URTEIL DES GERICHTSHOFS (Sechste Kammer)

13. Oktober 2022 ( *1 )

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Strukturfonds – Europäischer Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) – Kohäsionsfonds – Verordnung (EG) Nr. 1083/2006 – Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 – Finanzierung durch die Europäische Union – Europäischer Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) – Verordnung (EG) Nr. 1290/2005 – Verordnung (EG) Nr. 1698/2005 – Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 – Finanzhilfevereinbarung – Dem Begünstigten auf ein Konto bei einer insolventen Bank überwiesene Gelder – Nationale Regelung, die diese Gelder nicht von der Insolvenzmasse dieser Bank ausschließt“

In der Rechtssache C‑698/20

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht, Polen) mit Entscheidung vom 22. September 2020, beim Gerichtshof eingegangen am 21. Dezember 2020, in dem Verfahren

Gmina Wieliszew

gegen

Syndyk masy upadłości Spółdzielczego Banku Rzemiosła i Rolnictwa w Wołominie w upadłości likwidacyjnej,

Beteiligter:

Rzecznik Praw Obywatelskich,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. G. Xuereb, des Präsidenten der Ersten Kammer A. Arabadjiev (Berichterstatter) in Wahrnehmung der Aufgaben eines Richters der Sechsten Kammer und der Richterin I. Ziemele,

Generalanwalt: P. Pikamäe,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

des Rzecznik Praw Obywatelskich, vertreten durch M. Taborowski,

der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,

der Europäischen Kommission, vertreten durch I. Barcew und J. Hradil als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 2 Nr. 5, der Art. 3 und 4, von Art. 57 Abs. 1 sowie der Art. 70 und 80 der Verordnung (EG) Nr. 1083/2006 des Rates vom 11. Juli 2006 mit allgemeinen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds und den Kohäsionsfonds und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1260/1999 (ABl. 2006, L 210, S. 25) in der durch die Verordnung (EU) Nr. 423/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2012 (ABl. 2012, L 133, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 1083/2006) sowie von Art. 2 Nr. 15, Art. 37 Abs. 1, Art. 66, Art. 67 Abs. 1, Art. 74 Abs. 1 und Art. 89 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 mit gemeinsamen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsionsfonds, den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds sowie mit allgemeinen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsionsfonds und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds und zur Aufhebung der Verordnung Nr. 1083/2006 (ABl. 2013, L 347, S. 320).

2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Gmina Wieliszew (Gemeinde Wieliszew, Polen, im Folgenden: Gemeinde) und dem Syndyk masy upadłości Spółdzielczego Banku Rzemiosła i Rolnictwa w Wołominie w upadłości likwidacyjnej (Insolvenzverwalter der Genossenschaftsbank für Handwerk und Landwirtschaft Wołomin, in Liquidation) über die Aussonderung des Betrags von 2439814 polnischen Zloty (PLN) (etwa 500000 Euro), der für die Gemeinde auf einem Konto bei dieser Bank verwahrt wurde, aus der Insolvenzmasse dieser Bank.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Protokoll

3

Nach Art. 1 Satz 3 des Protokolls (Nr. 7) über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union (im Folgenden: Protokoll) dürfen „[d]ie Vermögensgegenstände und Guthaben der [Europäischen] Union … ohne Ermächtigung des Gerichtshofs [der Europäischen Union] nicht Gegenstand von Zwangsmaßnahmen der Verwaltungsbehörden oder Gerichte sein“.

Verordnung (EG) Nr. 1698/2005

4

In Art. 2 Buchst. i der Verordnung (EG) Nr. 1698/2005 des Rates vom 20. September 2005 über die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums durch den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) (ABl. 2005, L 277, S. 1) wurde der Begriff „öffentliche Ausgabe“ definiert als „jede öffentliche Beteiligung an der Finanzierung von Vorhaben, die aus dem Haushalt des Staates, der regionalen oder lokalen Gebietskörperschaften oder aus dem Gesamthaushaltsplan der Europäischen Gemeinschaften stammt, sowie alle vergleichbaren Ausgaben. Jeder Beitrag zur Finanzierung von Vorhaben, der aus dem Haushalt von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder von Zusammenschlüssen einer oder mehrerer regionaler oder lokaler Gebietskörperschaften oder Einrichtungen des öffentlichen Rechts im Sinne der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge [(ABl. 2004, L 134, S. 114)] stammt, gilt als öffentlicher Beitrag“.

5

In Art. 3 der Verordnung Nr. 1698/2005 hieß es:

„Der ELER trägt zur Förderung nachhaltiger Entwicklung des ländlichen Raums in der gesamten Gemeinschaft in Ergänzung zu den Markt- und Einkommensstützungsmaßnahmen der gemeinsamen Agrarpolitik, der Kohäsionspolitik und der gemeinsamen Fischereipolitik bei.“

6

Art. 4 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1698/2005 lautete:

„Die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums trägt zur Verwirklichung folgender Ziele bei:

a)

Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der Landwirtschaft und der Forstwirtschaft durch Förderung der Umstrukturierung, der Entwicklung und der Innovation;

b)

Verbesserung der Umwelt und der Landschaft durch Förderung der Landbewirtschaftung;

c)

Steigerung der Lebensqualität im ländlichen Raum und Förderung der Diversifizierung der Wirtschaft.“

7

Art. 15 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1698/2005 bestimmte:

„Der ELER wirkt in den Mitgliedstaaten in Form von Entwicklungsprogrammen für den ländlichen Raum. Mit diesen Programmen wird eine Strategie der ländlichen Entwicklung über ein Bündel von Maßnahmen umgesetzt, die nach den in Titel IV definierten Schwerpunkten gruppiert werden.

Jedes Entwicklungsprogramm für den ländlichen Raum erstreckt sich auf einen zwischen dem 1. Januar 2007 und dem 31. Dezember 2013 liegenden Zeitraum.“

8

Art. 72 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1698/2005 sah vor:

„Unbeschadet der Regeln über die Niederlassungsfreiheit und die Dienstleistungsfreiheit im Sinne der Artikel 43 und 49 [EG] trägt der Mitgliedstaat dafür Sorge, dass ein investitionsbezogenes Vorhaben nur dann tatsächlich aus dem ELER kofinanziert wird, wenn innerhalb von fünf Jahren nach dem Zeitpunkt, zu dem die Verwaltungsbehörde die Finanzierung beschlossen hat, bei diesem Vorhaben keine erhebliche Veränderung erfolgt ist,

a)

die seine Art oder die Durchführungsbedingungen beeinträchtigt oder die einem Unternehmen oder einer öffentlichen Körperschaft einen ungerechtfertigten Vorteil verschafft oder

b)

die darauf zurückzuführen ist, dass sich die Art der Besitzverhältnisse bei einer Infrastruktur geändert hat oder dass eine Produktionstätigkeit aufgegeben worden ist oder sich deren Standort geändert hat.“

Verordnung Nr. 1083/2006

9

Die Verordnung Nr. 1083/2006 enthielt nach ihrem Art. 1 Abs. 1 „die allgemeinen Bestimmungen für den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE), den Europäischen Sozialfonds (ESF) (nachstehend ‚die Strukturfonds‘ genannt) und den Kohäsionsfonds“.

10

Art. 2 Nr. 5 der Verordnung Nr. 1083/2006 sah vor:

„Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck

5.

‚öffentliche Ausgabe‘ jede öffentliche Beteiligung an der Finanzierung von Vorhaben im Zusammenhang mit den Strukturfonds und dem Kohäsionsfonds, die aus dem Haushalt des Staates, der regionalen oder lokalen Gebietskörperschaften oder der Europäischen Gemeinschaften stammt, sowie alle vergleichbaren Ausgaben. Jeder Beitrag zur Finanzierung von Vorhaben, der aus dem Haushalt von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder von Zusammenschlüssen einer oder mehrerer regionaler oder lokaler Gebietskörperschaften … stammt, … gilt als vergleichbare Ausgabe“.

