SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

MICHAL BOBEK

vom 16. Juli 2020 ( 1 )

Rechtssache C‑352/19 P

Région de Bruxelles-Capitale

gegen

Europäische Kommission

„Rechtsmittel – Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 – Pflanzenschutzmittel – Durchführungsverordnung (EU) 2017/2324 – Wirkstoff Glyphosat – Art. 263 AEUV – Klagebefugnis privater Kläger – Unmittelbare Betroffenheit – Art. 4 Abs. 2 EUV – Regionen der Mitgliedstaaten – Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Aarhus – Konforme Auslegung – Individuelle Betroffenheit – Rechtsakt mit Verordnungscharakter, der keine Durchführungsmaßnahmen nach sich zieht“

I. Einleitung

1.

Ist eine föderale Einheit eines Mitgliedstaats, die nach der Verfassung dieses Staats zum Schutz der Umwelt befugt ist und die in Ausübung dieser Befugnis die Verwendung von Glyphosat in ihrem Gebiet untersagt, weil sie diesen Wirkstoff für gefährlich hält, von der Durchführungsverordnung (EU) 2017/2324 der Kommission ( 2 ) zur Erneuerung der Genehmigung dieses Wirkstoffs, durch die dieser letztlich für sicher erklärt wird, unmittelbar betroffen?

2.

Das Gericht ist zu dem Schluss gekommen, dass eine solche Region, in der vorliegenden Rechtssache die Région de Bruxelles-Capitale (Region Brüssel-Hauptstadt, Belgien), von einem solchen Unionsrechtsakt nicht unmittelbar betroffen sei. Es hat die von dieser Region erhobene Nichtigkeitsklage daher für unzulässig erklärt ( 3 ). Meines Erachtens hat das Gericht, indem es eine Klagebefugnis der Region Brüssel-Hauptstadt abgelehnt hat, rechtsfehlerhaft entschieden und Art. 263 Abs. 4 AEUV sowie mehrere Bestimmungen des anwendbaren sekundären Rechts fehlerhaft ausgelegt.

II. Rechtlicher Rahmen

A.   Völkerrecht

3.

Art. 2 Nrn. 2 und 4 des Übereinkommens über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten, das mit Beschluss 2005/370/EG des Rates vom 17. Februar 2005 ( 4 ) im Namen der Europäischen Gemeinschaft genehmigt wurde (im Folgenden: Aarhus-Übereinkommen), der die Begriffsbestimmungen enthält, bestimmt:

„Im Sinne dieses Übereinkommens

2.   bedeutet ‚Behörde‘

a)

eine Stelle der öffentlichen Verwaltung auf nationaler, regionaler und anderer Ebene;

b)

natürliche oder juristische Personen, die aufgrund innerstaatlichen Rechts Aufgaben der öffentlichen Verwaltung, einschließlich bestimmter Pflichten, Tätigkeiten oder Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Umwelt wahrnehmen;

c)

sonstige natürliche oder juristische Personen, die unter der Kontrolle einer unter Buchstabe a oder Buchstabe b genannten Stelle oder einer dort genannten Person im Zusammenhang mit der Umwelt öffentliche Zuständigkeiten haben, öffentliche Aufgaben wahrnehmen oder öffentliche Dienstleistungen erbringen;

4.   bedeutet ‚Öffentlichkeit‘ eine oder mehrere natürliche oder juristische Personen und, in Übereinstimmung mit den innerstaatlichen Rechtsvorschriften oder der innerstaatlichen Praxis, deren Vereinigungen, Organisationen oder Gruppen“.

4.

Art. 9 Abs. 3 und 4 des Aarhus-Übereinkommens, der den Zugang zu Gerichten betrifft, bestimmt:

„(3)   [J]ede Vertragspartei [stellt] sicher, dass Mitglieder der Öffentlichkeit, sofern sie etwaige in ihrem innerstaatlichen Recht festgelegte Kriterien erfüllen, Zugang zu verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Verfahren haben, um die von Privatpersonen und Behörden vorgenommenen Handlungen und begangenen Unterlassungen anzufechten, die gegen umweltbezogene Bestimmungen ihres innerstaatlichen Rechts verstoßen.

(4)   [D]ie in den Absätzen 1, 2 und 3 genannten Verfahren [stellen] angemessenen und effektiven Rechtsschutz und, soweit angemessen, auch vorläufigen Rechtsschutz sicher; diese Verfahren sind fair, gerecht, zügig und nicht übermäßig teuer. …“

B.   Unionsrecht

5.

Mit der Richtlinie 2001/99/EG der Kommission vom 20. November 2001 zur Änderung von Anhang I der Richtlinie 91/414/EWG des Rates über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln zur Aufnahme der Wirkstoffe Glyphosat und Thifensulfuron-methyl ( 5 ) wurde der Wirkstoff Glyphosat in Anhang I der Richtlinie 91/414/EWG des Rates vom 15. Juli 1991 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln ( 6 ) aufgenommen und somit nach dieser Richtlinie mit Wirkung ab dem 1. Juli 2002 genehmigt.

6.

Die Richtlinie 91/414 wurde mit Wirkung vom 14. Juni 2011 vorbehaltlich bestimmter Übergangsbestimmungen durch die Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur Aufhebung der Richtlinien 79/117/EWG und 91/414 des Rates ( 7 ) aufgehoben.

7.

Die Erwägungsgründe 10, 23 und 29 der Verordnung Nr. 1107/2009 lauten:

„(10)

Stoffe sollten nur dann in Pflanzenschutzmitteln angewandt werden, wenn nachgewiesen ist, dass sie einen offensichtlichen Nutzen für die Pflanzenerzeugung bieten und voraussichtlich keine schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch oder Tier oder unannehmbare Folgen für die Umwelt haben. Um das gleiche Schutzniveau in allen Mitgliedstaaten zu erzielen, sollte die Entscheidung über die Zulässigkeit oder Nichtzulässigkeit solcher Stoffe auf Gemeinschaftsebene auf der Grundlage harmonisierter Kriterien getroffen werden. Diese Kriterien sollten bei der ersten Genehmigung eines Wirkstoffs gemäß dieser Verordnung angewendet werden. Bei bereits genehmigten Wirkstoffen sollten die Kriterien zum Zeitpunkt der Erneuerung oder der Überprüfung der Genehmigung angewendet werden.

(23)

… Die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln sollte daher von den Mitgliedstaaten erteilt werden.

(29)

Der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung stellt eines der Mittel dar, mit denen der freie Warenverkehr innerhalb der Gemeinschaft gewährleistet werden soll. Zur Vermeidung von Doppelarbeit, Verringerung des Verwaltungsaufwands für Industrie und Mitgliedstaaten und Sicherstellung einer einheitlicheren Verfügbarkeit von Pflanzenschutzmitteln sollte die von einem Mitgliedstaat erteilte Zulassung von anderen Mitgliedstaaten akzeptiert werden, sofern die landwirtschaftlichen, pflanzengesundheitlichen und ökologischen Bedingungen (einschließlich der klimatischen Bedingungen) vergleichbar sind. Daher sollte die Gemeinschaft in Zonen mit diesbezüglich jeweils vergleichbaren Bedingungen unterteilt werden, um diese gegenseitige Anerkennung zu erleichtern. Besondere ökologische oder landwirtschaftliche Bedingungen im Gebiet eines oder mehrerer Mitgliedstaaten können es jedoch erforderlich machen, dass die Mitgliedstaaten auf Antrag die von einem anderen Mitgliedstaat erteilte Zulassung anerkennen oder ändern, oder die Zulassung des Pflanzenschutzmittels in ihrem Gebiet verweigern, wo dies aufgrund besonderer ökologischer oder landwirtschaftlicher Gegebenheiten gerechtfertigt ist …“

8.

Art. 20 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1107/2009 bestimmt im einschlägigen Teil, dass „[b]ei Aufhebung oder Nichterneuerung der Genehmigung aus dringender Sorge um die Gesundheit von Mensch oder Tier oder um die Umwelt … die betreffenden Pflanzenschutzmittel unverzüglich vom Markt genommen [werden]“.

9.

Art. 36 Abs. 3 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1107/2009 bestimmt im einschlägigen Teil:

„Können die Bedenken eines Mitgliedstaats in Bezug auf die Gesundheit von Mensch und Tier oder die Umwelt nicht durch die Festlegung nationaler Maßnahmen zur Risikominderung gemäß Unterabsatz 1 ausgeräumt werden, so kann ein Mitgliedstaat die Zulassung des Pflanzenschutzmittels in seinem Gebiet verweigern, wenn er angesichts spezifischer ökologischer oder landwirtschaftlicher Bedingungen berechtigten Grund zu der Annahme hat, dass das betreffende Produkt noch immer ein unannehmbares Risiko für die Gesundheit von Mensch und Tier oder die Umwelt darstellt.“

10.

Art. 40 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1107/2009 bestimmt:

„Der Inhaber einer nach Artikel 29 gewährten Zulassung kann in den nachstehenden Fällen eine Zulassung für dasselbe Pflanzenschutzmittel, für dieselben Verwendungen und unter vergleichbaren landwirtschaftlichen Bedingungen in einem anderen Mitgliedstaat nach dem in diesem Unterabschnitt festgelegten Verfahren der gegenseitigen Anerkennung beantragen:

a)

Die Zulassung wurde von einem Mitgliedstaat (Referenzmitgliedstaat) erteilt, der zur selben Zone gehört;

…“

11.

Art. 41 Abs. 1 der Verordnung bestimmt:

„Der Mitgliedstaat, dem ein Antrag gemäß Artikel 40 vorgelegt wird, erteilt … gegebenenfalls … im Hinblick auf die Bedingungen in seinem Hoheitsgebiet für das betreffende Pflanzenschutzmittel eine Zulassung unter den gleichen Bedingungen wie der den Antrag prüfende Mitgliedstaat; hiervon ausgenommen sind die Fälle, in denen Artikel 36 Absatz 3 Anwendung findet.“

12.

Art. 43 der Verordnung Nr. 1107/2009 bestimmt:

„(1)   Eine Zulassung wird auf Antrag des Zulassungsinhabers erneuert, sofern die Anforderungen gemäß Artikel 29 noch erfüllt sind.

(5)   Die Mitgliedstaaten entscheiden über die Erneuerung der Zulassung eines Pflanzenschutzmittels spätestens zwölf Monate nach der Erneuerung der Genehmigung für den in ihm enthaltenen Wirkstoff, Safener oder Synergisten.

(6)   Wurde aus Gründen, die sich der Kontrolle des Zulassungsinhabers entziehen, vor Ablauf der Zulassung keine Entscheidung über deren Erneuerung getroffen, so verlängert der fragliche Mitgliedstaat die Zulassung um den Zeitraum, der für den Abschluss der Prüfung und eine Erneuerungsentscheidung notwendig ist.“

13.

Art. 78 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1107/2009 sah den Erlass einer Verordnung zur Übernahme der Liste der in Anhang I der Richtlinie 91/414 aufgenommenen Wirkstoffe vor, die als gemäß der Verordnung Nr. 1107/2009 genehmigt gelten.

14.

Mit der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 540/2011 der Kommission vom 25. Mai 2011 zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 hinsichtlich der Liste zugelassener Wirkstoffe ( 8 ) wurde die in Art. 78 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1107/2009 vorgesehene Liste erlassen. Glyphosat wurde mit einem Ablaufdatum des Genehmigungszeitraums zum 31. Dezember 2015 in diese Liste aufgenommen.

15.

Ein Antrag auf Erneuerung dieser Genehmigung wurde innerhalb der vorgeschriebenen Frist gestellt. In der Folge verlängerte die Kommission die Dauer der Genehmigung für Glyphosat auf der Grundlage von Art. 17 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1107/2009 zweimal, da sich das Verfahren zur Erneuerung verzögert hatte ( 9 ).

16.

Am 12. Dezember 2017 erließ die Kommission die angefochtene Verordnung, mit der die Genehmigung des Wirkstoffs Glyphosat unter bestimmten Bedingungen bis zum 15. Dezember 2022 erneuert wurde.

C.   Belgisches Recht

17.

Nach Art. 1 der Verfassung des Königreichs Belgien ist „Belgien … ein Föderalstaat, der sich aus den Gemeinschaften und den Regionen zusammensetzt“. Nach Art. 3 der Verfassung „umfasst [Belgien] drei Regionen: die Wallonische Region, die Flämische Region und die Brüsseler Region“.

18.

Nach Art. 39 der Verfassung „[überträgt d]as Gesetz … den regionalen Organen, die es schafft und die sich aus gewählten Vertretern zusammensetzen, die Zuständigkeit, innerhalb des von ihm bestimmten Bereichs und gemäß der von ihm bestimmten Weise die von ihm bezeichneten Angelegenheiten zu regeln …“

19.

Nach Art. 6 § 1 Abs. II Unterabs. 1 der Loi spéciale de réformes institutionnelles (Sondergesetz zur Reform der Institutionen vom 8. August 1980) ( 10 ) (im Folgenden: Sondergesetz) gehören zu den von den Regionen zu regelnden Bereichen „der Umweltschutz, insbesondere der Schutz des Bodens, des Untergrunds, des Wassers und der Luft gegen Verschmutzung und Schädigung …“. Nach dieser Bestimmung sind die Regionen für die Regelung der Verwendung von Pflanzenschutzmitteln in ihrem jeweiligen Gebiet zuständig.

20.

Nach Art. 6 § 1 Abs. II Unterabs. 1 des Sondergesetzes ist die Behörde auf der föderalen Ebene für die „Festlegung der Produktnormen“ zuständig. Anträge auf Genehmigungen für das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln nach Art. 28 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1107/2009 werden daher von der Behörde auf der föderalen Ebene geprüft und die entsprechenden Genehmigungen von ihr erteilt. Nach Art. 6 § 4 Unterabs. 1 des Sondergesetzes sind die Regionen jedoch an der Ausübung dieser Zuständigkeit beteiligt.

21.

Nach Art. 7 des Arrêté royal relatif à la conservation, à la mise sur le marché et à l’utilisation des pesticides à usage agricole (belgischer Königlicher Erlass vom 28. Februar 1994 über die Aufbewahrung, das Inverkehrbringen und die Verwendung von Pestiziden für landwirtschaftliche Zwecke (im Folgenden: Königlicher Erlass) ( 11 ) ist es verboten, ein Pestizid für landwirtschaftliche Zwecke, das nicht zuvor vom Minister genehmigt wurde, in den Verkehr zu bringen, zuzubereiten, zu befördern, einzuführen, anzubieten, bereitzuhalten, zum Verkauf anzubieten, zu besitzen, zu erwerben oder zu verwenden. Nach Art. 8 dieser Verordnung „[erteilt d]er Minister oder der hierzu vom Minister benannte Beamte … die Genehmigung nach Stellungnahme des [Genehmigungsausschusses nach Art. 9]“. Nach Art. 9 des Königlichen Erlasses setzt sich der Genehmigungsausschuss aus zwölf vom Minister ernannten Mitgliedern zusammen, darunter „ein vom Ministerpräsidenten der Region Brüssel-Hauptstadt bestimmter Sachverständiger aus der Region Brüssel-Hauptstadt“.

22.

Die Region Brüssel-Hauptstadt erließ am 20. Juni 2013 die Verordnung über die nachhaltige Verwendung von Pestiziden in der Region Brüssel-Hauptstadt (im Folgenden: Verordnung von 2013) ( 12 ). Nach Art. 1 Abs. 1 wird mit dieser Verordnung die Richtlinie 2009/128/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 über einen Aktionsrahmen der Gemeinschaft für die nachhaltige Verwendung von Pestiziden umgesetzt ( 13 ). Nach Art. 1 Abs. 3 „kann [die Region Brüssel-Hauptstadt] Pestizide benennen, deren Verwendung wegen der von ihnen ausgehenden Gefahren für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt verboten ist“.

23.

Die Region Brüssel-Hauptstadt erließ am 10. November 2016 auf der Grundlage der Verordnung von 2013 die Verordnung über das Verbot der Verwendung von glyphosathaltigen Pestiziden in der Region Brüssel-Hauptstadt (im Folgenden: Verordnung von 2016) ( 14 ). Art. 1 der Verordnung von 2016 bestimmt: „Die Verwendung von glyphosathaltigen Pestiziden im Gebiet der Region Brüssel-Hauptstadt ist verboten.“

III. Verfahren vor dem Gericht und angefochtener Beschluss

24.

Die Region Brüssel-Hauptstadt erhob am 8. März 2018 beim Gericht Klage auf Nichtigerklärung der angefochtenen Verordnung. Sie stützte ihre Klage auf zwei Klagegründe.

25.

Erstens machte die Region Brüssel-Hauptstadt einen Verstoß gegen die Pflicht zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die menschliche Gesundheit und für die Umwelt geltend. Die Verordnung 2017/2324 beruhe auf einer wissenschaftlichen Bewertung der Risiken für die Gesundheit und die Umwelt, die nicht den Anforderungen des Vorsorgeprinzips entspreche. Die Kommission habe keine politische Bewertung und kein Risikomanagement vorgenommen, die dem Vorsorgeprinzip entsprächen.

26.

Zweitens rügte die Region Brüssel-Hauptstadt einen Verstoß gegen die Begründungspflicht und gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung. Die angefochtene Verordnung sei in sich widersprüchlich. Die Erwägungsgründe und die Artikel dieser Verordnung legten nahe, dass Glyphosat keine schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch oder Tier und keine unannehmbaren Auswirkungen auf die Umwelt habe, während die Sonderbestimmungen in Anhang I dieser Verordnung das Bestehen solcher Auswirkungen voraussetzten.

27.

Das Gericht erklärte die Klage der Region Brüssel-Hauptstadt mit dem angefochtenen Beschluss am 28. Februar 2019 wegen fehlender Klagebefugnis für unzulässig. Das Gericht stellte insbesondere fest, dass die Region Brüssel-Hauptstadt von der angefochtenen Verordnung nicht im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV unmittelbar betroffen sei.

28.

Mit ihrem am 1. Mai 2019 bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingegangenen Rechtsmittel beantragt die Region Brüssel-Hauptstadt, das Rechtsmittel für zulässig und begründet zu erklären, den angefochtenen Beschluss aufzuheben, über die Zulässigkeit der von ihr erhobenen Nichtigkeitsklage zu entscheiden, die Rechtssache an das Gericht zurückzuverweisen und der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

29.

Die Kommission beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen und der Region Brüssel-Hauptstadt die Kosten aufzuerlegen.

IV. Würdigung

30.

Nach Art. 263 Abs. 4 AEUV kann eine Klage einer natürlichen oder juristischen Person gegen eine nicht an sie gerichtete Handlung in zwei Fällen zulässig sein. Zum einen kann eine solche Klage erhoben werden, wenn die Handlung diese Person unmittelbar und individuell betrifft. Zum anderen kann sie gegen einen Rechtsakt mit Verordnungscharakter, der keine Durchführungsmaßnahmen nach sich zieht, Klage erheben, wenn dieser Rechtsakt sie unmittelbar betrifft.

31.

