SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN

TAMARA ĆAPETA

vom 28. April 2022 ( 1 )

Verbundene Rechtssachen C‑164/21 und C‑318/21

SIA Baltijas Starptautiskā Akadēmija

gegen

Latvijas Zinātnes padome (C‑164/21)

(Vorabentscheidungsersuchen der Administratīvā rajona tiesa [Bezirksverwaltungsgericht, Lettland])

und

SIA Stockholm School of Economics in Riga

gegen

Latvijas Zinātnes padome (C‑318/21)

(Vorabentscheidungsersuchen der Administratīvā apgabaltiesa [Regionales Verwaltungsgericht, Lettland])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Verordnung (EU) Nr. 651/2014 – Art. 2 Nr. 83 – Forschungs‑, Entwicklungs- und Innovationsbeihilfen – Begriff der Forschungseinrichtung – Hochschule, die wirtschaftliche und nicht wirtschaftliche Tätigkeiten ausübt – Bestimmung der Haupttätigkeit“

I. Einleitung

1.

Können private Hochschuleinrichtungen als Einrichtungen für Forschung und Wissensverbreitung angesehen werden? Dies ist der Kern der von der Administratīvā rajona tiesa (Bezirksverwaltungsgericht, Lettland) und der Administratīvā apgabaltiesa (Regionales Verwaltungsgericht, Lettland) vorgelegten Fragen.

2.

In den vorliegenden beiden Rechtssachen wird der Gerichtshof ersucht, den Begriff „Einrichtung für Forschung und Wissensverbreitung“ in Art. 2 Nr. 83 der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung (im Folgenden: AGVO) ( 2 ) auszulegen.

II. Rechtlicher Rahmen

3.

Art. 1 Abs. 1 Buchst. d der AGVO sieht vor, dass die AGVO u. a. für Beihilfen für Forschung und Entwicklung und Innovation gilt.

4.

Zur näheren Bestimmung der mit dieser Art von Beihilfen verbundenen Konzepte definiert Art. 2 Nr. 83 der AGVO den Begriff „Einrichtung für Forschung und Wissensverbreitung“ wie folgt: „Einrichtungen wie Hochschulen oder Forschungsinstitute, Technologietransfer-Einrichtungen, Innovationsmittler, forschungsorientierte physische oder virtuelle Kooperationseinrichtungen, unabhängig von ihrer Rechtsform (öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich) oder Finanzierungsweise, deren Hauptaufgabe darin besteht, unabhängige Grundlagenforschung, industrielle Forschung oder experimentelle Entwicklung zu betreiben oder die Ergebnisse solcher Tätigkeiten durch Lehre, Veröffentlichung oder Wissenstransfer zu verbreiten. Übt eine solche Einrichtung auch wirtschaftliche Tätigkeiten aus, muss sie über deren Finanzierung, Kosten und Erlöse getrennt Buch führen. Unternehmen, die beispielsweise als Anteilseigner oder Mitglied bestimmenden Einfluss auf eine solche Einrichtung ausüben können, darf kein bevorzugter Zugang zu den von ihr erzielten Forschungsergebnissen gewährt werden.“

III. Relevanter Sachverhalt, Vorlagefragen und Verfahren vor dem Gerichtshof

5.

Die beiden Rechtssachen, mit denen die vorlegenden Gerichte befasst sind, weisen einen nahezu identischen Sachverhalt auf: Die Klägerinnen sind jeweils private Hochschuleinrichtungen, die sich auf zwei verschiedene Ausschreibungen des Latvijas Zinātnes padome (Wissenschaftlicher Rat Lettlands) bewarben, um die Finanzierung von Forschungsprojekten zu erlangen.

6.

In beiden Rechtssachen lehnte der Wissenschaftliche Rat Lettlands die Anträge als nicht förderfähig ab, da die Klägerinnen teilweise wirtschaftliche Tätigkeiten ausübten.

7.

Die beiden Ausschreibungen für Projektvorschläge wurden gemäß dem Ministru kabineta 2017. gada 12. decembra noteikumi Nr. 725 „Fundamentālo un lietišķo pētījumu projektu izvērtēšanas un finansējuma administrēšanas kārtība“ (Dekret Nr. 725 des Ministerrats vom 12. Dezember 2017 über die Verfahren zur Beurteilung von Projekten im Bereich der Grundlagenforschung und der angewandten Forschung und die Verwaltung ihrer Finanzierung [im Folgenden: Dekret Nr. 725]) verfasst.

8.

Um für die Finanzierung der Forschung in Betracht zu kommen, muss das Projekt gemäß dem Dekret Nr. 725 von einer im Register der wissenschaftlichen Einrichtungen eingetragenen wissenschaftlichen Einrichtung durchgeführt werden, die unabhängig von ihrer Rechtsform (öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich) oder Finanzierungsweise gemäß den für ihre Tätigkeiten geltenden Vorschriften (Satzung, Geschäftsordnung oder Gründungsakt) Haupttätigkeiten nicht wirtschaftlicher Art ausübt und der Definition einer „Einrichtung für Forschung und Wissensverbreitung“ gemäß Art. 2 Nr. 83 der AGVO entspricht.

A.   Rechtssache C‑164/21

9.

Die Klägerin des Ausgangsverfahrens, die SIA Baltijas Starptautiskā Akadēmija, erbringt Dienstleistungen der Hochschulbildung akademischer und nicht akademischer Art. Sie ist eine staatlich akkreditierte Hochschule, die gemäß dem Komerclikums (Handelsgesetzbuch) agiert, soweit es nicht dem Augstskolu likums (Hochschulgesetz) widerspricht. Einer der von der Klägerin definierten Tätigkeitsbereiche ist die wissenschaftliche Tätigkeit. Die Klägerin ist im Register der wissenschaftlichen Einrichtungen eingetragen.

10.

Mit Entscheidung vom 23. Januar 2020 genehmigte der Wissenschaftliche Rat Lettlands die „Regelung der allgemeinen Ausschreibung für Grundlagenforschungsprojekte mit Geltung für das Jahr 2020“ (im Folgenden: Ausschreibungsregelung), in deren Rahmen die Klägerin einen Projektvorschlag einreichte.

11.

Mit Entscheidung vom 14. April 2020 lehnte der Wissenschaftliche Rat Lettlands diesen Projektvorschlag mit der Begründung ab, dass die Klägerin keine wissenschaftliche Einrichtung im Sinne des Dekrets Nr. 725 sei.

12.

Im Projektvorschlag werde angegeben, dass im Jahr 2019 der Umsatzanteil der nicht wirtschaftlichen Tätigkeiten im Verhältnis zu demjenigen der wirtschaftlichen Tätigkeiten 95 % (gegenüber 5 % für letztere Tätigkeiten) betragen habe. Jedoch bestünden 84 % des gesamten Umsatzes aus den Gebühren für die akademische Tätigkeit, die angesichts der Art der Tätigkeit der Klägerin (einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, deren Hauptzweck in der Erzielung von Gewinnen bestehe) eine wirtschaftliche Tätigkeit darstelle. Die Haupttätigkeit der Klägerin sei folglich eine gewerbliche Tätigkeit.

13.

Die Klägerin des Ausgangsverfahrens focht diese Ablehnung vor dem vorlegenden Gericht an und machte geltend, dass die unabhängige Forschung ihre Haupttätigkeit darstelle. Weder in der AGVO noch in der Ausschreibungsregelung sei vorgeschrieben, dass ein Antragsteller keine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben und keinen Gewinn aus einer solchen erzielen dürfe. Es sei auch nicht geregelt, wie das Verhältnis zwischen der wirtschaftlichen und der nicht wirtschaftlichen Tätigkeit sein müsse. Die Klägerin macht geltend, sie trenne klar die Haupttätigkeiten, die nicht wirtschaftlicher Art seien, von den Tätigkeiten, die als wirtschaftliche Tätigkeiten gälten.

14.

Im Rahmen dieses Verfahrens hat die Administratīvā rajona tiesa (Bezirksverwaltungsgericht) dem Gerichtshof folgende Fragen vorgelegt:

1.