11

Art. 3 („Ziele“) der Verordnung Nr. 1083/2006 bestimmte:

„(1)   Mit der Politik, die die Gemeinschaft im Rahmen des Artikels 158 [EG] verfolgt, soll der wirtschaftliche und soziale Zusammenhalt der erweiterten Europäischen Union gestärkt werden, um eine harmonische, ausgewogene und nachhaltige Entwicklung der Gemeinschaft zu fördern. Diese Politik wird mit Hilfe der Fonds, der Europäischen Investitionsbank (EIB) und der sonstigen vorhandenen Finanzinstrumente verfolgt. Mit ihr sollen die wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Disparitäten verringert werden, die sich insbesondere in den Mitgliedstaaten und Regionen mit Entwicklungsrückstand, im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen und sozialen Umstrukturierung sowie aus der Alterung der Bevölkerung ergeben.

Die Fördertätigkeit der Fonds bezieht auf nationaler und regionaler Ebene die Prioritäten der Gemeinschaft im Hinblick auf eine nachhaltige Entwicklung durch Stärkung von Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung, erhöhte soziale Integration sowie Schutz und Verbesserung der Umweltqualität ein.

(2)   Mit Blick hierauf tragen der EFRE, der ESF, der Kohäsionsfonds, die EIB und die sonstigen vorhandenen Finanzinstrumente der Gemeinschaft jeweils in geeigneter Weise zur Verwirklichung der folgenden drei Ziele bei:

a)

das Ziel ‚Konvergenz‘, das in der Beschleunigung der Konvergenz der Mitgliedstaaten und Regionen mit dem größten Entwicklungsrückstand durch Verbesserung der Voraussetzungen für Wachstum und Beschäftigung besteht; erreicht werden soll dies durch die Steigerung und qualitative Verbesserung der Investitionen in physische und Humanressourcen, die Entwicklung der Innovation und der Wissensgesellschaft, die Förderung der Fähigkeit zur Anpassung an den Wandel in Wirtschaft und Gesellschaft, den Schutz und die Verbesserung der Umwelt sowie eine effiziente Verwaltung. Dieses Ziel stellt die Priorität [der Strukturfonds und des Kohäsionsfonds] dar;

b)

das Ziel ‚Regionale Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung‘, das außerhalb der Regionen mit dem größten Entwicklungsrückstand zur Anwendung kommt, besteht in der Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und Attraktivität der Regionen sowie der Beschäftigung durch Antizipation des Wandels in Wirtschaft und Gesellschaft, einschließlich der Veränderungen im Zusammenhang mit der Öffnung des Handels; erreicht werden soll dies durch die Steigerung und qualitative Verbesserung der Investitionen in das Humankapital, durch Innovation und Förderung der Wissensgesellschaft, Förderung des Unternehmergeistes, Schutz und Verbesserung der Umwelt, Verbesserung der Zugänglichkeit, Förderung der Anpassungsfähigkeit von Arbeitnehmern und Unternehmen sowie Entwicklung von integrativen Arbeitsmärkten; und

c)

das Ziel ‚Europäische territoriale Zusammenarbeit‘, das in der Stärkung der grenzübergreifenden Zusammenarbeit durch gemeinsame lokale und regionale Initiativen, der Stärkung der transnationalen Zusammenarbeit in Gestalt von den Prioritäten der Gemeinschaft entsprechenden Aktionen zur integrierten Raumentwicklung und dem Ausbau der interregionalen Zusammenarbeit und des Erfahrungsaustauschs auf der geeigneten territorialen Ebene besteht.

(3)   Im Rahmen der drei in Absatz 2 genannten Ziele berücksichtigt die Förderung aus den Fonds je nach deren Art die wirtschaftlichen und sozialen Besonderheiten einerseits und die territorialen Besonderheiten andererseits. Die Förderung unterstützt in geeigneter Weise die nachhaltige Stadtentwicklung, besonders als Teil der regionalen Entwicklung, und die Wiederbelebung der ländlichen Gebiete und der von der Fischerei abhängigen Gebiete durch wirtschaftliche Diversifizierung. Sie unterstützt ferner die Gebiete, deren Entwicklungsprobleme durch geografische oder natürliche Benachteiligungen verschärft werden, insbesondere die in Artikel 299 Absatz 2 [EG] genannten Gebiete in äußerster Randlage sowie die nördlichen Gebiete mit sehr geringer Bevölkerungsdichte, bestimmte Inseln und Inselstaaten sowie Berggebiete.“

12

Art. 4 („Instrumente und Aufgaben“) Abs. 1 der Verordnung Nr. 1083/2006 lautete:

„Die Fonds tragen nach den jeweils für sie geltenden spezifischen Bestimmungen zur Erreichung der drei in Artikel 3 Absatz 2 genannten Ziele wie folgt bei:

a)

Ziel ‚Konvergenz‘: EFRE, ESF und der Kohäsionsfonds;

b)

Ziel ‚Regionale Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung‘: EFRE und ESF;

c)

Ziel ‚Europäische territoriale Zusammenarbeit‘: EFRE.“

13

Nach Art. 14 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1083/2006 erfolgte die Ausführung der den Fonds zugewiesenen Haushaltsmittel der Europäischen Union im Rahmen der zwischen den Mitgliedstaaten und der Kommission geteilten Mittelverwaltung.

14

Art. 57 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 1083/2006 bestimmte:

„Der Mitgliedstaat oder die Verwaltungsbehörde stellt sicher, dass die Beteiligung der Fonds an einem Vorhaben, das Infrastruktur- oder produktive Investitionen umfasst, nur dann beibehalten wird, wenn das kofinanzierte Vorhaben innerhalb von fünf Jahren nach dessen Abschluss keine wesentliche Änderung erfährt, die sich aus einem Wechsel der Besitzverhältnisse bei einer Infrastruktur oder aus der Einstellung einer Produktionstätigkeit ergibt und die seine Art oder Durchführungsbedingungen beeinträchtigt oder einem Unternehmen oder einer öffentlichen Körperschaft einen ungerechtfertigten Vorteil verschafft.“

15

Art. 70 Abs. 1 und 2 Verordnung Nr. 1083/2006 lautete:

„(1)   Die Mitgliedstaaten sind zuständig für die Verwaltung und Kontrolle der operationellen Programme und treffen hierzu insbesondere folgende Maßnahmen:

a)

Sie sorgen dafür, dass Verwaltungs- und Kontrollsysteme für die operationellen Programme nach den Artikeln 58 bis 62 eingerichtet werden und wirksam funktionieren.

b)

Sie treffen vorbeugende Maßnahmen gegen Unregelmäßigkeiten, decken sie auf und korrigieren sie und ziehen rechtsgrundlos gezahlte Beträge, gegebenenfalls mit Verzugszinsen, wieder ein. Sie unterrichten die Kommission darüber und halten sie über den Stand von Verwaltungs- und Gerichtsverfahren auf dem Laufenden.

