SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

EVGENI TANCHEV

vom 29. April 2021 ( 1 )

Rechtssache C‑598/19

Confederación Nacional de Centros Especiales de Empleo (CONACEE)

gegen

Diputación Foral de Guipúzcoa,

Federación Empresarial Española de Asociaciones de Centros Especiales de Empleo (Feacem)

(Vorabentscheidungsersuchen des Tribunal Superior de Justicia del País Vasco [Oberstes Gericht des Baskenlands, Spanien])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Öffentliche Auftragsvergabe – Richtlinie 2014/24/EU – Art. 18 und 20 – Nationale Rechtsvorschriften, die das Recht zur Teilnahme an bestimmten Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge besonderen Beschäftigungszentren in sozialer Trägerschaft vorbehalten – Zusätzliche, nicht in der Richtlinie vorgesehene Voraussetzungen“

1.

Mit diesem Vorabentscheidungsersuchen bittet das Tribunal Superior de Justicia del País Vasco (Oberstes Gericht des Baskenlands, Spanien) (im Folgenden: vorlegendes Gericht) den Gerichtshof um die erstmalige Auslegung des Art. 20 der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe ( 2 ).

2.

Mit der Vorlagefrage wird der Gerichtshof im Wesentlichen ersucht, zu klären, ob die Mitgliedstaaten, wenn sie von der Möglichkeit nach Art. 20 der Richtlinie 2014/24 Gebrauch machen, das Recht zur Teilnahme an Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge bestimmten Betreibern vorzubehalten, allen Wirtschaftsteilnehmern, die die in dieser Bestimmung enthaltenen Kriterien erfüllen, die Teilnahme an den Vergabeverfahren gestatten müssen, oder ob die Mitgliedstaaten, wenn sie von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, den Kreis der Wirtschaftsteilnehmer, die teilnehmen und Angebote für die betreffenden Aufträge abgeben können, weiter einschränken dürfen.

3.

Ich bin zu dem Ergebnis gelangt, dass die Mitgliedstaaten den Kreis der Wirtschaftsteilnehmer, denen die Teilnahme gestattet wird, in der Tat anhand von Kriterien bestimmen dürfen, die enger sind als die Anforderungen nach Art. 20 der Richtlinie 2014/24, bei denen es sich – meiner Auffassung nach – um Mindestanforderungen handelt. Entscheidet ein Mitgliedstaat, dies zu tun, muss er jedoch gleichwohl die Bestimmungen der Richtlinie einschließlich des Art. 18 („Grundsätze der Auftragsvergabe“) sowie die allgemein anwendbaren Anforderungen des Unionsrechts über die Vergabe öffentlicher Aufträge einhalten.

I. Rechtlicher Rahmen

A.   Unionsrecht

4.

Der erste Erwägungsgrund der Richtlinie 2014/24 lautet:

„Die Vergabe öffentlicher Aufträge durch oder im Namen von Behörden der Mitgliedstaaten hat im Einklang mit den im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) niedergelegten Grundsätzen zu erfolgen, insbesondere den Grundsätzen des freien Warenverkehrs, der Niederlassungsfreiheit und der Dienstleistungsfreiheit sowie den sich daraus ableitenden Grundsätzen wie Gleichbehandlung, Nichtdiskriminierung, gegenseitige Anerkennung, Verhältnismäßigkeit und Transparenz. Für über einen bestimmten Wert hinausgehende öffentliche Aufträge sollten Vorschriften zur Koordinierung der nationalen Vergabeverfahren festgelegt werden, um zu gewährleisten, dass diese Grundsätze praktische Geltung erlangen und dass das öffentliche Auftragswesen für den Wettbewerb geöffnet wird.“

5.

Im zweiten Erwägungsgrund der Richtlinie 2014/24 heißt es:

„Die öffentliche Auftragsvergabe spielt im Rahmen der in der Mitteilung der Kommission mit dem Titel ‚Europa 2020, Eine Strategie für intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum‘ vom 3. März 2010 dargelegten Strategie ‚Europa 2020‘ (i[m] Folgenden ‚Strategie Europa 2020 für intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum‘) eine Schlüsselrolle als eines der marktwirtschaftlichen Instrumente, die zur Erzielung eines intelligenten, nachhaltigen und integrativen Wachstums bei gleichzeitiger Gewährleistung eines möglichst effizienten Einsatzes öffentlicher Gelder genutzt werden sollen. Zu diesem Zweck müssen die Vorschriften für die öffentliche Auftragsvergabe, die gemäß der [Richtlinie 2004/17 ( 3 )] und der [Richtlinie 2004/18 ( 4 )] erlassen wurden, überarbeitet und modernisiert werden, damit die Effizienz der öffentlichen Ausgaben gesteigert, die Teilnahme insbesondere kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) an öffentlichen Vergabeverfahren erleichtert und es den Vergabestellen ermöglicht wird, die öffentliche Auftragsvergabe in stärkerem Maße zur Unterstützung gemeinsamer gesellschaftlicher Ziele zu nutzen. …“

6.

Der 36. Erwägungsgrund der Richtlinie 2014/24 lautet:

„Beschäftigung und Beruf tragen zur Integration in die Gesellschaft bei und sind zentrale Elemente für die Gewährleistung von Chancengleichheit. In diesem Zusammenhang können geschützte Werkstätten eine wichtige Rolle spielen. Das gilt auch für andere soziale Unternehmen, deren Hauptanliegen die Förderung der sozialen und beruflichen Eingliederung oder Wiedereingliederung von Personen mit Behinderung oder von benachteiligten Personen wie Arbeitslosen, Angehörigen benachteiligter Minderheiten oder auf andere Weise an den Rand der Gesellschaft gedrängten Personen ist. Es ist jedoch möglich, dass solche Werkstätten oder Unternehmen nicht in der Lage sind, unter normalen Wettbewerbsbedingungen Aufträge zu erhalten. Es ist daher angemessen, vorzusehen, dass Mitgliedstaaten das Recht, an Verfahren zur Vergabe von öffentlichen Aufträgen oder von bestimmten Auftragslosen teilzunehmen, derartigen Werkstätten oder Unternehmen vorbehalten oder die Ausführung eines Auftrags geschützten Beschäftigungsprogrammen vorbehalten können.“

7.

Art. 2 Abs. 1 Nr. 5 der Richtlinie 2014/24 definiert „öffentliche Aufträge“ für die Zwecke der Richtlinie als „zwischen einem oder mehreren Wirtschaftsteilnehmern und einem oder mehreren öffentlichen Auftraggebern schriftlich geschlossene entgeltliche Verträge über die Ausführung von Bauleistungen, die Lieferung von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen“.

8.

Art. 2 Abs. 1 Nr. 10 der Richtlinie 2014/24 definiert „Wirtschaftsteilnehmer“ als „eine natürliche oder juristische Person oder öffentliche Einrichtung oder eine Gruppe solcher Personen und/oder Einrichtungen, einschließlich jedes vorübergehenden Zusammenschlusses von Unternehmen, die beziehungsweise der auf dem Markt die Ausführung von Bauleistungen, die Errichtung von Bauwerken, die Lieferung von Waren beziehungsweise die Erbringung von Dienstleistungen anbietet“.

9.

Art. 18 („Grundsätze der Auftragsvergabe“) der Richtlinie 2014/24 sieht vor:

„(1)   Die öffentlichen Auftraggeber behandeln alle Wirtschaftsteilnehmer in gleicher und nichtdiskriminierender Weise und handeln transparent und verhältnismäßig.

Das Vergabeverfahren darf nicht mit der Absicht konzipiert werden, es vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie auszunehmen oder den Wettbewerb künstlich einzuschränken. Eine künstliche Einschränkung des Wettbewerbs gilt als gegeben, wenn das Vergabeverfahren mit der Absicht konzipiert wurde, bestimmte Wirtschaftsteilnehmer auf unzulässige Weise zu bevorzugen oder zu benachteiligen.

…“

10.

In Art. 20 („Vorbehaltene Aufträge“) der Richtlinie 2014/24 heißt es:

„(1)   Die Mitgliedstaaten können das Recht zur Teilnahme an einem Vergabeverfahren geschützten Werkstätten und Wirtschaftsteilnehmern, deren Hauptzweck die soziale und berufliche Integration von Menschen mit Behinderungen oder von benachteiligten Personen ist, vorbehalten oder sie können bestimmen, dass solche Aufträge im Rahmen von Programmen mit geschützten Beschäftigungsverhältnissen durchgeführt werden, sofern mindestens 30 % der Arbeitnehmer dieser Werkstätten, Wirtschaftsteilnehmer oder Programme Menschen mit Behinderungen oder benachteiligte Arbeitnehmer sind.

…“

B.   Spanisches Recht

11.

Art. 20 der Richtlinie 2014/24 ist durch die Vierte Zusatzbestimmung der Ley 9/2017 de contratos del sector público (Gesetz 9/2017 über Verträge des öffentlichen Sektors) (im Folgenden: Gesetz 9/2017) vom 8. November 2017 umgesetzt worden, die vorsieht:

„(1)   Durch Beschluss des Ministerrats oder des im Bereich der Autonomen Gemeinschaften und Gebietskörperschaften zuständigen Organs werden Mindestprozentsätze festgelegt für den Vorbehalt des Rechts auf Teilnahme an Verfahren zur Vergabe bestimmter öffentlicher Aufträge oder bestimmter Lose solcher Aufträge für besondere Beschäftigungszentren in sozialer Trägerschaft bzw. Eingliederungsbetriebe …, die die in [den einschlägigen] Rechtsvorschriften geregelten Voraussetzungen für diese Einstufung erfüllen, bzw. Mindestprozentsätze für den Vorbehalt der Durchführung solcher Aufträge im Rahmen geschützter Beschäftigungsprogramme, vorausgesetzt, dass der prozentuale Anteil an behinderten oder sozial ausgegrenzten Beschäftigten der besonderen Beschäftigungszentren, Eingliederungsbetriebe oder Programme dem in den für sie einschlägigen Rechtsvorschriften geregelten Anteil entspricht oder jedenfalls mindestens 30 % beträgt.

In dem Beschluss des Ministerrats oder des im Bereich der Autonomen Gemeinschaften oder der Gebietskörperschaften zuständigen Organs werden die Mindestvoraussetzungen für die Erfüllung der Bestimmungen des vorstehenden Absatzes festgelegt.