Kann eine (privatrechtliche) Einrichtung, die mehrere Haupttätigkeiten, einschließlich Forschung, ausübt, deren Einnahmen aber hauptsächlich aus der Erbringung von Bildungsdienstleistungen gegen Entgelt stammen, als Einrichtung im Sinne von Art. 2 Nr. 83 der AGVO eingestuft werden?

2.

Ist es gerechtfertigt, auf das Verhältnis der Finanzierung (Einnahmen und Ausgaben) der wirtschaftlichen und der nicht wirtschaftlichen Tätigkeiten abzustellen, um zu ermitteln, ob die Einrichtung das in Art. 2 Nr. 83 der AGVO genannte Erfordernis erfüllt, wonach der Hauptzweck der Tätigkeiten der Einrichtung darin bestehen muss, unabhängige Grundlagenforschung, industrielle Forschung oder experimentelle Entwicklung zu betreiben oder die Ergebnisse solcher Tätigkeiten durch Lehre, Veröffentlichung oder Wissenstransfer zu verbreiten? Sollte diese Frage bejaht werden, welches Verhältnis der Finanzierung der wirtschaftlichen und der nicht wirtschaftlichen Tätigkeiten wäre dann bei der Ermittlung des Hauptzwecks der Tätigkeiten der Einrichtung angemessen?

3.

Ist es im Einklang mit Art. 2 Nr. 83 der AGVO gerechtfertigt, darauf abzustellen, dass die Einnahmen aus der Haupttätigkeit in die Haupttätigkeit der betreffenden Einrichtung reinvestiert werden, und müssen weitere Aspekte gewürdigt werden, um den Hauptzweck der Tätigkeiten der das Projekt vorschlagenden Einrichtung zutreffend zu ermitteln? Würde die Verwendung der erzielten Einnahmen (Reinvestition in die Haupttätigkeit oder beispielsweise, im Fall eines privaten Gründers, Auszahlung in Form von Dividenden an die Anteilseigner) etwas an dieser Beurteilung ändern, selbst wenn sich die Einnahmen überwiegend aus Gebühren für Bildungsdienstleistungen ergeben?

4.

Ist die Rechtspersönlichkeit der Mitglieder der Einrichtung, die das betreffende Projekt vorschlägt, maßgeblich, um zu beurteilen, ob diese Einrichtung unter die Begriffsbestimmung in Art. 2 Nr. 83 der AGVO fällt, d. h., kommt es darauf an, ob es sich um eine Gesellschaft handelt, die nach dem Handelsrecht zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit (entgeltliche Tätigkeit) mit Gewinnerzielungsabsicht gegründet wurde (Art. 1 des Komerclikums [Handelsgesetzbuch]), oder ob ihre Mitglieder oder Anteilseigner natürliche oder juristische Personen sind, die Gewinn erwirtschaften wollen (einschließlich durch die Erbringung von Bildungsdienstleistungen gegen Entgelt), oder ohne Gewinnerzielungsabsicht gegründet wurden (z. B. ein Verein oder eine Stiftung)?

5.

Sind der Anteil der inländischen und der aus Mitgliedstaaten der Union stammenden Studierenden im Verhältnis zu ausländischen Studierenden (aus Drittstaaten) und der Umstand, dass der Zweck der Haupttätigkeit der das Projekt vorschlagenden Einrichtung darin besteht, den Studierenden eine Hochschulbildung und eine Qualifikation zu vermitteln, die auf dem internationalen Arbeitsmarkt wettbewerbsfähig sind und den gegenwärtigen internationalen Anforderungen entsprechen (Ziff. 5 der Satzung der Klägerin), für die Beurteilung des wirtschaftlichen Charakters der Tätigkeit dieser Einrichtung maßgeblich?

15.

Die Parteien des Ausgangsverfahrens, die niederländische Regierung und die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht.

B.   Rechtssache C‑318/21

16.

Am 22. Mai 2019 erließ der Wissenschaftliche Rat Lettlands Vorschriften über eine Ausschreibung für Projekte im Bereich der Grundlagenforschung und der angewandten Forschung für das Jahr 2019 und kündigte eine Ausschreibung für Projekte an, woraufhin die Klägerin, die SIA Stockholm School of Economics in Riga, einen Projektvorschlag einreichte.

17.

Der Wissenschaftliche Rat Lettlands lehnte mit Entscheidung vom 19. September 2019 den Projektvorschlag mit der Begründung ab, er erfülle nicht die im Dekret Nr. 725 vorgesehenen Zulassungskriterien. Diese Entscheidung stützte sich darauf, dass die nicht wirtschaftlichen Tätigkeiten der Klägerin in einem Verhältnis von 34 % gegenüber 66 % wirtschaftlicher Tätigkeiten stünden. Der Wissenschaftliche Rat Lettlands befand daher, dass die Haupttätigkeit der Klägerin gewerblichen Charakter habe und nicht angenommen werden könne, dass ihre Hauptaufgabe darin bestehe, unabhängige Grundlagenforschung, industrielle Forschung oder experimentelle Entwicklung zu betreiben oder die Ergebnisse solcher Tätigkeiten durch Lehre, Veröffentlichung oder Wissenstransfer zu verbreiten.

18.

Die Klägerin focht diese Entscheidung mit der Begründung an, dass sie die Voraussetzungen des Dekrets Nr. 725 erfülle, da sie in das Register der wissenschaftlichen Einrichtungen eingetragen sei und einer Haupttätigkeit nicht wirtschaftlicher Art nachgehe. Zum Nachweis, dass die finanziellen Beiträge aus der Haupttätigkeit von den wirtschaftlichen Tätigkeiten getrennt seien und die Gewinne aus ihren wirtschaftlichen Tätigkeiten in die Haupttätigkeit der Forschungseinrichtung reinvestiert würden, legte die Klägerin Unterlagen vor.

19.

Mit Urteil vom 8. Juni 2020 wies die Administratīvā rajona tiesa (Bezirksverwaltungsgericht) die Klage ab. Sie führte aus, aus dem Umsatzbericht für 2018 ergebe sich, dass die Einnahmen und Ausgaben im Zusammenhang mit den wirtschaftlichen Tätigkeiten der Klägerin die Einnahmen und Ausgaben im Zusammenhang mit ihren nicht wirtschaftlichen Tätigkeiten überwögen. Folglich gehöre die Klägerin nicht zu den wissenschaftlichen Einrichtungen, für die eine staatliche Finanzierung von Grundlagenforschung und angewandter Forschung vorgesehen sei.

20.

Gegen das Urteil der Administratīvā rajona tiesa (Bezirksverwaltungsgericht) legte die Klägerin Berufung beim vorlegenden Gericht ein. In diesem Zusammenhang legt die Administratīvā apgabaltiesa (Regionales Verwaltungsgericht) dem Gerichtshof folgende Fragen vor:

1.

Ist Art. 2 Nr. 83 der AGVO dahin auszulegen, dass eine Einrichtung (wie Hochschulen oder Forschungsinstitute, Technologietransfer-Einrichtungen, Innovationsmittler, forschungsorientierte physische oder virtuelle Kooperationseinrichtungen), zu deren operativen Zielen es gehört, unabhängige Grundlagenforschung, industrielle Forschung oder experimentelle Entwicklung zu betreiben oder die Ergebnisse solcher Tätigkeiten durch Lehre, Veröffentlichung oder Wissenstransfer zu verbreiten, die sich aber größtenteils aus Einnahmen aus wirtschaftlichen Tätigkeiten eigenfinanziert, als Einrichtung für Forschung und Wissensverbreitung angesehen werden kann?

2.

Ist es gerechtfertigt, auf das Verhältnis der Finanzierung (Einnahmen und Ausgaben) der wirtschaftlichen und der nicht wirtschaftlichen Tätigkeiten abzustellen, um zu ermitteln, ob die Einrichtung das in Art. 2 Nr. 83 der AGVO genannte Erfordernis erfüllt, wonach die Hauptaufgabe der Einrichtung darin bestehen muss, unabhängige Grundlagenforschung, industrielle Forschung oder experimentelle Entwicklung zu betreiben oder die Ergebnisse solcher Tätigkeiten durch Lehre, Veröffentlichung oder Wissenstransfer zu verbreiten?

