URTEIL DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer)

27. Januar 2021 ( *1 )

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Gemeinsame Agrarpolitik – Stützungsregelung für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe – Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 – Art. 97 Abs. 1 und Art. 99 Abs. 1 – Direktzahlungen – Kürzungen und Ausschlüsse bei Verstoß gegen die Cross-Compliance-Verpflichtungen – Bestimmung des Jahres, auf das für die Berechnung des Prozentsatzes der Kürzung abzustellen ist – Angemessene, wirksame und abschreckende Sanktionen – Durchführungsverordnung (EU) Nr. 809/2014 – Art. 73 Abs. 4 Unterabs. 1 Buchst. a“

In der Rechtssache C‑361/19

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom College van Beroep voor het bedrijfsleven (Obergericht für Wirtschaftsverwaltungssachen, Niederlande) mit Entscheidung vom 23. April 2019, beim Gerichtshof eingegangen am 3. Mai 2019, in dem Verfahren

De Ruiter vof

gegen

Minister van Landbouw, Natuur en Voedselkwaliteit

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Vilaras (Berichterstatter), des Präsidenten des Gerichtshofs K. Lenaerts in Wahrnehmung der Aufgaben eines Richters der Vierten Kammer sowie der Richter N. Piçarra, D. Šváby und S. Rodin,

Generalanwalt: H. Saugmandsgaard Øe,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

der niederländischen Regierung, vertreten durch M. K. Bulterman, C. Schillemans und J. Langer als Bevollmächtigte,

der dänischen Regierung, vertreten durch J. Nymann-Lindegren als Bevollmächtigten im Beistand von P. Biering, advokat,

der deutschen Regierung, vertreten durch D. Klebs und J. Möller als Bevollmächtigte,

der schwedischen Regierung, vertreten durch A. Falk, H. Eklinder, C. Meyer-Seitz und H. Shev als Bevollmächtigte,

des Europäischen Parlaments, vertreten durch G. Mendola und R. van de Westelaken als Bevollmächtigte,

des Rates der Europäischen Union, vertreten durch D. Kornilaki, S. Boelaert und F. Naert als Bevollmächtigte,

der Europäischen Kommission, vertreten durch L. Haasbeek und A. Sauka als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 25. November 2020

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Gültigkeit von Art. 99 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über die Finanzierung, die Verwaltung und das Kontrollsystem der Gemeinsamen Agrarpolitik und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 352/78, (EG) Nr. 165/94, (EG) Nr. 2799/98, (EG) Nr. 814/2000, (EG) Nr. 1290/2005 und (EG) Nr. 485/2008 des Rates (ABl. 2013, L 347, S. 549, und Berichtigung im ABl. 2016, L 130, S. 9) und von Art. 73 Abs. 4 Unterabs. 1 Buchst. a der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 809/2014 der Kommission vom 17. Juli 2014 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung Nr. 1306/2013 hinsichtlich des integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystems, der Maßnahmen zur Entwicklung des ländlichen Raums und der Cross-Compliance (ABl. 2014, L 227, S. 69).

2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der De Ruiter vof und dem Minister van Landbouw, Natuur en Voedselkwaliteit (Minister für Landwirtschaft, Natur und Lebensmittelqualität, Niederlande) (im Folgenden: Minister) wegen der Kürzung der Direktzahlungen für das Jahr 2016 wegen Verstößen gegen die Cross-Compliance-Verpflichtungen für im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) erhaltene Beihilfen, wobei die Verstöße 2016 festgestellt, aber vor allem 2015 begangen wurden.

Rechtlicher Rahmen

Die Verordnung Nr. 1306/2013

3

Der 53. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1306/2013 lautet:

„Mit der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 des Rate[s] [vom 29. September 2003 mit gemeinsamen Regeln für Direktzahlungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik und mit bestimmten Stützungsregelungen für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe und zur Änderung der Verordnungen (EWG) Nr. 2019/93, (EG) Nr. 1452/2001, (EG) Nr. 1453/2001, (EG) Nr. 1454/2001, (EG) Nr. 1868/94, (EG) Nr. 1251/1999, (EG) Nr. 1254/1999, (EG) Nr. 1673/2000, (EWG) Nr. 2358/71 und (EG) Nr. 2529/2001 (ABl. 2003, L 270, S. 1)], die durch die Verordnung (EG) Nr. 73/2009 [des Rates vom 19. Januar 2009 mit gemeinsamen Regeln für Direktzahlungen im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik und mit bestimmten Stützungsregelungen für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 1290/2005, (EG) Nr. 247/2006, (EG) Nr. 378/2007 sowie zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 (ABl. 2009, L 30, S. 16)] ersetzt wurde, wurde der Grundsatz festgelegt, dass die volle Zahlung einiger GAP-Fördermittel an die Begünstigten an die Einhaltung verbindlicher Vorschriften in Bezug auf Landnutzung, landwirtschaftliche Erzeugung und landwirtschaftliche Tätigkeit gebunden sein sollte. Dieser Grundsatz spiegelte sich anschließend in den Verordnungen (EG) Nr. 1698/2005 des Rates [vom 20. September 2005 über die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums durch den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) (ABl. 2005, L 277, S. 1)] und (EG) Nr. 1234/2007 des Rates [vom 22. Oktober 2007 über eine gemeinsame Organisation der Agrarmärkte und mit Sondervorschriften für bestimmte landwirtschaftliche Erzeugnisse (Verordnung über die einheitliche GMO) (ABl. 2007, L 299, S. 1)] wider.

