URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zehnte Kammer)

9. Februar 2023 ( *1 )

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge – Richtlinie 89/665/EWG – Art. 1 Abs. 3 – Rechtsschutzinteresse – Zugang zu den Nachprüfungsverfahren – Schwere Verfehlung im Rahmen der beruflichen Tätigkeit aufgrund einer wettbewerbswidrigen Vereinbarung – Anderer Wirtschaftsteilnehmer, der wegen Nichterfüllung der Mindestanforderungen endgültig von der Teilnahme am betreffenden Vergabeverfahren ausgeschlossen wird“

In der Rechtssache C‑53/22

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunale amministrativo regionale per la Lombardia (Regionales Verwaltungsgericht für die Lombardei, Italien) mit Entscheidung vom 7. Januar 2022, beim Gerichtshof eingegangen am 25. Januar 2022, in dem Verfahren

VZ

gegen

CA,

Beteiligte:

RT,

BO,

Regione Lombardia,

Regione Liguria,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zehnte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten D. Gratsias (Berichterstatter) sowie der Richter M. Ilešič und I. Jarukaitis,

Generalanwalt: M. Campos Sánchez-Bordona,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

von VZ, vertreten durch J. F. G. Brigandì und C. Mendolia, Avvocati,

von CA, vertreten durch M. L. Tamborino, Avvocata,

von RT, vertreten durch A. Clarizia, L. Pierallini, L. Sperati und P. Ziotti, Avvocati,

von BO, vertreten durch A. Borsero, V. Cannizzaro, C. Merani und S. Ventura, Avvocati,

der französischen Regierung, vertreten durch R. Bénard und A.‑L. Desjonquères als Bevollmächtigte,

der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,

der Europäischen Kommission, vertreten durch G. Gattinara, P. Ondrůšek und G. Wils als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 89/665/EWG des Rates vom 21. Dezember 1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge (ABl. 1989, L 395, S. 33) in der durch die Richtlinie 2014/23/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 (ABl. 2014, L 94, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 89/665).

2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen einer Gesellschaft, VZ, und einem öffentlichen Auftraggeber, CA, wegen dessen Weigerung, die Entscheidung über die Vergabe eines öffentlichen Auftrags in Bezug auf den in der Lombardei (Italien) und in Ligurien (Italien) zu erbringenden Hubschrauber-Rettungsdienst an RT und BO aufzuheben.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Richtlinie 89/665

3

In Art. 1 („Anwendungsbereich und Zugang zu Nachprüfungsverfahren“) der Richtlinie 89/665 heißt es:

„(1)   Diese Richtlinie gilt für Aufträge im Sinne der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates [vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG (ABl. 2014, L 94, S. 65)] …

Aufträge im Sinne dieser Richtlinie umfassen öffentliche Aufträge, Rahmenvereinbarungen, öffentliche Bauaufträge, Dienstleistungskonzessionen und dynamische Beschaffungssysteme.

Die Mitgliedstaaten ergreifen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass hinsichtlich der in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2014/24/EU … fallenden Aufträge oder Konzessionen die Entscheidungen der öffentlichen Auftraggeber wirksam und vor allem möglichst rasch … auf Verstöße gegen das Unionsrecht im Bereich des öffentlichen Auftragswesens oder gegen die nationalen Vorschriften, die dieses Recht umsetzen, überprüft werden können.

(3)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Nachprüfungsverfahren entsprechend den gegebenenfalls von den Mitgliedstaaten festzulegenden Bedingungen zumindest jeder Person zur Verfügung stehen, die ein Interesse an einem bestimmten Auftrag hat oder hatte und der durch einen behaupteten Verstoß ein Schaden entstanden ist bzw. zu entstehen droht.

…“

4

Art. 2a („Stillhaltefrist“) dieser Richtlinie sieht in Abs. 2 Unterabs. 1 und 2 vor:

„Ein Vertrag im Anschluss an die Zuschlagsentscheidung für einen Auftrag oder eine Konzession, der in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2014/24/EU … fällt, darf frühestens zehn Kalendertage, gerechnet ab dem auf die Absendung der Zuschlagsentscheidung an die betroffenen Bieter und Bewerber folgenden Tag, bei Mitteilung per Fax oder auf elektronischem Weg, oder, falls andere Kommunikationsmittel genutzt werden, entweder frühestens 15 Kalendertage, gerechnet ab dem auf die Absendung der Zuschlagsentscheidung an die betroffenen Bieter und Bewerber folgenden Tag oder frühestens zehn Kalendertage, gerechnet ab dem Tag nach dem Eingang der Zuschlagsentscheidung geschlossen werden.