2.   Im Aufruf zum Wettbewerb wird auf diese Bestimmung Bezug genommen.

…“.

12.

In der 14. Schlussbestimmung des Gesetzes 9/2017 heißt es:

„…

(4) Als besondere Beschäftigungszentren in sozialer Trägerschaft gelten Zentren, die die in Abs. 1 und 2 dieses Artikels festgelegten Kriterien erfüllen und an deren Förderung eine oder mehrere öffentliche oder private Einrichtungen, die keine Gewinnerzielungsabsicht verfolgen oder die nach ihrer Satzung sozialen Charakter haben (Vereine, Stiftungen, öffentlich-rechtliche Körperschaften, Genossenschaften in sozialer Trägerschaft oder andere sozialwirtschaftliche Einrichtungen) zu mehr als 50 % unmittelbar oder mittelbar beteiligt sind, sowie Zentren, die zu Handelsgesellschaften gehören, deren Kapitalmehrheit von einer der oben genannten Einrichtungen unmittelbar oder mittelbar gehalten wird, …, sofern sie sich in all diesen Fällen in der Satzung oder einer Sozialübereinkunft dazu verpflichtet haben, ihre Gewinne vollständig zur Schaffung von Beschäftigungsmöglichkeiten für Menschen mit Behinderungen und die ständige Verbesserung ihrer Wettbewerbsfähigkeit und ihrer sozialwirtschaftlichen Tätigkeit zu reinvestieren, und jedenfalls die Möglichkeit haben, sie in das eigene besondere Beschäftigungszentrum oder in andere besondere Beschäftigungszentren in sozialer Trägerschaft zu reinvestieren.“

II. Sachverhalt, Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

13.

Der Rechtsstreit des Ausgangsverfahrens geht auf eine Entscheidung vom 15. Mai 2018 (im Folgenden: Entscheidung vom 15. Mai 2018) zurück, mit der der Consejo de Gobierno de la Diputación Foral de Guipúzcoa (Provinzregierung Guipúzcoa, Spanien) Anweisungen an die öffentlichen Auftraggeber dieser Einrichtung erlassen hat. Diese Anweisungen betreffen den Vorbehalt des Rechts zur Teilnahme an Vergabeverfahren, wie er in den spanischen Rechtsvorschriften zur Umsetzung der Richtlinie 2014/24 vorgesehen ist.

14.

Die Klage im Ausgangsverfahren wurde von der Confederación Nacional de Centros Especiales de Empleo (Nationale Vereinigung der besonderen Beschäftigungszentren) (im Folgenden: CONACEE) erhoben, einer Vereinigung, die besondere Beschäftigungszentren in Spanien vertritt. Zu ihren Mitgliedern zählen neben anderen Kategorien „gewerbliche“ besondere Beschäftigungszentren.

15.

Aus der dem Gerichtshof vorliegenden Akte geht hervor, dass das frühere spanische Recht besonderen Beschäftigungszentren in Spanien die Teilnahme an Verfahren zur Vergabe „vorbehaltener“ öffentlicher „Aufträge“ unabhängig davon gestattete, ob sie ohne oder mit Gewinnerzielungsabsicht tätig waren ( 5 ). Dies hat sich mit der Einführung des Gesetzes 9/2017 geändert.

16.

Mit dem Gesetz 9/2017 wurde eine neue Kategorie sogenannter „besonderer Beschäftigungszentren in sozialer Trägerschaft“ eingeführt und die Teilnahme an Verfahren zur Vergabe nach Art. 20 vorbehaltener Aufträge ( 6 ) diesen Zentren vorbehalten.

17.

Zusätzlich zu den Anforderungen, die besondere Beschäftigungszentren zu erfüllen hatten, um nach dem früheren Recht als solche angesehen zu werden, müssen besondere Beschäftigungszentren in sozialer Trägerschaft als Einrichtungen ohne Gewinnerzielungsabsicht organisiert sein oder bestimmte Anforderungen an die Eigentümer erfüllen und auch ihre Gewinne entweder in ihren eigenen Betrieb oder in den Betrieb vergleichbarer besonderer Beschäftigungszentren in sozialer Trägerschaft reinvestieren.

18.

CONACEE zufolge schließen diese zusätzlichen Anforderungen einen großen Teil der spanischen besonderen Beschäftigungszentren von der Teilnahme an spanischen Vergaben vorbehaltener Aufträge aus, obwohl sie die Anforderungen nach Art. 20 der Richtlinie 2014/24 erfüllen.

19.

Vor diesem Hintergrund erhob CONACEE gegen die Entscheidung vom 15. Mai 2018 Klage vor dem Tribunal Superior de Justicia del País Vasco (Oberstes Gericht des Baskenlands), mit der sie die Entscheidung vom 15. Mai 2018 anficht und im Wesentlichen geltend macht, die neue spanische Regelung verstoße gegen Unionsrecht.

20.

Das vorlegende Gericht hat Zweifel hinsichtlich der Vereinbarkeit der neuen Regelung mit dem Unionsrecht und insbesondere mit Art. 20 der Richtlinie 2014/24.

21.

Unter diesen Umständen hat das Tribunal Superior de Justicia del País Vasco (Oberstes Gericht des Baskenlands) das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Ist Art. 20 der Richtlinie 2014/24/EU über die öffentliche Auftragsvergabe dahin auszulegen, dass der subjektive Anwendungsbereich des in ihm geregelten Vorbehalts nicht in einer Weise begrenzt werden darf, dass Unternehmen oder Wirtschaftsteilnehmer, die den Nachweis für die Voraussetzungen erbringen, dass mindestens 30 % ihrer Beschäftigten Menschen mit Behinderungen sind und sie den Zweck bzw. das Ziel der sozialen und beruflichen Eingliederung solcher Menschen verfolgen, durch die Festlegung zusätzlicher Kriterien wie Gründung, Charakter und Ziele dieser Subjekte, ihre Tätigkeit oder ihre Investitionen oder Kriterien anderer Art ausgeschlossen sind?

22.

CONACEE, die Provinzverwaltung Guipúzcoa, das spanische Königreich und die Kommission haben schriftliche Erklärungen abgegeben.

23.

Eine mündliche Verhandlung wurde beantragt, fand jedoch nicht statt. Der Gerichtshof hat den Beteiligten nach Art. 23 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union zwei Fragen zur schriftlichen Beantwortung gestellt. CONACEE, die Diputación Foral de Guipúzcoa, das spanische Königreich und die Kommission haben schriftliche Antworten eingereicht.

III. Analyse

24.

Mit seiner Frage ersucht das vorlegende Gericht im Wesentlichen um Klärung, ob die Bestimmungen dieser Richtlinie oder andere anwendbare Vorschriften des Unionsrechts zur Regelung der Vergabe öffentlicher Aufträge die Mitgliedstaaten daran hindern, den Unternehmen oder Wirtschaftsteilnehmern, die an Verfahren zur Vergabe nach Art. 20 vorbehaltener Aufträge teilnehmen können, neben den sich aus diesem Artikel ergebenden Einschränkungen zusätzliche Beschränkungen oder Voraussetzungen aufzuerlegen. Die Bedenken des vorlegenden Gerichts betreffen insbesondere, jedoch nicht ausschließlich, „zusätzlich[e] Kriterien wie Gründung, Charakter und Ziele dieser Subjekte [und] ihre Tätigkeit oder ihre Investitionen“.

25.

Ich bin zu dem Ergebnis gelangt, dass mehr dafür spricht, dass Art. 20 der Richtlinie 2014/24 Mindestanforderungen festlegt, deren Erfüllung durch die zugelassenen Teilnehmer die Mitgliedstaaten gewährleisten müssen ( 7 ), wenn sie entscheiden, von der Möglichkeit Gebrauch zu machen, Aufträge nach diesem Artikel vorzubehalten, und dass die Bestimmung an sich weder im Allgemeinen noch für bestimmte Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge oder einzelner Lose solcher Aufträge dem entgegensteht, dass die Mitgliedstaaten zugelassenen Teilnehmern weitere Anforderungen oder Beschränkungen auferlegen. Machen die Mitgliedstaaten von der Möglichkeit Gebrauch, Aufträge nach Art. 20 vorzubehalten, sind sie jedoch gleichwohl verpflichtet, den Vorschriften der Richtlinie 2014/24 und den allgemeinen Vorschriften des auf die öffentliche Auftragsvergabe anwendbaren Unionsrechts, hier vor allem Art. 18 der Richtlinie und den Grundsätzen der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit, zu entsprechen.

A.   Vorbemerkungen

26.

Gemäß Art. 4 der Richtlinie 2014/24 gilt diese Richtlinie für Aufträge, deren geschätzten Wert die in diesem Artikel festgelegten Schwellen nicht unterschreitet ( 8 ). Aufträge, die diese Schwellen nicht erreichen, unterliegen nicht den Bestimmungen dieser Richtlinie; sie müssen jedoch gleichwohl mit den Grundsätzen des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union und insbesondere mit den Vorschriften über die Grundfreiheiten sowie den sich daraus ableitenden Grundsätzen, einschließlich derer der Gleichbehandlung, gegenseitigen Anerkennung, Nichtdiskriminierung und Verhältnismäßigkeit, vereinbar sein ( 9 ).

27.

Die vorliegende Rechtssache betrifft nur öffentliche Auftragsvergaben, die in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2014/24 fallen. Es sei ferner angemerkt, dass der Sachverhalt des Ausgangsverfahrens ausschließlich spanische Akteure zu betreffen scheint und der Sachverhalt, über den das vorlegende Gericht zu entscheiden hat, kein grenzüberschreitendes Element einzubeziehen scheint.

28.

Gemäß Art. 20 der Richtlinie 2014/24 können die Mitgliedstaaten das „Recht zur Teilnahme an einem Vergabeverfahren“ geschützten Werkstätten und Wirtschaftsteilnehmern mit bestimmten spezifischen „Hauptzweck[en]“ vorbehalten oder bestimmen, dass die betreffenden Aufträge „im Rahmen von Programmen mit geschützten Beschäftigungsverhältnissen durchgeführt werden“. Bedingung hierfür ist, dass „mindestens 30 %“ der Arbeitnehmer dieser Werkstätten, Wirtschaftsteilnehmer oder Programme „Menschen mit Behinderungen oder benachteiligte Arbeitnehmer“ sind.