Im Rahmen der sich hieraus ergebenden ‚Cross-Compliance‘-Regelung müssen die Mitgliedstaaten Sanktionen verhängen, indem sie die im Rahmen der GAP gewährten Fördermittel ganz oder teilweise kürzen oder ausschließen.“

4

Der 57. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1306/2013 lautet:

„Die Cross-Compliance-Regelung ist sowohl für die Begünstigten als auch für die nationalen Verwaltungen mit einem gewissen Verwaltungsaufwand verbunden, da Aufzeichnungen und Kontrollen vorgenommen und gegebenenfalls Sanktionen verhängt werden müssen. Diese Sanktionen sollten angemessen, wirksam und abschreckend sein. Sie sollten sonstige Sanktionen unberührt lassen, die im Rahmen sonstigen Unions- oder nationalen Rechts vorgesehen sind. Aus Gründen der Kohärenz ist es angebracht, die einschlägigen Unionsvorschriften in einem einzigen Rechtsinstrument zusammenzufassen. …“

5

Art. 91 („Allgemeiner Grundsatz“) Abs. 1 der Verordnung Nr. 1306/2013 lautet:

„Erfüllt ein in Artikel 92 genannter Begünstigter die Cross-Compliance-Vorschriften gemäß Artikel 93 nicht, so wird gegen ihn eine Verwaltungssanktion verhängt.“

6

Art. 92 („Betroffene Begünstigte“) Abs. 1 der Verordnung Nr. 1306/2013 sieht vor:

„Artikel 91 gilt für Begünstigte, die … Direktzahlungen … erhalten.“

7

In Art. 97 („Anwendung von Verwaltungssanktionen“) der Verordnung Nr. 1306/2013 heißt es:

„(1)   Werden die Cross-Compliance-Vorschriften in einem bestimmten Kalenderjahr (im Folgenden ‚betreffendes Kalenderjahr‘) zu irgendeinem Zeitpunkt nicht erfüllt und ist dieser Verstoß dem Begünstigten, der den Beihilfe- oder den Zahlungsantrag in dem betreffenden Kalenderjahr gestellt hat, unmittelbar anzulasten, so wird die Verwaltungssanktion gemäß Artikel 91 verhängt.

(2)   In Fällen, in denen die landwirtschaftliche Fläche im Laufe des betreffenden Kalenderjahres bzw. der betreffenden Kalenderjahre übertragen wurde, findet Absatz 1 auch dann Anwendung, wenn der betreffende Verstoß das Ergebnis einer Handlung oder Unterlassung ist, die unmittelbar der Person anzulasten ist, an die oder von der die landwirtschaftlichen Flächen übertragen wurden. Hat die Person, der die Handlung oder Unterlassung unmittelbar anzulasten ist, für das betreffende Kalenderjahr bzw. die betreffenden Kalenderjahre einen Antrag auf Beihilfe gestellt, so wird die Verwaltungssanktion dessen ungeachtet auf der Grundlage des Gesamtbetrags der dieser Person gewährten oder zu gewährenden Zahlungen gemäß Artikel 92 verhängt.

Für die Zwecke dieses Absatzes bezeichnet ‚Übertragung‘ jeden Vorgang, bei dem die landwirtschaftlichen Flächen aufhören, dem Übertragenden zur Verfügung zu stehen.

(3)   Ungeachtet des Absatzes 1 und vorbehaltlich der gemäß Artikel 101 zu erlassenden Vorschriften können die Mitgliedstaaten beschließen, eine Verwaltungssanktion, die sich auf bis zu 100 [Euro] je Begünstigtem und Kalenderjahr beläuft, nicht zu verhängen.

Beschließt ein Mitgliedstaat, von der Möglichkeit nach Unterabsatz 1 Gebrauch zu machen, so ergreift die zuständige Behörde im folgenden Jahr für eine Stichprobe von Begünstigten die erforderlichen Maßnahmen, um sich zu vergewissern, dass der Begünstigte Abhilfemaßnahmen für die festgestellten Verstöße getroffen hat. Der festgestellte Verstoß und die Verpflichtung zur Einleitung von Abhilfemaßnahmen werden dem Begünstigten mitgeteilt.

…“

8

In Art. 99 („Berechnung der Verwaltungssanktion“) der Verordnung Nr. 1306/2013 heißt es:

„(1)   Zur Anwendung der Verwaltungssanktion gemäß Artikel 91 wird der Gesamtbetrag der in Artikel 92 genannten Zahlungen, der dem betroffenen Begünstigten gewährt wurde bzw. zu gewähren ist, für die Beihilfeanträge, die er in dem Kalenderjahr, in dem der Verstoß festgestellt wurde, eingereicht hat oder einreichen wird, gekürzt oder gestrichen.

…“

Die Durchführungsverordnung Nr. 809/2014

9

Art. 73 („Allgemeine Grundsätze“) Abs. 4 Unterabs. 1 Buchst. a der Durchführungsverordnung Nr. 809/2014 bestimmt:

„Die Verwaltungssanktion bezieht sich auf den Gesamtbetrag der Zahlungen im Sinne des Artikels 92 der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013, die dem betreffenden Begünstigten aufgrund folgender Anträge gewährt wurden oder gewährt werden sollen:

a)

Beihilfe- oder Zahlungsanträge, die er im Laufe des Jahrs der Feststellung eingereicht hat oder einreichen wird …“

Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefrage

10

Im Anschluss an eine am 3. März 2016 durchgeführte Kontrolle der Nederlandse Voedsel- en Warenautoriteit (niederländische Behörde für Lebensmittel- und Produktsicherheit) teilte der Minister der Klägerin des Ausgangsverfahrens am 12. Januar 2017 mit, dass ihr wegen Verstößen gegen die Cross-Compliance-Verpflichtungen – zwei Verstöße im Jahr 2015 im Bereich der Gesundheit und ein Verstoß im Jahr 2016 im Bereich des Tierschutzes – die Direktzahlungen für das Jahr 2016 um 5 % gekürzt werden sollten.