Bieter gelten als betroffen, wenn sie noch nicht endgültig ausgeschlossen wurden. Ein Ausschluss ist endgültig, wenn er den betroffenen Bietern mitgeteilt wurde und entweder von einer unabhängigen Nachprüfungsstelle als rechtmäßig anerkannt wurde oder keinem Nachprüfungsverfahren mehr unterzogen werden kann.“

Richtlinie 2014/24

5

Nach Art. 2 Abs. 1 Nrn. 2 und 3 der Richtlinie 2014/24 in der durch die Delegierte Verordnung (EU) 2017/2365 der Kommission vom 18. Dezember 2017 (ABl. 2017, L 337, S. 19) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 2014/24) bezeichnet der Ausdruck „zentrale Regierungsbehörden“ für die Zwecke der Richtlinie 2014/24 diejenigen öffentlichen Auftraggeber, die in Anhang I dieser Richtlinie aufgeführt sind, und, soweit auf innerstaatlicher Ebene Berichtigungen oder Änderungen vorgenommen wurden, die Stellen, die ihre Nachfolger sind, und „subzentrale öffentliche Auftraggeber“ alle öffentlichen Auftraggeber, die keine zentralen Regierungsbehörden sind.

6

Art. 4 („Höhe der Schwellenwerte“) der Richtlinie 2014/24 bestimmt:

„Diese Richtlinie gilt für Aufträge, deren geschätzter Wert ohne Mehrwertsteuer (MwSt.) die folgenden Schwellenwerte nicht unterschreitet:

c)

221000 [Euro] bei öffentlichen Liefer- und Dienstleistungsaufträgen, die von subzentralen öffentlichen Auftraggebern vergeben werden, und bei von diesen Behörden ausgerichteten Wettbewerben; …

d)

750000 [Euro] bei öffentlichen Dienstleistungsaufträgen betreffend soziale und andere besondere Dienstleistungen im Sinne von Anhang XIV.“

7

Art. 57 („Ausschlussgründe“) Abs. 4 dieser Richtlinie bestimmt:

„Öffentliche Auftraggeber können in einer der folgenden Situationen einen Wirtschaftsteilnehmer von der Teilnahme an einem Vergabeverfahren ausschließen oder dazu von den Mitgliedstaaten verpflichtet werden:

c)

der öffentliche Auftraggeber kann auf geeignete Weise nachweisen, dass der Wirtschaftsteilnehmer im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit eine schwere Verfehlung begangen hat, die seine Integrität in Frage stellt;

d)

der öffentliche Auftraggeber verfügt über hinreichend plausible Anhaltspunkte dafür, dass der Wirtschaftsteilnehmer mit anderen Wirtschaftsteilnehmern Vereinbarungen getroffen hat, die auf eine Verzerrung des Wettbewerbs abzielen;

…“

8

Weder die Regione Lombardia (Region Lombardei, Italien) noch die Regione Liguria (Region Ligurien, Italien) gehören zu den in Anhang I der Richtlinie genannten Behörden.

Italienisches Recht

9

Art. 80 Abs. 5 Buchst. c des Decreto legislativo n. 50 – Codice dei contratti pubblici (gesetzesvertretendes Dekret Nr. 50 – Gesetzbuch über öffentliche Aufträge) vom 18. April 2016 (GURI Nr. 91 vom 19. April 2016, Supplemento ordinario zur GURI Nr. 10) in der durch das Decreto-legge Nr. 135 – Disposizioni urgenti in materia di sostegno e semplificazione per le imprese e per la pubblica amministrazione (Gesetzesdekret Nr. 135 mit Sofortmaßnahmen zur Unterstützung und Vereinfachung für Unternehmen und die öffentliche Verwaltung) vom 14. Dezember 2018 (GURI Nr. 290 vom 14. Dezember 2018, S. 1), bestimmt:

„Öffentliche Auftraggeber schließen einen Wirtschaftsteilnehmer von der Teilnahme an einem Vergabeverfahren in einer der folgenden Situationen aus, wenn

c)

der öffentliche Auftraggeber auf geeignete Weise nachweist, dass der Wirtschaftsteilnehmer im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit eine schwere Verfehlung begangen hat, die seine Integrität oder Zuverlässigkeit in Frage stellt;

…“

10

Art. 35 Abs. 1 Buchst. b des Codice del processo amministrativo (Verwaltungsprozessordnung) (GURI Nr. 156 vom 7. Juli 2010, Supplemento ordinario zur GURI Nr. 148) bestimmt: „Das Gericht erklärt die Klage, auch von Amts wegen, für unzulässig, wenn kein Rechtsschutzinteresse vorliegt oder sonstige Gründe einer Entscheidung in der Hauptsache entgegenstehen.“

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

11

Mit Entscheidung vom 18. Dezember 2018 leitete CA ein Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags über die Bereitstellung eines Hubschrauber-Rettungsdienstes für die Einrichtungen des regionalen Gesundheitsdienstes der Region Lombardei und der Region Ligurien (im Folgenden: streitiges Verfahren) mit einem Auftragsrichtwert von 205581900 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer ein. Die von CA veröffentlichte Ausschreibung verlangte von den Bietern zum Nachweis ihrer technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit den Besitz einer besonderen Zertifizierung.

