URTEIL DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer)

9. März 2023 ( *1 )

„Rechtsmittel – Erstellung eines Verzeichnisses der zulassungspflichtigen Stoffe – Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 – Anhang XIV – Liste der für eine Aufnahme in Anhang XIV in Frage kommenden Stoffe – Aktualisierung des Eintrags des Stoffs Bisphenol A als ‚besonders besorgniserregender Stoff‘“

In der Rechtssache C‑119/21 P

betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 25. Februar 2021,

PlasticsEurope AISBL mit Sitz in Brüssel (Belgien), vertreten durch R. Cana und E. Mullier, Avocates,

Rechtsmittelführerin,

andere Parteien des Verfahrens:

Europäische Chemikalienagentur (ECHA), vertreten durch W. Broere und A. Hautamäki als Bevollmächtigte im Beistand von S. Raes, Advocaat,

Beklagte im ersten Rechtszug,

Bundesrepublik Deutschland, zunächst vertreten durch J. Möller und D. Klebs als Bevollmächtigte, dann durch M. Möller als Bevollmächtigten,

Französische Republik, vertreten durch G. Bain und T. Stéhelin als Bevollmächtigte,

ClientEarth mit Sitz in London (Vereinigtes Königreich), vertreten durch P. Kirch, Avocat,

Streithelferinnen im ersten Rechtszug,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. Lycourgos, der Richterin L. S. Rossi, der Richter J.‑C. Bonichot und S. Rodin (Berichterstatter) sowie der Richterin O. Spineanu-Matei,

Generalanwalt: M. Szpunar,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 8. September 2022

folgendes

Urteil

1

Mit ihrem Rechtsmittel begehrt die PlasticsEurope AISBL, ein Verband, der die Interessen der europäischen Kunststoffhersteller vertritt, die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 16. Dezember 2020, PlasticsEurope/ECHA (T‑207/18, im Folgenden: angefochtenes Urteil, EU:T:2020:623), mit dem ihre Klage auf Nichtigerklärung des Beschlusses ED/01/2018 des Direktors der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) vom 3. Januar 2018 (im Folgenden: streitiger Beschluss), mit dem der bestehende Eintrag von Bisphenol A in die Liste der für eine Aufnahme in Anhang XIV der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2006 zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH), zur Schaffung einer Europäischen Chemikalienagentur, zur Änderung der Richtlinie 1999/45/EG und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 793/93 des Rates, der Verordnung (EG) Nr. 1488/94 der Kommission, der Richtlinie 76/769/EWG des Rates sowie der Richtlinien 91/155/EWG, 93/67/EWG, 93/105/EG und 2000/21/EG der Kommission (ABl. 2006, L 396, S. 1, berichtigt in ABl. 2007, L 136, S. 3) in der durch die Verordnung (EU) Nr. 253/2011 der Kommission vom 15. März 2011 (ABl. 2011, L 69, S. 7) geänderten Fassung (im Folgenden: REACH-Verordnung) in Frage kommenden Stoffe dahin ergänzt wurde, dass Bisphenol A auch als Stoff ermittelt wurde, der im Sinne von Art. 57 Buchst. f der REACH-Verordnung wegen endokriner Eigenschaften wahrscheinlich schwerwiegende Wirkungen auf die Umwelt hat, die ebenso besorgniserregend sind wie diejenigen anderer in Art. 57 Buchst. a bis e der REACH-Verordnung aufgeführter Stoffe, abgewiesen wurde.

Rechtlicher Rahmen

2

Art. 2 („Anwendung“) der REACH-Verordnung bestimmt in Abs. 8 Buchst. b, dass standortinterne isolierte Zwischenprodukte und transportierte isolierte Zwischenprodukte von Titel VII der REACH-Verordnung, der für besonders besorgniserregende Stoffe eine Zulassungspflicht vorsieht, ausgenommen sind.

3

Art. 3 („Begriffsbestimmungen“) der REACH-Verordnung bestimmt in Nr. 15:

„Zwischenprodukt: Stoff, der für die chemische Weiterverarbeitung hergestellt und hierbei verbraucht oder verwendet wird, um in einen anderen Stoff umgewandelt zu werden (nachstehend ‚Synthese‘ genannt):

a)

Nicht-isoliertes Zwischenprodukt: Zwischenprodukt, das während der Synthese nicht vorsätzlich aus dem Gerät, in dem die Synthese stattfindet, entfernt wird (außer für Stichprobenzwecke). Derartiges Gerät umfasst Reaktionsbehälter und die dazugehörige Ausrüstung sowie jegliches Gerät, das der Stoff/die Stoffe in einem kontinuierlichen oder diskontinuierlichen Prozess durchläuft/durchlaufen, sowie Rohrleitungen zum Verbringen von einem Behälter in einen anderen für den nächsten Reaktionsschritt; nicht dazu gehören Tanks oder andere Behälter, in denen der Stoff/die Stoffe nach der Herstellung gelagert wird/werden;

b)

Standortinternes isoliertes Zwischenprodukt: Zwischenprodukt, das die Kriterien eines nicht-isolierten Zwischenprodukts nicht erfüllt, dessen Herstellung und die Synthese eines anderen Stoffes/anderer Stoffe aus ihm am selben, von einer oder mehreren Rechtspersonen betriebenen Standort durchgeführt wird;

c)

Transportiertes isoliertes Zwischenprodukt: Zwischenprodukt, das die Kriterien eines nicht-isolierten Zwischenprodukts nicht erfüllt und an andere Standorte geliefert oder zwischen diesen transportiert wird“.

4

Art. 7 („Registrierung und Anmeldung von Stoffen in Erzeugnissen“) der REACH-Verordnung bestimmt in Abs. 2:

„Der Produzent oder Importeur von Erzeugnissen unterrichtet die [ECHA] nach Absatz 4 des vorliegenden Artikels, wenn ein Stoff die Kriterien nach Artikel 57 erfüllt und nach Artikel 59 Absatz 1 ermittelt ist, und wenn die beiden folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

a)

Der Stoff ist in diesen Erzeugnissen in einer Menge von insgesamt mehr als 1 Tonne pro Jahr und pro Produzent oder Importeur enthalten;

b)

der Stoff ist in diesen Erzeugnissen in einer Konzentration von mehr als 0,1 Massenprozent (w/w) enthalten.“

5

Art. 17 („Registrierung standortinterner isolierter Zwischenprodukte“) der REACH-Verordnung bestimmt in Abs. 3:

„Absatz 2 gilt für standortinterne isolierte Zwischenprodukte nur dann, wenn der Hersteller bestätigt, dass der Stoff insofern nur unter streng kontrollierten Bedingungen hergestellt und verwendet wird, als er während seines gesamten Lebenszyklus durch technische Mittel strikt eingeschlossen wird. Überwachungs- und Verfahrenstechnologien sind einzusetzen, um Emissionen und jede sich daraus ergebende Exposition zu minimieren.

Sind diese Bedingungen nicht erfüllt, so muss das Registrierungsdossier die Informationen nach Artikel 10 enthalten.“

6

Art. 18 („Registrierung transportierter isolierter Zwischenprodukte“) der REACH-Verordnung bestimmt in Abs. 4:

„Die Absätze 2 und 3 gelten für transportierte isolierte Zwischenprodukte nur dann, wenn der Hersteller oder Importeur selbst bestätigt oder erklärt, dass er die Bestätigung vom Anwender erhalten hat, dass die Synthese eines anderen Stoffes/anderer Stoffe aus diesem Zwischenprodukt an anderen Standorten unter den folgenden streng kontrollierten Bedingungen erfolgt: …“

7

Art. 33 („Pflicht zur Weitergabe von Informationen über Stoffe in Erzeugnissen“) der REACH-Verordnung bestimmt:

„(1)   Jeder Lieferant eines Erzeugnisses, das einen die Kriterien des Artikels 57 erfüllenden und gemäß Artikel 59 Absatz 1 ermittelten Stoff in einer Konzentration von mehr als 0,1 Massenprozent (w/w) enthält, stellt dem Abnehmer des Erzeugnisses die ihm vorliegenden, für eine sichere Verwendung des Erzeugnisses ausreichenden Informationen zur Verfügung, gibt aber mindestens den Namen des betreffenden Stoffes an.

(2)   Auf Ersuchen eines Verbrauchers stellt jeder Lieferant eines Erzeugnisses, das einen die Kriterien des Artikels 57 erfüllenden und gemäß Artikel 59 Absatz 1 ermittelten Stoff in einer Konzentration von mehr als 0,1 Massenprozent (w/w) enthält, dem Verbraucher die ihm vorliegenden, für eine sichere Verwendung des Erzeugnisses ausreichenden Informationen zur Verfügung, gibt aber mindestens den Namen des betreffenden Stoffes an.

Die jeweiligen Informationen sind binnen 45 Tagen nach Eingang des Ersuchens kostenlos zur Verfügung zu stellen.“

8

Art. 57 („In Anhang XIV aufzunehmende Stoffe“) der REACH-Verordnung bestimmt:

„Folgende Stoffe können nach dem Verfahren des Artikels 58 in Anhang XIV aufgenommen werden:

a)

Stoffe, die die Kriterien für die Einstufung in die Gefahrenklasse Karzinogenität der Kategorie 1A oder 1B gemäß Anhang I Abschnitt 3.6 der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 erfüllen;

b)

Stoffe, die die Kriterien für die Einstufung in die Gefahrenklasse Keimzellmutagenität der Kategorie 1A oder 1B gemäß Anhang I Abschnitt 3.5 der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 erfüllen;

c)

Stoffe, die wegen Beeinträchtigung der Sexualfunktion und Fruchtbarkeit sowie der Entwicklung die Kriterien für die Einstufung in die Gefahrenklasse Reproduktionstoxizität der Kategorie 1A oder 1B gemäß Anhang I Abschnitt 3.7 der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 erfüllen;

d)

Stoffe, die nach den Kriterien des Anhangs XIII der vorliegenden Verordnung persistent, bioakkumulierbar und toxisch sind;

e)

Stoffe, die nach den Kriterien des Anhangs XIII der vorliegenden Verordnung sehr persistent und sehr bioakkumulierbar sind;

f)

Stoffe – wie etwa solche mit endokrinen Eigenschaften oder solche mit persistenten, bioakkumulierbaren und toxischen Eigenschaften oder sehr persistenten und sehr bioakkumulierbaren Eigenschaften, die die Kriterien der Buchstaben d oder e nicht erfüllen – die nach wissenschaftlichen Erkenntnissen wahrscheinlich schwerwiegende Wirkungen auf die menschliche Gesundheit oder auf die Umwelt haben, die ebenso besorgniserregend sind wie diejenigen anderer in den Buchstaben a bis e aufgeführter Stoffe, und die im Einzelfall gemäß dem Verfahren des Artikels 59 ermittelt werden.“

9

Art. 59 („Ermittlung von in Artikel 57 genannten Stoffen“) der REACH-Verordnung bestimmt in den Abs. 3, 4, 7 und 8:

„(3)   Jeder Mitgliedstaat kann ein Dossier nach Anhang XV für Stoffe ausarbeiten, die seiner Auffassung nach die Kriterien des Artikels 57 erfüllen, und dieses der [ECHA] übermitteln. Dieses Dossier kann gegebenenfalls auf den Verweis auf einen Eintrag in Anhang VI Teil 3 der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 begrenzt werden. Die [ECHA] stellt das Dossier den anderen Mitgliedstaaten innerhalb von 30 Tagen nach Eingang zur Verfügung.

(4)   Die [ECHA] veröffentlicht auf ihrer Website einen Hinweis, dass ein Dossier nach Anhang XV für einen Stoff ausgearbeitet worden ist. Die [ECHA] fordert alle interessierten Kreise auf, der [ECHA] innerhalb einer bestimmten Frist Bemerkungen vorzulegen.