Im angefochtenen Beschluss hat das Gericht die Klagebefugnis der Rechtsmittelführerin im Hinblick auf keine dieser Fallgestaltungen geprüft. Die Prüfung des Gerichts endete mit der Feststellung, dass die Rechtsmittelführerin von der angefochtenen Verordnung nicht unmittelbar betroffen sei, da diese Voraussetzung für beide oben genannten Fallgestaltungen gelte.

32.

In ihrer Rechtsmittelschrift wendet sich die Rechtsmittelführerin gegen diese Beurteilung und stützt sich auf einen einzigen Rechtsmittelgrund, mit dem ein Rechtsfehler bei der Auslegung und Anwendung von Art. 263 Abs. 4 AEUV gerügt wird. Dieser Rechtsmittelgrund gliedert sich in zwei Rügen. Erstens habe das Gericht Art. 9 des Aarhus-Übereinkommens unrichtig ausgelegt und somit nicht hinreichend berücksichtigt. Zweitens habe das Gericht aufgrund einer fehlerhaften Auslegung der einschlägigen Bestimmungen des sekundären Unionsrechts (insbesondere der Verordnung Nr. 1107/2009) nicht geprüft, inwieweit die Rechtsmittelführerin von der angefochtenen Verordnung betroffen sei.

33.

Die vorliegenden Schlussanträge sind wie folgt gegliedert. Ich beginne meine Würdigung mit der zweiten Rüge der Rechtsmittelführerin zur angeblich fehlerhaften Auslegung der einschlägigen Bestimmungen des sekundären Unionsrechts, die zu einer fehlerhaften Anwendung von Art. 263 Abs. 4 AEUV geführt haben soll (A). Nachdem ich zu dem Ergebnis gelangt bin, dass das Vorbringen der Rechtsmittelführerin insoweit begründet ist, prüfe ich anschließend aus Gründen der Vollständigkeit kurz die erste Rüge (B). Sodann nutze ich die Gelegenheit, einige allgemeine Anmerkungen zur zu engen Auslegung der Anforderungen an die Klagebefugnis anzuschließen, deren automatische und etwas formalistische Anwendung auf die besondere Situation von Regionen oder anderen föderalen Einheiten der Mitgliedstaaten zu sehr fragwürdigen Ergebnissen führt, wie das vorliegende Rechtsmittelverfahren anschaulich verdeutlicht (C). Schließlich befasse ich mich mit den Folgen, die sich aus der Würdigung des Rechtsmittels ergeben (D).

A.   Zweite Rüge: fehlerhafte Auslegung der einschlägigen Bestimmungen des sekundären Unionsrechts

34.

Ich beginne die Prüfung des Rechtsmittels mit der zweiten Rüge der Rechtsmittelführerin. Nicht nur wird dieser Teil des Rechtsmittels von den Parteien in ihren jeweiligen Schriftsätzen eingehender erörtert, sondern er wirft auch gewisse Fragen von verfassungsrechtlicher Bedeutung auf.

35.

Nach Darstellung des Vorbringens der Parteien (1) betrachte ich zunächst die Rechtsprechung zum Begriff der „unmittelbaren Betroffenheit“ (2). Sodann beleuchte ich genauer, wie dieser Begriff auf Regionen und andere Gebietskörperschaften angewendet wird (3). Vor diesem Hintergrund prüfe ich dann die Begründetheit des Vorbringens der Rechtsmittelführerin (4).

1. Vorbringen der Parteien

36.

Mit ihrer zweiten Rüge macht die Rechtsmittelführerin geltend, die Feststellung des Gerichts, dass sie von der angefochtenen Verordnung nicht unmittelbar betroffen sei, beruhe auf einer fehlerhaften Auslegung von Art. 263 Abs. 4 AEUV in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2, Art. 32 Abs. 1, Art. 36 Abs. 3, Art. 41 Abs. 1 sowie Art. 43 Abs. 5 und Abs. 6 der Verordnung Nr. 1107/2009.

37.

Ein erster und allgemeiner Vorwurf der Rechtsmittelführerin betrifft die angebliche Missachtung eines Teils des Vorbringens zur Zulässigkeit im ersten Rechtszug durch das Gericht. Die Rechtsmittelführerin hatte im Wesentlichen vorgetragen, sie sei von der angefochtenen Verordnung in zweierlei Hinsicht unmittelbar betroffen: erstens aufgrund ihrer Zuständigkeit für die Regelung der Verwendung von Pestiziden in ihrem Gebiet und zweitens aufgrund ihrer Beteiligung an den auf der föderalen Ebene in Belgien durchgeführten Verfahren zur Erneuerung von Zulassungen zum Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln. Im angefochtenen Beschluss habe das Gericht jedoch den ersten Aspekt weitgehend außer Acht gelassen und sich ausschließlich auf den zweiten Aspekt konzentriert. Dementsprechend sei auf einige Argumente der Rechtsmittelführerin nicht eingegangen worden.

38.

Zweitens beanstandet die Rechtsmittelführerin die Rn. 50 bis 55 des angefochtenen Beschlusses: Die Erneuerung der Genehmigung für Glyphosat habe als unmittelbare Folge zur Aufrechterhaltung der Gültigkeit bestehender Zulassungen für das Inverkehrbringen von glyphosathaltigen Erzeugnissen geführt. Durch die angefochtene Verordnung hätten solche Genehmigungen wirksam bleiben können, während sie ohne Erneuerung ipso facto abgelaufen wären.

39.

Drittens habe das Gericht in den Rn. 56 bis 59 des angefochtenen Beschlusses fehlerhaft ihr Vorbringen zurückgewiesen, wonach sie von der angefochtenen Verordnung deshalb unmittelbar betroffen sei, weil sie verpflichtet sei, sich an den nationalen Entscheidungsverfahren über die Erneuerung von Zulassungen zu beteiligen. Die Letztentscheidung werde durch den zuständigen Minister der föderalen Ebene nach Stellungnahme des Ausschusses für die Genehmigung von Pestiziden für landwirtschaftliche Zwecke (im Folgenden: Genehmigungsausschuss) getroffen, dessen Mitglied die Rechtsmittelführerin sei.

40.

Viertens beanstandet die Rechtsmittelführerin die Begründung, mit der das Gericht in den Rn. 60 bis 63 des angefochtenen Beschlusses ihr Vorbringen zurückgewiesen habe, dass mit Blick auf das in der Verordnung Nr. 1107/2009 vorgesehene Verfahren der gegenseitigen Anerkennung durch die angefochtene Verordnung dem Genehmigungsausschuss seine Befugnis und somit auch ihr ihre eigene Befugnis genommen werde, das Inverkehrbringen eines glyphosathaltigen Erzeugnisses abzulehnen, wenn dieses Erzeugnis in einem anderen Mitgliedstaat bereits zugelassen worden sei. Die Verordnung lasse keinen Raum für ein Ermessen der nationalen Behörden, da sie die Frage, ob Glyphosat den Anforderungen der Verordnung Nr. 1107/2009 entspreche, abschließend regele. Die angefochtene Verordnung schaffe somit automatisch Rechte der Hersteller und entsprechende Pflichten der Behörden.

41.

Fünftens beanstandet die Rechtsmittelführerin die in den Rn. 66 bis 77 des angefochtenen Beschlusses dargelegte Begründung, mit der das Gericht ihr Vorbringen zu den Auswirkungen der angefochtenen Verordnung auf die Rechtmäßigkeit der Verordnung von 2016 zurückgewiesen habe. Das Gericht habe die Kriterien für die Feststellung der „unmittelbaren Betroffenheit“ mit denjenigen für die Feststellung der „individuellen Betroffenheit“ verwechselt und damit die Rechtsprechung der Unionsgerichte fehlerhaft angewendet. Infolgedessen habe das Gericht nicht erkannt, dass die angefochtene Verordnung die Gültigkeit und praktische Wirksamkeit der Verordnung von 2016 beeinträchtige.

42.

Die Kommission verteidigt den angefochtenen Beschluss. Die Wirkungen, die die angefochtene Verordnung auf die Stellung der Rechtsmittelführerin entfalte, seien nicht unmittelbar, weil für die Zulassung des Inverkehrbringens von glyphosathaltigen Erzeugnissen eine Entscheidung der Behörde auf der föderalen Ebene erforderlich sei.

43.

Die Beteiligung der Rechtsmittelführerin an den Entscheidungsverfahren zur Erneuerung von Zulassungen zum Inverkehrbringen ergebe sich allein aus dem nationalen Recht. Sie sei daher für das vorliegende Verfahren nicht relevant. Jedenfalls werde der Rechtsmittelführerin durch die angefochtene Entscheidung in keiner Weise ihre Befugnis genommen, sich – in beratender Funktion – an den Zulassungsverfahren in Belgien zu beteiligen.

44.

In Rn. 61 des angefochtenen Beschlusses werde zu Recht festgestellt, dass ein Mitgliedstaat selbst im Fall eines Antrags auf gegenseitige Anerkennung einer bereits erteilten Zulassung zum Inverkehrbringen nicht automatisch verpflichtet sei, die Zulassung zu erteilen, und ihm daher nicht jeglicher Ermessensspielraum genommen werde. Die auf Art. 43 der Verordnung Nr. 1107/2009 gestützten Beanstandungen der Rechtsmittelführerin gingen ebenfalls fehl. Nach dieser Bestimmung müssten Inhaber einer Zulassung zum Inverkehrbringen deren Erneuerung beantragen und die Mitgliedstaaten innerhalb einer bestimmten Frist über diese Erneuerungsanträge entscheiden.

45.

Schließlich habe das Gericht die Rechtsprechung der Unionsgerichte zur Klagebefugnis zutreffend ausgelegt und die beiden Voraussetzungen der unmittelbaren und individuellen Betroffenheit nicht verwechselt. Außerdem seien etwaige von den nationalen Gerichten zur Rechtmäßigkeit der Verordnung von 2016 getroffene Entscheidungen nicht auf die angefochtene Verordnung zurückzuführen.

2. Allgemeine Anmerkungen zum Begriff „unmittelbare Betroffenheit“

46.

Um die von den Parteien vorgebrachten Argumente richtig würdigen zu können, ist daran zu erinnern, dass ein Kläger von einem Unionsrechtsakt im Sinne von Art. 263 AEUV „betroffen“ ist, wenn seine Rechtsstellung durch diesen Rechtsakt berührt wird. Dies ist der Fall, wenn eine Änderung an bestehenden Rechten oder Pflichten des Klägers, seien sie privater oder öffentlicher Art, eintritt ( 15 ).

47.

Dies vorausgeschickt, geht es im vorliegenden Rechtsmittelverfahren um den Begriff „unmittelbare Betroffenheit“. Nach ständiger Rechtsprechung „erfordert die in Art. 263 Abs. 4 AEUV genannte Voraussetzung, wonach eine natürliche oder juristische Person von der klagegegenständlichen Entscheidung unmittelbar betroffen sein muss, dass zwei Kriterien kumulativ erfüllt sind, nämlich zum einen, dass sich die beanstandete Maßnahme unmittelbar auf die Rechtsstellung des Einzelnen auswirkt, und zum anderen, dass sie den Adressaten, die mit ihrer Durchführung betraut sind, keinerlei Ermessensspielraum lässt, ihre Umsetzung vielmehr rein automatisch erfolgt und sich allein aus der Unionsregelung ohne Anwendung weiterer Durchführungsvorschriften ergibt“ ( 16 ).

48.

Das bedeutet im Wesentlichen, dass die Rechtswirkungen des angefochtenen Rechtsakts sich aus dem Rechtsakt selbst ergeben müssen, und zwar automatisch, ohne dass hierfür noch ein weiterer Rechtsakt entweder der Union oder der Mitgliedstaaten ergehen müsste ( 17 ). Die Voraussetzung der unmittelbaren Betroffenheit ist demnach erfüllt, wenn zwischen dem angefochtenen Unionsrechtsakt und der Änderung der Rechtslage des Klägers ein unmittelbarer Kausalzusammenhang festgestellt werden kann. Die Voraussetzung der unmittelbaren Betroffenheit ist nicht erfüllt, wenn es ein zusätzliches Eingreifen der Unionsorgane oder der nationalen Behörden gibt, das geeignet ist, diesen Zusammenhang zu unterbrechen ( 18 ).

49.

Bei der Anwendung der oben dargelegten Erwägungen haben die Unionsgerichte gelegentlich, allerdings nicht immer, eine allzu strenge Auslegung der beiden Kriterien für eine unmittelbare Betroffenheit abgelehnt. Die Unionsgerichte haben bisweilen hinter den Schleier des äußeren Anscheins geblickt, die von den beklagten Organen vorgebrachten Spitzfindigkeiten zurückgewiesen und konkret geprüft, wie sich der angefochtene Unionsrechtsakt auf die Rechtsstellung des Klägers auswirkte ( 19 ). Dementsprechend stand im Mittelpunkt ihrer Betrachtung die Frage, ob die betreffende Handlung die materiellen ( 20 ) oder verfahrensbezogenen ( 21 ) Rechte der Kläger einschränkte oder bestimmte Verpflichtungen für sie begründete ( 22 ).

50.

Zunächst bedeutet das Kriterium der fehlenden Durchführungsmaßnahmen nicht, dass jedweder Durchführungsrechtsakt die unmittelbare Betroffenheit direkt und zwangsläufig ausschließt. Insbesondere haben die Unionsgerichte festgestellt, dass die Voraussetzung der unmittelbaren Betroffenheit dann erfüllt ist, wenn es zwar eine Umsetzungsmaßnahme auf Unions- oder auf nationaler Ebene gab, die Union oder die nationalen Behörden aber in Wirklichkeit über keinen echten Ermessensspielraum im Hinblick darauf verfügten, wie der Hauptrechtsakt umzusetzen war ( 23 ).

51.

So hat der Gerichtshof beispielsweise eine unmittelbare Betroffenheit in Fällen anerkannt, in denen der betreffende Unionsrechtsakt abschließend regelte, wie die nationalen Behörden ihre Entscheidungen zu treffen hatten ( 24 ), oder das zu erreichende Ergebnis vorgab ( 25 ), in denen die Rolle der nationalen Behörden äußerst gering und verwaltungstechnischer Art war ( 26 ) oder rein mechanischen Charakter hatte ( 27 ) und in denen die Mitgliedstaaten hauptsächlich Begleitmaßnahmen zu dem betreffenden Unionsrechtsakt erließen ( 28 ), auch wenn diese Maßnahmen in dem betreffenden Unionsrechtsakt ausdrücklich vorgesehen waren ( 29 ).

52.

Zudem haben die Unionsgerichte auch festgestellt, dass die Frage, ob ein Kläger von einer Unionsmaßnahme, die sich nicht an ihn richtet, unmittelbar betroffen ist, auch „nach dem Zweck dieser Maßnahme“ zu beurteilen ist ( 30 ). Das bedeutet, dass es nicht darauf ankommt, ob andere Wirkungen des angefochtenen Unionsrechtsakts nur durch den Erlass von Durchführungsmaßnahmen zum Tragen kommen können, sofern die vom Kläger geltend gemachten Wirkungen sich unmittelbar und automatisch aus diesem Rechtsakt ergeben ( 31 ).

53.

Ein ähnlicher Ansatz wurde im Hinblick auf das Kriterium verfolgt, dass die durchführenden Behörden bei der Umsetzung des betreffenden Unionsrechtsakts keinen Ermessensspielraum haben. Auch dieses Erfordernis ist oft mit einem gesunden Maß an Realismus betrachtet worden. So erkennt der Gerichtshof beispielsweise in ständiger Rechtsprechung an, dass eine unmittelbare Betroffenheit gegeben ist, „wenn für die Adressaten nur eine rein theoretische Möglichkeit besteht, dem [Unions]sakt nicht nachzukommen, weil ihr Wille, diesem Akt nachzukommen, keinem Zweifel unterliegt“ ( 32 ). Nach diesem Grundsatz muss stets im Rahmen einer Einzelfallprüfung unter Berücksichtigung aller konkreten Umstände festgestellt werden, ob die Durchführung des betreffenden Unionsakts gewiss ist ( 33 ).

54.

Das Gericht hat den dieser Rechtsprechung zugrunde liegenden Grundgedanken in einer seiner Entscheidungen recht gut zum Ausdruck gebracht: „Wird … ein Gemeinschaftsrechtsakt von einem Organ an einen Mitgliedstaat gerichtet und hat die von dem Mitgliedstaat aufgrund des Rechtsakts vorzunehmende Handlung automatischen Charakter oder ist jedenfalls das Ergebnis nicht zweifelhaft, so betrifft der Rechtsakt jede Person unmittelbar, die durch diese Handlung beeinträchtigt wird. Räumt der Rechtsakt hingegen dem Mitgliedstaat die Möglichkeit ein, zu handeln oder nicht zu handeln, so ist es das Handeln oder Nichthandeln des Mitgliedstaats, das diese Person unmittelbar betrifft, und nicht der Rechtsakt selbst. Mit anderen Worten, der fragliche Rechtsakt darf, um seine Wirkungen zu entfalten, nicht von der Ausübung eines Ermessens durch einen Dritten abhängen, sofern nicht offensichtlich ist, dass ein solches Ermessen nur in einem bestimmten Sinne ausgeübt werden kann.“ ( 34 )

55.

Ebenso haben die Unionsgerichte anerkannt, dass eine unmittelbare Betroffenheit nicht schon deshalb ausgeschlossen ist, weil der Kläger die zuständigen nationalen Gerichte anrufen kann, soweit der nationale Vollzug rein automatischen Charakter hat und nicht durch innerstaatliche Vorschriften vermittelt wird, sondern allein aufgrund der unionsrechtlichen Regelung erfolgt ( 35 ). Ebenso wird die Voraussetzung der unmittelbaren Betroffenheit nicht dadurch ausgeschlossen, dass die von dem betreffenden Unionsrechtsakt ausgehende Auswirkung auf die Rechtsstellung des Klägers auch Folge bestimmter Entscheidungen des Adressaten des Rechtsakts ist ( 36 ).

56.

Diese Grundsätze gelten selbstverständlich für alle natürlichen und juristischen Personen, die im Sinne von Art. 263 AEUV „nicht privilegierte“ Kläger sind. Hierzu gehören alle Regionen und Gebietskörperschaften, soweit sie nach nationalem Recht Rechtspersönlichkeit besitzen ( 37 ).

57.

Gleichzeitig ist jedoch anzuerkennen, dass es sich bei föderalen Einheiten der Mitgliedstaaten ihrem Wesen nach nicht einfach um irgendeine (private) natürliche oder juristische Person handelt, die ein nicht privilegierter Kläger ist. An dieser Stelle ist daher zu untersuchen, wie diese Grundsätze von den Unionsgerichten auf Regionen oder andere Gebietskörperschaften angewendet werden.

3. Unmittelbare Betroffenheit von Regionen oder anderen Gebietskörperschaften

58.