12

VZ, die nicht im Besitz dieser Zertifizierung war und daher die Voraussetzungen für die Teilnahme am streitigen Verfahren nicht erfüllte, focht diese Ausschreibung, soweit diese Zertifizierung verlangt war, mit Klageschrift, die am 16. Januar 2019 einging, beim Tribunale amministrativo regionale per la Lombardia (Regionales Verwaltungsgericht für die Lombardei, Italien), dem vorlegenden Gericht, an. Mit Urteil vom 6. Mai 2019 wies dieses Gericht die Klage ab. Dieses Urteil wurde durch ein Urteil des Consiglio di Stato (Staatsrat, Italien) vom 26. Februar 2020 bestätigt und wurde somit rechtskräftig.

13

Mit Entscheidung vom 13. Februar 2019 stellte die Autorità garante della concorrenza e del mercato (Wettbewerbs- und Marktaufsichtsbehörde, AGCM, Italien) fest, dass manche Unternehmen, darunter BO, JF und RT, die einzigen Bieter im streitigen Verfahren, im Zeitraum von 2001 bis August 2017 einen schweren Verstoß gegen Art. 101 AEUV begangen hatten, u. a. in Form einer gegen die Wettbewerbsregeln verstoßenden horizontalen Vereinbarung über die Festsetzung von Preisen für Hubschrauberdienste, mit der die öffentlichen Auftraggeber im Hinblick auf die Festsetzung der Preise für Arbeits- und Passagierflugdienste insgesamt, einschließlich der Ermittlung des Richtwerts für den Dienstleistungsauftrag mit überhöhten Werten beeinflusst werden sollten. Die AGCM verhängte gegen BO, JF und RT Sanktionen. Sie war jedoch der Ansicht, dass die Ermittlungen keine hinreichenden Informationen ergeben hätten, um das Vorliegen einer wettbewerbsbeschränkenden Absprache im Rahmen der Teilnahme an den Verfahren zur Vergabe von Dienstleistungsaufträgen nachzuweisen.

14

CA war der Ansicht, dass diese Entscheidung der AGCM für ihre Beurteilung nicht relevant sei. Mit Entscheidung vom 2. März 2020 vergab CA zwei Lose des Auftrags, der Gegenstand des streitigen Verfahrens war, an RT und ein Los dieses Auftrags an BO.

15

Mit Klagen vor dem Tribunale amministrativo regionale per il Lazio (Verwaltungsgericht von Latium, Italien) fochten BO, RT und JF die von der AGCM gegen sie verhängten Sanktionen an. Alle diese Klagen wurden als unbegründet abgewiesen. BO, RT und JF legten gegen die Urteile dieses Gerichts Rechtsmittel beim Consiglio di Stato (Staatsrat) ein. Dieser bestätigte das Urteil des Verwaltungsgerichts, das die Klage von JF abgewiesen hatte, ebenso wie es die Klage von RT mit Ausnahme der Höhe der Sanktion abgewiesen hatte. Die Rechtssache betreffend die Prüfung des von BO beim Consiglio di Stato (Staatsrat) eingelegten Rechtsmittels ist noch anhängig.

16

Am 1. Juni 2020 machte VZ CA auf die Verkündung des Urteils des Tribunale amministrativo regionale per il Lazio (Regionales Verwaltungsgericht von Latium) aufmerksam, mit dem die Klage von RT gegen den Bescheid der AGCM abgewiesen wurde. VZ machte geltend, dass dieses Urteil die Beurteilung der Integrität von RT und seiner Zuverlässigkeit im Rahmen der Durchführung des Hubschrauber-Rettungsdienstes beeinträchtigen und das Vorliegen einer schweren Verfehlung im Rahmen der beruflichen Tätigkeit im Sinne von Art. 80 Abs. 5 des Gesetzbuchs über öffentliche Aufträge belegen könne, die den Ausschluss der Teilnahme von RT am streitigen Verfahren rechtfertige. Sie beantragte somit im Wesentlichen die Aufhebung der Zuschlagsentscheidung. Mit Entscheidung vom 3. Juli 2020 stellte CA fest, dass das von VZ angeführte Urteil im Vergleich zu der CA bereits bekannten und von ihm analysierten Entscheidung der AGCM keine zusätzlichen Erkenntnisse bringe. VZ erhob gegen die Entscheidung von CA Klage beim vorlegenden Gericht.

17

Das vorlegende Gericht führt aus, da VZ nach der endgültigen Abweisung ihrer Klage gegen die betreffende Ausschreibung endgültig von der Teilnahme am streitigen Verfahren ausgeschlossen worden sei, sei nach der Rechtsprechung der italienischen Gerichte grundsätzlich davon auszugehen, dass VZ kein rechtliches Interesse an der Anfechtung der Vergabe des betreffenden Auftrags habe.

