URTEIL DES GERICHTSHOFS (Große Kammer)

2. März 2021 ( *1 )

„Rechtsmittel – Staatliche Beihilfen – Intervention eines privatrechtlich organisierten Bankenkonsortiums zugunsten eines seiner Mitglieder – Genehmigung der Intervention durch die Zentralbank des Mitgliedstaats – Begriff der staatlichen Beihilfe – Zurechenbarkeit an den Staat – Staatliche Mittel – Indizien, die den Schluss auf die Zurechenbarkeit einer Maßnahme zulassen – Verfälschung der Sach- und Rechtslage – Beschluss, mit dem die Beihilfe für mit dem Binnenmarkt unvereinbar erklärt wird“

In der Rechtssache C‑425/19 P

betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 29. Mai 2019,

Europäische Kommission, vertreten durch P. Stancanelli, L. Flynn, A. Bouchagiar und D. Recchia als Bevollmächtigte,

Klägerin,

andere Parteien des Verfahrens:

Italienische Republik, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von P. Gentili und S. Fiorentino, avvocati dello Stato,

Banca Popolare di Bari SCpA, vormals Tercas-Cassa di risparmio della provincia di Teramo SpA (Banca Tercas SpA), mit Sitz in Teramo (Italien), Prozessbevollmächtigte: zunächst A. Santa Maria, M. Crisostomo, E. Gambaro und F. Mazzocchi, avvocati, dann A. Santa Maria, M. Crisostomo und E. Gambaro, avvocati,

Fondo interbancario di tutela dei depositi mit Sitz in Rom (Italien), Prozessbevollmächtigte: M. Siragusa, G. Scassellati Sforzolini, G. Faella und A. Comino, avvocati,

Kläger im ersten Rechtszug,

Banca d’Italia mit Sitz in Rom, Prozessbevollmächtigte: M. Perassi, M. Todino, L. Sciotto und O. Capolino, avvocati,

Streithelferin im ersten Rechtszug,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, der Vizepräsidentin R. Silva de Lapuerta (Berichterstatterin), der Kammerpräsidenten J.‑C. Bonichot und A. Arabadjiev, der Kammerpräsidentin A. Prechal, der Kammerpräsidenten M. Ilešič, L. Bay Larsen, A. Kumin und N. Wahl, der Richter E. Juhász, S. Rodin und F. Biltgen, der Richterin K. Jürimäe sowie der Richter C. Lycourgos und N. Jääskinen,

Generalanwalt: E. Tanchev,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 29. Oktober 2020

folgendes

Urteil

1

Mit ihrem Rechtsmittel beantragt die Europäische Kommission die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 19. März 2019, Italien u. a./Kommission (T‑98/16, T‑196/16 und T‑198/16, im Folgenden: angefochtenes Urteil, EU:T:2019:167), mit dem das Gericht den Beschluss (EU) 2016/1208 der Kommission vom 23. Dezember 2015 über die staatliche Beihilfe Italiens zugunsten der Banca Tercas (SA.39451 [2015/C] [ex 2015/NN]) (ABl. 2016, L 203, S. 1, im Folgenden: streitiger Beschluss) für nichtig erklärt hat.

Rechtlicher Rahmen

2

Das Decreto legislativo n. 385, e successive modifiche e integrazioni – Testo unico delle leggi in materia bancaria e creditizia (Gesetzesvertretendes Dekret Nr. 385 mit nachfolgenden Änderungen und Ergänzungen – kodifizierte Fassung der Gesetze über das Bank- und Kreditwesen) vom 1. September 1993 (GURI Nr. 230 vom 30. September 1993 und Supplemento Ordinario zur GURI Nr. 92) in der auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbaren Fassung (im Folgenden: TUB) überträgt der Banca d’Italia (Bank von Italien) die Funktion der Aufsichtsbehörde für den Bankensektor und gibt ihr die Ziele vor, eine solide und umsichtige Verwaltung der beaufsichtigten Institute, die allgemeine Stabilität, Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit des Finanzsystems sowie die Einhaltung der Vorschriften auf dem Gebiet des Kreditwesens zu gewährleisten.

3

Nach Art. 96 Abs. 1 TUB müssen italienische Banken einem in Italien errichteten und anerkannten Einlagensicherungssystem angeschlossen sein. Genossenschaftsbanken schließen sich dem Einlagensicherungssystem an, das in ihrem Netz eingerichtet worden ist.

4

Nach Art. 96a Abs. 1 TUB leisten die Einlagensicherungssysteme im Falle der verwaltungsbehördlichen Zwangsliquidation von in Italien zugelassenen Banken Rückzahlungen, wobei diese Systeme jedoch andere Fälle und Formen der Intervention vorsehen können. Nach Art. 96b Abs. 1 Buchst. d TUB genehmigt die Bank von Italien u. a. Interventionen der Einlagensicherungssysteme „unter Berücksichtigung des Schutzes der Einleger und der Stabilität des Bankensystems“.

Vorgeschichte des Rechtsstreits

5

Die Vorgeschichte des Rechtsstreits ist in den Rn. 3 bis 32 des angefochtenen Urteils dargestellt. Für die Zwecke des vorliegenden Urteils lässt sie sich wie folgt zusammenfassen.

Beteiligte Unternehmen

6

Tercas-Cassa di risparmio della provincia di Teramo SpA (Banca Tercas SpA) (im Folgenden: Tercas) ist eine Bank mit privatem Kapital, deren Aktivitäten hauptsächlich in der Region Abruzzen (Italien) angesiedelt sind. Die Banca Popolare di Bari SCpA (im Folgenden: BPB) ist die Holdinggesellschaft einer Bankengruppe mit privatem Kapital, deren Aktivitäten hauptsächlich in Süditalien angesiedelt sind.

7

Der Fondo interbancario di tutela dei depositi (im Folgenden: FITD) ist ein privatrechtlich organisiertes Bankenkonsortium, das 1987 auf freiwilliger Basis gegründet wurde. Dieses auf Wechselseitigkeit beruhende Konsortium wurde errichtet, um die gemeinsamen Interessen seiner Mitglieder zu verfolgen.

8

Zweck des FITD ist gemäß Art. 1 seiner Satzung die Sicherung der Einleger seiner Mitglieder. Nach der Umsetzung der Richtlinie 94/19/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 1994 über Einlagensicherungssysteme (ABl. 1994, L 135, S. 5) in italienisches Recht wurde der FITD 1996 von der Bank von Italien als eines der in Italien zugelassenen Einlagensicherungssysteme und als einziges System, dem sich andere als Genossenschaftsbanken anschließen können, anerkannt.

9

Gemäß Art. 27 seiner Satzung wird der FITD im Falle der verwaltungsbehördlichen Zwangsliquidation eines seiner Mitglieder tätig, indem er die bei diesem hinterlegten Einlagen der Einleger bis zu einem Höchstbetrag von 100000 Euro je Einleger erstattet (im Folgenden: obligatorische Intervention).

10

Der FITD hat auch das Recht, auf freiwilliger Basis zur Unterstützung seiner Mitglieder tätig zu werden, und zwar in den folgenden zwei Fällen (im Folgenden: freiwillige Interventionen). Zum einen kann der FITD nach Art. 28 seiner Satzung anstelle der im Rahmen der Einlagensicherung vorgesehenen Rückzahlung in Transaktionen zur Übertragung von Vermögenswerten und Verbindlichkeiten betreffend eines seiner unter verwaltungsbehördliche Zwangsliquidation gestellter Mitglieder tätig werden. Zum anderen kann der FITD nach Art. 29 Abs. 1 seiner Satzung durch Finanzierung, Garantien, Kapitalanlagen oder in anderer technischer Form tätig werden, um eines seiner der Sonderverwaltung unterstellten Mitglieder zu unterstützen, wenn Aussichten auf eine Gesundung bestehen und eine geringere Belastung zu erwarten ist als die, die sich aus der Intervention des FITD im Falle einer verwaltungsbehördlichen Zwangsliquidation dieses Mitglieds ergibt.