11

Das von der Klägerin des Ausgangsverfahrens angerufene College van Beroep voor het bedrijfsleven (Obergericht für Wirtschaftsverwaltungssachen, Niederlande) weist darauf hin, dass das Jahr, in dem die ersten beiden Verstöße gegen die Cross-Compliance-Verpflichtungen begangen worden seien, nämlich 2015, nicht dasselbe sei wie das Jahr, in dem der dritte Verstoß begangen und die ersten beiden Verstöße festgestellt worden seien, nämlich 2016.

12

Es führt aus, der Minister habe gemäß Art. 99 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1306/2013 und Art. 73 Abs. 4 Unterabs. 1 Buchst. a der Durchführungsverordnung Nr. 809/2014, deren Wortlaut sowohl in niederländischer als auch in englischer und französischer Sprache eindeutig sei, die Kürzung wegen Verstößen gegen die Cross-Compliance-Verpflichtungen für das Jahr vorgenommen, in dem diese festgestellt worden seien.

13

Es äußert Zweifel an der Gültigkeit dieser beiden Bestimmungen, und zwar im Hinblick auf das Urteil vom 25. Juli 2018, Teglgaard und Fløjstrupgård (C‑239/17, EU:C:2018:597, Rn. 34 bis 59), das Vorschriften betreffe, die den hier anwendbaren Verordnungen vorausgegangen seien, wobei sich die Sprachfassungen dieser Verordnungen von denen jener Vorschriften unterschieden.

14

Vor dem Hintergrund jenes Urteils fragt es sich, ob der Unionsgesetzgeber dadurch, dass er in der Verordnung Nr. 1306/2013 und der Durchführungsverordnung Nr. 809/2014 für die Berechnung der Kürzung der Direktzahlungen auf das Jahr der Feststellung des Verstoßes abstelle, nicht die Grundsätze der Gleichbehandlung, der Verhältnismäßigkeit und der Rechtssicherheit missachte.

15

In jenem Urteil habe der Gerichtshof erstens entschieden, dass das Abstellen auf das Jahr der Feststellung des Verstoßes gegen die Cross-Compliance-Verpflichtungen für die Berechnung der Kürzung der Direktzahlungen die Gefahr berge, dass der Betrag der Zahlungen, auf den die Kürzung angewandt werde, erheblich höher sei als der der Zahlungen für das Jahr des Verstoßes oder, umgekehrt, dass die Kürzung erheblich niedriger ausfalle, weil die Direktzahlungen zwischen dem Jahr des Verstoßes und dem der Feststellung abgenommen hätten, zweitens, dass der Zusammenhang zwischen dem zur Kürzung oder zum Ausschluss der Direktzahlungen führenden Verhalten des Betriebsinhabers und der betreffenden Sanktion nicht gewahrt werde, wenn für die Berechnung auf das Jahr der Feststellung abgestellt werde, und drittens, dass es für die Betriebsinhaber schwierig wäre, die von ihnen zu tragenden finanziellen Konsequenzen vorauszusehen, wenn für die Berechnung auf das Jahr der Feststellung abgestellt würde.

16

Das vorlegende Gericht hält es daher für erforderlich, den Gerichtshof um Vorabentscheidung darüber zu ersuchen, ob Art. 99 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1306/2013 und Art. 73 Abs. 4 Unterabs. 1 Buchst. a der Durchführungsverordnung Nr. 809/2014 gültig sind.

17

Es stelle sich somit die Frage, ob es im Unionsrecht eine Grundlage dafür gebe, bei einem Verstoß gegen die Cross-Compliance-Verpflichtungen im Jahr 2015 die Direktzahlungen für das Jahr 2016 zu kürzen. Falls nein, würde dies der aus den Erwägungsgründen 53 und 54 der Verordnung Nr. 1306/2013 folgenden Zielsetzung der Verordnung in Bezug auf die Einhaltung der Cross-Compliance-Vorschriften zuwiderlaufen.

18

Unter diesen Umständen hat das College van Beroep voor het bedrijfsleven (Obergericht für Wirtschaftsverwaltungssachen) das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Sind Art. 99 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1306/2013 und Art. 73 Abs. 4 Unterabs. 1 Buchst. a der Durchführungsverordnung Nr. 809/2014 gültig, soweit danach zur Bestimmung des Jahres, für das eine Cross-Compliance-Kürzung berechnet wird, auf das Jahr der Feststellung des Verstoßes gegen die Cross-Compliance-Vorschriften abzustellen ist, wenn das Jahr des Verstoßes nicht mit dem Jahr seiner Feststellung übereinstimmt?

Verfahren vor dem Gerichtshof

19

Wegen der mit der Corona-Pandemie verbundenen Gefahren wurde der für den 11. März 2020 anberaumte Termin zur mündlichen Verhandlung abgesagt.

20

Mit Entscheidung vom 24. April 2020 wurden daher die Fragen, zu deren Beantwortung in der mündlichen Verhandlung die in Art. 23 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union bezeichneten Beteiligten aufgefordert worden waren, in schriftliche Fragen umgewandelt.

21

Die dänische, die deutsche, die niederländische und die schwedische Regierung sowie das Europäische Parlament, der Rat der Europäischen Union und die Europäische Kommission haben die schriftlichen Fragen des Gerichtshofs beantwortet.