(7)   Gehen Bemerkungen ein bzw. gibt die [ECHA] selbst Bemerkungen ab, so überweist sie das Dossier innerhalb von 15 Tagen nach Ablauf der 60-Tage-Frist nach Absatz 5 an den Ausschuss der Mitgliedstaaten.

(8)   Erzielt der Ausschuss der Mitgliedstaaten innerhalb von 30 Tagen nach der Überweisung einstimmig eine Einigung über die Ermittlung, so nimmt die [ECHA] den Stoff in die in Absatz 1 genannte Liste auf. Die [ECHA] kann diesen Stoff in ihre Empfehlungen nach Artikel 58 Absatz 3 aufnehmen.“

10

Die REACH-Verordnung enthält einen Anhang XI („ALLGEMEINE BESTIMMUNGEN FÜR ABWEICHUNGEN VON DEN STANDARD-PRÜFPROGRAMMEN DER ANHÄNGE VII BIS X“). In Abschnitt 1.2. („Beweiskraft der Daten“) dieses Anhangs heißt es:

„Es ist möglich, dass Daten aus verschiedenen Quellen vorliegen, die in ihrer Gesamtheit hinreichend beweiskräftig sind und die Annahme/den Schluss zulassen, dass ein Stoff eine bestimmte gefährliche Eigenschaft besitzt oder nicht besitzt, während die Daten aus irgendeiner einzelnen dieser Quellen eine solche Aussage nicht erlauben.

Es ist möglich, dass hinreichend beweiskräftige Daten aus neuartigen Prüfungen vorliegen, die noch nicht bei den Prüfmethoden gemäß Artikel 13 Absatz 3 aufgeführt sind, oder aus einer internationalen Prüfmethode, die die [Europäische] Kommission oder die [ECHA] als gleichwertig anerkannt hat, und die den Schluss zulassen, dass ein Stoff eine bestimmte gefährliche Eigenschaft besitzt oder nicht besitzt.

Gibt es hinreichende Beweise für das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein einer bestimmten gefährlichen Eigenschaft, gilt Folgendes:

Weitere Versuche an Wirbeltieren zur Feststellung dieser Eigenschaft sind zu unterlassen.

Auf weitere nicht an Wirbeltieren vorgenommene Versuche kann verzichtet werden.

In jedem Fall ist eine ausreichende und aussagekräftige Dokumentation vorzulegen.“

Vorgeschichte des Rechtsstreits

11

Bisphenol A (2,2-Bis[4-hydroxyphenyl]propan oder 4,4’‑Isopropylidenediphenol, EG-Nr. 201-245-8, CAS-Nr. 0000080-05-7) ist ein Stoff, der hauptsächlich als Zwischenprodukt (Monomer) zur Herstellung von Polymeren wie Polycarbonat und Epoxidharzen verwendet wird, kann aber auch für andere Zwecke als die eines Zwischenprodukts verwendet werden, insbesondere zur Herstellung von Thermopapier.

12

Am 4. Januar 2017 erließ die ECHA den Beschluss ED/01/2017, mit dem Bisphenol A als in die Gefahrenklasse „Reproduktionstoxizität“ gemäß Art. 57 Buchst. c der REACH-Verordnung eingestufter Stoff in die Liste der für eine Aufnahme in Anhang XIV der REACH-Verordnung in Frage kommenden Stoffe (im Folgenden: Kandidatenliste) aufgenommen wurde.

13

Am 6. Juli 2017 erließ die ECHA den Beschluss ED/30/2017, mit dem der bestehende Eintrag des Stoffes Bisphenol A in der Kandidatenliste dahin ergänzt wurde, dass Letzterer auch als Stoff ermittelt wurde, der im Sinne von Art. 57 Buchst. f der REACH-Verordnung endokrinschädliche Eigenschaften besitzt und wahrscheinlich schwerwiegende Wirkungen auf die menschliche Gesundheit hat, die ebenso besorgniserregend sind wie diejenigen anderer in Art. 57 Buchst. a bis e der Verordnung aufgeführter Stoffe.

14

Am 29. August 2017 legte das Umweltbundesamt (Deutschland) gemäß Art. 59 Abs. 3 der REACH-Verordnung ein Dossier nach Anhang XV der Verordnung (im Folgenden: Anhang-XV-Dossier) vor und regte an, Bisphenol A auch als einen endokrinschädlichen Stoff mit nach wissenschaftlichen Erkenntnissen wahrscheinlich schwerwiegenden Wirkungen auf die Umwelt im Sinne von Art. 57 Buchst. f der REACH-Verordnung zu ermitteln.

15

Am 5. September 2017 veröffentlichte die ECHA das Anhang-XV-Dossier.

16

Am gleichen Tag forderte sie alle interessierten Kreise gemäß Art. 59 Abs. 4 der REACH-Verordnung auf, Bemerkungen zum Anhang-XV-Dossier einzureichen.

17

Die Rechtsmittelführerin reichte am 20. Oktober 2017 im Namen ihrer Mitglieder Bemerkungen zum Anhang-XV-Dossier ein.

18

Sodann erstellte das Umweltbundesamt ein auf den 14. Dezember 2017 datiertes Dokument, das seine Antworten auf alle Bemerkungen zur Ermittlung von Bisphenol A enthielt, die bei der ECHA im Rahmen der öffentlichen Anhörung eingegangen waren.

19

Die ECHA überwies das Dossier mit den Bemerkungen zur Ermittlung von Bisphenol A gemäß Art. 59 Abs. 7 der REACH-Verordnung an den Ausschuss der Mitgliedstaaten. Der Ausschuss der Mitgliedstaaten erhielt das Anhang-XV-Dossier, einen Entwurf für eine Einigung des Ausschusses der Mitgliedstaaten und ein Arbeitspapier mit der Bewertung der inhärenten Eigenschaften von Bisphenol A, auf der die Ermittlung dieses Stoffes gemäß Art. 57 Buchst. f der REACH-Verordnung beruhte (im Folgenden: Belegunterlagen).

20

In seiner 57. Sitzung vom 11. bis 15. Dezember 2017 einigte sich der Ausschuss der Mitgliedstaaten einstimmig darauf, Bisphenol A als Stoff zu ermitteln, der die Kriterien des Art. 57 Buchst. f der REACH-Verordnung erfüllt. Vier Mitgliedstaaten enthielten sich der Stimme. Die Gründe für die Ermittlung von Bisphenol A waren in einer geänderten Fassung der Belegunterlagen vom 14. Dezember 2017 aufgeführt.

21

In den Belegunterlagen in der endgültigen Fassung wird auf der Grundlage einer Analyse zahlreicher Studien festgestellt, dass Bisphenol A der Begriffsbestimmung eines endokrinen Disruptors entspreche, wie sie von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) vorgenommen und vom Sachverständigenausschuss der Kommission für endokrine Disruptoren ausgelegt worden sei, und dass aus den untersuchten In-vitro- und In-vivo-Daten hervorgehe, dass Bisphenol A bei bestimmten Fischarten als Östrogen-Agonist und bei bestimmten Amphibienarten als Schilddrüsenhormon-Antagonist wirke.

22

Weiter wird in den Belegunterlagen in der endgültigen Fassung darauf hingewiesen, dass die Untersuchungen mancher Taxa wirbelloser Tiere (Invertebraten) belegten, dass die schwerwiegenden Wirkungen von Bisphenol A auf dessen endokrine Wirkungsweise zurückgeführt werden könnten.

23

Schließlich wird in den Belegunterlagen in der endgültigen Fassung noch darauf hingewiesen, dass die Wirkungen von Bisphenol A auf Fische und Amphibien als ebenso besorgniserregend angesehen würden wie die Wirkungen der in Art. 57 Buchst. a bis e der REACH-Verordnung aufgeführten Stoffe, nämlich krebserzeugender, erbgutverändernder und fortpflanzungsgefährdender Stoffe, persistenter, bioakkumulierbarer und toxischer Stoffe (im Folgenden: PBT‑Stoffe) sowie sehr persistenter und sehr bioakkumulierbarer Stoffe (im Folgenden: vPvB-Stoffe). Die Wirkungen auf Organismen und Populationen seien nämlich schwerwiegend und unumkehrbar, und es sei schwierig, den Grenzwert für eine unbedenkliche Bisphenol-A-Exposition festzulegen.

24

Im Anschluss an die einstimmige Einigung innerhalb des Ausschusses der Mitgliedstaaten erließ die ECHA am 3. Januar 2018 gemäß Art. 59 Abs. 8 der REACH-Verordnung den streitigen Beschluss, mit dem der bestehende Eintrag des Stoffes Bisphenol A in die Kandidatenliste dahin ergänzt wurde, dass Letzterer aus den in den Belegunterlagen in der endgültigen Fassung angeführten Gründen auch ein Stoff sei, der im Sinne von Art. 57 Buchst. f der REACH-Verordnung endokrinschädliche Eigenschaften besitze und wahrscheinlich schwerwiegende Wirkungen auf die Umwelt habe, die ebenso besorgniserregend seien wie diejenigen anderer in Art. 57 Buchst. a bis e der REACH-Verordnung aufgeführter Stoffe.

Verfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil

25

Mit Klageschrift, die am 23. März 2018 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhob die Rechtsmittelführerin Klage auf Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses.

26

Die Rechtsmittelführerin machte vier Klagegründe geltend. Sie rügte mehrere offensichtliche Beurteilungsfehler, die der ECHA bei der Ermittlung von Bisphenol A als besonders besorgniserregendem Stoff im Sinne von Art. 57 Buchst. f der REACH-Verordnung unterlaufen seien (erster Klagegrund), einen Verstoß gegen Art. 59 in Verbindung mit Art. 57 Buchst. f der REACH-Verordnung (zweiter Klagegrund), einen Verstoß gegen Art. 2 Abs. 8 Buchst. b der REACH-Verordnung (dritter Klagegrund) und einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (vierter Klagegrund).

27

Die Klage wurde vom Gericht mit dem angefochtenen Urteil abgewiesen.

Anträge der Parteien vor dem Gerichtshof

28

Die Rechtsmittelführerin beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben;

den streitigen Beschluss für nichtig zu erklären;

hilfsweise, die Sache zur Entscheidung über die Nichtigkeitsklage an das Gericht zurückzuverweisen;

der ECHA die Kosten aufzuerlegen, einschließlich der Kosten des Verfahrens vor dem Gericht, einschließlich der der Streithelfer.

29

Die ECHA beantragt,

das Rechtsmittel zurückzuweisen;

der Rechtsmittelführerin die Kosten aufzuerlegen.

30

Die Bundesrepublik Deutschland beantragt,

das Rechtsmittel zurückzuweisen;

der Rechtsmittelführerin die Kosten aufzuerlegen.

31

Die Französische Republik beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.

32

ClientEarth beantragt,

das Rechtsmittel zurückzuweisen;

der Rechtsmittelführerin ihre eigenen Kosten sowie die Kosten der ECHA und der Französischen Republik und ihre Kosten aufzuerlegen, einschließlich der im ersten Rechtszug entstandenen Kosten.

Zum Rechtsmittel

33

Die Rechtsmittelführerin macht fünf Rechtsmittelgründe geltend.

