URTEIL DES GERICHTSHOFS (Große Kammer)
10. September 2024 ( *1 )
„Vorlage zur Vorabentscheidung – Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) – Restriktive Maßnahmen angesichts der Handlungen der Russischen Föderation, die die Lage in der Ukraine destabilisieren – Beschluss 2014/512/GASP – Art. 2 Abs. 2 Buchst. a – Zuständigkeit des Gerichtshofs – Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 6 EUV – Art. 275 AEUV – Art. 215 AEUV – Art. 17 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union – Eigentumsrecht – Grundsätze der Rechtssicherheit und der Gesetzmäßigkeit der Strafen – Vermittlungsdienste im Zusammenhang mit Militärgütern – Verbot der Erbringung solcher Dienstleistungen – Unterbliebene Unterrichtung der zuständigen nationalen Behörden – Ordnungswidrigkeit – Geldbuße – Automatische Einziehung der als Gegenleistung für das verbotene Geschäft erhaltenen Beträge“
In der Rechtssache C‑351/22
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunalul Bucureşti (Regionalgericht Bukarest, Rumänien) mit Entscheidung vom 2. November 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 31. Mai 2022, in dem Verfahren
Neves 77 Solutions SRL
gegen
Agenţia Naţională de Administrare Fiscală – Direcţia Generală Antifraudă Fiscală
erlässt
DER GERICHTSHOF (Große Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, des Vizepräsidenten L. Bay Larsen, des Kammerpräsidenten A. Arabadjiev, der Kammerpräsidentinnen A. Prechal und K. Jürimäe, der Kammerpräsidenten T. von Danwitz (Berichterstatter) und Z. Csehi, der Kammerpräsidentin O. Spineanu-Matei sowie der Richter J.‑C. Bonichot, S. Rodin, I. Jarukaitis, A. Kumin und M. Gavalec,
Generalanwältin: T. Ćapeta,
Kanzler: K. Hötzel, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 27. Juni 2023,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
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der Neves 77 Solutions SRL, vertreten durch S. Donescu, Avocată, |
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der rumänischen Regierung, vertreten durch E. Gane, L. Ghiță und O.‑C. Ichim als Bevollmächtigte, |
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der niederländischen Regierung, vertreten durch M. K. Bulterman als Bevollmächtigte, |
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der österreichischen Regierung, vertreten durch J. Schmoll und E. Samoilova als Bevollmächtigte sowie M. Meisel als Sachverständigen, |
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des Rates der Europäischen Union, vertreten durch M. Bishop und A. Ştefănuc als Bevollmächtigte, |
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der Europäischen Kommission, vertreten durch J.‑F. Brakeland, M. Carpus Carcea, L. Gussetti und Y. Marinova als Bevollmächtigte, |
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 23. November 2023,
folgendes
Urteil
1 |
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 2 Abs. 2 Buchst. a sowie der Art. 5 und 7 des Beschlusses 2014/512/GASP des Rates vom 31. Juli 2014 über restriktive Maßnahmen angesichts der Handlungen Russlands, die die Lage in der Ukraine destabilisieren (ABl. 2014, L 229, S. 13), in der durch den Beschluss 2014/659/GASP des Rates vom 8. September 2014 (ABl. 2014, L 271, S. 54) geänderten Fassung (im Folgenden: Beschluss 2014/512) im Licht der Grundsätze der Rechtssicherheit und der Gesetzmäßigkeit der Strafen. |
2 |
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Neves 77 Solutions SRL (im Folgenden: Neves) und der Agenţia Naţională de Administrare Fiscală – Direcţia Generală Antifraudă Fiscală (Nationale Steuerverwaltungsagentur – Generaldirektion Steuerbetrugsbekämpfung, Rumänien) (im Folgenden: ANAF) über einen Ordnungswidrigkeitenbescheid, mit der dieser Gesellschaft ein Bußgeld auferlegt und die Einziehung der für eine Vermittlungstätigkeit als Gegenleistung erhaltenen Beträge wegen Nichteinhaltung insbesondere von Art. 2 Abs. 2 Buchst. a des Beschlusses 2014/512 angeordnet wurde. |
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
EU-Vertrag und AEU-Vertrag
3 |
Titel V des EU-Vertrags ist mit „Allgemeine Bestimmungen über das auswärtige Handeln der [Europäischen] Union und besondere Bestimmungen über die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik“ überschrieben. In Kapitel 2 („Besondere Bestimmungen über die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik“) dieses Titels bestimmt Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV: „Für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik gelten besondere Bestimmungen und Verfahren. Sie wird vom Europäischen Rat und vom Rat [der Europäischen Union] einstimmig festgelegt und durchgeführt, soweit in den Verträgen nichts anderes vorgesehen ist. Der Erlass von Gesetzgebungsakten ist ausgeschlossen. Die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik wird vom Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik und von den Mitgliedstaaten gemäß den Verträgen durchgeführt. Die spezifische Rolle des Europäischen Parlaments und der [Europäischen] Kommission in diesem Bereich ist in den Verträgen festgelegt. Der Gerichtshof der Europäischen Union ist in Bezug auf diese Bestimmungen nicht zuständig; hiervon ausgenommen ist die Kontrolle der Einhaltung des Artikels 40 [EUV] und die Überwachung der Rechtmäßigkeit bestimmter Beschlüsse nach Artikel 275 Absatz 2 [AEUV].“ |
4 |
Art. 40 EUV, der ebenfalls zu diesem Kapitel 2 gehört, sieht vor: „Die Durchführung der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik lässt die Anwendung der Verfahren und den jeweiligen Umfang der Befugnisse der Organe, die in den Verträgen für die Ausübung der in den Artikeln 3 bis 6 [AEUV] aufgeführten Zuständigkeiten der Union vorgesehen sind, unberührt. Ebenso lässt die Durchführung der Politik nach den genannten Artikeln die Anwendung der Verfahren und den jeweiligen Umfang der Befugnisse der Organe, die in den Verträgen für die Ausübung der Zuständigkeiten der Union nach diesem Kapitel vorgesehen sind, unberührt.“ |
5 |
Im fünften Teil des AEU-Vertrags ist das auswärtige Handeln der Union geregelt. In Titel IV („Restriktive Maßnahmen“) dieses fünften Teils bestimmt Art. 215 AEUV: „(1) Sieht ein nach Titel V Kapitel 2 des [EU-Vertrags] erlassener Beschluss die Aussetzung, Einschränkung oder vollständige Einstellung der Wirtschafts- und Finanzbeziehungen zu einem oder mehreren Drittländern vor, so erlässt der Rat die erforderlichen Maßnahmen mit qualifizierter Mehrheit auf gemeinsamen Vorschlag des Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik und der Kommission. Er unterrichtet hierüber das Europäische Parlament. (2) Sieht ein nach Titel V Kapitel 2 des [EU-Vertrags] erlassener Beschluss dies vor, so kann der Rat nach dem Verfahren des Absatzes 1 restriktive Maßnahmen gegen natürliche oder juristische Personen sowie Gruppierungen oder nichtstaatliche Einheiten erlassen. …“ |
6 |
Der sechste Teil des AEU-Vertrags enthält institutionelle Bestimmungen und Finanzvorschriften. Titel I dieses sechsten Teils trägt die Überschrift „Vorschriften über die Organe“. Abschnitt 5 („Der Gerichtshof der Europäischen Union“) dieses Titels I enthält Art. 275 AEUV, der wie folgt gefasst ist: „Der Gerichtshof der Europäischen Union ist nicht zuständig für die Bestimmungen hinsichtlich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik und für die auf der Grundlage dieser Bestimmungen erlassenen Rechtsakte. Der Gerichtshof ist jedoch zuständig für die Kontrolle der Einhaltung von Artikel 40 [EUV] und für die unter den Voraussetzungen des Artikels 263 Absatz 4 [AEUV] erhobenen Klagen im Zusammenhang mit der Überwachung der Rechtmäßigkeit von Beschlüssen über restriktive Maßnahmen gegenüber natürlichen oder juristischen Personen, die der Rat auf der Grundlage von Titel V Kapitel 2 des [EU-Vertrags] erlassen hat.“ |
Beschluss 2014/512
7 |