11

Die Bank von Italien ist eine Behörde, die die Funktionen der Zentralbank der Italienischen Republik wahrnimmt. Sie verfügt über eine eigene Rechtspersönlichkeit, die sich von der des italienischen Staates unterscheidet. Als Mitglied des Europäischen Systems der Zentralbanken (ESZB) ist die Bank von Italien nach Art. 127 Abs. 5 AEUV verpflichtet, zur reibungslosen Durchführung der von den zuständigen Behörden auf dem Gebiet der Aufsicht über die Kreditinstitute und der Stabilität des Finanzsystems ergriffenen Maßnahmen beizutragen.

12

Um die ihr nach dem TUB obliegenden Ziele zu erreichen, insbesondere im Hinblick auf eine solide und umsichtige Verwaltung der beaufsichtigten Institute, verfügt die Bank von Italien über eine Regulierungsbefugnis, Überprüfungs- und Nachprüfungsbefugnisse sowie zahlreiche Genehmigungsbefugnisse. Diese Befugnisse ermöglichen es der Bank von Italien, in alle wesentlichen Geschehnisse im Leben einer Bank einzugreifen, unter Wahrung ihrer geschäftlichen Autonomie und ausschließlich zum Zweck der Überprüfung, ob ihre Verwaltung solide und umsichtig ist.

13

Im Rahmen ihrer Befugnisse hat die Bank von Italien namentlich die Satzung des FITD genehmigt, an den Sitzungen des FITD als Beobachter ohne Stimmrecht teilgenommen und gemäß Art. 96b Abs. 1 Buchst. d TUB die Interventionen des FITD zur Unterstützung seiner Mitglieder genehmigt.

Kontext und Intervention des FITD zur Unterstützung von Tercas

14

Mit Beschluss vom 30. April 2012 stellte das Ministero dell’Economia e delle Finanze (Wirtschafts- und Finanzministerium, Italien) Tercas auf Vorschlag der Bank von Italien, die Unregelmäßigkeiten bei ihr festgestellt hatte, unter Sonderverwaltung. Die Bank von Italien bestellte daraufhin einen Sonderverwalter für die Verwaltung von Tercas während der Zeit der Sonderverwaltung.

15

Im Oktober 2013 nahm der Sonderverwalter nach Prüfung verschiedener Möglichkeiten zur Bewältigung der Probleme von Tercas Verhandlungen mit BPB auf, die ihr Interesse an der Zeichnung einer Kapitalerhöhung von Tercas bekundet hatte, vorbehaltlich einer Due-Diligence-Prüfung von Tercas und der vollständigen Abdeckung des Vermögensdefizits der Bank durch den FITD.

16

Am 28. Oktober 2013 beschloss der Exekutivausschuss des FITD auf Antrag des Sonderverwalters von Tercas auf der Grundlage von Art. 29 der FITD-Satzung, Unterstützung für Tercas in Höhe von bis zu 280 Mio. Euro zu gewähren. Dieser Beschluss wurde vom Verwaltungsrat des FITD am 29. Oktober 2013 festgestellt. Am 4. November 2013 erteilte die Bank von Italien gemäß Art. 96b Abs. 1 Buchst. d TUB die Genehmigung für diese Unterstützungsmaßnahme.

17

Am 18. März 2014 beschloss der FITD, die geplante Intervention auszusetzen, da Unsicherheiten in Bezug auf die wirtschaftliche und finanzielle Situation von Tercas und die steuerliche Behandlung dieser Intervention bestanden. Nach der von BPB geforderten Due-Diligence-Prüfung von Tercas kam es nämlich zu Meinungsverschiedenheiten zwischen den Experten von FITD und BPB. Diese Meinungsverschiedenheiten wurden dann durch ein Schlichtungsverfahren beigelegt.

18

Angesichts der von einer Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft in einem Bericht vom 26. Mai 2014 vorgelegten Ergebnisse und unter Berücksichtigung der Kosten der Intervention im Vergleich zu den Kosten einer Entschädigung im Rahmen der obligatorischen Intervention beschlossen der Exekutivausschuss und der Verwaltungsrat des FITD am 30. Mai 2014, zur Unterstützung von Tercas tätig zu werden.

19

Am 7. Juli 2014 genehmigte die Bank von Italien diese Intervention des FITD zur Unterstützung von Tercas. Diese Intervention sah drei Maßnahmen vor (im Folgenden: streitige Maßnahmen), nämlich erstens einen Zuschuss in Höhe von 265 Mio. Euro zur Deckung des negativen Eigenkapitals von Tercas, zweitens eine Garantie in Höhe von 35 Mio. Euro zur Deckung des Kreditrisikos im Zusammenhang mit bestimmten Engagements von Tercas und drittens eine Garantie in Höhe von 30 Mio. Euro zur Deckung der sich aus der steuerlichen Behandlung der ersten Maßnahme ergebenden Kosten.

20

Auf der Hauptversammlung von Tercas, die vom Sonderverwalter im Einvernehmen mit der Bank von Italien für den 27. Juli 2014 einberufen wurde, wurde zum einen eine teilweise Deckung der Verluste, u. a. durch Herabsetzung des Eigenkapitals auf null und Einziehung aller im Umlauf befindlichen Stammaktien, und zum anderen eine Kapitalerhöhung auf 230 Mio. Euro durch die Ausgabe neuer Stammaktien, die BPB angeboten werden sollten, beschlossen. Diese Kapitalerhöhung erfolgte am 27. Juli 2014.

21

Am 1. Oktober 2014 wurde die Sonderverwaltung für Tercas aufgehoben, und BPB setzte eine neue Geschäftsführung ein.

Verwaltungsverfahren und streitiger Beschluss

22

Am 8. August und am 10. Oktober 2014 ersuchte die Kommission die italienischen Behörden um Informationen über die Intervention des FITD zur Unterstützung von Tercas. Diese beantworteten die Auskunftsersuchen am 16. September und am 14. November 2014.

23

Mit Schreiben vom 27. Februar 2015 teilte die Kommission der Italienischen Republik ihre Entscheidung mit, das in Art. 108 Abs. 2 AEUV vorgesehene Verfahren in Bezug auf die streitigen Maßnahmen einzuleiten. Am 24. April 2015 veröffentlichte die Kommission den Einleitungsbeschluss im Amtsblatt der Europäischen Union.

24

Am 23. Dezember 2015 erließ die Kommission den streitigen Beschluss, mit dem sie feststellte, dass die unter Verstoß gegen Art. 108 Abs. 3 AEUV genehmigten streitigen Maßnahmen mit dem Binnenmarkt unvereinbare und rechtswidrige Beihilfen der Italienischen Republik an Tercas darstellten, und die Rückforderung dieser Beihilfen anordnete.

Verfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil

25

Die Italienische Republik (T‑98/16), BPB (T‑196/16) und der FITD, unterstützt durch die Bank von Italien (T‑198/16), erhoben jeweils Klage gegen den streitigen Beschluss.

26

Als Erstes hat das Gericht in den Rn. 68, 69 und 89 bis 91 des angefochtenen Urteils zur Bejahung der Zurechenbarkeit einer Beihilfemaßnahme an den Staat im Wesentlichen festgestellt, dass die Pflicht der Kommission, genügend Hinweise dafür vorzulegen, dass diese Maßnahme unter dem Einfluss oder der tatsächlichen Kontrolle der Behörden erlassen worden sei, bei einer Maßnahme einer privaten Einrichtung umso mehr gelte als bei einer Maßnahme eines öffentlichen Unternehmens. Das Gericht hat in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass sich die Kommission im Gegensatz zu einer Situation, in der eine von einem öffentlichen Unternehmen ergriffene Maßnahme dem Staat zugerechnet werde, im Falle einer von einer privaten Einrichtung getroffenen Maßnahme nicht darauf beschränken könne, festzustellen, dass das Fehlen eines Einflusses und einer tatsächlichen Kontrolle der Behörden betreffend diese private Einrichtung unwahrscheinlich sei.

