URTEIL DES GERICHTSHOFS (Achte Kammer)

8. Dezember 2022 ( *1 )

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Freizügigkeit – Art. 45 AEUV – Arbeitnehmer – Verordnung (EU) Nr. 492/2011 – Art. 7 Abs. 1 und 2 – Gleichbehandlung – Soziale Vergünstigungen – Hinterbliebenenpension – Partner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft – Nationale Regelung, nach der die Gewährung einer Hinterbliebenenpension von der Eintragung einer in einem anderen Mitgliedstaat wirksam eingegangenen und eingetragenen Lebenspartnerschaft in das nationale Register abhängig gemacht wird“

In der Rechtssache C‑731/21

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Cour de cassation (Kassationsgerichtshof, Luxemburg) mit Entscheidung vom 25. November 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 1. Dezember 2021, in dem Verfahren

GV

gegen

Caisse nationale d’assurance pension

erlässt

DER GERICHTSHOF (Achte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Safjan (Berichterstatter) sowie der Richter N. Jääskinen und M. Gavalec,

Generalanwalt: A. M. Collins,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

von GV, vertreten durch P. R. Mbonyumutwa, Avocat,

der Caisse nationale d’assurance pension, vertreten durch A. Charton und M. Thewes, Avocats,

der Europäischen Kommission, vertreten durch B.‑R. Killmann und D. Martin als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 18, 45 und 48 AEUV sowie von Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union (ABl. 2011, L 141, S. 1) in der durch die Verordnung (EU) 2016/589 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. April 2016 (ABl. 2016, L 107, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 492/2011).

2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen GV, einer französischen Staatsangehörigen, und der Caisse nationale d’assurance pension (Nationale Pensionsversicherungsanstalt, Luxemburg) (im Folgenden: CNAP) wegen deren Weigerung, GV nach dem Tod ihres Lebenspartners eine Hinterbliebenenpension zu gewähren.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Verordnung Nr. 883/2004

3

Art. 3 („Sachlicher Geltungsbereich“) Abs. 1 Buchst. e der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (ABl. 2004, L 166, S. 1) in der durch die Verordnung (EU) Nr. 1372/2013 der Kommission vom 19. Dezember 2013 (ABl. 2013, L 346, S. 27) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 883/2004) sieht vor, dass die Verordnung Nr. 883/2004 für die Rechtsvorschriften der sozialen Sicherheit gilt, die Leistungen an Hinterbliebene betreffen.

4

Art. 4 („Gleichbehandlung“) dieser Verordnung lautet:

„Sofern in dieser Verordnung nichts anderes bestimmt ist, haben Personen, für die diese Verordnung gilt, die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats wie die Staatsangehörigen dieses Staates.“

5

Art. 5 („Gleichstellung von Leistungen, Einkünften, Sachverhalten oder Ereignissen“) Buchst. b der Verordnung sieht vor:

„Sofern in dieser Verordnung nicht anderes bestimmt ist, gilt unter Berücksichtigung der besonderen Durchführungsbestimmungen Folgendes:

b)

Hat nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats der Eintritt bestimmter Sachverhalte oder Ereignisse Rechtswirkungen, so berücksichtigt dieser Mitgliedstaat die in einem anderen Mitgliedstaat eingetretenen entsprechenden Sachverhalte oder Ereignisse, als ob sie im eigenen Hoheitsgebiet eingetreten wären.“

Verordnung Nr. 492/2011

6

Art. 7 Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 492/2011 bestimmt:

„(1)   Ein Arbeitnehmer, der Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats ist, darf aufgrund seiner Staatsangehörigkeit im Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten hinsichtlich der Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, insbesondere im Hinblick auf Entlohnung, Kündigung und, falls er arbeitslos geworden ist, im Hinblick auf berufliche Wiedereingliederung oder Wiedereinstellung, nicht anders behandelt werden als die inländischen Arbeitnehmer.