29.

Spanien hat von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht und Rechtsvorschriften erlassen, die seine besonderen Beschäftigungszentren betreffen und Wirtschaftsteilnehmern, die an spanischen Verfahren zur Vergabe nach Art. 20 vorbehaltener Aufträge teilzunehmen wünschen, zusätzliche Beschränkungen auferlegen, die CONACEE im Ausgangsverfahren anficht. Nach diesen Vorschriften müssen die betreffenden Einrichtungen oder Personen im Wesentlichen ohne Gewinnerzielungsabsicht tätig sein und sich verpflichten, alle Gewinne entweder in das besondere Beschäftigungszentrum selbst oder in ein anderes vergleichbares besonderes Beschäftigungszentrum zu reinvestieren.

30.

Spanien hat ferner einen Prozentsatz für die Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen in besonderen Beschäftigungszentren vorgeschrieben, der erheblich höher ist (70 %) als das von Art. 20 der Richtlinie 2014/24 geforderte Minimum (30 %). Diese Grenze scheint im Ausgangsverfahren nicht angefochten zu werden; möglicherweise beruht dies darauf, dass die CONACEE‑Mitglieder dieses Kriterium tatsächlich erfüllen.

31.

Andere Mitgliedstaaten haben ebenfalls Rechtsvorschriften erlassen, die in ihren Verfahren zur Vergabe nach Art. 20 vorbehaltener öffentlicher Aufträge zugelassenen Teilnehmern strengere Beschränkungen auferlegen als die, die sich aus dem Text der Richtlinie 2014/24 ergeben ( 10 ).

B.   Der Beurteilungsspielraum der Mitgliedstaaten

32.

Art. 20 der Richtlinie 2014/24 legt eine Reihe von Kriterien für „zugelassene Teilnehmer“ fest, die erfüllt sein müssen, wenn ein bestimmter Mitgliedstaat entscheidet, bei seinen Vergabeverfahren von der Möglichkeit der Nutzung nach Art. 20 vorbehaltener Aufträge ( 11 ) Gebrauch zu machen. Art. 20 Abs. 1 verlangt, dass entweder (i) die in solchen Verfahren zur Vergabe vorbehaltener öffentlicher Aufträge zugelassenen Teilnehmer zu einer von zwei verschiedenen Teilnehmergruppen gehören, nämlich entweder zu den „geschützten Werkstätten“ oder zu den „Wirtschaftsteilnehmern, deren Hauptzweck die soziale und berufliche Integration von Menschen mit Behinderungen oder von benachteiligten Personen ist“, oder (ii) „[die] Aufträge im Rahmen von Programmen mit geschützten Beschäftigungsverhältnissen durchgeführt werden“. Die dem Gerichtshof vorliegende Rechtssache betrifft nur die Kategorie der „Wirtschaftsteilnehmer, deren Hauptzweck die soziale und berufliche Integration von Menschen mit Behinderungen oder von benachteiligten Personen ist“, und die Frage, ob dieser Gruppe von Wirtschaftsteilnehmern über die Anforderungen, die in der Richtlinie ausdrücklich festgelegt sind, hinaus zusätzliche Anforderungen auferlegt werden können.

33.

Art. 20 Abs. 1 der Richtlinie 2014/24 stellt ferner ein Erfordernis auf, nach dem mindestens 30 % der Arbeitnehmer der zugelassenen Teilnehmer Menschen mit Behinderungen oder benachteiligte Arbeitnehmer sein müssen.

34.

Art. 20 Abs. 2 der Richtlinie 2014/24 schließlich verpflichtet die Mitgliedstaaten, wenn sie von der in Art. 20 vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch machen, im Aufruf zum Wettbewerb ausdrücklich auf diesen Artikel Bezug zu nehmen. Diese Anforderung steht in der vorliegenden Rechtssache nicht in Rede.

35.

CONACEE vertritt im Wesentlichen, der Wortlaut des Art. 20 der Richtlinie 2014/24 beschreibe die Anforderungen, die Wirtschaftsteilnehmern erfüllen müssten, um sich für die Teilnahme an nach dieser Bestimmung vorbehaltenen Verfahren zu Vergabe öffentlicher Aufträge zu qualifizieren, erschöpfend und Wirtschaftsteilnehmer, die diese Kriterien erfüllten, dürften daher nicht aufgrund zusätzlicher Anforderungen wie den in den betreffenden spanischen Rechtsvorschriften vorgesehenen Erfordernissen der fehlenden Gewinnerzielungsabsicht und der Reinvestition der Gewinne von der Teilnahme ausgeschlossen werden.

36.

Die Kommission argumentiert im Wesentlichen, die Mitgliedstaaten verfügten in ihren nationalen Rechtsvorschriften bei der Bestimmung, was unter der Wendung „Wirtschaftsteilnehmer, deren Hauptzweck die soziale und berufliche Integration von Menschen mit Behinderungen oder von benachteiligten Personen ist“, zu verstehen sei, über einen weiten Beurteilungsspielraum ( 12 ).

37.

Ich kann die Auffassung der Kommission nicht teilen. Nach ständiger Rechtsprechung verlangen die einheitliche Anwendung des Unionsrechts und der Gleichheitsgrundsatz, dass die Begriffe einer Vorschrift des Unionsrechts, die für die Ermittlung ihres Sinnes und ihrer Bedeutung nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten verweist, in der Regel in der gesamten Europäischen Union autonom und einheitlich auszulegen sind. Dabei ist diese Auslegung unter Berücksichtigung nicht nur ihres Wortlauts, sondern auch ihres Regelungszusammenhangs und des mit der Regelung verfolgten Zweckes zu ermitteln ( 13 ).

38.

Daher bin ich nicht der Auffassung, dass die Mitgliedstaaten zur Bestimmung der Bedeutung der Begriffe des Art. 20 der Richtlinie 2014/24 über einen weiten Beurteilungsspielraum verfügen. Meines Erachtens sind diese Begriffe einheitlich auszulegen. Daher beruht jedes Ermessen, über das die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung des Art. 20 der Richtlinie 2014/24 verfügen mögen, nicht auf einem Ermessen, den Begriffen der Richtlinie ihre eigene Bedeutung zu geben.

39.

Vielmehr können die Anforderungen des Art. 20 der Richtlinie 2014/24 entweder als Mindestanforderungen aufgefasst werden, die die Mitgliedstaaten an die zugelassenen Teilnehmer stellen müssen, damit die Nutzung der Verfahren zur Vergabe nach Art. 20 vorbehaltener Aufträge rechtmäßig ist, oder, wie von CONACEE vertreten, als erschöpfende Definition der Kriterien, die bestimmen, welche Wirtschaftsteilnehmer die Mitgliedstaaten als zugelassene Teilnehmer akzeptieren müssen, wenn sie entscheiden, von Verfahren zur Vergabe nach Art. 20 vorbehaltener Aufträge Gebrauch zu machen.

40.

Wie ich erläutern werde, sind die Anforderungen des Art. 20 der Richtlinie 2014/24 am treffendsten als Mindestanforderungen zu verstehen, die den Mitgliedstaaten freistellen, zusätzliche Beschränkungen zu erlassen, die den Kreis der zugelassenen Teilnehmer bei ihren Verfahren zur Vergabe nach Art. 20 vorbehaltener Aufträge nach Maßgabe der in anderen Bestimmungen der Richtlinie 2014/24 und anderen anwendbaren Vorschriften des Unionsrechts über die Auftragsvergabe vorgesehenen Grenzen einschränken. Somit ist es nicht Art. 20 der Richtlinie 2014/24, der die Fähigkeit der Mitgliedstaaten einschränken könnte, den zugelassenen Teilnehmern zusätzliche Anforderungen aufzuerlegen, sondern es sind Art. 18 dieser Richtlinie und die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit sowie das Verbot der künstlichen Einschränkung des Wettbewerbs.

41.

Erstens verpflichtet der Wortlaut des Art. 20 der Richtlinie 2014/24 nicht zu Zulassung aller Wirtschaftsteilnehmer, die die Anforderungen dieses Artikels erfüllen, zu einem bestimmten Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge, das von einem Mitgliedstaat für nach Art. 20 vorbehaltene Aufträge durchgeführt wird.

42.

Art. 20 der Richtlinie 2014/24 bietet vielmehr den Mitgliedstaaten eine Möglichkeit – für deren Inanspruchnahme oder auch nicht sie entscheiden können – und legt fest, an welche Bedingungen sich die Mitgliedstaaten halten müssen, wenn sie entscheiden, von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen. Diese Bedingungen bestimmen in weitgefassten und unspezifischen Begriffen, welchen Arten von Unternehmen oder Wirtschaftsteilnehmern die Mitgliedstaaten Vergabeverfahren vorbehalten dürfen, und legen einen Mindestprozentsatz an Menschen mit Behinderungen und benachteiligten Arbeitnehmern fest, die von diesen Unternehmen oder Wirtschaftsteilnehmern beschäftigt werden.

43.

Zweitens ist, wie im 36. Erwägungsgrund der Richtlinie 2014/24 und im 28. Erwägungsgrund der Richtlinie 2004/18 beschrieben, die Begründung für die Einbeziehung des Art. 20 der Richtlinie 2014/24 und seiner Vorgängerbestimmung, Art. 19 der Richtlinie 2004/18, in diese beiden Richtlinien im Zusammenhang mit der „Gewährleistung von Chancengleichheit“ zu verstehen, wobei Beschäftigung und Beruf „zentrale Elemente“ für dieses Ziel sind. Art. 20 der Richtlinie 2014/24 (und seine Vorgängerbestimmung, Art. 19 der Richtlinie 2004/18) gestatten somit den Mitgliedstaaten die Verfolgung von Zielen der Sozial- und Beschäftigungspolitik durch Instrumente der öffentlichen Auftragsvergabe.

44.

