummer 254 ausgeführt, ist der anhand der Schwere der von der Klägerin begangenen Zuwiderhandlung festgesetzte Grundbetrag der Geldbuße von 35 auf 30 Millionen Euro herabzusetzen. Nach Randnummer 343 ist dieser Betrag im Fall der Klägerin um 80 % auf 54 Millionen Euro zu erhöhen, um eine hinreichend abschreckende Wirkung der Geldbuße sicherzustellen.

428   Außerdem hat die Kommission nach den getroffenen Feststellungen die Dauer der Zuwiderhandlung, die eine Erhöhung dieses Betrages um 125 % rechtfertigt, ordnungsgemäß dargetan. Schließlich ist die Herabsetzung der Geldbuße um 25 % zu berücksichtigen, die die Kommission bei der Klägerin in Anwendung von Abschnitt D Nummer 2 erster Gedankenstrich der Mitteilung über Zusammenarbeit vorgenommen hat.

429   Nach alledem ist die Geldbuße der Klägerin auf 91 125 000 Euro herabzusetzen.

 Kosten

430   Nach Artikel 87 § 3 der Verfahrensordnung kann das Gericht die Kosten teilen oder beschließen, dass jede Partei ihre eigenen Kosten trägt, wenn jede Partei teils obsiegt und teils unterliegt, wobei nach Artikel 87 § 4 der Verfahrensordnung die Mitgliedstaaten und die Organe, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten tragen. Da der Klage nur teilweise stattgegeben wurde, hält es das Gericht bei angemessener Berücksichtigung der Umstände des Falles für geboten, der Klägerin ihre eigenen Kosten sowie 75 % der Kosten der Kommission und der Kommission 25 % ihrer eigenen Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Dritte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die in Artikel 3 der Entscheidung 2003/674/EG der Kommission vom 2. Juli 2002 in einem Verfahren nach Artikel 81 EG-Vertrag und Artikel 53 EWR-Abkommen (Sache C.37.519 – Methionin) gegen die Klägerin festgesetzte Geldbuße wird auf 91 125 000 Euro herabgesetzt.

2.      Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3.      Die Klägerin trägt ihre eigenen Kosten und 75 % der Kosten der Kommission.

4.      Die Kommission trägt 25 % ihrer eigenen Kosten.

5.      Der Rat trägt seine eigenen Kosten.


Jaeger

Tiili

Czúcz


Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 5. April 2006.

Der Kanzler

 

      Der Präsident

E. Coulon

 

      M. Jaeger

Inhaltsverzeichnis


Sachverhalt

Verfahren und Anträge der Parteien

Rechtliche Würdigung

I –  Zum ersten, auf einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Strafen gestützten Klagegrund

A –  Zur Einrede der Rechtswidrigkeit des Artikels 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17

1.  Vorbringen der Parteien

2.  Würdigung durch das Gericht

B –  Zur Auslegung von Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 im Licht des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Strafen

II –  Zum zweiten, auf einen Beurteilungsfehler in Bezug auf den einheitlichen und fortgesetzten Charakter und auf die Dauer der Zuwiderhandlung gestützten Klagegrund

A –  Zur Unterbrechung der Zuwiderhandlung zwischen 1988 und 1992

1.  Argumente der Parteien

2.  Würdigung durch das Gericht

a)  Zur Beteiligung der Klägerin an einer Vereinbarung und/oder einer abgestimmten Verhaltensweise zwischen 1988 und 1992

Zum Zeitraum von Ende 1988 bis zum Spätsommer 1990

Zum Zeitraum vom Spätsommer 1990 bis zum März 1992

b)  Zur Einstufung als einzige und fortgesetzte Zuwiderhandlung

B –  Zum Ende der Zuwiderhandlung

1.  Vorbringen der Parteien

2.  Würdigung durch das Gericht

C –  Zur Aussetzung des Kartells

III –  Zum dritten Klagegrund, mit dem Beurteilungsfehler, ein Rechts- und Tatsachenirrtum sowie die Verletzung der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung, des Rückwirkungsverbots von Strafen und der Begründungspflicht bei der Ermittlung der Höhe der Geldbuße gerügt werden

A –  Zur Schwere der Zuwiderhandlung

1.  Zur Begründung der Schwere der Zuwiderhandlung

a)  Vorbringen der Parteien

b)  Würdigung durch das Gericht

2.  Zum Umfang des räumlich relevanten Marktes

a)  Vorbringen der Parteien

b)  Würdigung durch das Gericht

3.  Zur Beurteilung der Auswirkung der Zuwiderhandlung auf den Markt

a)  Vorbringen der Parteien

b)  Würdigung durch das Gericht

4.  Ergebnis in Bezug auf die Ermittlung der Geldbuße anhand der Schwere der Zuwiderhandlung

B –  Zur Erhöhung der Geldbuße zwecks Gewährleistung einer hinreichend abschreckenden Wirkung

1.  Zum Rechts- und Tatsachenirrtum hinsichtlich des Umsatzes der Klägerin

a)  Vorbringen der Parteien

b)  Würdigung durch das Gericht

Zur Berücksichtigung des Umsatzes der Klägerin im Jahr 2000

Zum Tatsachenirrtum in Bezug auf den Umsatz der Klägerin im Jahr 2000

2.  Zur Verletzung des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit von Strafen, der Begründungspflicht sowie der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung bei der Erhöhung der Geldbuße zu Abschreckungszwecken

a)  Zur Verletzung des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit von Strafen und der Begründungspflicht

Vorbringen der Parteien

Würdigung durch das Gericht

b)  Zum Verstoß gegen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung

Vorbringen der Parteien

Würdigung durch das Gericht

3.  Zum Beurteilungsfehler hinsichtlich der Abschreckungswirkung der Geldbuße im Hinblick auf das Verhalten der Klägerin nach Beendigung der Zuwiderhandlung

a)  Vorbringen der Parteien

b)  Würdigung durch das Gericht

C –  Zur Kooperation der Klägerin

1.  Vorbringen der Parteien

2.  Würdigung durch das Gericht

D –  Zur Verletzung des Rückwirkungsverbots von Strafen

IV –  Zum vierten, auf einen Verstoß gegen das Berufsgeheimnis, den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung und die Unschuldsvermutung gestützten Klagegrund

A –  Vorbringen der Parteien

B –  Würdigung durch das Gericht

Ergebnis

Kosten



* Verfahrenssprache: Deutsch.