(2)   Er genießt dort die gleichen sozialen und steuerlichen Vergünstigungen wie die inländischen Arbeitnehmer.“

Verordnung (EU) 2016/1104

7

Die Verordnung (EU) 2016/1104 des Rates vom 24. Juni 2016 zur Durchführung der Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Zuständigkeit, des anzuwendenden Rechts und der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Fragen güterrechtlicher Wirkungen eingetragener Partnerschaften (ABl. 2016, L 183, S. 30) ermöglicht es den Partnern, das auf die güterrechtlichen Wirkungen ihrer eingetragenen Partnerschaft anzuwendende Recht zu bestimmen oder zu ändern.

8

Art. 1 („Anwendungsbereich“) dieser Verordnung sieht vor:

„(1)   Diese Verordnung findet auf die Güterstände eingetragener Partnerschaften Anwendung.

Sie gilt nicht für Steuer- und Zollsachen sowie verwaltungsrechtliche Angelegenheiten.

(2)   Vom Anwendungsbereich dieser Verordnung ausgenommen sind:

b)

das Bestehen, die Gültigkeit oder die Anerkennung einer eingetragenen Partnerschaft,

e)

die soziale Sicherheit,

…“

Luxemburgisches Recht

Code de la sécurité sociale

9

Art. 195 des Code de la sécurité sociale (Sozialgesetzbuch) bestimmt:

„Unbeschadet aller anderen vorgeschriebenen Voraussetzungen hat der überlebende Ehegatte oder Lebenspartner im Sinne von Art. 2 der Loi du 9 juillet 2004 relative aux effets légaux de certains partenariats [(Gesetz vom 9. Juli 2004 über die Rechtswirkungen bestimmter Lebenspartnerschaften) (Mémorial A 2004, S. 2020)] eines Beziehers einer nach diesem Buch zuerkannten Alters- oder Invaliditätspension oder eines Versicherten, wenn dieser zum Zeitpunkt seines Todes eine Versicherungszeit von mindestens zwölf Monaten nach den Art. 171, 173 und 173bis während der letzten drei Jahre vor Eintritt des Versicherungsfalls nachweisen kann, Anspruch auf eine Hinterbliebenenpension. … Diese Versicherungszeit ist jedoch nicht erforderlich, wenn der Versicherte aufgrund eines Unfalls gleich welcher Art oder aufgrund einer nach den Bestimmungen dieses Gesetzbuchs anerkannten Berufskrankheit verstorben ist, die während der Mitgliedschaft eingetreten sind.“

10

Art. 196 dieses Gesetzbuchs lautet:

„1.   Der Anspruch auf Hinterbliebenenpension des Ehegatten oder des Lebenspartners im Sinne von Art. 2 der Loi du 9 juillet 2004 relative aux effets légaux de certains partenariats besteht nicht:

wenn die Ehe oder die Lebenspartnerschaft weniger als ein Jahr vor dem Tod oder vor der Versetzung in den Ruhestand wegen Invalidität oder wegen des Alters des Versicherten eingegangen wurde;

wenn die Ehe oder die Lebenspartnerschaft mit einem Empfänger von Alters- oder Invaliditätspension geschlossen wurde.

2.   Absatz 1 findet jedoch keine Anwendung, wenn mindestens eine der folgenden Voraussetzungen erfüllt ist:

a)

wenn der Tod des erwerbstätigen Versicherten oder die Versetzung in den Ruhestand wegen Invalidität die unmittelbare Folge eines Unfalls ist, der nach Eingehung der Ehe oder der Lebenspartnerschaft eingetreten ist;

b)

wenn zum Zeitpunkt des Todes ein Kind vorhanden ist, das während der Ehe oder der Lebenspartnerschaft geboren oder gezeugt wurde oder ein durch die Ehe legitimiertes Kind ist;

c)

wenn der verstorbene Pensionsbezieher nicht mehr als 15 Jahre älter als sein Ehegatte oder Lebenspartner war und die Ehe oder die Lebenspartnerschaft zum Zeitpunkt des Todes mindestens ein Jahr bestanden hat;

d)

wenn die Ehe oder die Lebenspartnerschaft zum Zeitpunkt des Todes des Pensionsbeziehers seit mindestens zehn Jahren bestanden hat.“