(2)   Können rechtsgrundlos an einen Begünstigten gezahlte Beträge nicht wieder eingezogen werden, so haftet der Mitgliedstaat für die Erstattung der verlorenen Beträge an den Gesamthaushalt der Europäischen Union, wenn nachgewiesen wird, dass der Verlust durch einen ihm anzulastenden Fehler oder durch seine Fahrlässigkeit entstanden ist.“

16

Art. 80 der Verordnung Nr. 1083/2006 sah vor:

„Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass die mit den Zahlungen beauftragten Stellen darauf achten, dass die Begünstigten den Gesamtbetrag der öffentlichen Beteiligung so bald wie möglich und vollständig erhalten. Der den Begünstigten zu zahlende Betrag wird durch keinerlei Abzüge, Einbehalte, später erhobene spezifische Abgaben oder Ähnliches verringert.“

Verordnung Nr. 1303/2013

17

Art. 152 Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 1303/2013 lautet:

„(1)   Diese Verordnung berührt weder die Fortsetzung noch die Änderung, einschließlich der vollständigen oder teilweisen Einstellung, der Unterstützung, die von der Kommission auf der Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 1083/2006 oder einer anderen Rechtsvorschrift, die am 31. Dezember 2013 für diese Unterstützung galt, genehmigt wurde. Jene Verordnung bzw. derartige andere Rechtsvorschriften finden daher bis zur Beendigung der Unterstützung oder der betreffenden Vorhaben nach dem 31. Dezember 2013 weiterhin Anwendung. Im Sinne dieses Absatzes umfasst ‚Unterstützung‘ operationelle Programme und Großprojekte.

(2)   Anträge auf Unterstützung, die gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1083/2006 gestellt oder genehmigt wurden, bleiben gültig.“

18

Art. 153 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1303/2013 bestimmt:

„Unbeschadet der Bestimmungen des Artikels 152 wird die Verordnung (EG) Nr. 1083/2006 mit Wirkung vom 1. Januar 2014 aufgehoben.“

Verordnung (EU) Nr. 1305/2013

19

Art. 88 der Verordnung (EU) Nr. 1305/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über die Förderung der ländlichen Entwicklung durch den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) und zur Aufhebung der Verordnung Nr. 1698/2005 (ABl. 2013, L 347, S. 487) bestimmt, dass die letztgenannte Verordnung weiterhin für Vorhaben gilt, die gemäß von der Kommission im Rahmen der genannten Verordnung vor dem 1. Januar 2014 genehmigten Programmen durchgeführt werden.

Verordnung (EU) Nr. 1306/2013

20

Art. 11 der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über die Finanzierung, die Verwaltung und das Kontrollsystem der Gemeinsamen Agrarpolitik und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 352/78, (EG) Nr. 165/94, (EG) Nr. 2799/98, (EG) Nr. 814/2000, (EG) Nr. 1290/2005 und (EG) Nr. 485/2008 des Rates (ABl. 2013, L 347, S. 549, berichtigt in ABl. 2016, L 130, S. 9) bestimmt:

„Sofern im Unionsrecht nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist, erfolgen die Zahlungen im Rahmen der in dieser Verordnung vorgesehenen Finanzierungen in voller Höhe an die Begünstigten.“

21

Art. 34 Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 1306/2013 sieht vor:

„(1)   Die zur Finanzierung der Ausgaben gemäß Artikel 5 erforderlichen Finanzmittel werden den Mitgliedstaaten gemäß diesem Abschnitt in Form von Vorschüssen, Zwischenzahlungen und Restzahlungen zur Verfügung gestellt.

(2)   Der kumulierte Betrag des Vorschusses und der Zwischenzahlungen darf 95 % der Beteiligung des ELER an jedem Programm zur Entwicklung des ländlichen Raums nicht überschreiten.

…“

22

In Art. 35 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1306/2013 heißt es: „Nach dem Beschluss der Kommission zur Genehmigung des Programms zur Entwicklung des ländlichen Raums zahlt die Kommission dem Mitgliedstaat einen ersten Vorschuss für den gesamten Programmplanungszeitraum.“ Nach Art. 36 Abs. 2 dieser Verordnung leistet die Kommission die Zwischenzahlungen, um die von den zugelassenen Zahlstellen für die Durchführung der Maßnahmen getätigten Ausgaben zu erstatten. Der Restbetrag wird nach Art. 37 Abs. 1 und 2 der Verordnung von der Kommission nach Eingang des letzten jährlichen Durchführungsberichts über die Umsetzung eines Programms zur Entwicklung des ländlichen Raums gezahlt, wobei diese Zahlung nach Art. 37 Abs. 2 spätestens sechs Monate nach dem Zeitpunkt erfolgt, zu dem die in Art. 37 Abs. 1 bezeichneten Informationen und Unterlagen von der Kommission als zulässig eingestuft wurden und die letzte Jahresrechnung abgeschlossen wurde.

23

Art. 54 der Verordnung Nr. 1306/2013 bestimmt:

„(1)   Die Mitgliedstaaten fordern Beträge, die infolge von Unregelmäßigkeiten oder Versäumnissen zu Unrecht gezahlt wurden, von dem Begünstigten innerhalb von 18 Monaten nach dem Zeitpunkt zurück, zu dem ein Kontrollbericht oder ähnliches Dokument, in dem festgestellt wird, dass eine Unregelmäßigkeit stattgefunden hat, gebilligt wurde und gegebenenfalls der Zahlstelle oder der für die Wiedereinziehung zuständigen Stelle zugegangen ist. Die betreffenden Beträge werden zeitgleich mit dem Wiedereinziehungsbescheid im Debitorenbuch der Zahlstelle verzeichnet.

(2)   Ist die Wiedereinziehung nicht innerhalb einer Frist von vier Jahren ab der Wiedereinziehungsaufforderung beziehungsweise, wenn sie Gegenstand eines Verfahrens vor den nationalen Gerichten ist, innerhalb einer Frist von acht Jahren erfolgt, so gehen 50 % der finanziellen Folgen der Nichtwiedereinziehung zu Lasten des betreffenden Mitgliedstaats und 50 % zu Lasten des Haushalts der Union, unbeschadet der Verpflichtung des betreffenden Mitgliedstaats, die Wiedereinziehungsverfahren nach Artikel 58 fortzusetzen.

Wird im Rahmen des Wiedereinziehungsverfahrens amtlich oder gerichtlich endgültig festgestellt, dass keine Unregelmäßigkeit vorliegt, so meldet der betreffende Mitgliedstaat die nach Unterabsatz 1 von ihm zu tragende finanzielle Belastung den Fonds als Ausgabe.

Konnte die Wiedereinziehung jedoch aus Gründen, die dem betreffenden Mitgliedstaat nicht zuzurechnen sind, nicht innerhalb der in Unterabsatz 1 genannten Frist erfolgen, so kann die Kommission, wenn der wieder einzuziehende Betrag 1 Mio. Euro überschreitet, auf Antrag des Mitgliedstaats die Frist um höchstens die Hälfte der ursprünglichen Frist verlängern.

(3)   In hinreichend begründeten Fällen können die Mitgliedstaaten beschließen, die Wiedereinziehung nicht fortzusetzen. Dieser Beschluss kann nur in folgenden Fällen getroffen werden:

a)

wenn die bereits aufgewendeten Kosten und die voraussichtlichen Wiedereinziehungskosten zusammen den wieder einzuziehenden Betrag überschreiten, wobei diese Bedingung als erfüllt gilt, wenn

i)

der von dem Begünstigten im Rahmen einer Einzelzahlung unter einer Beihilferegelung oder Stützungsmaßnahme einzuziehende Betrag, ohne Zinsen, 100 [Euro] nicht übersteigt, oder

ii)

der von dem Begünstigten im Rahmen einer Einzelzahlung unter einer Beihilferegelung oder Stützungsmaßnahme einzuziehende Betrag, ohne Zinsen, zwischen 100 [Euro] und 150 [Euro] liegt und der betreffende Mitgliedstaat nach nationalem Recht für die Nichteintreibung öffentlicher Schulden eine Schwelle anwendet, die höher oder gleich dem wieder einzuziehenden Betrag liegt;

b)

wenn die Wiedereinziehung wegen nach nationalem Recht des betreffenden Mitgliedstaats festgestellter Zahlungsunfähigkeit des Schuldners oder der für die Unregelmäßigkeit rechtlich verantwortlichen Personen unmöglich ist.

Wird der Beschluss gemäß Unterabsatz 1 getroffen, bevor Absatz 2 auf die ausstehenden Beträge angewendet wurde, so gehen die finanziellen Folgen der Nichtwiedereinziehung zu Lasten des Haushalts der Union.