Art. 2 des Beschlusses 2014/512 bestimmt: „(1) Der unmittelbare oder mittelbare Verkauf, die unmittelbare oder mittelbare Lieferung, Verbringung oder Ausfuhr von Rüstungsgütern und zugehörigen Gütern aller Art, einschließlich Waffen und Munition, Militärfahrzeugen und ‑ausrüstung, paramilitärischer Ausrüstung und entsprechenden Ersatzteilen nach Russland durch Staatsangehörige der Mitgliedstaaten oder vom Hoheitsgebiet von Mitgliedstaaten aus oder durch Schiffe oder Flugzeuge unter ihrer Flagge, wird untersagt, unabhängig davon, ob diese Güter ihren Ursprung im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten haben oder nicht. (2) Es wird untersagt,
…“ |
8 |
Art. 5 des Beschlusses 2014/512 lautet: „Um den in diesem Beschluss genannten Maßnahmen größtmögliche Wirkung zu verleihen, fordert die Union Drittstaaten auf, restriktive Maßnahmen zu erlassen, die den in diesem Beschluss vorgesehenen vergleichbar sind.“ |
9 |
Art. 7 des Beschlusses 2014/512 bestimmt: „(1) Forderungen im Zusammenhang mit Verträgen oder Geschäften, deren Erfüllung bzw. Durchführung von den mit diesem Beschluss verhängten Maßnahmen unmittelbar oder mittelbar, ganz oder teilweise berührt wird, einschließlich Schadensersatzansprüchen und ähnlichen Ansprüchen, wie etwa Entschädigungsansprüche oder Garantieansprüche, vor allem Ansprüche auf Verlängerung oder Zahlung einer Schuldverschreibung, einer Garantie oder eines Schadensersatzanspruchs, insbesondere einer finanziellen Garantie oder eines finanziellen Schadensersatzanspruchs in jeglicher Form, wird nicht stattgegeben, sofern sie von einer der folgenden natürlichen oder juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen geltend gemacht werden:
(2) In Verfahren zur Durchsetzung eines Anspruchs trägt die Person, die den Anspruch geltend macht, die Beweislast dafür, dass die Erfüllung des Anspruchs nicht nach Absatz 1 verboten ist. (3) Dieser Artikel berührt nicht das Recht der in Absatz 1 genannten Personen, Organisationen und Einrichtungen auf gerichtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Nichterfüllung vertraglicher Pflichten nach diesem Beschluss.“ |
Verordnung (EU) Nr. 833/2014
10 |
Art. 1 der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 des Rates vom 31. Juli 2014 über restriktive Maßnahmen angesichts der Handlungen Russlands, die die Lage in der Ukraine destabilisieren (ABl. 2014, L 229, S. 1), bestimmt: „Für die Zwecke dieser Verordnung gelten folgende Begriffsbestimmungen: …
…“ |
11 |
In Art. 4 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 833/2014 heißt es: „Es ist verboten,
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Verordnung (EU) 2023/1214
12 |
Art. 1 Nr. 19 der Verordnung (EU) 2023/1214 des Rates vom 23. Juni 2023 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 über restriktive Maßnahmen angesichts der Handlungen Russlands, die die Lage in der Ukraine destabilisieren (ABl. 2023, L 159 I, S. 1), hat den Wortlaut von Art. 4 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 833/2014 durch Hinzufügung der Worte „oder Vermittlungsdienste“ wie folgt ersetzt: „Es ist verboten,
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Gemeinsamer Standpunkt 2008/944/GASP
13 |
Nach Art. 12 des Gemeinsamen Standpunkts 2008/944/GASP des Rates vom 8. Dezember 2008 betreffend gemeinsame Regeln für die Kontrolle der Ausfuhr von Militärtechnologie und Militärgütern (ABl. 2008, L 335, S. 99) gilt: „Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass ihre nationalen Rechtsvorschriften es ihnen erlauben, die Ausfuhr der Technologie und der Güter kontrollieren zu können, die auf der Gemeinsamen Militärgüterliste der EU verzeichnet sind. Die Gemeinsame Militärgüterliste der EU dient als Bezugspunkt für die nationalen Listen der Mitgliedstaaten für Militärtechnologie und Militärgüter, ersetzt diese aber nicht unmittelbar.“ |
Gemeinsame Militärgüterliste der Europäischen Union
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Am 26. Februar 2018 nahm der Rat eine neue Fassung der Gemeinsamen Militärgüterliste der Europäischen Union (ABl. 2018, C 98, S. 1) an, auf die in Art. 12 des Gemeinsamen Standpunkts 2008/944 Bezug genommen wird. Am 18. Februar 2019 nahm der Rat eine aktualisierte Fassung dieser Liste an (ABl. 2019, C 95, S. 1). |
15 |
Die Kategorie „ML 11“ dieser Liste enthielt in beiden Fassungen eine Aufzählung von elektronischer Ausrüstung, „Raumfahrzeugen“ und Bestandteilen, soweit nicht anderweitig von der Gemeinsamen Militärgüterliste der EU erfasst. |
Rumänisches Recht
OUG Nr. 202/2008
16 |
Art. 1 Abs. 1 der Ordonanța de urgență a Guvernului nr. 202/2008 privind punerea în aplicare a sancțiunilor internaționale (Dringlichkeitsverordnung Nr. 202/2008 der Regierung zur Umsetzung internationaler Sanktionen) vom 4. Dezember 2008 (Monitorul Oficial al României, Teil I, Nr. 825 vom 8. Dezember 2008) (im Folgenden: OUG Nr. 202/2008) bestimmt: „Die vorliegende Dringlichkeitsverordnung regelt die Art und Weise der Umsetzung internationaler Sanktionen auf nationaler Ebene; dabei handelt es sich um Sanktionen durch
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17 |
In Art. 3 der OUG Nr. 202/2008 heißt es: „(1) Die in Art. 1 Abs. 1 genannten Rechtsakte sind nach nationalem Recht für alle Behörden und öffentlichen Einrichtungen Rumäniens sowie für rumänische oder in Rumänien ansässige natürliche oder juristische Personen gemäß den Bestimmungen, die die rechtlichen Regelungen für jede Kategorie von Rechtsakten festlegen, verbindlich. (2) Die nationalen Rechtsvorschriften können nicht herangezogen werden, um die Nichtanwendung der in Art. 1 Abs. 1 genannten internationalen Sanktionen zu rechtfertigen.“ |
18 |
Art. 7 der OUG Nr. 202/2008 sieht vor: „(1) Jede Person, die über Daten und Informationen zu gelisteten Personen oder Einrichtungen verfügt, die Güter besitzt oder kontrolliert oder über Informationen zu diesen, zu Transaktionen in Verbindung mit Gütern oder unter Beteiligung von gelisteten Personen oder Einrichtungen verfügt, ist verpflichtet, die zuständige Behörde gemäß dieser Dringlichkeitsverordnung davon in Kenntnis zu setzen, sobald sie Kenntnis von der Situation erhält, die diese Information erforderlich macht. (2) Stellt die gemäß Abs. 1 informierte Behörde oder öffentliche Einrichtung fest, dass es sich bei ihr nicht um eine zuständige Behörde im Sinne dieser Dringlichkeitsverordnung handelt, so übermittelt sie die Informationen innerhalb von 24 Stunden an die zuständige Behörde. Kann die zuständige Behörde nicht ermittelt werden, so wird die Information dem Außenministerium in seiner Eigenschaft als Koordinator des in Art. 13 genannten interinstitutionellen Ausschusses übermittelt. (3) Die Information muss die Mindestangaben enthalten, die es ermöglichen, ihren Urheber zu identifizieren und zu kontaktieren.“ |
19 |
Art. 24 Abs. 1 der OUG Nr. 202/2008 ist wie folgt gefasst: „Natürliche oder juristische Personen, die, nachdem sie in Bezug auf Güter, die Gegenstand einer internationalen Sanktion sind, ein Rechtsverhältnis begründet haben oder sich in Bezug darauf in einem tatsächlichen Verhältnis befinden, erfahren, dass Umstände vorliegen, die eine Information oder eine Mitteilung gemäß Art. 7 oder 18 erfordern, dürfen mit sofortiger Wirkung und ohne vorherige Benachrichtigung der zuständigen Behörden keine anderen als die in dieser Dringlichkeitsverordnung vorgesehenen Geschäfte in Bezug auf diese Güter vornehmen und sind verpflichtet, die zuständigen Behörden unverzüglich davon in Kenntnis zu setzen.“ |
20 |
Art. 26 Abs. 1 Buchst. b der OUG Nr. 202/2008 bestimmt: „Folgende Zuwiderhandlungen stellen Ordnungswidrigkeiten dar und sind mit einer Geldbuße zwischen 10000 und 30000 [rumänischen Lei (RON)] sowie der Einziehung der Güter zu ahnden, die der Zuwiderhandlung dienten, bei dieser verwendet wurden oder aus ihr hervorgingen: …
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Erlasse Nr. 156/2018 und Nr. 901/2019