3.

Falls Frage 2 bejaht wird: Welcher Prozentsatz der Finanzierung der wirtschaftlichen und der nicht wirtschaftlichen Tätigkeiten ist für die Feststellung maßgeblich, ob die Hauptaufgabe der Einrichtung darin besteht, unabhängige Grundlagenforschung, industrielle Forschung oder experimentelle Entwicklung zu betreiben oder die Ergebnisse solcher Tätigkeiten durch Lehre, Veröffentlichung oder Wissenstransfer zu verbreiten?

4.

Ist die Regelung in Art. 2 Nr. 83 der AGVO, wonach Unternehmen, die beispielsweise als Anteilseigner oder Mitglied bestimmenden Einfluss auf die Einrichtung, die das Vorhaben vorschlägt, ausüben können, kein bevorzugter Zugang zu den von dieser Einrichtung erzielten Forschungsergebnissen gewährt werden darf, dahin auszulegen, dass die Mitglieder oder Anteilseigner der Einrichtung sowohl natürliche oder juristische Personen, die Gewinn erwirtschaften wollen (einschließlich durch die Erbringung von Bildungsdienstleistungen gegen Entgelt), als auch ohne Gewinnerzielungsabsicht gegründete Personen (z. B. ein Verein oder eine Stiftung) sein können?

21.

Die Parteien des Ausgangsverfahrens und die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht.

IV. Würdigung

22.

Im Einklang mit dem Ersuchen des Gerichtshofs werde ich mich im Rahmen meiner Würdigung auf die ersten beiden Fragen des vorlegenden Gerichts in der Rechtssache C‑164/21 und auf die ersten drei Fragen in der Rechtssache C‑318/21 konzentrieren.

23.

Diese beiden Gruppen von Fragen zielen im Wesentlichen auf die Auslegung von Art. 2 Nr. 83 der AGVO ab, um den vorlegenden Gerichten bei der Entscheidung zu helfen, ob eine private Hochschuleinrichtung, die hauptsächlich durch Honorare für akademische Leistungen finanziert wird, als „Einrichtung für Forschung und Wissensverbreitung“ im Sinne dieser Bestimmung angesehen werden kann. Ferner möchten die vorlegenden Gerichte wissen, ob der Finanzierungsanteil der wirtschaftlichen Tätigkeiten im Verhältnis zu nicht wirtschaftlichen Tätigkeiten für die Bestimmung der Hauptaufgabe dieser Einrichtung von Bedeutung ist.

24.

Meines Erachtens ist der Gerichtshof für die Beantwortung dieser Fragen nicht zuständig. Ich werde meinen Standpunkt in Abschnitt IV.A erläutern. Für den Fall, dass der Gerichtshof anders entscheidet, werde ich in Abschnitt IV.B die vorgelegten Fragen beantworten.

A.   Zuständigkeit des Gerichtshofs

1. Keine Anwendbarkeit der AGVO kraft Unionsrechts

25.

Der Gerichtshof ist im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens für die Auslegung unionsrechtlicher Vorschriften zuständig, wenn diese von einem nationalen Gericht kraft Unionsrechts anzuwenden sind ( 3 ).

26.

Die Fragen der vorlegenden Gerichte betreffen die Auslegung von Art. 2 Nr. 83 der AGVO.

27.

Daher ist zunächst zu ermitteln, inwiefern diese Bestimmung für die vorliegenden Rechtssachen relevant ist.

28.

Ziel der AGVO ist es, Fälle zu bestimmen, in denen eine staatliche Beihilfe auch dann als mit dem Binnenmarkt vereinbar angesehen werden kann, wenn sie nicht angemeldet und von der Europäischen Kommission nicht individuell genehmigt worden ist. Die Rechtssachen, mit denen die vorlegenden Gerichte befasst sind, betreffen jedoch nicht die Frage, ob die betreffenden Fördermittel als staatliche Beihilfen anmeldepflichtig waren oder nicht. Vielmehr scheint es, dass Art. 2 Nr. 83 der AGVO im Rahmen innerstaatlicher Verfahren durch das Dekret Nr. 725 relevant geworden ist, in dem die Definition aus der AGVO dazu verwendet wurde, die Einrichtungen zu bestimmen, die öffentliche Forschungssubventionen erhalten können.

29.

Art. 2 Nr. 83 der AGVO ist folglich nicht kraft Unionsrechts anwendbar, sondern aufgrund der im Dekret Nr. 725 zum Ausdruck gebrachten Entscheidung des lettischen Ministerrats, eine Begriffsbestimmung aus einem Rechtsakt der Union für rein innerstaatliche Zwecke zu verwenden: die Ermittlung der Förderungswürdigkeit im Hinblick auf öffentliche Forschungsgelder.

30.

Art. 2 Nr. 83 der AGVO ist somit kraft nationalen Rechts anwendbar und nicht kraft Unionsrechts.

2. Der Zweck der Definition einer „Einrichtung für Forschung und Wissensverbreitung“ ist in der AGVO ein anderer als im Dekret Nr. 725

31.

Aus den Angaben und Erklärungen der Verfahrensbeteiligten geht ferner hervor, dass der Grund für die Wahl der Definition aus der AGVO in dem Bestreben des lettischen Staates liegt, den Einklang mit den Unionsvorschriften über staatliche Beihilfen sicherzustellen.

32.

Der Grund für die Aufnahme der Definition der „Einrichtung für Forschung und Wissensverbreitung“ in die AGVO hat hingegen, wie ich noch erläutern werde, nichts mit der Rechtmäßigkeit oder Unrechtmäßigkeit von Forschungsbeihilfen zu tun, die solchen Einrichtungen direkt gewährt werden.

33.

Die AGVO schließt in keiner ihrer Bestimmungen über Forschungs- und Entwicklungsbeihilfen die Anmeldepflicht unter Bezugnahme auf die Art der begünstigten Einrichtung aus. Vielmehr verfolgt die AGVO einen funktionalen Ansatz: Beihilfen für Grundlagenforschung, industrielle Forschung, experimentelle Entwicklung und Durchführbarkeitsstudien, die weitere, in Kapitel III Abschnitt 4 der AGVO aufgeführte Kriterien erfüllen, sind von der Anmeldepflicht freigestellt ( 4 ) und werden somit als mit dem Binnenmarkt vereinbar angesehen.

34.

Wie ich sogleich erklären werde, spielt die Beteiligung einer Einrichtung, die in Art. 2 Nr. 83 der AGVO als eine „Einrichtung für Forschung und Wissensverbreitung“ definiert wird, bei der Entscheidung, ob eine Anmeldung erforderlich ist oder nicht, eine Rolle. Diese Begriffsbestimmung an sich hat jedoch keinen Einfluss darauf, ob die einer Forschungseinrichtung gewährte Forschungsförderung mit dem Binnenmarkt vereinbar ist.

35.

Die Begriffsbestimmung in Art. 2 Nr. 83 der AGVO ist nur für einige Bestimmungen in Kapitel III Abschnitt 4 der AGVO relevant. Erstens kann eine wirksame Zusammenarbeit zwischen „Einrichtungen für Forschung und Wissensverbreitung“ und Unternehmen dazu führen, dass sich die zulässige Intensität staatlicher Beihilfen für bestimmte Forschungsvorhaben erhöht ( 5 ). Zweitens können Innovationsbeihilfen für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) die Kosten für die Abordnung hochqualifizierter Forscher, die von solchen Einrichtungen stammen, zum Zweck der Mitarbeit am Projekt eines begünstigten KMU decken ( 6 ). Schließlich dürfen Forschungs- und Entwicklungsbeihilfen für Fischerei und Aquakultur nur direkt an eine „Einrichtung für Forschung und Wissensverbreitung“ gewährt werden ( 7 ). Damit sind die Fälle erschöpft, in denen die in Art. 2 Nr. 83 enthaltene Begriffsbestimmung der „Einrichtung für Forschung und Wissensverbreitung“ in der AGVO verwendet wird.