Es sei in dieser Hinsicht daran erinnert, dass die Mitgliedstaaten über einen weiten Ermessensspielraum nicht nur bei ihrer Entscheidung verfügen, welches konkrete Ziel sie im Bereich der Sozial- und Beschäftigungspolitik verfolgen wollen ( 14 ), sondern auch bei der Festlegung der Maßnahmen zu seiner Erreichung ( 15 ). Unter Berücksichtigung der Begründung für Art. 20 der Richtlinie 2014/24 bin ich der Ansicht, dass die Bestimmung der zugelassenen Teilnehmer zu allererst Gegenstand der Sozial- und Beschäftigungspolitik ist, bei der die Mitgliedstaaten über ein weites Ermessen verfügen.

45.

Es ist auch darauf hinzuweisen, dass Art. 20 zwar als Ausnahme von der allgemeinen Regelung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge nach der Richtlinie 2014/24 eng auszulegen ist, dieser Auslegungsgrundsatz aber meines Erachtens logischerweise auf den Umfang der Ausnahme von gewöhnlichen Vergabeverfahren im Sinne des erfassten Markts (der in der vorliegenden Rechtssache nicht in Rede steht und jedenfalls in der Richtlinie 2014/24 keinen ausdrücklichen Einschränkungen unterliegt, für die eine strenge oder enge Auslegung der Ausnahme gelten könnte) und auf die Tiefe der Ausnahme im Sinne des Umfangs der Vorschriften anzuwenden ist, von denen die ausgenommenen Vergabeverfahren befreit sind. Er sollte nicht in der Weise angewandt werden, dass der weitest mögliche Kreis zugelassener Teilnehmer zu einem bestimmten Verfahren zur Vergabe nach Art. 20 vorbehaltener Aufträge verlangt wird. Ist ein Teil des Marktes für die Vergabe öffentlicher Aufträge erst einmal vom normalen Markt getrennt und für Wirtschaftsteilnehmer reserviert, die wegen des von ihnen gebotenen erheblichen gesellschaftlichen Nutzens vermutlich nicht wettbewerbsfähig sind, sehe ich keinen wirklichen Nutzen für die Grundsätze der Marktwirtschaft, des Wettbewerbs oder der Gleichbehandlung durch ein Beharren darauf, dass der Kreis der (vermutlich nicht wettbewerbsfähigen) zugelassenen Teilnehmer so weit gefasst wie möglich definiert wird. Unter dem Blickwinkel der Marktwirtschaft kommt es meines Erachtens auf den Umfang der Ausnahme an, während die Abgrenzung des Kreises der Begünstigten als Frage – und Instrument – der Sozial- und Beschäftigungspolitik anzusehen ist, bei der die Mitgliedstaaten ein weites Ermessen haben.

46.

Daher spricht eine wörtliche und teleologische Auslegung des Art. 20 der Richtlinie 2014/24 meiner Meinung nach dafür, dass die Mitgliedstaaten durch diesen Artikel bei ihren Verfahren zu Vergabe nach Art. 20 vorbehaltener Aufträge nicht verpflichtet sind, die Teilnahme jedes Wirtschaftsteilnehmers zu akzeptieren, der die Kriterien dieses Artikels erfüllt. Jedoch müssen zusätzliche Einschränkungen die Anforderungen des Art. 18 der Richtlinie 2014/24 und aller anderen anwendbaren Bestimmungen oder Grundsätze des Unionsrechts über die Vergabe öffentlicher Aufträge erfüllen.

47.

Dieses Ergebnis wird auch durch die Entstehungsgeschichte des Art. 20 der Richtlinie 2014/24 und seiner Vorgängerbestimmung, Art. 19 der Richtlinie 2004/18, bestätigt, die den Begriff „vorbehaltene Aufträge“ in die Richtlinien über die öffentliche Auftragsvergabe einführte ( 16 ).

48.

Art. 20 der Richtlinie 2014/24 und seine Vorgängerbestimmung gestatten bzw. gestatteten den Mitgliedstaaten, das Recht zur Teilnahme an einem Vergabeverfahren für öffentliche Aufträge oder bestimmte Auftragslose vorzubehalten, da die betreffenden Werkstätten oder Sozialunternehmen möglicherweise nicht in der Lage sind, unter normalen Wettbewerbsbedingungen Aufträge zu erhalten. Die zugrunde liegende Prämisse besteht darin, dass die Beschäftigung der durch die Verfahren zur Vergabe nach Art. 20 vorbehaltener Aufträge letztendlich Begünstigten, nämlich die Menschen mit Behinderungen und benachteiligten Personen, deren soziale und berufliche Integration das Hauptziel der Wirtschaftsteilnehmer sein muss, die der betreffende Mitgliedstaat als zugelassene Teilnehmer akzeptiert, für die betreffenden Wirtschaftsteilnehmer in dem Maß wirtschaftlich nachteilig ist oder sein könnte, dass nicht zu erwarten ist, dass sie in der Lage sind, unter normalen Marktbedingungen wettbewerbsfähig zu sein. Daher können die Mitgliedstaaten nach Maßgabe bestimmter Garantien und Einschränkungen einen geschützten Bereich für öffentliche Aufträge schaffen, in dem solche Betreiber nur untereinander unter vergleichbaren Umständen in Wettbewerb treten.

49.

Bei isolierter Betrachtung von Art. 20 der Richtlinie 2014/24 zeigt sich, dass eine wirkliche oder selbst nur annähernde Chancengleichheit zwischen diesen Akteuren nur erreicht werden kann, indem dem in dieser Richtlinienbestimmung vorgesehenen groben Umriss Einzelheiten hinzugefügt werden. Akzeptiert man den Gedanken, dass diese Wirtschaftsteilnehmer wegen ihrer erheblichen gesellschaftlichen Beiträge möglicherweise nicht in der Lage sind, unter normalen Marktbedingungen wettbewerbsfähig zu sein, muss gleichzeitig anerkannt werden, dass die Begriffe „mit Behinderungen oder … benachteiligt …“ sehr unterschiedliche Personengruppen erfassen und dass sich die Einzelnen in jeder ihrer Untergruppen in ihren Fähigkeiten und ihrer möglichen Produktivität sehr unterscheiden werden. Somit sieht sich ein Wirtschaftsteilnehmer, der Hilfe bei der Integration eines – lediglich als Beispiel – Langzeitarbeitslosen zu leisten sucht, ganz anderen Herausforderungen gegenüber als ein Wirtschaftsteilnehmer, der Hilfe bei der Integration einer Person mit einer dauernden Behinderung aufgrund – wiederum lediglich als Beispiel – Blindheit zu leisten sucht. Unter Berücksichtigung dessen sowie des im 36. Erwägungsgrund der Richtlinie 2014/24 genannten Ziels „der Gewährleistung von Chancengleichheit“ bin ich der Auffassung, dass dem Zweck des Art. 20 der Richtlinie 2014/24 am besten gedient wird, indem den Mitgliedstaaten gestattet wird, detailliertere Anforderungen für die Teilnahme an ihren Verfahren zur Vergabe nach Art. 20 vorbehaltener Aufträge vorzusehen.

50.

Dies wird noch deutlicher, wenn Art. 20 der Richtlinie 2014/24 im Zusammenhang seiner Vorgängerbestimmung, Art. 19 der Richtlinie 2004/18, analysiert wird. Art. 19 der Richtlinie 2004/18 stellte erheblich strengere Anforderungen hinsichtlich der Arbeitnehmer der zugelassenen Teilnehmer an vorbehaltenen Vergabeverfahren auf, indem er verlangte, dass die Mehrheit der Arbeitnehmer „Behinderte sind, die aufgrund der Art oder der Schwere ihrer Behinderung keine Berufstätigkeit unter normalen Bedingungen ausüben können“, und somit sowohl bezüglich des Mindestprozentsatzes von benachteiligten Arbeitnehmern als auch hinsichtlich der Schwere und der Art ihrer Benachteiligung die Messlatte erheblich höher legte.

51.

Als der persönliche Anwendungsbereich der nach Art. 20 vorbehaltenen Aufträge in der Richtlinie 2014/24 ausgeweitet wurde, war es eindeutig nicht die Absicht des Unionsgesetzgebers, einen „Unterbietungswettbewerb“ ins Leben zu rufen, bei dem Sozialunternehmen, die – gemäß den neuen, gelockerten Voraussetzungen – einen niedrigeren Prozentsatz weniger beeinträchtigter Personen beschäftigen, Sozialunternehmen, die die strengeren Anforderungen nach dem früheren Recht erfüllen, in Verfahren zur Vergabe nach Art. 20 vorbehaltener Aufträge verdrängen würden. Unter Berücksichtigung der Prämisse des 36. Erwägungsgrundes der Richtlinie 2014/24 bzw. des 28. Erwägungsgrundes der Richtlinie 2004/18, der die Begründung für den Vorbehalt von Aufträgen beschreibt, nämlich dass die betreffenden Betreiber möglicherweise nicht in der Lage sind, unter normalen Marktbedingungen wettbewerbsfähig zu sein, wäre jedoch, wenn jedem Wirtschaftsteilnehmer, der nur 30 % weniger beeinträchtigte Personen beschäftigt, gestattet würde, gleichberechtigt mit denjenigen in Wettbewerb zu treten, die die früheren, viel strengeren Anforderungen erfüllen, das zu erwartende Ergebnis genau dieses: Die Wirtschaftsteilnehmer, die die früheren strengeren Anforderungen erfüllen, wären gezwungen, ihre am wenigsten produktiven und vermutlich hilfsbedürftigsten Arbeitnehmer bis zur 30%-Grenze zu entlassen, oder sie sähen sich mit der Perspektive konfrontiert, vorbehaltene Vergabeverfahren, die zu ihren Gunsten bestimmt sind, an Wirtschaftsteilnehmer zu verlieren, die lediglich eine viel leichtere soziale Verantwortung übernehmen.

52.

Es sei betont, dass diese Auffassung den Mitgliedstaaten nicht gestattet, Wirtschaftsteilnehmer willkürlich von ihren Vergabeverfahren nach Art. 20 auszuschließen, und nicht präjudiziert, ob der pauschale Ausschluss „gewerblicher“ besonderer Beschäftigungszentren von den spanischen Vergabeverfahren nach Art. 20 rechtmäßig ist. Diese Frage ist vielmehr vorwiegend gemäß den in Art. 18 der Richtlinie 2014/24 festgelegten Standards und Grundsätzen zu entscheiden.

C.   Die Grenzen des Ermessens der Mitgliedstaaten

1. Die Anwendbarkeit des Art. 18 der Richtlinie 2014/24

53.