Im Urteil Vlaams Gewest hat das Gericht festgestellt, dass eine Entscheidung der Kommission über staatliche Beihilfen sich unmittelbar und individuell auf die Rechtsstellung der Flämischen Region auswirkte. Diese Entscheidung hinderte die Region nämlich unmittelbar daran, ihre eigenen Befugnisse – die in der Gewährung der streitigen Beihilfe in der von ihr gewünschten Weise bestanden – auszuüben, und zwang sie, den mit dem Beihilfebegünstigten geschlossenen Vertrag zu ändern ( 38 ). Ähnliche Feststellungen finden sich auch in anderen Entscheidungen der Unionsgerichte, wie etwa dem Urteil Diputación Foral de Guipúzcoa: „[D]ie Kläger [sind] von den angefochtenen Entscheidungen [der Kommission] unmittelbar und individuell betroffen [da sie] Steuermaßnahmen [betreffen], deren Urheber die Kläger sind, und sie hindern sie überdies daran, ihre eigenen Befugnisse, die ihnen nach innerstaatlichem spanischen Recht unmittelbar zustehen, in der von ihnen gewünschten Weise auszuüben.“ ( 39 )

59.

Im Urteil Freistaat Sachsen stellte das Gericht fest, dass der Freistaat Sachsen von einer an die Bundesrepublik Deutschland gerichteten Entscheidung der Kommission unmittelbar betroffen war, weil die Bundesrepublik bei ihrer Weiterleitung an den Freistaat kein Ermessen ausübte ( 40 ). Ebenso betonte das Gericht im Urteil Regione Friuli-Venezia Giulia, dass eine Entscheidung der Kommission es der klagenden Region unmöglich mache, die betreffenden Gesetzesvorschriften weiterhin anzuwenden, dass sie die Wirkungen dieser Vorschriften aufhebe und sie aufgrund der Entscheidung der Kommission ein Verwaltungsverfahren einleiten müsse, um deren Einhaltung sicherzustellen. Die klagende Region war somit vor den Unionsgerichten klagebefugt ( 41 ). Ebenso entschied das Gericht im Urteil Nederlandse Antillen, dass die Klägerin von zwei Verordnungen der Kommission über die Einfuhr von Reis mit Ursprung in den überseeischen Ländern und Hoheitsgebieten unmittelbar betroffen sei, und zwar hauptsächlich deshalb, weil diese Verordnungen eine vollständige und zwingende Regelung enthielten, die für eine Beurteilung durch die Behörden der Mitgliedstaaten keinen Raum ließ ( 42 ).

60.

Die Reihe der soeben skizzierten Rechtssachen legt nahe, dass eine Region oder andere Gebietskörperschaft von einem Unionsrechtsakt betroffen ist, wenn sie mit Befugnissen ausgestattet ist, die im Rahmen der nationalen Verfassungsordnung des betreffenden Mitgliedstaats autonom ausgeübt werden, und der Unionsrechtsakt diese Körperschaft an der Ausübung dieser Befugnisse nach eigenem Ermessen hindert ( 43 ). Die Unionsgerichte haben diese Kriterien (häufig als „Vlaams Gewest“-Kriterien bezeichnet) offenbar zur Bestimmung sowohl der unmittelbaren als auch der individuellen Betroffenheit auf Regionen und andere Gebietskörperschaften angewendet.

61.

Auch wenn die beiden Voraussetzungen theoretisch voneinander getrennt werden sollten, unterscheiden die „Vlaams Gewest“-Kriterien offenbar nicht zwischen Maßnahmen, die eine regionale Gebietskörperschaft unmittelbar betreffen (indem sie ihre Rechtsstellung automatisch ändern), und solchen, die sie individuell betreffen (aufgrund konkreter Umstände, die diese Körperschaft von allen anderen juristischen und natürlichen Personen unterscheiden). Beide Voraussetzungen werden offenbar unter eine Überschrift gefasst: Die regionale Gebietskörperschaft wird an der Ausübung der ihr nach dem nationalen Recht übertragenen konkreten Befugnisse gehindert. Somit werden die regionalen und lokalen Körperschaften, die die Vlaams Gewest-Kriterien erfüllen, auch wenn dies vielleicht nicht offen anerkannt wird, in der Praxis tatsächlich nicht wie jeder andere nicht privilegierte private Kläger behandelt ( 44 ).

62.

Allerdings kann allein der Umstand, dass eine Region irgendeine Zuständigkeit – als für wirtschaftliche, soziale oder umweltbezogene Fragen in ihrem Gebiet zuständige Stelle – für den durch eine Unionsmaßnahme mit allgemeiner Geltung geregelten Bereich hat, für sich genommen noch nicht ausreichen, um diese Region als „betroffen“ im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV anzusehen ( 45 ). Mit anderen Worten dürfen Regionen Unionsrechtsakte, die ihre Interessen in allgemeiner Weise betreffen, nicht anfechten ( 46 ). Hierfür ist etwas darüber Hinausgehendes erforderlich: eine unmittelbare Einschränkung der Ausübung einer der Region auf der Verfassungsebene des Mitgliedstaats zugewiesenen konkreten Befugnis ( 47 ).

63.

Anhand dieser Grundsätze werde ich jetzt das Vorbringen der Parteien des vorliegenden Verfahrens würdigen.

4. Vorliegende Rechtssache

64.

Mehrere der von der Rechtsmittelführerin vorgebrachten Argumente sind meines Erachtens begründet. Es besteht nämlich ein automatischer und unmittelbarer kausaler Zusammenhang zwischen der angefochtenen Verordnung und den Änderungen der Rechtsstellung der Rechtsmittelführerin.

a) Unmittelbare Einschränkung der Ausübung von konkreten Befugnissen, die der Region auf Verfassungsebene zugewiesen sind

65.

Erstens ist die von der Rechtsmittelführerin gegen den angefochtenen Beschluss angeführte allgemeine Rüge, wonach einige ihrer Argumente zur Zulässigkeit der Klage verkannt worden seien, meines Erachtens begründet.

66.

Die Rechtsmittelführerin hat im Verfahren vor dem Gericht nämlich für ihre Ansicht, dass sie von der angefochtenen Verordnung unmittelbar betroffen sei, zweierlei vorgetragen. Zum einen hat sie die Auswirkungen der angefochtenen Verordnung auf ihre Zuständigkeit für die Regelung der Verwendung von Pestiziden in ihrem Gebiet hervorgehoben. Zum anderen hat sie auf die Auswirkungen verwiesen, die die angefochtene Verordnung auf die Befugnisse hat, die sie im Rahmen der Zulassungsverfahren für das Inverkehrbringen von Pestiziden ausübt.

67.

Im Hinblick auf das erste Vorbringen und die ständige Rechtsprechung ( 48 ) hätte das Gericht prüfen müssen, ob die angefochtene Verordnung aufgrund ihrer Rechtswirkungen die Rechtsmittelführerin daran hinderte, bestimmte, ihr auf Verfassungsebene übertragene konkrete Befugnisse nach eigenem Ermessen auszuüben.

68.

Dies hat das Gericht jedoch versäumt. Es hat das erste Vorbringen (zur Befugnis der Rechtsmittelführerin, die Verwendung von Pestiziden in ihrem Gebiet unter dem Aspekt des Schutzes der Umwelt zu regeln) wenn nicht völlig übergangen, dann doch abgetan und ist sodann in seiner Würdigung rasch zu der Prüfung übergegangen, ob die Beteiligung der Rechtsmittelführerin an den Zulassungsverfahren für die Feststellung einer unmittelbaren Betroffenheit als ausreichend angesehen werden kann. Das Gericht hat somit versäumt, die insoweit maßgebenden rechtlichen Kriterien anzuwenden. Zudem hätte es, wenn es diese Kriterien angewandt hätte, meines Erachtens festgestellt, dass diese aus folgenden Gründen erfüllt waren.

69.

Nach Art. 6 § 1 Abs. II Unterabs. 1 des Sondergesetzes in Verbindung mit Art. 39 der belgischen Verfassung hat die Rechtsmittelführerin im Bereich des Umweltschutzes eine allgemeine und autonome Zuständigkeit. Diese Zuständigkeit umfasst die Befugnis zur Regelung der Verwendung von Pflanzenschutzmitteln in ihrem Gebiet. Dass diese Zuständigkeit, die sich aus der Föderalverfassung ergibt, besteht und den Regionen des Königreichs Belgien zugewiesen ist, hat die Cour constitutionnelle (Verfassungsgericht, Belgien) erst kürzlich in zwei Urteilen bestätigt ( 49 ).

70.

Beschränkt die angefochtene Verordnung die Möglichkeiten der Rechtsmittelführerin zur Ausübung dieser Befugnisse?

71.

Ganz sicherlich. In Ausübung dieser Befugnisse wollte die Rechtsmittelführerin in ihrem Gebiet die Verwendung aller Pflanzenschutzmittel mit einem bestimmten Wirkstoff verbieten: Glyphosat. Die Rechtsmittelführerin sieht Glyphosat als Schadstoff an, der die Anforderungen der Verordnung Nr. 1107/2009 nicht erfüllt.

72.

Die angefochtene Verordnung schränkt die Befugnis der Rechtsmittelführerin, eine solche Entscheidung zu treffen, jedoch offensichtlich ein. Diese Verordnung stellt nämlich in erster Linie einen Rechtsakt dar, der die Tatsache bescheinigt, dass der Stoff Glyphosat die Anforderungen von Art. 4 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 1107/2009 erfüllt: Bei diesem Wirkstoff wird nach derzeitigem wissenschaftlichen und technischen Kenntnisstand davon ausgegangen, dass er keine schädlichen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und keine unannehmbaren Auswirkungen auf die Umwelt hat ( 50 ). Es kann keinen Zweifel daran geben, dass die angefochtene Verordnung diese Frage abschließend entscheidet.

73.

Könnte es einen unmittelbareren und offensichtlicheren Konflikt zwischen der Möglichkeit der Rechtsmittelführerin zur Regelung der Verwendung von Pestiziden in ihrem Gebiet und den Rechtswirkungen einer Verordnung wie der im vorliegenden Verfahren angefochtenen geben, als wenn die Unionsebene feststellt: „Glyphosat ist sicher“, während die lokale Ebene der Ansicht ist: „Glyphosat ist nicht sicher“? Ohne die angefochtene Verordnung hätte die Rechtsmittelführerin von ihren konkreten Befugnissen zum Verbot sämtlicher glyphosathaltiger Produkte in ihrem Gebiet rechtmäßig Gebrauch machen können.

74.

Das Gericht hat sich in seiner Begründung auf die Rolle der Rechtsmittelführerin in den Zulassungsverfahren für Pflanzenerzeugnisse konzentriert und dabei den Umweltaspekt der Fragestellung außer Acht gelassen. In einer bestimmten, eher fragwürdigen Auslegung mag zwar die Ansicht vertreten werden, die Verordnung Nr. 1107/2009 sei eine Binnenmarktmaßnahme, die allein Waren und Produktzulassungen, nicht aber die Umwelt betreffe. Dass die Rechtsmittelführerin im Bereich des Umweltschutzes über eine besondere und autonome Zuständigkeit verfügt, wäre dann unerheblich für ihre Klagebefugnis vor den Unionsgerichten.

75.

Das in einem solchen Ansatz zu Tage tretende Maß an instrumentellem Formalismus ist zugestandenermaßen in der Tat auffällig.

76.

Erstens ist, was das Rechtsgebiet angeht, die Verordnung Nr. 1107/2009 eindeutig nicht lediglich eine Produktzulassungsmaßnahme, die ausschließlich die Regelung des Binnenmarkts betrifft. Überall sprechen aus ihr die öffentliche Gesundheit und der Umweltschutz – nicht nur auf der Ebene der Ziele und Erwägungsgründe ( 51 ), sondern auch auf der der Rechtsgrundlagen ( 52 ). Die Auswirkungen, die das System der Zulassung von Wirkstoffen auf den Schutz der öffentlichen Gesundheit und der Umwelt hat, liegen auf der Hand.

77.

Zweitens ist, was den konkreten Mechanismus angeht, die Zulassung von Wirkstoffen nach den Grundgedanken der Verordnung Nr. 1107/2009 eine Vorstufe des Zulassungsverfahrens für Produkte. Sie erzeugt aber eindeutig auch eigene erhebliche Rechtswirkungen, unabhängig von einer nationalen Entscheidung, mit der bestimmte Erzeugnisse genehmigt werden. Dass Entscheidungen über die Erneuerung der konkreten Zulassungen für glyphosathaltige Produkte nicht automatisch ergehen und von den Behörden auf der föderalen Ebene getroffen werden, ändert nichts daran, dass die Beurteilung der Sicherheit dieses Stoffes keine Durchführungsmaßnahme erfordert, um Rechtswirkungen zu entfalten ( 53 ).

78.

Die Trennung zwischen diesen beiden Aspekten schlägt sich auch ausdrücklich im Wortlaut der Verordnung Nr. 1107/2009 nieder. Art. 1 Abs. 1 und 2 der Verordnung stellt klar, dass die Verordnung sowohl„Bestimmungen über die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln in kommerzieller Form sowie über ihr Inverkehrbringen, ihre Verwendung und ihre Kontrolle innerhalb der Gemeinschaft“ enthält als auch„Bestimmungen … über die Genehmigung von Wirkstoffen …, die in Pflanzenschutzmitteln enthalten sind oder aus denen diese bestehen“. Ebenso heißt es, was die Regelungsebene angeht, im zehnten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1107/2009, dass „[d]ie Entscheidung über die Zulässigkeit oder Nichtzulässigkeit [von] Stoffen auf Gemeinschaftsebene auf der Grundlage harmonisierter Kriterien getroffen werden [sollte]“, während es im 23. Erwägungsgrund heißt, dass „[d]ie Zulassung von Pflanzenschutzmitteln … von den Mitgliedstaaten erteilt werden [sollte]“ ( 54 ). Unterschiedliche Verfahren kommen indes wiederum nicht nur in unterschiedlichen Kriterien zum Ausdruck, sondern werden auch auf unterschiedlichen Entscheidungsebenen durchgeführt.

79.

Drittens veranschaulicht die Verfahrensgeschichte um die Verordnung von 2016 mit zwei Rechtsstreitigkeiten über die Rechtmäßigkeit dieser Verordnung, die von im Bereich der Vermarktung entsprechender Produkte tätigen Unternehmen vor dem belgischen Conseil d’État (Staatsrat) geführt werden ( 55 ), wiederholten Rechtsstreitigkeiten vor dem belgischen Verfassungsgericht gegen entsprechende, seitens der Wallonischen Region bzw. der Flämischen Region ergangene Verordnungen ( 56 ) und der förmlichen Beanstandung seitens der Kommission eines entsprechenden Entwurfs einer Verordnung zur Aufhebung der Verordnung von 2016 ( 57 ) insgesamt die unmittelbare, erhebliche und unabhängige Wirkung der angefochtenen Verordnung auf die Regelungsbefugnisse der Rechtsmittelführerin ( 58 ). Sie verdeutlicht ferner recht gut, dass der „Binnenmarkt“-Bezug des mit der Verordnung Nr. 1107/2009 eingeführten Systems sich von seinen landwirtschaftlichen, Umwelt- und die öffentliche Gesundheit sowie Tiergesundheit betreffenden Bezügen und Wirkungen nicht trennen lässt.

80.

Die Gesamtstruktur der Begründung des Gerichts, die die übrigen Bezüge der angefochtenen Verordnung und der Verordnung Nr. 1107/2009 schlicht ausblendet und sich allein das Zulassungsverfahren für Pflanzenschutzmittel herausgreift, um der Rechtsmittelführerin die Klagebefugnis abzusprechen, ist daher meines Erachtens in hohem Maße fragwürdig und trägt instrumentalisierende Züge. Die loyale Zusammenarbeit, zu der die Mitgliedstaaten und alle ihre Bestandteile, einschließlich der föderalen Gebietskörperschaften, bei der Gewährleistung der richtigen Anwendung und Beachtung des Unionsrechts verpflichtet sind, muss wechselseitig gelten. Sie kann nicht nur dann gelten, wenn es um Beschränkungen und Verpflichtungen geht, und sich dann merkwürdigerweise in Luft auflösen, wenn es um die Klagebefugnis und den Zugang zu den Unionsgerichten geht.

81.

Zusammenfassend ist der Rechtsmittelführerin darin zuzustimmen, dass das Gericht sich mit ihrem Vorbringen nicht auseinandergesetzt hat, wonach die angefochtene Verordnung an sich sie an der Ausübung ihrer autonomen Befugnisse nach eigenem Ermessen gehindert hat. Der Rechtsmittelführerin ist auch im Hinblick auf die Begründetheit dieses Vorbringens zuzustimmen.

82.

Diese Rechtsfehler reichen für sich genommen aus, um den angefochtenen Beschluss aufzuheben. Aus Gründen der Vollständigkeit und um den Gerichtshof im vorliegenden Rechtsmittelverfahren vollumfänglich zu unterstützen, werde ich jedoch auch noch auf das weitere Vorbringen der Rechtsmittelführerin im Rahmen der zweiten Rüge eingehen.

b) Zeitlich begrenzte Aufrechterhaltung der Gültigkeit bestehender Zulassungen

83.

In den Rn. 50 bis 55 des angefochtenen Beschlusses hat das Gericht jede automatische Wirkung der angefochtenen Verordnung auf die bestehenden Zulassungen ausgeschlossen. Es hat im Wesentlichen ausgeführt, dass die bestehenden Zulassungen nicht automatisch gemäß der angefochtenen Verordnung erneuert würden. Eine Erneuerung könne nämlich nur auf konkreten Antrag des Zulassungsinhabers durch die nationalen Behörden erfolgen. In Belgien seien dies die Behörden der föderalen Ebene.

84.

Die Rechtsmittelführerin hat jedoch zu keinem Zeitpunkt vorgebracht, dass die bestehenden Zulassungen aufgrund der angefochtenen Verordnung automatisch erneuert oder bestätigt würden ( 59 ). Die Rechtsmittelführerin hat lediglich vorgetragen, dass die Gültigkeit der bestehenden Zulassungen automatisch für den Zeitraum aufrechterhalten bleibe, in dem der Mitgliedstaat die nationalen Verfahren zur Erneuerung dieser Zulassungen abschließen müsse.

85.

Insoweit ist der Rechtsmittelführerin zuzustimmen. Nach Art. 43 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1107/2009 „verlängert der … Mitgliedstaat die Zulassung um den Zeitraum, der für den Abschluss der Prüfung und eine Erneuerungsentscheidung notwendig ist“ ( 60 ). Ohne die angefochtene Verordnung wären die bestehenden Zulassungen sofort abgelaufen. In Art. 20 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1107/2009 heißt es nämlich: „Bei Aufhebung oder Nichterneuerung der Genehmigung aus dringender Sorge um die Gesundheit von Mensch oder Tier oder um die Umwelt werden die betreffenden Pflanzenschutzmittel unverzüglich vom Markt genommen.“ ( 61 )

86.

Die Wirkung der zeitlich begrenzten Aufrechterhaltung der Gültigkeit bestehender Zulassungen ergibt sich daher unmittelbar aus der angefochtenen Verordnung. Jeder Rechtsakt, den die Mitgliedstaaten hierzu zu erlassen haben, hat rein automatischen Charakter, da sie insoweit über keinerlei Spielraum verfügen. Die Begründung des Gerichts ist daher – außer wegen Verkennung des Vorbringens der Rechtsmittelführerin – auch wegen ihrer Unschlüssigkeit fehlerhaft: Dass Zulassungen nicht automatisch erneuert werden, bedeutet keineswegs, dass ihre Gültigkeit nicht automatisch zeitlich begrenzt aufrechterhalten würde.