27

Als Zweites hat das Gericht in den Rn. 114 bis 131 des angefochtenen Urteils die Begründung der Kommission für die Feststellung, dass die streitigen Maßnahmen dem italienischen Staat zugerechnet werden könnten, geprüft und daraus in Rn. 132 des angefochtenen Urteils den Schluss gezogen, dass die Kommission nicht rechtlich hinreichend nachgewiesen habe, dass die italienischen Behörden an der Annahme dieser Maßnahmen beteiligt gewesen seien und diese Maßnahmen daher dem Staat im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV zuzurechnen seien.

28

Als Drittes hat das Gericht hinsichtlich des Begriffs der Maßnahme „aus staatlichen Mitteln“ im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV in den Rn. 139 bis 160 des angefochtenen Urteils die im streitigen Beschluss hierfür angeführten Indizien geprüft und daraus in Rn. 161 den Schluss gezogen, dass die Kommission nicht rechtlich ausreichend dargetan habe, dass die fraglichen Mittel der Kontrolle der italienischen Behörden unterlegen hätten und somit zu deren Verfügung gestanden hätten. Die Kommission konnte daher nach Ansicht des Gerichts nicht davon ausgehen, dass es, obwohl die Intervention des FITD zur Unterstützung von Tercas gemäß der Satzung dieses Konsortiums und im Interesse seiner Mitglieder unter Verwendung privater Mittel durchgeführt worden sei, in Wirklichkeit die italienischen Behörden seien, die durch die Ausübung eines beherrschenden Einflusses auf den FITD beschlossen hätten, die Verwendung dieser Mittel zur Finanzierung einer solchen Intervention zu steuern.

29

Da das Gericht die erste der Voraussetzungen für die Einstufung einer Beihilfe als „staatliche Beihilfe“ im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV, nämlich, dass diese Beihilfe vom Staat oder aus staatlichen Mitteln gewährt wird, nicht für erfüllt hielt, hat es den streitigen Beschluss für nichtig erklärt.

Verfahren vor dem Gerichtshof und Anträge der Parteien des Rechtsmittelverfahrens

30

Die Kommission beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben;

die Klagen abzuweisen, soweit mit ihnen beanstandet wird, dass in dem streitigen Beschluss dargetan wird, dass die Voraussetzungen der Zurechenbarkeit der streitigen Maßnahmen an den Staat und die Voraussetzungen ihrer Finanzierung durch staatliche Mittel vorliegen;

die Sache zur Prüfung der übrigen Klagegründe an das Gericht zurückzuverweisen;

die Entscheidung über die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens und des Rechtsmittelverfahrens vorzubehalten.

31

Die Bank von Italien, der FITD, BPB und die Italienische Republik beantragen,

das Rechtsmittel zurückzuweisen;

der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

32

Mit Schriftsatz, der am 30. Juli 2019 bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingegangen ist, haben die Fondazione Cassa di Risparmio di Pesaro, die Montani Antaldi Srl, die Fondazione Cassa di Risparmio di Fano, die Fondazione Cassa di Risparmio di Jesi sowie die Fondazione Cassa di Risparmio della Provincia di Macerata beantragt, in der vorliegenden Rechtssache als Streithelferinnen zur Unterstützung der Anträge der Italienischen Republik, von BPB, des FITD und der Bank von Italien zugelassen zu werden.

33

Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 13. November 2019, Kommission/Italien und Fondo interbancario di tutela dei depositi (C‑425/19 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2019:980), ist der Antrag auf Zulassung als Streithelferinnen zurückgewiesen worden.

34

Die Italienische Republik hat gemäß Art. 16 Abs. 3 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union beantragt, dass der Gerichtshof als Große Kammer tagt.

Zum Rechtsmittel

35

Die Kommission stützt ihr Rechtsmittel auf zwei Gründe.

Zum ersten Rechtsmittelgrund

Vorbringen der Parteien

36

Der erste Rechtsmittelgrund, mit dem ein Verstoß gegen Art. 107 Abs. 1 AEUV gerügt wird, gliedert sich in zwei Teile.

37

Mit dem ersten Teil macht die Kommission geltend, das Gericht habe einen Rechtsfehler begangen, indem es ihr für die Feststellung, ob die Anforderungen an die Zurechenbarkeit einer Beihilfe an den Staat und an ihre Gewährung aus staatlichen Mitteln im vorliegenden Fall erfüllt seien, eine höhere Beweislast auferlegt habe, als sie die Rechtsprechung des Gerichtshofs verlange.

38

Als Erstes weist die Kommission darauf hin, dass sie nach dieser Rechtsprechung, wenn sie feststellen wolle, dass Maßnahmen, die von einer vom Staat getrennten Einrichtung erlassen worden seien, den Behörden zuzurechnen seien, anhand einer Gesamtheit von Indizien, die sich aus dem konkreten Fall ergäben, die Beteiligung oder den Einfluss dieser Behörden am bzw. auf den Erlass der fraglichen Maßnahme beweisen müsse, indem sie Belege für die Wahrscheinlichkeit der Beteiligung der Behörden oder zumindest die Unwahrscheinlichkeit ihrer Nichtbeteiligung vorlege. Dagegen müsse die Kommission nicht nachweisen, dass diese Behörden der Einrichtung, die die Beihilfe tatsächlich gewährt habe, einen konkreten Anreiz oder verbindliche Anweisungen gegeben hätten. Ebenso wenig müsse sie nachweisen, dass sich diese Beteiligung tatsächlich auf das Verhalten der Einrichtung ausgewirkt habe, noch, dass sich diese anders verhalten hätte, wenn sie eigenständig gehandelt hätte. Insoweit müsse die Kommission insbesondere nicht nachweisen, dass die Zurechenbarkeit einer Maßnahme an den Staat voraussetze, dass das öffentliche Interesse von dem dieser Einrichtung abweiche. Schließlich unterscheide der von der Rechtsprechung des Gerichtshofs angelegte Beweismaßstab nicht danach, ob die die Beihilfe gewährende Einrichtung in öffentlichem oder in privatem Eigentum stehe.

39

Nach Ansicht der Kommission hat das Gericht in den Rn. 69 und 89 bis 91 des angefochtenen Urteils gegen diese Rechtsprechung verstoßen, indem es ihr für den Nachweis, dass eine Beihilfemaßnahme den Behörden zuzurechnen sei und aus staatlichen Mitteln erfolgt sei, nur deshalb ein höheres Beweismaß auferlegt habe, als es diese Rechtsprechung vorsehe, weil im vorliegenden Fall die Beihilfemaßnahme von einer privaten Einrichtung durchgeführt worden sei.

40

Daraus folge, dass das Gericht in den Rn. 114, 116, 117 und 127 des angefochtenen Urteils die von der Kommission im streitigen Beschluss gelieferten einschlägigen Indizien falsch gewürdigt habe. Insbesondere habe das Gericht zu Unrecht angenommen, dass die Kommission den Positivbeweis dafür erbringen müsse, dass die streitigen Maßnahmen unter dem beherrschenden Einfluss der Behörden erlassen worden seien, und dass sie nachweisen müsse, dass sich diese Behörden in allen Phasen des Erlasses dieser Maßnahmen durch verbindliche Anweisungen eingebracht hätten und dass sich die Beteiligung der Behörden auf den Inhalt dieser Maßnahmen ausgewirkt habe.