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Der Ordinul ministrului afacerilor externe nr. 156/2018 pentru aprobarea Listei cuprinzând produsele militare supuse regimului de control al exporturilor, importurilor și altor operațiuni (Erlass Nr. 156/2018 des Außenministers zur Genehmigung der Liste der Militärgüter, die der Regelung für die Kontrolle der Ausfuhr, der Einfuhr und sonstiger Tätigkeiten unterliegen) vom 18. Januar 2018 (Monitorul Oficial al României, Teil I, Nr. 86 vom 30. Januar 2018, im Folgenden: Erlass Nr. 156/2018), der vom 5. März 2018 bis zum 4. Juli 2019 galt, wurde aufgehoben und ersetzt durch den Ordinul ministrului afacerilor externe nr. 901/2019 pentru aprobarea Listei cuprinzând produsele militare supuse regimului de control al exporturilor, importurilor și altor operațiuni (Erlass Nr. 901/2019 des Außenministers zur Genehmigung der Liste der Militärgüter, die der Regelung für die Kontrolle der Ausfuhr, der Einfuhr und sonstiger Tätigkeiten unterliegen) vom 4. Juni 2019 (Monitorul Oficial al României, Teil I, Nr. 477 vom 12. Juni 2019, im Folgenden: Erlass Nr. 901/2019), der vom 5. Juli 2019 bis 6. Oktober 2021 galt. |
22 |
Die Kategorie „ML 11“ dieser Erlasse enthielt eine Aufzählung von elektronischer Ausrüstung, „Raumfahrzeugen“ und Bestandteilen, soweit nicht anderweitig von der durch die genannten Erlasse erstellten Aufzählung erfasst. |
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
23 |
Neves, deren Haupttätigkeit in der Vermittlung des Verkaufs von Gütern im Bereich der Luftfahrt besteht, vermittelte ein Rechtsgeschäft zwischen der SFTE Spetstechnoexport (im Folgenden: SFTE), einem ukrainischen Unternehmen, und einem indischen Unternehmen. |
24 |
Am 4. Januar 2019 schloss Neves als Verkäuferin mit SFTE als Käuferin einen Vertrag über die Übertragung der Eigentumsrechte an 32 Funkstationen R‑800L2E, die in die Vereinigten Arabischen Emirate geliefert werden sollten (im Folgenden: Vertrag vom 4. Januar 2019). Am 8. Januar 2019 kaufte Neves von einem portugiesischen Unternehmen diese 32 Funkstationen, von denen 20 in Russland hergestellt und in die Vereinigten Arabischen Emirate exportiert wurden. Auf Anforderung von SFTE ließ Neves diese 32 Funkstationen dann an dieses indische Unternehmen liefern, das sie am 31. Januar 2019 erhielt. |
25 |
Mit Schreiben vom 26. und 29. Juli 2019 teilte der Departamentul pentru Controlul Exporturilor (ANCEX) din cadrul Ministerului Afacerilor Externe (Abteilung für Ausfuhrkontrolle [ANCEX] des Außenministeriums, Rumänien) (im Folgenden: ANCEX) Neves mit, dass die Funkstationen R‑800L2E in die Kategorie ML 11 der mit dem Erlass Nr. 901/2019 genehmigten Liste der Militärgüter fielen, dass Handelsgeschäfte mit diesen gemäß der Ordonanța de urgență a Guvernului nr. 158/1999 privind regimul de control al exporturilor, importurilor și altor operațiuni cu produse militare (Dringlichkeitsverordnung Nr. 158/1999 der Regierung zur Regelung der Kontrolle der Ausfuhr, der Einfuhr und sonstiger Tätigkeiten mit Militärgütern) nur auf der Grundlage einer Registrierung und von Genehmigungen dieser Abteilung durchgeführt werden dürften und dass die Vermittlungstätigkeit in Bezug auf diese Funkstationen in den Anwendungsbereich des Beschlusses 2014/512 falle. |
26 |
In ihrer Antwort auf diese Schreiben bestritt Neves den militärischen Charakter dieser Funkstationen und machte geltend, dass der Erlass Nr. 901/2019 zum Zeitpunkt ihrer Lieferung nicht anwendbar gewesen sei. Auch Art. 2 Abs. 2 Buchst. a des Beschlusses 2014/512 sei nicht anwendbar gewesen, da diese Funkstationen nicht nach Russland verkauft, sondern nach Indien geliefert worden seien. |
27 |
Am 6. bzw. am 9. August 2019 erhielt Neves von SFTE 577746,08 Euro als Anzahlung bzw. 2407215,32 Euro als Zahlung für die gemäß dem Vertrag vom 4. Januar 2019 gelieferten Waren. |
28 |
Am 12. Mai 2020 erließ die ANAF gemäß Art. 26 Abs. 1 Buchst. b der OUG Nr. 202/2008 einen Ordnungswidrigkeitenbescheid, mit dem gegen Neves als Hauptsanktion eine Geldbuße in Höhe von 30000 rumänischen Lei (RON) (etwa 6066 Euro) und als Begleitsanktion die vollständige Einziehung des Betrags von 14113003 RON (ungefähr 2984961,40 Euro), den Neves am 6. und 9. August 2019 aufgrund des Vertrags vom 4. Januar 2019 erhalten hatte, angeordnet wurde. |
29 |
Die ANAF vertrat die Auffassung, dass Neves gegen Art. 2 Abs. 2 Buchst. a des Beschlusses 2014/512 sowie gegen Art. 3 Abs. 1, Art. 7 Abs. 1 und Art. 24 Abs. 1 der OUG Nr. 202/2008 verstoßen habe. Im Anhang dieses Ordnungswidrigkeitenbescheids führte sie u. a. aus, dass Neves den ANCEX zwar mit Schreiben vom 27. Juni 2019 darüber informiert habe, dass das Ursprungsland der Funkstationen die Russische Föderation sei, sie aber trotz der Schreiben des ANCEX vom 26. und 29. Juli 2019 die Erfüllung dieses Vertrags fortgesetzt und diesen Betrag vereinnahmt habe. |
30 |
Neves erhob Klage auf Aufhebung dieses Ordnungswidrigkeitenbescheids bei der Judecătoria Sectorului 1 București (Gericht erster Instanz Stadtbezirk 1 Bukarest, Rumänien), die die Klage mit Urteil vom 2. November 2020 abwies. |
31 |
Mit dem von Neves gegen dieses Urteil eingelegten Rechtsmittel ist das Tribunalul Bucureşti (Regionalgericht Bukarest, Rumänien), das vorlegende Gericht, befasst. Neves bestreitet in erster Linie, die ihr von der ANAF zur Last gelegte Ordnungswidrigkeit begangen zu haben, und macht hilfsweise geltend, dass die gegen sie wegen dieser Ordnungswidrigkeit angeordnete Einziehungsmaßnahme nicht verhältnismäßig sei und eine Verletzung ihres Eigentumsrechts darstelle, wie es in Art. 1 des am 20. März 1952 in Paris unterzeichneten Ersten Zusatzprotokolls zur Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden: Erstes Zusatzprotokoll) gewährleistet sei. |
32 |
Das vorlegende Gericht ist der Ansicht, dass der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung, insbesondere im Urteil vom 28. März 2017, Rosneft (C‑72/15, EU:C:2017:236), Art. 2 Abs. 2 Buchst. a des Beschlusses 2014/512 noch nicht ausgelegt habe und dass insbesondere geklärt werden müsse, ob diese Entscheidung eine Maßnahme der vollständigen Einziehung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende erlaube. Das vorlegende Gericht fragt sich auch, ob diese Maßnahme insbesondere im Hinblick auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte verhältnismäßig ist. |
33 |
Unter diesen Umständen hat das Tribunalul București (Regionalgericht Bukarest) das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
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Zur Zuständigkeit des Gerichtshofs
34 |
Die rumänische und die niederländische Regierung sowie der Rat sind der Ansicht, dass der Gerichtshof nach Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 6 EUV und Art. 275 AEUV für die Auslegung einer Bestimmung mit allgemeiner Geltung im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP), die wie Art. 2 Abs. 2 Buchst. a des Beschlusses 2014/512 als Grundlage für nationale Sanktionsmaßnahmen diene, nicht zuständig sei. Neves, die österreichische Regierung und die Kommission sind ihrerseits der Ansicht, dass der Gerichtshof für die Auslegung einer solchen Bestimmung zuständig sei. |
35 |
Insoweit ist zunächst festzustellen, dass der Gerichtshof gemäß Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 6 EUV und Art. 275 Abs. 1 AEUV in Bezug auf die Bestimmungen über die GASP und die auf ihrer Grundlage erlassenen Rechtsakte grundsätzlich nicht zuständig ist. Diese Bestimmungen führen eine Abweichung von der Regel der allgemeinen Zuständigkeit ein, die Art. 19 EUV dem Gerichtshof zur Wahrung des Rechts bei der Auslegung und Anwendung der Verträge einräumt, und sind folglich einschränkend auszulegen (Urteile vom 24. Juni 2014, Parlament/Rat, C‑658/11, EU:C:2014:2025, Rn. 69 und 70; vom 19. Juli 2016, H/Rat u. a., C‑455/14 P, EU:C:2016:569, Rn. 39 und 40, sowie vom 6. Oktober 2020, Bank Refah Kargaran/Rat, C‑134/19 P, EU:C:2020:793, Rn. 26 und 32). |
36 |
Außerdem sehen Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 6 EUV und Art. 275 Abs. 2 AEUV ausdrücklich zwei Ausnahmen von diesem Grundsatz vor, nämlich zum einen die Zuständigkeit des Gerichtshofs für die Kontrolle der Einhaltung des Art. 40 EUV und zum anderen für die Überwachung der Rechtmäßigkeit von Beschlüssen über restriktive Maßnahmen gegenüber natürlichen oder juristischen Personen, die der Rat auf der Grundlage der Bestimmungen über die GASP erlassen hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. März 2017, Rosneft, C‑72/15, EU:C:2017:236, Rn. 60 und 81). |