18

Im Anschluss an die Verkündung der Urteile vom 4. Juli 2013, Fastweb (C‑100/12, EU:C:2013:448), vom 5. April 2016, PFE (C‑689/13, EU:C:2016:199), und vom 11. Mai 2017, Archus und Gama (C‑131/16, EU:C:2017:358), habe sich diese Rechtsprechung der italienischen Gerichte dahin geändert, dass im Rahmen eines Verfahrens zur Vergabe eines Auftrags, an dem nur zwei Bieter beteiligt gewesen seien, die Prüfung eines Antrags auf Einleitung eines neuen Verfahrens, der von dem wegen Nichterfüllung der in der betreffenden Ausschreibung vorgesehenen Mindestanforderungen ausgeschlossenen Bieter gestellt worden sei, zulässig sei. In Anbetracht des Urteils vom 21. Dezember 2016, Bietergemeinschaft Technische Gebäudebetreuung und Caverion Österreich (C‑355/15, EU:C:2016:988), wandten die italienischen Gerichte diese „innovative Rechtsprechung“ allerdings nur im Fall von „gekreuzten Anträgen“ an, die im Rahmen ein und desselben Nachprüfungsverfahrens in Bezug auf die Zuschlagsentscheidung des betreffenden Auftrags geprüft worden seien. Im vorliegenden Fall sei der Ausschluss von VZ von der Teilnahme am streitigen Verfahren aber durch eine gerichtliche Entscheidung bestätigt worden, die rechtskräftig geworden sei, bevor VZ einen Rechtsbehelf gegen die Vergabe dieses Auftrags eingelegt habe.

19

Das vorlegende Gericht weist allerdings auch darauf hin, dass VZ im vorliegenden Fall die Weigerung von CA beanstandet, die Zuschlagsentscheidung wegen einer schweren Verfehlung im Rahmen der beruflichen Tätigkeit aller Bieter für nichtig zu erklären, die, wie das in Rn. 16 des vorliegenden Urteils angeführte Urteil bestätigt habe, an einem gegen die Wettbewerbsregeln verstoßenden Kartell beteiligt gewesen seien, was eine schwere, von einem Wirtschaftsteilnehmer im Rahmen der beruflichen Tätigkeit begangene Verfehlung darstelle.

20

Schließlich weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass der Gerichtshof im Urteil vom 5. September 2019, Lombardi (C‑333/18, EU:C:2019:675, Rn. 27 und 28), festgestellt habe, dass einem Bieter, der an dritter Stelle gereiht worden sei und der eine Klage gegen die Vergabe des betreffenden Auftrags erhoben habe, ein berechtigtes Interesse daran zuzuerkennen sei, den Ausschluss des Angebots des Zuschlagsempfängers und des an zweiter Stelle gereihten Bieters zu beantragen, selbst wenn sein eigenes Angebot für nicht ordnungsgemäß erklärt werden könnte, da sich nicht ausschließen lasse, dass der betreffende öffentliche Auftraggeber feststellen müsse, dass es unmöglich sei, ein anderes ordnungsgemäßes Angebot auszuwählen, und in der Folge ein neues Verfahren durchführe. Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts scheint die Situation von VZ für die Beurteilung ihres Rechtsschutzinteresses mit derjenigen der Klägerin in der Rechtssache, in der das Urteil vom 5. September 2019, Lombardi (C‑333/18, EU:C:2019:675), ergangen sei, vergleichbar zu sein. VZ trage unter Vorlage von Beweisen vor, dass sie schon im Oktober 2019 im Besitz der nach der Ausschreibung des streitigen Verfahrens verlangten besonderen Zertifizierung gewesen sei.

21

Unter diesen Umständen hat das Tribunale amministrativo regionale per la Lombardia (Regionales Verwaltungsgericht für die Lombardei) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.

Steht Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 89/665 dem entgegen, dass einem Bieter, der von einem Verfahren zur Auswahl des Vertragspartners endgültig ausgeschlossen wurde, die Möglichkeit verwehrt wird, gegen die Ablehnung der Aufhebung des Zuschlags vorzugehen, wenn er nachweisen will, dass der erfolgreiche Bieter und alle weiteren nachgereihten Bieter eine schwere Verfehlung im Rahmen der beruflichen Tätigkeit begangen haben, die im Abschluss wettbewerbswidriger Vereinbarungen besteht, die erst nach dessen Ausschluss gerichtlich festgestellt wurden, um an der Neudurchführung des Verfahrens teilnehmen zu können?

2.