41

Im Übrigen sei es unlogisch, der Kommission eine strengere Beweislast aufzuerlegen, wenn die Einrichtung, die die Maßnahmen erlassen habe, privater Natur sei, da sie in diesem Fall definitionsgemäß nur über eine begrenzte Anzahl von Indizien verfügen könne, um die Beteiligung der Behörden nachzuweisen. Insbesondere müsse diese Beteiligung mangels organisationsrechtlicher Verbindungen auf der Grundlage weniger sichtbarer Indizien ermittelt werden.

42

Als Zweites macht die Kommission hilfsweise geltend, dass der FITD eine Einrichtung sei, der die Italienische Republik konkrete Aufgaben nach der Richtlinie 94/19 übertragen habe. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs zur unmittelbaren Wirkung nicht oder nicht ordnungsgemäß umgesetzter Richtlinien, insbesondere des Urteils vom 10. Oktober 2017, Farrell (C‑413/15, EU:C:2017:745), könne der FITD daher als eine dem italienischen Staat zuzurechnende Einrichtung angesehen werden. Aus diesem Grund sei das angefochtene Urteil, selbst wenn das Gericht keinen Rechtsfehler begangen haben sollte, als es angenommen habe, dass ein höheres Beweismaß für den Fall verlangt werde, dass die Einrichtung, die die Beihilfemaßnahmen durchführe, privater Natur sei, dennoch insofern rechtsfehlerhaft, als das Gericht die Unterscheidung zwischen privaten und öffentlichen Einrichtungen in Bezug auf die Anforderungen an die Zurechenbarkeit einer Beihilfe zum Staat und die Gewährung dieser Beihilfe aus staatlichen Mitteln auf den FITD angewandt habe.

43

Als Drittes weist die Kommission darauf hin, dass nach Art. 11 Abs. 3 der Richtlinie 2014/49/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über Einlagensicherungssysteme (ABl. 2014, L 173, S. 149) die Einlagensicherungssysteme zur Verhinderung des Ausfalls eines Kreditinstituts „alternative Maßnahmen“ erlassen könnten. Die Verwendung eines solchen Instruments setze jedoch voraus, dass für das betroffene Kreditinstitut keine Abwicklungsmaßnahme getroffen worden sei. Nach Art. 32 Abs. 4 Buchst. d der Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 zur Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Richtlinie 82/891/EWG des Rates, der Richtlinien 2001/24/EG, 2002/47/EG, 2004/25/EG, 2005/56/EG, 2007/36/EG, 2011/35/EU, 2012/30/EU und 2013/36/EU sowie der Verordnungen (EU) Nr. 1093/2010 und (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. 2014, L 173, S. 190) dürfe eine Abwicklungsmaßnahme nur getroffen werden, wenn eine „außerordentliche finanzielle Unterstützung aus öffentlichen Mitteln“ benötigt werde, bei der es sich nach Art. 2 Abs. 1 Nr. 28 der Richtlinie um „eine staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 107 Absatz 1 AEUV“ handle.

44

Da es der Kommission aufgrund des vom Gericht angelegten strengeren Beweismaßstabs praktisch unmöglich sei, die Heranziehung staatlicher Mittel und die Zurechenbarkeit der Maßnahmen der Einlagensicherungssysteme an den Staat zu beweisen, wenn sich diese aus privaten Banken zusammensetzten, könnten diese Systeme daher ständig „alternative Maßnahmen“ im Sinne von Art. 11 Abs. 3 der Richtlinie 2014/49 erlassen, ohne das Abwicklungsverfahren nach Art. 32 der Richtlinie 2014/59 einleiten zu müssen. Folglich erlaube das angefochtene Urteil den Mitgliedstaaten und den Banken, die Wirkungen der Rechtsvorschriften über die Bankenunion zu umgehen oder zumindest abzuschwächen.

45

Mit dem zweiten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes macht die Kommission geltend, das Gericht habe einen Rechtsfehler begangen, indem es keine Gesamtwürdigung der Indizien vorgenommen habe, die sie zum Nachweis vorgelegt habe, dass die Voraussetzungen bezüglich der Zurechenbarkeit und der staatlichen Mittel im vorliegenden Fall erfüllt seien.

46

Damit sei das Gericht von der Rechtsprechung des Gerichtshofs abgewichen, nach der der Beweiswert der Indizien in ihrer Gesamtheit zu beurteilen sei, auch wenn sie für sich genommen und außerhalb ihres Kontextes nicht unbedingt entscheidend seien.

47

In Anwendung dieses fehlerhaften Ansatzes habe das Gericht erstens in den Rn. 96 bis 99 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass die Interventionen des FITD auf die Verfolgung der privaten Interessen seiner Mitglieder abzielten, ohne die Gründe anzugeben, die eine solche Behauptung rechtfertigen könnten. Zweitens habe das Gericht in den Rn. 100 bis 106 des angefochtenen Urteils die Natur des dem FITD nach italienischem Recht erteilten öffentlichen Auftrags verkannt, indem es festgestellt habe, dass dieser sich auf die obligatorischen Interventionen, nämlich die Rückzahlung der Einlagen, beschränke. Die freiwilligen Interventionen seien aber eng mit den obligatorischen Interventionen verbunden, da Erstere nur durchgeführt werden könnten, wenn sie weniger belastend seien als eine etwaige obligatorische Intervention. Drittens habe das Gericht in den Rn. 115, 116 und 126 des angefochtenen Urteils die Indizien, die die Kommission für die Beteiligung der Bank von Italien an der Gewährung der streitigen Maßnahmen vorgelegt habe, zu Unrecht einzeln zurückgewiesen, obwohl diese Indizien es in ihrer Gesamtheit ermöglicht hätten, die streitigen Maßnahmen dem italienischen Staat zuzurechnen.

48

Die Italienische Republik, BPB, der FITD und die Bank von Italien halten den ersten Rechtsmittelgrund für unzulässig. Unter dem Deckmantel der Geltendmachung eines Rechtsfehlers des Gerichts wolle die Kommission den Gerichtshof zu einer gegenüber dem angefochtenen Urteil neuen Tatsachen- und Beweiswürdigung bewegen, insbesondere was die Zurechenbarkeit der streitigen Maßnahmen an den Staat und die Natur des dem FITD erteilten Auftrags betreffe.

49

Die Italienische Republik macht ferner geltend, das Vorbringen der Kommission, das Gericht hätte die Beweise unter Berücksichtigung des Kontextes der Verhandlungen zwischen FITD, BPB und dem Sonderverwalter würdigen müssen, sei unzulässig, da mit dem Rechtsmittel nicht die Rn. 125 bis 132 des angefochtenen Urteils beanstandet würden, in denen das Gericht diese Frage geprüft habe.

50

Hilfsweise machen die Italienische Republik, BPB, der FITD und die Bank von Italien geltend, dass der erste Rechtsmittelgrund unbegründet sei.

51

Die Kommission tritt dem Vorbringen zur angeblichen Unzulässigkeit des ersten Rechtsmittelgrundes entgegen und macht geltend, dass sie mit diesem Rechtsmittelgrund die Frage aufwerfe, auf welches rechtliche Kriterium sich das Gericht bei der Prüfung der Beweise gestützt habe, die den Einfluss der italienischen Behörden auf die Entscheidungen des FITD belegen sollten.

Würdigung durch den Gerichtshof

– Zur Zulässigkeit

52

Aus Art. 256 Abs. 1 AEUV und Art. 58 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union ergibt sich, dass das Rechtsmittel auf Rechtsfragen beschränkt ist und dass daher allein das Gericht für die Feststellung und Beurteilung der relevanten Tatsachen sowie für die Beweiswürdigung zuständig ist. Die Würdigung der Tatsachen und Beweismittel ist, außer im Fall ihrer Verfälschung, keine Rechtsfrage, die als solche der Kontrolle des Gerichtshofs im Rahmen eines Rechtsmittels unterläge. Eine solche Verfälschung muss sich jedoch offensichtlich aus den Akten ergeben, ohne dass es einer erneuten Tatsachen- und Beweiswürdigung bedarf (Urteil vom 10. Juli 2019, VG/Kommission, C‑19/18 P, EU:C:2019:578, Rn. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung).