87.

Demzufolge hat das Gericht durch die fehlerhafte Auslegung von Art. 20 Abs. 2 und Art. 43 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1107/2009 einen Rechtsfehler begangen.

c) Beteiligung der Rechtsmittelführerin an den Verfahren auf der föderalen Ebene zur Erneuerung der Zulassungen

88.

In den Rn. 56 bis 59 des angefochtenen Beschlusses hat das Gericht die zwingende Beteiligung der Rechtsmittelführerin an den nationalen Verfahren zur Erneuerung von Zulassungen als unerheblich angesehen. Der Genehmigungsausschuss, an dem die Rechtsmittelführerin beteiligt sei, gebe lediglich eine unverbindliche Stellungnahme ab, da die endgültige Entscheidung in den Händen der föderalen Ebene liege. Zum anderen richte sich das Vorbringen der Rechtsmittelführerin praktisch betrachtet gegen die Gültigkeit der Verordnung Nr. 1107/2009 und nicht gegen die Gültigkeit der angefochtenen Verordnung.

89.

Auch wenn die Beteiligung an dem Genehmigungsausschuss meines Erachtens für sich genommen kein entscheidendes Argument ist, muss ich mich einigen von der Rechtsmittelführerin gegen den angefochtenen Beschluss vorgetragenen Beanstandungen anschließen.

90.

Zunächst kann ich nicht erkennen, warum es in diesem Zusammenhang entscheidend auf den Umstand ankommen sollte, dass die Stellungnahme des Genehmigungsausschusses unverbindlich ist. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Abgabe dieser Stellungnahme nach den belgischen Verfassungsbestimmungen eine wesentliche Verfahrensvorschrift darstellt. Ohne die Stellungnahme dieses Ausschusses kann die föderale Ebene nämlich weder in die eine noch in die andere Richtung fortfahren. Die Unverbindlichkeit der Stellungnahme bedeutet daher nicht, dass sie irrelevant wäre ( 62 ).

91.

Die Begründung des Gerichts ist an diesem Punkt umso verwirrender, weil sie sich kaum mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu ähnlichen Verfahren auf Unionsebene in Einklang bringen lässt. Nach dieser Rechtsprechung ist, wenn die Beteiligung eines bestimmten Organs oder einer bestimmten Einrichtung gesetzlich vorgeschrieben ist, seine bzw. ihre Beteiligung für den rechtmäßigen Ablauf des Verfahrens von wesentlicher Bedeutung. Dass diesem Organ oder dieser Einrichtung seiner bzw. ihrer Natur nach oder wegen der Besonderheiten des betreffenden Verfahrens eine rein beratende Funktion zukommt, ist unerheblich. Der Gerichtshof hat diesen Ansatz bisher einheitlich und unabhängig davon verfolgt, welche Art von Organ oder Einrichtung am Verfahren zu beteiligen war ( 63 ).

92.

Mit dem Erlass der angefochtenen Verordnung wird auf nationaler Ebene ein Verfahren zur Erneuerung der Zulassungen in den Mitgliedstaaten in Gang gesetzt. In Belgien ist für dieses Verfahren die Beteiligung der Rechtsmittelführerin erforderlich. Daher löst die angefochtene Verordnung für die Rechtsmittelführerin eine Verpflichtung aus, die verfahrensrechtlichen Charakter und verfassungsrechtliche Bedeutung hat.

93.

Diese Verpflichtung geht im Übrigen über die bloße Pflicht der Rechtsmittelführerin zur Teilnahme an den Sitzungen des Genehmigungsausschusses hinaus. Richtig ist sicherlich, dass die angefochtene Verordnung, wie die Kommission vorträgt, der Rechtsmittelführerin nicht ihr Recht auf Beteiligung an diesem Ausschuss nimmt. Dieser Einwand geht jedoch an der Sache vorbei. Entscheidend ist insoweit, dass die angefochtene Verordnung die Ausübung der der Rechtsmittelführerin vorbehaltenen Befugnisse im Genehmigungsausschuss sehr weitgehend einschränkt.

94.

Die Rechtsmittelführerin, eine Region des Königreichs Belgien, ist nach Art. 4 Abs. 3 EUV verpflichtet, alle geeigneten Maßnahmen zur Erfüllung der Verpflichtungen zu ergreifen, die sich aus der angefochtenen Verordnung ergeben, und alle Maßnahmen zu unterlassen, die die Verwirklichung des mit dieser Verordnung verfolgten Ziels gefährden könnten.

95.

Folglich verfügen der Genehmigungsausschuss und seine Mitglieder über keinen echten Handlungsspielraum hinsichtlich der nach Erlass der angefochtenen Verordnung zu treffenden Entscheidungen. Soweit Glyphosat durch die angefochtene Verordnung zu einem „sicheren“ Stoff erklärt wird, handelt es sich um ein weitgehend feststehendes Ergebnis ( 64 ) dieser nationalen Verfahren, auf das die Beteiligung der Rechtsmittelführerin keinen wirklichen Einfluss haben kann. Ein etwaiger Widerspruch oder Einwand in diesem Zusammenhang könnte nämlich einen Verstoß gegen Art. 4 Abs. 3 AEUV darstellen, der u. a. zu einem Vertragsverletzungsverfahren nach den Art. 258 und 259 AEUV gegen Belgien ( 65 ) und/oder zu Staatshaftungsklagen der Zulassungsinhaber nach der Francovich-Rechtsprechung führen könnte ( 66 ).

96.

Die Kommission trägt jedoch weiter vor, dass die Beteiligung der Rechtsmittelführerin im Ausschuss für das vorliegende Verfahren unerheblich sei, da sie sich ausschließlich aus dem nationalen Recht ergebe.

97.

Dieser Einwand ist unhaltbar. Das Unionsrecht regelt nicht die interne Zuständigkeitsverteilung innerhalb der Mitgliedstaaten, namentlich zwischen zentralen, regionalen und lokalen Behörden, und kann diese auch nicht regeln ( 67 ). Wenn Bestimmungen des Unionsrechts den Mitgliedstaaten zum Zweck der Anwendung des Unionsrechts Befugnisse verleihen oder Pflichten auferlegen, bestimmt sich die Antwort auf die Frage, in welcher Weise die Ausübung dieser Befugnisse und die Erfüllung dieser Pflichten bestimmten innerstaatlichen Organen übertragen werden kann, allein nach dem Verfassungssystem der einzelnen Mitgliedstaaten ( 68 ). Nach Art. 4 Abs. 2 EUV ist die Union verpflichtet, die jeweilige nationale Identität der Mitgliedstaaten, die in ihren grundlegenden politischen und verfassungsmäßigen Strukturen einschließlich der regionalen und lokalen Selbstverwaltung zum Ausdruck kommt, zu achten ( 69 ). Im vorliegenden Verfahren leidet die Kommission somit offenbar unter „regionaler Blindheit“ ( 70 ): Ihr Einwand beinhaltet eine Missachtung der verfassungsmäßigen Struktur Belgiens und verstößt somit gegen Art. 4 Abs. 2 EUV.

98.

Schließlich ist zu ergänzen, dass Rn. 58 des angefochtenen Beschlusses, wie die Rechtsmittelführerin hervorhebt, unzutreffend ist. Im vorliegenden Verfahren wendet sich die Rechtsmittelführerin in keiner Weise gegen den in der Verordnung Nr. 1107/2009 vorgesehenen Rahmen. Die Rechtsmittelführerin beruft sich z. B. nicht darauf, dass das in dieser Verordnung vorgesehene Verfahren rechtswidrig oder in der vorliegenden Rechtssache unanwendbar sei. Die Rechtsmittelführerin wendet sich tatsächlich gegen das Ergebnis, zu dem dieses Verfahren in einem konkreten Einzelfall geführt hat, und macht dabei bestimmte Fehler geltend, die sich aus einer fehlerhaften Anwendung der Bestimmungen der Verordnung Nr. 1107/2009 ergäben.

d) Gegenseitige Anerkennung

99.

Auch das Vorbringen der Rechtsmittelführerin zu den Rn. 60 bis 64 des angefochtenen Beschlusses halte ich für überzeugend. Im Wesentlichen hat das Gericht in diesen Passagen den dem in den Art. 40 bis 42 der Verordnung Nr. 1107/2009 vorgesehenen Verfahren der gegenseitigen Anerkennung wesenseigenen Automatismus nicht berücksichtigt. Das Gericht hat diese Bestimmungen meines Erachtens fehlerhaft ausgelegt.

100.

Nach Art. 40 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1107/2009 kann ein Mitgliedstaat es ablehnen, die von einem anderen Mitgliedstaat erteilte Zulassung anzuerkennen; gehört Letzterer aber zur selben Zone ( 71 ), muss der Mitgliedstaat (zwingend) eine Zulassung nach den gleichen Bedingungen vornehmen wie der Referenzmitgliedstaat.

101.

Zwar hat der Mitgliedstaat nach Art. 36 Abs. 3 dieser Verordnung die Möglichkeit, die Anerkennung der Zulassung von Mitgliedstaaten zu versagen, die zur selben Zone gehören. Möglich ist dies jedoch nur, wenn erstens andere Maßnahmen unwirksam sind und zweitens „er angesichts spezifischer ökologischer oder landwirtschaftlicher Bedingungen berechtigten Grund zu der Annahme hat, dass das betreffende Produkt noch immer ein unannehmbares Risiko für die Gesundheit von Mensch und Tier oder die Umwelt darstellt“ ( 72 ).

102.

Somit lässt die Verordnung Nr. 1107/2009 belgischen Behörden, seien es zentrale oder regionale Behörden, keine Möglichkeit, sich der Anwendung des Systems der gegenseitigen Anerkennung in Fällen wie dem vorliegenden entgegenzustellen, in denen sie der Ansicht sind, dass das in Rede stehende Produkt seinem Wesen nach für die Gesundheit von Mensch und Tier oder die Umwelt schädlich ist (und nicht wegen der in ihrem Gebiet herrschenden spezifischen ökologischen oder landwirtschaftlichen Bedingungen). Nach Anhang I der Verordnung Nr. 1107/2009 gehört Belgien zur „Zone B – Mitte“, die offenbar keine besonders kleine Zone ist und außerdem noch Deutschland, Irland, Luxemburg, die Niederlande, Österreich, Polen, Rumänien, die Slowakei, Slowenien, die Tschechische Republik und Ungarn (sowie bis zum 31. Januar 2020 auch das Vereinigte Königreich) umfasst.

103.

Daher müssten die belgischen Behörden, wenn sie sich einer gegenseitigen Anerkennung in dem Fall entgegenstellen wollen, dass eine Zulassung von einem Mitgliedstaat erteilt worden ist, der zur selben Zone gehört, letztlich die Bestimmungen der Verordnung Nr. 1107/2009 umgehen. Sie müssten ein Scheinargument erfinden und behaupten, dass Glyphosat wegen bestimmter besonderer landwirtschaftlicher oder ökologischer Bedingungen in Belgien nicht sicher sei, und zwar in dem Bewusstsein, dass dieses Argument unrichtig und künstlich ist. Kurz gesagt, müssten diese Behörden gegen das Unionsrecht verstoßen, woraufhin die Beteiligten Verfahren vor nationalen Gerichten einleiten würden ( 73 ) und diese Gerichte wiederum ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV zur Gültigkeit der Verordnung Nr. 1107/2009 vorlegen könnten. Dies ist genau die Situation, die die Verfasser der Verträge vermeiden wollten, indem sie sich dazu entschlossen, den (jetzigen) Art. 263 AEUV ausdrücklich im Hinblick auf nicht privilegierte Kläger zu ändern ( 74 ). Wenn ein Rechtsverstoß für private natürliche oder juristische Personen nicht als korrektes Vorgehen gilt, darf wohl angenommen werden, dass dies erst recht für Behörden der Mitgliedstaaten gilt.

104.

Die Bedeutung der Rechtsfolgen, die sich aus den im Unionsrecht vorgesehenen Mechanismen der gegenseitigen Anerkennung ergeben, für das Verhalten der Behörden der Mitgliedstaaten darf nicht übersehen werden, wie es das Gericht im angefochtenen Beschluss getan hat. Soweit die Unionsgerichte mit ähnlichen Mechanismen der gegenseitigen Anerkennung konfrontiert waren, haben sie diese Folgen nämlich bei der Prüfung angemessen berücksichtigt, ob ein Kläger von einem Unionsrechtsakt, der diese Mechanismen auslöst, unmittelbar betroffen war ( 75 ).

e) Zwischenergebnis

105.

Aufgrund der vorstehenden Erwägungen hat das Gericht meines Erachtens Art. 263 Abs. 4 AEUV bei der Prüfung der Voraussetzung der unmittelbaren Betroffenheit fehlerhaft ausgelegt und angewendet.

106.

Zusammenfassend entfaltete die angefochtene Verordnung Rechtswirkungen, die die Rechtsstellung der Rechtsmittelführerin in mindestens vierfacher Hinsicht änderten. Erstens konnte die Rechtsmittelführerin ihre autonomen Befugnisse zur Regelung der Verwendung von Pflanzenschutzmitteln in ihrem Gebiet nicht nach eigenem Ermessen ausüben. Zweitens verpflichtete die angefochtene Verordnung die belgischen Behörden, einschließlich der Rechtsmittelführerin, die Gültigkeit der bestehenden Zulassungen für den gesamten Zeitraum aufrechtzuerhalten, der für den Abschluss der Verfahren zur Erneuerung dieser Zulassungen erforderlich war. Drittens setzte die angefochtene Verordnung ein Verfahren in Gang, an dem die Rechtsmittelführerin sich verpflichtend beteiligen musste und in dem sie weder de iure noch de facto von den ihr nach der belgischen Verfassung zugewiesenen Befugnissen Gebrauch machen konnte. Viertens verpflichtete die angefochtene Verordnung die Rechtsmittelführerin auch, nach dem System der gegenseitigen Anerkennung jede von einem zur selben Zone gehörenden Mitgliedstaat erteilte Zulassung anzuerkennen. Trotz der Zweifel, die die Rechtsmittelführerin hinsichtlich der allgemeinen Schädlichkeit von Glyphosat hat, ist sie nicht berechtigt, die Anerkennung zu verweigern, sofern sie nicht gegen ihre unionsrechtlichen Pflichten handelt.

107.

Vor allem sind alle diese Auswirkungen auf die angefochtene Verordnung zurückzuführen. Es gibt keine „zwischengeschaltete“ Durchführungsmaßnahme, die den Kausalzusammenhang zwischen der angefochtenen Verordnung und der Änderung der Rechtsstellung der Rechtsmittelführerin unterbricht.

B.   Erste Rüge: fehlerhafte Auslegung des Aarhus-Übereinkommens

108.

Da ich zu dem Ergebnis komme, dass das Gericht Art. 263 Abs. 4 AEUV und die Bestimmungen der Verordnung Nr. 1107/2009 fehlerhaft ausgelegt hat, bedarf es keiner Erörterung der mit der ersten Rüge aufgeworfenen Fragestellungen mehr. Für den Fall jedoch, dass der Gerichtshof insoweit mit meiner Ansicht nicht übereinstimmen sollte, werde ich mit einigen kurzen Ausführungen auf das Vorbringen der Rechtsmittelführerin zum Aarhus-Übereinkommen eingehen.

1. Vorbringen der Parteien

109.

Mit ihrer ersten Rüge beanstandet die Rechtsmittelführerin, dass das Gericht in den Rn. 34 bis 37 des angefochtenen Beschlusses bei der Prüfung der Zulässigkeit der Klage Art. 9 des Aarhus-Übereinkommens nicht berücksichtigt habe. Da ihre Klage unter dieses Übereinkommen falle, müssten die Zulässigkeitsvoraussetzungen nach Art. 263 Abs. 4 AEUV im Licht von Art. 9 des Aarhus-Übereinkommens über den Zugang zu Gerichten ausgelegt werden. Die Rechtsmittelführerin führt insoweit zwei Berichte des Compliance Committee (eines Ausschusses der Vereinten Nationen, der mit der Überwachung der Einhaltung dieses Übereinkommens beauftragt ist) von 2011 und 2017 an, wonach die Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Klagebefugnis nicht mit Art. 9 Abs. 3 und 4 des Übereinkommens im Einklang stehe ( 76 ).

110.

Das Gericht habe zu Unrecht angenommen, dass die beiden Begriffe „Öffentlichkeit“ und „Behörde“ nach Art. 2 Nrn. 2 und 4 des Übereinkommens sich gegenseitig ausschlössen und dass die Rechtsmittelführerin unter den letzteren Begriff falle. Eine solche starre Unterscheidung stehe im Widerspruch zum Wortlaut und zum Geist des Übereinkommens. Diese Auslegung werde mittelbar auch durch Art. 2 Nr. 2 Buchst. b und c bestätigt, der den Begriff der Behörde auf bestimmte private Rechtssubjekte erstrecke; das Umgekehrte müsse ebenso gelten.

111.

Schließlich habe sie entgegen den Ausführungen im angefochtenen Beschluss hinreichend dargelegt, inwiefern eine Auslegung von Art. 263 Abs. 4 AEUV im Licht des Aarhus-Übereinkommens in der vorliegenden Rechtssache von Bedeutung dafür sein könne, ob die Rechtsmittelführerin von der angefochtenen Verordnung unmittelbar betroffen sei.

112.

Die Kommission ist der Ansicht, dass die Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Nichtigkeitsklage nicht von ihrer Auslegung im Licht der Bestimmungen des Aarhus-Übereinkommens abhängen könnten. Sie stimmt mit dem Gericht jedenfalls darin überein, dass die Rechtsmittelführerin im ersten Rechtszug nicht hinreichend und konkret dargelegt habe, inwiefern die Bestimmungen des Aarhus-Übereinkommens für die Prüfung der Zulässigkeit in der vorliegenden Rechtssache von Bedeutung sein könnten.

113.

Außerdem gehe die Berufung auf die beiden Berichte des Compliance Committee fehl. Erstens seien diese Berichte von den Parteien des Übereinkommens niemals förmlich angenommen worden. Zweitens sei ihr sachlicher Anwendungsbereich enger als von der Rechtsmittelführerin vorgetragen. Drittens enthielten diese Berichte keine eindeutige Vorgabe, wonach die Nichtregierungsorganisationen und anderen Vereinigungen zuzuerkennenden Befugnisse auf lokale Behörden erstreckt werden müssten.

2. Würdigung

114.

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs hat Art. 9 Abs. 3 des Aarhus-Übereinkommens keine unmittelbare Wirkung ( 77 ). In der vorliegenden Rechtssache sind die Unionsgerichte jedoch nicht dazu aufgerufen, die Gültigkeit eines Unionsrechtsakts nach Maßgabe des Aarhus-Übereinkommens zu prüfen, sondern lediglich, die Bestimmungen des AEU-Vertrags zur Klagebefugnis im Licht dieses Übereinkommens auszulegen. Somit hängt die (Pflicht zur) konforme(n) Auslegung nicht davon ab, dass die betreffende Bestimmung unmittelbare Wirkung hat.

115.

