SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

MICHAL BOBEK

vom 2. April 2020 ( 1 )

Verbundene Rechtssachen C‑724/18 und C‑727/18

Cali Apartments SCI (C‑724/18),

HX (C‑727/18)

gegen

Procureur général près la cour d’appel de Paris,

Ville de Paris

(Vorabentscheidungsersuchen der Cour de cassation [Kassationsgerichtshof, Frankreich])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Niederlassungsfreiheit – Richtlinie 2006/123/EG – Anwendungsbereich – Wiederholte kurzfristige Vermietung von zu Wohnzwecken bestimmten möblierten Räumlichkeiten an Laufkundschaft, die dort keinen Wohnsitz begründet – Nationale Rechtsvorschriften und kommunale Regelungen, die eine solche Vermietung von einer vorherigen Genehmigung und von einer Ausgleichsleistung abhängig machen – Rechtfertigung – Ziel der Gewährleistung hinreichenden und bezahlbaren langfristigen Mietwohnraums – Verhältnismäßigkeit“

I. Einleitung

1.

Gegen Cali Apartments und HX (im Folgenden: Beschwerdeführerinnen) wurden Geldbußen wegen der ungenehmigten Vermietung ihrer jeweiligen Einzimmerwohnungen in Paris (Frankreich) verhängt. Nach französischem Recht bedarf die wiederholte kurzfristige Vermietung möblierten Wohnraums an Laufkundschaft, die dort keinen Wohnsitz begründet, der Genehmigung. Dieses Genehmigungserfordernis haben die Beschwerdeführerinnen vor den nationalen Gerichten als mit ihrer unionsrechtlichen Dienstleistungsfreiheit unvereinbar beanstandet.

2.

In der vorliegenden Rechtssache wird der Gerichtshof erneut um eine Prüfung ersucht, inwieweit das Dienstleistungsrecht der Union auf verschiedene Tätigkeiten der über digitale Plattformen agierenden Peer-to-Peer-Ökonomie anzuwenden ist. Im Gegensatz zu den früheren Rechtssachen, in denen der Schwerpunkt in erster Linie auf der Art der von den Plattformen vorgelagerten selbst angebotenen Tätigkeiten lag ( 2 ), geht es in der vorliegenden Rechtssache jedoch um die sozialen und gesellschaftlichen Auswirkungen, die solche Dienstleistungen nachgelagert auf ihre jeweiligen „Märkte“, wie z. B. den Pariser Wohnungsmarkt, haben.

3.

Die vorliegenden Rechtssachen werfen drei breit angelegte Grundsatzfragen auf. Die Antwort auf die ersten beiden Fragen ist meines Erachtens nicht übermäßig schwierig: Fällt eine nationale Regelung, die die kurzfristige Vermietung möblierten Wohnraums von einer Genehmigung des zuständigen Bürgermeisters abhängig macht, in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2006/123/EG über Dienstleistungen im Binnenmarkt ( 3 ) (im Folgenden: Dienstleistungsrichtlinie)? Falls ja, kann die Einführung einer Genehmigungsregelung für diese Art von Dienstleistung durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt werden, nämlich insbesondere der Gewährleistung eines bezahlbaren langfristigen Wohnraumangebots und dem Schutz der städtischen Umwelt?

4.

Die Bejahung dieser beiden Fragen, die ich dem Gerichtshof vorschlage, führt jedoch zu der tatsächlich schwierigen dritten, vom vorlegenden Gericht aufgeworfenen Fragestellung: Welche Kriterien oder Maßnahmen wären in Bezug auf die verfolgten Gründe des Allgemeininteresses verhältnismäßig? Inwieweit kann, was die kommunalen Regelungen der Stadt Paris angeht, die Erteilung einer solchen Genehmigung von einer Ausgleichsleistung in Form der gleichzeitigen Umwandlung anders genutzter Räumlichkeiten in Wohnraum abhängig gemacht werden?

II. Rechtlicher Rahmen

A.   Unionsrecht

5.