Gesetz vom 9. Juli 2004

11

Art. 2 der Loi du 9 juillet 2004, relative aux effets légaux de certains partenariats (Gesetz vom 9. Juli 2004 über die Rechtswirkungen bestimmter Lebenspartnerschaften) in der durch das Gesetz vom 3. August 2010 (Mémorial A 2010, S. 2190) geänderten Fassung (im Folgenden: Gesetz vom 9. Juli 2004) bestimmt:

„Unter einer Lebenspartnerschaft im Sinne dieses Gesetzes ist eine Lebensgemeinschaft zweier Personen unterschiedlichen oder gleichen Geschlechts, im Folgenden: Lebenspartner, zu verstehen, die als Paar zusammenleben und eine Erklärung gemäß dem nachstehenden Art. 3 abgegeben haben.“

12

Art. 3 dieses Gesetzes lautet:

„Lebenspartner, die eine Lebenspartnerschaftserklärung abgeben möchten, geben persönlich und gemeinsam eine schriftliche Erklärung über ihre Lebenspartnerschaft sowie das Bestehen einer Vereinbarung über die vermögensrechtlichen Folgen ihrer Lebenspartnerschaft, falls eine solche Vereinbarung zwischen ihnen getroffen wurde, gegenüber dem Standesbeamten der Gemeinde ab, in der sie ihren gemeinsamen Wohnsitz oder Aufenthalt haben.

Der Standesbeamte prüft, ob beide Parteien die in diesem Gesetz festgelegten Voraussetzungen erfüllen und stellt, falls dies der Fall ist, beiden Lebenspartnern eine Bescheinigung darüber aus, dass ihre Lebenspartnerschaftserklärung abgegeben wurde.

Bei Personen, deren Geburtsurkunde in Luxemburg erstellt oder übertragen wurde, wird die Lebenspartnerschaftserklärung am Rand der Geburtsurkunde jedes Lebenspartners vermerkt.

Auf Veranlassung des Standesbeamten wird die Erklärung, die gegebenenfalls einen Vermerk über die Vereinbarung enthält, innerhalb von drei Werktagen an die Generalstaatsanwaltschaft zur Aufbewahrung im Personenstandsregister und zur Eintragung in eine Datei gemäß den Art. 1126 ff. des Nouveau code de procédure civile [(Neue Zivilprozessordnung)] übermittelt.

Die eingetragene Lebenspartnerschaft wird zwischen den Parteien mit dem Eingang der Erklärung beim Standesbeamten wirksam, der diese mit einem eindeutigen Datum versieht. Sie kann Dritten erst ab dem Tag entgegengehalten werden, an dem die Erklärung in das Personenstandsregister eingetragen wird.

Eine Großherzogliche Verordnung kann den Inhalt und die Formalitäten der Erklärung und der beizufügenden Dokumente bestimmen.“

13

In Art. 4 des Gesetzes heißt es:

„Um die in Art. 3 vorgesehene Erklärung abgeben zu können, müssen beide Parteien folgende Voraussetzungen erfüllen:

1.

Sie müssen gemäß den Art. 1123 und 1124 des Code civil [(Zivilgesetzbuch)] geschäftsfähig sein;

2.

sie dürfen nicht bereits verheiratet sein oder einen anderen Lebenspartner haben;

3.

sie dürfen nicht in einem gemäß den Art. 161 bis 163 und Art. 358 Abs. 2 des Code civil verbotenen Grad verwandt oder verschwägert sein;

4.

sie müssen ihren rechtmäßigen Wohnsitz im luxemburgischen Hoheitsgebiet haben.