37 |
Der Gerichtshof hat klargestellt, dass bei Rechtsakten, die auf der Grundlage von Bestimmungen über die GASP erlassen wurden, der einzelfallbezogene Charakter dieser Rechtsakte nach Art. 275 Abs. 2 AEUV den Zugang zu den Unionsgerichten eröffnet (Urteil vom 28. März 2017, Rosneft, C‑72/15, EU:C:2017:236, Rn. 103 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
38 |
Allerdings stellt Art. 2 Abs. 2 Buchst. a des Beschlusses 2014/512, dessen Anwendungsbereich nicht durch Bezugnahme auf bestimmte natürliche oder juristische Personen, sondern durch objektive Kriterien bestimmt wird, jedenfalls eine Maßnahme mit allgemeiner Geltung dar, die nicht unter die restriktiven Maßnahmen im Sinne von Art. 275 Abs. 2 AEUV fällt (vgl. entsprechend Urteile vom 28. November 2013, Rat/Manufacturing Support & Procurement Kala Naft, C‑348/12 P, Slg, EU:C:2013:776, Rn. 99, sowie vom 28. März 2017, Rosneft, C‑72/15, EU:C:2017:236, Rn. 97 und 98). |
39 |
Außerdem wird nach ständiger Rechtsprechung die Zuständigkeit des Gerichtshofs bei einer auf der Grundlage von Art. 215 AEUV erlassenen Verordnung, mit der im Kontext der GASP festgelegte Standpunkte der Union umgesetzt werden, in keiner Weise eingeschränkt. Es handelt sich bei solchen Verordnungen nämlich um auf der Grundlage des AEU-Vertrags erlassene Unionsrechtsakte, bei denen die Unionsgerichte über alle Zuständigkeiten verfügen, die ihnen das Primärrecht der Union verleiht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. März 2017, Rosneft, C‑72/15, EU:C:2017:236, Rn. 106 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
40 |
Dies ist u. a. bei der Verordnung Nr. 833/2014 der Fall (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. März 2017, Rosneft, C‑72/15, EU:C:2017:236, Rn. 105 und 107). |
41 |
Da das in Art. 2 Abs. 2 Buchst. a des Beschlusses 2014/512 vorgesehene Verbot der Erbringung von Vermittlungsdiensten, das als Grundlage für die gegen Neves verhängten nationalen Sanktionsmaßnahmen dient, zu dem im Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeitpunkt in der Verordnung Nr. 833/2014 noch nicht umgesetzt war, stellt sich die Frage, ob der Gerichtshof für die Auslegung dieses Art. 2 Abs. 2 Buchst. a zuständig ist. |
42 |
In diesem Zusammenhang ist zu prüfen, ob der Gerichtshof für die Auslegung einer restriktiven Maßnahme mit allgemeiner Geltung wie Art. 2 Abs. 2 Buchst. a des Beschlusses 2014/512 zuständig ist, wenn diese Maßnahme, die als Grundlage für gegen eine natürliche oder juristische Person verhängte nationale Sanktionsmaßnahmen dient, in einer Verordnung nach Art. 215 AEUV hätte umgesetzt werden müssen, um eine einheitliche Anwendung dieser Maßnahme auf Unionsebene zu gewährleisten. |
43 |
Was als Erstes die Zuständigkeit des Gerichtshofs für die Kontrolle der Einhaltung von Art. 40 EUV angeht, ist festzustellen, dass die Verträge für die Durchführung einer solchen gerichtlichen Kontrolle keine besonderen Modalitäten vorsehen. Sie fällt daher unter die allgemeine Zuständigkeit für die Sicherung der Wahrung des Rechts bei der Auslegung und Anwendung der Verträge, die Art. 19 EUV dem Gerichtshof überträgt (Urteil vom 28. März 2017, Rosneft, C‑72/15, EU:C:2017:236, Rn. 62). Dabei sieht Art. 19 Abs. 3 Buchst. b EUV weiter vor, dass der Gerichtshof im Wege der Vorabentscheidung auf Antrag der einzelstaatlichen Gerichte über die Auslegung des Unionsrechts oder Gültigkeit der Handlungen der Unionsorgane entscheidet. |
44 |
Im Rahmen dieser Kontrolle hat der Gerichtshof nach Art. 40 Abs. 1 EUV darüber zu wachen, dass die Durchführung der GASP durch den Rat die Anwendung der Verfahren und den jeweiligen Umfang der Befugnisse der Organe, die in den Verträgen für die Ausübung der Zuständigkeiten der Union nach dem AEU-Vertrag vorgesehen sind, unberührt lässt. |
45 |
Dies bedeutet insbesondere, darüber zu wachen, dass bei der Durchführung von Art. 215 AEUV, der ein Bindeglied zwischen den Zielen des EU-Vertrags im Bereich der GASP und dem mit restriktiven Maßnahmen verbundenen Handeln der Union gemäß dem AEU-Vertrag schafft (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 19. Juli 2012, Parlament/Rat, C‑130/10, EU:C:2012:472, Rn. 59, und vom 6. Oktober 2020, Bank Refah Kargaran/Rat, C‑134/19 P, EU:C:2020:793, Rn. 38), der Rat die Zuständigkeit des Gerichtshofs in Bezug auf eine Verordnung nach diesem Artikel nicht umgehen kann. |
46 |
Insoweit ergibt sich aus dem klaren Wortlaut von Art. 215 Abs. 1 AEUV, insbesondere aus der Verwendung des Verbs „erlässt“, das sich von der in Abs. 2 dieses Artikels verwendeten Formulierung „kann … erlassen“ unterscheidet, dass der Rat verpflichtet ist, die in Abs. 1 genannten Maßnahmen zu erlassen, um einem GASP-Beschluss zur Festlegung des Standpunkts der Union zur Aussetzung oder Einschränkung der Wirtschafts- und Finanzbeziehungen zu einem Drittland Wirkung zu verleihen. Dieses Organ befindet sich daher in der von Abs. 1 erfassten Situation einer gebundenen Entscheidung. |
47 |
Als Zweites ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs auch, dass die dem Gerichtshof durch die Verträge übertragene gerichtliche Kontrolle in Bezug auf Handlungen der Union, die Rechtswirkungen gegenüber Dritten entfalten, nicht durch die Bezeichnung, die Rechtsnatur oder die Form dieser Handlungen beschränkt wird. So ist die in Art. 263 AEUV vorgesehene Nichtigkeitsklage, da sie die Wahrung des Rechts bei der Auslegung und Anwendung der Verträge sichern soll, gegen alle von den Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union erlassenen Bestimmungen, die Rechtswirkungen entfalten sollen, unabhängig von ihrer Rechtsnatur oder ihrer Form zulässig (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 31. März 1971, Kommission/Rat, 22/70, EU:C:1971:32, Rn. 40, 42 und 55, sowie vom 14. Juli 2022, Parlament/Rat [Sitz der Europäischen Arbeitsbehörde], C‑743/19, EU:C:2022:569, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
48 |
Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass die dem Gerichtshof durch die Verträge verliehene Zuständigkeit, den gerichtlichen Schutz Dritter zu gewährleisten, nicht dadurch eingeschränkt werden kann, dass der Rat nicht alle erforderlichen Maßnahmen auf der Grundlage von Art. 215 Abs. 1 AEUV ergriffen hat, obwohl seine Befugnis insoweit, wie in Rn. 46 des vorliegenden Urteils ausgeführt, gebunden ist. |
49 |
Folglich muss die in den Verträgen vorgesehene Möglichkeit, den Gerichtshof um Vorabentscheidung zu einer auf der Grundlage von Art. 215 Abs. 1 AEUV erlassenen Verordnung zu ersuchen, für alle Bestimmungen bestehen, die der Rat in eine solche Verordnung hätte aufnehmen müssen und die als Grundlage für eine nationale Sanktionsmaßnahme gegen Dritte dienen (vgl. entsprechend Urteil vom 31. März 1971, Kommission/Rat, 22/70, EU:C:1971:32, Rn. 38 bis 40). |
50 |
Diese Auslegung wird durch das wesentliche Ziel von Art. 267 AEUV bestätigt, das darin besteht, eine einheitliche Anwendung des Unionsrechts durch die nationalen Gerichte zu gewährleisten. Da es sich nämlich um Maßnahmen mit allgemeiner Geltung handelt, die der Rat in einer Verordnung nach Art. 215 AEUV hätte umsetzen müssen, wären Meinungsverschiedenheiten zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten über die Auslegung einer solchen Maßnahme mit allgemeiner Geltung geeignet, die Einheit der Unionsrechtsordnung selbst zu gefährden und das grundlegende Erfordernis der Rechtssicherheit zu beeinträchtigen (vgl. entsprechend Urteil vom 28. März 2017, Rosneft, C‑72/15, EU:C:2017:236, Rn. 80). |
51 |