Der neunte Erwägungsgrund der Dienstleistungsrichtlinie lautet:

„Diese Richtlinie findet nur auf die Anforderungen für die Aufnahme oder Ausübung einer Dienstleistungstätigkeit Anwendung. Sie findet somit keine Anwendung auf Anforderungen wie Straßenverkehrsvorschriften, Vorschriften bezüglich der Stadtentwicklung oder Bodennutzung, der Stadtplanung und der Raumordnung, Baunormen sowie verwaltungsrechtliche Sanktionen, die wegen der Nichteinhaltung solcher Vorschriften verhängt werden, die nicht die Dienstleistungstätigkeit als solche regeln oder betreffen, sondern von Dienstleistungserbringern im Zuge der Ausübung ihrer Wirtschaftstätigkeit genauso beachtet werden müssen wie von Privatpersonen.“

6.

Der 27. Erwägungsgrund lautet:

„Diese Richtlinie sollte keine sozialen Dienstleistungen im Bereich Wohnung … erfassen … Diese Dienstleistungen tragen entscheidend dazu bei, das Grundrecht auf Schutz der Würde und Integrität des Menschen zu garantieren; sie sind Ausfluss der Grundsätze des sozialen Zusammenhalts und der Solidarität und sollten daher von dieser Richtlinie unberührt bleiben.“

7.

Art. 2 definiert den Anwendungsbereich der Dienstleistungsrichtlinie. Er bestimmt:

„(1)   Diese Richtlinie gilt für Dienstleistungen, die von einem in einem Mitgliedstaat niedergelassenen Dienstleistungserbringer angeboten werden.

(2)   Diese Richtlinie findet auf folgende Tätigkeiten keine Anwendung:

a)

nicht wirtschaftliche Dienstleistungen von allgemeinem Interesse;

j)

soziale Dienstleistungen im Zusammenhang mit Sozialwohnungen, der Kinderbetreuung und der Unterstützung von Familien und dauerhaft oder vorübergehend hilfsbedürftigen Personen, die vom Staat, durch von ihm beauftragte Dienstleistungserbringer oder durch von ihm als gemeinnützig anerkannte Einrichtungen erbracht werden;

…“

8.

Art. 4 definiert verschiedene, in der Dienstleistungsrichtlinie verwendete Begriffe:

„Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck:

1.

‚Dienstleistung‘ jede von Artikel 50 des Vertrags erfasste selbstständige Tätigkeit, die in der Regel gegen Entgelt erbracht wird;

2.

‚Dienstleistungserbringer‘ jede natürliche Person, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzt, und jede in einem Mitgliedstaat niedergelassene juristische Person im Sinne des Artikels 48 des Vertrags, die eine Dienstleistung anbietet oder erbringt;

6.

‚Genehmigungsregelung‘ jedes Verfahren, das einen Dienstleistungserbringer oder ‑empfänger verpflichtet, bei einer zuständigen Behörde eine förmliche oder stillschweigende Entscheidung über die Aufnahme oder Ausübung einer Dienstleistungstätigkeit zu erwirken;

7.

‚Anforderungen‘ alle Auflagen, Verbote, Bedingungen oder Beschränkungen, die in den Rechts- oder Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten festgelegt sind oder sich aus der Rechtsprechung, der Verwaltungspraxis, den Regeln von Berufsverbänden oder den kollektiven Regeln, die von Berufsvereinigungen oder sonstigen Berufsorganisationen in Ausübung ihrer Rechtsautonomie erlassen wurden, ergeben; Regeln, die in von den Sozialpartnern ausgehandelten Tarifverträgen festgelegt wurden, sind als solche keine Anforderungen im Sinne dieser Richtlinie;

8.

‚zwingende Gründe des Allgemeininteresses‘ Gründe, die der Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung als solche anerkannt hat, einschließlich folgender Gründe: öffentliche Ordnung; öffentliche Sicherheit; Sicherheit der Bevölkerung; öffentliche Gesundheit; Erhaltung des finanziellen Gleichgewichts der Systeme der sozialen Sicherung; Schutz der Verbraucher, der Dienstleistungsempfänger und der Arbeitnehmer; Lauterkeit des Handelsverkehrs; Betrugsbekämpfung; Schutz der Umwelt und der städtischen Umwelt; Tierschutz; geistiges Eigentum; Erhaltung des nationalen historischen und künstlerischen Erbes; Ziele der Sozialpolitik und Ziele der Kulturpolitik;

…“

9.