(4)   Die finanziellen Folgen zu Lasten des Mitgliedstaats, die sich aus der Anwendung von Absatz 2 des vorliegenden Artikels ergeben, werden von dem betreffenden Mitgliedstaat in den Jahresrechnungen vermerkt, die der Kommission nach Artikel 102 Absatz 1 Buchstabe c Ziffer iv zu übermitteln sind. Die Kommission überprüft die ordnungsgemäße Anwendung und nimmt beim Erlass des Durchführungsrechtsakts nach Artikel 51 Absatz 1 gegebenenfalls die erforderlichen Anpassungen vor.

(5)   Die Kommission kann unter der Voraussetzung, dass das Verfahren gemäß Artikel 52 Absatz 3 angewendet wurde, Durchführungsrechtsakte zum Ausschluss der zu Lasten des Haushalts der Union verbuchten Beträge von der Finanzierung durch die Union in folgenden Fällen erlassen:

a)

wenn der Mitgliedstaat die Fristen gemäß Absatz 1 nicht eingehalten hat;

b)

wenn sie der Auffassung ist, dass der gemäß Absatz 3 getroffene Beschluss des Mitgliedstaats, die Wiedereinziehung nicht fortzusetzen, nicht gerechtfertigt ist;

c)

wenn sie der Auffassung ist, dass die Unregelmäßigkeit oder die nicht erfolgte Wiedereinziehung auf Unregelmäßigkeiten oder Versäumnisse zurückzuführen ist, die den Verwaltungen oder anderen Dienststellen des betreffenden Mitgliedstaats zuzurechnen sind.

Diese Durchführungsrechtsakte werden nach dem in Artikel 116 Absatz 2 genannten Beratungsverfahren erlassen.“

24

Art. 56 der Verordnung Nr. 1306/2013 lautet:

„Werden Unregelmäßigkeiten und Versäumnisse bei den Vorhaben oder den Programmen zur Entwicklung des ländlichen Raums aufgedeckt, so nehmen die Mitgliedstaaten die finanziellen Berichtigungen vor, indem sie die betreffende finanzielle Beteiligung der Union ganz oder teilweise streichen. Die Mitgliedstaaten berücksichtigen die Art und Schwere der festgestellten Unregelmäßigkeiten sowie die Höhe des finanziellen Verlustes für den ELER.

Die gestrichenen Beträge der Unionsfinanzierung und die wieder eingezogenen Beträge einschließlich Zinsen werden wieder dem betreffenden Programm zugewiesen. Die gestrichenen oder wieder eingezogenen Unionsmittel können jedoch von dem Mitgliedstaat nur für ein Vorhaben im Rahmen desselben Programms zur Entwicklung des ländlichen Raums und unter der Bedingung wieder verwendet werden, dass diese Mittel nicht zu Vorhaben zurückgeleitet werden, bei denen eine finanzielle Berichtigung vorgenommen wurde. Der Mitgliedstaat führt die wieder eingezogenen Beträge nach Abschluss des betreffenden Programms zur Entwicklung des ländlichen Raums wieder dem Haushalt der Union zu.“

25

In Art. 58 Abs. 1 Buchst. e der Verordnung Nr. 1306/2013 heißt es:

„Die Mitgliedstaaten erlassen im Rahmen der GAP alle Rechts- und Verwaltungsvorschriften sowie alle sonstigen Maßnahmen, um einen wirksamen Schutz der finanziellen Interessen der Union zu gewährleisten, insbesondere um

e)

zu Unrecht gezahlte Beträge zuzüglich Zinsen wiedereinzuziehen und wenn notwendig entsprechende rechtliche Schritte einzuleiten.“

Polnisches Recht

26

Art. 61 der Ustawa – Prawo upadłościowe (Insolvenzgesetz) vom 28. Februar 2003 (Dz. U. 2020, Nr. 60, Position 1228, im Folgenden: Insolvenzgesetz) bestimmt:

„Mit dem Tag der Insolvenzeröffnung wird das Vermögen des Insolvenzschuldners zur Insolvenzmasse, die der Befriedigung seiner Gläubiger dient.“

27

Nach Art. 63 Abs. 1 des Insolvenzgesetzes gehört Vermögen, das nach den Bestimmungen der Ustawa – Kodeks postępowania cywilnego (Zivilprozessordnung) vom 17. November 1964 (Dz. U. 2020, Position 1575, im Folgenden: Zivilprozessordnung) von der Zwangsvollstreckung ausgeschlossen ist, nicht zur Insolvenzmasse.

28

Art. 70 des Insolvenzgesetzes bestimmt:

„Vermögensgegenstände, die nicht zum Vermögen des Insolvenzschuldners gehören, unterliegen der Aussonderung aus der Insolvenzmasse.“

29

Art. 831 § 1 Nr. 2a der Zivilprozessordnung sieht vor:

„Der Zwangsvollstreckung unterliegen nicht:

2a)

in Form von Vorschüssen ausgezahlte Mittel aus Programmen, die unter Beteiligung der in Art. 5 Abs. 1 Nrn. 2 und 3 der Ustawa o finansach publicznych (Gesetz über die öffentlichen Finanzen) vom 27. August 2009 (Dz. U. 2019, Position 869, mit Änderungen) angeführten Mittel finanziert werden, es sei denn, die zu vollstreckende Forderung ist im Zusammenhang mit der Durchführung des Vorhabens entstanden, für das diese Mittel bestimmt waren“.

30

Art. 5 Abs. 1 Nrn. 2, 2a und 3 des Gesetzes über die öffentlichen Finanzen bestimmt:

„Als öffentliche Mittel gelten:

2)

Mittel aus dem Haushalt der Europäischen Union und nicht rückzahlbare Mittel aus einem von den Mitgliedstaaten der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) gewährten Zuschuss;

2a)

Mittel im Sinne von Art. 3b der Ustawa o zasadach prowadzenia polityki rozwoju (Gesetz über die Grundsätze der Entwicklungspolitik) vom 6. Dezember 2006 (Dz. U. 2018, Positionen 1307 und 1669);

3)

nicht rückzahlbare Mittel aus ausländischen Quellen, bei denen es sich nicht um die in Nr. 2 genannten Mittel handelt“.

Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefrage

31

Aus der Vorlageentscheidung geht hervor, dass der Gemeinde auf der Grundlage von drei Finanzhilfevereinbarungen (im Folgenden zusammen: Finanzhilfevereinbarungen), die sie mit den zuständigen nationalen Behörden geschlossen hatte, Mittel zugutekamen, die diese Behörden für die Durchführung von aus dem Unionshaushalt kofinanzierten Vorhaben erhalten hatten.

32

Die erste Finanzhilfevereinbarung wurde am 26. Mai 2014 zur Finanzierung eines Vorhabens im Rahmen des operationellen Programms „Innovative Wirtschaft“ für den Zeitraum 2007–2013 mit Unterstützung des EFRE geschlossen. Die förderfähigen Gesamtkosten dieses Vorhabens beliefen sich auf 1014473 PLN (etwa 210000 Euro) und konnten zu 85 % aus dem Unionshaushalt kofinanziert werden. Aus dieser Vereinbarung geht zum einen hervor, dass die öffentliche Beteiligung in Form einer Erstattung der förderfähigen getätigten Ausgaben und/oder in Form von Vorschüssen gewährt werden sollte, und zum anderen, dass die Begünstigte für die Durchführung und den Fortbestand des Vorhabens während des in Art. 57 der Verordnung Nr. 1083/2006 vorgesehenen Zeitraums von fünf Jahren zu sorgen hatte und verpflichtet war, die Mittel in bestimmten Fällen wie dem einer missbräuchlichen Verwendung zurückzuzahlen.