Mit der Auslegung in Rn. 49 des vorliegenden Urteils lässt sich auch die notwendige Kohärenz des unionsrechtlichen Rechtsschutzsystems gewährleisten. Es geht nämlich sowohl aus Art. 2 EUV, der zu den gemeinsamen Bestimmungen des EU-Vertrags gehört, als auch aus dem das auswärtige Handeln der Union betreffenden Art. 21 EUV, auf den der die GASP betreffende Art. 23 EUV Bezug nimmt, hervor, dass die Union namentlich auf den Wert des Rechtsstaats gegründet ist. Das Vorhandensein einer wirksamen, zur Gewährleistung der Einhaltung des Unionsrechts dienenden gerichtlichen Kontrolle ist dem Wesen eines Rechtsstaats inhärent (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. Oktober 2020, Bank Refah Kargaran/Rat, C‑134/19 P, EU:C:2020:793, Rn. 35 und 36 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). |
52 |
Das in Art. 19 Abs. 3 Buchst. b EUV und Art. 267 AEUV vorgesehene Vorabentscheidungsverfahren, das das Schlüsselelement des Gerichtssystems der Union bildet, trägt wesentlich zur Wahrung dieses Wertes bei (vgl. in diesem Sinne Gutachten 2/13 [Beitritt der Union zur EMRK] vom 18. Dezember 2014, EU:C:2014:2454, Rn. 176 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
53 |
Somit ist davon auszugehen, dass der Gerichtshof in Anbetracht der Art. 19, 24 und 40 EUV sowie des Art. 215 Abs. 1 AEUV in Verbindung mit den Art. 2 und 21 EUV dafür zuständig ist, im Wege der Vorabentscheidung gemäß Art. 267 AEUV über die Auslegung einer Maßnahme mit allgemeiner Geltung eines auf der Grundlage der Bestimmungen über die GASP erlassenen Rechtsakts zu entscheiden, wenn der Rat diese Maßnahme, die als Grundlage für nationale Sanktionsmaßnahmen dient, die gegen eine natürliche oder juristische Person verhängt werden, in einer Verordnung nach Art. 215 AEUV hätte umsetzen müssen. |
54 |
Die Zuständigkeit des Gerichtshofs für die Auslegung von Art. 2 Abs. 2 Buchst. a des Beschlusses 2014/512 ist im Licht dieser Erwägungen zu beurteilen. |
55 |
Somit ist zu prüfen, ob das in Art. 2 Abs. 2 Buchst. a des Beschlusses 2014/512 vorgesehene Verbot der Erbringung von Vermittlungsdiensten im Zusammenhang mit Militärgütern zu den erforderlichen Maßnahmen im Sinne von Art. 215 Abs. 1 AEUV gehört, die der Rat, wie sich aus Rn. 46 des vorliegenden Urteils ergibt, zu erlassen hat, wenn ein solcher Beschluss die Aussetzung, Einschränkung oder vollständige Einstellung der Wirtschafts- und Finanzbeziehungen zu einem oder mehreren Drittländern vorsieht, um diesem Beschluss Wirkung zu verleihen. |
56 |
Hierzu genügt die Feststellung, dass dieses Verbot die Fähigkeit der Wirtschaftsteilnehmer, in den Anwendungsbereich des AEU-Vertrags fallende Geschäfte zu tätigen, einschränken soll, so dass es nur dann auf Unionsebene umgesetzt werden kann, wenn sich an das Verbot der Erlass einer Verordnung nach Art. 215 AEUV anschließt, um seine einheitliche Anwendung in allen Mitgliedstaaten zu gewährleisten (vgl. entsprechend Urteil vom 1. März 2016, National Iranian Oil Company/Rat, C‑440/14 P, EU:C:2016:128, Rn. 54). |
57 |
Die in Art. 2 Abs. 2 Buchst. a des Beschlusses 2014/512 genannten Waffen und Militärgüter sowie die damit verbundenen Dienstleistungen fallen nämlich in den Anwendungsbereich des AEU-Vertrags. Insbesondere fällt, wie die Kommission in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, der Handel mit diesen Waffen, Gütern und Dienstleistungen nach den Art. 114 und 207 AEUV in die Zuständigkeit der Union. Die genannten Waffen und Güter, die in der Gemeinsamen Militärgüterliste der Europäischen Union nach Art. 12 des Gemeinsamen Standpunkts 2008/944 aufgeführt sind, die als Bezugspunkt für die nationalen Listen der Mitgliedstaaten für Militärtechnologie und Militärgüter dient, unterliegen somit dem Gemeinsamen Zolltarif, wie die Verordnung (EG) Nr. 150/2003 des Rates vom 21. Januar 2003 zur Aussetzung der Einfuhrabgaben für bestimmte Waffen und militärische Ausrüstungsgüter (ABl. 2003, L 25, S. 1) bestätigt. |
58 |
Dieses Ergebnis wird auch nicht durch die den Mitgliedstaaten in Art. 346 Abs. 1 Buchst. b AEUV eingeräumte Befugnis in Frage gestellt, wonach jeder Mitgliedstaat unter bestimmten Voraussetzungen die Maßnahmen ergreifen kann, die seines Erachtens für die Wahrung seiner wesentlichen Sicherheitsinteressen erforderlich sind, soweit sie die Erzeugung von Waffen, Munition und Kriegsmaterial oder den Handel damit betreffen. Wie die Kommission in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht hat, ist diese Befugnis nicht geeignet, die sich aus Art. 215 Abs. 1 AEUV ergebende, gebundene Zuständigkeit des Rates zu beschränken, die Maßnahmen zu ergreifen, die erforderlich sind, um in der Union die in dem Beschluss, mit dem der diesbezügliche Standpunkt der Union festgelegt wird, vorgesehene Aussetzung oder Einschränkung der Wirtschafts- und Finanzbeziehungen zu einem Drittland umzusetzen. |
59 |
Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass der Rat mit dem Erlass der Verordnung 2023/1214 das in Art. 2 Abs. 2 Buchst. a des Beschlusses 2014/512 vorgesehene Verbot der Erbringung von Vermittlungsdiensten im Zusammenhang mit Militärgütern umgesetzt hat, was dafür spricht, dass eine solche Maßnahme zu den Maßnahmen gehört, die in einer auf Art. 215 Abs. 1 AEUV gestützten Verordnung erlassen werden müssen. |
60 |
Daraus folgt, dass dieses Verbot der Erbringung von Vermittlungsdiensten im Zusammenhang mit Militärgütern zu den erforderlichen Maßnahmen im Sinne von Art. 215 Abs. 1 AEUV gehört, um diesem Beschluss auf Unionsebene Wirkung zu verleihen, den der Rat in der Verordnung Nr. 833/2014 hätte umsetzen müssen. |
61 |
Daher ist der Gerichtshof für die Beantwortung der Vorlagefragen zuständig. |
Zu den Vorlagefragen
Zur dritten Frage
62 |
Mit seiner dritten Frage, die als Erstes zu prüfen ist, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 2 Abs. 2 Buchst. a des Beschlusses 2014/512 dahin auszulegen ist, dass das in dieser Bestimmung aufgestellte Verbot der Erbringung von Vermittlungsdiensten auch dann Anwendung findet, wenn die Militärgüter, die Gegenstand der betreffenden Vermittlungstätigkeit sind, nie in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats eingeführt wurden. |
63 |
Nach dieser Bestimmung „wird [es] untersagt, … technische Hilfe, Vermittlungsdienste oder andere Dienste im Zusammenhang mit militärischen Aktivitäten und der Bereitstellung, Herstellung, Instandhaltung und Nutzung von Rüstungsgütern und zugehörigen Gütern aller Art, einschließlich Waffen und Munition, Militärfahrzeugen und ‑ausrüstung, paramilitärischer Ausrüstung und entsprechenden Ersatzteilen unmittelbar oder mittelbar für eine natürliche oder juristische Person, Organisation oder Einrichtung in Russland oder zur Verwendung in Russland zu erbringen“. |
64 |
Aus dem Wortlaut dieser Bestimmung, insbesondere aus der Verwendung des Ausdrucks „unmittelbar oder mittelbar“, geht hervor, dass das darin vorgesehene Verbot weit gefasst ist, insbesondere, wenn Vermittlungsdienste im Zusammenhang mit Militärausrüstung für eine Person, Organisation oder Einrichtung in Russland erbracht werden, ohne dass dieser Wortlaut eine Bedingung enthielte, nach der die Einfuhr dieser Ausrüstung in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats erforderlich wäre. Entgegen dem Vorbringen von Neves genügt es nach diesem Wortlaut, dass diese Dienste unmittelbar oder mittelbar für einen Wirtschaftsteilnehmer in Russland erbracht werden, unabhängig vom endgültigen Bestimmungsort dieser Ausrüstung. |
65 |
Der Zusammenhang und die Ziele der Regelung, in die sich Art. 2 Abs. 2 Buchst. a des Beschlusses 2014/512 einfügt, bestätigen diese Auslegung. |
66 |
Zwar enthält dieser Beschluss keine Bestimmung, die den Begriff „Vermittlungsdienste“ definiert, die Verordnung Nr. 833/2014, mit der dieser Beschluss auf Unionsebene umgesetzt wird, definiert diesen Begriff jedoch in ihrem Art. 1 Abs. 1 Buchst. d, aus dessen Wortlaut klar hervorgeht, dass keine Bedingung in Bezug auf die Einfuhr der Güter, die Gegenstand der in Rede stehenden Vermittlungstätigkeit sind, in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats aufgestellt wird. |
67 |
Nach dieser Bestimmung umfassen Vermittlungsdienste nämlich die Aushandlung oder Veranlassung von Geschäften zum Kauf, zum Verkauf oder zur Lieferung von Gütern, „auch von einem Drittland aus in ein anderes Drittland“, oder den Verkauf oder Kauf von Gütern, „auch dann, wenn sie sich in Drittländern befinden, zwecks Verbringung in ein anderes Drittland“. |