53

Dagegen ist, wenn das Gericht die Tatsachen festgestellt oder gewürdigt hat, der Gerichtshof befugt, seine Kontrolle auszuüben, sofern das Gericht diese Tatsachen rechtlich qualifiziert und aus ihnen rechtliche Folgen abgeleitet hat (Urteil vom 22. November 2012, E.ON Energie/Kommission, C‑89/11 P, EU:C:2012:738, Rn. 65 und die dort angeführte Rechtsprechung). Die Kontrollbefugnis des Gerichtshofs erstreckt sich insbesondere darauf, ob die Vorschriften über die Beweislast und die Beweisaufnahme eingehalten wurden und ob das Gericht bei seiner Tatsachen- und Beweiswürdigung die richtigen rechtlichen Kriterien angewandt hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Januar 2017, Toshiba/Kommission, C‑623/15 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2017:21, Rn. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung).

54

Im vorliegenden Fall ist erstens festzustellen, dass die Kommission mit ihrem Vorbringen im Rahmen des ersten Rechtsmittelgrundes nicht die Tatsachenwürdigung des Gerichts in Bezug auf den Beweiswert der von ihr vor dem Gericht vorgelegten Indizien beanstandet, sondern die Anwendung der Vorschriften über die Beweislast und die Beweisaufnahme durch das Gericht zur Würdigung dieser Indizien und zur Einstufung der streitigen Maßnahmen.

55

Zweitens ist hinsichtlich der in Rn. 49 des vorliegenden Urteils erwähnten Einrede der Unzulässigkeit darauf hinzuweisen, dass aus Art. 256 Abs. 1 Unterabs. 2 AEUV, Art. 58 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union und Art. 168 Abs. 1 Buchst. d der Verfahrensordnung des Gerichtshofs folgt, dass ein Rechtsmittel die beanstandeten Teile des Urteils, dessen Aufhebung beantragt wird, sowie die rechtlichen Argumente, die diesen Antrag speziell stützen, genau bezeichnen muss; andernfalls ist das Rechtsmittel oder der betreffende Rechtsmittelgrund unzulässig (Urteil vom 10. Juli 2014, Telefónica und Telefónica de España/Kommission, C‑295/12 P, EU:C:2014:2062, Rn. 29 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). Im vorliegenden Fall genügt jedoch der Hinweis, dass die Kommission in ihrer Rechtsmittelschrift erklärt hat, dass sie sich insbesondere gegen Rn. 126 des angefochtenen Urteils wende.

56

Unter diesen Umständen ist der erste Rechtsmittelgrund zulässig.

– Zur Begründetheit

57

Zum ersten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes ist eingangs darauf hinzuweisen, dass für die Einstufung als „staatliche Beihilfe“ im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV vier Voraussetzungen erfüllt sein müssen: Es muss sich um eine staatliche Maßnahme oder eine Maßnahme unter Inanspruchnahme staatlicher Mittel handeln, diese Maßnahme muss geeignet sein, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen, dem Begünstigten muss durch sie ein Vorteil gewährt werden, und sie muss den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen (Urteil vom 15. Mai 2019, Achema u. a., C‑706/17, EU:C:2019:407, Rn. 46 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

58

Zum Vorliegen einer staatlichen Maßnahme oder einer Maßnahme unter Inanspruchnahme staatlicher Mittel – nur um diese Voraussetzung geht es in der vorliegenden Rechtssache – ist darauf hinzuweisen, dass Vergünstigungen, damit sie als „Beihilfen“ im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV eingestuft werden können, zum einen unmittelbar oder mittelbar aus staatlichen Mitteln gewährt werden und zum anderen dem Staat zuzurechnen sein müssen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. Mai 2019, Achema u. a., C‑706/17, EU:C:2019:407, Rn. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung).

59

Was insbesondere die Zurechenbarkeit einer Maßnahme an den Staat betrifft, so hat der Gerichtshof entschieden, dass allein daraus, dass diese Maßnahme von einem öffentlichen Unternehmen getroffen wurde, nicht auf die Zurechenbarkeit geschlossen werden kann. Auch wenn der Staat in der Lage ist, ein öffentliches Unternehmen zu kontrollieren und einen beherrschenden Einfluss auf dessen Tätigkeiten auszuüben, kann nämlich nicht ohne Weiteres vermutet werden, dass diese Kontrolle in einem konkreten Fall tatsächlich ausgeübt wird. Es muss außerdem geprüft werden, ob davon auszugehen ist, dass die Behörden in irgendeiner Weise am Erlass der fraglichen Maßnahme beteiligt waren (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 16. Mai 2002, Frankreich/Kommission, C‑482/99, EU:C:2002:294, Rn. 50 bis 52, vom 23. November 2017, SACE und Sace BT/Kommission, C‑472/15 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2017:885, Rn. 34, sowie vom 10. Dezember 2020, Comune di Milano/Kommission, C‑160/19 P, EU:C:2020:1012, Rn. 46).

60

So kann die Zurechenbarkeit einer Beihilfemaßnahme eines öffentlichen Unternehmens an den Staat aus einer Gesamtheit von Indizien abgeleitet werden, die sich aus den Umständen des konkreten Falles und aus dem Kontext ergeben, in dem diese Maßnahme ergangen ist. Insoweit kann nicht verlangt werden, dass anhand einer genauen Anweisung nachgewiesen wird, dass die Behörden das öffentliche Unternehmen konkret veranlasst haben, die in Rede stehende Beihilfemaßnahme zu treffen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 16. Mai 2002, Frankreich/Kommission, C‑482/99, EU:C:2002:294, Rn. 53 und 55, vom 23. November 2017, SACE und Sace BT/Kommission, C‑472/15 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2017:885, Rn. 35, sowie vom 10. Dezember 2020, Comune di Milano/Kommission, C‑160/19 P, EU:C:2020:1012, Rn. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung).

61

Insbesondere ist jedes Indiz von Bedeutung, das im konkreten Fall entweder auf eine Beteiligung der Behörden oder auf die Unwahrscheinlichkeit einer fehlenden Beteiligung am Erlass einer Maßnahme, wobei auch deren Umfang, ihr Inhalt oder ihre Bedingungen zu berücksichtigen sind, oder auf das Fehlen einer Beteiligung der Behörden am Erlass dieser Maßnahme hinweist (Urteil vom 10. Dezember 2020, Comune di Milano/Kommission, C‑160/19 P, EU:C:2020:1012, Rn. 48).

62

Zu den Indizien, die den Schluss auf eine solche Zurechenbarkeit zulassen, gehören außerdem der Umstand, dass die fragliche öffentliche Einrichtung die beanstandete Entscheidung nicht treffen konnte, ohne den Anforderungen der öffentlichen Stellen oder den Richtlinien der Behörden Rechnung zu tragen, die Eingliederung des öffentlichen Unternehmens in die Strukturen der öffentlichen Verwaltung, die Art seiner Tätigkeit und deren Ausübung auf dem Markt unter normalen Bedingungen des Wettbewerbs mit privaten Wirtschaftsteilnehmern, der Rechtsstatus des Unternehmens oder die Intensität der behördlichen Aufsicht (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 16. Mai 2002, Frankreich/Kommission, C‑482/99, EU:C:2002:294, Rn. 55 und 56, sowie vom 23. November 2017, SACE und Sace BT/Kommission, C‑472/15 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2017:885, Rn. 36).