36.

Im Übrigen findet man an keiner Stelle in der AGVO einen Hinweis darauf, dass der Begriff der „Einrichtung für Forschung und Wissensverbreitung“ irgendeine Bedeutung für die Definition eines Unternehmens im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV hat ( 8 ). Wenn eine solche Einrichtung eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, wird sie als Unternehmen eingestuft, und die Forschungsbeihilfe, die sie erhält, muss als mit dem Binnenmarkt vereinbar genehmigt werden, entweder im Einzelfall nach Anmeldung oder automatisch ohne Anmeldung, sofern sie die Bedingungen der AGVO erfüllt.

37.

Um sicherzustellen, dass die öffentliche Forschungsfinanzierung mit den Beihilfevorschriften der Union vereinbar ist, und um einen Verstoß gegen diese Vorschriften durch Entscheidungen des Wissenschaftlichen Rates Lettlands zu vermeiden, ist der Ausschluss von Forschungseinrichtungen, die auch wirtschaftliche Tätigkeiten ausüben, folglich nicht erforderlich. Je nach Sachlage können solche Beihilfen mit dem Binnenmarkt vereinbar sein.

38.

Zu ergänzen ist, dass die im Bereich der staatlichen Beihilfen verfolgte Unionspolitik Forschungsbeihilfen begünstigt. Forschung steigert den Wissensstand der Gesellschaft und schafft neue wirtschaftliche Möglichkeiten ( 9 ). Auch wenn die Ergebnisse von Forschungsvorhaben im Allgemeinen für die Gesellschaft von Nutzen sind, können einige Vorhaben jedoch aus Sicht privater Investoren eine unattraktive Rendite aufweisen. Wie die Europäische Kommission erklärt, „[können] staatliche Beihilfen … somit zur Umsetzung von Vorhaben beitragen, die einen gesamtgesellschaftlichen oder gesamtwirtschaftlichen Nutzen erbringen und ohne Gewährung einer Beihilfe nicht durchgeführt würden“ ( 10 ). Wenn Forschungs- und Entwicklungsbeihilfen solchem Marktversagen oder Asymmetrien, die zwischen verschiedenen Forschungseinrichtungen in Bezug auf Informationen oder Koordinierung bestehen, abhelfen ( 11 ), werden sie im Allgemeinen als mit dem Binnenmarkt vereinbar angesehen.

39.

Meines Erachtens besteht kein Zweifel daran, dass private Hochschuleinrichtungen in der Lage sind, in gleicher Weise wie ihre öffentlichen Pendants zu Forschung, Innovation und folglich zu Wachstum beizutragen. Ich sehe daher keinen Grund, solche Einrichtungen als potenzielle Empfänger von Forschungsbeihilfen auszuschließen.

40.

Die unionseigenen Forschungsförderungsprogramme schließen private Hochschuleinrichtungen von den Projekten der Union, wie etwa Mittel für „Horizont Europa“ ( 12 ), einschließlich Marie-Skłodowska-Curie-Maßnahmen, nicht aus.

41.

Abgesehen davon, wie von der niederländischen Regierung angemerkt, obliegt die Auswahl der Einrichtungen, die für eine Forschungsförderung aus öffentlichen Mitteln in Frage kommen, letztlich allein dem lettischen Staat. Er kann sich dafür entscheiden, private Forschungs- und Lehreinrichtungen, die Lehrdienstleistungen gegen Entgelt erbringen, auszuschließen. Diese Entscheidung ist jedoch nicht durch das Unionsrecht und schon gar nicht durch Art. 2 Nr. 83 der AGVO vorgeschrieben.

3. Einrichtungen für Forschung und Wissensverbreitung und Beihilfevorschriften der Union

42.

Als Nutznießer öffentlicher Forschungsfinanzierung können sich Forschungseinrichtungen nach den Beihilfevorschriften der Union in der Tat in unterschiedlichen Positionen befinden. Diese Vorschriften gelten für Forschungseinrichtungen genauso wie für jede andere Einrichtung. Daher unterliegen Forschungseinrichtungen den Beihilfevorschriften, sofern sie als Unternehmen einzustufen sind. Handelt es sich hingegen nicht um Unternehmen, so fallen sie nicht in den Anwendungsbereich von Art. 107 Abs. 1 AEUV. Die Beihilfevorschriften der Union gelten daher nicht für Forschungszuschüsse an Forschungseinrichtungen, die nicht als Unternehmen eingestuft werden.

43.

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs im Wettbewerbsrecht ist ein Unternehmen eine Einheit, die insofern eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, als sie Güter oder Dienstleistungen auf dem Markt anbietet ( 13 ). Die Einstufung als Unternehmen hängt weder davon ab, ob die Einheit nach dem öffentlichen oder dem privaten Recht gegründet wurde, noch davon, ob sie Gewinnerzielung anstrebt ( 14 ). Dies gilt grundsätzlich auch für Forschungseinrichtungen ( 15 ).

44.

Die Einstufung einer Einheit als Unternehmen erfolgt in Bezug auf eine bestimmte Tätigkeit. Eine Einheit, die sowohl wirtschaftliche als auch nicht wirtschaftliche Tätigkeiten ausübt, ist nur im Hinblick auf erstere als Unternehmen anzusehen ( 16 ). Daher unterliegen Beihilfen, mit denen als wirtschaftlich geltende Tätigkeiten von Forschungseinrichtungen unterstützt werden, den Beihilfevorschriften, während Beihilfen zur Unterstützung der nicht wirtschaftlichen Tätigkeiten dieser Einrichtungen nicht in den Anwendungsbereich dieser Vorschriften fallen.

45.

Universitäten sind im Allgemeinen Einrichtungen, die sowohl in der Forschung als auch in der Wissensverbreitung durch Lehre und Veröffentlichungen tätig sind.

46.

Der Gerichtshof hat die Lehrtätigkeiten von Einrichtungen, die in das öffentliche Bildungssystem integriert sind und überwiegend aus öffentlichen Mitteln finanziert werden, vom Begriff der Dienstleistung ausgenommen ( 17 ). Solche Tätigkeiten fallen daher nicht in den Anwendungsbereich der Beihilfevorschriften. Umgekehrt hat der Gerichtshof festgestellt, dass das Angebot von aus privaten Mitteln finanzierter Bildung ( 18 ) eine Dienstleistung darstellt ( 19 ). Es stellt daher eine wirtschaftliche Tätigkeit dar ( 20 ), es sei denn, die privaten Mittel stammen vom Dienstleistungserbringer selbst ( 21 ).

47.

Eine Forschungs- und Lehreinrichtung kann gleichzeitig wirtschaftliche und nicht wirtschaftliche Tätigkeiten ausüben, z. B. indem sie als wirtschaftliche Tätigkeit Kurse gegen Entgelt anbietet und als nicht wirtschaftliche Tätigkeit Grundlagenforschung betreibt. Dies scheint bei beiden Universitäten, die Klägerinnen in den Ausgangsverfahren sind, der Fall zu sein.

48.

In solchen Fällen stellt sich die Frage, ob eine aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfe für eine Einrichtung, die auch eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, zwangsläufig in den Anwendungsbereich von Art. 107 Abs. 1 AEUV fällt.

49.

Im Zusammenhang mit der Hochschulbildung hat der Gerichtshof klargestellt, dass dies nicht der Fall ist. Wenn die nicht wirtschaftlichen Tätigkeiten einer Einrichtung für Forschung und Wissensverbreitung von ihren wirtschaftlichen Tätigkeiten unterschieden werden können und wenn nachgewiesen werden kann, dass die Beihilfe nur nicht wirtschaftliche Tätigkeiten betrifft, gilt ein solcher Transfer aus staatlichen Mitteln nicht als staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV ( 22 ).

50.