68 |
Außerdem hat der Gerichtshof auf die Bedeutung der mit dem Beschluss 2014/512 und der Verordnung Nr. 833/2014 verfolgten Ziele hingewiesen, nämlich der Schutz der territorialen Unversehrtheit, der Souveränität und der Unabhängigkeit der Ukraine und die Unterstützung einer friedlichen Beilegung der Krise in diesem Land, die sich in das übergeordnete Ziel der Erhaltung des Friedens und der internationalen Sicherheit einfügen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. März 2017, Rosneft, C‑72/15, EU:C:2017:236, Rn. 150). |
69 |
Die Auslegung von Art. 2 Abs. 2 Buchst. a dieses Beschlusses, wonach das in dieser Bestimmung aufgestellte Verbot auch dann gilt, wenn sich die betreffenden Vermittlungsdienste auf Waffen und Militärausrüstung beziehen, die unabhängig von ihrem endgültigen Bestimmungsort nicht in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats eingeführt wurden, ermöglicht es, die praktische Wirksamkeit dieses Verbots sicherzustellen, und trägt zur Verwirklichung der in der vorstehenden Randnummer des vorliegenden Urteils genannten Ziele dieses Beschlusses bei. Ein solches Verbot könnte nämlich leicht umgangen werden, wenn es, um dem Verbot zu entgehen, genügte, dass diese Waffen und Militärausrüstung befördert würden, ohne das Unionsgebiet zu durchqueren. |
70 |
Die in Rn. 64 des vorliegenden Urteils vorgenommene Auslegung ermöglicht es auch, die Kohärenz der Auslegung des Unionsrechts zu gewährleisten, indem sie dem Begriff „Vermittlungsdienste“ in verschiedenen Rechtsakten im Bereich der GASP dieselbe Bedeutung beimisst. |
71 |
Daher ist auf die dritte Frage zu antworten, dass Art. 2 Abs. 2 Buchst. a des Beschlusses 2014/512 dahin auszulegen ist, dass das in dieser Bestimmung aufgestellte Verbot der Erbringung von Vermittlungsdiensten auch dann Anwendung findet, wenn die Militärgüter, die Gegenstand der betreffenden Vermittlungstätigkeit sind, nie in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats eingeführt wurden. |
Zur ersten und zur zweiten Frage
72 |
Vorab ist zum einen festzustellen, dass sich das vorlegende Gericht mit seiner ersten und seiner zweiten Frage, die zusammen als Zweites zu behandeln sind, sowohl auf Art. 2 Abs. 2 Buchst. a des Beschlusses 2014/512 als auch auf dessen Art. 5 und 7 bezogen hat. Aus dem Vorabentscheidungsersuchen geht jedoch hervor, dass diese Art. 5 und 7 im Hinblick auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens nicht relevant sind. |
73 |
Art. 5 beschränkt sich nämlich auf den Hinweis, dass die Union Drittstaaten auffordert, restriktive Maßnahmen zu erlassen, die den in dem genannten Beschluss vorgesehenen vergleichbar sind. Art. 7 betrifft etwaige Ansprüche im Zusammenhang mit Verträgen oder Geschäften, deren Erfüllung bzw. Durchführung von den mit dem Beschluss 2014/512 verhängten Maßnahmen berührt wurde und die von einer der in Art. 7 Abs. 1 Buchst. a bis c aufgeführten Kategorie von Personen und Organisationen geltend gemacht werden. Nach den Angaben des vorlegenden Gerichts geht es im Ausgangsrechtsstreit jedoch nicht um solche Ansprüche und Neves gehört zu keiner dieser Kategorien. |
74 |
Zum anderen geht aus dem Vorabentscheidungsersuchen hervor, dass das vorlegende Gericht auch wissen möchte, ob eine Einziehungsmaßnahme wie die gegen Neves angeordnete mit dem in Art. 1 des Ersten Zusatzprotokolls garantierten und in der Unionsrechtsordnung in Art. 17 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) verankerten Eigentumsrecht vereinbar ist. |
75 |
Folglich ist davon auszugehen, dass das vorlegende Gericht mit seiner ersten und seiner zweiten Frage im Wesentlichen wissen möchte, ob Art. 2 Abs. 2 Buchst. a des Beschlusses 2014/512 im Licht des in Art. 17 der Charta verankerten Eigentumsrechts sowie der Grundsätze der Rechtssicherheit und der Gesetzmäßigkeit der Strafen dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Maßnahme entgegensteht, die die automatische Einziehung des gesamten Erlöses aus einer Vermittlungstätigkeit im Sinne dieses Art. 2 Abs. 2 Buchst. a vorsieht, wenn die zuständigen nationalen Behörden einen Verstoß gegen das Verbot, diese Tätigkeit durchzuführen, und eine Verletzung der Pflicht zur Meldung dieser Tätigkeit festgestellt haben. |
76 |
Hierzu ist als Erstes darauf hinzuweisen, dass die Mitgliedstaaten, denen allerdings die Wahl der Sanktionen verbleibt, in Ermangelung einer Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Union auf dem Gebiet der Sanktionen bei Nichtbeachtung der Voraussetzungen, die eine nach dem Unionsrecht geschaffene Regelung vorsieht, darauf achten müssen, dass Verstöße gegen das Unionsrecht nach sachlichen und verfahrensrechtlichen Regeln geahndet werden, die denjenigen ähneln, die bei nach Art und Schwere gleichartigen Verstößen gegen das nationale Recht gelten, und jedenfalls der Sanktion einen wirksamen, verhältnismäßigen und abschreckenden Charakter verleihen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 16. Juli 2015, Chmielewski, C‑255/14, EU:C:2015:475, Rn. 21, und vom 2. Mai 2018, Scialdone, C‑574/15, EU:C:2018:295, Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
77 |
Insbesondere dürfen die in einer nationalen Regelung vorgesehenen Sanktionsmaßnahmen weder über das hinausgehen, was zur Erreichung der mit diesen Rechtsvorschriften zulässigerweise verfolgten Ziele geeignet und erforderlich ist, noch dürfen sie außer Verhältnis zu diesen Zielen stehen und die Härte der Sanktionen muss ebenfalls der Schwere der mit ihnen geahndeten Verstöße entsprechen, indem sie insbesondere eine wirklich abschreckende Wirkung gewährleistet (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 24. Februar 2022, Agenzia delle dogane e dei monopoli und Ministero dell’Economia e delle Finanze, C‑452/20, EU:C:2022:111, Rn. 37 bis 39 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). |
78 |
Als Zweites ist in Bezug auf das in Art. 17 der Charta verankerte Eigentumsrecht darauf hinzuweisen, dass nach Abs. 1 dieses Artikels „[j]ede Person… das Recht [hat], ihr rechtmäßig erworbenes Eigentum zu besitzen, zu nutzen, darüber zu verfügen und es zu vererben. Niemandem darf sein Eigentum entzogen werden, es sei denn aus Gründen des öffentlichen Interesses in den Fällen und unter den Bedingungen, die in einem Gesetz vorgesehen sind, sowie gegen eine rechtzeitige angemessene Entschädigung für den Verlust des Eigentums. Die Nutzung des Eigentums kann gesetzlich geregelt werden, soweit dies für das Wohl der Allgemeinheit erforderlich ist.“ |
79 |
Wie der Gerichtshof bereits entschieden hat, stellt Art. 17 der Charta eine Rechtsnorm dar, die Einzelnen Rechte verleihen soll (Urteil vom 21. Mai 2019, Kommission/Ungarn [Nießbrauchsrechte an landwirtschaftlichen Flächen], C‑235/17, EU:C:2019:432, Rn. 68 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
80 |
Nach Art. 52 Abs. 3 der Charta haben, soweit diese Rechte enthält, die den durch die am 4. November 1950 in Rom unterzeichnete Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten garantierten Rechten entsprechen, diese Rechte die gleiche Bedeutung und Tragweite, wie sie ihnen in dieser Konvention verliehen wird. Diese Bestimmung steht jedoch dem nicht entgegen, dass das Recht der Union einen weiter gehenden Schutz gewährt. Daraus folgt, dass bei der Auslegung von Art. 17 der Charta die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 1 des Ersten Zusatzprotokolls zu berücksichtigen ist, der den Schutz des Eigentumsrechts als Mindestschutzstandard festlegt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Mai 2019, Kommission/Ungarn [Nießbrauchsrechte an landwirtschaftlichen Flächen], C‑235/17, EU:C:2019:432, Rn. 72 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
81 |