63

Im vorliegenden Fall ist zunächst darauf hinzuweisen, dass das Gericht in Rn. 70 des angefochtenen Urteils festgestellt hat, dass die Kommission im streitigen Beschluss nicht versucht habe, klar zwischen dem Erfordernis der Zurechenbarkeit einer Beihilfe an den Staat und dem der staatlichen Mittel zu unterscheiden. Zudem beschränkt sich die Kommission in ihrem Rechtsmittel hinsichtlich dieses zweiten Erfordernisses auf den Hinweis, dass das Gericht in Rn. 91 des angefochtenen Urteils auf seine eigenen Ausführungen zum Erfordernis der Zurechenbarkeit verwiesen habe. Schließlich bezieht sich die Kommission im Rahmen des ersten Teils des ersten Rechtsmittelgrundes auf keinen der in den Rn. 133 bis 161 des angefochtenen Urteils angeführten Gründe, die sich insbesondere mit der Prüfung des Erfordernisses der Verwendung staatlicher Mittel auseinandersetzen.

64

Unter diesen Umständen ist nur die Voraussetzung zu prüfen, wonach die streitigen Maßnahmen den italienischen Behörden zuzurechnen sein müssen.

65

Als Erstes ist zunächst darauf hinzuweisen, dass das Gericht in den Rn. 63 bis 68 und 83 bis 86 des angefochtenen Urteils auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Zurechenbarkeit einer Beihilfe an die Behörden bei der Gewährung der Vorteile durch vom Staat getrennte Einrichtungen hingewiesen hat. Insbesondere hat das Gericht in Rn. 68 des angefochtenen Urteils unter Verweis auf die Rn. 50 bis 52 und 55 des Urteils vom 16. Mai 2002, Frankreich/Kommission (C‑482/99, EU:C:2002:294), hervorgehoben, dass selbst dann, wenn die Beihilfe von einem öffentlichen Unternehmen gewährt worden sei, die Ausübung der Kontrolle durch die Behörden nicht vermutet werden könne und dass die Kommission über eine Gesamtheit von Indizien verfügen müsse, die sich aus den Umständen des Falles und dem Kontext ergäben, in dem diese Finanzhilfe erfolgt sei, um das Ausmaß der Beteiligung der Behörden an der Gewährung der Finanzhilfe durch ein öffentliches Unternehmen festzustellen.

66

Erst nach einem Hinweis auf diese Rechtsprechung hat das Gericht in Rn. 69 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass die „Verpflichtung der Kommission“, über solche Indizien zu verfügen, „umso zwingender“ sei, wenn die fragliche Maßnahme von einer privaten Einrichtung durchgeführt werde. Wie das Gericht in Rn. 69 des angefochtenen Urteils weiter ausgeführt hat, kann sich die Kommission nämlich nicht auf das Vorliegen von Kapitalbeziehungen zwischen einer solchen Einrichtung und dem Staat stützen, da es in einer derartigen Situation an solchen Beziehungen fehlt.

67

Im Licht dieser Erwägungen hat das Gericht in den Rn. 87 bis 90 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass sich die Kommission im vorliegenden Fall nicht auf die Unwahrscheinlichkeit des Fehlens eines Einflusses und einer tatsächlichen Kontrolle der Behörden auf bzw. über die die Beihilfe durchführende private Einrichtung habe stützen können, sondern in einer solchen Situation umso mehr verpflichtet sei, „genügend Hinweise“ dafür vorzutragen und zu belegen, dass die fragliche Beihilfemaßnahme unter dem Einfluss oder der tatsächlichen Kontrolle der Behörden erlassen worden sei und daher dem Staat zuzurechnen sei.

68

Schließlich hat das Gericht in den Rn. 94 bis 132 des angefochtenen Urteils die von der Kommission vorgebrachten Indizien geprüft und anschließend festgestellt, dass die streitigen Maßnahmen nicht den italienischen Behörden zugerechnet werden könnten.

69

Mit den Feststellungen in den Rn. 68 und 69 sowie 88 bis 90 des angefochtenen Urteils hat das Gericht jedoch weder die in den Rn. 58 bis 62 des vorliegenden Urteils angeführte Rechtsprechung verkannt, wonach die Kommission auf der Grundlage einer Gesamtheit von Indizien nachzuweisen hat, dass die fraglichen Maßnahmen dem Staat zuzurechnen waren, noch der Kommission allein deshalb, weil der FITD eine private Einrichtung ist, ein höheres Beweismaß auferlegt.

70

Wie insbesondere aus den Rn. 87 und 88 des angefochtenen Urteils hervorgeht, hat sich das Gericht mit diesen Feststellungen nämlich zum einen darauf beschränkt, die objektiven Unterschiede zwischen dem Fall, in dem die die Beihilfe durchführende Einrichtung ein öffentliches Unternehmen ist, und dem Fall, in dem diese Einrichtung – wie im vorliegenden Fall der FITD – privater Natur ist, festzuhalten.

71

Zum anderen hat das Gericht in den Rn. 69, 89 und 90 des angefochtenen Urteils die Konsequenzen aus diesen objektiven Unterschieden gezogen, um zu klären, welche Art von Indizien im vorliegenden Fall die Zurechenbarkeit der streitigen Maßnahmen an die italienischen Behörden belegen könnten.

72

Entgegen dem Vorbringen der Kommission unterscheiden sich daher in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem die Einrichtung, die die Beihilfe gewährt hat, privater Natur ist, die Indizien, die geeignet sind, die Zurechenbarkeit der Maßnahme an den Staat zu belegen, von denen, die verlangt werden, wenn die die Beihilfe gewährende Einrichtung ein öffentliches Unternehmen ist.

73

Damit hat das Gericht keine unterschiedlichen Beweismaßstäbe angelegt, sondern vielmehr die in Rn. 60 des vorliegenden Urteils angeführte Rechtsprechung angewandt, nach der sich die Indizien, die geeignet sind, die Zurechenbarkeit einer Beihilfemaßnahme zu belegen, aus den Umständen des konkreten Falles und aus dem Kontext, in dem diese Maßnahme ergangen ist, ergeben. Denn das Fehlen einer Kapitalbeziehung zwischen der betreffenden Einrichtung und dem Staat ist insoweit von gewisser Bedeutung.

74

Im Übrigen beruht das Vorbringen der Kommission, das Gericht habe die Zurechenbarkeit der streitigen Maßnahmen an die italienischen Behörden davon abhängig gemacht, dass alle Phasen der Durchführung der in Rede stehenden Intervention des FITD von diesen Behörden beeinflusst worden seien, auf einem falschen Verständnis von Rn. 114 des angefochtenen Urteils. Das Gericht hat in dieser Randnummer nämlich lediglich darauf hingewiesen, dass die Elemente zu prüfen seien, auf deren Grundlage die Kommission im streitigen Beschluss selbst angenommen habe, dass die italienischen Behörden die Befugnis und die Mittel hätten, alle Phasen der Durchführung der streitigen Maßnahmen zu beeinflussen.

75

Des Weiteren vertritt die Kommission zu Unrecht die Ansicht, das Gericht habe in Rn. 116 des angefochtenen Urteils entschieden, dass die Kommission zur Feststellung der Zurechenbarkeit einer Maßnahme einer privaten Einrichtung an den Staat die Auswirkung der Beteiligung der Behörden auf diese Maßnahme beweisen müsse. Wie der Generalanwalt in Nr. 97 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, hat das Gericht in dieser Rn. 116 nämlich nicht geprüft, ob sich die Intervention der Bank von Italien praktisch auf den Inhalt der streitigen Maßnahmen ausgewirkt hat, sondern lediglich festgestellt, dass die Bank von Italien zum einen nicht die Befugnis gehabt habe, den Inhalt der Interventionen zu beeinflussen, und zum anderen nur befugt sei, für Aufsichtszwecke die Einhaltung des rechtlichen Rahmens zu überwachen.