34

Mit dem ersten Rechtsmittelgrund werden mehrere Rechtsfehler gerügt, die dem Gericht bei der von ihm vorzunehmenden Überprüfung der von der ECHA im Zusammenhang mit der Anwendung von Art. 57 Buchst. f der REACH-Verordnung vorgenommenen Bewertung der wissenschaftlichen Erkenntnisse unterlaufen seien. Der erste Rechtsmittelgrund besteht aus vier Teilen, die sich jeweils auf die Überprüfung folgender Rügen durch das Gericht beziehen: Die ECHA habe zuverlässige und relevante Studien, mit denen der endgültige Beschluss nicht zu vereinbaren sei, nicht berücksichtigt (erster Teil), Studien, die den endgültigen Beschluss stützten, aber wenig aussagekräftig seien, berücksichtigt (zweiter Teil), Studien, die den endgültigen Beschluss stützten, ein höheres Gewicht beigemessen (dritter Teil) und Studien zu Bisphenol A, die von anderen Agenturen und Organen der Union durchgeführt worden seien, nicht berücksichtigt (vierter Teil).

35

Mit dem zweiten Rechtsmittelgrund werden eine unzutreffende Auslegung von Art. 57 Buchst. f der REACH-Verordnung, eine Verfälschung der Schriftsätze der Rechtsmittelführerin und eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gerügt.

36

Mit dem dritten Rechtsmittelgrund werden Rechtsfehler des Gerichts bei der Würdigung der Beweismittel betreffend die Zuverlässigkeit wissenschaftlicher Studien und eine Verfälschung der Beweismittel gerügt.

37

Mit dem vierten Rechtsmittelgrund wird ein unrichtiges Verständnis des Vorsorgeprinzips gerügt.

38

Mit dem fünften Rechtsmittelgrund werden eine unzutreffende Auslegung von Art. 2 Abs. 8 Buchst. b der REACH-Verordnung und ein Verstoß gegen die Begründungspflicht gerügt.

Zum ersten Rechtsmittelgrund: Mehrere Rechtsfehler, die dem Gericht bei der von ihm vorzunehmenden Überprüfung der von der ECHA im Zusammenhang mit der Anwendung von Art. 57 Buchst. f der REACH-Verordnung vorgenommenen Bewertung der wissenschaftlichen Erkenntnisse unterlaufen sein sollen

Zum ersten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes: Vom Gericht vorgenommene Überprüfung der Nichtberücksichtigung zuverlässiger und relevanter Studien, mit denen der endgültige Beschluss nicht zu vereinbaren ist, durch die ECHA

– Vorbringen der Parteien

39

Mit dem ersten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes macht die Rechtsmittelführerin geltend, dass das Gericht in Rn. 64 des angefochtenen Urteils den Grundsatz der Wissenschaftlichkeit, den Begriff „Beweiskraft der Beweismittel“ und die Verpflichtung der ECHA zur Berücksichtigung sämtlicher relevanten Informationen nicht richtig aufgefasst und nicht richtig angewandt habe.

40

Indem es in Rn. 64 des angefochtenen Urteils angenommen habe, dass „ein offensichtlicher Beurteilungsfehler … nur festgestellt werden [könnte], wenn die ECHA zu Unrecht eine zuverlässige Studie völlig missachtet hätte, bei deren Berücksichtigung sich die Gesamtwürdigung der Beweise derart geändert hätte, dass der endgültige Beschluss nicht mehr plausibel gewesen wäre“, habe das Gericht der ECHA gestattet, zuverlässige wissenschaftliche Studien außer Betracht zu lassen, solange sie sie nicht „zu Unrecht … völlig“ außer Betracht gelassen habe. Das Gericht habe damit die Grenzen der gerichtlichen Überprüfung der Entscheidungen der ECHA nicht eingehalten, die sich nur auf offensichtliche Beurteilungsfehler erstrecke. Wenn eine Studie zuverlässig und relevant sei, müssten ihre Ergebnisse bei der Beurteilung der Beweiskraft der Beweismittel wegen der Verpflichtung der ECHA zur Berücksichtigung aller relevanten Informationen berücksichtigt werden.

41

Außerdem würden mit dem angefochtenen Urteil, wenn von ihr verlangt werde, dass sie nachweise, dass das ECHA eine Studie zu Unrecht völlig missachtet habe und dass sich die Gesamtwürdigung der Beweise bei Berücksichtigung der Studie derart geändert hätte, dass der endgültige Beschluss der ECHA nicht mehr plausibel gewesen wäre, bei der Anfechtung der von der ECHA im Rahmen von Art. 57 Buchst. f der REACH-Verordnung vorgenommenen Bewertung der Beweiskraft der Beweismittel Anforderungen an den Nachweis gestellt, die nicht zumutbar und nicht realisierbar seien.

42

Solche Anforderungen seien auch nicht mit der ratio legis und dem Begriff „Beweiskraft“, wie er in Abschnitt 1.2 des Anhangs XI der REACH-Verordnung definiert werde, zu vereinbaren. Gebe es mehr als eine Studie, die eine bestimmte Schlussfolgerung rechtfertige, sei eine Beurteilung der Beweiskraft der Beweismittel nämlich per definitionem geboten. Eine Studie allein sei daher niemals ausreichend, um die Schlussfolgerung, zu der die ECHA gelange, zu entkräften. Jede Nichtberücksichtigung der Ergebnisse einer zuverlässigen wissenschaftlichen Studie zu Bisphenol A, die für die Eigenschaft relevant seien, die im Rahmen einer Bewertung der Beweiskraft der Beweismittel untersucht werde, stelle einen offensichtlichen Beurteilungsfehler, einen Verstoß gegen die Verpflichtung der ECHA zur Berücksichtigung sämtlicher relevanten Informationen und einen Verstoß gegen den Grundsatz der Wissenschaftlichkeit dar.

43

Die ECHA, die Bundesrepublik Deutschland, die Französische Republik und ClientEarth treten dem Vorbringen der Rechtsmittelführerin entgegen. Ihrer Auffassung nach ist der erste Teil des ersten Rechtsmittelgrundes nicht stichhaltig.

– Würdigung durch den Gerichtshof

44

Das Vorbringen der Rechtsmittelführerin im Rahmen des ersten Teils des ersten Rechtsmittelgrundes beruht auf einem unrichtigen Verständnis der betreffenden Stellen des angefochtenen Urteils.

45

In Rn. 62 des angefochtenen Urteils hat das Gericht zu Recht angenommen, dass der ECHA bei der Ermittlung besonders besorgniserregender Stoffe gemäß Art. 57 Buchst. f der REACH-Verordnung im Hinblick auf die von ihr dabei durchzuführenden wissenschaftlichen und technischen Beurteilungen ein weites Ermessen zuzuerkennen ist (vgl. entsprechend Urteile vom 22. November 2017, Kommission/Bilbaína de Alquitranes u. a., C‑691/15 P, EU:C:2017:882, Rn. 34, und vom 15. Oktober 2020, Deza/Kommission, C‑813/18 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2020:832, Rn. 40).

46

Da die Unionsbehörden insbesondere in Bezug auf die hoch komplexen wissenschaftlichen und technischen tatsächlichen Umstände bei der Festlegung von Art und Umfang der von ihnen in diesem Zusammenhang erlassenen Maßnahmen über ein weites Ermessen verfügen, muss sich die Kontrolle durch den Unionsrichter auf die Prüfung beschränken, ob die Ausübung dieses Ermessens nicht offensichtlich fehlerhaft ist, einen Ermessensmissbrauch darstellt oder die Unionsbehörden die Grenzen ihres Ermessens offensichtlich überschritten haben. In einem solchen Kontext darf der Unionsrichter nämlich nicht seine Beurteilung der tatsächlichen Umstände wissenschaftlicher und technischer Art an die Stelle derjenigen der Organe setzen, denen allein der AEU‑Vertrag diese Aufgabe anvertraut hat (Urteile vom 21. Juli 2011, Nickel Institute, C‑14/10, EU:C:2011:503, Rn. 60, und 15. Oktober 2020, Deza/Kommission, C‑813/18 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2020:832, Rn. 41).

47

Das weite Ermessen der Unionsbehörden, das eine begrenzte gerichtliche Kontrolle seiner Ausübung impliziert, bezieht sich nicht ausschließlich auf die Art und die Tragweite der zu erlassenden Maßnahmen, sondern in bestimmtem Umfang auch auf die Feststellung der Grunddaten. Für diese gerichtliche Kontrolle ist es aber, auch wenn sie begrenzt ist, erforderlich, dass die Unionsbehörden, die den betreffenden Rechtsakt erlassen haben, in der Lage sind, vor dem Unionsrichter zu belegen, dass sie beim Erlass des Rechtsakts ihr Ermessen tatsächlich ausgeübt haben, was voraussetzt, dass alle erheblichen Faktoren und Umstände der Situation, die mit diesem Rechtsakt geregelt werden sollte, berücksichtigt worden sind (Beschluss vom 4. September 2014, Cindu Chemicals u. a./ECHA, C‑289/13 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2014:2175, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).

48

In Rn. 63 des angefochtenen Urteils stellt das Gericht fest: „Im vorliegenden Fall erfolgte die Ermittlung des betreffenden Stoffes als besonders besorgniserregend mit Hilfe des ‚Beweiskraft der Daten‘-Ansatzes. Nach Nr. 1.2 des Anhangs XI der [REACH-Verordnung] ist dieser Ansatz dadurch gekennzeichnet, dass die Annahme, dass ein Stoff eine bestimmte gefährliche Eigenschaft besitzt oder nicht besitzt, rechtswirksam auf Beweise aus verschiedenen voneinander unabhängigen Informationsquellen gestützt werden kann, während die Daten aus irgendeiner einzelnen dieser Quellen für sich genommen möglicherweise unzureichend sind, um diese Annahme oder Schlussfolgerung zu erlauben.“

49

Das Gericht führt hierzu weiter aus, dass „die Ermittlung eines Stoffes mit Hilfe des ‚Beweiskraft der Daten‘-Ansatzes auf der Grundlage vollständiger Daten erfolgen muss, die es der zuständigen Behörde erlauben, das ihr nach den Art. 57 und 59 der [REACH-Verordnung] zustehende Ermessen unter Berücksichtigung aller relevanten Beweise auszuüben, die ihr beim Erlass ihres Beschlusses zur Verfügung stehen“.

50

Die Tragweite von Rn. 64 des angefochtenen Urteils ist nach Maßgabe dieser in den Rn. 62 und 63 des angefochtenen Urteils dargelegten Grundsätze zu prüfen, die von der Rechtsmittelführerin mit ihrem Rechtsmittel nicht angegriffen werden. Das Gericht nimmt in Rn. 64 des angefochtenen Urteils zu Recht an, dass die ECHA bei der Beurteilung der Beweiskraft der Beweismittel „Studien außer Betracht lassen darf, die sie aus plausiblen Gründen im Zusammenhang mit der inneren Kohärenz der durchgeführten Bewertung für irrelevant hält“. Nicht zu beanstanden ist auch die Annahme des Gerichts, dass die Verpflichtung der ECHA, alle einschlägigen und verfügbaren Beweise zu berücksichtigen, nicht bedeuten könne, dass die ECHA verpflichtet wäre, sämtliche Studien, die jemals durchgeführt worden seien, unabhängig von ihrer Zuverlässigkeit oder Relevanz in ihre Bewertung einzuschließen, zumal Bisphenol A einer der weltweit am intensivsten erforschten Stoffe sei.