Ganz allgemein hat der Gerichtshof festgestellt, dass die „Unterscheidung zwischen hoheitlicher und wirtschaftlicher Betätigung … für jede von einer Einrichtung ausgeübte Tätigkeit gesondert zu treffen [ist]“ ( 23 ).

51.

Die Europäische Kommission hat diese Erwägungen im Unionsrahmen aufgegriffen. So hat sie ausgeführt: „Übt ein und dieselbe Einrichtung sowohl wirtschaftliche als auch nichtwirtschaftliche Tätigkeiten aus, fällt die öffentliche Finanzierung der nichtwirtschaftlichen Tätigkeiten nicht unter Artikel 107 Absatz 1 AEUV, wenn die nichtwirtschaftlichen und die wirtschaftlichen Tätigkeiten und ihre Kosten, Finanzierung und Erlöse klar voneinander getrennt werden können, sodass keine Gefahr der Quersubventionierung der wirtschaftlichen Tätigkeit besteht.“ ( 24 )

52.

Wenn eine Forschungseinrichtung sowohl wirtschaftliche als auch nicht wirtschaftliche Tätigkeiten ausübt, fällt die staatliche Finanzierung also nur insoweit unter die Beihilfevorschriften, als sie Kosten deckt, die mit den wirtschaftlichen Tätigkeiten verbunden sind. Die Europäische Kommission ermittelt dies, indem sie prüft, ob die der Einrichtung für einen bestimmten Rechnungszeitraum zugewiesenen öffentlichen Mittel die auf diesen Zeitraum entfallenden Kosten der nicht wirtschaftlichen Tätigkeiten übersteigen ( 25 ).

53.

Wenn eine Forschungseinrichtung Bildungsdienstleistungen gegen Entgelt erbringt, aber alle Gewinne aus diesen Tätigkeiten in die Haupttätigkeit der Forschung reinvestiert werden, dann werden ihre Tätigkeiten in ihrer Gesamtheit als nicht wirtschaftliche Tätigkeiten angesehen ( 26 ).

54.

Ob es sich bei der einer Forschungseinrichtung gewährten Beihilfe um eine staatliche Beihilfe handelt, hängt daher davon ab, ob die finanzierte Tätigkeit als wirtschaftlich oder nicht wirtschaftlich eingestuft wird. Ist die geförderte Tätigkeit nicht wirtschaftlicher Natur, gelten die Beihilfevorschriften nicht, auch wenn dieselbe Einrichtung auch eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, die jedoch klar von der geförderten Tätigkeit getrennt ist. Handelt es sich bei der geförderten Tätigkeit um eine wirtschaftliche Tätigkeit, ist eine solche Finanzierung eine staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV. Eine solche Beihilfe kann aber letztlich als mit dem Binnenmarkt vereinbar und folglich als zulässig angesehen werden.

55.

Dem aufmerksamen Leser wird aufgefallen sein, dass Art. 2 Nr. 83 der AGVO an keiner Stelle in diesem Abschnitt erwähnt wird. Dies erklärt sich dadurch, dass diese Bestimmung für die Anwendbarkeit der Beilhilfevorschriften auf Forschungszuschüsse an Forschungseinrichtungen nicht relevant ist.

4. Zwischenergebnis: Der Gerichtshof ist nicht zuständig

56.

Da die Unionsvorschrift, um deren Auslegung ersucht wird, nur kraft nationalen Rechts anwendbar ist, und zwar für einen anderen Zweck als den, dem sie nach dem Unionsrecht dient, bin ich der Ansicht, dass der Gerichtshof für die Beantwortung der Vorlagefragen nicht zuständig ist.

57.

Gewiss hat der Gerichtshof auf der Grundlage der in der Rechtssache Dzodzi entwickelten Rechtsprechung entschieden, dass er für Fälle zuständig ist, in denen die nationalen Rechtsvorschriften dieselben Lösungen für Situationen vorsehen, die den im Unionsrecht geregelten Situationen entsprechen. Der nationale Gesetzgeber beschließt in einem solchen Fall, Unionsrecht anzuwenden, um einen gleichwertigen nationalen Sachverhalt zu regeln. Der Gerichtshof ist der Ansicht, dass es in einem solchen Fall zur Vermeidung künftiger Auslegungsunterschiede eindeutig im Interesse der Union liegt, dass die dem Unionsrecht entnommenen Bestimmungen oder Begriffe unabhängig davon, unter welchen Voraussetzungen sie angewandt werden sollen, eine einheitliche Auslegung erhalten ( 27 ).

58.

Beispielsweise hat der belgische Gesetzgeber in der Rechtssache Dzodzi beschlossen, die Anwendung von Unionsvorschriften, die sich auf grenzüberschreitende Sachverhalte bezogen, auf einen entsprechenden, rein innerstaatlichen Sachverhalt auszudehnen ( 28 ).

59.

Ein weiteres Beispiel, bei dem der Gerichtshof seine Zuständigkeit mit der Notwendigkeit einer einheitlichen Auslegung in nicht dem Unionsrecht unterliegenden Fällen begründete, betrifft Sachverhalte, in denen die Mitgliedstaaten die Anwendbarkeit der Richtlinie über Handelsvertreter, die nur für den Verkauf von Waren gilt, auch auf Dienstleistungsgeschäfte ausdehnten ( 29 ).

60.

Das dritte Beispiel, bei dem die „Dzodzi-Logik“ angewandt wurde, betrifft die Auslegung gemischter Abkommen. In der Rechtssache Hermès befand der Gerichtshof, obwohl eine Bestimmung eines gemischten Abkommens ( 30 ) einen außerhalb des Unionsrechts liegenden Sachverhalt betraf, dass er für die Auslegung dieser Bestimmung zuständig sei, weil sie potenziell auf gleichwertige, dem Unionsrecht unterliegende Sachverhalte Anwendung finden könne ( 31 ). Mit anderen Worten bestand ein Interesse der Union daran, dass auf gleichwertige Sachverhalte anwendbare Bestimmungen einheitlich ausgelegt werden.

61.

Außerdem argumentierte der Gerichtshof in ähnlicher Weise in einer Reihe von wettbewerbsrechtlichen Fällen, in denen Unionsvorschriften durch nationales Recht auf rein innerstaatliche Sachverhalte übertragen wurden, die keinerlei Einfluss auf den Handel zwischen den Mitgliedstaaten hatten ( 32 ).

62.

Ein wichtiger Grund für die Zuständigkeit des Gerichtshofs in allen oben angeführten Rechtssachen war die Gleichwertigkeit von rein innerstaatlichen Sachverhalten, für deren Regelung das nationale Recht auf das Unionsrecht verwies, und unionsrelevanten Sachverhalten, für die die maßgebliche Unionsvorschrift konzipiert war. In Fällen, in denen der Zweck der Unionsvorschrift keinen Bezug zu dem Zweck aufwies, für den diese Vorschrift im nationalen Kontext verwendet wurde, verneinte der Gerichtshof hingegen seine Zuständigkeit ( 33 ).

63.

Wie oben in Abschnitt IV.A.2 ausgeführt, hat die Begriffsbestimmung in Art. 2 Nr. 83 im Rahmen der AGVO einen gänzlich anderen Zweck als im Dekret Nr. 725. Es liegt daher auf der Hand, dass die vor den vorlegenden Gerichten verhandelten Fälle keinen innerstaatlichen Sachverhalt darstellen, der denen, die sich im Anwendungsbereich der AGVO ergeben können, gleichwertig wäre.

64.

Die „Dzodzi-Zuständigkeit“ stützt sich im Wesentlichen auf zwei Voraussetzungen: das Interesse der Union an einer einheitlichen Auslegung sowie die Gleichwertigkeit der fraglichen innerstaatlichen und unionsrelevanten Sachverhalte ( 34 ).

65.

Auch wenn es recht weit hergeholt erscheint, könnte man argumentieren, dass die Auslegung von Art. 2 Nr. 83 der AGVO in den vorliegenden Fällen im Interesse der Einheitlichkeit des Unionsrechts liegt. Es sind in der Tat Situationen denkbar, in denen die zuständigen nationalen Behörden und die nationalen Gerichte diese Auslegung bei der Anwendung von Kapitel III Abschnitt 4 der AGVO anwenden werden.