Art. 9, der am Anfang von Kapitel III („Niederlassungsfreiheit der Dienstleistungserbringer“) der Dienstleistungsrichtlinie steht, enthält Vorschriften über Genehmigungsregelungen:

„(1)   Die Mitgliedstaaten dürfen die Aufnahme und die Ausübung einer Dienstleistungstätigkeit nur dann Genehmigungsregelungen unterwerfen, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

a)

die Genehmigungsregelungen sind für den betreffenden Dienstleistungserbringer nicht diskriminierend;

b)

die Genehmigungsregelungen sind durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt;

c)

das angestrebte Ziel kann nicht durch ein milderes Mittel erreicht werden, insbesondere weil eine nachträgliche Kontrolle zu spät erfolgen würde, um wirksam zu sein.

…“

10.

Art. 10 der Dienstleistungsrichtlinie regelt die Voraussetzungen für die Erteilung einer Genehmigung:

„(1)   Die Genehmigungsregelungen müssen auf Kriterien beruhen, die eine willkürliche Ausübung des Ermessens der zuständigen Behörden verhindern.

(2)   Die in Absatz 1 genannten Kriterien müssen

a)

nicht diskriminierend sein;

b)

durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein;

c)

in Bezug auf diesen Grund des Allgemeininteresses verhältnismäßig sein;

d)

klar und unzweideutig sein;

e)

objektiv sein;

f)

im Voraus bekannt gemacht werden;

g)

transparent und zugänglich sein.

(7)   Dieser Artikel stellt die Verteilung der lokalen oder regionalen Zuständigkeiten der mitgliedstaatlichen Behörden, die solche Genehmigungen erteilen, nicht in Frage.“

11.

Art. 11 der Dienstleistungsrichtlinie betrifft die Geltungsdauer der Genehmigung.

„(1)   Die dem Dienstleistungserbringer erteilte Genehmigung darf nicht befristet werden, es sei denn:

a)

die Genehmigung wird automatisch verlängert oder hängt lediglich von der fortbestehenden Erfüllung der Anforderungen ab;

b)

die Zahl der verfügbaren Genehmigungen ist durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses begrenzt,

oder

c)

eine Befristung ist durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt.

…“

12.

Art. 12 („Auswahl zwischen mehreren Bewerbern“) der Dienstleistungsrichtlinie betrifft den Fall, dass die Zahl der für eine bestimmte Dienstleistungstätigkeit verfügbaren Genehmigungen begrenzt ist. Art. 13 legt Regelungen für Genehmigungsverfahren fest. In Art. 14 und 15 der Dienstleistungsrichtlinie werden unzulässige bzw. einer Prüfung unterliegende Anforderungen genannt.

B.   Französisches Recht

1. Tourismusgesetz

13.

Art. L. 324-1-1 des Code du tourisme (im Folgenden: Tourismusgesetz) bestimmt:

„Wer eine Ferienwohnung zur Vermietung anbietet, hat dies unabhängig davon, wie sie nach diesem Gesetzbuch klassifiziert wird, im Voraus beim Bürgermeister der Gemeinde, in der die Wohnung sich befindet, anzuzeigen.“

2. Bau- und Wohnungsgesetzbuch

14.

Nach Art. L. 631-7 des Code de la construction et de l’habitation (im Folgenden: Bau- und Wohnungsgesetzbuch) bedarf in Gemeinden mit mehr als 200000 Einwohnern die Änderung der Nutzung von Wohnraum der vorherigen Genehmigung nach den Voraussetzungen des Art. L. 631‑7‑1 dieses Gesetzbuchs.

15.

Mit der Loi no 2014-366 du 24 mars 2004 pour l’accès au logement et un urbanisme rénové (im Folgenden: Gesetz Nr. 2014‑366 vom 24. März 2014 über den Zugang zu Wohnraum und erneuerte Stadtplanung) wurde Art. L. 631‑7 des Bau- und Wohnungsgesetzbuchs ein letzter, sechster Absatz hinzugefügt. Nach dieser Bestimmung „[stellt d]ie wiederholte kurzfristige Vermietung von zu Wohnzwecken bestimmten möblierten Räumlichkeiten an Laufkundschaft, die dort keinen Wohnsitz begründet, eine Nutzungsänderung im Sinne dieser Bestimmung dar“.