51

In Rn. 64 des angefochtenen Urteils stellt das Gericht im letzten Satz fest, dass „[e]in offensichtlicher Beurteilungsfehler … nur festgestellt werden [könnte], wenn die ECHA zu Unrecht eine zuverlässige Studie völlig missachtet hätte, bei deren Berücksichtigung sich die Gesamtwürdigung der Beweise derart geändert hätte, dass der endgültige Beschluss nicht mehr plausibel gewesen wäre.“

52

Entgegen dem Vorbringen der Rechtsmittelführerin kann dieser Satz nicht dahin verstanden werden, dass das Gericht angenommen hätte, dass die ECHA wegen des weiten Ermessens, über das sie verfüge, befugt gewesen wäre, relevante Gesichtspunkte einer zuverlässigen Studie, bei deren Berücksichtigung sich die Gesamtwürdigung der Beweise derart geändert hätte, dass der endgültige Beschluss nicht mehr plausibel gewesen wäre, außer Betracht zu lassen. Nach seinem Kontext bezieht sich der Ausdruck „zu Unrecht … völlig“ auf den Fall, dass die ECHA gegen ihre Verpflichtung verstoßen hat, solche relevanten, zuverlässigen und entscheidungserheblichen Beweismittel bei ihrer Bewertung zu berücksichtigen. Hingegen stellt es keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler dar, wenn die ECHA nicht relevante Gesichtspunkte einer zuverlässigen Studie oder Gesichtspunkte, durch die sich die Gesamtwürdigung ohnehin nicht derart hätte ändern können, dass der endgültige Beschluss nicht mehr plausibel gewesen wäre, außer Betracht gelassen hat.

53

Ausgehend von diesen Erwägungen prüft das Gericht in den Rn. 66 bis 70 des angefochtenen Urteils anhand der verschiedenen Studien, die die Rechtsmittelführerin vorgelegt hat, ob die ECHA relevante Gesichtspunkte einer zuverlässigen Studie außer Betracht gelassen hat, bei deren Berücksichtigung sich die Gesamtwürdigung der Beweise geändert hätte.

54

Wie der Generalanwalt in Nr. 90 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, stellt das Gericht in den Rn. 67 und 69 des angefochtenen Urteils fest, dass die ECHA die relevanten Gesichtspunkte von zwei der vier von der Rechtsmittelführerin angeführten Studien, wenn auch nur mittelbar, berücksichtigt habe. Bei den Gesichtspunkten der von der Rechtsmittelführerin angeführten Studien, die von der ECHA nicht berücksichtigt wurden, prüft das Gericht in den Rn. 66 bis 68 des angefochtenen Urteils die Ausführungen der ECHA zur fehlenden Relevanz dieser Gesichtspunkte. Damit hat das Gericht die Grenzen der gerichtlichen Überprüfung gemäß der oben in den Rn. 45 bis 47 dargestellten Rechtsprechung nicht überschritten.

55

Was den Rechtsfehler angeht, der dem Gericht hinsichtlich der Anforderungen an den von der Rechtsmittelführerin zu erbringenden Nachweis unterlaufen sein soll, kann es mit der Feststellung sein Bewenden haben, dass dieses Vorbringen auf demselben unrichtigen Verständnis der betreffenden Stellen des angefochtenen Urteils beruht wie das, das oben in Rn. 52 aufgedeckt worden ist.

56

Folglich ist der erste Teil des ersten Rechtsmittelgrundes als unbegründet zurückzuweisen.

Zum zweiten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes: Vom Gericht vorgenommene Überprüfung der Berücksichtigung wenig zuverlässiger Studien, die den endgültigen Beschluss stützen, durch die ECHA

– Vorbringen der Parteien

57

Mit dem zweiten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes wendet sich die Rechtsmittelführerin gegen die Annahme des Gerichts in Rn. 82 des angefochtenen Urteils, dass es nicht zu beanstanden sei, dass die ECHA bei der Ermittlung von Bisphenol A als besonders besorgniserregendem Stoff wenig zuverlässige Studien herangezogen habe. Die geringe Zuverlässigkeit einer bestimmten Studie stehe ihrer Berücksichtigung aber absolut und generell entgegen.

58

Die Rechtsmittelführerin bestreitet nicht, dass Studien, bei denen es sich nicht um Standard-Studien handelt, als Beweismittel berücksichtigt werden können. Sie macht vielmehr geltend, dass das Gericht rechtsfehlerhaft angenommen habe, dass die ECHA zur Stützung des streitigen Beschlusses wenig oder gar nicht zuverlässige Studien als Beweise habe heranziehen können.

59

Indem es der ECHA einen solchen Handlungsspielraum zugestehe, ermögliche es das angefochtene Urteil der ECHA, wissenschaftliche Daten willkürlich zusammenzustellen und sich dabei diejenigen herauszusuchen, die ihre Annahme stützten. Die ECHA könne ihre Schlussfolgerungen in keinem Fall auf die Ergebnisse nicht oder wenig zuverlässiger Studien stützen, sondern nur auf Schlüsselstudien. Das Gericht habe in den Rn. 168, 169, 174 und 184 des angefochtenen Urteils aber zu Unrecht angenommen, dass es nicht zu beanstanden sei, dass die ECHA solche nicht oder wenig zuverlässigen Studien nicht nur als Studien „zur Untermauerung“, sondern als Schlüsselstudien herangezogen habe.

60

Wenig oder nicht zuverlässige Studien genügten nicht den allgemeinen Anforderungen an die Wissenschaftlichkeit, wie sie von den wissenschaftlichen Gremien für Studien festgelegt worden seien, deren Ergebnisse als wissenschaftliche Beweise verwertbar sein sollen. Studien, die keine Standard-Studien seien, müssten nicht automatisch außer Betracht gelassen werden. Sie seien möglicherweise aber nicht zuverlässig oder nicht relevant, etwa, wenn zum Beispiel ihre Methodik nicht ordnungsgemäß dokumentiert oder gerechtfertigt sei oder wenn bei der Durchführung der Studie eine unrichtige Konzeption zugrunde gelegt worden sei. Wissenschaftliche Daten minderer Qualität könnten jedoch nicht als wissenschaftliche Beweismittel herangezogen werden, um Beschlüsse der ECHA zu rechtfertigen.

61

Die ECHA, die Bundesrepublik Deutschland, die Französische Republik und ClientEarth treten dem Vorbringen der Rechtsmittelführerin entgegen. Nach ihrer Auffassung ist der zweite Teil des ersten Rechtsmittelgrundes nicht stichhaltig.

– Würdigung durch den Gerichtshof

62

In den Rn. 71 bis 90 des angefochtenen Urteils geht das Gericht auf das Vorbringen der Rechtsmittelführerin ein, dass die ECHA zu Unrecht „nicht standardisierte“ oder „explorative“ Studien, d. h. Studien, die nicht im Einklang mit national oder international validierten Methoden durchgeführt worden seien, berücksichtigt habe.

63

Das Gericht stellt in Rn. 76 des angefochtenen Urteils fest, dass „[d]ie ECHA … Bisphenol A als besonders besorgniserregenden Stoff gemäß Art. 57 Buchst. f der REACH-Verordnung unter Rückgriff auf den … ‚Beweiskraft der Daten‘-Ansatz ermittelt [habe]“, der verlange, dass die zuständige Behörde „alle Beweise …, die … relevant sind“, berücksichtige.

64

Nach einer Prüfung der einschlägigen Vorschriften der REACH-Verordnung gelangt das Gericht in Rn. 82 des angefochtenen Urteils zu dem Schluss, dass „Schlussfolgerungen, die die inhärenten Eigenschaften eines bestimmten Stoffes betreffen, auf nicht standardisierte oder nicht validierte Daten gestützt werden dürfen, wenn die ECHA einen Stoff auf der Grundlage des ‚Beweiskraft der Daten‘-Ansatzes als besonders besorgniserregend ermittelt“. Das Gericht führt dort weiter aus, dass es „dem Wesen dieses Ansatzes [entspricht], dass die fehlende Standardisierung und gegebenenfalls geringe Zuverlässigkeit dieser Daten im Rahmen der Gewichtung der Beweise bei der Identifizierung der inhärenten Eigenschaften eines Stoffes in Betracht zu ziehen ist, ohne dass die geringe Zuverlässigkeit einer bestimmten Studie ihrer Berücksichtigung bei der Ermittlung eines Stoffes gemäß Art. 57 Buchst. f der [REACH-Verordnung] absolut und generell entgegenstünde.“

65

Rn. 82 des angefochtenen Urteils ist im Zusammenhang mit dessen Rn. 106 zu sehen, wo es heißt, dass die Schlüsselstudien in den Belegunterlagen in der endgültigen Fassung nach ihrer Zuverlässigkeit und ihrer Relevanz ermittelt worden seien. Zuverlässige Studien, die die meisten Informationen über die endokrine Wirkungsweise und deren Konsequenzen enthielten, würden in den Belegunterlagen als „Schlüsselstudien“ qualifiziert, während weniger zuverlässige Studien mit weniger Informationen über die endokrine Wirkungsweise nur zur Untermauerung der hauptsächlich aus den Schlüsselstudien gezogenen Schlussfolgerungen herangezogen würden und somit zur Beweiskraft der Daten beitrügen.

66

Das Gericht hat also angenommen, dass – unter dem ausdrücklichen Vorbehalt, dass dem Grad der Zuverlässigkeit bei der Gewichtung der Beweismittel insoweit Rechnung getragen werde, als den zuverlässigsten Studien die höchste Bedeutung beigemessen werde – nicht zu beanstanden sei, dass die ECHA bei der Beurteilung der Beweiskraft der ihr vorliegenden Beweismittel unterschiedlich zuverlässige Studien herangezogen habe. Entgegen dem Vorbringen der Rechtsmittelführerin ist dem Gericht insoweit kein Rechtsfehler unterlaufen.

67

Entsprechend hat das Gericht auch in den Rn. 168, 169, 174, 175 und 184 des angefochtenen Urteils rechtsfehlerfrei angenommen, dass es nicht zu beanstanden sei, dass die ECHA bestimmte wenig zuverlässige Studien berücksichtigen habe, insbesondere dann, wenn diese Studien die Schlussfolgerungen gestützt hätten, die aus Schlüsselstudien mit einer höheren Beweiskraft gezogen worden seien.

68

Somit ist der zweite Teil des ersten Rechtsmittelgrundes als unbegründet zurückzuweisen.

Zum dritten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes: Das Gericht habe mit der Annahme, dass es nicht zu beanstanden sei, dass die ECHA bevorzugt wissenschaftliche Studien herangezogen habe, die ihren endgültigen Beschluss gestützt hätten, einen Rechtsfehler begangen und die Beweismittel verfälscht

– Vorbringen der Parteien

69

Mit dem dritten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes macht die Rechtsmittelführerin geltend, dass das Gericht in den Rn. 106, 116 bis 118, 152 und 208 des angefochtenen Urteils rechtsfehlerhaft den Ansatz der ECHA gebilligt habe, wissenschaftlichen Studien, die ihre Annahme gestützt hätten, ein höheres Gewicht beizumessen. Damit habe das Gericht auch die ihm vorgelegten Beweismittel verfälscht und gegen den Grundsatz der Wissenschaftlichkeit, gegen die Grundsätze betreffend die Anwendbarkeit des Begriffs „Beweiskraft der Beweismittel“, wie er in Abschnitt 1.2 des Anhangs XI der REACH-Verordnung definiert sei, und gegen die Verpflichtung zur Berücksichtigung sämtlicher relevanten Informationen verstoßen.

70

Zu den Rn. 106 und 208 des angefochtenen Urteils macht die Rechtsmittelführerin geltend, dass das Gericht dort festgestellt habe, dass bei der Auswahl der Schlüsselstudien nicht allein auf die Zuverlässigkeit der Studien abgestellt worden sei, sondern auch darauf, ob sie die Annahme der ECHA gestützt hätten.

71

In den Rn. 116 bis 118 des angefochtenen Urteils habe das Gericht angenommen, dass die ECHA bei der Beurteilung der Beweiskraft der ihr vorliegenden Beweismittel In-vitro-Daten zu berücksichtigen gehabt habe, obwohl diese eventuell weniger verlässlich und kaum aussagekräftig seien, soweit sie die in den In-vivo-Studien zu Fischen und Amphibien beobachteten Wirkungen untermauerten und mit den Schlussfolgerungen übereinstimmten, die aus den in vivo beobachteten Wirkungen gezogen worden seien. Das Gericht habe damit die Möglichkeit der betroffenen Beteiligten eingeschränkt, das Verhalten der ECHA vor den Unionsgerichten wirksam anzufechten.