Nr. 4 gilt nur für Drittstaatsangehörige.“

14

Art. 4-1 des Gesetzes sieht vor:

„Lebenspartner, die ihre Lebenspartnerschaft im Ausland eingetragen haben, können bei der Generalstaatsanwaltschaft einen Antrag auf Eintragung in das Personenstandsregister und in eine Datei gemäß den Art. 1126 ff. des Nouveau Code de procédure civile stellen, sofern beide Parteien zum Zeitpunkt der Eingehung der Lebenspartnerschaft die in Art. 4 genannten Voraussetzungen erfüllt haben.

Eine Großherzogliche Verordnung kann die Formalitäten des Antrags und der beizufügenden Dokumente bestimmen.“

Nouveau Code de procédure civile

15

Art. 1126 des Nouveau Code de procédure civile (Neue Zivilprozessordnung) sieht vor:

„Die Auszüge aus den Urkunden und Urteilen, die im Personenstandsregister aufzubewahren sind, werden bei der Generalstaatsanwaltschaft abgelegt.

…“

16

Art. 1127 dieser Zivilprozessordnung bestimmt:

„Die Publizität der im Personenstandsregister aufbewahrten Urkunden und Urteile wird durch Eintragung in eine maschinelle oder elektronische Datei auf den Namen der geschützten Person gewährleistet. In dieser Eintragung ist die Nummer anzugeben, unter der die Urkunde oder das Urteil in das in Abs. 2 des vorstehenden Artikels vorgesehene Register eingetragen wurde.

…“

17

Art. 1129 dieser Zivilprozessordnung lautet:

„Jedem Antragsteller können Kopien der im Personenstandsregister aufbewahrten Auszüge ausgestellt werden. Wurde ein Löschungsvermerk in der Datei eingetragen, dürfen Kopien der im Personenstandsregister aufbewahrten Auszüge nur mit Genehmigung des Generalstaatsanwalts ausgestellt werden.“

Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

18

Am 22. Dezember 2015 ließen die Kassationsbeschwerdeführerin des Ausgangsverfahrens und ihr Lebenspartner, beide französische Staatsangehörige mit Wohnsitz in Frankreich, beim Tribunal d’instance de Metz (erstinstanzliches Gericht Metz, Frankreich) formgerecht eine gemeinsame Erklärung über einen Pacte civil de solidarité (PACS) (eingetragene Lebenspartnerschaft für gleich- und verschiedengeschlechtliche Paare) eintragen. Beide waren in Luxemburg abhängig beschäftigt.

19

Der Lebenspartner der Kassationsbeschwerdeführerin des Ausgangsverfahrens verstarb am 24. Oktober 2016 infolge eines Arbeitsunfalls. Die Kassationsbeschwerdeführerin des Ausgangsverfahrens beantragte am 8. Dezember 2016 bei der CNAP die Gewährung einer Hinterbliebenenpension.

20

Dieser Antrag wurde am 27. November 2017 mit der Begründung abgelehnt, dass der in Frankreich eingetragene PACS nicht zu Lebzeiten der beiden Vertragsparteien in das luxemburgische Personenstandsregister eingetragen worden sei und daher Dritten nicht entgegengehalten werden könne.

21

Mit Urteil vom 18. März 2020 wies der Conseil arbitral de la sécurité sociale (Schiedsgericht der Sozialversicherung, Luxemburg) die Klage der Kassationsbeschwerdeführerin des Ausgangsverfahrens gegen die Entscheidung der CNAP vom 27. November 2017, mit der ihr die Gewährung einer Hinterbliebenenpension verweigert wurde, ab.

22

Mit Urteil vom 25. Juni 2020 bestätigte der Conseil supérieur de la sécurité sociale (Oberstes Schiedsgericht der Sozialversicherung, Luxemburg) dieses Urteil.