Stehen Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 89/665 und die Grundsätze des unionsrechtlichen Wettbewerbsschutzes dem entgegen, dass die Verwaltungsgerichte die Klage eines endgültig von einem Verfahren zur Auswahl des Vertragspartners ausgeschlossenen Bieters gegen die Ablehnung der Eigenkontrolle durch den öffentlichen Auftraggeber in Bezug auf Zulassungs- und Zuschlagshandlungen zugunsten von Bietern, die in demselben Sektor, der Gegenstand des Verfahrens ist, gerichtlich festgestellte wettbewerbswidrige Vereinbarungen getroffen haben, nicht nachprüfen können?

Zu den Vorlagefragen

Zur Zulässigkeit

22

In seinen beim Gerichtshof eingereichten Erklärungen macht CA geltend, das Vorabentscheidungsersuchen sei unzulässig, weil die vorgelegten Fragen allgemein und hypothetisch seien und die hierauf zu gebende Antwort jedenfalls klar aus der Rechtsprechung hervorgehe.

23

Vorab ist festzustellen, dass nur das nationale Gericht, das mit dem Rechtsstreit befasst ist und in dessen Verantwortungsbereich die zu erlassende Entscheidung fällt, im Hinblick auf die Besonderheiten der Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung für den Erlass eines Urteils als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof vorgelegten Fragen zu beurteilen hat. Daher ist der Gerichtshof grundsätzlich gehalten, über ihm vorgelegte Fragen zu befinden, wenn sie die Auslegung oder die Gültigkeit einer Vorschrift des Unionsrechts betreffen. Folglich gilt für Fragen nationaler Gerichte eine Vermutung der Entscheidungserheblichkeit. Der Gerichtshof kann die Beantwortung einer Vorlagefrage eines nationalen Gerichts nur ablehnen, wenn die Auslegung, um die er ersucht wird, ersichtlich in keinem Zusammenhang mit den Gegebenheiten oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn der Gerichtshof nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind (Urteil vom 20. Oktober 2022, Centre public d’action sociale de Liège [Rücknahme oder Aussetzung einer Rückkehrentscheidung], C‑825/21, EU:C:2022:810, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).

24

Das vorlegende Gericht hat jedoch klar darauf hingewiesen, dass es nach den Verfahrensvorschriften des italienischen Rechts, wie sie von der Rechtsprechung der italienischen Gerichte ausgelegt worden seien, veranlasst sein könnte, die Klage von VZ wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses abzuweisen, es sei denn, Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 89/665 sei gegebenenfalls im Licht der Wettbewerbsregeln des Unionsrechts dahin auszulegen, dass er einer solchen Abweisung entgegenstehe. Daraus folgt, dass die vorgelegten Fragen in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits stehen und nicht als rein hypothetisch angesehen werden können.

25

Außerdem kann ein Vorabentscheidungsersuchen nicht allein deshalb als unzulässig verworfen werden, weil sich die Antwort auf die Vorlagefragen nach Ansicht einer der Parteien des Ausgangsverfahrens bereits aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 24. Februar 2022, Viva Telecom Bulgaria, C‑257/20, EU:C:2022:125, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).

26

Die französische Regierung macht in ihren beim Gerichtshof eingereichten Erklärungen geltend, dass die zweite Frage als teilweise unzulässig anzusehen sei, da das vorlegende Gericht es unterlassen habe, die „Grundsätze des unionsrechtlichen Wettbewerbsschutzes“ zu präzisieren, auf die sich diese Frage beziehe. Es liegt aber auf der Hand, dass es sich bei den angesprochenen Grundsätzen um diejenigen handelt, die sich aus den Wettbewerbsregeln der Union, insbesondere Art. 101 AEUV, ableiten lassen, was im Übrigen auch klar aus der Begründung der Vorlageentscheidung hervorgeht.

27

Folglich ist das Vorabentscheidungsersuchen zulässig.

Zur Begründetheit

28

Mit seinen Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 89/665 im Licht der Wettbewerbsregeln des Unionsrechts dahin auszulegen ist, dass er der Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, die es einem Wirtschaftsteilnehmer, der an der Teilnahme an einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags gehindert war, weil er eine der in der betreffenden Ausschreibung vorgesehenen Teilnahmevoraussetzungen nicht erfüllt hat, und dessen gegen die Aufnahme dieser Voraussetzung in die Ausschreibung gerichtete Klage durch eine rechtskräftige Entscheidung abgewiesen wurde, nicht erlaubt, die Weigerung des betreffenden öffentlichen Auftraggebers anzufechten, die Zuschlagsentscheidung aufzuheben, nachdem durch eine gerichtliche Entscheidung bestätigt worden war, dass sowohl der erfolgreiche Bieter als auch die anderen Bieter an einer Vereinbarung beteiligt waren, die einen Verstoß gegen die Wettbewerbsregeln in demselben Sektor wie demjenigen der Vergabe dieses öffentlichen Auftrags darstellt.