33

Die zweite, am 28. August 2014 geschlossene Finanzhilfevereinbarung betraf die Finanzierung eines Vorhabens im Rahmen der Maßnahme „Grundversorgungsleistungen für die ländliche Wirtschaft und Bevölkerung“ im Rahmen des Programms für die Entwicklung des ländlichen Raums 2007–2013 mit Unterstützung des ELER. Die Gemeinde erhielt eine Beihilfe in Höhe von 2335084 PLN (etwa 480000 Euro) bis zu einer Obergrenze von 50 % der förderfähigen Kosten für die Durchführung dieses Vorhabens. Ebenso wie die erste Vereinbarung erlegte die zweite Vereinbarung der Begünstigten eine Verpflichtung zur Rückzahlung der Mittel in bestimmten Fällen auf und enthielt Bestimmungen, die den Fortbestand des Vorhabens gewährleisten sollten.

34

Entsprechende Bestimmungen waren in der am 8. September 2014 geschlossenen dritten Finanzhilfevereinbarung vorgesehen, die die Finanzierung eines Vorhabens im Rahmen des operationellen Programms „Infrastruktur und Umwelt“ für den Zeitraum 2007–2013 mit Unterstützung des Kohäsionsfonds betraf. Die förderfähigen Gesamtkosten dieses Vorhabens beliefen sich auf 5107639,40 PLN (ungefähr 1000000 Euro). Dieser Betrag war an die Begünstigte in Form von Vorschüssen und anschließenden Zwischenzahlungen und einer Schlusszahlung zu zahlen.

35

Alle von den nationalen Behörden auf der Grundlage der Finanzhilfevereinbarungen an die Gemeinde gezahlten Beträge wurden auf Konten der Gemeinde bei der Spółdzielczy Bank Rzemiosła i Rolnictwa w Wołominie (Genossenschaftsbank für Handwerk und Landwirtschaft Wołomin, im Folgenden: Bank) überwiesen.

36

Mit Beschluss vom 30. Dezember 2015 wurde über das Vermögen der Bank das Insolvenzverfahren eröffnet.

37

Die Gemeinde beantragte beim Insolvenzrichter, aus der Insolvenzmasse der Bank die Beträge auszusondern, die sie im Rahmen der Durchführung der Finanzhilfevereinbarungen erhalten hatte. Ihr Antrag wurde jedoch mit Beschluss vom 18. März 2016 zurückgewiesen. Die Gemeinde erhob daraufhin beim Sąd Rejonowy dla m. st. Warszawy w Warszawie (Hauptstädtisches Rayongericht Warschau, Polen) Klage auf eine entsprechende Aussonderung. Die Klage wurde mit Urteil vom 8. Februar 2017 abgewiesen. Nachdem der Sąd Okręgowy w Warszawie (Regionalgericht Warschau, Polen) die von der Gemeinde gegen dieses Urteil eingelegte Berufung mit Urteil vom 7. Februar 2018 zurückgewiesen hatte, legte die Gemeinde beim Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht, Polen), dem vorlegenden Gericht, Kassationsbeschwerde ein.

38

Das vorlegende Gericht fragt sich, wie die in Rn. 35 des vorliegenden Urteils genannten Beträge zu behandeln sind. Insbesondere wirft es die Frage auf, ob nationale Rechtsvorschriften, nach denen solche aus dem Unionshaushalt stammenden Beträge nicht von der Insolvenzmasse der Bank, bei der sie verwahrt wurden, ausgeschlossen sind, mit dem Unionsrecht vereinbar sind, da diese Rechtsvorschriften die Verwirklichung der durch die Unionsregelung festgelegten Ziele beeinträchtigten.

39

Hierzu führt das vorlegende Gericht erstens aus, dass die in Rn. 35 des vorliegenden Urteils genannten Beträge aufgrund ihrer Verwahrung auf einem der Girokonten der Bank deren Eigentum geworden seien und daher rechtmäßig Bestandteil der Insolvenzmasse der Bank geworden seien, um deren Gläubiger zu befriedigen.

40

Zwar gehe aus Art. 63 des Insolvenzgesetzes, Art. 831 § 1 der Zivilprozessordnung und Art. 5 Abs. 1 Nrn. 2 und 3 des Gesetzes über die öffentlichen Finanzen hervor, dass Beträge aus öffentlichen Mitteln, einschließlich solcher aus dem Unionshaushalt, nicht Gegenstand eines Zwangsvollstreckungsverfahrens sein könnten. Diese Bestimmungen seien jedoch auf den Ausgangsrechtsstreit nicht anwendbar. In der polnischen Lehre und Rechtsprechung sei nämlich unstreitig, dass der in diesen Bestimmungen vorgesehene Ausschluss nur dann zur Anwendung komme, wenn der Insolvenzschuldner der mit den fraglichen Mitteln Begünstigte sei. Im vorliegenden Fall sei aber nicht die Bank, sondern die Gemeinde die Begünstigte. Um zu verhindern, dass die betreffenden Gelder in die Insolvenzmasse fielen, hätte die Gemeinde diese daher selbst verwahren müssen, ohne sie bei der Bank in Verwahrung zu geben, was jedoch nach den Finanzhilfevereinbarungen nicht zulässig gewesen sei.

41

Zweitens weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass die Gemeinde das im polnischen Recht, insbesondere in Art. 70 des Insolvenzgesetzes, vorgesehene Verfahren befolgt habe, um die Aussonderung von Vermögensgegenständen aus der Insolvenzmasse zu erreichen, die ihrer Ansicht nach nicht dem Insolvenzschuldner gehörten. Der von der Gemeinde insoweit erhobenen Klage sei jedoch mit der Begründung nicht stattgegeben worden, dass die Bank Eigentümerin der für die Begünstigten verwahrten Gelder geworden sei, so dass dieser Art. 70 auf den Ausgangsrechtsstreit keine Anwendung finde.

42

Allerdings gehöre die Gemeinde zu den Gläubigern der Bank, wobei ihre Forderungen den Beträgen entsprächen, die ihr auf der Grundlage der Finanzhilfevereinbarungen gezahlt worden seien. Um zu versuchen, diese Beträge zurückzuerlangen, müsse die Gemeinde daher die Forderung, die sie in Bezug auf diese Beträge habe, zur Insolvenzmasse der Bank anmelden. Es sei jedoch keineswegs gewährleistet, dass dieser Versuch der Rückerlangung Erfolg haben werde.

43

Nach Ansicht des Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht) stellt eine etwaige Unmöglichkeit der Rückerlangung der in Rede stehenden Beträge einen Verstoß gegen die Art. 57 und 80 der Verordnung Nr. 1083/2006 dar. Eine solche Unmöglichkeit würde nämlich dazu führen, dass das mit den Finanzhilfevereinbarungen verfolgte Ziel nicht erreicht werden könne, nämlich die Kofinanzierung und damit die Ermöglichung der Verwirklichung bestimmter Investitionsvorhaben. Wenn diese Beträge nicht zu den in diesen Vereinbarungen vorgesehenen Zwecken verwendet würden, würde dies im Übrigen gegen diese Vereinbarungen verstoßen und könnte die Verpflichtung des mit diesen Beträgen Begünstigten zu ihrer Rückzahlung nach sich ziehen.

44

Unter diesen Umständen hat der Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Sind die Verordnung Nr. 1083/2006, insbesondere deren Art. 2 Nr. 5, Art. 3, Art. 4, Art. 57 Abs. 1, Art. 70 und Art. 80, sowie nunmehr die Verordnung Nr. 1303/2013, insbesondere deren Art. 2 Nr. 15, Art. 37 Abs. 1, Art. 66, Art. 67 Abs. 1, Art. 74 Abs. 1 und Art. 89 Abs. 1, dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, die einer Einheit, die Geldmittel aus dem Haushalt der Europäischen Union erhalten hat, die wirksame gerichtliche Geltendmachung der Aussonderung dieser Mittel aus der Insolvenzmasse unmöglich macht, wenn sie auf ein Konto bei einer Bank eingezahlt wurden, die anschließend Insolvenz angemeldet hat, bzw. einer nationalen Regelung, nach der diese Mittel nicht aus der Insolvenzmasse der insolventen Bank ausgesondert werden?