Der Gerichtshof hat entschieden, dass die nationalen Gerichte„die Voraussetzungen, die für die Einleitung eines verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Überprüfungsverfahrens vorliegen müssen, so weit wie möglich im Einklang sowohl mit den Zielen von Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Aarhus als auch mit dem Ziel eines effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes für die durch das Unionsrecht verliehenen Rechte auszulegen [haben], um es [Umweltschutzorganisationen] zu ermöglichen, eine Entscheidung, die am Ende eines Verwaltungsverfahrens ergangen ist, das möglicherweise im Widerspruch zum Umweltrecht der Union steht, vor einem Gericht anzufechten“ ( 78 ). In einigen Fällen ging der Gerichtshof so weit, bestimmte Voraussetzungen, die den Zugang zu den Gerichten nach nationalem Recht begrenzten, als mit im Licht des Aarhus-Übereinkommens ausgelegten Bestimmungen des Unionsrechts unvereinbar anzusehen ( 79 ).

116.

Auch wenn der Gerichtshof noch keine Gelegenheit hatte, ähnliche Feststellungen zu gerichtlichen Verfahren der Union zu treffen, sehe ich keinen Grund, warum diese Grundsätze nicht ebenso gelten sollten. Die Kommission hat zu Recht darauf hingewiesen, dass völkerrechtliche Verträge weder vom Primärrecht der Union abweichen noch diesem vorgehen können. Das Primärrecht kann und sollte jedoch gegebenenfalls soweit möglich im Einklang mit dem Völkerrecht ausgelegt werden ( 80 ).

117.

Ich komme daher nicht umhin, mich der von Generalanwalt Jääskinen vertretenen Ansicht anzuschließen, der insoweit die Notwendigkeit eines kohärenten Ansatzes betont hat ( 81 ). Die Anforderungen, die für die nationalen Gerichte gelten, müssen auch für die Unionsgerichte gelten. Art. 263 AEUV bringt den in Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) verankerten Grundsatz der wirksamen gerichtlichen Kontrolle zum Ausdruck. Auch Art. 9 Abs. 3 des Aarhus-Übereinkommens ist auf seinem speziellen Gebiet Ausdruck dieses Grundsatzes. Der Gerichtshof hat in seiner Rechtsprechung ausdrücklich den Zusammenhang zwischen diesen Bestimmungen hergestellt ( 82 ).

118.

Meines Erachtens ist jedoch nicht ersichtlich, dass dies in der vorliegenden Rechtssache eine große Rolle spielen könnte, und zwar aus einem recht einfachen Grund.

119.

Das Aarhus-Übereinkommen unterscheidet klar zwischen Rechteinhabern („Öffentlichkeit“ oder „betroffene Öffentlichkeit“ im Sinne der Definition in Art. 2 Nrn. 4 und 5 des Übereinkommens) und „Behörden“ (im Sinne der Definition in Art. 2 Nr. 2 des Übereinkommens), die bestimmte entsprechende Verpflichtungen haben.

120.

In der Tat können bestimmte Teile der „Öffentlichkeit“ unter Umständen die Seite wechseln und in besonderen Fällen als „Behörden“ im Sinne von Art. 2 Nr. 2 Buchst. b oder c des Übereinkommens angesehen werden. Vorstellbar wäre z. B. der Fall einer (natürlichen) Person, der eine Umweltschutzeinrichtung bestimmte Aufgaben übertragen hat. Diese Person könnte gleichzeitig zum einen eine „Behörde“ sein, wenn sie die ihr hoheitlich übertragenen Aufgaben geschäftsmäßig wahrnimmt, und zum anderen die „betroffene Öffentlichkeit“ sein, wenn sie im Bereich des Umweltschutzes unabhängig von ihren amtlichen Funktionen als Privatperson handelt.

121.

Entgegen dem Vorbringen der Rechtsmittelführerin bedeutet dies jedoch nicht, dass die umgekehrte Fallgestaltung ebenso möglich wäre. Ich sehe im Aarhus-Übereinkommen keine Grundlage dafür, die Ansicht zu vertreten, dass eine Behörde – und erst recht eine Regierung auf regionaler Ebene, die eindeutig unter Art. 2 Nr. 2 Buchst. a dieses Übereinkommens fällt – in bestimmten besonderen Fällen auch zur „betroffenen Öffentlichkeit“ werden könnte.

122.

Dies gilt insbesondere dann, wenn die Behörde als Person des öffentlichen Rechts handelt, wie dies im vorliegenden Verfahren eindeutig der Fall ist, indem sie Verbote ausspricht und anderen Personen Verpflichtungen zum selben Gegenstand auferlegt. Ich gehe hier nicht auf die zweifelsohne spannende Diskussion ein, ob eine juristische Person des öffentlichen Rechts per definitionem jemals „die (betroffene) Öffentlichkeit“ sein könnte, soweit es um Zusammenhänge geht, in denen sie nicht mit den der öffentlichen Gewalt vorbehaltenen Befugnissen handeln kann ( 83 ). In jedem Fall ist es meines Erachtens kategorisch ausgeschlossen, dass eine Behörde in einem in ihre Zuständigkeit fallenden Bereich, in dem sie hoheitlich handelt, gleichzeitig „die betroffene Öffentlichkeit“ sein könnte.

123.

Letzteres ist genau der Fall für die Region Brüssel-Hauptstadt und den Schutz der Umwelt, die Regelung der Verwendung von Pestiziden und das Verbot von Glyphosaten in ihrem Gebiet. In diesen Bereichen ist, wie im vorstehenden Abschnitt festgestellt, die Region die zuständige Behörde. Sie kann daher nicht zugleich die (betroffene) Öffentlichkeit sein.

124.

Somit besteht zwar kein Zweifel daran, dass die Verfasser des Aarhus-Übereinkommens in der Tat die größtmögliche Beteiligung an umweltbezogenen Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten beabsichtigten; dieses Ziel sollte jedoch meines Erachtens nicht auch die Möglichkeit umfassen, dass Behörden einander gegenseitig oder gar sich selbst verklagen.

125.

Im Ergebnis ist meines Erachtens die erste Rüge der Rechtsmittelführerin im Gegensatz zur zweiten Rüge zurückzuweisen.

C.   Ein Exkurs, ein Schritt zurück und das (unbefriedigende) Gesamtbild

126.

Die zweite Rüge der Rechtsmittelführerin kann meines Erachtens eindeutig keinen Erfolg haben. Dieses Vorbringen weist indes auf ein grundsätzlicheres Problem hin. In der Tat erscheint es merkwürdig, dass eine Behörde, die mit der Umsetzung und Anwendung des Unionsrechts auf ihrer Verwaltungsebene beauftragt ist (d. h., sie ist Träger der Hoheitsgewalt), sich unvermittelt auf ein Rechtsinstrument beruft, das für Einzelpersonen und Nichtregierungsorganisationen (d. h. diejenigen, die sich gewissermaßen vor dieser Hoheitsgewalt schützen wollen) geschaffen wurde.

127.

Auf den zweiten, reflektierteren Blick erscheint dieser Gedanke nicht mehr seltsam, sondern vielmehr beunruhigend. Was bleibt dann nämlich einer solchen Region, die sich mit einer mechanischen und formalistischen Anwendung von Regelungen zur Klagebefugnis konfrontiert sieht, die lange zuvor für (vorwiegend private) natürliche und juristische Personen geschaffen wurden, und die im Wesentlichen zwischen zwei Stühlen sitzt: Sie ist kein Mitgliedstaat im engeren Sinne, worunter in Bezug auf den Zugang zu den Unionsgerichten stets nur die Zentralregierung verstanden wurde, und sie ist auch nicht die (betroffene) Öffentlichkeit.

128.

Ich möchte dies zum Anlass für einen Exkurs nehmen, in dem ich kurz die allgemeineren Fragestellungen erörtern möchte, die sich aus dem vorliegenden Rechtsmittelverfahren ergeben. Die in den vorangegangenen Absätzen erörterten „technischen“ Argumente sollten nicht den Blick auf einige allgemeinere Fragestellungen verstellen, die einer Erörterung Wert sind: Welche Regelungen sollten dann richtigerweise für den Zugang von Regionen und anderen föderalen Einheiten der Mitgliedstaaten zu den Unionsgerichten gelten (1), und wie könnte sich dieser, wohl breiter angelegte, Zugang in die gegenwärtige Struktur der Unionsgerichte einfügen (2)?

1. Regionen und andere föderale Einheiten als Streitparteien vor den Unionsgerichten

129.

In Art. 4 Abs. 2 EUV wird feierlich erklärt, dass „[d]ie Union… die Gleichheit der Mitgliedstaaten vor den Verträgen und ihre jeweilige nationale Identität [achtet], die in ihren grundlegenden politischen und verfassungsmäßigen Strukturen einschließlich der regionalen und lokalen Selbstverwaltung zum Ausdruck kommt“.

130.

Es ist daher nicht überraschend, dass gemäß einer Reihe weiterer besonderer Bestimmungen des Primärrechts die besonderen Merkmale der verschiedenen europäischen Regionen nicht nur ganz im Mittelpunkt der Unionspolitik des wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalts stehen ( 84 ), sondern von den Unionsorganen auch in einem breiten Spektrum von Unionspolitiken, einschließlich der Umweltpolitik, berücksichtigt werden müssen ( 85 ). Den europäischen Regionen kommt innerhalb des europäischen Projekts eine wichtige Rolle zu. Ihre Beteiligung am Gesetzgebungsverfahren der Union durch den Ausschuss der Regionen ist dafür nur ein Beispiel. Darüber hinaus können Regionen oder andere föderale Einheiten der Mitgliedstaaten für die Umsetzung des Unionsrechts in Bereichen verantwortlich sein, die in ihre Zuständigkeit fallen.

131.

Das soll nicht heißen, dass Regionen oder andere nationale unterstaatliche Körperschaften automatisch einem Mitgliedstaat gleichzustellen seien. Sie sind nach den Verträgen nicht die Mitgliedstaaten. Zu klären bleibt jedoch die Frage solcher mitgliedstaatlicher Körperschaften, die nach der nationalen Verfassung, praktisch betrachtet und im Hinblick auf die Ausübung bestimmter Befugnisse, letztlich der Mitgliedstaat sind. Was gilt für besondere, konkrete Zuständigkeiten, die diesen Einheiten übertragen sind, die sie autonom ausüben und mittels deren sie die öffentliche Gewalt der Union ausüben? Können die Verträge einer solchen nationalen Verfassungsentscheidung Rechnung tragen, was den Zugang zu den Unionsgerichten angeht?

132.

Selbstverständlich; dies ist zum Teil bereits vorgesehen. Die Antwort ist meines Erachtens bemerkenswert einfach und liegt in einer Anwendung der Vlaams Gewest-Kriterien ( 86 ) im offenen Geist der loyalen Zusammenarbeit. Immer dann, wenn offenkundig einer föderalen Einheit des Mitgliedstaats nach der nationalen Verfassung besondere autonome Befugnisse in einem bestimmten Bereich zugewiesen sind, die sie als unmittelbare Folge einer Unionsmaßnahme nicht nach eigenem Ermessen ausüben kann, sollte diese Einheit zur Anfechtung der betreffenden Handlung befugt sein.

133.

Auf zwei Voraussetzungen ist deutlich hinzuweisen: die Offenkundigkeit und der offene Geist der loyalen Zusammenarbeit.

134.

Die Offenkundigkeit bezieht sich lediglich auf die Feststellung, dass eine Zuständigkeit für den Bereich gegeben ist, deren Ausübung unmittelbar behindert ist: Kann die föderale Einheit in dem gegebenen Bereich wirksam Rechtsvorschriften erlassen? Es ist weder notwendig noch wäre es angemessen, dass Unionsgerichte in eine eingehende Erörterung der Zuständigkeitsverteilung innerhalb eines Mitgliedstaats und in eine detaillierte Analyse von Fragen eintreten, deren Klärung in Wahrheit Sache eines nationalen (Verfassungs‑)Gerichts ist. Außerdem ist es bei vergleichender und struktureller Betrachtung tendenziell immer merkwürdig, wenn in einem System der gerichtlichen Kontrolle deutlich mehr Energie auf Fragen der Zulässigkeit als auf solche der Begründetheit verwendet wird.

135.

In einem offenen Geist bezieht sich darauf, diese Arten von Klagen als das zu betrachten, was sie wirklich sind: eine Sui-generis-Form unionsinterner Organstreitigkeiten, in denen eine Einheit der öffentlichen Gewalt des Mitgliedstaats, die mit der Umsetzung und Durchführung des Unionsrechts beauftragt ist – d. h. der tatsächliche Regulierer, nicht (einfach irgend‑)ein Adressat der unionsrechtlichen Vorschriften – ihre Ablehnung zum Ausdruck bringen möchte. Somit ist die mechanische und formal(istisch)e Anwendung der restriktiven Rechtsprechung zur Klagebefugnis nicht privilegierter Kläger auf diese Einheiten methodisch falsch.

136.

Im Ergebnis ist, mit Schlüsselbegriffen eines recht bekannten Werks der Sozialtheorie, festzuhalten, dass wenn Loyalität (oder letztlich vielmehr stellvertretendes Handeln) verlangt wird, entweder auch eine Stimme gegeben werden muss oder damit gerechnet werden muss, dass ein Ausstieg erwogen werden wird ( 87 ).

2. Unmittelbare und individuelle Betroffenheit und die Kunst der Verkehrssteuerung

137.

Schließlich ist das Gesamtbild des Zugangs zu den Unionsgerichten zu berücksichtigen. Ich schlage keineswegs vor, die Kategorien der unmittelbaren und individuellen Betroffenheit radikal neu auszulegen und die Tore unvermittelt zu öffnen. Mehrere Rechtsordnungen, insbesondere diejenigen der Mitgliedstaaten, knüpfen nämlich die Befugnis einzelner Personen, Rechtsvorschriften mit allgemeiner Geltung anzufechten, an bestimmte Kriterien für den Nachweis der Betroffenheit dieser Personen.

138.

Was jedoch Anlass zu Bedenken gibt, ist die übermäßig restriktive Tendenz bei der Auslegung und Anwendung dieser Regeln, insbesondere zehn Jahre nach dem Vertrag von Lissabon, mit dem zumindest einigen dieser Bedenken begegnet werden sollte. Liest man die Rechtsprechung der Unionsgerichte, insbesondere die zahlreichen Beschlüsse des Gerichts, mit kritischem Blick, kann man nur überrascht sein, wieviel Eifer und Kreativität bei der Feststellung des Fehlens einer unmittelbaren Betroffenheit oder gar eines Rechtsschutzinteresses an den Tag gelegt werden. Das vorliegende Rechtsmittelverfahren ist nur ein weiteres Beispiel für diesen Gesamtansatz und ‑geist. Wenn nicht einmal Regionen der Mitgliedstaaten von Unionsmaßnahmen betroffen sind, die sie umzusetzen und deren Einhaltung sie zu wahren haben, stellt sich die Frage, wer es dann jemals sein wird.

139.

Herkömmlicherweise war die Antwort hierauf sicherlich, dass die Unionsrechtsordnung ein vollständiges System von Rechtsbehelfen zur Verfügung stellt. Dass eine Klagebefugnis nach Art. 263 Abs. 4 AEUV nicht gegeben ist, lässt also die Möglichkeit unberührt, dass die Sache letztlich im Wege eines von einem nationalen Gericht vorgelegten Vorabentscheidungsersuchens über die Gültigkeit beim Gerichtshof anhängig gemacht wird ( 88 ).

140.

Ich sehe von einer Wiederholung der Argumente dazu ab, warum dies methodisch nicht vollständig schlüssig ist ( 89 ). Auch werde ich keine Einzelfälle herausgreifen, in denen dieses Dogma sich regelmäßig als falsch herausstellt. Ebenso wenig möchte ich die Diskussion über doppelte Standards und darüber wiedereröffnen, inwieweit diese Auslegung von Art. 263 Abs. 4 AEUV dem Recht auf Zugang zu einem Gericht nach Art. 47 der Charta und dem Grundsatz des wirksamen gerichtlichen Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 1 EUV gerecht wird.

141.

Ich werde vielmehr lediglich mit zwei strukturellen Aspekten schließen, die für eine offenere Auslegung der Kriterien der unmittelbaren und individuellen Betroffenheit sprechen, zumindest für bestimmte Kategorien von atypischen nicht privilegierten Klägern, wie den Regionen in Rechtssachen wie der vorliegenden.

142.

Erstens ist die neue Architektur der Unionsgerichte zu nennen. Im Wege der Rechtsprechung den direkten Zugang einzuschränken und zugleich den indirekten Zugang im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens großzügig zuzulassen, war Anfang der 2000er Jahre vielleicht ein gutes Rezept. Mit der radikal veränderten Struktur der Unionsgerichte gut 20 Jahre später ( 90 ) wird jedoch ein Beharren auf einen weiterhin eingeschränkten Zugang durch das Tor, das über Kapazitäten verfügt, bei gleichzeitigem ungehinderten Zugang für dieselben Fragestellungen durch das andere Tor, dessen Kapazitäten mittlerweile begrenzt sind, zwangsläufig zu Staus und offenkundigem Qualitätsverlust des Verkehrs führen.

143.

Zweitens sollte dies insbesondere bei komplexen, regulatorischen und technischen Zusammenhängen gelten, in denen eine umfassendere Beweiserhebung, Sachverständigengutachten oder (wissenschaftliche) Daten erforderlich sind. Die Frage der Sicherheit bestimmter Pestizide ist ein hervorragendes Beispiel für diese Kategorie. Sollte eine solche Fragestellung nicht besser zunächst eingehend vor einem erstinstanzlichen Gericht, dem Gericht der Union, mit vollständiger Beweis- und Datenerhebung sowie unter Anhörung der Streithelfer in der Sache verhandelt werden, bevor sie möglicherweise danach im Rechtsmittelverfahren vor dem Gerichtshof anhängig wird? Verdient dieser Weg nicht den Vorzug davor, sich mit ähnlichen Fragestellungen, die letztlich die Gültigkeit regulatorischer Maßnahmen der Union betreffen, in einem Vorabentscheidungsverfahren beschäftigen zu müssen?

144.

Insbesondere bei solchen komplexen Rechtssachen stößt der dogmatische Standardansatz des voll funktionsfähigen alternativen Wegs in Form eines Vorabentscheidungsersuchens auf ernsthafte Schwierigkeiten. Es sei daran erinnert, dass der Gerichtshof in Vorabentscheidungsersuchen keine Beweise erhebt, kaum jemals Sachverständige anhört und die Feststellung (oder in solchen komplexen technischen Rechtssachen häufig leider mangelnde Feststellung) des Sachverhalts ausschließlich Sache des vorlegenden Gerichts ist. Angesichts der begrenzten Zahl potenzieller Streithelfer muss der Gerichtshof häufig hoch wissenschaftliche und tatsachenintensive Sachverhalte anhand spärlicher von den Streithelfern oder durch das vorlegende Gericht vorgelegten Angaben beurteilen.

145.