Zur Vorlagefrage

22

Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass es im Rahmen des durch Art. 267 AEUV eingeführten Verfahrens der Zusammenarbeit zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof Aufgabe des Gerichtshofs ist, dem vorlegenden Gericht eine für die Entscheidung des bei diesem anhängigen Verfahrens sachdienliche Antwort zu geben. Vor diesem Hintergrund hat der Gerichtshof die ihm vorgelegten Fragen gegebenenfalls umzuformulieren oder zu prüfen, ob eine Frage nach der Gültigkeit einer Vorschrift des Unionsrechts auf einem richtigen Verständnis der fraglichen Vorschrift beruht (Urteil vom 17. Juli 1997, Krüger, C‑334/95, EU:C:1997:378, Rn. 22 und 23).

23

Außerdem kann der Gerichtshof veranlasst sein, für seine sachdienliche Antwort unionsrechtliche Vorschriften zu berücksichtigen, die das nationale Gericht in seiner Frage nicht angeführt hat (Urteil vom 14. Mai 2020, T‑Systems Magyarország, C‑263/19, EU:C:2020:373, Rn. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung).

24

Insoweit kann Art. 99 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 1306/2013, zu dessen Gültigkeit der Gerichtshof befragt wird, nicht außerhalb seines Regelungszusammenhangs betrachtet werden, wobei insbesondere Art. 97 Abs. 1 Unterabs. 1 dieser Verordnung zu berücksichtigen ist: Danach wird die Verwaltungssanktion nach Art. 91 der Verordnung verhängt, wenn die Cross-Compliance-Vorschriften in einem bestimmten Kalenderjahr – dem „betreffenden Kalenderjahr“ – zu irgendeinem Zeitpunkt nicht erfüllt wurden und dieser Verstoß dem Begünstigten, der den Beihilfe- oder den Zahlungsantrag in dem betreffenden Kalenderjahr gestellt hat, unmittelbar anzulasten ist.

25

Art. 99 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 1306/2013 sieht seinerseits vor, dass zur Anwendung der Verwaltungssanktion gemäß Art. 91 der Gesamtbetrag der in Art. 92 genannten Zahlungen, der dem betroffenen Begünstigten gewährt wurde bzw. zu gewähren ist, für die Beihilfeanträge, die er in dem Kalenderjahr, in dem der Verstoß festgestellt wurde, eingereicht hat oder einreichen wird, gekürzt oder gestrichen wird.

26

Entgegen der Prämisse, von der das vorlegende Gericht bei seiner Vorlagefrage nach der Gültigkeit von Art. 99 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 1306/2013 und Art. 73 Abs. 4 Unterabs. 1 Buchst. a der Durchführungsverordnung Nr. 809/2014 ausgeht, folgt daher aus einer Gesamtbetrachtung von Art. 97 Abs. 1 Unterabs. 1 und Art. 99 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 1306/2013 nicht eindeutig, dass bei Verstößen gegen die Cross-Compliance-Vorschriften für die Berechnung der Kürzung der Direktzahlungen auf die Zahlungen abzustellen ist, die für das Jahr der Feststellung des Verstoßes gewährt wurden bzw. zu gewähren sind.

27

Um dem vorlegenden Gericht eine sachdienliche Antwort zu geben, die auf einer zutreffenden Auslegung der von ihm angeführten Bestimmungen beruht, ist die Vorlagefrage daher umzuformulieren.

28

Demzufolge möchte das vorlegende Gericht mit seiner Frage wissen, ob Art. 97 Abs. 1 Unterabs. 1 und Art. 99 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 1306/2013 sowie Art. 73 Abs. 4 Unterabs. 1 Buchst. a der Durchführungsverordnung Nr. 809/2014 dahin auszulegen sind, dass Kürzungen von Direktzahlungen wegen Verstößen gegen die Cross-Compliance-Verpflichtungen auf der Grundlage der für das Jahr der Feststellung des Verstoßes oder der für das Jahr des Verstoßes gewährten oder zu gewährenden Zahlungen zu berechnen sind, und ob – sollte der Gerichtshof der ersten Auslegung folgen – Art. 99 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 1306/2013 und Art. 73 Abs. 4 Unterabs. 1 Buchst. a der Durchführungsverordnung Nr. 809/2014 gültig sind.

29

Zum Ersten ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof im Urteil vom 25. Juli 2018, Teglgaard und Fløjstrupgård (C‑239/17, EU:C:2018:597), u. a. die Bestimmungen der Verordnung Nr. 73/2009 und die der Verordnung (EG) Nr. 1122/2009 der Kommission vom 30. November 2009 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung Nr. 73/2009 hinsichtlich der Erfüllung anderweitiger Verpflichtungen, der Modulation und des integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystems im Rahmen der Stützungsregelungen für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe gemäß der genannten Verordnung und mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung Nr. 1234/2007 (ABl. 2009, L 316, S. 65), die Art. 97 Abs. 1 Unterabs. 1 und Art. 99 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 1306/2013 sowie Art. 73 Abs. 4 Unterabs. 1 Buchst. a der Durchführungsverordnung Nr. 809/2014 vorausgegangen sind, ausgelegt hat.

30

Diese Auslegung war erforderlich, um festzustellen, ob bei Verstößen gegen die Cross-Compliance-Verpflichtungen die für das Jahr des Verstoßes oder die für das Jahr der Feststellung des Verstoßes gewährten oder zu gewährenden Direktzahlungen zu kürzen sind.