29

Nach Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 89/665 stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass Nachprüfungsverfahren entsprechend den gegebenenfalls von ihnen festzulegenden Bedingungen zumindest jedem zur Verfügung stehen, der ein Interesse an einem bestimmten Auftrag hat oder hatte und dem durch einen behaupteten Verstoß gegen die Bestimmungen des Unionsrechts über öffentliche Aufträge oder gegen die zu seiner Umsetzung erlassenen nationalen Regelungen ein Schaden entstanden ist bzw. zu entstehen droht (Urteil vom 28. November 2018, Amt Azienda Trasporti e Mobilità u. a., C‑328/17, EU:C:2018:958, Rn. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung).

30

Die Mitgliedstaaten sind daher nicht gehalten, diese Nachprüfungsverfahren jedem zur Verfügung zu stellen, der einen bestimmten öffentlichen Auftrag erhalten will, sondern es steht ihnen frei, zu verlangen, dass der betreffenden Person durch den behaupteten Rechtsverstoß ein Schaden entstanden ist bzw. zu entstehen droht (Urteil vom 28. November 2018, Amt Azienda Trasporti e Mobilità u. a., C‑328/17, EU:C:2018:958, Rn. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung).

31

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist es im Hinblick auf Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 89/665 grundsätzlich zulässig, die Teilnahme an einem Auftragsvergabeverfahren zur Voraussetzung dafür zu machen, dass die betreffende Person sowohl ein Interesse an dem fraglichen Auftrag als auch einen aufgrund der angeblich unrechtmäßigen Zuschlagserteilung drohenden Schaden nachweisen kann. In Ermangelung der Legung eines Angebots kann eine solche Person schwerlich dartun, dass sie ein Interesse an der Anfechtung dieser Entscheidung habe oder dass diese Zuschlagserteilung sie schädige oder zu schädigen drohe (Urteile vom 12. Februar 2004, Grossmann Air Service, C‑230/02, EU:C:2004:93, Rn. 27, und vom 28. November 2018, Amt Azienda Trasporti e Mobilità u. a., C‑328/17, EU:C:2018:958, Rn. 46).

32

Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt sich jedoch auch, dass von einem Wirtschaftsteilnehmer, der in einem Auftragsvergabeverfahren, in dem er wegen des Vorliegens bestimmter Spezifikationen in den betreffenden Ausschreibungsunterlagen oder dem betreffenden Pflichtenheft, die er nicht einhalten konnte, keine Aussicht auf Erteilung des Zuschlag hätte, kein Angebot gelegt hat, nicht verlangt werden kann, dass er als Voraussetzung dafür, mit den in der Richtlinie 89/665 vorgesehenen Nachprüfungsverfahren gegen solche Spezifikationen vorzugehen, im Rahmen des betreffenden Vergabeverfahrens ein Angebot legt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. November 2018, Amt Azienda Trasporti e Mobilità u. a., C‑328/17, EU:C:2018:958, Rn. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung).

33

Die Vorlagefragen betreffen aber den Fall eines Wirtschaftsteilnehmers, der im Rahmen eines Vergabeverfahrens kein Angebot gelegt hat, weil er eine in der betreffenden Ausschreibung vorgesehene Teilnahmevoraussetzung nicht erfüllte, und der die Aufnahme dieser Voraussetzung in diese Ausschreibung durch die Erhebung einer gegen diese Ausschreibung gerichteten Klage, die durch eine Entscheidung abgewiesen wurde, die vor der Zuschlagserteilung rechtskräftig wurde, anfechten konnte.

34

In Anbetracht der in den Rn. 30 und 31 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung kann nicht davon ausgegangen werden, dass ein solcher Wirtschaftsteilnehmer unter den Begriff „Person …, die ein Interesse an einem bestimmten Auftrag hat oder hatte und der durch einen behaupteten Verstoß ein Schaden entstanden ist bzw. zu entstehen droht“ im Sinne von Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 89/665 fällt.

35

Dabei spielt es keine Rolle, dass dieser Wirtschaftsteilnehmer in der Zwischenzeit die erforderlichen Maßnahmen ergriffen hat, um die nach der betreffenden Ausschreibung verlangte Voraussetzung zu erfüllen, so dass er im Fall der Annullierung des Vergabeverfahrens, an dem er nicht teilnehmen konnte, und der Durchführung eines neuen Verfahrens auf der Grundlage derselben Anforderungen ein Angebot einreichen und den betreffenden Auftrag erhalten könnte.

36

Der Gerichtshof hat zur Auslegung von Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 89/665 zwar festgestellt, dass die Bieter im Rahmen eines Verfahrens zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags ein äquivalentes berechtigtes Interesse daran haben, dass das Angebot anderer ausgeschlossen wird, um den betreffenden Auftrag zu erhalten (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 4. Juli 2013, Fastweb, C‑100/12, EU:C:2013:448, Rn. 33, und vom 5. April 2016, PFE, C‑689/13, EU:C:2016:199, Rn. 27), unabhängig von der Zahl der Teilnehmer am Verfahren und der Zahl der Teilnehmer, die Klagen erhoben haben (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 4. Juli 2013, Fastweb, C‑100/12, EU:C:2013:448, Rn. 33, und vom 5. April 2016, PFE, C‑689/13, EU:C:2016:199, Rn. 28 und 29).