Wäre es daher nicht sinnvoller, zuzulassen, dass Verfahren über derartige Rechtssachen vor dem Gericht mit allen erforderlichen Beweisen und ordnungsgemäß erhobenen wissenschaftlichen Daten eingeleitet und verhandelt werden, anstatt die Glyphosat-Frage mittelbar im Wege eines Vorabentscheidungsverfahrens zu eröffnen? ( 91 ) Über die Frage der Fachkenntnisse und der notwendigen Vertiefung der Erörterung hinaus stellen sich auch allgemeinere Fragen des Zugangs und der Legitimation: Wie kann eine Region mit Zuständigkeiten im Umweltbereich nicht befugt sein, die Zulassung von Glyphosaten durch die Union anzufechten, während Personen, die Schaufenster und Auslagen zerstören, sowohl ein Rechtsschutzinteresse haben als auch klagebefugt sind? ( 92 )

146.

Zwar handelt es sich um zwei unterschiedliche Verfahrensarten. Gerade dieses Gesamtbild, einschließlich der Wechselwirkung zwischen den Arten von Verfahren vor dem Gerichtshof und dem Zugang dazu ist jedoch störend. Stünde sich die Region Brüssel-Hauptstadt besser, wenn sie, anstatt ordnungsgemäß beim Gericht Klage zu erheben, (natürlich völlig hypothetisch) einige ihrer Beschäftigten anwiese, rauszugehen und in Brüssel ein paar Läden zu verwüsten? ( 93 )

147.

Im Ergebnis – und um die beiden in diesem Abschnitt angesprochenen allgemeinen Aspekte miteinander zu verbinden – besteht, anstatt die Verwirklichung der in Art. 256 Abs. 3 AEUV vorgesehenen Möglichkeit abzuwarten, deren Komplexität sie für die unmittelbare Zukunft wenig wahrscheinlich erscheinen lässt ( 94 ), die kurz- und mittelfristig tragfähige Alternative darin, im Wege einer sinnvolleren Auslegung der Kriterien des Art. 263 Abs. 4 AEUV zumindest für bestimmte nicht privilegierte Kläger wie diejenigen des vorliegenden Verfahrens diese Arten von Rechtssachen vor das Gericht umzulenken.

D.   Folgen der Würdigung: Entscheidung über die vorliegende Rechtssache

148.

Ich komme zu dem Ergebnis, dass das Gericht die Klage im ersten Rechtszug zu Unrecht mit der Begründung für unzulässig erklärt hat, dass die Rechtsmittelführerin nicht unmittelbar betroffen sei. Sollte der Gerichtshof zum gleichen Ergebnis gelangen, müsste er prüfen, ob die übrigen Voraussetzungen für die Klagebefugnis der Rechtsmittelführerin nach Art. 263 Abs. 4 AEUV erfüllt sind. Wenn nämlich die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen nach dieser Bestimmung nicht erfüllt wären, müsste der angefochtene Beschluss bestätigt und das Rechtsmittel trotz der vom Gericht begangenen Rechtsfehler zurückgewiesen werden ( 95 ).

1. Zulässigkeit der Klage im ersten Rechtszug

149.

Die Rechtsmittelführerin macht geltend, sie sei von der angefochtenen Verordnung sowohl unmittelbar als auch individuell betroffen. Außerdem stelle eine solche Verordnung einen Rechtsakt mit Verordnungscharakter dar, der keine Durchführungsmaßnahmen nach sich gezogen habe. Die Kommission tritt beiden Argumenten entgegen.

150.

Ich werde diese beiden Punkte nacheinander prüfen.

a) Unmittelbare und individuelle Betroffenheit durch den Rechtsakt

151.

Ich habe bereits an die Rechtsprechung erinnert, wonach eine regionale oder lokale Gebietskörperschaft – sowohl unmittelbar als auch individuell – von einem Unionsrechtsakt betroffen ist, wenn sie mit Befugnissen ausgestattet ist, die im Rahmen der nationalen Verfassungsordnung des betreffenden Mitgliedstaats autonom ausgeübt werden, und der Unionsrechtsakt diese Körperschaft an der Ausübung dieser Befugnisse nach eigenem Ermessen hindert (Vlaams Gewest-Kriterien) ( 96 ).

152.

Ich habe ebenso erläutert, warum diese Kriterien in der vorliegenden Rechtssache erfüllt sein dürften. Ich habe weiter ausgeführt, inwiefern sich die Auswirkungen auf die der Rechtsmittelführerin vorbehaltenen Befugnisse automatisch aus der angefochtenen Verordnung ergeben ( 97 ).

153.

Soweit dies für die Vlaams Gewest-Kriterien nicht ausreichen sollte, wovon indes meines Erachtens auszugehen ist, bliebe als letzte Möglichkeit noch zu klären, inwieweit die angefochtene Verordnung die Rechtsstellung der Rechtsmittelführerin aufgrund der speziellen Situation der Letzteren verändert (d. h. das Kriterium der individuellen Betroffenheit).

154.

Die den Regionen in Belgien zur Regelung der Verwendung von Pestiziden in ihrem jeweiligen Gebiet übertragenen Befugnisse bestehen offensichtlich speziell in der belgischen Verfassungsordnung. In (zumindest einigen) anderen Mitgliedstaaten ist die Lage eine andere. Nicht alle Regionen oder sonstigen Gebietskörperschaften der anderen Mitgliedstaaten haben vergleichbare autonome Befugnisse. Die regionalen oder lokalen Gebietskörperschaften mit besonderen Befugnissen zur Regelung der Verwendung von Pestiziden in ihrem jeweiligen Gebiet bilden eine geschlossene, im Vorhinein festgelegte und sicherlich eher kleine Gruppe (juristischer) Personen.

155.

Dasselbe gilt für die sonstigen Arten von Wirkungen, die die angefochtene Verordnung auf die Rechtsstellung der Rechtsmittelführerin hat. Insbesondere wird die Rechtsstellung der Rechtsmittelführerin auch dadurch verändert, dass die angefochtene Verordnung Unternehmen oder Personen (u. a. den Herstellern des Wirkstoffs, Herstellerverbänden sowie Zulassungsinhabern) bestimmte Rechte verleiht. Beispielsweise haben Zulassungsinhaber, die die Erneuerung ihrer Zulassungen beantragen, Anspruch darauf, dass die Behörden innerhalb von zwölf Monaten eine Entscheidung treffen und dass gegebenenfalls die Gültigkeit ihrer Zulassungen für den hierzu erforderlichen Zeitraum aufrecht erhalten bleibt ( 98 ). Diese Rechte können offenbar gegenüber den zuständigen belgischen Behörden geltend gemacht werden, zu denen anders als in anderen Mitgliedstaaten wegen ihrer speziellen Zuständigkeit für die Regulierung von Pestiziden auch die regionalen Behörden gehören.

156.

Außerdem löst die angefochtene Verordnung auch eine Verfahrenspflicht der Rechtsmittelführerin aus. Die Föderalregierung darf über Zulassungen nicht ohne Anhörung des Genehmigungsausschusses, dem die Rechtsmittelführerin angehört, entscheiden. Wiederum ergibt sich die Notwendigkeit für die Behörden der Region Brüssel-Hauptstadt, u. a. Folgemaßnahmen einzuleiten, sich in die betreffenden Akten einzuarbeiten und an den Entscheidungsverfahren teilzunehmen, aus der Verfassungsstruktur Belgiens.

157.

Da nämlich diese gesamte Struktur und Logik auf Regulierungsbehörden – und nicht nur auf Adressaten der Rechtsvorschriften, für die sie geschaffen wurden – anwendbar sind ( 99 ), unterscheiden diese Aspekte die Rechtsmittelführerin sowohl für sich als auch (erst recht) zusammengenommen eindeutig von allen sonstigen regionalen oder lokalen Behörden der Union, die nur mittelbar betroffen sein können, soweit ihnen die Aufgabe obliegt, für das allgemeine Wohlergehen ihrer Bürger oder die Unversehrtheit ihres Gebiets Sorge zu tragen. Erst recht unterscheiden diese Aspekte die Rechtsmittelführerin von sonstigen juristischen oder natürlichen Personen, die im Bereich des Umweltschutzes tätig oder potenziell von der angefochtenen Verordnung betroffen sind (wie etwa Bürgern, die dem Stoff ausgesetzt sind).

158.

Demnach ist die Rechtsmittelführerin meines Erachtens von der angefochtenen Verordnung sowohl unmittelbar als auch individuell betroffen und somit befugt, die angefochtene Verordnung nach Art. 263 Abs. 4 AEUV anzufechten. Aus Gründen der Vollständigkeit werde ich jedoch auch ihre Klagebefugnis nach Art. 263 Abs. 4 dritte Variante AEUV prüfen.

b) Rechtsakt mit Verordnungscharakter, der keine Durchführungsmaßnahmen nach sich zieht

159.

Erstens ist recht eindeutig festzustellen, dass die angefochtene Verordnung ein „Rechtsakt mit Verordnungscharakter“ im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV ist.

160.

Nach ständiger Rechtsprechung „umfasst [dieser Begriff] alle Rechtsakte ohne Gesetzescharakter mit allgemeiner Geltung“ ( 100 ). Die angefochtene Verordnung erfüllt diese Voraussetzung eindeutig. Es handelt sich nicht um einen Gesetzgebungsakt, sondern um einen Durchführungsrechtsakt im Sinne von Art. 291 AEUV, den die Kommission zur Durchführung der Verordnung Nr. 1107/2009 erlassen hat. Außerdem gilt die angefochtene Verordnung für objektiv bestimmte Situationen und erzeugt Rechtswirkungen gegenüber abstrakt und generell umschriebenen Personengruppen ( 101 ).

161.

Zweitens bin ich auch der Ansicht, dass die angefochtene Verordnung im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV keine „Durchführungsmaßnahmen nach sich zieht“.

162.

Der Gerichtshof hat klargestellt, dass die Frage, ob ein Rechtsakt mit Verordnungscharakter Durchführungsmaßnahmen nach sich zieht, anhand der Stellung der Person, die die Klage erhebt, und des Klagegegenstands zu beurteilen ist ( 102 ). Dies bedeutet, dass es nicht darauf ankommt, ob der betreffende Rechtsakt Durchführungsmaßnahmen gegenüber anderen Personen nach sich zieht ( 103 ), und ob sonstige Teile des angefochtenen Rechtsakts, die vom Kläger nicht angefochten werden, Durchführungsmaßnahmen nach sich ziehen ( 104 ). Maßgebend ist in diesem Zusammenhang, ob die konkreten Rechtswirkungen, die die Stellung des Klägers verändern, ihm gegenüber infolge des angefochtenen Unionsrechtsakts oder eines anderen Rechtsakts der Union oder des betreffenden Mitgliedstaats eintreten ( 105 ).

163.

Vor diesem Hintergrund und mit Blick auf die Rechtsstellung der Rechtsmittelführerin und den Gegenstand des vorliegenden Verfahrens zieht die angefochtene Verordnung keine Durchführungsmaßnahmen im Sinne von Art. 263 Abs. 4 dritte Variante AEUV nach sich. Wie in den vorliegenden Schlussanträgen mehrfach erwähnt, wird von der Rechtsmittelführerin nicht eine möglicherweise für ein oder für mehrere glyphosathaltige Produkte erteilte (oder erneuerte) konkrete Zulassung angefochten. Die Rechtsmittelführerin bestreitet die Sicherheit des Stoffs nach Art. 4 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 1107/2009, ein Aspekt, der durch die angefochtene Verordnung abschließend geregelt wird. Eine Durchführungsmaßnahme ist hierfür weder erforderlich noch vorgesehen.

164.

Dass Maßnahmen zur Durchführung der angefochtenen Verordnung gegenüber anderen Personen (z. B. Zulassungsinhabern und Glyphosat-Herstellern) oder in Bezug auf andere Aspekte der angefochtenen Verordnung (insbesondere die Sicherheit der konkreten glyphosathaltigen Produkte) erlassen werden müssen, ist nach der oben angeführten Rechtsprechung unerheblich.

165.

Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen. Die jüngere Rechtsprechung spreche dafür, dass die Wendung „keine Durchführungsmaßnahmen nach sich ziehen“ besonders eng auszulegen sei.

166.

Ich stimme der Kommission in ihrem Ausgangspunkt zu, verstehe die von der Kommission erwähnte Rechtsprechung jedoch anders und bin somit anderer Ansicht, was die Schlüsse angeht, die die Kommission daraus für die vorliegende Rechtssache zieht.

167.

Erstens stimme ich darin überein, dass diese Voraussetzung, wonach der angefochtene Rechtsakt keine „Durchführungsmaßnahmen nach sich ziehen“ darf, nicht mit derjenigen der „unmittelbaren Betroffenheit“ zu verwechseln ist ( 106 ). Beide Voraussetzungen haben zwar das gleiche Ziel: Es sollen unnötige Rechtsstreitigkeiten vor den Unionsgerichten vermieden und zugleich ein wirksamer gerichtlicher Rechtsschutz für alle von einer Unionsmaßnahme unmittelbar betroffenen Personen gewährleistet werden ( 107 ). Ihr Geltungsbereich und ihre Bedeutung sind gleichwohl nicht identisch.

168.

Nach ständiger Rechtsprechung ist die Wendung „keine Durchführungsmaßnahmen nach sich ziehen“vor dem Hintergrund des Ziels dieser Vorschrift zu sehen, das, wie sich aus ihrer Entstehungsgeschichte ergibt, darin besteht, zu verhindern, dass ein Einzelner gezwungen ist, gegen das Recht zu verstoßen, um Zugang zu den Gerichten zu erlangen. Wenn sich ein Rechtsakt mit Verordnungscharakter unmittelbar auf die Rechtsstellung einer natürlichen oder juristischen Person auswirkt, ohne dass Durchführungsmaßnahmen erforderlich sind, bestünde die Gefahr, dass diese Person keinen wirksamen Rechtsschutz hätte, wenn sie vor dem Unionsrichter keinen Rechtsbehelf einlegen könnte, um die Rechtmäßigkeit dieses Rechtsakts mit Verordnungscharakter anfechten zu können. In Ermangelung von Durchführungsmaßnahmen könnte sie nämlich, obwohl sie von dem fraglichen Rechtsakt unmittelbar betroffen ist, eine gerichtliche Überprüfung desselben erst erwirken, nachdem sie gegen dessen Bestimmungen verstoßen hat, indem sie im Rahmen der gegen sie vor den nationalen Gerichten eingeleiteten Verfahren die Rechtswidrigkeit dieser Bestimmungen geltend macht ( 108 ).

169.

Ich stimme mit der Kommission ferner darin überein, dass ein wesentlicher Unterschied zwischen diesen beiden Aspekten in Folgendem liegt: Anders als bei der unmittelbaren Betroffenheit reicht allein der Umstand, dass es Maßnahmen zur Durchführung des Unionsrechtsakts gibt, auch wenn diese Maßnahmen rein mechanischen Charakter haben und den Adressaten des Unionsrechtsakts insoweit kein Ermessen eingeräumt wird, dafür aus, dass die Voraussetzung nach Art. 263 Abs. 4 dritte Variante AEUV nicht erfüllt ist ( 109 ). Mit anderen Worten müssen die Rechtswirkungen, die Gegenstand des Rechtsbehelfs sind, sich aus dem angefochtenen Unionsrechtsakt an sich ergeben ( 110 ). Dementsprechend folgt die Voraussetzung, dass es keine Durchführungsmaßnahmen gibt, dem gleichen Grundgedanken, der der Voraussetzung der unmittelbaren Betroffenheit zugrunde liegt, fasst diese Voraussetzung jedoch in gewissem Maße enger ( 111 ).

170.

Der Grund für die verfassungsrechtliche Entscheidung, diese Voraussetzung in Art. 263 Abs. 4 dritte Variante AEUV aufzunehmen, dürfte sein, einen Ausgleich dafür zu schaffen, dass zum einen eine Direktklage vor den Unionsgerichten gegen alle Rechtsakte mit allgemeiner Geltung (d. h. mit einer potenziell sehr großen Zahl von ihnen betroffener Personen) zugelassen wird und zum anderen die Klagebefugnis auf jede Person erstreckt wird, die von diesen Rechtsakten unmittelbar betroffen ist (da die Voraussetzung der individuellen Betroffenheit insoweit aufgehoben wurde). Um eine Popularklage vor den Unionsgerichten zu vermeiden, sahen die Verfasser des Vertrags von Lissabon sich daher veranlasst, die Voraussetzung zu stärken, wonach die Rechtswirkungen des von einem Kläger angefochtenen Rechtsakts sich genau und unmittelbar aus dem angefochtenen Unionsrechtsakt ergeben müssen.

171.

Diese Voraussetzung kann nun jedoch nicht auf den Kopf gestellt und in dem Sinne (neu) ausgelegt werden, dass sie tatsächlich zu noch weniger Zugang als zuvor führt und diese ausdrückliche Änderung des Vertrags somit aushöhlt. Dies stünde im Widerspruch zum eindeutigen Willen des Unionsverfassungsgesetzgebers ( 112 ).

172.

Ich stimme daher mit dem von der Kommission vertretenen Verständnis der jüngeren Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht überein. Ich schließe mich vielmehr voll und ganz der Ansicht von Generalanwalt Cruz Villalón an, dass „unbedeutende Handlungen [oder] Hilfstätigkeiten“ keine Durchführungsmaßnahmen darstellen sollten. Die Unionsgerichte sollten vielmehr prüfen, ob der angefochtene Rechtsakt im Licht seines Zwecks, seines Inhalts und seiner Auswirkungen auf die Rechtsstellung des Klägers „für sich voll funktionsfähig“ ist ( 113 ).

173.

Die Rechtsprechung spiegelt diese Auffassung meines Erachtens weitgehend wider. Der Gerichtshof hat klargestellt, dass es nicht darauf ankommt, ob der betreffende angefochtene Rechtsakt Durchführungsmaßnahmen gegenüber anderen Personen nach sich zieht und ob sonstige Teile des angefochtenen Rechtsakts, die vom Kläger nicht angefochten werden, Durchführungsmaßnahmen nach sich ziehen ( 114 ). Außerdem hat der Gerichtshof im Urteil Montessori festgestellt, dass die Kläger nach Art. 263 Abs. 4 dritte Variante AEUV klagebefugt waren, da ihnen nicht zugemutet werden konnte, einen künstlichen Rechtsstreit ins Leben zu rufen, um nationale Rechtsakte anzufechten, die ohne die Rechtsverletzung niemals zustande gekommen wären, und damit ein Vorabentscheidungsersuchen über die Gültigkeit des zugrunde liegenden Unionsrechtsakts auszulösen ( 115 ).

174.

Diesem Ansatz ist auch das Gericht in mehreren jüngeren Rechtssachen gefolgt. Im Urteil Gazprom Neft stellte das Gericht fest, dass es unnatürlich oder übertrieben wäre, von einem Marktteilnehmer zu verlangen, dass er einen Durchführungsrechtsakt beantragt, nur damit er diesen vor den nationalen Gerichten anfechten kann, wenn offensichtlich ist, dass ein solcher Antrag notwendigerweise abgelehnt werden würde, so dass er im normalen Geschäftsverlauf nicht gestellt worden wäre ( 116 ). Weiter hat das Gericht in den Urteilen Tilly-Sabco und Doux festgestellt, dass nur solche Maßnahmen Durchführungsmaßnahmen im Sinne von Art. 263 Abs. 4 dritte Variante AEUV darstellen können, die von den Stellen der Union oder den nationalen Behörden im normalen Geschäftsverlauf erlassen werden. Erlassen diese Stellen oder Behörden im normalen Geschäftsverlauf keine Maßnahmen zur Durchführung des Rechtsakts mit Verordnungscharakter und zur Festlegung der Folgen für den Kläger, so zieht dieser Rechtsakt keine Durchführungsmaßnahmen nach sich ( 117 ).