31

Dazu hat der Gerichtshof erstens entschieden, dass die Verordnung Nr. 73/2009 den Betriebsinhabern vorschrieb, in jedem Betriebsjahr die Grundanforderungen an die Betriebsführung und den guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand – die anderweitigen Verpflichtungen bzw. Cross-Compliance-Verpflichtungen – einzuhalten (Urteil vom 25. Juli 2018, Teglgaard und Fløjstrupgård, C‑239/17, EU:C:2018:597, Rn. 42).

32

Dabei kommt der Einhaltung dieser Verpflichtungen erst dann ihre volle Bedeutung zu, wenn eine Sanktion im Fall ihrer – fahrlässigen oder vorsätzlichen – Nichteinhaltung durch Kürzung oder Ausschluss der im Kalenderjahr des Verstoßes gewährten oder zu gewährenden Direktzahlungen erfolgt. Nur bei dieser Entsprechung bleibt nämlich der Zusammenhang zwischen dem zu ahnenden Verhalten des Betriebsinhabers und der Sanktion bestehen (Urteil vom 25. Juli 2018, Teglgaard und Fløjstrupgård, C‑239/17, EU:C:2018:597, Rn. 43).

33

Zweitens hat es der Gerichtshof abgelehnt, bei der Auslegung von Art. 23 Abs. 1 der Verordnung Nr. 73/2009 – der vorschrieb, dass, wenn die Cross-Compliance-Verpflichtungen in einem bestimmten Kalenderjahr (dem „betreffenden Kalenderjahr“) zu irgendeinem Zeitpunkt nicht erfüllt wurden und dieser Verstoß das Ergebnis einer Handlung oder Unterlassung war, die unmittelbar dem Betriebsinhaber anzulasten war, der den Beihilfeantrag in dem betreffenden Kalenderjahr gestellt hatte, der Gesamtbetrag der Direktzahlungen gekürzt oder gestrichen wurde – auf den Wortlaut von Art. 70 Abs. 8 Buchst. a der Verordnung Nr. 1122/2009 abzustellen, da eine Durchführungsverordnung wie die Verordnung Nr. 1122/2009, die aufgrund einer Ermächtigung in einer Grundverordnung erlassen wird, von deren Bestimmungen nicht abweichen darf (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Juli 2018, Teglgaard und Fløjstrupgård, C‑239/17, EU:C:2018:597, Rn. 45, 56 und 57).

34

Der Gerichtshof hat darauf hingewiesen, dass Art. 70 Abs. 8 Buchst. a der Verordnung Nr. 1122/2009 in Wirklichkeit die Regeln darüber enthielt, wie eine Kürzung der Direktzahlungen wegen Verstoßes gegen die Cross-Compliance-Verpflichtungen verrechnet wird, nicht jedoch die Regeln für die Berechnung der Kürzung (Urteil vom 25. Juli 2018, Teglgaard und Fløjstrupgård, C‑239/17, EU:C:2018:597, Rn. 46 und 58).

35

Drittens hat der Gerichtshof festgestellt, dass diese Auslegung der ihm vorgelegten Regelung durch die Grundsätze der Gleichbehandlung, der Verhältnismäßigkeit und der Rechtssicherheit bestätigt wurde (Urteil vom 25. Juli 2018, Teglgaard und Fløjstrupgård, C‑239/17, EU:C:2018:597, Rn. 47).

36

Zum Grundsatz der Gleichbehandlung hat der Gerichtshof entschieden, dass sich die Gefahr, dass der Betrag der Zahlungen, auf den die Kürzung angewandt wird, erheblich höher ist als der im Jahr des Verstoßes gegen die Cross-Compliance-Verpflichtungen oder, umgekehrt, dass die Kürzung erheblich niedriger ausfällt, weil die Direktzahlungen zwischen dem Jahr des Verstoßes und dem der Feststellung abgenommen haben, dadurch verhindern lässt, dass die Kürzung auf der Grundlage der für das Jahr des Verstoßes gegen die Cross-Compliance-Verpflichtungen gewährten oder zu gewährenden Direktzahlungen berechnet wird. Dadurch wird die Gleichbehandlung aller Betriebsinhaber gewährleistet (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Juli 2018, Teglgaard und Fløjstrupgård, C‑239/17, EU:C:2018:597, Rn. 48).

37

Zum Grundsatz der Verhältnismäßigkeit hat der Gerichtshof festgestellt, dass dieser stets eingehalten wird, wenn die Kürzung oder der Ausschluss der Direktzahlungen nach dem Betrag der im Kalenderjahr des Verstoßes gegen die Cross-Compliance-Verpflichtungen gewährten oder zu gewährenden Direktzahlungen berechnet wird, da der Zusammenhang zwischen dem zur Kürzung oder zum Ausschluss der Direktzahlungen führenden Verhalten des Betriebsinhabers und diesen Sanktionen gewahrt wird und die so berechneten Kürzungen oder Ausschlüsse geeignet sind, das Ziel der Unionsregelung in diesem Bereich zu erreichen, also Fälle von Verstößen gegen Cross-Compliance-Verpflichtungen zu ahnden, und nicht über das zur Erreichung dieses Ziels Erforderliche hinausgehen (vgl. Urteil vom 25. Juli 2018, Teglgaard und Fløjstrupgård, C‑239/17, EU:C:2018:597, Rn. 51).