37

Wie der Gerichtshof jedoch im Urteil vom 21. Dezember 2016, Bietergemeinschaft Technische Gebäudebetreuung und Caverion Österreich (C‑355/15, EU:C:2016:988, Rn. 30 bis 32), klargestellt hat, waren die Situationen, um die es in den Rechtssachen ging, in denen die Urteile vom 4. Juli 2013, Fastweb (C‑100/12, EU:C:2013:448), und vom 5. April 2016, PFE (C‑689/13, EU:C:2016:199), ergangen sind, dadurch gekennzeichnet, dass zum einen die Angebote der betreffenden Bieter nicht vom öffentlichen Auftraggeber ausgeschlossen worden waren, und zum anderen jeder Bieter die Ordnungsmäßigkeit des Angebots des jeweils anderen im Rahmen eines einzigen Verfahrens zur Nachprüfung der Zuschlagsentscheidung in Frage gestellt hatte, wobei jeder von ihnen ein äquivalentes berechtigtes Interesse am Ausschluss des Angebots des jeweils anderen hatte, was zu der Feststellung führen konnte, dass es dem öffentlichen Auftraggeber unmöglich war, ein ordnungsgemäßes Angebot auszuwählen.

38

Wurde dagegen ein Bieter vor Erlass der Entscheidung über die Vergabe eines öffentlichen Auftrags endgültig von der Teilnahme am Verfahren zur Vergabe des betreffenden Auftrags durch eine Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers ausgeschlossen, die durch eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung bestätigt wurde, ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 89/665 dem nicht entgegensteht, dass diesem Bieter der Zugang zu einer Nachprüfung dieser Zuschlagsentscheidung und des Abschlusses des entsprechenden Vertrags verwehrt wird (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 21. Dezember 2016, Bietergemeinschaft Technische Gebäudebetreuung und Caverion Österreich, C‑355/15, EU:C:2016:988, Rn. 35 und 36, vom 11. Mai 2017, Archus und Gama, C‑131/16, EU:C:2017:358, Rn. 57 bis 59, sowie vom 24. März 2021, NAMA u. a., C‑771/19, EU:C:2021:232, Rn. 42).

39

Wie der Gerichtshof entschieden hat, kommt es für die Befugnis eines Bieters, gegen die Zuschlagsentscheidung vorzugehen, nämlich darauf an, dass die Ausschlussentscheidung noch nicht endgültig ist (Urteil vom 21. Dezember 2021, Randstad Italia, C‑497/20, EU:C:2021:1037, Rn. 73 und 74, sowie Beschluss vom 17. Mai 2022, Estaleiros Navais de Peniche, C‑787/21, nicht veröffentlicht, EU:C:2022:414, Rn. 25). Nach Art. 2a Abs. 2 der Richtlinie 89/665 ist der Ausschluss von der Teilnahme an einem Vergabeverfahren aber endgültig, wenn er dem Bieter mitgeteilt und von einer unabhängigen Nachprüfungsstelle als rechtmäßig anerkannt wurde oder keinem Nachprüfungsverfahren mehr unterzogen werden kann.

40

Die Erwägungen in Rn. 38 des vorliegenden Urteils gelten im Übrigen auch für einen Wirtschaftsteilnehmer, der im Rahmen eines Verfahrens zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags kein Angebot gelegt hat, weil er eine der nach der betreffenden Ausschreibung verlangten Voraussetzungen nicht erfüllte und für die Vergabe dieses Auftrags nicht in Betracht kam, und dessen Klage gegen diese Ausschreibung, mit der die Rechtmäßigkeit der Einbeziehung dieser Voraussetzung in Frage gestellt wurde, durch eine rechtskräftige Entscheidung abgewiesen wurde. Die Situation eines solchen Wirtschaftsteilnehmers unterscheidet sich nämlich hinsichtlich seines endgültigen Ausschlusses von einem solchen Vergabeverfahren im Kern nicht von derjenigen eines Bieters im Sinne dieser Rn. 38.

41

Das vom vorlegenden Gericht angeführte Urteil vom 5. September 2019, Lombardi (C‑333/18, EU:C:2019:675), kann zu keinem anderen Ergebnis führen.

42

Wie sich aus den Rn. 8 bis 10 dieses Urteils ergibt, betrifft dieses nicht den Fall eines Bieters, dessen Ausschluss von der Teilnahme am Vergabeverfahren durch eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung als rechtmäßig anerkannt worden ist, sondern den gleichen Fall wie den, auf den sich die in Rn. 36 des vorliegenden Urteils angeführte Rechtsprechung bezieht, nämlich den Fall eines Bieters, der die Zulassung des Angebots eines oder mehrerer anderer Bieter für rechtswidrig hält und der selbst damit konfrontiert ist, dass sein Angebot für unzulässig gehalten wird, worüber nicht endgültig entschieden wurde.