175.

Zusammenfassend wurde Art. 263 Abs. 4 dritte Variante AEUV in den Vertrag aufgenommen, um die Lücke im System der gerichtlichen Rechtsbehelfe bei all jenen Rechtssachen zu schließen, in denen die mittelbare Kontrolle von Unionsrechtsakten (d. h. im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens) entweder unmöglich ist, weil der Unionsrechtsakt unmittelbar wirkt (wie in der Rechtssache Microban ( 118 )), oder rein künstlich und sinnlos ist, weil es keine Durchführungsmaßnahmen gegenüber dem Kläger (wie etwa in den Rechtssachen Montessori, Gazprom, Tilly-Sabco und Doux ( 119 )), und/oder nicht im Hinblick auf die Wirkungen gibt, die vom Kläger beanstandet werden (Fallgestaltung der Rechtssache Telefónica ( 120 )).

176.

Im Wesentlichen gehört die vorliegende Rechtssache entweder zur ersten im vorstehenden Absatz genannten Gruppe (in Bezug auf die Feststellung der Sicherheit von Glyphosat gibt es keine Durchführungsmaßnahme) oder jedenfalls zur zweiten Gruppe (die Rechtsmittelführerin müsste eine bestimmte, in diesem Zusammenhang ergangene Entscheidung der föderalen Ebene künstlich anfechten, um die Frage der Gültigkeit der angefochtenen Verordnung im nationalen Verfahren in der Hoffnung geltend machen zu können, dass das vorlegende Gericht hierzu ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV stellt).

177.

Nach alledem ist die Rechtsmittelführerin meines Erachtens auch befugt, die angefochtene Verordnung nach Art. 263 Abs. 4 dritte Variante AEUV anzufechten; die angefochtene Verordnung ist ein Rechtsakt mit Verordnungscharakter, der keine Durchführungsmaßnahmen nach sich zieht.

E.   Zurückverweisung an das Gericht

178.

Da die Klage nach dem hier gefundenen Ergebnis zulässig ist und da ihre Begründetheit im ersten Rechtszug nicht geprüft worden ist, ist die Sache nach Art. 61 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union an das Gericht zurückzuverweisen und die Kostenentscheidung vorzubehalten.

179.

Meines Erachtens liegen dem Gerichtshof jedoch alle notwendigen Informationen vor, um über die Zurückweisung der von der Kommission im ersten Rechtszug erhobenen Einrede der Unzulässigkeit entscheiden zu können. Aus Gründen der Verfahrenseffizienz und ‑ökonomie schlage ich dem Gerichtshof vor, dies zu tun.

V. Ergebnis

180.

Ich schlage dem Gerichtshof vor,

den Beschluss vom 28. Februar 2019, Région de Bruxelles-Capitale/Kommission (T‑178/18, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:130), aufzuheben;

die Nichtigkeitsklage der Rechtsmittelführerin für zulässig zu erklären;

die Sache zur Entscheidung in der Sache an das Gericht zurückzuverweisen und

die Kostenentscheidung vorzubehalten.


( 1 ) Originalsprache: Englisch.

( 2 ) Durchführungsverordnung vom 12. Dezember 2017 zur Erneuerung der Genehmigung des Wirkstoffs Glyphosat gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur Änderung des Anhangs der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 540/2011 der Kommission (ABl. 2017, L 333, S. 10) (im Folgenden: angefochtene Verordnung).

( 3 ) Beschluss vom 28. Februar 2019, Région de Bruxelles-Capitale/Kommission (T‑178/18, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:130; im Folgenden: angefochtener Beschluss).

( 4 ) ABl. 2005, L 124, S. 1.

( 5 ) ABl. 2001, L 304, S. 14.

( 6 ) ABl. 1991, L 230, S. 1.

( 7 ) ABl. 2009, L 309, S. 1.

( 8 ) ABl. 2011, L 153, S. 1.

( 9 ) Durchführungsverordnung (EU) 2015/1885 der Kommission vom 20. Oktober 2015 zur Änderung der Durchführungsverordnung Nr. 540/2011 hinsichtlich der Verlängerung der Dauer der Genehmigung für die Wirkstoffe … Glyphosat … (ABl. 2015, L 276, S. 48); und Durchführungsverordnung (EU) 2016/1056 der Kommission vom 29. Juni 2016 zur Änderung der Durchführungsverordnung Nr. 540/2011 hinsichtlich der Verlängerung der Dauer der Genehmigung für den Wirkstoff Glyphosat (ABl. 2016, L 173, S. 52).

( 10 ) Moniteur belge vom 15. August 1980, S. 9434.

( 11 ) Moniteur belge vom 11. Mai 1994, S. 12504.

( 12 ) Moniteur belge vom 21. Juni 2013, S. 40062.

( 13 ) ABl. 2009, L 309, S. 71.

( 14 ) Moniteur belge vom 2. Dezember 2016, S. 79492.

( 15 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. November 1990, Weddel/Kommission (C‑354/87, EU:C:1990:371, Rn. 23), und Beschluss vom 10. September 2002, Japan Tobacco und JT International/Parlament und Rat (T‑223/01, EU:T:2002:205, Rn. 50). Für eine wissenschaftliche Erörterung vgl. z. B. Barents, R., Remedies and Procedures before the EU Courts, Kluwer Law International, Alphen aan den Rijn, 2016, S. 238. Dagegen kommt es auf die Wirkungen eines Unionsrechtsakts auf rechtlich nicht geschützte Interessen des Klägers nach Art. 263 Abs. 4 AEUV nicht an, vgl. z. B. Urteil vom 29. Juni 2004, Front national/Parlament (C‑486/01 P, EU:C:2004:394, Rn. 35 und 36).

( 16 ) Urteil vom 6. November 2018, Scuola Elementare Maria Montessori/Kommission, Kommission/Scuola Elementare Maria Montessori und Kommission/Ferracci (C‑622/16 P bis C‑624/16 P, EU:C:2018:873, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung). Hervorhebung nur hier.

( 17 ) Vgl. z. B. Urteile vom 5. November 2019, EZB u. a./Trasta Komercbanka u. a. (C‑663/17 P, C-665/17 P und C‑669/17 P, EU:C:2019:923, Rn. 103), und vom 29. Juni 2004, Front national/Parlament (C‑486/01 P, EU:C:2004:394, Rn. 34).

( 18 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. April 1995, CCE Vittel/Kommission (T‑12/93, EU:T:1995:78, Rn. 58). Vgl. im Schrifttum z. B. Schermers, H. G., Waelbroeck, D., Judicial Protection in the European Union, 6. Aufl., Kluwer Law International, Alphen aan den Rijn, 2001, S. 914; Albors Llorens, A., Private Parties in European Community Law: Challenging Community Measures, Clarendon Press, Oxford, 1996, S. 73; und Mariatte, F., Ritleng, D., Contentieux de l’union européenne 1: Annulation. Exception d’illégalité, Lamy, Paris, 2010, S. 179.

( 19 ) Vgl. z. B. Urteil vom 5. Mai 1998, Glencore Grain/Kommission (C‑404/96 P, EU:C:1998:196, Rn. 38 bis 54).

( 20 ) Vgl. Urteile vom 6. November 2018, Scuola Elementare Maria Montessori/Kommission, Kommission/Scuola Elementare Maria Montessori und Kommission/Ferracci (C‑622/16 P bis C‑624/16 P, EU:C:2018:873, Rn. 50), und vom 10. März 2020, IFSUA/Rat (T‑251/18, EU:T:2020:89, Rn. 51).

( 21 ) Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 24. März 1994, Air France/Kommission (T‑3/93, EU:T:1994:36, Rn. 80), und vom 3. April 2003, Royal Philips Electronics/Kommission (T‑119/02, EU:T:2003:101, Rn. 284 und 285).

( 22 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 30. April 2015, Hitachi Chemical Europe u. a./ECHA (T‑135/13, EU:T:2015:253, Rn. 29 bis 38).

( 23 ) Vgl. unter vielen Urteil vom 17. September 2009, Kommission/Koninklijke FrieslandCampina (C‑519/07 P, EU:C:2009:556, Rn. 49).

( 24 ) Vgl. Urteil vom 6. November 1990, Weddel/Kommission (C‑354/87, EU:C:1990:371, Rn. 19).

( 25 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. März 2008, Kommission/Infront WM (C‑125/06 P, EU:C:2008:159, Rn. 62).

( 26 ) Vgl. Urteil vom 13. Mai 1971, International Fruit Company u. a./Kommission (41/70 bis 44/70, EU:C:1971:53, Rn. 23 bis 26).

( 27 ) Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 26. September 2000, Starway/Rat (T‑80/97, EU:T:2000:216, Rn. 61 bis 65), und vom 1. Juli 2009, ISD Polska und Industrial Union of Donbass/Kommission (T‑273/06 und T‑297/06, EU:T:2009:233, Rn. 68).

( 28 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. Juni 1994, Fiskano/Kommission (C‑135/92, EU:C:1994:267, Rn. 27).

( 29 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Oktober 2011, Microban International und Microban (Europe)/Kommission (T‑262/10, EU:T:2011:623, Rn. 29).

( 30 ) Urteil vom 3. April 2003, Royal Philips Electronics/Kommission (T‑119/02, EU:T:2003:101, Rn. 276).

( 31 ) Ebd., Rn. 277 bis 281.

( 32 ) Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 10. September 2009, Kommission/Ente per le Ville vesuviane und Ente per le Ville vesuviane/Kommission (C‑445/07 P und C‑455/07 P, EU:C:2009:52, Rn. 46), vom 5. Mai 1998, Dreyfus/Kommission (C‑386/96 P, EU:C:1998:193, Rn. 44), und vom 17. Januar 1985, Piraiki-Patraiki u. a./Kommission (11/82, EU:C:1985:18, Rn. 8 bis 10). Hervorhebung nur hier.

( 33 ) Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 23. November 1971, Bock/Kommission (62/70, EU:C:1971:108, Rn. 6 bis 8), und vom 31. März 1998, Frankreich u. a./Kommission (C‑68/94 und C‑30/95, EU:C:1998:148, Rn. 51).

( 34 ) Beschluss vom 10. September 2002, Japan Tobacco und JT International/Parlament und Rat (T‑223/01, EU:T:2002:205, Rn. 46). Hervorhebung nur hier.

( 35 ) Urteil vom 29. März 1979, NTN Toyo Bearing/Rat (113/77, EU:C:1979:91, Rn. 11 und 12). Schließlich kann es nicht Aufgabe der Unionsgerichte sein, das nationale Verfahrensrecht zu prüfen und auszulegen, um festzustellen, ob dem Kläger möglicherweise andere Rechtsbehelfe zur Verfügung stehen, um seine Rechte nach nationalem Recht geltend zu machen, vgl. Urteile vom 9. Juni 2016, Marquis Energy/Rat (T‑277/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:343, Rn. 108), und vom 6. Juni 2013, T & L Sugars und Sidul Açúcares/Kommission (T‑279/11, EU:T:2013:299, Rn. 70 bis 72).

( 36 ) Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 13. März 2008, Kommission/Infront WM (C‑125/06 P, EU:C:2008:159, Rn. 49 bis 52), vom 15. Dezember 2005, Infront WM/Kommission (T‑33/01, EU:T:2005:461, Rn. 133 bis 135 und 138 ff.), und vom 25. Oktober 2011, Microban International und Microban (Europe)/Kommission (T‑262/10, EU:T:2011:623, Rn. 28).

( 37 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 2. Mai 2006, Regione Siciliana/Kommission (C‑417/04 P, EU:C:2006:282, Rn. 24).

( 38 ) Urteil vom 30. April 1998, Vlaams Gewest/Kommission (T‑214/95, EU:T:1998:77, Rn. 29).

( 39 ) Urteil vom 23. Oktober 2002, Diputación Foral de Guipúzcoa/Kommission (T‑269/99, T‑271/99 und T‑272/99, EU:T:2002:258, Rn. 41).

( 40 ) Urteil vom 15. Dezember 1999, Freistaat Sachsen u. a./Kommission (T‑132/96 und T‑143/96, EU:T:1999:326, Rn. 89 bis 90). Ähnlich Urteil vom 5. Oktober 2005, Land Oberösterreich/Kommission (T‑366/03 und T‑235/04, EU:T:2005:347, Rn. 29).

( 41 ) Urteil vom 15. Juni 1999, Regione Autonoma Friuli-Venezia Giulia/Kommission (T‑288/97, EU:T:1999:125, Rn. 32).

( 42 ) Urteil vom 10. Februar 2000, Nederlandse Antillen/Kommission (T‑32/98 und T‑41/98, EU:T:2000:36, Rn. 60 und 61).

( 43 ) Ähnlich Barents, R., a. a. O., S. 275; Lenaerts, K., Maselis, I., Gutman, K., EU Procedural Law, Oxford University Press, Oxford, 2014, S. 330; und Lenaerts, K., Cambien, N., „Regions and the European Courts: Giving Shape to the Regional Dimension of Member State“, European Law Review, 2010, Bd. 35, S. 609 bis 635.

( 44 ) Was erst dann eindeutig klar wird, wenn diese Kriterien auf einen gewöhnlichen privaten Kläger angewendet werden. Beispielsweise könnte jedes Unternehmen behaupten, dass es aufgrund einer bestimmten Vorschrift des Unionsrechts daran gehindert sei, seine ihm unmittelbar nach nationalem Recht zustehenden eigenen Befugnisse nach eigenem Ermessen auszuüben. Es kann keine Verträge schließen, Handel oder sein Geschäft betreiben, wie ihm dies andernfalls möglich wäre. Ein solches Vorbringen würde im Fall eines gewöhnlichen nicht privilegierten Klägers aber keinesfalls die Voraussetzungen der unmittelbaren und individuellen Betroffenheit dieses Klägers erfüllen.

( 45 ) Vgl. Beschluss vom 19. September 2006, Benkö u. a./Kommission (T‑122/05, EU:T:2006:262, Rn. 64).

( 46 ) Vgl. auch Van Nuffel, P., „What’s in a Member State? Central and Decentralised Authorities before the Community Courts“, Common Market Law Review, Bd. 38, 2001, S. 871, auf S. 887.

( 47 ) Dies belegt das Urteil vom 2. Mai 2006, Regione Siciliana/Kommission (C‑417/04 P, EU:C:2006:282). In jenem Urteil entschied der Gerichtshof, dass die Region von einer Entscheidung der Kommission, mit der eine Beteiligung des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) an einem Projekt in Sizilien gestrichen wurde, nicht unmittelbar betroffen war, da kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der (formal dem Mitgliedstaat gewährten) finanziellen Beteiligung und der Benennung einer regionalen Körperschaft (wie der Regione Siciliana) als für die Durchführung eines EFRE‑Projekts zuständige Behörde bestehe. Diese Benennung bedeutete nicht, dass die Region selbst Anspruch auf die Beteiligung gehabt hätte: Es lag keine unmittelbare Einschränkung der Ausübung einer der Region auf Verfassungsebene zugewiesenen konkreten Befugnis vor.

( 48 ) Siehe oben, Nrn. 58 bis 62 der vorliegenden Schlussanträge.

( 49 ) Vgl. Urteil vom 28. Februar 2019, Az. 32/2019, Rn. B.16 bis B.19.1 (zum Verbot von Pestiziden durch die Wallonische Region in ihrem Gebiet) und vom 28. Februar 2019, Az. 38/2019, Rn. B.13.1 bis B.14 (zum Verbot durch die Flämische Region in ihrem Gebiet).

( 50 ) Vgl. insbesondere den 17. Erwägungsgrund der angefochtenen Verordnung: „In Bezug auf einen oder mehrere repräsentative Verwendungszwecke mindestens eines Pflanzenschutzmittels, das den Wirkstoff Glyphosat enthält, wurde festgestellt, dass die Genehmigungskriterien gemäß Artikel 4 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 erfüllt sind. Diese Genehmigungskriterien gelten daher als erfüllt.“

( 51 ) Vgl. insbesondere Art. 1 Abs. 3: „Ziel dieser Verordnung ist die Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Gesundheit von Mensch und Tier und für die Umwelt und das bessere Funktionieren des Binnenmarkts durch die Harmonisierung der Vorschriften für das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und die Verbesserung der landwirtschaftlichen Produktion.“ Vgl. z. B. auch die Erwägungsgründe 7, 8, 10, 23, 24, 29 und andere. Hervorhebung nur hier.

( 52 ) Zu den angegebenen Rechtsgrundlagen der Verordnung Nr. 1107/2009 gehörten nicht nur der damalige Art. 95 EGV (jetzt Art. 114 AEUV – Angleichung der Rechtsvorschriften im Binnenmarkt), sondern auch der frühere Art. 37 Abs. 2 EGV (jetzt Art. 43 Abs. 2 AEUV – Landwirtschaft und Fischerei) sowie der frühere Art. 152 Abs. 4 Buchst. b EGV (jetzt Art. 168 Abs. 4 Buchst. b AEUV – Gesundheitswesen).

( 53 ) Vgl. z. B. entsprechend Urteil vom 11. Mai 2017, Deza/ECHA (T‑115/15, EU:T:2017:329, Rn. 30 und 31).

( 54 ) Hervorhebung nur hier.

( 55 ) Den Akten ist zu entnehmen, dass gegen diese Verordnung zwei Nichtigkeitsklagen vor dem belgischen Conseil d’État (Staatsrat) anhängig sind. Mit den Klagen wird u. a. ein Verstoß gegen bestimmte Vorschriften der Verordnung Nr. 1107/2009 sowie gegen die Art. 34, 35 und 36 AEUV gerügt. In jenen Rechtssachen vertreten die Kläger (im Bereich der Vermarktung von Produkten auf Glyphosatbasis tätige Unternehmen) die Ansicht, dass die unionsweite Genehmigung von Glyphosat und die Zulassung bestimmter, diesen Stoff enthaltender Pflanzenschutzmittel durch die Behörde auf der föderalen Ebene durch ein vollständiges Verbot der Verwendung dieser Produkte im Gebiet der Region Brüssel-Hauptstadt nicht beeinträchtigt werden könnten. Meines Wissens sind diese Rechtssachen noch anhängig.

( 56 ) Angeführt in Fn. 49 oben. In jenen Urteilen entschied das belgische Verfassungsgericht im Wesentlichen, dass die Zuständigkeit für den Schutz der Umwelt die Zuständigkeit zum Ergreifen von Maßnahmen zur Vermeidung und Begrenzung von Risiken in Verbindung mit Pestiziden umfasst. Da die Rechtsvorschriften der einzelnen Regionen keine Normen vorsähen, die Pestizide für ihr Inverkehrbringen erfüllen müssten, sondern lediglich die Verwendung der Pestizide regelten, könne bei diesen Rechtsvorschriften nicht davon ausgegangen werden, dass sie Produktnormen festlegten. Die Regionen seien daher zuständig. Eine solche Regelung dürfe jedoch nicht (de facto) auf eine Produktzulassung oder eine Festlegung einer Produktnorm hinauslaufen. Dies würde gegen die föderale Loyalität verstoßen.