Anknüpfend an die ständige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 1 des Ersten Zusatzprotokolls ist hinzuzufügen, dass Art. 17 Abs. 1 der Charta drei gesonderte Rechtsnormen enthält. Die erste, in Satz 1 dieser Vorschrift zum Ausdruck kommende hat allgemeinen Charakter und konkretisiert den Grundsatz der Achtung des Eigentums. Die zweite, in Satz 2 der genannten Vorschrift zu findende betrifft den Entzug des Eigentums und macht ihn von bestimmten Voraussetzungen abhängig. Die dritte, in Satz 3 der Vorschrift enthaltene räumt den Staaten u. a. die Befugnis ein, die Nutzung des Eigentums zu regeln, soweit dies für das Wohl der Allgemeinheit erforderlich ist. Es handelt sich aber nicht um zusammenhanglos nebeneinanderstehende Regeln. Die zweite und die dritte Regel betreffen besondere Beispiele für Eingriffe in das Eigentumsrecht und sind im Licht des in der ersten Regel aufgestellten Grundsatzes auszulegen (Urteil vom 5. Mai 2022, BPC Lux 2 u. a., C‑83/20, EU:C:2022:346, Rn. 38). |
82 |
Insoweit ergibt sich aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, dass Einziehungsmaßnahmen, die sich auf Erträge aus einer Straftat, einer rechtswidrigen Handlung oder aus einem Tatwerkzeug beziehen, das keinem gutgläubigen Dritten gehört, generell unter die Regelungen der Nutzung des Eigentums fallen, auch wenn sie einer Person ihrem Wesen nach ihr Eigentum entziehen (vgl. u. a. EGMR, 24. Oktober 1986, AGOSI/Vereinigtes Königreich, CE:ECHR:1986:1024JUD000911880, § 51; EGMR, 12. Mai 2015, Gogitidze u. a./Georgien, CE:ECHR:2015:0512JUD003686205, § 94, sowie EGMR, 15. Oktober 2020, Karapetyan/Georgien, CE:ECHR:2020:1015JUD006123312, § 32). |
83 |
Im vorliegenden Fall betraf die gegen Neves angeordnete Einziehungsmaßnahme einen Geldbetrag, der ihr in Erfüllung des Vertrags vom 4. Januar 2019 als Zahlung für die Lieferung von als Militärausrüstung angesehenen Funkstationen gezahlt worden war. Diese Maßnahme zielt darauf ab, das Verbot der Erbringung von Vermittlungsdiensten im Zusammenhang mit Militärausrüstung durchzusetzen, das im Beschluss 2014/512 als restriktive Maßnahme mit allgemeiner Geltung als Reaktion auf die Handlungen Russlands, die die Lage in der Ukraine destabilisieren, vorgesehen ist. Somit knüpft diese Maßnahme an das ebenfalls in diesem Beschluss vorgesehene Verbot des Kaufs und Verkaufs von Rüstungsgütern und Militärausrüstung an Russland sowie ganz allgemein an die Vorschriften über den Waffenhandel an. |
84 |
Unter diesen Umständen stellt eine solche Einziehungsmaßnahme eine unter die Regelungen der Nutzung des Eigentums fallende Einschränkung des Eigentumsrechts im Sinne von Art. 17 Abs. 1 Satz 3 der Charta dar. |
85 |
In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass das in Art. 17 der Charta verbürgte Eigentumsrecht nicht uneingeschränkt gilt und dass seine Ausübung Beschränkungen unterworfen werden kann, die durch dem Gemeinwohl dienende Ziele der Union gerechtfertigt sind (Urteil vom 20. September 2016, Ledra Advertising u. a./Kommission und EZB, C‑8/15 P bis C‑10/15 P, EU:C:2016:701, Rn. 69). |
86 |
Allerdings muss nach Art. 52 Abs. 1 der Charta jede Einschränkung der Ausübung der in der Charta anerkannten Rechte und Freiheiten gesetzlich vorgesehen sein, den Wesensgehalt dieser Rechte und Freiheiten achten, im Einklang mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz erforderlich sein und den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen. |
87 |
Erstens ist eine Einziehungsmaßnahme wie die Neves auferlegte gesetzlich vorgesehen im Sinne von Art. 52 Abs. 1 der Charta. Diese Maßnahme beruht nämlich auf der OUG Nr. 202/2008 sowie auf der in Art. 12 des Gemeinsamen Standpunkts 2008/944 genannten und in Bezug auf Rumänien durch die Erlasse Nr. 156/2018 und Nr. 901/2019 erstellten nationalen Liste der Militärtechnologie und Militärgüter. |
88 |
Da diese Maßnahme zweitens, wie sich aus der in Rn. 82 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung ergibt, unter die Regelungen der Nutzung des Eigentums im Sinne von Art. 17 Abs. 1 Satz 3 der Charta fällt und keine Entziehung des Eigentums im Sinne von Art. 17 Abs. 1 Satz 2 darstellt, achtet sie den Wesensgehalt des Eigentumsrechts (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. Mai 2022, BPC Lux 2 u. a., C‑83/20, EU:C:2022:346, Rn. 53). |
89 |
Drittens zielt die genannte Maßnahme auf die Verwirklichung der mit dem Beschluss 2014/512 verfolgten Ziele ab, deren Bedeutung der Gerichtshof, wie in Rn. 68 des vorliegenden Urteils ausgeführt, hervorgehoben hat, und entspricht somit den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen im Sinne von Art. 52 Abs. 1 der Charta. |
90 |
Viertens ist hinsichtlich der Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zunächst klar, dass die sich aus dieser Maßnahme ergebende Einschränkung der Ausübung des Eigentumsrechts geeignet ist, diese Ziele zu erreichen. |
91 |
Aus dem Vorabentscheidungsersuchen geht nämlich hervor, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Einziehungsmaßnahme zusätzlich zu einer Geldbuße angeordnet wurde, nachdem die zuständigen rumänischen Behörden festgestellt hatten, dass das sich im vorliegenden Fall aus dem Beschluss 2014/512 ergebende Verbot, Geschäfte in Bezug auf Güter durchzuführen, die einer internationalen Sanktion unterliegen, und die Verpflichtung, diese Behörden unverzüglich davon in Kenntnis zu setzen, nicht beachtet wurden. Die Anordnung dieser Einziehungsmaßnahme ist geeignet, die betroffenen Wirtschaftsteilnehmer von der Durchführung solcher Geschäfte abzuhalten und sie dazu anzuhalten, sowohl dieses Verbot als auch diese Informationspflicht einzuhalten, die den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten die Kontrolle von Geschäften mit den betreffenden Waren, im vorliegenden Fall Militärausrüstung, erleichtert. |
92 |
Sodann ist zur Erforderlichkeit einer solchen Einziehungsmaßnahme festzustellen, dass der Höchstbetrag der Geldbuße, der in der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Regelung als Hauptsanktion vorgesehen ist, 30000 RON (etwa 6066 Euro) beträgt. Angesichts der geringen Obergrenze dieser Geldbuße im Vergleich zu dem möglicherweise erwarteten wirtschaftlichen Vorteil von Vermittlungstätigkeiten in Bezug auf Militärausrüstung kann die Verhängung dieser Geldbuße allein nicht ausreichen, um die Wirtschaftsteilnehmer davon abzuhalten, gegen das Verbot der Erbringung von Vermittlungsdiensten im Zusammenhang mit dieser Ausrüstung sowie die Verpflichtung, die zuständigen nationalen Behörden davon in Kenntnis zu setzen, zu verstoßen. Dies wird durch die Umstände des Ausgangsverfahrens veranschaulicht, da sich nach den Angaben des vorlegenden Gerichts die Gegenleistung für die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Vermittlungstätigkeit auf fast 3 Mio. Euro belief. |
93 |
Unter diesen Umständen erscheint die Einziehung des gesamten Gegenwerts des Erlöses aus der verbotenen Vermittlungstätigkeit notwendig, um die Wirtschaftsteilnehmer tatsächlich und wirksam davon abzuhalten, gegen das Verbot der Erbringung von Vermittlungsdiensten im Zusammenhang mit Militärausrüstung zu verstoßen. |
94 |
Ebenso ist der Umstand, dass bei Erlass eines feststellenden Ordnungswidrigkeitenbescheids durch die zuständige Verwaltungsbehörde automatisch eine Einziehungsmaßnahme erfolgt, erforderlich, um die volle Wirksamkeit der Sanktion eines Verstoßes sowohl gegen das Verbot, eine unter Art. 2 Abs. 2 Buchst. a des Beschlusses 2014/512 fallende Vermittlungstätigkeit durchzuführen, als auch gegen die Pflicht, diese zu melden, zu gewährleisten, wobei das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf vorbehalten bleibt, um die Rechtmäßigkeit dieses Ordnungswidrigkeitenbescheids überprüfen zu lassen und gegebenenfalls die Rückerstattung der eingezogenen Beträge zu erwirken, insbesondere dann, wenn sich letztlich herausstellen sollte, dass das betreffende Geschäft nicht unter dieses Verbot fällt. |
95 |
Zu einem solchen Rechtsbehelf ist festzustellen, dass nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 1 des Ersten Zusatzprotokolls in Fällen, in denen eine Einziehungssanktion unabhängig von einer strafrechtlichen Verurteilung angeordnet wird, das Verfahren insgesamt dem Betroffenen die Möglichkeit geben muss, sich sowohl vor den nationalen Behörden, die diese Sanktion gegen ihn verhängt haben, als auch vor den Gerichten, die mit dem Rechtsbehelf gegen die Entscheidungen dieser Behörden befasst sind, zu verteidigen, damit diese eine umfassende Prüfung der verschiedenen widerstreitenden Interessen vornehmen können (vgl. in diesem Sinne EGMR, Urteil vom 15. Oktober 2020, Karapetyan/Georgien, CE:ECHR:2020:1015JUD006123312, § 35). |