Es steht den Mitgliedstaaten nicht frei, den zugelassenen Teilnehmern in ihren Verfahren zur Vergabe nach Art. 20 vorbehaltener Aufträge nach ihrem Belieben Anforderungen aufzuerlegen. Im Gegenteil, die Verfahren zur Vergabe nach Art. 20 vorbehaltener Aufträge unterliegen weiterhin den Bestimmungen der Richtlinie 2014/24, einschließlich des Art. 18, und alle zusätzlich vorgesehenen Anforderungen müssen daher mit Art. 18 und den darin enthaltenen Grundsätzen vereinbar sein.

54.

Dieses Ergebnis wird durch den Wortlaut von Art. 20 der Richtlinie 2014/24, der keinen Hinweis darauf enthält, dass vorbehaltene Aufträge von den übrigen Bestimmungen der Richtlinie befreit sind, und durch die Platzierung dieses Artikels in Kapitel II („Allgemeine Vorschriften“) und nicht in Kapitel I Abschnitt 3 („Ausnahmen“) des Titels I gestützt, wo der natürliche Platz für eine Bestimmung wäre, die eine Befreiung von der Anwendung der Richtlinie vorsieht.

55.

Aus der Entstehungsgeschichte der Vorgängerbestimmung des Art. 20 der Richtlinie 2014/24, nämlich Art. 19 der Richtlinie 2004/18, ergibt sich ferner, dass die vorbehaltenen Vergabeverfahren nicht von der Anwendung der anderen Bestimmungen dieser Richtlinie ausgenommen werden sollten.

56.

Art. 19 der Richtlinie 2004/18, der zusammen mit Art. 28 der Richtlinie 2004/17 den Begriff „vorbehaltene Aufträge“ in das Unionsrecht über die Auftragsvergabe eingeführt hat, war nicht im ursprünglichen Entwurf der Kommission für diese Richtlinie enthalten. Er geht auf den Änderungsvorschlag 9 des Ausschusses für Industrie, Außenhandel, Forschung und Energie des Europäischen Parlaments vom 29. Juni 2001 zu der vorgeschlagenen Richtlinie zurück, der nach seiner ursprünglichen Fassung „öffentliche Liefer‑, Dienstleistungs- oder Bauaufträge“, die „an Programme für eine geschützte Beschäftigung vergeben werden“, von der Anwendung der Richtlinie 2004/18 insgesamt befreit hätte ( 17 ).

57.

Dieser Änderungsvorschlag wurde mehrfach geändert, und es wurden mehrere Begründungen für die verschiedenen Vorschlagsfassungen der Bestimmung angeboten, bevor sie insbesondere als Art. 19 der Richtlinie 2004/18 ihre endgültige Form fand. Die Stellungnahme der Kommission zu der Fassung der vorgeschlagenen Bestimmung im „Geänderten Vorschlag“, der am 6. Mai 2002 vorgelegt wurde ( 18 ), stellt klar, dass „diese Möglichkeit nicht von der Anwendung aller anderen Vorschriften der für öffentliche Aufträge geltenden Richtlinie befreit“. Dies spiegelt sich auch im verabschiedeten Text der Richtlinie 2004/18 wider, der die betreffenden Aufträge nicht (wie der ursprüngliche Änderungsvorschlag) von der Anwendung der Richtlinie 2004/18 befreit, sondern lediglich vorsieht, dass die Teilnahme an Verfahren zur Vergabe solcher öffentlichen Aufträge den betreffenden Werkstätten vorbehalten werden kann. Die verschiedenen Abschnitte des Gesetzgebungsverfahrens, die zur endgültigen Fassung des Art. 19 der Richtlinie 2004/18 geführt haben, zeigen eine klare Absicht des Gesetzgebers dahin, dass „vorbehaltene Aufträge“ dem unionsweiten Wettbewerb nach Maßgabe der übrigen Bestimmungen der Richtlinie 2004/18 und den „maßgeblichen Vorschriften des Vertrags“ unterworfen bleiben sollten ( 19 ).

58.

Die verschiedenen Begründungen für die Einfügung dieser neuen Bestimmung in den verschiedenen Abschnitten des Gesetzgebungsverfahrens und der 28. Erwägungsgrund der endgültigen Richtlinie machen klar, dass die Existenzberechtigung des Art. 18 der Richtlinie 2004/18 darin bestand, dass die betreffenden Werkstätten und Beschäftigungsprogramme möglicherweise nicht in der Lage sind, „unter normalen Wettbewerbsbedingungen Aufträge zu erhalten“. Diese Werkstätten und Beschäftigungsprogramme „tragen“ nach diesem Erwägungsgrund „wirksam zur Eingliederung oder Wiedereingliederung von Menschen mit Behinderungen in den Arbeitsmarkt bei“. In dem Erwägungsgrund heißt es auch, dass „Beruf und Beschäftigung … Schlüsselelemente zur Gewährleistung gleicher Chancen für alle [sind]“.

59.

Aus der Entstehungsgeschichte des Art. 19 der Richtlinie 2004/18 und des 28. Erwägungsgrunds zu dieser Richtlinie wird somit deutlich, dass der Zweck der Bestimmung war, den Mitgliedstaaten zu gestatten, Verfahren zur Vergabe vorbehaltener Aufträge dazu zu nutzen, bestimmten zugelassenen Teilnehmern Aufträge zu erteilen, die zu erhalten sie unter normalen Marktbedingung nicht in der Lage gewesen wären, und dass die Begründung für diese Vorzugsbehandlung in dem „wirksamen Beitrag“ zur Eingliederung oder Wiedereingliederung derjenigen lag, die mit der Regelung letztlich begünstigt werden sollten, nämlich für Art. 19 der Richtlinie 2004/18 der „Behinderte[n] …, die aufgrund der Art oder der Schwere ihrer Behinderung keine Berufstätigkeit unter normalen Bedingungen ausüben können“. Dieses Ziel war Teil des höherrangigen Ziels der „Gewährleistung gleicher Chancen für alle“. Die Nutzung vorbehaltener Aufträge sollte unter Einhaltung aller anderen Bestimmungen der Richtlinie 2004/18 erfolgen, wobei der grenzüberschreitende Wettbewerb um vorbehaltene Aufträge ausdrücklich beabsichtigt wurde ( 20 ).

60.

Die Richtlinie 2014/24 führte mehrere Änderungen in die Regelung der „vorbehaltenen Aufträge“ ein ( 21 ). Art. 20 der Richtlinie 2014/24 formuliert somit die ursprünglich den Mitgliedstaaten durch Art. 19 der Richtlinie 2004/18 gewährte Möglichkeit, das Recht zur Teilnahme an der Vergabe öffentlicher Aufträge bestimmten Betreibern vorzubehalten, neu und erweitert sie. Im Vergleich zu Art. 19 der Richtlinie 2004/18 dehnt Art. 20 der Richtlinie 2014/24 den Kreis der Betreiber, die als zugelassene Teilnehmer in Verfahren zur Vergabe vorbehaltener öffentlicher Aufträge anerkannt werden können, erheblich aus. Diese Änderungen enthalten jedoch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Unionsgesetzgeber beabsichtigt hätte, die Verfahren zur Vergabe nach Art. 20 vorbehaltener Aufträge von der Anwendung der übrigen Bestimmungen der Richtlinie 2014/24 zu befreien oder den Umfang der von den einzelnen zugelassenen Teilnehmern getragenen sozialen Verantwortung zu vermindern. Vielmehr wird der persönliche Anwendungsbereich der Bestimmung, indem weiteren Betreibern gestattet wird, sich als zugelassene Teilnehmer zu qualifizieren, schlichtweg erweitert, vermutlich um die Nutzung dieses Instruments der Sozial- und Beschäftigungspolitik mit dem Ziel auszuweiten, sie einer größeren, weitergefasst definierten und zahlreicheren Gruppe Letztbegünstigter (beschäftigten Menschen mit Behinderungen und benachteiligten Personen) zugutekommen zu lassen.

61.

Die Entstehungsgeschichte der Richtlinie 2014/24 selbst bietet relativ wenige Hinweise für die Auslegung des Art. 20. Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss hat in seiner Stellungnahme zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die öffentliche Auftragsvergabe“ (KOM[2011] 896 endgültig) bestimmte Änderungen vorgeschlagen, die nicht verabschiedet wurden und ein Erfordernis umfassen, dass die Vergabe öffentlicher Aufträge an „geschützte Werkstätten und Wirtschaftsteilnehmer, deren Hauptziel die soziale und berufliche Integration behinderter bzw. benachteiligter Menschen ist, ‚gefördert und hauptsächlich durch gemeinnützige Organisationen überwacht werden sollte‘“, wodurch seiner Ansicht nach der privilegierte Zugang zu Unterstützung von Seiten der Behörden einmal mehr gerechtfertigt würde ( 22 ).

2. Allgemeine Anmerkungen zu Art. 18 der Richtlinie 2014/24

62.

Art. 18 (“Grundsätze der Auftragsvergabe“) der Richtlinie 2014/24 schreibt in Abs. 1 Unterabs. 1 vor, dass die öffentlichen Auftraggeber alle Wirtschaftsteilnehmer in gleicher und nichtdiskriminierender Weise behandeln, und transparent und „verhältnismäßig“ handeln. Dies ist im Wesentlichen eine Wiederholung der Grundsätze der Gleichbehandlung und Verhältnismäßigkeit, die selbst ohne diese Vorschrift anwendbar wären ( 23 ). Art. 18 Abs. 1 Unterabs. 2 sieht vor, dass „[d]as Vergabeverfahren … nicht mit der Absicht konzipiert werden [darf], … den Wettbewerb künstlich einzuschränken. Eine künstliche Einschränkung des Wettbewerbs gilt als gegeben, wenn das Vergabeverfahren mit der Absicht konzipiert wurde, bestimmte Wirtschaftsteilnehmer auf unzulässige Weise zu bevorzugen oder zu benachteiligen.“ Obwohl der Sachverhalt des Ausgangsverfahrens ausschließlich spanische Akteure zu betreffen scheint, ist zu beachten, dass die Richtlinie 2014/24 die Grundsätze der Gleichbehandlung der Bieter, der Verhältnismäßigkeit und des unverfälschten Wettbewerbs auf innerstaatliche Situationen erstreckt ( 24 ).