Zum Antrag auf Durchführung des beschleunigten Verfahrens

45

Das vorlegende Gericht hat beantragt, die vorliegende Vorlage zur Vorabentscheidung dem beschleunigten Verfahren nach Art. 105 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs zu unterwerfen.

46

Zur Stützung seines Antrags beruft sich das vorlegende Gericht auf das Wesen des Insolvenzverfahrens und das Ziel, die Gläubiger so rasch wie möglich zu befriedigen und so das Insolvenzverfahren der Bank abzuschließen.

47

Nach Art. 105 Abs. 1 der Verfahrensordnung kann der Präsident des Gerichtshofs auf Antrag des vorlegenden Gerichts oder ausnahmsweise von Amts wegen, nach Anhörung des Berichterstatters und des Generalanwalts, entscheiden, eine Vorlage zur Vorabentscheidung einem beschleunigten Verfahren unter Abweichung von den Bestimmungen dieser Verfahrensordnung zu unterwerfen, wenn die Art der Rechtssache ihre rasche Erledigung erfordert.

48

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass dieses beschleunigte Verfahren ein Verfahrensinstrument darstellt, mit dem auf eine außerordentliche Dringlichkeitssituation reagiert werden soll (Urteil vom 28. April 2022, Phoenix Contact, C‑44/21, EU:C:2022:309, Rn. 14).

49

Im vorliegenden Fall hat der Präsident des Gerichtshofs mit Entscheidung vom 9. Februar 2021 nach Anhörung des Berichterstatters und des Generalanwalts den Antrag, die vorliegende Rechtssache einem beschleunigten Verfahren zu unterwerfen, zurückgewiesen.

50

Insoweit ist zum einen hinsichtlich des Ziels, die Gläubiger so rasch wie möglich zu befriedigen und damit das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Insolvenzverfahren zügig abzuschließen, darauf hinzuweisen, dass sich das Erfordernis der raschen Erledigung eines beim Gerichtshof anhängigen Rechtsstreits nicht allein daraus ergeben kann, dass das vorlegende Gericht verpflichtet ist, eine zügige Beilegung des Rechtsstreits sicherzustellen (Urteil vom 28. April 2022, Caruter, C‑642/20, EU:C:2022:308, Rn. 24).

51

Zum anderen hat sich das vorlegende Gericht im vorliegenden Fall darauf beschränkt, geltend zu machen, dass der Rückgriff auf ein beschleunigtes Verfahren durch das „Wesen“ des Insolvenzverfahrens gerechtfertigt sei, ohne zu erläutern, inwiefern dieses „Wesen“ für sich genommen eine rasche Erledigung der vorliegenden Rechtssache im Sinne von Art. 105 Abs. 1 der Verfahrensordnung erfordert. Jedenfalls erfordert der wirtschaftlich oder sozial sensible Charakter einer Rechtssache, wenn man ihn als erwiesen unterstellt, für sich allein genommen nicht, dass sie in diesem Sinne rasch erledigt wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. März 2022, Commissioners for Her Majesty’s Revenue and Customs [Umfassender Krankenversicherungsschutz], C‑247/20, EU:C:2022:177, Rn. 45).

Zur Vorlagefrage

Zur Zulässigkeit

52

Der Rzecznik Praw Obywatelskich (Beauftragte für Bürgerrechte, Polen) hält das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen für unzulässig, weil das vorlegende Organ, das aus Personen bestehe, die unter Verstoß gegen das nationale Recht und das Unionsrecht ernannt worden seien, nicht als „Gericht“ im Sinne von Art. 267 AEUV eingestuft werden könne.

53

Insbesondere ließen erstens solche Verstöße gegen das nationale Recht und das Unionsrecht im Verfahren zur Ernennung der Personen, aus denen sich das vorlegende Gericht zusammensetze, nicht die Annahme zu, dass dieses Organ das Kriterium erfülle, wonach ein Gericht „durch Gesetz errichtet“ worden sein müsse.

54

Zweitens macht der Beauftragte für Bürgerrechte geltend, dass die Beurteilung sämtlicher rechtlicher und tatsächlicher Umstände in Bezug auf das Verfahren zur Ernennung der in Rn. 52 des vorliegenden Urteils genannten Personen es nicht erlaube, jeden berechtigten Zweifel an der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit dieses Organs auszuräumen.

55

Drittens weist der Beauftragte für Bürgerrechte darauf hin, dass eine der Personen, aus denen die Kammer des Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht) bestehe, die das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof gerichtet habe, der Richter sei, der – als Einzelrichter – den Gerichtshof mit der Rechtssache befasst habe, in der das Urteil vom 29. März 2022, Getin Noble Bank (C‑132/20, EU:C:2022:235), ergangen sei, und dass er in jener Rechtssache in Bezug auf diese Person bereits seine Zweifel daran zum Ausdruck gebracht habe, dass die Voraussetzungen erfüllt seien, um sie als „Gericht“ im Sinne von Art. 267 AEUV anzusehen.

56

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof nach seiner ständigen Rechtsprechung bei der Beurteilung der rein unionsrechtlichen Frage, ob es sich bei der jeweils vorlegenden Einrichtung um ein „Gericht“ im Sinne von Art. 267 AEUV handelt, und somit der Beurteilung, ob das Vorabentscheidungsersuchen zulässig ist, auf eine Reihe von Merkmalen abstellt, wie, u. a., die gesetzliche Grundlage der Einrichtung, ihren ständigen Charakter, die obligatorische Gerichtsbarkeit, das streitige Verfahren, die Anwendung von Rechtsnormen durch die betreffende Einrichtung sowie ihre Unabhängigkeit (Urteil vom 29. März 2022, Getin Noble Bank, C‑132/20, EU:C:2022:235, Rn. 66).

57

Es ist unstreitig, dass der Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht) als solcher die in der vorstehenden Randnummer des vorliegenden Urteils erwähnten Anforderungen erfüllt. Im vorliegenden Fall wirft der Beauftragte für Bürgerrechte vielmehr die Frage auf, ob die Richter, die den Spruchkörper des Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht) bilden, der das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof gerichtet hat, diesen Anforderungen genügen.

58

Wie der Gerichtshof in Rn. 69 des Urteils vom 29. März 2022, Getin Noble Bank (C‑132/20, EU:C:2022:235), aus den in den Rn. 70 und 71 jenes Urteils genannten Gründen entschieden hat, ist, sofern ein Vorabentscheidungsersuchen von einem nationalen Gericht stammt, davon auszugehen, dass dieses die in Rn. 56 des vorliegenden Urteils erwähnten Anforderungen unabhängig von seiner konkreten Zusammensetzung erfüllt.

59

Die in der vorstehenden Randnummer des vorliegenden Urteils dargelegte Vermutung kann zwar widerlegt werden, wenn eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung eines nationalen oder internationalen Gerichts zu der Annahme führen sollte, dass (der oder) die Richter, die das vorlegende Gericht bilden, nicht die Eigenschaft eines unabhängigen, unparteiischen und zuvor durch Gesetz errichteten Gerichts im Sinne von Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV in Verbindung mit Art. 47 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union haben (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. März 2022, Getin Noble Bank, C‑132/20, EU:C:2022:235, Rn. 72).

60

Da dem Gerichtshof im vorliegenden Fall jedoch weder beim Abschluss des schriftlichen Verfahrens noch im Übrigen beim Eintritt in die Beratung über die Rechtssache zur Kenntnis gebracht worden ist, dass die Richter, die den vorlegenden Spruchkörper bilden, Gegenstand einer solchen rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung gewesen wären, können etwaige Mängel des nationalen Verfahrens zur Ernennung dieser Richter nicht zur Unzulässigkeit des vorliegenden Vorabentscheidungsersuchens führen.