38

Zum Grundsatz der Rechtssicherheit hat der Gerichtshof schließlich festgestellt, dass, wenn die Kürzung oder der Ausschluss der Direktzahlungen auf der Grundlage der für das Kalenderjahr des Verstoßes gegen die Cross-Compliance-Verpflichtungen gewährten oder zu gewährenden Direktzahlungen berechnet wird, die Gefahr, dass es für die betroffenen Betriebsinhaber schwierig wäre, die von ihnen zu tragenden finanziellen Konsequenzen vorauszusehen, nicht besteht, da dann eine etwaige nach dem Verstoß eintretende Änderung der tatsächlichen Umstände keine Auswirkung auf die vom Betriebsinhaber zu tragenden finanziellen Konsequenzen hat (vgl. Urteil vom 25. Juli 2018, Teglgaard und Fløjstrupgård, C‑239/17, EU:C:2018:597, Rn. 53).

39

Zum Zweiten sind nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs bei der Auslegung einer Unionsvorschrift nicht nur ihr Wortlaut, sondern auch ihr Zusammenhang und die Ziele zu berücksichtigen, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden (Urteil vom 25. Juli 2018, Teglgaard und Fløjstrupgård, C‑239/17, EU:C:2018:597, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).

40

Was erstens den Wortlaut von Art. 97 Abs. 1 Unterabs. 1 und Art. 99 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 1306/2013 betrifft, so ist darin von der „Anwendung“ bzw., in einigen Sprachfassungen, von der „Verhängung“ der in Art. 91 dieser Verordnung vorgesehenen Verwaltungssanktion die Rede. Wie der Generalanwalt in Nr. 61 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, handelt es sich dabei um weite Begriffe, die entsprechend der vom Gerichtshof im Urteil vom 25. Juli 2018, Teglgaard und Fløjstrupgård (C‑239/17, EU:C:2018:597, Rn. 46), vorgenommenen Unterscheidung sowohl „Berechnung“ als auch „Verrechnung“ der Sanktion bedeuten können.

41

Nach Art. 97 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 1306/2013 kommt es dann zu einer Kürzung oder einem Ausschluss der Direktzahlungen, wenn die Cross-Compliance-Vorschriften in einem bestimmten Kalenderjahr (dem „betreffenden Kalenderjahr“) zu irgendeinem Zeitpunkt nicht erfüllt werden; dieser Wortlaut ähnelt dem von Art. 23 Abs. 1 der Verordnung Nr. 73/2009 stark. Dieser wurde dahin ausgelegt, dass Kürzungen der Direktzahlungen wegen Verstoßes gegen die Cross-Compliance-Verpflichtungen auf der Grundlage der im Kalenderjahr des Verstoßes gewährten oder zu gewährenden Zahlungen zu berechnen sind (Urteil vom 25. Juli 2018, Teglgaard und Fløjstrupgård, C‑239/17, EU:C:2018:597, Rn. 54 bis 56).

42

Außerdem ergibt sich, wie der Generalanwalt in den Nrn. 62 und 63 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, aus der Entsprechungstabelle in Anhang XI der Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 mit Vorschriften über Direktzahlungen an Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe im Rahmen von Stützungsregelungen der Gemeinsamen Agrarpolitik und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 637/2008 des Rates und der Verordnung (EG) Nr. 73/2009 (ABl. 2013, L 347, S. 608), dass Art. 97 der Verordnung Nr. 1306/2013 Art. 23 der Verordnung Nr. 73/2009 ersetzt hat.

43

Dieser Entsprechungstabelle ist ebenfalls zu entnehmen, dass Art. 99 der Verordnung Nr. 1306/2013 Art. 24 („Durchführungsbestimmungen zu den Kürzungen und Ausschlüssen bei Nichteinhaltung der anderweitigen Verpflichtungen“) der Verordnung Nr. 73/2009 ersetzt hat, in dem u. a. die Umstände geregelt waren, die sich auf den Prozentsatz von vorzunehmenden Kürzungen auswirken konnten.

44

Allerdings entspricht keine der Bestimmungen in Art. 24 der Verordnung Nr. 73/2009 dem Wortlaut von Art. 99 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 1306/2013, der ähnlich formuliert ist wie Art. 70 Abs. 8 Buchst. a der zur Durchführung der Verordnung Nr. 73/2009 erlassenen Verordnung Nr. 1122/2009, in dem es hieß, dass „der Kürzungsprozentsatz auf … den Gesamtbetrag der Direktzahlungen [angewandt wird], der dem betreffenden Betriebsinhaber aufgrund von Beihilfeanträgen bereits gewährt worden oder noch zu gewähren ist, die er während des Kalenderjahres der Feststellung gestellt hat bzw. stellen wird“.

45

Der Gerichtshof hat klargestellt, dass Art. 70 Abs. 8 Buchst. a der Verordnung Nr. 1122/2009 die Methode für die Verrechnung einer Kürzung von Direktzahlungen wegen Verstoßes gegen die Cross-Compliance-Verpflichtungen betraf und nicht deren Berechnungsweise (Urteil vom 25. Juli 2018, Teglgaard und Fløjstrupgård, C‑239/17, EU:C:2018:597, Rn. 46 und 58).

46

Der Umstand, dass Art. 99 der Verordnung Nr. 1306/2013 die Überschrift „Berechnung der Verwaltungssanktion“ trägt, wirkt sich insofern nicht aus, als zum einen Art. 99 Abs. 1 Unterabs. 1 in Wirklichkeit die Methode für die Verrechnung einer Kürzung von Direktzahlungen wegen Verstoßes gegen die Cross-Compliance-Verpflichtungen betrifft und zum anderen andere Bestimmungen in Art. 99 bestimmte Methoden für die Berechnung dieser Sanktion betreffen, wie u. a. die Festlegung von Höchstsätzen für die Kürzung bei Verstößen aufgrund von Fahrlässigkeit oder im Wiederholungsfall (Art. 99 Abs. 2 Unterabs. 1 der Verordnung).