23

Die Kassationsbeschwerdeführerin des Ausgangsverfahrens legte gegen dieses Urteil Kassationsbeschwerde bei der Cour de cassation (Kassationsgerichtshof, Luxemburg) ein. Zur Stützung dieses Rechtsmittels macht sie insbesondere einen Verstoß gegen die Art. 18 und 45 AEUV betreffend das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit bzw. die Freizügigkeit der Arbeitnehmer sowie gegen Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 492/2011 geltend.

24

In ihrer Entscheidung vom 25. November 2021 hat die Cour de cassation (Kassationsgerichtshof) festgestellt, dass die luxemburgischen Rechtsvorschriften keine unmittelbare Ungleichbehandlung luxemburgischer Lebenspartner und Lebenspartner, die Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaats seien, bewirke, je nachdem, ob die Lebenspartnerschaft in Luxemburg oder im Ausland eingegangen worden sei.

25

Das vorlegende Gericht fragt sich jedoch, ob eine mittelbare Diskriminierung vorliegen könnte, da die in Art. 4-1 des Gesetzes vom 9. Juli 2004 vorgesehene Verpflichtung für Lebenspartner, die ihre Lebenspartnerschaft bereits in einem anderen Mitgliedstaat haben eintragen lassen, dies auch im luxemburgischen Personenstandsregister zu tun, um u. a. einen Anspruch auf eine Hinterbliebenenpension zu erhalten, insbesondere Grenzgänger betrifft, d. h. Arbeitnehmer, die ihre berufliche Tätigkeit in Luxemburg ausüben, aber ihren Wohnsitz in einem der angrenzenden Länder haben.

26

Unter diesen Umständen hat die Cour de cassation (Kassationsgerichtshof) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Steht das Recht der Europäischen Union, insbesondere die Art. 18, 45 und 48 AEUV sowie Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 492/2011, Bestimmungen des Rechts eines Mitgliedstaats wie Art. 195 des Code de la sécurité sociale sowie den Art. 3, 4 und 4-1 des Gesetzes vom 9. Juli 2004 entgegen, nach denen die Gewährung einer Hinterbliebenenpension an den überlebenden Lebenspartner einer im Herkunftsmitgliedstaat wirksam eingegangenen und eingetragenen Lebenspartnerschaft, die ihm wegen der Ausübung einer beruflichen Tätigkeit durch den verstorbenen Lebenspartner im Aufnahmemitgliedstaat zusteht, von der Voraussetzung abhängig gemacht wird, dass die Lebenspartnerschaft in einem Register eingetragen ist, das vom Aufnahmemitgliedstaat geführt wird, um die Erfüllung der materiellen Voraussetzungen zu überprüfen, die das Recht dieses Mitgliedstaats vorsieht, um eine Lebenspartnerschaft anzuerkennen und sicherzustellen, dass sie Dritten entgegengehalten werden kann, während die Gewährung einer Hinterbliebenenpension an den überlebenden Lebenspartner einer im Aufnahmemitgliedstaat eingegangenen Lebenspartnerschaft allein von der Voraussetzung abhängt, dass die Lebenspartnerschaft dort wirksam eingegangen und eingetragen wurde?

Zur Vorlagefrage

27

Vorab ist darauf hinzuweisen, dass das vorlegende Gericht in seiner Frage zwar auf die Art. 18 und 48 AEUV Bezug nimmt, diese aber im Rahmen des Ausgangsrechtsstreits nicht einschlägig sind.

28

Nach ständiger Rechtsprechung kann nämlich Art. 18 AEUV in eigenständiger Weise nur auf unionsrechtlich geregelte Sachverhalte angewendet werden, für die der Vertrag keine besonderen Diskriminierungsverbote vorsieht. Das Diskriminierungsverbot wurde aber für den Bereich der Freizügigkeit der Arbeitnehmer durch Art. 45 AEUV und die Verordnung Nr. 492/2011 umgesetzt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 30. Mai 1989, Kommission/Griechenland, 305/87, EU:C:1989:218, Rn. 12 und 13, sowie vom 25. Oktober 2012, Prete, C‑367/11, EU:C:2012:668, Rn. 18 und 19).