( 57 ) Stellungnahme im Rahmen von Verfahren über die Mitteilung technischer Normen – Mitteilung der Kommission vom 29. August 2018, TRIS/(2018) 02325. Seltsamerweise hat die Kommission in dieser Stellungnahme im Wesentlichen die Ansicht vertreten, dass ein Rechtsakt, der ein vollständiges Verbot glyphosathaltiger Produkte vorsehe, der mit der Verordnung Nr. 1107/2009 eingeführten Regelung zuwiderlaufen würde. Es ist dann vielleicht etwas überraschend, dass das Vorbringen der Kommission im vorliegenden Verfahren im Wesentlichen dahin geht, dass ein vollständiges räumlich definiertes Verbot mit eben dieser Regelung nichts zu tun habe, so dass eine Klagebefugnis der betreffenden Region nicht in Betracht komme.

( 58 ) In diesem Zusammenhang mag es von Interesse sein, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichts ein Interesse an der Erhebung einer Klage nach Art. 263 Abs. 4 AEUV aus der tatsächlichen Gefahr einer Beeinträchtigung der Rechtsstellung des Klägers durch bestehende gerichtliche Verfahren oder auch aus dem Umstand abgeleitet werden kann, dass die Gefahr eines gerichtlichen Verfahrens angelegt ist und zum Zeitpunkt der Erhebung der Klage vor den Unionsgerichten besteht, vgl. z. B. Beschluss vom 25. März 2019, Solwindet las Lomas/Kommission (T‑190/18, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:205, Rn. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung). Ähnliche Umstände können meines Erachtens in entsprechender Weise auch bei der Prüfung, ob ein nach Art. 263 Abs. 4 AEUV angefochtener Unionsrechtsakt den Kläger individuell betrifft, von einiger Relevanz sein.

( 59 ) Nach Art. 43 Abs. 1 bis 5 der Verordnung Nr. 1107/2009 wird eine Zulassung auf Antrag des Zulassungsinhabers von den Behörden der Mitgliedstaaten erneuert.

( 60 ) Hervorhebung nur hier.

( 61 ) Hervorhebung nur hier.

( 62 ) Vgl. u. a. Art. 8, Art. 19, Art. 24 Abs. 1, Art. 25, Art. 27 Abs. 2 und Art. 29 Abs. 1 und 2 der Königlichen Verordnung.

( 63 ) Sei es das Parlament (vgl. z. B. Urteil vom 10. Mai 1995, Parlament/Rat, C‑417/93, EU:C:1995:127, Rn. 9) oder seien es andere Einrichtungen, die an Gesetzgebungsverfahren beteiligt sind, wie etwa der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. Juli 1987, Deutschland u. a./Kommission (281/85, 283/85 bis 285/85 und 287/85, EU:C:1987:351, Rn. 37 bis 39). Derselbe Grundsatz wurde in Fällen angewandt, die an einem Verwaltungsverfahren beteiligte beratende Einrichtungen betrafen, z. B. im Bereich des Wettbewerbsrechts (vgl. z. B. Urteil vom 21. September 2017, Feralpi/Kommission, C‑85/15 P, EU:C:2017:709, Rn. 23 bis 48) oder in Personalangelegenheiten (vgl. z. B. Urteil vom 21. April 1983, Ragusa/Kommission, 282/81, EU:C:1983:105, Rn. 18).

( 64 ) Im Sinne der oben in Nr. 54 angeführten Rechtsprechung.

( 65 ) Vgl. z. B. Urteil vom 16. Januar 2003, Kommission/Italien (C‑388/01, EU:C:2003:30, Rn. 26 und 27).

( 66 ) Urteil vom 19. November 1991, Francovich u. a. (C‑6/90 und C‑9/90, EU:C:1991:428).

( 67 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. September 2010, Carmen Media Group (C‑46/08, EU:C:2010:505, Rn. 69 und 70).

( 68 ) Vgl. Urteil vom 12. Juni 2014, Digibet und Albers (C‑156/13, EU:C:2014:1756, Rn. 33).

( 69 ) Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 21. Dezember 2016, Remondis (C‑51/15, EU:C:2016:985, Rn. 40), und vom 12. Juni 2014, Digibet und Albers (C‑156/13, EU:C:2014:1756, Rn. 34).

( 70 ) Den Ausdruck verwenden Weatherhill, S., „The Challenge of the Regional Dimension in the European Union“, in Weatherill und Bernitz (Hrsg.), The Role of Regions and Sub-National Actors in Europe, Hart, Oxford, 2005, S. 1.

( 71 ) Um die gegenseitige Anerkennung von Zulassungen zu erleichtern, ist die Union in verschiedene Zonen unterteilt, in denen die landwirtschaftlichen, pflanzengesundheitlichen und ökologischen Bedingungen (einschließlich der klimatischen Bedingungen) als vergleichbar angesehen werden. Vgl. insbesondere den 29. Erwägungsgrund, Art. 3 Nr. 17 und Anhang I der Verordnung Nr. 1107/2009.

( 72 ) Hervorhebung nur hier. Vgl. auch den 29. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1107/2009.

( 73 ) Art. 36 Abs. 3 Unterabs. 4 lautet: „Die Mitgliedstaaten sehen die Möglichkeit der Anfechtung einer Entscheidung über die Verweigerung der Zulassung der entsprechenden Produkte vor den nationalen Gerichten oder anderen Berufungsinstanzen vor.“

( 74 ) Siehe unten, Nr. 168 der vorliegenden Schlussanträge.

( 75 ) Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 13. März 2008, Kommission/Infront WM (C‑125/06 P, EU:C:2008:159, Rn. 51), und vom 17. Februar 2011, FIFA/Kommission (T‑385/07, EU:T:2011:42, Rn. 40 und 41).

( 76 ) Bericht des Compliance Committee, Zusatz, Feststellungen und Empfehlungen zur Mitteilung ACCC/C/2008/32 (Teil I) zur Frage der Einhaltung des Übereinkommens durch die Europäische Union (Report of the Compliance Committee, Addendum, Findings and recommendations with regard to communication ACCC/C/2008/32 [Part I] concerning compliance by the European Union) vom 14. April 2011; sowie Feststellungen und Empfehlungen des Compliance Committee zur Mitteilung ACCC/C/2008/32 (Teil II) zur Frage der Einhaltung des Übereinkommens durch die Europäische Union (Findings and recommendations of the Compliance Committee with regard to communication ACCC/C/2008/32 (Part II) concerning compliance by the European Union) vom 17. März 2017.

( 77 ) Vgl. z. B. Urteil vom 13. Januar 2015, Rat u. a./Vereniging Milieudefensie und Stichting Stop Luchtverontreiniging Utrecht (C‑401/12 P bis C‑403/12 P, EU:C:2015:4, Rn. 55 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 78 ) Urteile vom 8. März 2011, Lesoochranárske zoskupenie (C‑240/09, EU:C:2011:125, Rn. 50 und 51), und vom 15. März 2018, North East Pylon Pressure Campaign und Sheehy (C‑470/16, EU:C:2018:185, Rn. 57).

( 79 ) Vgl. z. B. Urteil vom 12. Mai 2011, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, Landesverband Nordrhein-Westfalen (C‑115/09, EU:C:2011:289).

( 80 ) Vgl. z. B. Urteile vom 4. Dezember 1974, Van Duyn (41/74, EU:C:1974:133, Rn. 22), vom 6. September 2017, Intel/Kommission (C‑413/14 P, EU:C:2017:632, Rn. 49), und vom 10. Dezember 2018, Wightman u. a. (C‑621/18, EU:C:2018:999, Rn. 70 und 71).

( 81 ) Verbundene Rechtssachen Rat und Parlament/Kommission und Kommission/Vereniging Milieudefensie und Stichting Stop Luchtverontreiniging Utrecht (C‑401/12 P bis C‑403/12 P, EU:C:2014:310, Nr. 132).

( 82 ) Vgl. z. B. Urteil vom 3. Oktober 2019, Wasserleitungsverband Nördliches Burgenland u. a. (C‑197/18, EU:C:2019:824, Rn. 33).

( 83 ) Insbesondere in den Mitgliedstaaten, in denen der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Ausübung sämtlicher hoheitlicher Befugnisse streng angewandt wird, so dass der Staat und die Behörden nur auf der Grundlage und im Einklang mit dem Gesetz handeln dürfen.

( 84 ) Dritter Teil Titel XVIII des AEUV.

( 85 ) Vgl. insbesondere Art. 39 Abs. 2 AEUV (Gemeinsame Agrarpolitik), Art. 46 (Binnenmarkt), Art. 91 Abs. 2 und Art. 96 Abs. 2 AEUV (Verkehr), Art. 107 Abs. 3 AEUV (staatliche Beihilfen), Art. 167 Abs. 1 AEUV (Kultur), Art. 170 Abs. 2 AEUV (transeuropäische Netze) und Art. 191 Abs. 2 und 3 AEUV (Umwelt).

( 86 ) Skizziert oben, Nrn. 58 bis 62 der vorliegenden Schlussanträge.

( 87 ) Hirschman, A. O., Exit, Voice, and Loyalty: Responses to Decline in Firms, Organizations, and States, Harvard University Press, Cambridge, MA, 1970.

( 88 ) Vgl. kürzlich z. B. Urteile vom 28. März 2017, Rosneft (C‑72/15, EU:C:2017:236, Rn. 66 bis 68 und die dort angeführte Rechtsprechung), und vom 13. März 2018, European Union Copper Task Force/Kommission (C‑384/16 P, EU:C:2018:176, Rn. 112 bis 114 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 89 ) Eine Reihe der überzeugenden Argumente, die in den Schlussanträgen des Generalanwalts Jacobs in der Rechtssache Unión de Pequeños Agricultores/Rat (C‑50/00 P, EU:C:2002:197) vorgetragen worden sind, gelten heute unverändert weiter.

( 90 ) Infolge der Umsetzung der Verordnung (EU, Euratom) 2015/2422 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2015 zur Änderung des Protokolls Nr. 3 über die Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union (ABl. 2015, L 341, S. 14).

( 91 ) Vgl. hierzu das (recht knappe) Vorabentscheidungsersuchen der Chambre correctionnelle des Tribunal correctionnel de Foix (Strafgericht Foix, Frankreich), das dem Urteil vom 1. Oktober 2019, Blaise u. a. (C‑616/17, EU:C:2019:800), zugrunde lag. In jener Rechtssache hatte der Umstand, dass Herr Blaise und andere Privatpersonen Läden im Departement Ariège (Frankreich) betreten und Kanister mit glyphosathaltigen Unkrautvernichtungsmitteln sowie Glasvitrinen beschädigt hatten, zur Folge, dass gegen diese Personen ein Strafverfahren wegen Beschädigung oder Zerstörung eines einem anderen gehörenden Gegenstands eingeleitet wurde. Vor diesem Hintergrund beurteilte der Gerichtshof mehrere komplexere Fragestellungen zur Gültigkeit der Verordnung Nr. 1107/2009 im Zusammenhang mit der Zulassung von Glyphosat als Wirkstoff.

( 92 ) Es ist vielleicht nicht unmittelbar ersichtlich, welche Auswirkungen eine Überprüfung der Gültigkeit der Verordnung Nr. 1107/2009 in dem nationalen Strafverfahren wegen vorsätzlicher Zerstörung von Eigentum hätte, zumal die fragliche Zulassung für ein glyphosathaltiges Pflanzenschutzmittel von der Französischen Republik erteilt wurde und sich eindeutig nicht unmittelbar aus einem Rechtsakt des Unionsrechts ergibt. Vgl. Urteil vom 1. Oktober 2019, Blaise u. a. (C‑616/17, EU:C:2019:800, Rn. 31 bis 39).

( 93 ) Die in den bereits angeführten Schlussanträgen von Generalanwalt Jacobs in der Rechtssache Unión de Pequeños Agricultores/Rat (C‑50/00 P, EU:C:2002:197, Nr. 43) erörterte Ansicht, dass „von dem Einzelnen … nicht verlangt werden [kann], dass er Gesetze verletzt, um zu seinem Recht zu kommen“, nimmt insoweit eine vollständige und eher unerwartete Wendung.

( 94 ) Vgl. Gerichtshof der Europäischen Union, Bericht gemäß Art. 3 Abs. 2 der Verordnung (EU, Euratom) 2015/2422 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung des Protokolls Nr. 3 über die Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, S. 4 bis 7 (online abrufbar unter https://curia.europa.eu).

( 95 ) Vgl. in diesem Sinne z. B. Urteil vom 26. Januar 2017, Mamoli Robinetteria/Kommission (C‑619/13 P, EU:C:2017:50, Rn. 107 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 96 ) Siehe oben, Nrn. 58 bis 62.

( 97 ) Siehe oben, Nrn. 65 bis 81.

( 98 ) Art. 43 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1107/2009, der oben in Nrn. 83 bis 87 eingehend erörtert worden ist.

( 99 ) Wie oben in Nrn. 129 bis 136 skizziert.

( 100 ) Vgl. u. a. Urteile vom 3. Oktober 2013, Inuit Tapiriit Kanatami u. a./Parlament und Rat (C‑583/11 P, EU:C:2013:625, Rn. 60), und vom 6. November 2018, Scuola Elementare Maria Montessori/Kommission, Kommission/Scuola Elementare Maria Montessori und Kommission/Ferracci (C‑622/16 P bis C‑624/16 P, EU:C:2018:873, Rn. 28).

( 101 ) Vgl. z. B. Urteile vom 11. Mai 2017, Deza/ECHA (T‑115/15, EU:T:2017:329, Rn. 32 bis 34), und vom 13. März 2018, European Union Copper Task Force/Kommission (C‑384/16 P, EU:C:2018:176, Rn. 95).

( 102 ) Urteil vom 19. Dezember 2013, Telefónica/Kommission (C‑274/12 P, EU:C:2013:852, Rn. 30 und 31).

( 103 ) Vgl. Urteile vom 6. November 2018, Scuola Elementare Maria Montessori/Kommission, Kommission/Scuola Elementare Maria Montessori und Kommission/Ferracci (C‑622/16 P bis C‑624/16 P, EU:C:2018:873, Rn. 63 bis 65), und vom 13. Dezember 2018, Ville de Paris, Ville de Bruxelles und Ayuntamiento de Madrid/Kommission (T‑339/16, T‑352/16 und T‑391/16, EU:T:2018:927, Rn. 40).

( 104 ) Vgl. z. B. Urteil vom 19. Dezember 2013, Telefónica/Kommission (C‑274/12 P, EU:C:2013:852, Rn. 31).

( 105 ) Urteile vom 13. März 2018, European Union Copper Task Force/Kommission (C‑384/16 P, EU:C:2018:176, Rn. 43 und 45), und vom 18. Oktober 2018, Internacional de Productos Metálicos/Kommission (C‑145/17 P, EU:C:2018:839, Rn. 56 und 57).

( 106 ) Beschluss vom 14. Juli 2015, Forgital Italy/Rat (C‑84/14 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2015:517, Rn. 43).

( 107 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 3. Oktober 2013, Inuit Tapiriit Kanatami u. a./Parlament und Rat (C‑583/11 P, EU:C:2013:625, Rn. 93).

( 108 ) Vgl. z. B. Urteil vom 6. November 2018, Scuola Elementare Maria Montessori/Kommission, Kommission/Scuola Elementare Maria Montessori und Kommission/Ferracci (C‑622/16 P bis C‑624/16 P, EU:C:2018:873, Rn. 58 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 109 ) Vgl. Urteil vom 13. März 2018, Industrias Químicas del Vallés/Kommission (C‑244/16 P, EU:C:2018:177, Rn. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung), und Beschluss vom 4. Juni 2012, Eurofer/Kommission (T‑381/11, EU:T:2012:273, Rn. 59).

( 110 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. Dezember 2015, Canon Europa/Kommission (C‑552/14 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2015:804, Rn. 48).

( 111 ) Urteil vom 7. Juli 2015, Federcoopesca u. a./Kommission (T‑312/14, EU:T:2015:472, Rn. 34 bis 37).

( 112 ) Vgl. insbesondere Übermittlungsvermerk des Präsidiums des Europäischen Konvents (CONV 734/03) vom 12. Mai 2003, S. 20: „… empfiehlt das Präsidium eine Lockerung der Bedingungen für die Erhebung einer Direktklage“. Hervorhebung nur hier. Vgl. auch Urteil vom 13. Dezember 2018, Ville de Paris, Ville de Bruxelles und Ayuntamiento de Madrid/Kommission (T‑339/16, T‑352/16 und T‑391/16, EU:T:2018:927, Rn. 40). In der Lehre unter vielen Vorbehalten gegen eine zu enge Auslegung der Vertragsänderung z. B. Wildemeersch, J., „Standing Requirements of Private Parties in Actions for Annulment Concerning Regulatory Acts: The State of Affairs 10 Years After the Entry into Force of the Lisbon Treaty“, in Sarmiento u. a. (Hrsg.), Yearbook on Procedural Law of the Court of Justice of the European Union: First Edition – 2019, MPILux Research Paper 2020, S. 49 bis 73, auf S. 62 bis 64; oder Rhimes, M., „The EU Courts stand their ground: why are the standing rules for direct actions still so restrictive?“, European Journal of Legal Studies, Bd. 9, Nr. 1, 2016, S. 103 bis 172, auf S. 116.

( 113 ) Schlussanträge des Generalanwalts Cruz Villalón in der Rechtssache T & L Sugars und Sidul Açúcares/Kommission (C‑456/13 P, EU:C:2014:2283, Nr. 32). Vgl. auch Urteil vom 25. Oktober 2011, Microban International und Microban (Europe)/Kommission (T‑262/10, EU:T:2011:623, Rn. 29).

( 114 ) Siehe oben, Nrn. 162 bis 164.

( 115 ) Urteil vom 6. November 2018, Scuola Elementare Maria Montessori/Kommission, Kommission/Scuola Elementare Maria Montessori und Kommission/Ferracci (C‑622/16 P bis C‑624/16 P, EU:C:2018:873, Rn. 66). Vgl. auch Schlussanträge des Generalanwalts Wathelet in denselben Rechtssachen (EU:C:2018:229, Nr. 71).

( 116 ) Urteil vom 13. September 2018, Gazprom Neft/Rat (T‑735/14 und T‑799/14, EU:T:2018:548, Rn. 102).

( 117 ) Urteile vom 14. Januar 2016, Tilly-Sabco/Kommission (T‑397/13, EU:T:2016:8, Rn. 43), und Doux/Kommission (T‑434/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:7, Rn. 44).

( 118 ) Urteil vom 25. Oktober 2011, Microban International und Microban (Europe)/Kommission (T‑262/10, EU:T:2011:623). Vgl. auch Urteile vom 27. Februar 2013, Bloufin Touna Ellas Naftiki Etaireia u. a./Kommission (T‑367/10, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:97), und vom 12. Juni 2015, Health Food Manufacturers’ Association u. a./Kommission (T‑296/12, EU:T:2015:375).

( 119 ) Siehe oben, Nrn. 173 bis 174 der vorliegenden Schlussanträge.

( 120 ) Siehe oben, Nr. 162 der vorliegenden Schlussanträge.