47

Somit ergibt sich aus dem Wortlaut von Art. 97 Abs. 1 Unterabs. 1 und von Art. 99 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 1306/2013, dass die erste dieser Bestimmungen die Berechnung der in Art. 91 der Verordnung vorgesehenen Verwaltungssanktion betrifft und die zweite deren Verrechnung.

48

Zweitens bestätigt der Regelungszusammenhang von Art. 97 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 1306/2013, dass diese Vorschrift die Berechnung der Kürzung der Direktzahlungen betrifft.

49

Mehrere Bestimmungen in Art. 97 der Verordnung Nr. 1306/2013 beziehen sich nämlich auf das Jahr des Verstoßes gegen die Cross-Compliance-Verpflichtungen. Zum einen heißt es in Art. 97 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 2 der Verordnung, dass, wenn die Person, der die Handlung oder Unterlassung unmittelbar anzulasten ist, für das betreffende Kalenderjahr bzw. die betreffenden Kalenderjahre einen Antrag auf Beihilfe gestellt hat, die Verwaltungssanktion auf der Grundlage des Gesamtbetrags der Zahlungen gemäß Art. 92 der Verordnung verhängt wird; damit wird der Zusammenhang zwischen dem Jahr des Verstoßes und den Zahlungen verdeutlicht, auf deren Grundlage die Verwaltungssanktion berechnet wird, nämlich denen, die den für dasselbe Kalenderjahr gestellten Anträgen entsprechen. Zum anderen können nach Art. 97 Abs. 3 Unterabs. 1 der Verordnung die Mitgliedstaaten beschließen, eine Verwaltungssanktion, die sich auf bis zu 100 Euro je Begünstigtem und Kalenderjahr beläuft, nicht zu verhängen, womit die Regel betont wird, dass die Verwaltungssanktion auf der Grundlage der Direktzahlungen für das Jahr des Verstoßes berechnet wird.

50

Drittens hat die Verordnung Nr. 1306/2013 zum Ziel, eine Verknüpfung zwischen den Direktzahlungen und der Einhaltung der Cross-Compliance-Verpflichtungen zu gewährleisten, indem, wie es im 53. Erwägungsgrund der Verordnung heißt, bei Verstößen die Fördermittel ganz oder teilweise gekürzt oder ausgeschlossen werden. Das Vorliegen dieser Verknüpfung in der früheren Regelung hat den Gerichtshof zu der Feststellung veranlasst, dass der Erfüllung dieser Verpflichtungen erst dann ihre volle Bedeutung zukommt, wenn eine Sanktion im Fall ihrer Nichterfüllung durch Kürzung oder Ausschluss der im Kalenderjahr der Nichterfüllung gewährten oder zu gewährenden Direktzahlungen erfolgt (Urteil vom 25. Juli 2018, Teglgaard und Fløjstrupgård, C‑239/17, EU:C:2018:597, Rn. 43).

51

Diese Feststellung muss auch bei der Auslegung von Art. 97 Abs. 1 Unterabs. 1 und Art. 99 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 1306/2013 und von Art. 73 Abs. 4 Unterabs. 1 Buchst. a der Durchführungsverordnung Nr. 809/2014 gelten, damit der Zusammenhang zwischen Direktzahlungen und Cross-Compliance- Verpflichtungen, aber auch die Einhaltung der Grundsätze der Gleichbehandlung, der Verhältnismäßigkeit und der Rechtssicherheit bestmöglich gewährleistet werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Juli 2018, Teglgaard und Fløjstrupgård, C‑239/17, EU:C:2018:597, Rn. 47 bis 52).

52

Zwar heißt es im 57. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1306/2013, dass die wegen Verstößen gegen die Cross-Compliance-Verpflichtungen verhängten Sanktionen wirksam und abschreckend sein müssen. Diesem Erfordernis wird jedoch in einer Sanktionsregelung wie der in dieser Verordnung vorgesehenen voll und ganz Rechnung getragen. Denn zum einen wird die Sanktion nach Art. 97 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung auf der Grundlage der für das Jahr des Verstoßes gewährten oder zu gewährenden Direktzahlungen berechnet, wodurch der Zusammenhang zwischen dem Verhalten des Betriebsinhabers und der Sanktion und damit – entsprechend dem ebenfalls im 57. Erwägungsgrund angeführten Grundsatz – deren Angemessenheit gewährleistet wird. Zum anderen wird die Sanktion gemäß Art. 99 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung mit den für das Jahr der Feststellung des Verstoßes gewährten oder zu gewährenden Direktzahlungen verrechnet, was die Wirksamkeit und die abschreckende Wirkung der Sanktion gewährleistet, da diese auf die dem Betriebsinhaber für dieses Jahr geschuldeten Zahlungen angewandt wird, ohne dass ein eigenes Verfahren für die Abwicklung dieser Zahlungen erforderlich wäre.

53

Viertens enthalten, wie der Generalanwalt in den Nrn. 79 bis 84 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, die Vorarbeiten zu der Verordnung Nr. 1306/2013 keine Anhaltspunkte dafür, dass der Unionsgesetzgeber eine Regelung annehmen wollte, wonach Kürzungen der Direktzahlungen wegen Verstößen gegen die Cross-Compliance-Verpflichtungen auf der Grundlage der für das Jahr der Feststellung des Verstoßes gewährten oder zu gewährenden Zahlungen zu berechnen wären.