43

Vor diesem Hintergrund erfolgen die Erwägungen in Rn. 28 des genannten Urteils, wonach der öffentliche Auftraggeber, wenn die Klage des nicht berücksichtigten Bieters für begründet erachtet wird, die Entscheidung treffen könnte, das betreffende Vergabeverfahren zu annullieren und ein neues Verfahren einzuleiten, weil die verbleibenden ordnungsgemäßen Angebote seinen Erwartungen nicht hinreichend gerecht werden. Diese Umstände, die den Gerichtshof dazu veranlassten, in Rn. 29 dieses Urteils festzustellen, dass unter solchen Umständen die Zulässigkeit der Klage des damaligen Ausgangsverfahrens nicht von der vorherigen Feststellung abhängig gemacht werden konnte, dass alle Angebote, die schlechter gereiht worden waren als die des Bieters, der die Klage erhoben hatte, ebenfalls unrechtmäßig waren, da andernfalls die praktische Wirksamkeit der Richtlinie 89/665 beeinträchtigt würde, liegen im Ausgangsverfahren nicht vor.

44

Schließlich kann der Umstand, dass sich ein von der Teilnahme an einem Vergabeverfahren endgültig ausgeschlossener Wirtschaftsteilnehmer zur Stützung seiner Klage gegen die Zuschlagsentscheidung oder gegen die Weigerung des öffentlichen Auftraggebers, diese Entscheidung rückgängig zu machen, die Beteiligung aller Bieter dieses Auftrags an einer Vereinbarung heranzieht, die einen Verstoß gegen die Wettbewerbsregeln darstellt, keine andere Auslegung von Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 89/665 rechtfertigen.

45

Ein Wirtschaftsteilnehmer, der sich in einer solchen Situation befindet, unterscheidet sich nämlich letztlich nicht von jedem anderen Wirtschaftsteilnehmer, der möglicherweise ein Angebot hätte abgeben können. Aus der in Rn. 31 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung geht aber hervor, dass dieser Umstand nicht ausreicht, um zu rechtfertigen, dass ein solcher Wirtschaftsteilnehmer unter den Begriff „Person …, die ein Interesse an einem bestimmten Auftrag hat oder hatte und der durch einen behaupteten Verstoß ein Schaden entstanden ist bzw. zu entstehen droht“ im Sinne von Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 89/665 fällt.

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Nach alledem ist auf die Fragen zu antworten, dass Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 89/665 dahin auszulegen ist, dass er der Regelung eines Mitgliedstaats nicht entgegensteht, die es einem Wirtschaftsteilnehmer, der an der Teilnahme an einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags gehindert war, weil er eine der in der betreffenden Ausschreibung vorgesehenen Teilnahmevoraussetzungen nicht erfüllt hat, und dessen gegen die Aufnahme dieser Voraussetzung in die Ausschreibung gerichtete Klage durch eine rechtskräftige Entscheidung abgewiesen wurde, nicht erlaubt, die Weigerung des betreffenden öffentlichen Auftraggebers anzufechten, die Zuschlagsentscheidung aufzuheben, nachdem durch eine gerichtliche Entscheidung bestätigt worden war, dass sowohl der erfolgreiche Bieter als auch die anderen Bieter an einer Vereinbarung beteiligt waren, die einen Verstoß gegen die Wettbewerbsregeln in demselben Sektor wie demjenigen der Vergabe dieses öffentlichen Auftrags darstellt.

Kosten

47

Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zehnte Kammer) für Recht erkannt:

 

Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 89/665/EWG des Rates vom 21. Dezember 1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge in der durch die Richtlinie 2014/23/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 geänderten Fassung

 

ist dahin auszulegen, dass

 

er der Regelung eines Mitgliedstaats nicht entgegensteht, die es einem Wirtschaftsteilnehmer, der an der Teilnahme an einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags gehindert war, weil er eine der in der betreffenden Ausschreibung vorgesehenen Teilnahmevoraussetzungen nicht erfüllt hat, und dessen gegen die Aufnahme dieser Voraussetzung in die Ausschreibung gerichtete Klage durch eine rechtskräftige Entscheidung abgewiesen wurde, nicht erlaubt, die Weigerung des betreffenden öffentlichen Auftraggebers anzufechten, die Zuschlagsentscheidung aufzuheben, nachdem durch eine gerichtliche Entscheidung bestätigt worden war, dass sowohl der erfolgreiche Bieter als auch die anderen Bieter an einer Vereinbarung beteiligt waren, die einen Verstoß gegen die Wettbewerbsregeln in demselben Sektor wie demjenigen der Vergabe dieses öffentlichen Auftrags darstellt.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Italienisch.