63.

Im Ausgangsverfahren hat Spanien Rechtsvorschriften erlassen, die einen großen Teil eines bestimmten Sektors, nämlich den der gewinnorientierten besonderen Beschäftigungszentren, pauschal von den Verfahren dieses Mitgliedstaats zur Vergabe nach Art. 20 vorbehaltener Aufträge auszuschließen scheinen. Ferner behalten diese Rechtsvorschriften solche Aufträge ausschließlich einer weiteren Untergruppe der besonderen Beschäftigungszentren, nämlich den „besonderen Beschäftigungszentren in sozialer Trägerschaft“, vor und reservieren ein anscheinend erhebliches Volumen öffentlicher Aufträge für Verfahren zur Vergabe nach Art. 20 vorbehaltener Aufträge.

64.

Dies wirft recht offensichtliche Fragen in Hinblick auf die Vereinbarkeit mit den Grundsätzen der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit sowie dem Verbot künstlicher Wettbewerbseinschränkungen auf.

3. Art. 18 der Richtlinie 2014/24 und der Gleichbehandlungsgrundsatz

65.

Nach gefestigter Rechtsprechung gehört der Gleichbehandlungsgrundsatz zu den Grundprinzipien des Unionsrechts ( 25 ), die die Mitgliedstaaten zu beachten haben, wenn sie im Anwendungsbereich des Unionsrechts handeln. Dieser Grundsatz, der zu den Grundrechten gehört, deren Wahrung der Gerichtshof zu sichern hat ( 26 ), verlangt, dass ähnliche oder vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich behandelt werden dürfen, es sei denn, die unterschiedliche Behandlung ist objektiv gerechtfertigt ( 27 ). Als allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts ist der Geleichbehandlungsgrundsatz von den Mitgliedstaaten bei der Durchführung der unionsrechtlichen Regelungen zu beachten. Demzufolge müssen die Mitgliedstaaten diese Regelungen so weit wie möglich in Übereinstimmung mit den Erfordernissen anwenden, die sich aus dem Grundrechtsschutz in der Unionsrechtsordnung ergeben ( 28 ).

66.

Im Bereich des Unionrechts über die Vergabe öffentlicher Aufträge hat der Gleichbehandlungsgrundsatz besonderen Ausdruck im Grundsatz der Gleichbehandlung der Bieter gefunden, der verlangt, dass die Bieter bei der Abfassung ihrer Angebote die gleichen Chancen haben müssen ( 29 ). Wie von Generalanwalt Bot in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache Wall ausgeführt ( 30 ), soll der Grundsatz der Gleichbehandlung der Bieter die Entwicklung eines gesunden und effektiven Wettbewerbs zwischen den Unternehmen, die sich um einen öffentlichen Auftrag bewerben, fördern. Die Beachtung dieses Grundsatzes muss einen objektiven Vergleich der Angebote gewährleisten und ist in allen Verfahrensabschnitten geboten. Anders gesagt, die Spielregeln müssen allen potenziellen Bietern bekannt sein und für alle in gleicher Weise gelten.

67.

Ein Ausschluss einer Gruppe potenzieller Bieter von den Verfahren eines Mitgliedstaats zur Vergabe nach Art. 20 vorbehaltener Aufträge zum Vorteil einer anderen Bietergruppe wie der spanische Ausschluss der gewinnorientierten besonderen Beschäftigungszentren zum Vorteil der besonderen Beschäftigungszentren in sozialer Trägerschaft ist daher nur gestattet, wenn sich diese beiden Gruppen potenzieller Bieter nicht in ähnlichen oder vergleichbaren Situationen befinden oder die unterschiedliche Behandlung objektiv gerechtfertigt ist.

68.

Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, das allein für die Entscheidung über den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens zuständig ist, festzustellen, ob sich die „gewerblichen“ besonderen Beschäftigungszentren und die besonderen Beschäftigungszentren in sozialer Trägerschaft in ähnlichen oder vergleichbaren Situationen befinden und/oder ob die unterschiedliche Behandlung objektiv gerechtfertigt ist. Die „gewerblichen“ besonderen Beschäftigungszentren scheinen früher dieselben gesellschaftlichen Funktionen wahrgenommen zu haben und gegenwärtig wahrzunehmen wie die, die von den besonderen Beschäftigungszentren in sozialer Trägerschaft verlangt werden. Daher scheint dem ersten Anschein nach die Auffassung nicht unvernünftig zu sein, dass sich diese beiden Gruppen der besonderen Beschäftigungszentren, was ihre Fähigkeit angeht, die Funktion der Hilfeleistung zur sozialen und beruflichen Integration von Menschen mit Behinderungen oder benachteiligten Personen zu erfüllen, in einer ähnlichen oder vergleichbaren Situation befinden. Gleichzeitig bestehen Unterschiede in der Organisation der „gewerblichen“ besonderen Beschäftigungszentren und der besonderen Beschäftigungszentren in sozialer Trägerschaft, insbesondere betreffend die fehlende Gewinnerzielungsabsicht Letzterer und das Erfordernis der Reinvestition der Gewinne, die unter Umständen dafür sprechen könnten, dass sich diese beiden Gruppen nicht in ähnlichen oder vergleichbaren Situationen befinden oder dass die unterschiedliche Behandlung objektiv gerechtfertigt ist. Letztendlich handelt es sich um eine Entscheidung, die die Auslegung des anwendbaren spanischen Rechts beinhaltet und die zu treffen Sache des vorlegenden Gerichts ist.

4. Art. 18 der Richtlinie 2014/24 und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

69.

Wie der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung festgestellt hat, liegt der Zweck der nationalen Rechtsvorschriften bezüglich der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge im Allgemeinen in der Gewährleistung der Gleichbehandlung der Bieter. Eine solche Regelung darf jedoch nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der ein allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts ist, nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung des angestrebten Ziels erforderlich ist ( 31 ).

70.

Wenn Mitgliedstaaten nationale Rechtsvorschriften erlassen, die Art. 20 der Richtlinie 2014/24 umsetzen und „vorbehaltene Aufträge“ in Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge zugunsten von Anbietern geschützter Beschäftigung reservieren, haben diese Rechtsvorschriften zumindest einen doppelten Zweck: die im vorstehenden Absatz genannte Gleichbehandlung der Bieter und den sozial- und beschäftigungspolitischen Zweck, den Anbietern geschützter Beschäftigung vorbehaltene Aufträge zugänglich zu machen.

71.

Wie in Hinblick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz ist es Sache des vorlegenden Gerichts, das allein für die Entscheidung über den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens zuständig ist, festzustellen, ob die Auferlegung der zusätzlichen Anforderungen tatsächlich ein geeignetes Mittel zur Erreichung der von dem Mitgliedstaat verfolgten berechtigten Ziele bezüglich der Maximierung der sozialen Ziele der Eingliederung oder Wiedereingliederung von Menschen mit Behinderungen oder benachteiligten Personen darstellt und, wenn dem so ist, ob diese Erfordernisse über das hinausgehen, was zu Erreichung dieser Ziele notwendig ist.

72.

Meines Erachtens könnten Anforderungen, dass die Teilnehmer an einem Verfahren zur Vergabe nach Art. 20 vorbehaltener Aufträge als Einrichtung ohne Gewinnerzielungsabsicht organisiert oder von einer solchen gehalten sein müssen und dass sie Gewinne, die mit nach Art. 20 vorbehaltenen Aufträgen erwirtschaftet wurden, reinvestieren müssen, durchaus als geeignete Mittel zur Förderung des legitimen Ziels der sozialen und beruflichen Integration von Menschen mit Behinderungen oder benachteiligter Personen angesehen werden. Keiner dieser Anforderungen mangelt es an einer Beziehung zur Bedingung des Art. 20 Abs. 1, dass der „Hauptzweck“ der zugelassenen Wirtschaftsteilnehmer, die keine geschützten Werkstätten sind, „die soziale und berufliche Integration von Menschen mit Behinderungen oder von benachteiligten Personen“ sein muss. Eine gewinnorientierte Einrichtung hat im Allgemeinen die Erwirtschaftung von Gewinnen für ihre Eigentümer als einen ihrer „Zwecke“. Es stellt keine grundsätzlich unvernünftige Ansicht dar, anzunehmen, dass dies von der Fokussierung auf das Sozialziel ablenkt. Somit scheint die Anforderung an den zugelassenen Teilnehmer, dass er ohne Gewinnerzielungsabsicht tätig wird oder von einer Einrichtung ohne Gewinnerzielungsabsicht gehalten wird, einem legitimen Zweck zu dienen. Das Erfordernis, dass Gewinne in dieselben oder ähnliche Sozialunternehmen reinvestiert werden, die sich um die soziale und berufliche Integration von Menschen mit Behinderungen oder benachteiligten Personen bemühen, dient sogar noch deutlicher diesem Zweck, und angesichts der inhärenten Übertragung öffentlicher Mittel, die bei Verfahren zur Vergabe nach Art. 20 vorbehaltener Aufträge vorhersehbar ist – schon die Begründung dieser Bestimmung, die lautet, dass die zugelassenen Teilnehmer möglicherweise nicht in der Lage sind, unter normalen/qualitativen Bedingungen wettbewerbsfähig zu sein, impliziert, dass die öffentlichen Auftraggeber für Anschaffungen nach Verfahren zur Vergabe nach Art. 20 vorbehaltener Aufträge wahrscheinlich zu viel bezahlen –, erscheint die Reinvestition diesbezüglicher Gewinne letztlich zugunsten des einschlägigen Sozialziels besonders angemessen.

73.

Das in den spanischen Rechtsvorschriften enthaltene Beschäftigungserfordernis von 70 % trägt offensichtlich auch zur Erreichung des letztlichen Ziels der Verfahren zur Vergabe nach Art. 20 vorbehaltener Aufträge bei, nämlich der „soziale[n] und berufliche[n] Integration von Menschen mit Behinderungen oder von benachteiligten Personen“ ( 32 ).

74.