29

Art. 48 AEUV will nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs keinen unmittelbar geltenden Rechtssatz aufstellen, sondern stellt eine Rechtsgrundlage dar, um die auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit für die Herstellung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer notwendigen Maßnahmen zu beschließen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. März 2011, Casteels, C‑379/09, EU:C:2011:131, Rn. 14). Solche Maßnahmen finden sich heute in der Verordnung Nr. 883/2004.

30

Daher ist davon auszugehen, dass das vorlegende Gericht mit seiner einzigen Frage im Wesentlichen wissen möchte, ob Art. 45 AEUV und Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 492/2011 dahin auszulegen sind, dass sie einer Regelung eines Aufnahmemitgliedstaats entgegenstehen, nach der dem überlebenden Lebenspartner einer in einem anderen Mitgliedstaat wirksam eingegangenen und eingetragenen Lebenspartnerschaft eine Hinterbliebenenpension, die ihm wegen der Ausübung einer beruflichen Tätigkeit durch den verstorbenen Lebenspartner im Aufnahmemitgliedstaat zusteht, nur gewährt wird, wenn die Lebenspartnerschaft zuvor in ein von diesem Staat geführtes Register eingetragen wurde.

31

Was die Auslegung von Art. 45 AEUV und Art. 7 der Verordnung Nr. 492/2011 betrifft, so verbietet nach ständiger Rechtsprechung der in diesen Bestimmungen niedergelegte Grundsatz der Gleichbehandlung nicht nur offensichtliche Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit, sondern auch alle verschleierten Formen der Diskriminierung, die durch die Anwendung anderer Unterscheidungskriterien de facto zum gleichen Ergebnis führen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 12. Februar 1974, Sotgiu, 152/73, EU:C:1974:13, Rn. 11, und vom 13. März 2019, Gemeinsamer Betriebsrat EurothermenResort Bad Schallerbach, C‑437/17, EU:C:2019:193, Rn. 18).

32

In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof klargestellt, dass eine Vorschrift des nationalen Rechts, wenn sie – obwohl sie ungeachtet der Staatsangehörigkeit anwendbar ist – sich ihrem Wesen nach stärker auf Arbeitnehmer, die Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten sind, als auf inländische Arbeitnehmer auswirken kann und folglich die Gefahr besteht, dass sie die Erstgenannten besonders benachteiligt, als mittelbar diskriminierend anzusehen ist, sofern sie nicht objektiv gerechtfertigt ist und in angemessenem Verhältnis zum verfolgten Ziel steht (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 23. Mai 1996, O’Flynn, C‑237/94, EU:C:1996:206, Rn. 20, und vom 13. März 2019, Gemeinsamer Betriebsrat EurothermenResort Bad Schallerbach, C‑437/17, EU:C:2019:193, Rn. 19).

33

So wie sie im vorliegenden Fall angewandt werden, stellen die luxemburgischen Rechtsvorschriften für eine in einem anderen Mitgliedstaat nach den einschlägigen Vorschriften dieses Staates eingegangene und eingetragene Lebenspartnerschaft eine Voraussetzung auf, der eine in Luxemburg eingegangene Lebenspartnerschaft nicht unterliegt.