76

Schließlich hat das Gericht in den Rn. 117 und 127 des angefochtenen Urteils auch nicht entschieden, dass die Feststellung der Zurechenbarkeit der streitigen Maßnahmen an die italienischen Behörden voraussetze, dass die Kommission nachweise, dass die Bank von Italien befugt sei, den Einlagensicherungssystemen aufzugeben, Interventionsmaßnahmen wie die streitigen Maßnahmen zu erlassen. Im Rahmen der Prüfung der Indizien, auf die die Kommission im streitigen Beschluss ihre Schlussfolgerung gestützt hat, dass die streitigen Maßnahmen dem italienischen Staat zugerechnet werden könnten, hat sich das Gericht nämlich auf die Feststellung beschränkt, dass das Ersuchen der Bank von Italien an den FITD und an BPB, eine ausgewogene Vereinbarung zu treffen, nicht darauf gerichtet gewesen sei, diesen Beteiligten Anweisungen zu erteilen, und keine Auswirkungen auf die Entscheidung des FITD gehabt habe, durch die streitigen Maßnahmen zur Unterstützung von Tercas tätig zu werden.

77

Als Zweites ist hinsichtlich des Vorbringens der Kommission zur Natur des FITD entsprechend den Ausführungen des Generalanwalts in den Nrn. 128 und 129 seiner Schlussanträge darauf hinzuweisen, dass der Begriff der dem Staat zuzurechnenden Einrichtung vom Gerichtshof entwickelt wurde, um es dem Einzelnen zu ermöglichen, sich auf unbedingte und hinreichend genaue Bestimmungen einer nicht oder nicht ordnungsgemäß umgesetzten Richtlinie gegenüber Organisationen oder Einrichtungen zu berufen, die dem Staat oder dessen Aufsicht unterstehen oder mit besonderen Rechten ausgestattet sind, die über diejenigen hinausgehen, die nach den Vorschriften für die Beziehungen zwischen Privatpersonen gelten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. Oktober 2017, Farrell, C‑413/15, EU:C:2017:745, Rn. 33). Somit ist dieser Begriff nicht mit dem Ziel entwickelt worden, die von solchen Organisationen oder Einrichtungen erlassenen Maßnahmen als staatliche Beihilfe einstufen zu können, und kann daher nicht auf die Frage der Zurechenbarkeit von Beihilfemaßnahmen an den Staat übertragen werden.

78

Als Drittes genügt hinsichtlich der Gefahr einer Umgehung der Rechtsvorschriften über die Bankenunion der Hinweis, dass das Vorbringen der Kommission auf der Prämisse beruht, dass der angeblich strengere Beweismaßstab für die Zurechenbarkeit an den Staat, den das Gericht angelegt habe, es der Kommission praktisch unmöglich mache, diese Zurechenbarkeit in Bezug auf die von den Einlagensicherungssystemen getroffenen Maßnahmen nachzuweisen. Es geht aber zum einen aus den Rn. 65 bis 73 des vorliegenden Urteils hervor, dass das Gericht im angefochtenen Urteil keinen solchen strengeren Beweismaßstab angelegt hat. Zum anderen ergibt sich – wie der Generalanwalt in Nr. 125 seiner Schlussanträge ausgeführt hat – auch dann, wenn die streitigen Maßnahmen im vorliegenden Fall nicht dem italienischen Staat zuzurechnen sein sollten, daraus nicht, dass Maßnahmen eines Einlagensicherungssystems niemals als staatliche Beihilfen eingestuft werden könnten und damit niemals zur Einleitung eines Abwicklungsverfahrens nach Art. 32 der Richtlinie 2014/59 führen könnten. Eine solche Einstufung wäre nämlich weiterhin möglich, hinge jedoch von den Merkmalen des Einlagensicherungssystems und der jeweiligen Maßnahme ab.

79

Nach alledem ist der erste Teil des ersten Rechtsmittelgrundes zurückzuweisen.

80

Zum zweiten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes ist festzustellen, dass er auf einem falschen Verständnis des angefochtenen Urteils beruht, da das Gericht es entgegen dem Vorbringen der Kommission nicht unterlassen hat, eine Gesamtwürdigung der von ihr als Beleg dafür, dass die Intervention des FITD dem italienischen Staat zuzurechnen sei, vorgebrachten Indizien vorzunehmen.

81

Als Erstes hat das Gericht nämlich in den Rn. 71 bis 82 des angefochtenen Urteils die Gesamtheit dieser Indizien zusammenfassend dargestellt.

82

Als Zweites hat das Gericht im Rahmen der Prüfung des Umfangs des dem FITD übertragenen öffentlichen Auftrags in den Rn. 96 bis 105 des angefochtenen Urteils sämtliche von der Kommission insoweit vorgebrachten Indizien gewürdigt. Erst nach Würdigung dieser Indizien ist das Gericht in Rn. 106 des angefochtenen Urteils zu dem Ergebnis gelangt, dass eine freiwillige Intervention des FITD wie die im vorliegenden Fall in Rede stehende einem anderen Zweck diene als Einlagenrückzahlungen im Rahmen der Richtlinie 94/19 und daher nicht die Durchführung eines öffentlichen Auftrags darstelle.

83

Als Drittes hat das Gericht im Rahmen der Prüfung der Autonomie des FITD beim Erlass der streitigen Maßnahmen darauf hingewiesen, dass der FITD „im Interesse [seiner Mitglieder]“ handle und es „keine organisationsrechtlichen Faktoren“ gebe, die den FITD mit den italienischen Behörden verbänden, und daraufhin in Rn. 114 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass die von der Kommission im streitigen Beschluss herangezogenen Elemente „[i]n diesem Zusammenhang“ zu prüfen seien. Das Gericht hat in dieser Rn. 114 ferner festgestellt, dass zu prüfen sei, ob die von der Kommission vorgebrachten „Beweise“ ausreichten, um die Zurechenbarkeit der streitigen Maßnahmen an den italienischen Staat zu belegen. Das Gericht hat diese Prüfung in den Rn. 115 und 131 des angefochtenen Urteils vorgenommen und sich dabei u. a. – in den Rn. 125 bis 127 des angefochtenen Urteils – dem „Kontext …, in dem die Intervention des FITD zur Unterstützung von Tercas angenommen wurde“, gewidmet.

84

Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass das Gericht – wie sich aus Rn. 132 des angefochtenen Urteils ergibt – auf der Grundlage der Würdigung der Gesamtheit der von der Kommission herangezogenen Indizien in ihrem Kontext und damit im Einklang mit der in Rn. 60 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung entschieden hat, dass die Kommission einen Rechtsfehler begangen hat, als sie im 133. Erwägungsgrund des streitigen Beschlusses davon ausgegangen ist, sie habe nachgewiesen, dass die italienischen Behörden bei der Festlegung der Intervention des FITD zur Unterstützung von Tercas eine erhebliche öffentliche Kontrolle ausgeübt hätten.

85

Nach alledem ist der zweite Teil des ersten Rechtsmittelgrundes und damit der erste Rechtsmittelgrund insgesamt zurückzuweisen.

Zum zweiten Rechtsmittelgrund

Vorbringen der Parteien

86

Mit ihrem zweiten Rechtsmittelgrund macht die Kommission geltend, dass das Gericht den streitigen Sachverhalt und das italienische Recht verfälscht habe.

87

Erstens habe das Gericht in Rn. 116 des angefochtenen Urteils den Inhalt von Art. 96b Abs. 1 TUB offensichtlich verfälscht, indem es festgestellt habe, dass die Bank von Italien die streitigen Maßnahmen nur auf ihre Rechtmäßigkeit, nicht aber auf ihre Zweckmäßigkeit hin überprüft habe. Da nämlich aus der genannten Bestimmung hervorgehe, dass die Bank von Italien Unterstützungsmaßnahmen zugunsten der Banken „unter Berücksichtigung des Schutzes der Einleger und der Stabilität des Bankensystems“ genehmige, gehe die Kontrolle, die diese Behörde ausüben könne, über eine bloße Überprüfung der Rechtmäßigkeit der streitigen Maßnahmen hinaus, so dass sie veranlasst sein könnte, zu überprüfen, ob diese Maßnahmen ihren Zielen der Banken- und Finanzpolitik entsprächen.