66.

Die Situation, in der Art. 2 Nr. 83 der AGVO in den vorliegenden Fällen anzuwenden ist, entspricht jedoch nicht seiner Anwendung im Rahmen dieser Verordnung. Daher kann angesichts dessen, dass der Gerichtshof Art. 2 Nr. 83 der AGVO nur im Kontext der AGVO selbst und im Einklang mit deren spezifischem Zweck auslegen kann, die Auslegung, die er in den vorliegenden Fällen vornehmen könnte, den vorlegenden Gerichten meines Erachtens nicht von Nutzen sein. Dabei würde es sich um „zwei Paar Schuhe“ handeln.

67.

Im Übrigen ist anzumerken, dass die vorlegenden Gerichte entgegen dem, was Art. 94 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs vorschreibt, nicht erläutert haben, inwiefern die Auslegung von Art. 2 Nr. 83 der AGVO in einem funktionell und rechtlich unterschiedlichen, durch nationales Recht geprägten Kontext relevant sein könnte ( 35 ).

68.

Ich bin daher der Ansicht, dass der Gerichtshof seine Zuständigkeit in den vorliegenden Fällen nicht bejahen kann, da die von der „Dzodzi-Rechtsprechung“ verlangte Voraussetzung eines gleichwertigen innerstaatlichen Sachverhalts nicht erfüllt ist.

69.

Für den Fall, dass sich der Gerichtshof dennoch für zuständig erklärt, werde ich mich nun der Auslegung von Art. 2 Nr. 83 der AGVO zuwenden.

B.   Was ist eine Einrichtung für Forschung und Wissensverbreitung im Sinne von Art. 2 Nr. 83 der AGVO?

70.

Nach Art. 2 Nr. 83 der AGVO ist eine „Einrichtung für Forschung und Wissensverbreitung“ eine Einrichtung, deren Hauptaufgabe darin besteht, unabhängige Grundlagenforschung, industrielle Forschung oder experimentelle Entwicklung zu betreiben ( 36 )oder Forschungsergebnisse durch Lehre, Veröffentlichung oder Wissenstransfer zu verbreiten.

71.

Dieses hervorgehobene „oder“ führt zu Verwirrung.

72.

Kann eine Einrichtung ausschließlich oder überwiegend in der Forschung tätig sein? Kann sie sich ausschließlich oder überwiegend mit der Verbreitung von Wissen befassen? Muss sie sich mit Forschung befassen? Muss sie sich für Verbreitung von Wissen engagieren? Oder muss sie sich sowohl mit Forschung als auch mit Wissensverbreitung befassen, wie der Begriff „Einrichtung für Forschung und Wissensverbreitung“ nahelegen könnte?

73.

Die Formulierung „Hauptaufgabe“ sollte meines Erachtens im Sinne der Tätigkeiten verstanden werden, zu deren Durchführung die Einrichtung überhaupt erst gegründet wurde. Selbstverständlich kann es mehrere Haupttätigkeiten geben.

74.

So werden beispielsweise Einrichtungen wie Universitäten gemeinhin gegründet, um sowohl Wissen zu verbreiten als auch Forschung zu betreiben. Sowohl Lehre als auch Forschung stellen ihre Haupttätigkeiten dar. Forschungsinstitute könnten ausschließlich zu Forschungszwecken gegründet werden und ihre Ergebnisse in externen Veröffentlichungen verbreiten. Die Forschung ist somit ihre einzige Haupttätigkeit. Schließlich gibt es Einrichtungen wie Sprachschulen oder Berufsbildungseinrichtungen, die nur zu Lehrzwecken gegründet wurden, aber unter Umständen auch Forschungsarbeiten durchführen, um beispielsweise ihre Lehrmethoden zu verbessern. Diese Art von Forschung ist jedoch nicht die Hauptaufgabe einer solchen Einrichtung. Die Forschung ist in diesem Szenario nur instrumentell und daher der Hauptaufgabe der Einrichtung, nämlich der Lehre, untergeordnet.

75.

In Anbetracht der Tatsache, dass die Begriffsbestimmung in Art. 2 Nr. 83 der AGVO in dem Abschnitt „Begriffsbestimmungen für Beihilfen für Forschung und Entwicklung und Innovation“ enthalten ist, bin ich der Meinung, dass die Forschung eine der Hauptaufgaben einer „Einrichtung für Forschung und Wissensverbreitung“ sein muss.

76.

Wenn eine Einrichtung die Forschung als Hauptaufgabe hat, handelt es sich um eine „Einrichtung für Forschung und Wissensverbreitung“, unabhängig davon, ob sie öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich organisiert ist und unabhängig von der Art ihrer Finanzierung. Letzteres verstehe ich so, dass eine „Einrichtung für Forschung und Wissensverbreitung“ sowohl wirtschaftliche als auch nicht wirtschaftliche Tätigkeiten ausüben darf ( 37 ). Es ist nur wichtig, dass die unabhängige Forschung zu ihren Hauptaktivitäten gehört.

77.

Auch wenn eine solche Einrichtung also wirtschaftliche Tätigkeiten ausüben kann, lässt sich aus Art. 2 Nr. 83 Satz 2 der AGVO jedoch schließen, dass sie einen Teil ihrer Forschungstätigkeiten als nicht wirtschaftliche Tätigkeiten ausüben muss. Satz 2 dieses Artikels sieht vor: „Übt eine solche Einrichtung auch wirtschaftliche Tätigkeiten aus, muss sie über deren Finanzierung, Kosten und Erlöse getrennt Buch führen.“ ( 38 )

78.

Die Schlussfolgerung, dass es sich bei einer Forschungstätigkeit zumindest teilweise um eine nicht wirtschaftliche Tätigkeit handeln muss, wird auch durch die Komponente der Wissensverbreitung in der Begriffsbestimmung von Art. 2 Nr. 83 der AGVO untermauert. Es gehört zur nicht wirtschaftlichen Forschung, dass ihre Ergebnisse umfassend und öffentlich verbreitet werden. Der letzte Satz dieser Bestimmung unterstützt diese Auslegung, da die Forschungseinrichtung beispielsweise ihren Anteilseignern oder Mitgliedern keinen bevorzugten Zugang zu den von ihr erzielten Forschungsergebnissen gewähren darf.

79.

Meine Schlussfolgerung, dass die Forschung als eine der Haupttätigkeiten zumindest teilweise nicht wirtschaftlich sein muss, ergibt sich auch aus der Rolle, die die AGVO einer „Einrichtung für Forschung und Wissensverbreitung“ zuweist. Die Beteiligung solcher Einrichtungen an Verbundprojekten oder ihre führende Rolle bei bestimmten Arten von Forschung erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass Forschungsbeihilfen ohne Anmeldung mit dem Binnenmarkt vereinbar sind.

80.

Ich kann daher aus dem Wortlaut von Art. 2 Nr. 83 der AGVO schließen, dass eine „Einrichtung für Forschung und Wissensverbreitung“ Forschung betreiben sollte, deren Ergebnisse öffentlich zugänglich sind, und Forschungsergebnisse durch Lehre, Veröffentlichung oder andere Mittel weitergeben kann. Sofern die Forschung (oder ein Teil davon) als nicht wirtschaftliche Tätigkeit betrieben wird, kann die Lehre gegen Entgelt erbracht werden.

81.

Für die Beurteilung der Haupttätigkeiten einer Einrichtung können mehrere Faktoren von Nutzen sein: die Satzung oder ein ähnliches Gründungsdokument der betreffenden Einrichtung, ihre Jahresberichte, die Prüfung der Frage, ob die Einrichtung die Kriterien des nationalen Rechts für den Erwerb des Status einer Hochschul- oder Forschungseinrichtung (z. B. Akkreditierung) erfüllt ( 39 ), sowie die Berichte der nationalen Akkreditierungsbehörde. Da Hochschulakkreditierungen in der Regel für einen begrenzten Zeitraum erteilt werden und erneuert werden müssen, können Reakkreditierungsentscheidungen auch als Anlass für die Bestimmung der Haupttätigkeit einer Einrichtung gesehen werden.