Meines Erachtens scheinen daher diese Anforderungen geeignet zu sein, das gewünschte Ziel zu erreichen. Das Erfordernis, dass besondere Beschäftigungszentren die bestimmte Rechtsform einer gemeinnützigen Einrichtung annehmen oder den bestimmten in Frage stehenden Eigentümervoraussetzungen entsprechen müssen, scheint jedoch meiner Ansicht nach über das hinauszugehen, was zur Erreichung dieser Ziele erforderlich ist. Es ist schwer zu erkennen, wie der Ausschluss einer großen Untergruppe von Wirtschaftsteilnehmern, die genau diesen Sozialzielen und diesem Bevölkerungsteil zuvor gedient haben, gegenwärtig dienen und beabsichtigen, ihnen in der Zukunft zu dienen, lediglich wegen der Rechtsform, in der diese Wirtschaftsteilnehmer verfasst sind, oder wegen der Rechtsform ihrer Letzteigentümer, nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung des legitimen Ziels der sozialen und beruflichen Eingliederung oder Wiedereingliederung von Menschen mit Behinderungen und benachteiligten Personen notwendig ist. Dies gilt erst recht, wenn die Reinvestition der Gewinne aufrechterhalten wird.

75.

Vorbehaltlich der Überprüfung durch das vorlegende Gericht, bin ich daher der Auffassung, dass Anforderungen an die Rechtsform oder das Eigentum an Wirtschaftsteilnehmern, die als zugelassene Teilnehmer an Verfahren eines Mitgliedstaats zur Vergabe nach Art. 20 vorbehaltener Aufträge akzeptiert werden, wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden spanischen Anforderungen nicht mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vereinbar sind.

5. Art. 18 der Richtlinie 2014/24 und das Verbot der künstlichen Wettbewerbseinschränkung

76.

Wie in Art. 18 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2014/24 vorgesehen, darf ein Vergabeverfahren nicht mit der Absicht konzipiert werden, den Wettbewerb künstlich einzuschränken. Eine künstliche Einschränkung des Wettbewerbs gilt als gegeben, wenn das Vergabeverfahren mit der Absicht konzipiert wurde, bestimmte Wirtschaftsteilnehmer auf unzulässige Weise zu bevorzugen oder zu benachteiligen.

77.

Es ist klar, dass besondere Beschäftigungszentren in sozialer Trägerschaft durch die in Rede stehenden spanischen Rechtsvorschriften bevorzugt und gewinnorientierte besondere Beschäftigungszentren benachteiligt werden. Es erscheint auch offensichtlich, dass dies mit Absicht geschieht. Art. 18 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2014/24 verbietet jedoch nicht jede absichtliche Bevorzugung oder Benachteiligung. Das Verbot gilt nur, wenn die Absicht besteht, bestimmte Wirtschaftsteilnehmer „auf unzulässige Weise“ zu bevorzugen oder zu benachteiligen.

78.

Der Gerichtshof hat die Bedeutung der Worte „auf unzulässige Weise“ (oder „künstlich“) im Zusammenhang mit Art. 18 der Richtlinie 2014/24 noch nicht geklärt. Anhaltspunkte für die Auslegung dieser Begriffe können jedoch den Grundsätzen der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit entnommen werden. Obwohl sich die Begriffe der Gleichbehandlung und des „nicht künstlich eingeschränkten Wettbewerbs“ offensichtlich unterscheiden, impliziert eine „Bevorzugung“ oder „Benachteiligung“ eines oder mehrerer Wirtschaftsteilnehmer gegenüber (einem) anderen eine Ungleichbehandlung. Es ist schwer, sich eine „Bevorzugung“ oder „Benachteiligung“ vorzustellen, die „auf unzulässige Weise“ geschieht und gleichzeitig „objektiv gerechtfertigt“ ist oder umgekehrt. Offensichtlich muss also eine gewisse Überschneidung dieser unterschiedlichen Begriffe bestehen. Was die Beziehung zwischen künstlich eingeschränktem Wettbewerb und der Verhältnismäßigkeit angeht, ist eine Bevorzugung oder Benachteiligung eines oder mehrerer Wirtschaftsteilnehmer gegenüber (einem) anderen, die „auf zulässige Weise“ über das hinausgeht, was zur Erreichung der verfolgten legitimen Ziele notwendig ist, ebenfalls kaum vorstellbar. Künstlich eingeschränkter Wettbewerb scheint somit auch eine gewisse Überschneidung mit einem Verstoß gegen die Verhältnismäßigkeit aufzuweisen.

79.

Es mag verlockend erscheinen, die Wendung „den Wettbewerb künstlich einzuschränken“ allein unter Verweis auf die in der vorstehenden Nummer genannten Grundsätze zu definieren. Jedoch wäre die Einfügung des Verbots der künstlichen Wettbewerbseinschränkung in Art. 18 Abs. 1 Unterabs. 2 überflüssig, wenn es lediglich ein Verhalten erfasste, dass bereits durch die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit untersagt ist. Daher sollte dem Verbot der künstlichen Wettbewerbseinschränkung meines Erachtens eine größere Reichweite eingeräumt werden.

80.

Wie bereits im Zusammenhang mit der Analyse der Verhältnismäßigkeit oben in Nr. 74 erörtert, scheint die Einschränkung des Wettbewerbs, die sich aus dem Ausschluss der gewinnorientierten besonderen Beschäftigungszentren von den spanischen Verfahren zur Vergabe nach Art. 20 vorbehaltener Aufträge ergibt, soweit die Anforderung, dass die betreffenden Wirtschaftsteilnehmer die Form Einrichtungen ohne Gewinnerzielungsabsicht annehmen oder letztlich ganz oder teilweise im Eigentum solcher Einrichtungen stehen, betroffen ist, nicht verhältnismäßig in Hinblick auf einen legitimen Zweck zu sein. Ungeachtet der genauen Reichweite des Verbots der künstlichen Einschränkung des Wettbewerbs, würde es meiner Ansicht nach durch dieses Erfordernis verletzt werden. Es obliegt jedoch letztlich dem vorlegenden Gericht, zu entscheiden, ob in dem ihm vorliegenden Fall die Absicht gegeben ist, in unzulässiger Weise zu begünstigen und/oder zu benachteiligen.

81.

Was das Erfordernis der Reinvestition der Gewinne angeht, könnte dieses meiner Ansicht nach möglicherweise als künstliche Einschränkung des Wettbewerbs angesehen werden, selbst wenn meine Auffassung akzeptiert wird, dass diese Anforderung den Standards der Gleichbehandlung und Verhältnismäßigkeit entspricht. Wird dieses Erfordernis nicht nur aufgestellt, um dem legitimen Zweck der Förderung der sozialen und beruflichen Integration von Menschen mit Behinderungen und benachteiligten Personen zu dienen, sondern gleichzeitig mit Absicht so konzipiert, dass eine Gruppe möglicher Bieter gegenüber einer anderen aus Gründen bevorzugt wird, die mit dem verfolgten legitimen Zweck nicht in Zusammenhang stehen ( 33 ), ist dies meines Erachtens als unzulässige Begünstigung und Benachteiligung der jeweiligen Gruppen und als künstliche Einschränkung des Wettbewerbs anzusehen. Es obliegt dem vorlegenden Gericht festzustellen, ob dies der Fall sein könnte.

IV. Ergebnis

82.

Im Licht der vorstehenden Erwägungen, schlage ich dem Gerichtshof vor, dem vorlegenden Gericht wie folgt zu antworten:

Art. 20 der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe steht nationalen Rechtsvorschriften nicht entgegen, nach denen das Recht zur Teilnahme an Verfahren zur Vergabe gemäß dieser Bestimmung vorbehaltener öffentlicher Aufträge neben den in diesem Artikel festgelegten Voraussetzungen zusätzlichen Voraussetzungen unterworfen wird.

Solche zusätzlichen Voraussetzungen müssen jedoch mit allen anwendbaren Anforderungen des Unionsrechts einschließlich des Art. 18 der Richtlinie und der Grundsätze der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit vereinbar sein und dürfen den Wettbewerb nicht künstlich einschränken.

In dieser Hinsicht dürfte eine Voraussetzung, wonach nur Wirtschaftsteilnehmer, die Einrichtungen ohne Gewinnerzielungsabsicht sind oder vollständig oder teilweise im Eigentum solcher Einrichtungen stehen, an Verfahren zur Vergabe vorbehaltener öffentlicher Aufträge teilnehmen dürfen, dem ersten Anschein nach über das hinauszugehen, was zur Erreichung des legitimen Ziels der Förderung der sozialen und beruflichen Integration von Menschen mit Behinderungen und benachteiligten Personen erforderlich ist.

Ein absichtlicher Ausschluss eines großen Teils der Wirtschaftsteilnehmer aus Gründen, die mit dem legitimen Ziel der Förderung der sozialen und beruflichen Integration von Menschen mit Behinderungen und benachteiligten Personen nicht in Zusammenhang stehen, dürfte dem ersten Anschein nach eine künstliche Einschränkung des Wettbewerbs darstellen.


( 1 ) Originalsprache: Englisch.

( 2 ) ABl. 2014, L 94, S. 65.

( 3 ) Richtlinie 2004/17/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Koordinierung der Zuschlagserteilung durch Auftraggeber im Bereich der Wasser‑, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste (ABl. 2004, L 134, S. 1).

( 4 ) Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge (ABl. 2004, L 134, S. 114).

( 5 ) CONACEE verweist auf die Ley estatal 31/2015 por la que se modifica y actualiza la normativa en materia de autoempleo y se adoptan medidas de fomento y promoción del trabajo autónomo y de la economía social (Nationales Gesetz 31/2015 zur Änderung und Aktualisierung der Regelungen der beruflichen Selbständigkeit und zur Einführung von Maßnahmen zur Unterstützung und Förderung der selbständigen Tätigkeit und der sozialen Wirtschaft) vom 9. September 2015.

( 6 ) Der Einfachheit halber werde ich auf Verfahren zur Vergabe nach Art. 20 der Richtlinie 2014/24 vorbehaltener öffentlicher Aufträge als „Verfahren zur Vergabe nach Art. 20 vorbehaltener Aufträge“ verweisen.

( 7 ) Ich werde diese Unternehmen und Wirtschaftsteilnehmer, denen ein Mitgliedstaat die Teilnahme an seinen Verfahren zur Vergabe nach Art. 20 vorbehaltener Aufträge gestattet hat, als „zugelassene Teilnehmer“ bezeichnen.