88

Zweitens macht die Kommission geltend, das Gericht habe in den Rn. 153 und 154 des angefochtenen Urteils den Inhalt von Art. 21 der FITD-Satzung verfälscht, indem es festgestellt habe, dass sich die freiwilligen Interventionen hinsichtlich der Finanzierungsmethode von den obligatorischen Interventionen unterschieden.

89

Der Umstand, dass Rn. 153 des angefochtenen Urteils mit dem Ausdruck „[d]arüber hinaus“ beginne, lasse nicht den Schluss zu, dass das darin enthaltene Vorbringen nicht tragend sei und daher die dagegen gerichteten Rügen ins Leere gingen. Das Gericht habe nämlich gerade in dieser Randnummer ihr Vorbringen zurückgewiesen, dass die von den Mitgliedern des FITD an diesen gezahlten Beiträge verpflichtend seien und daher staatliche Mittel darstellten.

90

Die Italienische Republik, BPB, der FITD und die Bank von Italien halten den zweiten Rechtsmittelgrund für unzulässig, hilfsweise für unbegründet und jedenfalls für ins Leere gehend.

Würdigung durch den Gerichtshof

91

Mit ihrem zweiten Rechtsmittelgrund macht die Kommission geltend, dass das Gericht in den Rn. 116 sowie 153 und 154 des angefochtenen Urteils das nationale Recht bzw. den streitigen Sachverhalt verfälscht habe.

92

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach der in Rn. 52 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung die Würdigung der Tatsachen, außer im Fall ihrer Verfälschung, keine Rechtsfrage ist, die als solche der Kontrolle des Gerichtshofs unterläge.

93

Zudem ist der Gerichtshof, wenn er im Rahmen eines Rechtsmittels Beurteilungen des nationalen Rechts durch das Gericht prüft, nur befugt, nachzuprüfen, ob dieses Recht verfälscht wurde (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. November 2017, TV2/Danmark/Kommission, C‑649/15 P, EU:C:2017:835, Rn. 49 und die dort angeführte Rechtsprechung).

94

Schließlich muss sich die Verfälschung – wie in Rn. 52 des vorliegenden Urteils erwähnt worden ist – in offensichtlicher Weise aus den Akten ergeben, ohne dass es einer erneuten Tatsachen- und Beweiswürdigung bedarf (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. November 2017, TV2/Danmark/Kommission, C‑649/15 P, EU:C:2017:835, Rn. 50 und die dort angeführte Rechtsprechung).

95

Im vorliegenden Fall ist zur angeblichen Verfälschung des nationalen Rechts festzustellen, dass das Gericht in Rn. 116 des angefochtenen Urteils darauf hingewiesen hat, dass die Bank von Italien nach Art. 96b Abs. 1 Buchst. d TUB Interventionen der Einlagensicherungssysteme „unter Berücksichtigung des Schutzes der Einleger und der Stabilität des Bankensystems“ genehmigt.

96

Aus dem Wortlaut dieser Bestimmung lässt sich ableiten, dass die Bank von Italien wie andere Behörden, die ebenfalls mit dem Schutz der öffentlichen Interessen betraut sind, befugt ist, die Interventionen der Einlagensicherungssysteme im Hinblick auf den geltenden Rechtsrahmen zu kontrollieren, um die öffentlichen Interessen zu wahren.

97

Im Übrigen ist festzustellen, dass das Gericht in Rn. 116 des angefochtenen Urteils auch auf den rechtlichen Rahmen von Art. 96b Abs. 1 Buchst. d TUB hingewiesen hat, in dessen Licht diese Bestimmung seines Erachtens auszulegen ist. So übt die Bank von Italien nach Art. 5 TUB Aufsichtsfunktionen „unter Berücksichtigung der soliden und umsichtigen Verwaltung der ihrer Aufsicht unterstellten Institute, der allgemeinen Stabilität, Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit des Finanzsystems und der Einhaltung der geltenden Bestimmungen“ aus. Aus Rn. 116 des angefochtenen Urteils geht weiter hervor, dass die Bank von Italien nach Art. 19 TUB eine Reihe wichtiger Entscheidungen von Banken, wie z. B. Übernahmen, genehmigt.

98

Unter diesen Umständen geht aus der Wendung „unter Berücksichtigung des Schutzes der Einleger und der Stabilität des Bankensystems“ in Art. 96b Abs. 1 Buchst. d TUB entgegen dem Vorbringen der Kommission nicht offensichtlich hervor, dass die Bank von Italien die Interventionen der Einlagensicherungssysteme, wie etwa die streitigen Maßnahmen, auf ihre Zweckmäßigkeit hin prüft. Folglich hat die Kommission nicht nachgewiesen, dass das Gericht in Rn. 116 des angefochtenen Urteils diese Bestimmung verfälscht hat, indem es festgestellt hat, dass die Bank von Italien nur für Aufsichtszwecke überwacht, ob die Interventionsmaßnahmen den rechtlichen Rahmen einhalten.

99

Zur angeblichen Verfälschung von Art. 21 der FITD-Satzung ist festzustellen, dass das Vorbringen der Kommission auf einem falschen Verständnis des angefochtenen Urteils beruht, da das Gericht entgegen dem Vorbringen der Kommission in den Rn. 153 und 154 des angefochtenen Urteils nicht entschieden hat, dass sich die Finanzierung der freiwilligen Interventionen von derjenigen der obligatorischen Interventionen unterschiede.

100

Zum einen hat sich das Gericht nämlich, wie der Generalanwalt in Nr. 177 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, im Rahmen der Prüfung, ob die vom FITD für die fragliche Intervention verwendeten Beiträge obligatorisch sind, in Rn. 153 des angefochtenen Urteils auf die Feststellung beschränkt, dass diese Beiträge im Unterschied zu den für den Betrieb des Konsortiums erforderlichen Mitteln als Vorschüsse betrachtet wurden, „die von den Mitgliedern an den FITD gezahlt wurden, der sie für ihre Rechnung als Bevollmächtigter verwaltete“.

101

Zum anderen hat das Gericht in Rn. 154 des angefochtenen Urteils entschieden, dass in Bezug auf freiwillige Interventionen die Verpflichtung, zur Intervention beizutragen, und nicht die Methode der Finanzierung der Beiträge auf einer Satzungsbestimmung privatrechtlicher Natur beruht, wobei das Gericht präzisiert hat, dass die Verpflichtung zur Intervention auf einer Rechtsvorschrift beruht, wenn der FITD „vom Staat ausdrücklich beauftragt ist, die Beiträge der Mitglieder im Rahmen der gesetzlichen Einlagensicherung zu verwalten“.

102

Unter diesen Umständen ist der zweite Rechtsmittelgrund als unbegründet zurückzuweisen, ohne dass über seine Zulässigkeit entschieden zu werden braucht.

103

Da keiner der beiden Rechtsmittelgründe der Kommission durchgreift, ist das Rechtsmittel in vollem Umfang zurückzuweisen.

Kosten

104

Nach Art. 184 Abs. 2 der Verfahrensordnung entscheidet der Gerichtshof über die Kosten, wenn das Rechtsmittel unbegründet ist. Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung, der nach deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

105

Da die Italienische Republik, BPB, der FITD und die Bank von Italien die Verurteilung der Kommission beantragt haben und diese mit ihrem Rechtsmittel unterlegen ist, sind der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

 

1.

Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

 

2.

Die Europäische Kommission trägt die Kosten.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Italienisch.