82.

In der Vorlageentscheidung der Rechtssache C‑164/21 heißt es, dass die kommerzielle Tätigkeit der Klägerin des Ausgangsverfahrens zulässig sei, soweit sie nicht im Widerspruch zum Hochschulgesetz stehe. Dies kann auch relevant sein, um die Haupttätigkeit der betreffenden Einrichtung zu ermitteln.

83.

Wenn eine Einrichtung in erster Linie Forschung und Lehre betreibt, ist es für die Einstufung als „Einrichtung für Forschung und Wissensverbreitung“ unerheblich, welcher Anteil dieser Tätigkeiten als wirtschaftlich und welcher als nicht wirtschaftlich gilt. Eine klare Trennung der Kosten für wirtschaftliche und nicht wirtschaftliche Tätigkeiten ist nur dann von Bedeutung, wenn es darum geht, zu entscheiden, ob ein einer solchen Einrichtung gewährter Forschungszuschuss in den Anwendungsbereich der Vorschriften über staatliche Beihilfen fällt.

V. Ergebnis

84.

Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, sich für die Beantwortung der von der Administratīvā rajona tiesa (Bezirksverwaltungsgericht, Lettland) und der Administratīvā apgabaltiesa (Regionales Verwaltungsgericht, Lettland) vorgelegten Fragen für unzuständig zu erklären.

85.

Für den Fall, dass sich der Gerichtshof nicht für unzuständig erklärt, schlage ich ihm hilfsweise vor, wie folgt zu antworten:

1.

Eine Einrichtung, deren Tätigkeit in Forschung und Lehre besteht, kann als „Einrichtung für Forschung und Wissensverbreitung“ im Sinne von Art. 2 Nr. 83 der Verordnung (EU) Nr. 651/2014 der Kommission vom 17. Juni 2014 zur Feststellung der Vereinbarkeit bestimmter Gruppen von Beihilfen mit dem Binnenmarkt in Anwendung der Artikel 107 und 108 [AEUV] eingestuft werden, wenn eine ihrer Haupttätigkeiten die unabhängige Forschung ist, die zumindest teilweise nicht wirtschaftlicher Art ist, selbst wenn einige ihrer Tätigkeiten wirtschaftlicher Art sind oder, mit anderen Worten, selbst wenn ein Teil ihrer Einnahmen aus der Erbringung entgeltlicher Dienstleistungen stammt.

2.

Der Anteil der Finanzierung aus wirtschaftlichen und nicht wirtschaftlichen Tätigkeiten ist nicht relevant für die Feststellung, ob eine Einrichtung eine „Einrichtung für Forschung und Wissensverbreitung“ gemäß Art. 2 Nr. 83 der Verordnung Nr. 651/2014 ist.


( 1 ) Originalsprache: Englisch.

( 2 ) Verordnung (EU) Nr. 651/2014 der Kommission vom 17. Juni 2014 zur Feststellung der Vereinbarkeit bestimmter Gruppen von Beihilfen mit dem Binnenmarkt in Anwendung der Artikel 107 und 108 [AEUV] (ABl. 2014, L 187, S. 1). Eine konsolidierte, rechtlich unverbindliche Fassung kann hier eingesehen werden: http://data.europa.eu/eli/reg/2014/651/2021-08-01.

( 3 ) Urteile vom 19. Dezember 2013, Fish Legal und Shirley (C‑279/12, EU:C:2013:853, Rn. 29 und 30), und vom 26. März 2020, Miasto Łowicz und Prokurator Generalny (C‑558/18 und C‑563/18, EU:C:2020:234, Rn. 44), sowie Beschluss vom 21. Februar 2022, Leonardo (C‑550/21, nicht veröffentlicht, EU:C:2022:139, Rn. 11).

( 4 ) Sofern innerhalb der in Art. 4 Abs. 1 Buchst. i Ziff. i der AGVO festgelegten Anmeldeschwellen.

( 5 ) Art. 25 Abs. 6 Buchst. b Ziff. i der AGVO. Die Beihilfeintensität ist ein Prozentsatz der förderfähigen Finanzierung aus staatlichen Mitteln für bestimmte Arten von Vorhaben. So beträgt beispielsweise die Beihilfeintensität für industrielle Forschung, die nach der AGVO nicht angemeldet werden muss, 50 %. Wenn jedoch eine Einrichtung für Forschung und Wissensverbreitung an dem Vorhaben beteiligt ist, kann die Beihilfeintensität um 15 % erhöht werden, d. h. bis zu 65 % der Gesamtkosten des Vorhabens.

( 6 ) Art. 28 Abs. 2 Buchst. b der AGVO.

( 7 ) Art. 30 Abs. 5 der AGVO.

( 8 ) Siehe unten, Abschnitt IV.A.3.

( 9 ) Die Bedeutung der Forschung wird in Art. 179 Abs. 1 AEUV sowie in verschiedenen Unionsprogrammen anerkannt. So spielte z. B. die Forschung eine wichtige Rolle bei der Wachstumsstrategie „Europa 2020“ (Mitteilung der Kommission – Europa 2020: Eine Strategie für intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum, Brüssel, 3. März 2010, KOM[2010] 2020) und wird in der Forschungs- und Innovationsstrategie von 2020-2024 (https://ec.europa.eu/info/research-and-innovation/strategy/strategy-2020-2024_en) gefördert. Vgl. auch von Wendland, B., „New Rules for State Aid for Research, Development and Innovation: Not a Revolution but a Silent Reform“, European State Aid Law Quarterly, Bd. 14, Nr. 1, 2015, S. 25.

( 10 ) Mitteilung der Kommission – Unionsrahmen für staatliche Beihilfen zur Förderung von Forschung, Entwicklung und Innovation (ABl. 2014, C 198, S. 1, im Folgenden: Unionsrahmen), Rn. 49.

( 11 ) Ebd.

( 12 ) Art. 2 Nr. 16 der Verordnung (EU) 2021/695 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. April 2021 zur Einrichtung von „Horizont Europa“, dem Rahmenprogramm für Forschung und Innovation, sowie über dessen Regeln für die Beteiligung und die Verbreitung der Ergebnisse und zur Aufhebung der Verordnungen (EU) Nr. 1290/2013 und (EU) Nr. 1291/2013 (ABl. 2021, L 170, S. 1).

( 13 ) Urteile vom 16. Juni 1987, Kommission/Italien (118/85, EU:C:1987:283, Rn. 7), vom 18. Juni 1998, Kommission/Italien (C‑35/96, EU:C:1998:303, Rn. 36), und vom 19. Februar 2002, Wouters u. a. (C‑309/99, EU:C:2002:98, Rn. 46).

( 14 ) Urteile vom 19. Februar 2002, Wouters u. a. (C‑309/99, EU:C:2002:98, Rn. 46 und 47), und vom 27. Juni 2017, Congregación de Escuelas Pías Provincia Betania (C‑74/16, EU:C:2017:496, Rn. 41).

( 15 ) Rn. 17 des Unionsrahmens (angeführt in Fn. 10).

( 16 ) Urteil vom 27. Juni 2017, Congregación de Escuelas Pías Provincia Betania (C‑74/16, EU:C:2017:496, Rn. 44). Vgl. auch Bekanntmachung der Kommission zum Begriff der staatlichen Beihilfe im Sinne des Artikels 107 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (ABl. 2016, C 262, S. 1, im Folgenden: Bekanntmachung), Rn. 10.

( 17 ) Urteile vom 27. September 1988, Humbel und Edel (263/86, EU:C:1988:451, Rn. 17 bis 19), sowie vom 7. Dezember 1993, Wirth (C‑109/92, EU:C:1993:916, Rn. 15 und 16).