16.

Art. L. 631-7-1 des Bau- und Wohnungsgesetzbuchs regelt das Verfahren zur Erteilung der Genehmigung nach Art. L. 631‑7:

„Die Vorabgenehmigung für die Nutzungsänderung wird vom Bürgermeister der Gemeinde, in der das betreffende Gebäude sich befindet, erteilt. … Sie kann von der gleichzeitigen Umwandlung von anders genutzten Räumlichkeiten in Wohnraum als Ausgleich abhängig gemacht werden.

Die Genehmigung der Nutzungsänderung wird personenbezogen erteilt. Ihre Wirkungen enden, wenn die gewerbliche Tätigkeit des Genehmigungsinhabers aus welchem Grund auch immer endgültig beendet wird. Wird die Genehmigung allerdings an einen Ausgleich geknüpft, so ist sie an die Räumlichkeiten gebunden und nicht an die Person. Die zum Ausgleich angebotenen Räumlichkeiten werden in der im Immobilienregister veröffentlichten oder im Grundbuch eingetragenen Genehmigung angeführt.

Für die Anwendung von Art. L. 631-7 werden die Voraussetzungen für die Erteilung der Genehmigungen und die Bestimmung der Ausgleichsleistungen je nach Stadtviertel und gegebenenfalls nach Gemeindebezirk (Arrondissement) im Hinblick auf die Ziele der sozialen Durchmischung, insbesondere anhand der Merkmale des Wohnungsmarkts sowie der Notwendigkeit, der Wohnungsknappheit Einhalt zu gebieten, mit Verordnung des Gemeinderats festgelegt. …“

17.

Der Gemeinderat kann auch eine befristete Genehmigungsregelung nach Art. L. 631‑7‑1‑A des Bau- und Wohnungsgesetzbuchs erlassen, wonach durch Verordnung des Gemeinderats eine befristete Regelung für die Genehmigung von Nutzungsänderungen festgelegt werden kann, die es einer natürlichen Person erlaubt, für Wohnzwecke bestimmte Räumlichkeiten kurzfristig an Laufkundschaft, die dort keinen Wohnsitz begründet, zu vermieten. In der Verordnung sind die Voraussetzungen für die Erteilung dieser befristeten Genehmigung durch den Bürgermeister der Gemeinde, in der die Räumlichkeiten sich befinden, festzulegen. Dort werden auch die Kriterien für diese befristete Genehmigung, die sich auf die Dauer der Mietverträge, die physischen Merkmale der Räumlichkeiten sowie auf deren Lage beziehen können, insbesondere anhand der Merkmale des Wohnungsmarkts und der Notwendigkeit, der Wohnungsknappheit Einhalt zu gebieten, bestimmt. Diese Kriterien können je nach Zahl der einem bestimmten Eigentümer erteilten Genehmigungen angepasst werden.

18.

Nach Art. L. 631-7-1-A des Bau- und Wohnungsgesetzbuchs ist keine Nutzungsänderungsgenehmigung erforderlich, wenn die Räumlichkeiten den Hauptwohnsitz des Vermieters im Sinne des Art. 2 des Gesetzes vom 6. Juli 1989 bilden, d. h., wenn die Wohnung zumindest acht Monate im Jahr vom Vermieter, seinem Ehegatten oder einer von ihm betreuten Person bewohnt wird, außer in Fällen von beruflichen Verpflichtungen, gesundheitlichen Gründen oder höherer Gewalt.

19.

Art. L. 651-2 des Bau- und Wohnungsgesetzbuchs regelt die für Verstöße geltenden Sanktionen und Maßnahmen:

„Wer gegen die Bestimmungen des Art. L. 631-7 verstößt oder die Bedingungen bzw. Verpflichtungen nach diesem Artikel nicht einhält, ist mit einer Geldstrafe in Höhe von 25000 Euro zu bestrafen.“

3. Gemeindeverordnung der Stadt Paris zur Festlegung der Voraussetzungen für die Erteilung von Genehmigungen und der Ausgleichsleistungen

20.