61

Allerdings gilt die in Rn. 58 des vorliegenden Urteils genannte Vermutung nur zum Zweck der Beurteilung der Zulässigkeit von Vorabentscheidungsersuchen im Rahmen von Art. 267 AEUV. Daraus lässt sich nicht ableiten, dass die Umstände der Ernennung der Richter des vorlegenden Gerichts zwangsläufig eine Erfüllung der Garantien hinsichtlich des Zugangs zu einem unabhängigen, unparteiischen und zuvor durch Gesetz errichteten Gericht im Sinne von Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV oder Art. 47 der Charta der Grundrechte erlauben (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. März 2022, Getin Noble Bank, C‑132/20, EU:C:2022:235, Rn. 74).

62

Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass eine andere Beurteilung als jene, die sich aus den Rn. 57 bis 61 des vorliegenden Urteils ergibt, geboten sein könnte, wenn über die persönliche Situation (des Richters oder) der Richter, die formal ein Ersuchen gemäß Art. 267 AEUV stellen, hinaus andere Gesichtspunkte Auswirkungen auf die Funktionsweise des vorlegenden Gerichts, dem diese Richter angehören, haben und somit zur Beeinträchtigung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit dieses Gerichts beitragen sollten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. März 2022, Getin Noble Bank, C‑132/20, EU:C:2022:235, Rn. 75).

63

Nach alledem ist das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen zulässig.

Zur Beantwortung der Frage

64

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass das vorlegende Gericht den Gerichtshof mit seiner Vorlagefrage um Auslegung zum einen der Verordnung Nr. 1083/2006 und zum anderen der Verordnung Nr. 1303/2013, mit der die Verordnung Nr. 1083/2006 aufgehoben und ersetzt wurde, ersucht und wissen möchte, ob diese Verordnungen nationalen Rechtsvorschriften entgegenstehen, nach denen Beträge aus dem Unionshaushalt, die ein Begünstigter von Programmen, die von der Union kofinanziert werden, erhalten hat, im Fall der Insolvenz der Bank, bei der sie verwahrt wurden, nicht aus deren Insolvenzmasse ausgesondert werden können.

65

Aus den Informationen, über die der Gerichtshof verfügt, geht jedoch erstens hervor, dass sich die erste und die dritte Finanzhilfevereinbarung auf Vorhaben beziehen, die durch den EFRE bzw. den Kohäsionsfonds unterstützt werden und damit insbesondere den Vorschriften der Verordnung Nr. 1083/2006 unterliegen, die durch die Verordnung Nr. 1303/2013 aufgehoben und ersetzt wurde, wohingegen die zweite Finanzhilfevereinbarung ein Programm für die Entwicklung des ländlichen Raums mit Unterstützung des ELER betrifft, das insbesondere der Verordnung Nr. 1698/2005, die durch die Verordnung Nr. 1305/2013 aufgehoben und ersetzt wurde, sowie der Verordnung (EG) Nr. 1290/2005 des Rates vom 21. Juni 2005 über die Finanzierung der Gemeinsamen Agrarpolitik (ABl. 2005, L 209, S. 1), die durch die Verordnung Nr. 1306/2013 aufgehoben und ersetzt wurde, unterliegt.

66

Zweitens unterliegen die Finanzhilfevereinbarungen, auch wenn sie nach der zum 1. Januar 2014 erfolgten Aufhebung der Verordnungen Nr. 1083/2006 und Nr. 1698/2005 unterzeichnet wurden, nach Art. 152 der Verordnung Nr. 1303/2013 bzw. Art. 88 der Verordnung Nr. 1305/2013 weiterhin den Bestimmungen der Verordnungen Nr. 1083/2006 und Nr. 1698/2005, da die Vorhaben, die Gegenstand dieser Vereinbarungen sind, nach den Angaben in der Vorlageentscheidung den Zeitraum 2007–2013 betreffen und auf der Grundlage der Verordnungen Nr. 1083/2006 und Nr. 1698/2005 gebilligt wurden. Außerdem unterliegt, da die Verordnung Nr. 1306/2013 keine Übergangsbestimmung wie Art. 88 der Verordnung Nr. 1305/2013 enthält und die Verordnung Nr. 1290/2005 gemäß den Art. 119 und 121 der Verordnung Nr. 1306/2013 mit Wirkung vom 1. Januar 2014 aufgehoben wurde, die zweite Finanzhilfevereinbarung den einschlägigen Bestimmungen der Verordnung Nr. 1306/2013.

67

Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass das vorlegende Gericht mit seiner Frage wissen möchte, ob Art. 2 Nr. 5 sowie die Art. 3, 4, 57, 70 und 80 der Verordnung Nr. 1083/2006, die Art. 11, 54, 56 und 58 der Verordnung Nr. 1306/2013 sowie Art. 2 Buchst. i, die Art. 3 und 4 sowie Art. 72 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1698/2005 dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, die es zum einen einer Einrichtung, die Mittel im Rahmen von aus dem Unionshaushalt kofinanzierten Programmen erhalten hat, dann, wenn diese Mittel auf ein Konto bei einer Bank gezahlt wurden, über deren Vermögen anschließend das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, nicht erlaubt, die Aussonderung dieser Mittel aus der Insolvenzmasse dieser Bank zu erreichen, und zum anderen keine Aussonderung dieser Mittel aus der Insolvenzmasse vorsieht.

68

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass Guthaben, die dem Unionshaushalt entnommen und den Mitgliedstaaten aus den Strukturfonds und dem Kohäsionsfonds zur Verfügung gestellt werden, nach der Übertragung nicht als Guthaben der Union im Sinne von Art. 1 letzter Satz des Protokolls angesehen werden können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 30. Mai 2018, Dell’Acqua, C‑370/16, EU:C:2018:344, Rn. 40).

69

Insoweit hat zum einen der Gerichtshof zur Verordnung Nr. 1083/2006 bereits entschieden, dass die von der Kommission aus den Strukturfonds und dem Kohäsionsfonds an die Mitgliedstaaten geleisteten Zahlungen zu einer Übertragung von Guthaben des Unionshaushalts an die Haushalte der Mitgliedstaaten führen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 30. Mai 2018, Dell’Acqua, C‑370/16, EU:C:2018:344, Rn. 39).

70

Zum anderen geht aus den Art. 34 bis 37 der Verordnung Nr. 1306/2013 hervor, dass die Zahlungen der Kommission im Rahmen der durch den ELER unterstützten Programme für die Entwicklung des ländlichen Raums ebenfalls zu einer Übertragung von Guthaben zwischen dem Unionshaushalt und den Haushalten der Mitgliedstaaten führen.

71

Daraus folgt im vorliegenden Fall, dass die Beträge, die die Gemeinde auf der Grundlage der Finanzhilfevereinbarungen erhalten hat und die anschließend bei der Bank verwahrt wurden, nicht als Guthaben der Union im Sinne von Art. 1 letzter Satz des Protokolls eingestuft werden können, was bedeuten würde, dass sie gemäß dieser Bestimmung ohne Ermächtigung des Gerichtshofs der Europäischen Union nicht Gegenstand von Zwangsmaßnahmen der Verwaltungsbehörden oder Gerichte sein dürften.

72

Im Übrigen ist festzustellen, dass keine der in Rn. 67 des vorliegenden Urteils genannten Bestimmungen den Mitgliedstaaten eine Verpflichtung auferlegt, nationale Vorschriften zu erlassen, nach denen Beträge aus der Insolvenzmasse einer Bank allein deshalb ausgesondert werden können, weil diese Beträge bei der betreffenden Bank für einen Begünstigten eines aus dem Unionshaushalt kofinanzierten Programms verwahrt wurden.