( 18 ) Die Finanzierung kann durch Schüler oder deren Eltern, aber auch durch Dritte erfolgen, da der wirtschaftliche Charakter der Lehrtätigkeit nicht davon abhängt, dass sie von denjenigen bezahlt wird, für die sie erbracht wird. Urteil vom 27. Juni 2017, Congregación de Escuelas Pías Provincia Betania (C‑74/16, EU:C:2017:496, Rn. 49).

( 19 ) Urteile vom 11. September 2007, Kommission/Deutschland (C‑318/05, EU:C:2007:495, Rn. 69), sowie vom 20. Mai 2010, Zanotti (C‑56/09, EU:C:2010:288, Rn. 32).

( 20 ) Urteil vom 27. Juni 2017, Congregación de Escuelas Pías Provincia Betania (C‑74/16, EU:C:2017:496, Rn. 45 bis 48).

( 21 ) Urteil vom 27. Juni 2017, Congregación de Escuelas Pías Provincia Betania (C‑74/16, EU:C:2017:496, Rn. 48).

( 22 ) Urteil vom 27. Juni 2017, Congregación de Escuelas Pías Provincia Betania (C‑74/16, EU:C:2017:496, Rn. 51). Vgl. auch Buts, C., Nicolaides, P., und Pirlet H., „Puzzles of the State Aid Rules on RDI“, European State Aid Law Quarterly, Bd. 18, Nr. 4, 2019, S. 489, 494.

( 23 ) Urteil vom 1. Juli 2008, MOTOE (C‑49/07, EU:C:2008:376, Rn. 25).

( 24 ) Rn. 18 des Unionsrahmens (angeführt in Fn. 10).

( 25 ) Rn. 20 und die dazugehörige Fn. 6 des Unionsrahmens (angeführt in Fn. 10).

( 26 ) Rn. 19 Buchst. b des Unionsrahmens (angeführt in Fn. 10). Siehe auch Rn. 32 der Bekanntmachung (angeführt in Fn. 16).

( 27 ) Urteile vom 18. Oktober 1990, Dzodzi (C‑297/88 und C‑197/89, EU:C:1990:360, Rn. 41), und vom 18. November 2021, Visma Enterprise (C‑306/20, EU:C:2021:935, Rn. 45). Für einen klaren und detaillierten Überblick über die „Dzodzi-Rechtsprechung“ siehe Schlussanträge des Generalanwalts Bobek in der Rechtssache J & S Service (C‑620/19, EU:C:2020:649, Nrn. 27 bis 50).

( 28 ) Urteil vom 18. Oktober 1990, Dzodzi (C‑297/88 und C‑197/89, EU:C:1990:360, Rn. 43). Es ging um das abgeleitete Recht eines Drittstaatsangehörigen, Ehegatte eines in Belgien arbeitenden belgischen Staatsangehörigen, sich in diesem Land aufzuhalten. Um eine umgekehrte Diskriminierung seiner eigenen Staatsangehörigen zu vermeiden, plante Belgien, das Unionsrecht über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer auch auf rein innerstaatliche Sachverhalte anzuwenden.

( 29 ) Urteile vom 16. März 2006, Poseidon Chartering (C‑3/04, EU:C:2006:176, Rn. 11 bis 19), vom 28. Oktober 2010, Volvo Car Germany (C‑203/09, EU:C:2010:647, Rn. 23 bis 28), vom 3. Dezember 2015, Quenon K. (C‑338/14, EU:C:2015:795, Rn. 17 bis 19), und vom 17. Mai 2017, ERGO Poist’ovňa (C‑48/16, EU:C:2017:377, Rn. 29 bis 32).

( 30 ) Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums, genehmigt durch den Beschluss 94/800/EG des Rates vom 22. Dezember 1994 über den Abschluss der Übereinkünfte im Rahmen der multilateralen Verhandlungen der Uruguay-Runde (1986-1994) im Namen der Europäischen Gemeinschaft in Bezug auf die in ihre Zuständigkeiten fallenden Bereiche (ABl. 1994, L 336, S. 1) (im Folgenden: TRIPS-Übereinkommen).

( 31 ) Urteil vom 16. Juni 1998, Hermès (C‑53/96, EU:C:1998:292, Rn. 32). Es handelte sich um eine einstweilige Maßnahme, die das TRIPS-Übereinkommen für eine Benelux-Marke vorsah. Auch wenn solche Marken nicht dem Unionsrecht unterlagen, war die betreffende Bestimmung des TRIPS-Übereinkommens potenziell auf Unionsmarken anwendbar.

( 32 ) Vgl. z. B. Urteile vom 26. November 2015, Maxima Latvija (C‑345/14, EU:C:2015:784, Rn. 12 bis 14), vom 21. Juli 2016, VM Remonts u. a. (C‑542/14, EU:C:2016:578, Rn. 16 bis 19), und vom 18. November 2021, Visma Enterprise (C‑306/20, EU:C:2021:935, Rn. 41 bis 49).

( 33 ) Vgl. z. B. Urteil vom 10. Dezember 2020, J & S Service (C‑620/19, EU:C:2020:1011, Rn. 44 bis 49).

( 34 ) Generalanwalt Bobek hat drei Voraussetzungen vorgeschlagen, anhand deren geprüft werden soll, ob die „Dzodzi-Rechtsprechung“ herangezogen werden kann, um die Zuständigkeit des Gerichtshofs in Fällen zu bejahen, die außerhalb des Anwendungsbereichs des Unionsrechts liegen. Erstens muss das nationale Recht einen unmittelbaren und unbedingten Verweis auf die Unionsvorschrift enthalten, deren Auslegung begehrt wird. Zweitens müssen die durch das nationale Recht ausgedehnten Unionsregelungen in einem funktionell und rechtlich vergleichbaren Kontext Anwendung finden, in dem weiterhin ein Interesse an der Wahrung begrifflicher Einheitlichkeit besteht und in dem die Auslegung unionsrechtlicher Vorschriften für das vorlegende Gericht weiterhin von einem gewissen praktischen Nutzen sein kann. Drittens ist das vorlegende Gericht verpflichtet, klar und deutlich zu erläutern, inwieweit die beiden oben genannten Voraussetzungen in der betreffenden Rechtssache erfüllt sind, und hierzu die einschlägigen Vorschriften des nationalen Rechts darzulegen. Siehe Schlussanträge des Generalanwalts Bobek in der Rechtssache J & S Service (C‑620/19, EU:C:2020:649, Nrn. 43 bis 45, 54 bis 61 und 71 bis 73).

( 35 ) Vgl. in dieser Hinsicht Urteil vom 15. November 2016, Ullens de Schooten (C‑268/15, EU:C:2016:874, Rn. 55). Manchen Stimmen zufolge sollte eine solche Erläuterung durch das nationale Gericht als verfahrensrechtliche Anforderung verlangt werden, damit die Zuständigkeit des Gerichtshofs in „Dzodzi-artigen“ Fällen bejaht werden kann. Siehe z. B. Schlussanträge des Generalanwalts Wahl in den verbundenen Rechtssachen Venturini u. a. (C‑159/12 bis C‑161/12, EU:C:2013:529, Nrn. 54 bis 62) und Schlussanträge des Generalanwalts Bobek in der Rechtssache J & S Service (C‑620/19, EU:C:2020:649, Nr. 57).

( 36 ) Art. 2 Nr. 84 der AGVO bestimmt den Begriff „Grundlagenforschung“, Art. 2 Nr. 85 den Begriff „industrielle Forschung“, Art. 2 Nr. 86 den Begriff „experimentelle Entwicklung“ und Art. 2 Nr. 87 den Begriff „Durchführbarkeitsstudie“.

( 37 ) Der Unionsrahmen (angeführt in Fn. 10) sieht ebenfalls vor, dass eine Forschungseinrichtung gleichzeitig wirtschaftliche und nicht wirtschaftliche Tätigkeiten ausüben kann. Vgl. z. B. Rn. 20 des Unionsrahmens.

( 38 ) Hervorhebung nur hier.

( 39 ) Vgl. auch Kleiner, T., „The new Framework for Research, Development and Innovation, 2007-2013“, European State Aid Law Quarterly, Bd. 6, Nr. 2, 2007, S. 231, 238 f.