Art. 2 des Règlement municipal de la Ville de Paris fixant les conditions de délivrance des autorisations de changement d’usage de locaux d’habitation et déterminant les compensations en application de la section 2 du chapitre 1er du titre III du livre IV du Code de la construction et de l’habitation (Gemeindeverordnung der Stadt Paris zur Festlegung der Voraussetzungen für die Erteilung von Genehmigungen und der Ausgleichsleistungen) bestimmt:

„I – Der Ausgleich besteht in der Umwandlung von Räumlichkeiten, die am 1. Januar 1970 anders als zu Wohnzwecken genutzt wurden oder für die nach dem 1. Januar 1970 eine Baugenehmigung zur Änderung des Bestimmungszwecks erteilt wurde und die nicht bereits zu Zwecken eines Ausgleichs verwendet wurden.

Die zum Ausgleich angebotenen Räumlichkeiten müssen folgende kumulativen Voraussetzungen erfüllen:

a)

Es muss sich um Wohneinheiten handeln, deren Standard und Fläche den Räumlichkeiten entsprechen, die Gegenstand der Nutzungsänderung sind; maßgebend für die Beurteilung ist die Eignung der Räumlichkeiten für Wohnzwecke. Die zum Ausgleich angebotenen Räumlichkeiten müssen den Standards nach der Verordnung vom 30. Januar 2002 über Merkmale angemessener Wohnräume genügen.

b)

Sie müssen sich im selben Gemeindebezirk (Arrondissement) befinden wie die Wohnräume, die Gegenstand der Nutzungsänderung sind.

Die Fläche wird nach Art. R 111-2 des Bau- und Wohnungsgesetzbuchs berechnet.

II – In Gebieten, für die ein erhöhter Ausgleich gilt und die in Anhang Nr. 1 bezeichnet sind, müssen abweichend von Abs. I Unterabs. a die zum Ausgleich angebotenen Räumlichkeiten die doppelte Grundfläche haben wie diejenigen, die Gegenstand eines Antrags auf Nutzungsänderung sind, es sei denn, diese Räumlichkeiten werden für eine Dauer von mindestens 20 Jahren in Sozialmietwohnungen umgewandelt, die Gegenstand einer Vereinbarung nach Art. L 351‑2 des Bau- und Wohnungsgesetzbuchs sind.

Abweichend von Abs. I Unterabs. b können Sozialmietwohnungen, die umgewandelte Räumlichkeiten in Gebieten ausgleichen, für die ein erhöhter Ausgleich gilt, sich in jedem Teil dieser Gebiete befinden. Befinden sich die umgewandelten Räumlichkeiten jedoch im 1., 2., 4., 5., 6., 7., 8. oder 9. Bezirk, die im Verhältnis zum Aktivitätsniveau einen besonders schwerwiegenden Wohnraummangel aufweisen, können höchstens 50 % der umgewandelten Fläche mit Flächen außerhalb des Bezirks, in dem die Umwandlung stattfinden soll, ausgeglichen werden.

Diese Bezirke sind durch ein Verhältnis der Zahl der Arbeitnehmer- Beschäftigungsverhältnisse zur Zahl der beschäftigten Bewohner nach Messung des INSEE [französisches Nationales Institut für Statistik und Wirtschaftsforschung] gekennzeichnet, das über dem Durchschnitt für Paris liegt.

Soweit alle zum Ausgleich angebotenen Einheiten sich außerhalb des Bezirks befinden können, in dem die Umwandlung stattfinden soll, muss die Zahl der zum Ausgleich angebotenen Wohneinheiten mindestens die Zahl der aufgelösten Wohneinheiten erreichen.

Werden Räumlichkeiten innerhalb derselben baulichen Einheit von ein und demselben Eigentümer im Zusammenhang mit einer Rationalisierung des Wohnraums innerhalb dieser baulichen Einheit umgewandelt und ausgeglichen, entspricht die für den Ausgleich erforderliche Mindestfläche der Fläche der umgewandelten Räumlichkeiten.“

III. Sachverhalt, Verfahren und Vorlagefragen

21.

Die Beschwerdeführerinnen sind jeweils Eigentümerin einer Einzimmerwohnung in Paris.

22.