96 |
Insoweit muss der betroffenen Person u. a. eine angemessene Gelegenheit gegeben werden, ihr Anliegen den zuständigen Stellen vorzutragen, so dass eine wirksame Anfechtung der fraglichen Maßnahmen möglich ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 3. September 2008, Kadi und Al Barakaat International Foundation/Rat und Kommission, C‑402/05 P und C‑415/05 P, EU:C:2008:461, Rn. 368). |
97 |
Das vorlegende Gericht hat daher sicherzustellen, dass Neves im Rahmen des Ausgangsverfahrens über ausreichende Verfahrensgarantien verfügt, insbesondere was die Feststellung des Tatbestands der ihr vorgeworfenen Ordnungswidrigkeit anbelangt. Insbesondere muss sich das vorlegende Gericht, soweit diese Gesellschaft bestreitet, dass es sich bei den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Funkstationen um Militärausrüstung handelt, vergewissern, dass diese Funkstationen unter die Gemeinsame Militärgüterliste der Europäischen Union gemäß Art. 12 des Gemeinsamen Standpunkts 2008/944 fallen, die als Bezugspunkt für die nationale Liste dieser Ausrüstung diente, die mit den Erlassen Nr. 156/2018 und Nr. 901/2019 erstellt wurde. |
98 |
Vorbehaltlich der Einhaltung dieser vom vorlegenden Gericht zu prüfenden Voraussetzungen ist nicht ersichtlich, dass eine Einziehungsmaßnahme wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende über das hinausginge, was zur Erreichung der verfolgten legitimen Ziele erforderlich ist. |
99 |
Was schließlich die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne einer solchen Maßnahme und insbesondere ihre Angemessenheit im Verhältnis zur Schwere der Zuwiderhandlung, die mit ihr geahndet werden soll, angeht, ist darauf hinzuweisen, dass diese Maßnahme zwar den gesamten Erlös aus der verbotenen Vermittlungstätigkeit betrifft und automatisch erfolgt, dass aber die Höhe der Geldbuße, die mit dieser Maßnahme einhergeht, angepasst werden kann. Außerdem gelten diese Sanktionen, wie sich aus Art. 24 Abs. 1 und Art. 26 Abs. 1 Buchst. b der OUG Nr. 202/2008 ergibt, nur für Personen, die Kenntnis davon erlangt haben, dass sie sich in einer Situation befinden, die eine Information oder eine Meldung an die zuständigen nationalen Behörden hinsichtlich eines Guts erfordert, das Gegenstand einer internationalen Sanktion ist. In einer solchen Situation sind diese Personen unmittelbar verpflichtet, ohne vorherige Mitteilung an diese Behörden keine anderen als die in dieser Dringlichkeitsverordnung vorgesehenen Geschäfte in Bezug auf dieses Gut vorzunehmen. Betroffen sind somit nur Personen, die diese Meldung in Kenntnis der Sachlage unterlassen oder trotzdem ein solches Geschäft durchgeführt haben. |
100 |
Daraus ergibt sich, dass die Härte der Sanktionen, die in einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden vorgesehen sind, unter Berücksichtigung der Bedeutung der verfolgten legitimen Ziele offenkundig in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere des Verstoßes steht, der mit diesen Sanktionen geahndet werden soll. |
101 |
Daher dürfte die sich aus einer solchen Einziehungsmaßnahme ergebende Einschränkung der Ausübung des Eigentumsrechts den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren und folglich im Hinblick auf die in Art. 52 Abs. 1 der Charta vorgesehenen Voraussetzungen gerechtfertigt sein; dies ist vom vorlegenden Gericht zu überprüfen. |
102 |
Als Drittes gebietet der allgemeine Grundsatz der Rechtssicherheit, der zu den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts gehört, dass Rechtsvorschriften klar, bestimmt und in ihren Auswirkungen voraussehbar sein müssen. Dieser Grundsatz steht der rückwirkenden Anwendung einer neuen Rechtsvorschrift, also der Anwendung auf einen vor ihrem Inkrafttreten abgeschlossenen Sachverhalt, entgegen und verlangt, dass jeder Sachverhalt normalerweise, soweit nicht ausdrücklich etwas Gegenteiliges bestimmt ist, anhand der zu der entsprechenden Zeit geltenden Rechtsvorschriften beurteilt wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Januar 2022, VYSOČINA WIND, C‑181/20, EU:C:2022:51, Rn. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
103 |
Aus dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit im Zusammenhang mit Straftaten und Strafen, der eine besondere Ausprägung des allgemeinen Grundsatzes der Rechtssicherheit darstellt und in Art. 49 der Charta verankert ist, folgt u. a., dass das Gesetz die Straftaten und die für sie angedrohten Strafen klar definieren muss, um die Vorhersehbarkeit sowohl in Bezug auf die Definition der Straftat als auch in Bezug auf die Strafzumessung zu gewährleisten (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 8. März 2022, Bezirkshauptmannschaft Hartberg-Fürstenfeld [Unmittelbare Wirkung], C‑205/20, EU:C:2022:168, Rn. 47, und vom 24. Juli 2023, Lin, C‑107/23 PPU, EU:C:2023:606, Rn. 104 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). |
104 |
Zu diesen Grundsätzen hat sich das vorlegende Gericht auf den Hinweis beschränkt, dass Neves geltend mache, dass der Erlass Nr. 901/2019, mit dem in Bezug auf Rumänien die nationale Liste der Militärtechnologie und Militärgüter im Sinne von Art. 12 des Gemeinsamen Standpunkts 2008/944 festgelegt worden sei, zu dem im Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeitpunkt nicht in Kraft gewesen sei, so dass er auf die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Funkstationen nicht anwendbar gewesen sei und diese daher nicht als Militärgüter der Kategorie ML 11 dieser Liste angesehen werden könnten. |
105 |
Hierzu ist festzustellen, dass zu diesem Zeitpunkt Art. 2 Abs. 2 Buchst. a des Beschlusses 2014/512, der die Erbringung von Vermittlungsdiensten im Zusammenhang mit diesen Gütern untersagte, sowie wie die in Rn. 14 des vorliegenden Urteils erwähnte Gemeinsame Militärgüterliste der Europäischen Union in Kraft waren. Nach den Angaben in der Vorlageentscheidung scheint die Kategorie ML 11 des Erlasses Nr. 901/2019, mit dem der vom 5. März 2018 bis zum 4. Juli 2019 geltende Erlass Nr. 156/2018 aufgehoben und ersetzt wurde, mit der Kategorie ML 11 des letztgenannten Erlasses identisch zu sein, so dass, wie die Kommission ausgeführt hat, nicht ersichtlich ist, dass es um die rückwirkende Anwendung einer neuen Rechtsvorschrift im Sinne der in Rn. 102 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung ginge. |
106 |
Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, gemäß den zum Zeitpunkt des Sachverhalts des Ausgangsrechtsstreits anwendbaren Vorschriften des rumänischen Rechts, für deren Bestimmung und Beurteilung allein dieses Gericht zuständig ist, zu prüfen, ob die Bestimmungen des rumänischen Rechts, die diese Liste übernahmen, zu diesem Zeitpunkt in Kraft waren, und ob die in den Rn. 102 und 103 des vorliegenden Urteils genannten Erfordernisse der Klarheit und Vorhersehbarkeit beachtet wurden. |
107 |
Nach alledem ist auf die erste und auf die zweite Frage zu antworten, dass Art. 2 Abs. 2 Buchst. a des Beschlusses 2014/512 im Licht des in Art. 17 der Charta verankerten Eigentumsrechts sowie der Grundsätze der Rechtssicherheit und der Gesetzmäßigkeit der Strafen dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Maßnahme nicht entgegensteht, die die automatische Einziehung des gesamten Erlöses aus einer Vermittlungstätigkeit im Sinne dieses Art. 2 Abs. 2 Buchst. a vorsieht, wenn die zuständigen nationalen Behörden einen Verstoß gegen das Verbot, diese Tätigkeit durchzuführen, und eine Verletzung der Pflicht zur Meldung dieser Tätigkeit festgestellt haben. |
Kosten
108 |
Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig. |
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt: |
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Unterschriften |
( *1 ) Verfahrenssprache: Rumänisch.