72

Weiter habe das Gericht in Rn. 152 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass die Mängel der Studie von Chen et al. (2015) im Hinblick darauf zu beurteilen seien, ob die Studie gleichwohl die Schlussfolgerung untermauern könnte, die sie stützen sollte.

73

Das Gericht habe im angefochtenen Urteil auch zu Unrecht angenommen, dass die ECHA wenig zuverlässige Studien, je nachdem, ob deren Ergebnisse ihre Annahme bestätigt oder widerlegt hätten, habe heranziehen bzw. nicht heranziehen können.

74

Die ECHA, die Bundesrepublik Deutschland, die Französische Republik und ClientEarth treten dem Vorbringen der Rechtsmittelführerin entgegen. Nach ihrer Auffassung ist der dritte Teil des ersten Rechtsmittelgrundes nicht stichhaltig.

– Würdigung durch den Gerichtshof

75

Mit dem dritten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes macht die Rechtsmittelführerin geltend, dass das Gericht den Ansatz der ECHA gebilligt habe, dass sich die Beweiskraft der Studien danach richte, ob diese ihre Annahme bestätigten oder widerlegten. Der dritte Teil des ersten Rechtsmittelgrundes beruht jedoch auf einem unrichtigen Verständnis der Rn. 106, 116 bis 118, 152 und 208 des angefochtenen Urteils.

76

Denn, wie bereits ausgeführt (siehe oben, Rn. 65 und 66), wird in Rn. 106 des angefochtenen Urteils dargelegt, dass in den Belegunterlagen in der endgültigen Fassung unterschieden wird zwischen zuverlässigen Studien, die die meisten Informationen über die endokrine Wirkungsweise und deren Konsequenzen enthalten und als „Schlüsselstudien“ eingestuft werden, und weniger zuverlässigen Studien, die weniger Informationen über die endokrine Wirkungsweise enthalten und nur zur Untermauerung der hauptsächlich aus den Schlüsselstudien gezogenen Schlussfolgerungen herangezogen werden. Anders gewendet: Mit dem in Rn. 106 des angefochtenen Urteils beschriebenen Ansatz wird bei den Studien nicht danach unterschieden, ob sie die Annahme der ECHA bestätigen oder widerlegen, sondern danach, ob sie zuverlässig und weniger zuverlässig sind.

77

Diese Feststellung gilt auch für die Rn. 116 bis 118, 152 und 208 des angefochtenen Urteils.

78

Das Gericht hat in den Rn. 106, 116 bis 118, 152 und 208 des angefochtenen Urteils also nicht einen Ansatz der ECHA „bestätigt“, der darin bestanden hätte, bevorzugt wissenschaftliche Studien heranzuziehen, die ihre Annahme bestätigen.

79

Folglich ist der dritte Teil des ersten Rechtsmittelgrundes als unbegründet zurückzuweisen.

Zum vierten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes: Vom Gericht vorgenommene Überprüfung der Nichtberücksichtigung der von anderen Agenturen und Organen der Union durchgeführten Studien zu Bisphenol A durch die ECHA

– Vorbringen der Parteien

80

Mit dem vierten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes macht die Rechtsmittelführerin geltend, dass das Gericht in den Rn. 109 und 176 des angefochtenen Urteils rechtsfehlerhaft angenommen habe, dass es nicht zu beanstanden sei, dass die ECHA bei der Bewertung, die zum Erlass des streitigen Beschlusses geführt habe, die Schlussfolgerungen, zu denen andere Agenturen und Organe der Union hinsichtlich der Daten zu Bisphenol A gelangt seien, außer Betracht gelassen habe, nämlich den im Februar 2010 vom Vereinigten Königreich gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 793/93 des Rates vom 23. März 1993 zur Bewertung und Kontrolle der Umweltrisiken chemischer Altstoffe (ABl. 1993, L 84, S. 1) und dem von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) erstellten Protokoll zur Bewertung der von Bisphenol A ausgehenden Gefahren erstellten Bericht der Union zur Bewertung der mit Bisphenol A verbundenen Risiken.

81

Wissenschaftliche Schlussfolgerungen und/oder Ansätze betreffend die Beurteilung der Daten, die auf der Ebene der Union in Bezug auf denselben Stoff relevant seien, könnten nicht allein deshalb außer Betracht gelassen werden, weil ihnen eine andere Zielsetzung zugrunde gelegen habe. Dies würde divergierenden Regelungen und Widersprüchen Vorschub leisten und wäre nicht mit dem Grundsatz der Wissenschaftlichkeit vereinbar. Es würde zu dem abwegigen Ergebnis führen, dass Daten oder eine bessere Praxis aus anderen Regelungszusammenhängen für die Ermittlung eines Stoffes als besonders besorgniserregender Stoff im Sinne der REACH-Verordnung nie relevant wären.

82

Außerdem habe das Gericht angenommen, dass die verschiedenen Ziele, die von mehreren Informationsquellen verfolgt würden, was die Zuverlässigkeit der wissenschaftlichen Daten angehe, zu verschiedenen Schlussfolgerungen führen könnten. Ob eine Studie zuverlässig sei oder nicht, sei jedoch eine inhaltliche Frage. Maßgeblich sei insoweit, ob die Mindestanforderungen an die Wissenschaftlichkeit erfüllt seien. Es komme nicht darauf an, in welchem Kontext die Studie durchgeführt worden sei.

83

Die ECHA, die Bundesrepublik Deutschland, die Französische Republik und ClientEarth treten dem Vorbringen der Rechtsmittelführerin entgegen. Nach ihrer Auffassung ist der vierte Teil des ersten Rechtsmittelgrundes nicht stichhaltig.

– Würdigung durch den Gerichtshof

84

Nach Art. 256 Abs. 1 AEUV und Art. 58 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist das Rechtsmittel auf Rechtsfragen beschränkt. Für die Feststellung und Beurteilung der relevanten Tatsachen sowie für die Beweiswürdigung ist allein das Gericht zuständig. Folglich ist der Gerichtshof im Rahmen eines Rechtsmittels nicht für die Feststellung der Tatsachen zuständig und grundsätzlich nicht befugt, die Beweise zu prüfen, auf die das Gericht seine Feststellungen gestützt hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. Oktober 2021, Vialto Consulting/Kommission, C‑650/19 P, EU:C:2021:879, Rn. 58 und die dort angeführte Rechtsprechung).

85

Die Befugnis des Gerichtshofs zur Kontrolle der Tatsachenfeststellungen des Gerichts erstreckt sich daher insbesondere darauf, ob sich aus den Prozessakten ergibt, dass diese Feststellungen tatsächlich falsch sind, wie sie rechtlich zu qualifizieren sind, ob Tatsachen oder Beweismittel verfälscht wurden und ob die Vorschriften über die Beweislast und das Beweisverfahren eingehalten wurden (Urteile vom 25. Januar 2007, Sumitomo Metal Industries und Nippon Steel/Kommission, C‑403/04 P und C‑405/04 P, EU:C:2007:52, Rn. 39, und vom 11. Mai 2017, Dyson/Kommission, C‑44/16 P, EU:C:2017:357, Rn. 31).

86

Mit ihrem Vorbringen im Rahmen des vierten Teils des ersten Rechtsmittelgrundes will die Rechtsmittelführerin letztlich erreichen, dass der Gerichtshof die vom Gericht vorgenommene Beurteilung der Tatsachen überprüft. Dafür ist der Gerichtshof im Rahmen eines Rechtsmittels nach der oben in den Rn. 84 und 85 dargestellten Rechtsprechung aber nicht zuständig (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Dezember 2021, PlasticsEurope/ECHA, C‑876/19 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2021:1047, Rn. 80).

87

Der vierte Teil des ersten Rechtsmittelgrundes ist mithin als unzulässig zurückzuweisen.

88

Folglich ist der erste Rechtsmittelgrund als teils unzulässig, teils unbegründet zurückzuweisen.

Zum zweiten Rechtsmittelgrund: Verfälschung der Schriftsätze der Rechtsmittelführerin, unzutreffende Auslegung von Art. 57 Buchst. f der REACH-Verordnung und Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör

Vorbringen der Parteien

89

Mit dem zweiten Rechtsmittelgrund macht die Rechtsmittelführerin geltend, dass das Gericht in den Rn. 220 bis 226 des angefochtenen Urteils, die das Kriterium gemäß Art. 57 Buchst. f der REACH-Verordnung, dass die Wirkungen des Stoffs ebenso besorgniserregend sein müssen wie diejenigen anderer in den Art. 57 Buchst. a bis e der REACH-Verordnung aufgeführter Stoffe, betreffen, ihr Vorbringen verfälscht, Art. 57 Buchst. f der REACH-Verordnung nicht richtig ausgelegt und ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt habe.

90

In Rn. 224 des angefochtenen Urteils habe das Gericht das Kriterium, dass die Wirkungen des Stoffs ebenso besorgniserregend sein müssten, damit verwechselt, dass der Stoff dieselben Eigenschaften haben müsse. Indem es angenommen habe, dass sie die Auffassung vertrete, dass ein Stoff nur dann unter Art. 57 Buchst. f der REACH-Verordnung falle, wenn er PBT‑ und/oder vPvB-Eigenschaften besitze, habe das Gericht ihr Vorbringen verfälscht.

91

Sie habe im Verfahren vor dem Gericht vielmehr die Auffassung vertreten, dass ein Stoff nur dann unter Art. 57 Buchst. f der REACH-Verordnung fallen könne, wenn er für die Umwelt ebenso besorgniserregend sei wie PBT‑ und/oder vPvB-Stoffe im Sinne von Art. 57 Buchst. d und e der REACH-Verordnung, ohne dass er unbedingt dieselben Eigenschaften haben müsse wie PBT‑ und/oder vPvB-Stoffe.

92

Außerdem habe sie in ihrer Antwort auf die Fragen des Gerichts dargetan, unter welchen Mängeln die von der ECHA vorgenommene Bewertung der Frage, ob die Wirkungen des Stoffes ebenso besorgniserregend seien, leide. Als Erstes habe sie dort in Rn. 63 darauf hingewiesen, dass sich aus Anhang XIII der REACH-Verordnung und den Vorarbeiten zur Verordnung ergebe, dass die PBT‑ und/oder vPvB-Stoffe deshalb als besonders besorgniserregend für die Umwelt eingestuft würden, weil ihre Wirkungen nach einer Akkumulation in der Umwelt irreversibel seien.

93

Als Zweites sei sie in Rn. 65 der Antwort auf die Fragen des Gerichts auf die Frage eingegangen, ob die ECHA nachgewiesen habe, dass Bisphenol A, ein Stoff, der schnell abbaubar sei und ein geringes Bioakkumulationspotenzial habe, für die Umwelt ebenso besorgniserregend sei wie Stoffe mit PBT‑ und/oder vPvB-Eigenschaften.

94

Als Drittes habe sie in den Rn. 66 bis 75 der Antwort auf die Fragen des Gerichts geltend gemacht, dass die ECHA nicht mit anderen Eigenschaften als der Persistenz oder der Bioakkumulation, Eigenschaften, wie sie speziell PBT‑ und vPvB-Stoffe aufwiesen, nachgewiesen habe, dass Bisphenol A für die Umwelt ebenso besorgniserregend sei wie Stoffe mit PBT und/oder vPvB-Eigenschaften, und dass der Verweis der ECHA auf die Schwere der Wirkungen, die Irreversibilität und die Schwierigkeiten bei der Bestimmung eines Grenzwerts für eine unbedenkliche Exposition insoweit nicht genügten.