( 8 ) Die Schwellenwerte werden gemäß Art. 6 der Richtlinie 2014/24 alle zwei Jahre überprüft. Öffentliche Aufträge, die durch Auftraggeber im Bereich der Wasser‑, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste vergeben werden und in den Bereich solcher Tätigkeiten fallen, werden von der Richtlinie 2014/25/EU und im Allgemeinen nicht von der Richtlinie 2014/24 erfasst. Art. 4 Buchst. d sieht bei öffentlichen Dienstleistungsaufträgen für bestimmte „soziale und andere besondere Dienstleistungen“ im Sinne von Anhang XIV einen erheblich höheren Schwellenwert vor. Diese Aufträge sind Gegenstand einer besonderen Beschaffungsregelung nach Titel III Kapitel I der Richtlinie 2014/24.

( 9 ) Vgl. in diesem Sinne erster Erwägungsgrund der Richtlinie 2014/24.

( 10 ) Die Kommission weist in Nr. 16 ihrer Erklärungen darauf hin, dass z. B. in Frankreich, der Tschechischen Republik und Kroatien strengere Anforderungen an den Prozentsatz der Arbeitnehmer mit Behinderungen oder benachteiligten Arbeitnehmer gelten, und dass die Tschechische Republik in dieser Hinsicht nur auf Menschen mit Behinderungen und nicht auf andere benachteiligte Personen abstellt.

( 11 ) Der Einfachheit halber werde ich von Bietern in Verfahren zur Vergabe nach Art. 20 vorbehaltener Aufträge erhaltene Aufträge als „nach Art. 20 vorbehaltene Aufträge“ bezeichnen.

( 12 ) Nr. 14 der Erklärungen der Kommission: „… [L]es États membres sont en droit de préciser dans leur législation ce qu’il convient d’entendre par «opérateurs économiques dont l’objet principal est l’intégration sociale et professionnelle de personnes handicapées ou défavorisées“ („Die Mitgliedstaaten dürfen in ihren Rechtsvorschriften festlegen, was unter ‚Wirtschaftsteilnehmern, deren Hauptzweck die soziale und berufliche Integration von Menschen mit Behinderungen oder von benachteiligten Personen ist‘, zu verstehen ist“).

( 13 ) Urteil vom 4. Juni 2020, Remondis (C‑429/19, EU:C:2020:436, Rn. 24).

( 14 ) Dies entspricht der Entscheidung des Unionsgesetzgebers, nach der die Nutzung von Verfahren zur Vergabe nach Art. 20 vorbehaltener Aufträge für die Mitgliedstaaten fakultativ ist.

( 15 ) Urteil vom 19. September 2018, Bedi (C‑312/17, EU:C:2018:734, Rn. 59 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 16 ) Die Richtlinie 2014/24 wurde zusammen mit der Richtlinie 2014/23/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die Konzessionsvergabe (ABl. 2014, L 94, S. 1) und der Richtlinie 2014/25/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die Vergabe von Aufträgen im Bereich der Wasser‑, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/17/EG (ABl. 2014, L 94, S. 243) erlassen, deren Art. 24 bzw. 38 nahezu wörtlich mit Art. 20 der Richtlinie 2014/24 übereinstimmen, und die Richtlinie 2004/18 wurde zusammen mit der Richtlinie 2004/17/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Koordinierung der Zuschlagserteilung durch Auftraggeber im Bereich der Wasser‑, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste (ABl. 2004, L 134, S. 1) erlassen, deren Art. 28 nahezu wörtlich mit Art. 19 der Richtlinie 2004/18 übereinstimmt.

( 17 ) Bericht des Ausschusses für Recht und Binnenmarkt über den Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Lieferaufträge, Dienstleistungsaufträge und Bauaufträge (KOM[2000] 275 – C5-0367/2000 – 2000/0115[COD]), zugänglich unter https://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//TEXT+REPORT+A5-2001-0378+0+DOC+XML+V0//DE (zuletzt eingesehen am 23. März 2021).

( 18 ) Geänderter Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Lieferaufträge, Dienstleistungsaufträge und Bauaufträge (KOM[2002] 236 endgültig – 2000/0115[COD], Abänderung 36).

( 19 ) Vgl. z. B. den ursprünglichen Änderungsantrag 9 und die spätere Begründung des Kompromiss-Änderungsvorschlags 29 durch A. P. Vallelersundi, zitiert unten in Fn. 20. Eine Zusammenstellung der Entstehungsgeschichte des Art. 19 der Richtlinie 2004/18 ist zu finden bei Hebly, J. M., European Public Procurement – Legislative History of the ‚Classic‘ Directive 2004/18/EC, S. 603 ff.

( 20 ) Vgl. die Begründung des Kompromiss-Änderungsvorschlags 29 durch A. P. Vallelersundi, in dem sich der vorgeschlagene Text von der Befreiung von Aufträgen, die geschützten Werkstätten und Programmen erteilt werden, hin zum Begriff des Vorbehalts von Aufträgen für diese ändert: „Es ist auch notwendig, zu gewährleisten, dass derartige Aufträge … solchen Werkstätten überall in der [Union] erteilt werden können und sich nicht in ein weiteres Mittel der Bevorzugung regionaler oder lokaler Bieter verwandeln“. Diese Auffassung wird in der Stellungnahme der Kommission zur Abänderung 36 in dem Geänderten Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Lieferaufträge, Dienstleistungsaufträge und Bauaufträge (KOM[2002] 236 endgültig – 2000/0115[COD]) (ABl. 2002, C 203E, S. 210), implizit aufrechterhalten: „Die … Abänderung kann mit einer Abwandlung akzeptiert werden, die hervorhebt, dass diese Möglichkeit nicht von der Anwendung aller anderen für öffentliche Aufträge geltenden Vorschriften der Richtlinie befreit.“

( 21 ) Die Richtlinie 2014/24 hat zusätzlich zu den Änderungen in Art. 20 auch in Titel III („Besondere Beschaffungsregelungen“) Kapitel I („Soziale und andere besondere Dienstleistungen“) (Art. 74 bis 77) eine andere Art vorbehaltener Aufträge für bestimmte Gesundheits‑, Sozial- und Kulturdienstleistungen eingeführt. Diese Regelung unterscheidet sich und ist gesondert von den in der vorliegenden Rechtssache in Rede stehenden Bestimmungen und besteht getrennt davon; es ist jedoch möglich, dass der spanische Gesetzgeber Art. 77 Abs. 2 Buchst. b als Vorbild für die Anforderung der „Reinvestition der Gewinne“ der spanischen Bestimmungen betrachtet hat.

( 22 ) Nrn. 4.10 und 4.11 der Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Vergabe von Aufträgen durch Auftraggeber im Bereich der Wasser‑, Energie und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste“ (KOM[2011] 895 endgültig – 2011/0439 [COD]), dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die öffentliche Auftragsvergabe“ (KOM[2011] 896 endgültig – 2011/0438 [COD]) und dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Konzessionsvergabe“ (KOM[2011] 897 endgültig – 2011/0437 [COD]) (ABl. 2012, C 191, S. 84).

( 23 ) Die Bestimmung stellt eine Erweiterung ihrer Vorgängerbestimmung, Art. 2 der Richtlinie 2004/18, dar, die lediglich eine gleiche und nichtdiskriminierende Behandlung der Wirtschaftsteilnehmer sowie Transparenz verlangte, ohne die Verhältnismäßigkeit zu erwähnen.

( 24 ) Vgl. in diesem Sinne Schlussanträge des Generalanwalts Szpunar in der Rechtssache Grupo Hospitalario Quirón (C‑552/13, EU:C:2015:394, Nrn. 40 ff.) in Bezug auf Art. 23 Abs. 2 der Richtlinie 2004/18, der den gleichen Zugang der Wirtschaftsteilnehmer und die Abwesenheit ungerechtfertigter Behinderungen im Zusammenhang mit technischen Spezifikationen betrifft.

( 25 ) Urteile vom 19. Oktober 1977, Ruckdeschel u. a. (117/76 und 16/77, EU:C:1977:160, Rn. 7), vom 16. Dezember 2008, Arcelor Atlantique et Lorraine u. a. (C‑127/07, EU:C:2008:728, Rn. 23), und vom 17. Dezember 2020, Centraal Israëlitisch Consistorie van België u. a. (C‑336/19, EU:C:2020:1031, Rn. 85).

( 26 ) Urteile vom 12. Dezember 2002, Rodríguez Caballero (C‑442/00, EU:C:2002:752, Rn. 32), und vom 17. Januar 2008, Velasco Navarro (C‑246/06, EU:C:2008:19, Rn. 32).

( 27 ) Urteile vom 25. November 1986, Klensch u. a. (201/85 und 202/85, EU:C:1986:439, Rn. 9), vom 12. Dezember 2002, Rodríguez Caballero (C‑442/00, EU:C:2002:752, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung), und vom 17. Dezember 2020, Centraal Israëlitisch Consistorie van België u. a. (C‑336/19, EU:C:2020:1031, Rn. 85).

( 28 ) Urteil vom 12. Dezember 2002, Rodríguez Caballero (C‑442/00, EU:C:2002:752, Rn. 30). Vgl. auch Schlussanträge des Generalanwalts Bot in der Rechtssache Wall (C‑91/08, EU:C:2009/659, Nrn. 35 und 36).

( 29 ) Urteil vom 2. Juni 2016, Pizzo (C‑27/15, EU:C:2016:404, Rn. 36).

( 30 ) C‑91/08, EU:C:2009/659, Nr. 38.

( 31 ) Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 8. Februar 2018, Lloyd’s of London (C‑144/17, EU:C:2018:78, Rn. 32), vom 2. Mai 2019, Lavorgna (C‑309/18, EU:C:2019:350, Rn. 24 und die dort angeführte Rechtsprechung), vom 30. Januar 2020, Tim (C‑395/18, EU:C:2020:58, Rn. 45), und vom 14. Mai 2020, T‑Systems Magyarország (C‑263/19, EU:C:2020:373, Rn. 71).

( 32 ) 36. Erwägungsgrund der Richtlinie 2014/24.

( 33 ) Solche Gründe könnten – lediglich als Beispiel – auf ideologisch oder politisch motivierte Wünsche zurückzuführen sein, eine Gruppe oder Form von Unternehmen gegenüber einer anderen zu fördern.