34

Die CNAP hat nämlich Art. 4-1 des Gesetzes vom 9. Juli 2004 angewandt, als sie verlangt hat, dass eine bereits in einem anderen Mitgliedstaat eingetragene Lebenspartnerschaft auch in das luxemburgische Personenstandsregister einzutragen ist, was voraussetzt, dass die Lebenspartner einen entsprechenden Antrag bei der luxemburgischen Generalstaatsanwaltschaft stellen. Zwar wird eine in Luxemburg eingegangene Lebenspartnerschaft, zu der eine Lebenspartnerschaftserklärung abgegeben wurde, ebenfalls im luxemburgischen Personenstandsregister eingetragen, doch erfolgt eine solche Eintragung nach Art. 3 des Gesetzes vom 9. Juli 2004„[a]uf Veranlassung des Standesbeamten“. Diese Eintragung erfolgt somit automatisch und auf Initiative des Standesbeamten, vor dem die Lebenspartnerschaftserklärung abgegeben wurde. Da diese Rechtsvorschriften geeignet sind, die Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten zu benachteiligen, schaffen sie folglich eine mittelbar auf der Staatsangehörigkeit beruhende Ungleichbehandlung.

35

Daher ist zu prüfen, ob diese Ungleichbehandlung objektiv gerechtfertigt und verhältnismäßig ist.

36

Insoweit zeigt sich erstens, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden luxemburgischen Rechtsvorschriften es den Behörden dieses Mitgliedstaats ermöglichen, die Erfüllung der materiellen Voraussetzungen zu überprüfen, die der Code de la sécurité sociale für die Gewährung einer Hinterbliebenenpension an einen Lebenspartner vorsieht, und gewährleisten, dass die Lebenspartnerschaft Dritten entgegengehalten werden kann. Es ist legitim, dass ein Mitgliedstaat sicherstellt, dass eine aus öffentlichen Mitteln finanzierte Hinterbliebenenpension, die dem überlebenden Lebenspartner wegen des durch einen Arbeitsunfall verursachten Todes des anderen Lebenspartners gezahlt wird, nur an eine Person gezahlt wird, die nachweisen kann, dass sie tatsächlich der Lebenspartner des verstorbenen Arbeitnehmers war.

37

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs ist eine nationale Regelung allerdings nur dann geeignet, die Verwirklichung des geltend gemachten Ziels zu gewährleisten, wenn sie tatsächlich dem Anliegen gerecht wird, es in kohärenter und systematischer Weise zu erreichen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 10. März 2009, Hartlauer, C‑169/07, EU:C:2009:141, Rn. 55, und vom 11. Juli 2019, A, C‑716/17, EU:C:2019:598, Rn. 24).

38

Aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten geht hervor, dass die Erfüllung der materiellen Voraussetzungen, die der luxemburgische Code de la sécurité sociale vorsieht, damit der überlebende Lebenspartner einen Anspruch auf eine Hinterbliebenenpension wegen des Todes seines Lebenspartners geltend machen kann, im Ausgangsverfahren nicht bestritten wird. Die CNAP hat die Weigerung, der Kassationsbeschwerdeführerin des Ausgangsverfahrens eine solche Pension zu gewähren, allein damit gerechtfertigt, dass die Lebenspartnerschaft zwischen ihr und ihrem Lebenspartner nicht in das luxemburgische Personenstandsregister eingetragen worden sei.

39

Hierzu ist festzustellen, dass die Eintragung der in anderen Mitgliedstaaten eingegangenen Lebenspartnerschaften in das luxemburgische Personenstandsregister keine Verpflichtung, sondern nur eine Möglichkeit ist. Art. 4-1 des Gesetzes vom 9. Juli 2004 bestimmt nämlich, dass die Lebenspartner bei der Generalstaatsanwaltschaft einen Antrag auf Eintragung stellen können. Wie die Europäische Kommission in ihren Erklärungen ausgeführt hat, kann eine solche Eintragung, wenn sie nicht zwingend ist, nicht in kohärenter Weise als eine Formalität angesehen werden, die unerlässlich ist, um zu überprüfen, ob eine in einem anderen Mitgliedstaat eingetragene Lebenspartnerschaft die materiellen Voraussetzungen erfüllt, die das Gesetz vom 9. Juli 2004 vorsieht, und um sicherzustellen, dass eine solche Lebenspartnerschaft Dritten entgegengehalten werden kann.