95

Die ECHA, die Bundesrepublik Deutschland, die Französische Republik und ClientEarth treten dem Vorbringen der Rechtsmittelführerin entgegen. Nach ihrer Auffassung ist der zweite Rechtsmittelgrund nicht stichhaltig.

Würdigung durch den Gerichtshof

96

Als Erstes ist zu dem Vorbringen, das Gericht habe in Rn. 224 des angefochtenen Urteils die Schriftsätze der Rechtsmittelführerin verfälscht, festzustellen, dass die Rechtsmittelführerin in der Klageschrift, in der Erwiderung und in ihren Antworten auf die Fragen des Gerichts geltend gemacht hatte, dass die ECHA wegen der leichten und sofortigen biologischen Abbaubarkeit von Bisphenol A zu Unrecht zu dem Schluss gelangt sei, dass die Wirkungen dieses Stoffes im Sinne von Art. 57 Buchst. f der REACH-Verordnung „ebenso besorgniserregend“ wie diejenigen anderer Stoffe seien.

97

Die Rechtsmittelführerin hat diese Auffassung mehrfach damit begründet, dass Bisphenol A nicht die für PBT‑ und vPvB-Stoffe charakteristischen Eigenschaften der Persistenz und der Bioakkumulation besäße, wegen derer Letztere besonders besorgniserregend seien. In Rn. 83 der Erwiderung etwa hatte sie ausdrücklich geltend gemacht, dass bei dem Nachweis, dass die Wirkungen eines Stoffes im Sinne von Art. 57 Buchst. f der REACH-Verordnung „ebenso besorgniserregend“ wie diejenigen anderer Stoffe seien, „auf die Eigenschaften abzustellen“ sei, „auf die es bei der Ermittlung der PBT‑ und vPvB-Stoffe ankommt, nämlich die Persistenz und die Bioakkumulation“, wobei zu beachten sei, dass „im vorliegenden Fall Bisphenol A weder persistent in der Umwelt (baut sich schnell ab) noch bioakkumulierbar (geringes Bioakkumulationspotenzial) ist“.

98

In Rn. 224 des angefochtenen Urteils werden die Schriftsätze der Rechtsmittelführerin keineswegs verfälscht. Vielmehr wird dort darauf hingewiesen, dass sie widersprüchlich seien, und damit – im Einklang mit der Begründungspflicht – auf sie eingegangen.

99

Was als Zweites das Vorbringen der Rechtsmittelführerin zu der von der ECHA vorgenommenen Bewertung, dass Bisphenol A „ebenso besorgniserregend“ im Sinne von Art. 57 Buchst. f der REACH-Verordnung sei, angeht, ist festzustellen, dass die Rechtsmittelführerin lediglich ihr Vorbringen vor dem Gericht zusammenfasst und rügt, dass das Gericht der von ihr vorgeschlagenen Auslegung nicht gefolgt sei.

100

Nach der oben in Rn. 46 dargestellten Rechtsprechung hat sich das Gericht bei seiner Überprüfung auf die Frage zu beschränken, ob die ECHA ihr Ermessen offensichtlich fehlerhaft ausgeübt, es missbraucht oder seine Grenzen offensichtlich überschritten hat.

101

In Rn. 229 des angefochtenen Urteils stellt das Gericht, nachdem es das Vorbringen der Rechtsmittelführerin eingehend geprüft hat, fest, dass diese nicht dargetan habe, inwieweit der ECHA bei der Feststellung, dass die Wirkungen des Stoffes „ebenso besorgniserregend“ seien, ein offensichtlicher Beurteilungsfehler unterlaufen wäre. Keines der Argumente, die die Rechtsmittelführerin zur Stützung ihres Rechtsmittels vorgebracht hat, vermag aber diese Feststellung zu entkräften und den Schluss zuzulassen, dass das Gericht rechtsfehlerhaft festgestellt hätte, dass der ECHA insoweit kein offensichtlicher Beurteilungsfehler unterlaufen sei.

102

Folglich ist der zweite Rechtsmittelgrund als unbegründet zurückzuweisen.

Zum dritten Rechtsmittelgrund: Rechtsfehler bei der Würdigung der Beweismittel betreffend die Zuverlässigkeit wissenschaftlicher Studien und Verfälschung der Beweismittel

Vorbringen der Parteien

103

Mit dem dritten Rechtsmittelgrund macht die Rechtsmittelführerin geltend, dass dem Gericht bei der Würdigung der Beweismittel betreffend die Zuverlässigkeit bestimmter wissenschaftlicher Studien mehrere Rechtsfehler unterlaufen seien und es bestimmte dieser Beweismittel darüber hinaus auch noch verfälscht habe.

104

Als Erstes rügt die Rechtsmittelführerin, dass das Gericht die Beweismittel verfälscht habe, indem es in Rn. 66 des angefochtenen Urteils angenommen habe, dass die ECHA dadurch, dass sie die Studie von Bjerregaard et al. (2008) nicht als relevanten Beweis angesehen habe, da die Autoren der Studie nach der Exposition der Eier und Setzlinge gegenüber Bisphenol A keine größeren Veränderungen bei der Entwicklung der Keimdrüsen der Fische beobachtet hätten, keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen habe. Das Gericht sei zu dieser Schlussfolgerung auf der Grundlage hypothetischer Erwägungen der Autoren der Studie gelangt, die sich dahin gehend geäußert hätten, dass bei einer längeren Expositionsdauer möglicherweise Auswirkungen auf die Geschlechtsdifferenzierung der Keimdrüsen zu beobachten gewesen wären.

105

Als Zweites macht die Rechtsmittelführerin geltend, dass das Gericht in Rn. 69 des angefochtenen Urteils zu Unrecht festgestellt habe, dass die ECHA es nicht unterlassen habe, die in Mihaich et al. (2012) veröffentlichte Studie von Rhodes et al. (2008) zu berücksichtigen. Hätte die ECHA diese Studie berücksichtigt, hätte sie zu dem Schluss gelangen müssen, dass sich daraus keine relevanten schädlichen Auswirkungen von Bisphenol A auf die Population der Amerikanischen Dickkopfelritze (Pimephales promelas) ergäben.

106

Als Drittes rügt die Rechtsmittelführerin, dass das Gericht die Beweismittel, die ihm vorgelegen hätten, verfälscht habe, indem es angenommen habe, dass die Studie Sumpter et al. (2001) die Schlussfolgerungen der ECHA stütze, da auch in ihr festgestellt werde, dass nach einer Bisphenol-A-Exposition Vitellogenin induziert werde. Die Zunahme der Vitelloginkonzentration stelle für sich genommen jedoch keine schädliche Wirkung dar.

107

Als Viertes rügt die Rechtsmittelführerin, dass das Gericht in den Rn. 140 bis 144 des angefochtenen Urteils die Ausübung des Ermessens durch die ECHA nicht richtig aufgefasst habe und die Beweismittel verfälscht habe, indem es angenommen habe, dass sowohl die Studie Heimeier et al. (2009) als auch die Studie Iwamuro et al. (2003), zwei bei Amphibien der Art xenopus laevis durchgeführte In-vivo-Studien, auf der Klimisch-Bewertungsskala mit einem Zuverlässigkeits-Score von 2, d. h. „mit Einschränkungen zuverlässig“, bewertet werden und als Schlüsselstudien somit zu den wissenschaftlichen Beweismitteln der ECHA gehören könnten.

108

Als Fünftes wendet sich die Rechtsmittelführerin gegen die Feststellung des Gerichts in den Rn. 152 bis 163 des angefochtenen Urteils, dass der ECHA bei der Annahme, dass die Studie Chen et al. (2015) zuverlässig sei und eine Schlüsselstudie darstelle, kein offensichtlicher Beurteilungsfehler unterlaufen sei. Die ECHA habe mit dieser Annahme die Beweismittel verfälscht und gegen den Grundsatz der Wissenschaftlichkeit verstoßen.

109

Als Sechstes macht die Rechtsmittelführerin geltend, dass das Gericht zu Unrecht angenommen habe, dass die Studie Chen et al. (2015) im Verhältnis zu den Studien Segner et al. (2003a), Keiter et al. (2012) und Yokota et al. (2000) zuverlässig sei, und nicht auf ihr Vorbringen eingegangen sei, dass in den Studien Segner et al. (2003a) und Keiter et al. (2012) das Verhältnis der Geschlechter nicht untersucht worden sei. Das Gericht habe in Rn. 158 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass die beiden letztgenannten Studien andere Indikatoren auswiesen, die die Existenz, zumindest aber die Wahrscheinlichkeit einer endokrinen Wirkungsweise von Bisphenol A bestätigen, nämlich insbesondere eine Vitellogenin‑Induktion. Eine Vitellogenin‑Induktion sei jedoch kein Indikator für schädliche Wirkungen.

110

Als Siebtes rügt die Rechtsmittelführerin schließlich, dass das Gericht in Rn. 159 des angefochtenen Urteils, ohne auf ihr Vorbringen einzugehen, zu Unrecht angenommen habe, dass die Studie Chen et al. (2015) und die Studie Yokota et al. (2000) zusammengenommen zur Beweiskraft der Daten über die Wirkungen von Bisphenol A auf das Geschlechterverhältnis in Fischpopulationen beitrügen. Die Studie Yokota et al. (2000) sei mit einer Konzentration durchgeführt worden, die viermal so hoch gewesen sei als die, mit der die Studie Chen et al. (2015) durchgeführt worden sei, wie das Gericht im angefochtenen Urteil festgestellt habe. Und die einzige Konzentration in der Studie Yokota et al. (2000), bei der eine Veränderung des Geschlechterverhältnisses beobachtet worden sei, habe im Bereich einer letalen Toxizität gelegen.

Würdigung durch den Gerichtshof

111

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs muss der Rechtsmittelführer, wenn er eine Verfälschung von Beweisen durch das Gericht behauptet, nach Art. 256 AEUV, Art. 58 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union und Art. 168 Abs. 1 Buchst. d der Verfahrensordnung des Gerichtshofs genau angeben, welche Beweise verfälscht worden sein sollen, und die Beurteilungsfehler darlegen, die das Gericht seines Erachtens zu dieser Verfälschung veranlasst haben. Außerdem muss sich eine solche Verfälschung in offensichtlicher Weise aus den Akten ergeben, ohne dass es einer neuen Tatsachen- und Beweiswürdigung bedarf (Urteil vom 12. Mai 2022, Klein/Kommission, C‑430/20 P, EU:C:2022:377, Rn. 23 und die dort angeführte Rechtsprechung).

112

Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass sich von den Verfälschungen, die von der Rechtsmittelführerin gerügt werden, keine im Sinne der oben in Rn. 111 dargestellten Rechtsprechung in offensichtlicher Weise aus den Akten ergibt.

113

Der Rechtsmittelführerin geht es mit ihrem Vorbringen letztlich darum, eine erneute Würdigung der vor dem Gericht beigebrachten Beweismittel durch den Gerichtshof zu erreichen. Für die Würdigung dieser Beweismittel ist nach der oben in Rn. 84 dargestellten Rechtsprechung aber allein das Gericht zuständig.

114

Folglich ist der dritte Rechtsmittelgrund in vollem Umfang als unzulässig zurückzuweisen.