54

Zunächst kommt in keinem der Erwägungsgründe der Verordnung Nr. 1306/2013 ein solcher Wille zum Ausdruck. Vielmehr zielt die Verordnung nach ihrem 57. Erwägungsgrund darauf ab, „[a]us Gründen der Kohärenz … die einschlägigen Unionsvorschriften in einem einzigen Rechtsinstrument zusammenzufassen“. Da sie darüber hinaus nichts Gegenteiliges erwähnt, übernimmt die Verordnung damit die Regelung zur Sanktionierung von Verstößen gegen die Cross-Compliance-Verpflichtungen aus der vorherigen Regelung, ohne diese zu verändern.

55

Auch geht aus den Vorarbeiten zur Verordnung Nr. 1306/2013 nicht hervor, dass der Unionsgesetzgeber – wie die Kommission vorbringt – beabsichtigt hätte, eine Regel zu erlassen, wonach die Kürzung der Direktzahlungen bei einem Verstoß gegen die Cross-Compliance-Verpflichtungen auf der Grundlage der für das Jahr der Feststellung des Verstoßes gewährten oder zu gewährenden Zahlungen zu berechnen wäre. Es gibt nämlich keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die auf Vorschlag der Kommission erfolgte Änderung des Wortlauts von Art. 99 Abs. 1 Unterabs. 1 des Entwurfs der jetzigen Verordnung Nr. 1306/2013 eine Änderung der Regel zur Berechnung der Kürzung bezweckte, wie sie in den Verordnungen Nr. 73/2009 und Nr. 1122/2009 vorgesehen war.

56

Schließlich wird zwar in den dem Gerichtshof vorgelegten internen Unterlagen der Kommission angeführt, der Grund dieser Änderung sei gewesen, dass für die Berechnung der Kürzung auf das Jahr der Feststellung des Verstoßes abgestellt werden sollte, weil es schwierig sei, das Jahr des Verstoßes festzustellen, doch wird, wie das Parlament und der Rat hervorheben, dieser Grund in den veröffentlichten Vorarbeiten nirgends erwähnt.

57

Zum dritten kann dem Vorbringen u. a. der niederländischen und der deutschen Regierung, dass praktische Schwierigkeiten eine einfache Regel – nämlich die, für die Berechnung der Kürzung der Direktzahlungen auf das Jahr der Feststellung des Verstoßes gegen die Cross-Compliance-Verpflichtungen abzustellen – erforderlich machten, nicht gefolgt werden.

58

Zum einen darf sich ein Mitgliedstaat nicht auf praktische Schwierigkeiten berufen, um eine Auslegung von Bestimmungen mit Sanktionsregelungen für Verstöße gegen Cross-Compliance-Verpflichtungen zu rechtfertigen, die dem Wortlaut dieser Bestimmungen zuwiderliefe (vgl. entsprechend Urteile vom 21. Februar 1991, Deutschland/Kommission, C‑28/89, EU:C:1991:67, Rn. 18, und vom 14. April 2005, Spanien/Kommission, C‑468/02, nicht veröffentlicht, EU:C:2005:221, Rn. 44).

59

Zum anderen ergibt sich aus der Prüfung sowohl der Erwägungsgründe der Verordnung Nr. 1306/2013 als auch der Vorarbeiten dazu, dass, wie bereits in Rn. 56 des vorliegenden Urteils ausgeführt wurde, der Unionsgesetzgeber solche Schwierigkeiten vor der Einführung dieser Sanktionsregelung, insbesondere von Art. 97 Abs. 1 Unterabs. 1 sowie von Art. 99 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 1306/2013, nicht berücksichtigt hat.

60

Zur Auslegung von Art. 73 Abs. 4 Unterabs. 1 Buchst. a der Durchführungsverordnung Nr. 809/2014 ist festzustellen, dass der Wortlaut dieser Bestimmung im Wesentlichen mit dem von Art. 99 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1306/2013, die mit der Verordnung Nr. 809/2014 durchgeführt wird, übereinstimmt. Unter diesen Umständen sind die in den Rn. 24 bis 59 des vorliegenden Urteils dargelegten Erwägungen zu Art. 99 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1306/2013 auch für die Auslegung von Art. 73 Abs. 4 Unterabs. 1 Buchst. a der Durchführungsverordnung Nr. 809/2014 einschlägig.

61

Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 97 Abs. 1 Unterabs. 1 und Art. 99 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 1306/2013 sowie Art. 73 Abs. 4 Unterabs. 1 Buchst. a der Durchführungsverordnung Nr. 809/2014 dahin auszulegen sind, dass Kürzungen von Direktzahlungen wegen Verstößen gegen die Cross-Compliance-Verpflichtungen auf der Grundlage der für das Jahr des Verstoßes gewährten oder zu gewährenden Zahlungen zu berechnen sind.

Kosten

62

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt:

 

Art. 97 Abs. 1 Unterabs. 1 und Art. 99 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über die Finanzierung, die Verwaltung und das Kontrollsystem der Gemeinsamen Agrarpolitik und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 352/78, (EG) Nr. 165/94, (EG) Nr. 2799/98, (EG) Nr. 814/2000, (EG) Nr. 1290/2005 und (EG) Nr. 485/2008 des Rates sowie Art. 73 Abs. 4 Unterabs. 1 Buchst. a der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 809/2014 der Kommission vom 17. Juli 2014 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung Nr. 1306/2013 hinsichtlich des integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystems, der Maßnahmen zur Entwicklung des ländlichen Raums und der Cross-Compliance sind dahin auszulegen, dass Kürzungen von Direktzahlungen wegen Verstößen gegen die Cross-Compliance-Verpflichtungen auf der Grundlage der für das Jahr des Verstoßes gewährten oder zu gewährenden Zahlungen zu berechnen sind.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Niederländisch.