40

Jedenfalls geht die Weigerung, eine Hinterbliebenenpension zu gewähren, mit der Begründung, dass die dem Pensionsantrag zugrunde liegende Lebenspartnerschaft nicht in Luxemburg eingetragen worden sei, über das hinaus, was zur Erreichung des verfolgten Ziels erforderlich ist, und verstößt damit gegen den in Rn. 32 des vorliegenden Urteils angeführten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

41

Zum einen ist nämlich, wie sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt, die Vorlage eines amtlichen Dokuments, das von der zuständigen Behörde des Mitgliedstaats ausgestellt wurde, in dem die Lebenspartnerschaft eingegangen wurde, ausreichend, um sicherzustellen, dass diese Lebenspartnerschaft den für die Zahlung einer Leistung an Hinterbliebene zuständigen Behörden eines anderen Mitgliedstaats entgegengehalten werden kann, sofern nicht bestimmte Anhaltspunkte Anlass dazu geben können, die Richtigkeit dieses Dokuments in Frage zu stellen (vgl. entsprechend Urteil vom 2. Dezember 1997, Dafeki, C‑336/94, EU:C:1997:579, Rn. 19). In einem solchen Fall könnten etwaige Zweifel der Behörden dieses anderen Mitgliedstaats beseitigt werden, indem sie ein Auskunftsersuchen an die Behörden richten, die die Lebenspartnerschaft eingetragen haben, um sich von deren Rechtsgültigkeit zu überzeugen.

42

Zum anderen spricht mangels des Bestehens einer Frist für die Eintragung der in Rede stehenden Lebenspartnerschaft nach den anzuwendenden nationalen Rechtsvorschriften nichts dagegen, dass diese Eintragung, die von der Eintragung der Lebenspartnerschaft durch die zuständigen Behörden des Mitgliedstaats, in dem diese Lebenspartnerschaft begründet wurde, zu unterscheiden ist, zu dem Zeitpunkt erfolgt, zu dem die Gewährung der Hinterbliebenenpension beantragt wird, wodurch das mit diesen Rechtsvorschriften verfolgte Ziel auch erreicht werden könnte. Aus der Vorlageentscheidung geht jedoch nicht hervor, dass im Ausgangsverfahren von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht worden wäre.

43

Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 45 AEUV und Art. 7 der Verordnung Nr. 492/2011 dahin auszulegen sind, dass sie einer Regelung eines Aufnahmemitgliedstaats entgegenstehen, nach der dem überlebenden Lebenspartner einer in einem anderen Mitgliedstaat wirksam eingegangenen und eingetragenen Lebenspartnerschaft eine Hinterbliebenenpension, die ihm wegen der Ausübung einer beruflichen Tätigkeit durch den verstorbenen Lebenspartner im Aufnahmemitgliedstaat zusteht, nur gewährt wird, wenn die Lebenspartnerschaft zuvor in ein von diesem Staat geführtes Register eingetragen wurde.

Kosten

44

Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Achte Kammer) für Recht erkannt:

 

Art. 45 AEUV und Art. 7 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union in der durch die Verordnung (EU) 2016/589 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. April 2016 geänderten Fassung

 

sind dahin auszulegen, dass

 

sie einer Regelung eines Aufnahmemitgliedstaats entgegenstehen, nach der dem überlebenden Lebenspartner einer in einem anderen Mitgliedstaat wirksam eingegangenen und eingetragenen Lebenspartnerschaft eine Hinterbliebenenpension, die ihm wegen der Ausübung einer beruflichen Tätigkeit durch den verstorbenen Lebenspartner im Aufnahmemitgliedstaat zusteht, nur gewährt wird, wenn die Lebenspartnerschaft zuvor in ein von diesem Staat geführtes Register eingetragen wurde.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Französisch.