Zum vierten Rechtsmittelgrund: Unrichtiges Verständnis des Vorsorgeprinzips

Vorbringen der Parteien

115

Mit dem vierten Rechtsmittelgrund macht die Rechtsmittelführerin geltend, dass das Gericht in den Rn. 88 und 223 des angefochtenen Urteils das Vorsorgeprinzip nicht richtig aufgefasst habe, um es der ECHA zu ermöglichen, sich bei der Würdigung der Beweismittel auf nicht validierte und nicht zuverlässige wissenschaftliche Studien zu stützen und sich auf angebliche Unsicherheiten hinsichtlich der Bestimmung eines Grenzwerts für eine unbedenkliche Exposition zu berufen. Die ECHA könne sich aber nicht auf das sämtlichen Vorschriften der REACH-Verordnung zugrunde liegende Vorsorgeprinzip berufen, um sich ihrer Verpflichtung aus Art. 57 Buchst. f der REACH-Verordnung zu entziehen und sich über den Grundsatz der Wissenschaftlichkeit hinwegzusetzen.

116

Es ergebe sich aus dem Urteil vom 1. Oktober 2019, Blaise u. a. (C‑616/17, EU:C:2019:800, Rn. 43 und 46), dass Schutzmaßnahmen nach dem Vorsorgeprinzip nur bei Unsicherheiten hinsichtlich des Vorliegens oder des Umfangs von Risiken getroffen werden dürften. Das Vorsorgeprinzip bedeute aber nicht, dass die Agenturen der Union Maßnahmen auf der Grundlage nicht zuverlässiger wissenschaftlicher Daten treffen dürften.

117

Die Rechtsmittelführerin beruft sich ferner auf Abschnitt 5.1 („Anlässe für einen Rückgriff auf das Vorsorgeprinzip“) der Mitteilung der Kommission über die Anwendbarkeit des Vorsorgeprinzips, aus dem sich ergebe, dass das Vorsorgeprinzip nur dann zum Tragen komme, wenn Unsicherheit hinsichtlich der Frage bestehe, ob und in welchem Umfang von einem Stoff ein Risiko ausgehe. Hingegen könne man sich nicht auf das Vorsorgeprinzip berufen, um einem Mangel an Beweisen für eine inhärente Eigenschaft eines Stoffes, nämlich seine Gefährlichkeit, abzuhelfen. Im vorliegenden Fall lägen hierfür keine zuverlässigen Beweise vor. Die Prüfung der Frage, ob der Stoff diese inhärente Eigenschaft besitze, sei eine Vorstufe der Prüfung der Frage, ob er tatsächlich ein Risiko für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt darstelle.

118

Die ECHA, die Bundesrepublik Deutschland, die Französische Republik und ClientEarth treten dem Vorbringen der Rechtsmittelführerin entgegen. Nach ihrer Auffassung ist der vierte Rechtsmittelgrund nicht stichhaltig.

Würdigung durch den Gerichtshof

119

Zu Rn. 88 des angefochtenen Urteils ist festzustellen, dass diese Randnummer zu einer ganzen Reihe von Erwägungen gehört, die das Gericht in den Rn. 71 bis 90 des angefochtenen Urteils anstellt, um auf die Rüge einzugehen, mit der die Rechtsmittelführerin beanstandet hatte, dass die ECHA „nicht standardisierte“ bzw. „explorative“ Studien berücksichtigt habe, d. h. Studien, die nicht im Einklang mit national oder international validierten Methoden durchgeführt worden seien.

120

Unterstellt, das Gericht hätte in Rn. 88 des angefochtenen Urteils das Vorsorgeprinzip rechtsfehlerhaft nicht richtig aufgefasst, hätte dies keine Auswirkungen auf die Feststellung, dass es der ECHA nicht grundsätzlich untersagt sei, „nicht standardisierte“ oder „explorative“ Studien zu berücksichtigen. Das Gericht hat die Rüge der Rechtsmittelführerin mit Argumenten zurückgewiesen, die in den Rn. 87 und 89 des angefochtenen Urteils entwickelt worden sind. Diese Randnummern des angefochtenen Urteils werden von der Rechtsmittelführerin mit dem Rechtsmittel aber nicht angegriffen.

121

Soweit er sich auf Rn. 88 des angefochtenen Urteils bezieht, ist der vierte Rechtsmittelgrund daher als ins Leere gehend zurückzuweisen.

122

Rn. 223 des angefochtenen Urteils gehört zu einer Reihe von Erwägungen, die das Gericht in den Rn. 211 bis 230 des angefochtenen Urteils angestellt hat, um auf die Rüge der Rechtsmittelführerin einzugehen, dass der ECHA bei der Feststellung, dass die Wirkungen des Stoffes im Sinne von Art. 57 Buchst. f der REACH-Verordnung „ebenso besorgniserregend“ seien, ein offensichtlicher Beurteilungsfehler unterlaufen sei.

123

Die Rn. 221 bis 223 des angefochtenen Urteils betreffen die Ausführungen der ECHA zu der Unmöglichkeit, bei Bisphenol A einen Grenzwert für eine unbedenkliche Exposition zu bestimmen, und die entsprechenden Einwände der Rechtsmittelführerin.

124

In Rn. 222 des angefochtenen Urteils stellt das Gericht fest, dass die ECHA die bei der Ableitung eines Grenzwerts für eine unbedenkliche Exposition festgestellten Unsicherheiten in Betracht gezogen habe, die sich zum einen daraus ergäben, dass bestimmte Wirkungen nur während bestimmter Lebensphasen, Zeiträume oder Jahreszeiten zu beobachten seien, und zum anderen daraus, dass Bisphenol A mittels verschiedener endokriner Wirkungsweisen eine Vielzahl von Organismen beeinflusse.

125

In diesem Zusammenhang stellt das Gericht in Rn. 223 des angefochtenen Urteils fest, dass die ECHA in Anbetracht dieser zumindest plausiblen Unsicherheiten hinsichtlich der eventuellen Festlegung eines Grenzwerts für eine unbedenkliche Bisphenol-A-Exposition eine vorsichtige Haltung eingenommen habe. Diese vorsichtige Haltung sei insbesondere vor dem Hintergrund des Vorsorgeprinzips gerechtfertigt, auf dem die REACH-Verordnung nach deren Art. 1 Abs. 1 beruhe. Das Gericht gelang zu dem Schluss, dass der ECHA kein Vorwurf daraus gemacht werden könne, dass sie den durch die Wirkungen von Bisphenol A hervorgerufenen Grad der Besorgnis mit dessen endokriner Wirkungsweise begründet und sich dabei u. a. auf die Unsicherheiten berufen habe, die sie hinsichtlich der Bestimmung eines Grenzwerts für eine unbedenkliche Bisphenol-A-Exposition festgestellt habe.

126

Entgegen dem Vorbringen der Rechtsmittelführerin geht aus den betreffenden Stellen des angefochtenen Urteils nicht hervor, dass das Gericht das Vorsorgeprinzip dahin verstanden hätte, dass die ECHA den streitigen Beschluss danach auf der Grundlage nicht zuverlässiger wissenschaftlicher Daten hätte erlassen dürfen. In Rn. 223 des angefochtenen Urteils wird nämlich ausgeführt, dass die ECHA hinsichtlich der eventuellen Festlegung eines Grenzwerts für eine unbedenkliche Bisphenol-A-Exposition in Anbetracht von Unsicherheiten eine vorsichtige Haltung eingenommen habe, die insbesondere vor dem Hintergrund des Vorsorgeprinzips gerechtfertigt sei.

127

Das Vorsorgeprinzip bedeutet, dass bei Unsicherheiten hinsichtlich des Vorliegens oder des Umfangs von Risiken für die menschliche Gesundheit Schutzmaßnahmen getroffen werden können, ohne dass abgewartet werden müsste, dass das Bestehen und die Schwere dieser Risiken vollständig dargelegt werden. Wenn es sich als unmöglich erweist, das Vorliegen oder den Umfang des behaupteten Risikos mit Sicherheit festzustellen, weil die Ergebnisse der durchgeführten Studien unschlüssig sind, die Wahrscheinlichkeit eines tatsächlichen Schadens für die Gesundheit der Bevölkerung jedoch fortbesteht, falls das Risiko eintreten sollte, rechtfertigt das Vorsorgeprinzip den Erlass beschränkender Maßnahmen (Urteil vom 16. Juni 2022, SGL Carbon u. a./Kommission, C‑65/21 P und C‑73/21 P bis C‑75/21 P, EU:C:2022:470, Rn. 96 und die dort angeführte Rechtsprechung).

128

In Anbetracht der hinsichtlich der Festlegung eines Grenzwerts für eine unbedenkliche Bisphenol-A-Exposition bestehenden Unsicherheiten hat das Gericht zu Recht angenommen, dass die vorsichtige Haltung, die die ECHA insoweit eingenommen habe, insbesondere nach dem Vorsorgeprinzip im Sinne der oben in Rn. 127 dargestellten Rechtsprechung gerechtfertigt gewesen sei.

129

Der vierte Rechtsmittelgrund ist daher als teils ins Leere gehend, teils unbegründet zurückzuweisen.

Zum fünften Rechtsmittelgrund: Unzutreffende Auslegung von Art. 2 Abs. 8 Buchst. b der REACH-Verordnung und Verstoß gegen die Begründungspflicht

Vorbringen der Parteien

130

Mit dem ersten Teil des fünften Rechtsmittelgrundes rügt die Rechtsmittelführerin, dass das Gericht in den Rn. 243 bis 271 des angefochtenen Urteils rechtsfehlerhaft festgestellt habe, dass Zwischenprodukte wie Bisphenol A nicht von der Ermittlung gemäß den Artikeln 57 und 59 der REACH-Verordnung ausgenommen seien, da diese Vorschriften nur die inhärenten Eigenschaften, nicht aber die Verwendung eines Stoffes beträfen und es für die ECHA nicht unverhältnismäßig sei, Bisphenol A in die Kandidatenliste aufzunehmen.

131

Insoweit macht die Rechtsmittelführerin unter Berufung auf das Urteil vom 25. Oktober 2017, PPG und SNF/ECHA (C‑650/15 P, EU:C:2017:802, Rn. 59), geltend, dass die Auslegung des Gerichts nicht mit dem Wortlaut von Art. 2 Abs. 8 Buchst. b der REACH-Verordnung vereinbar sei, der Zwischenprodukte, sofern sie nur vorübergehend existierten und gemäß Art. 3 Nr. 15 der REACH-Verordnung dazu bestimmt seien, in einen anderen Stoff umgewandelt zu werden, allesamt von Titel VII der REACH-Verordnung ausnehme.

132

In Rn. 255 des angefochtenen Urteils habe das Gericht seine Auslegung insbesondere damit gerechtfertigt, dass es erforderlich sei, darauf zu achten, dass Zwischenprodukte nicht dem Verfahren der Ermittlung als besonders besorgniserregende Stoffe entzogen seien. Die Anforderungen gemäß Art. 7 Abs. 2 und Art. 33 der REACH-Verordnung seien aber nicht für Zwischenprodukte gedacht. Diese Vorschriften kämen zum Tragen, wenn in Erzeugnissen, die aus chemischen Stoffen hergestellt würden, Stoffe enthalten seien, die die Kriterien des Art. 57 der REACH-Verordnung erfüllten. Sie seien mithin nicht dazu bestimmt, Zwischenprodukte zu erfassen. Zwischenprodukte seien nämlich per definitionem dazu bestimmt, in andere Stoffe umgewandelt zu werden, so dass sie nicht mehr „enthalten“ seien.

133

Die Rechtsmittelführerin macht weiter geltend, dass das Gericht in Rn. 252 des angefochtenen Urteils rechtsfehlerhaft angenommen habe, dass sich der Begriff des Zwischenprodukts auf die Verwendung eines Stoffes beziehe, und dass die Verwendungen eines Stoffes für die Ermittlung als besonders besorgniserregender Stoff nicht relevant seien. Es sei zu unterscheiden zwischen der „Verwendung eines Zwischenprodukts“, dem Begriff, der in der Klageschrift zutreffend verwendet worden sei, und dem „Zwischenprodukt als Verwendung“, dem Begriff, auf den die ECHA abgestellt habe und der im angefochtenen Urteil und in den vorausgegangenen Urteilen auch vom Gericht dahin verstanden worden sei, dass mit ihm eine bestimmte Art der Verwendung eines Stoffes gemeint sei.