73

Was erstens Art. 57 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1083/2006 betrifft, der inhaltlich im Wesentlichen Art. 72 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1698/2005 entspricht, ist festzustellen, dass sich aus dem Wortlaut dieser Bestimmungen im Wesentlichen ergibt, dass der Mitgliedstaat oder die Verwaltungsbehörde sicherstellt, dass die Beteiligung des betreffenden Fonds an einem kofinanzierten Vorhaben nur dann beibehalten wird, wenn dieses Vorhaben innerhalb von fünf Jahren nach seinem Abschluss keine wesentliche Änderung erfährt, die zum einen seine Art oder Durchführungsbedingungen beeinträchtigt und die sich zum anderen aus einem Wechsel der Besitzverhältnisse bei einer Infrastruktur oder aus der Einstellung einer Produktionstätigkeit ergibt.

74

Weder aus diesem Art. 57 noch aus diesem Art. 72 Abs. 1 ergibt sich jedoch, dass die in Rn. 72 des vorliegenden Urteils genannte Verpflichtung besteht.

75

Zweitens erlegt Art. 70 der Verordnung Nr. 1083/2006, der inhaltlich im Wesentlichen den Art. 54, 56 und 58 der Verordnung Nr. 1306/2013 entspricht, den Mitgliedstaaten u. a. eine Verpflichtung zur Erstattung verlorener Beträge an den Gesamthaushalt der Union auf, wenn nachgewiesen wird, dass der Verlust durch einen ihnen anzulastenden Fehler oder durch ihre Fahrlässigkeit entstanden ist.

76

Weder aus dem Wortlaut von Art. 70 der Verordnung Nr. 1083/2006 noch aus dem der Art. 54, 56 und 58 der Verordnung Nr. 1306/2013 ergibt sich jedoch, dass die in Rn. 72 des vorliegenden Urteils genannte Verpflichtung besteht.

77

Im Übrigen ist nicht behauptet worden, dass der Republik Polen bei der Verwaltung oder Kontrolle der fraglichen operationellen Programme ein Fehler oder eine Fahrlässigkeit anzulasten wäre, der bzw. die eine mögliche Anwendung von Art. 70 der Verordnung Nr. 1083/2006 rechtfertigen würde.

78

Was drittens Art. 80 der Verordnung Nr. 1083/2006 betrifft, der Art. 11 der Verordnung Nr. 1306/2013 entspricht, ergibt sich zwar aus dem Wortlaut dieser Bestimmungen im Wesentlichen, dass die mit einer öffentlichen Beteiligung Begünstigten diese vollständig erhalten müssen, doch erlegen diese Bestimmungen als solche den Mitgliedstaaten nicht die in Rn. 72 des vorliegenden Urteils genannte Verpflichtung auf.

79

Im Übrigen ergibt sich aus den in Rn. 35 des vorliegenden Urteils wiedergegebenen Tatsachenfeststellungen des vorlegenden Gerichts, dass die fraglichen Beträge von den nationalen Behörden auf der Grundlage der Finanzhilfevereinbarungen tatsächlich an die Gemeinde gezahlt wurden.

80

Viertens ergibt sich die in Rn. 72 des vorliegenden Urteils genannte Verpflichtung weder aus den Art. 3 und 4 der Verordnung Nr. 1083/2006 noch aus den Art. 3 und 4 der Verordnung Nr. 1698/2005. Diese Artikel beschränken sich nämlich darauf, allgemein die Ziele, Instrumente und Aufgaben der in Art. 1 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1083/2006 genannten Fonds sowie die Aufgaben und Ziele des ELER zu regeln.

81

Fünftens ist schließlich festzustellen, dass sich diese Verpflichtung auch nicht aus Art. 2 Nr. 5 der Verordnung Nr. 1083/2006 oder aus Art. 2 Buchst. i der Verordnung Nr. 1698/2005 ergibt, die lediglich den Begriff der öffentlichen Ausgabe definieren.

82

Zwar kann, wie das vorlegende Gericht im Wesentlichen ausführt, eine etwaige Unmöglichkeit der Rückerlangung der in Rede stehenden Beträge in bestimmten Fällen die Verwirklichung des mit der anwendbaren Unionsregelung verfolgten Ziels beeinträchtigen oder sogar die Verpflichtung des mit diesen Beträgen Begünstigten zu ihrer Rückzahlung nach sich ziehen.

83

Dieser Umstand kann es jedoch nicht rechtfertigen, diese Regelung in einer Weise auszulegen, die mit ihrem Wortlaut unvereinbar ist. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung eine Auslegung einer Bestimmung des Unionsrechts nicht dazu führen darf, dem klaren und unmissverständlichen Wortlaut dieser Bestimmung jede praktische Wirksamkeit zu nehmen. Somit kann der Gerichtshof, wenn sich der Sinn einer Bestimmung des Unionsrechts eindeutig aus ihrem Wortlaut ergibt, nicht von dieser Auslegung abweichen (Urteil vom 25. Januar 2022, VYSOČINA WIND, C‑181/20, EU:C:2022:51, Rn. 39).

84

Schließlich ist klarzustellen, dass gegebenenfalls das Fehlen der in Rn. 72 des vorliegenden Urteils genannten Verpflichtung im Unionsrecht die etwa bestehende Möglichkeit unberührt lässt, die fraglichen Beträge nach polnischem Recht aus der Insolvenzmasse der Bank auszusondern.

85

Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 2 Nr. 5 sowie die Art. 3, 4, 57, 70 und 80 der Verordnung Nr. 1083/2006, die Art. 11, 54, 56 und 58 der Verordnung Nr. 1306/2013 sowie Art. 2 Buchst. i, die Art. 3 und 4 sowie Art. 72 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1698/2005 dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung nicht entgegenstehen, die es zum einen einer Einrichtung, die Mittel im Rahmen von aus dem Unionshaushalt kofinanzierten Programmen erhalten hat, dann, wenn diese Mittel auf ein Konto bei einer Bank gezahlt wurden, über deren Vermögen anschließend das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, nicht erlaubt, die Aussonderung dieser Mittel aus der Insolvenzmasse dieser Bank zu erreichen, und zum anderen keine Aussonderung dieser Mittel aus der Insolvenzmasse vorsieht.

Kosten

86

Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Sechste Kammer) für Recht erkannt:

 

Art. 2 Nr. 5 sowie die Art. 3, 4, 57, 70 und 80 der Verordnung (EG) Nr. 1083/2006 des Rates vom 11. Juli 2006 mit allgemeinen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds und den Kohäsionsfonds und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1260/1999 in der durch die Verordnung (EU) Nr. 423/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2012 geänderten Fassung, die Art. 11, 54, 56 und 58 der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über die Finanzierung, die Verwaltung und das Kontrollsystem der Gemeinsamen Agrarpolitik und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 352/78, (EG) Nr. 165/94, (EG) Nr. 2799/98, (EG) Nr. 814/2000, (EG) Nr. 1290/2005 und (EG) Nr. 485/2008 des Rates sowie Art. 2 Buchst. i, die Art. 3 und 4 sowie Art. 72 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1698/2005 des Rates vom 20. September 2005 über die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums durch den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER)

 

sind dahin auszulegen, dass

 

sie einer nationalen Regelung nicht entgegenstehen, die es zum einen einer Einrichtung, die Mittel im Rahmen von aus dem Haushalt der Europäischen Union kofinanzierten Programmen erhalten hat, dann, wenn diese Mittel auf ein Konto bei einer Bank gezahlt wurden, über deren Vermögen anschließend das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, nicht erlaubt, die Aussonderung dieser Mittel aus der Insolvenzmasse dieser Bank zu erreichen, und zum anderen keine Aussonderung dieser Mittel aus der Insolvenzmasse vorsieht.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Polnisch.