134

Mit dem zweiten Teil des fünften Rechtsmittelgrundes macht die Rechtsmittelführerin geltend, dass das Gericht seiner Begründungspflicht nicht nachgekommen sei. Es sei auf mehrere Argumente, die in der Klageschrift vorgebracht worden seien und die sich von denen unterschieden, die in der Rechtssache vorgebracht worden seien, in der das Urteil vom 25. Oktober 2017, PPG und SNF/ECHA (C‑650/15 P, EU:C:2017:802), ergangen sei, auf das sich das Gericht im angefochtenen Urteil beziehe, nicht eingegangen.

135

Erstens werde mit der Feststellung des Gerichts in Rn. 252 des angefochtenen Urteils, dass „[sich] Art. 17 Abs. 3 und Art. 18 Abs. 4 der [REACH-Verordnung] auf eine bestimmte Art der Verwendung von Stoffen [beziehen]“, nicht auf ihr Vorbringen in Rn. 144 der Klageschrift zu den speziellen Vorschriften der REACH-Verordnung betreffend die zum Zwecke der Registrierung von Zwischenprodukten vorzulegenden Informationen eingegangen.

136

Zweitens sei das Gericht auch nicht auf das Vorbringen in Rn. 149 der Klageschrift eingegangen, dass der besondere Umstand, dass die in den Art. 17 und 18 der REACH-Verordnung enthaltenen Anforderungen betreffend die beschränkten Informationen nicht für Monomere gälten, wie es bei der Eintragung von Bisphenol A als Zwischenprodukt der Fall sei, keinen Einfluss auf die rechtliche Auslegung des Begriffs des Zwischenprodukts haben dürfe.

137

Trotz dieser Argumente, die die Auffassung bestätigten, dass die Zwischenprodukte in der REACH-Verordnung eine besondere rechtliche Stellung hätten und nicht lediglich als eine „bestimmte Art der Verwendung eines Stoffes“ anzusehen seien, habe das Gericht einfach die Auslegung übernommen, die der Gerichtshof in dem Urteil vom 25. Oktober 2017, PPG und SNF/ECHA (C‑650/15 P, EU:C:2017:802), vorgenommen habe.

138

Mit dem dritten Teil des fünften Rechtsmittelgrundes macht die Rechtsmittelführerin geltend, dass dem Gericht in Rn. 258 des angefochtenen Urteils ein Rechtsfehler unterlaufen sei, da es ihre Schriftsätze, soweit sie Art. 49 der REACH-Verordnung beträfen, nicht richtig aufgefasst habe.

139

Sie habe in Rn. 148 der Klageschrift vorgetragen, dass nicht nur Zwischenprodukte, die unter streng kontrollierten Bedingungen hergestellt und/oder verwendet würden, durch die Vorlage beschränkter Informationen registriert werden könnten, sondern dass standortinterne isolierte Zwischenprodukte, die unter streng kontrollierten Bedingungen verwendet würden, gemäß Art. 49 der REACH-Verordnung auch eigens von der Stoffbewertung ausgenommen seien.

140

Im angefochtenen Urteil habe das Gericht dieses Vorbringen nicht richtig aufgefasst, indem es angenommen habe, dass Art. 49 der REACH-Verordnung einen „ganz anderen Zweck“ habe als die Ermittlung gemäß Art. 57 der REACH-Verordnung. Es habe bei diesen Ausführungen nicht berücksichtigt, dass Art. 49 der REACH-Verordnung speziell dann anwendbar sei, wenn die zuständige Behörde des Mitgliedstaats der Auffassung sei, dass ein Risiko ebenso besorgniserregend sei wie das Risiko aus der Verwendung von Stoffen, die die Kriterien des Art. 57 der REACH-Verordnung erfüllten. Aus der Übernahme des Ausdrucks „ebenso besorgniserregend“ und dem ausdrücklichen Verweis auf Art. 57 der REACH-Verordnung ergebe sich eindeutig, dass der Unionsgesetzgeber die Absicht gehabt habe, für standortinterne isolierte Zwischenprodukte Art. 49 der REACH-Verordnung als ein anderes Verfahren des Risikomanagements als das, das unter dem Titel „Zulassung“ der REACH-Verordnung vorgesehen sei, anzuwenden.

141

Die ECHA, die Bundesrepublik Deutschland und ClientEarth treten dem Vorbringen der Rechtsmittelführerin entgegen. Sie sind wie die Französische Republik der Auffassung, dass der fünfte Rechtsmittelgrund nicht stichhaltig sei.

Würdigung durch den Gerichtshof

142

Was den ersten Teil des fünften Rechtsmittelgrundes angeht, kann es mit der Feststellung sein Bewenden haben, dass das Gericht in den Rn. 251 bis 257 des angefochtenen Urteils, was die Tragweite der Ausnahme gemäß Art. 2 Abs. 8 Buchst. b der REACH-Verordnung angeht, zu Recht das Urteil vom 25. Oktober 2017, PPG und SNF/ECHA (C‑650/15 P, EU:C:2017:802), herangezogen hat. In Rn. 63 dieses Urteils hat der Gerichtshof entschieden, dass die Ausnahme gemäß Art. 2 Abs. 8 Buchst. b der REACH-Verordnung nicht für die Bestimmungen von Titel VII der REACH-Verordnung gilt, die Stoffe nach Maßgabe ihrer inhärenten Eigenschaften regeln. Er hat in diesem Zusammenhang klargestellt, dass Art. 2 Abs. 8 Buchst. b der REACH-Verordnung folglich nicht verbietet, dass ein Stoff auf der Grundlage der Kriterien von Art. 57 der Verordnung als besonders besorgniserregend ermittelt wird, und zwar auch dann nicht, wenn er nur als standortinternes isoliertes Zwischenprodukt oder als transportiertes isoliertes Zwischenprodukt verwendet werden sollte.

143

Folglich ist der erste Teil des fünften Rechtsmittelgrundes als unbegründet zurückzuweisen.

144

Was den zweiten Teil des fünften Rechtsmittelgrundes angeht, ist festzustellen, dass die Pflicht zur Begründung der Urteile, die dem Gericht nach Art. 36 und Art. 53 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union obliegt, dieses nach ständiger Rechtsprechung nicht verpflichtet, bei seinen Ausführungen alle von den Parteien des Rechtsstreits vorgetragenen Argumente nacheinander erschöpfend zu behandeln. Die Begründung kann daher implizit erfolgen, sofern sie es den Betroffenen ermöglicht, die Gründe zu erfahren, auf denen das angefochtene Urteil beruht, und dem Gerichtshof ausreichende Angaben liefert, damit er seine Kontrollaufgabe im Rahmen eines Rechtsmittels wahrnehmen kann (Urteil vom 9. Dezember 2020, Groupe Canal +/Kommission, C‑132/19 P, EU:C:2020:1007, Rn. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung).

145

Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass die Ausführungen des Gerichts in den Rn. 251 bis 257 des angefochtenen Urteils den oben in Rn. 144 dargestellten Anforderungen entsprechen. Sie ermöglichen es den Betroffenen, die Gründe zu erfahren, auf denen das angefochtene Urteil beruht, und liefern dem Gerichtshof ausreichende Angaben, damit er seine Kontrollaufgabe im Rahmen eines Rechtsmittels wahrnehmen kann.

146

Der zweite Teil des fünften Rechtsmittelgrundes ist daher als unbegründet zurückzuweisen.

147

Was den dritten Teil des fünften Rechtsmittelgrundes angeht, der einen Rechtsfehler betrifft, der dem Gericht in Rn. 258 des angefochtenen Urteils unterlaufen sein soll, ist festzustellen, dass dieser auf der Annahme beruht, dass die Bestimmungen von Art. 49 der REACH-Verordnung, die für standortinterne isolierte Zwischenprodukte gälten, die Anwendbarkeit von Art. 57 der REACH-Verordnung auf solche Stoffe ausschlössen.

148

Wie sich aus Rn. 258 des angefochtenen Urteils ergibt, trifft diese Annahme aber nicht zu. Die Regelung des Art. 49 der REACH-Verordnung betrifft den Fall eines Risikos, das von der Verwendung von Stoffen als standortinterne isolierte Zwischenprodukte unter streng kontrollierten Bedingungen ausgeht, ohne dass es für die Anwendbarkeit von Art. 49 der REACH-Verordnung erforderlich wäre, dass die betreffenden Stoffe die Kriterien von Art. 57 der REACH-Verordnung erfüllten. Art. 49 der REACH-Verordnung hat daher, wie das Gericht festgestellt hat, einen ganz anderen Zweck als Art. 57 der REACH-Verordnung. Er schließt die Anwendbarkeit von Art. 57 der REACH-Verordnung keineswegs aus, wenn die inhärenten Eigenschaften eines Stoffes die Aufnahme in Anhang XIV der REACH-Verordnung rechtfertigen.

149

Etwas Anderes ergibt sich auch nicht aus dem Verweis auf Art. 57 der REACH-Verordnung in Art. 49 der REACH-Verordnung. Mit dieser Bezugnahme soll nämlich keine Ausnahme von Art. 57 der REACH-Verordnung eingeführt werden, sondern lediglich die Höhe des Risikos bestimmt werden, die für die Anwendung von Art. 49 erforderlich ist. Das Risiko für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt muss „ebenso besorgniserregend“ sein „wie das Risiko aus der Verwendung von Stoffen, die die Kriterien des Artikels 57 erfüllen“.

150

Der dritte Teil des fünften Rechtsmittelgrundes ist mithin als unbegründet zurückzuweisen.

151

Folglich ist der fünfte Rechtsmittelgrund als unbegründet zurückzuweisen. Damit ist auch das Rechtsmittel insgesamt zurückzuweisen.

Kosten

152

Wenn das Rechtsmittel unbegründet ist, entscheidet der Gerichtshof über die Kosten (Art. 184 Abs. 2 der Verfahrensordnung). Die unterliegende Partei ist auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen (Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung, der nach deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet).

153

Hat eine erstinstanzliche Streithilfepartei das Rechtsmittel nicht selbst eingelegt, so können ihr im Rechtsmittelverfahren Kosten nur dann auferlegt werden, wenn sie am schriftlichen oder mündlichen Verfahren vor dem Gerichtshof teilgenommen hat; nimmt eine solche Partei am Verfahren teil, so kann der Gerichtshof ihr ihre eigenen Kosten auferlegen (Art. 184 Abs. 4 der Verfahrensordnung).

154

Da PlasticsEurope mit ihren Rechtsmittelgründen unterlegen ist, sind ihr, wie von der ECHA und ClientEarth beantragt, die Kosten aufzuerlegen.

155

Der Bundesrepublik Deutschland, Streithelferin im ersten Rechtszug, sind ihre eigenen Kosten aufzuerlegen.

156

Der Französischen Republik, Streithelferin im ersten Rechtszug, die am schriftlichen Verfahren vor den Gerichtshof teilgenommen hat, aber nicht beantragt hat, PlasticsEurope die Kosten aufzuerlegen, sind ihre eigenen Kosten aufzuerlegen.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

 

1.

Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

 

2.

Die PlasticsEurope AISBL trägt neben ihren eigenen Kosten die der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) und von ClientEarth.

 

3.

Die Bundesrepublik Deutschland und die Französische Republik tragen jeweils ihre eigenen Kosten.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Englisch.