Im Jahr 2015 führten die städtischen Dienststellen der Stadt Paris eine Überprüfung im Hinblick darauf durch, ob die Beschwerdeführerinnen ihre Einzimmerwohnungen ungenehmigt als möblierte Kurzzeitunterkünfte auf der Airbnb-Plattform vermieteten. Im Anschluss an diese Ermittlungen stellte der Procureur de la République (Staatsanwalt) einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gegen die Beschwerdeführerinnen. Das Tribunal de grande instance de Paris (Regionalgericht Paris, Frankreich) verurteilte die Beschwerdeführerinnen zu einer Geldbuße und ordnete an, das Objekt wieder einer Nutzung zu Wohnzwecken zuzuführen. Die Stadt Paris trat dem Rechtsstreit als Streithelferin bei.

23.

Im Berufungsverfahren hat die Cour d’appel de Paris (Berufungsgericht Paris, Frankreich) mit zwei, jede der Beschwerdeführerinnen betreffenden Urteilen vom 19. Mai 2017 und 15. Juni 2017 bestätigt, dass die in Rede stehenden Einzimmerwohnungen, die über die Airbnb-Plattform zur Vermietung angeboten worden seien, ohne vorherige Genehmigung des Bürgermeisters von Paris kurzfristig an Laufkundschaft vermietet worden seien, was gegen Art. L. 631‑7 des Bau- und Wohnungsgesetzbuchs verstoße. Die Cour d’appel (Berufungsgericht) verurteilte die Beschwerdeführerinnen Cali Apartments und HX zur Zahlung von Geldbußen in Höhe von 15000 Euro bzw. 25000 Euro. Die Einnahmen aus den Bußgeldzahlungen sollten der Stadt Paris zufließen.

24.

Die Beschwerdeführerinnen legten Kassationsbeschwerden bei der Cour de cassation (Kassationsgerichtshof, Frankreich), dem vorlegenden Gericht, ein. Nach Ansicht der Beschwerdeführerinnen verstoßen die Berufungsurteile insofern gegen den Grundsatz des Vorrangs des Unionsrechts, als das Berufungsgericht nicht festgestellt habe, dass die sich aus den in Rede stehenden Rechtsvorschriften ergebende Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt sei. Ferner habe die Cour d’appel (Berufungsgericht) nicht festgestellt, dass das mit diesen Rechtsvorschriften angestrebte Ziel nicht durch ein milderes Mittel erreicht werden könnte, wie es Art. 9 Buchst. b und c der Dienstleistungsrichtlinie verlange.

25.

Vor diesem tatsächlichen und rechtlichen Hintergrund legt das vorlegende Gericht dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vor:

1.

Findet die Dienstleistungsrichtlinie angesichts der Festlegung ihres Gegenstands und Anwendungsbereichs durch ihre Art. 1 und 2 auf die entgeltliche, auch nicht gewerbsmäßige, wiederholte kurzfristige Vermietung von zu Wohnzwecken genutzten möblierten Räumlichkeiten, die nicht den Hauptwohnsitz des Vermieters darstellen, an Laufkundschaft, die dort keinen Wohnsitz begründet, Anwendung, insbesondere im Hinblick auf die Begriffe „Dienstleistungserbringer“ und „Dienstleistungen“?

2.

Für den Fall der Bejahung der vorstehenden Frage: Stellt eine nationale Regelung wie jene in Art. L. 631‑7 des Bau- und Wohnungsgesetzbuchs eine Genehmigungsregelung für die betreffende Tätigkeit im Sinne der Art. 9 bis 13 der Dienstleistungsrichtlinie oder lediglich eine den Bestimmungen der Art. 14 und 15 unterliegende Anforderung dar?

Für den Fall der Anwendbarkeit der Art. 9 bis 13 der Dienstleistungsrichtlinie:

3.

Ist Art. 9 Buchst. b dieser Richtlinie dahin auszulegen, dass das Ziel der Bekämpfung der Mietwohnungsknappheit einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses darstellt, der eine nationale Maßnahme rechtfertigen kann, die die wiederholte kurzfristige Vermietung von zu Wohnzwecken bestimmten möblierten Räumlichkeiten an eine Laufkundschaft, die dort keinen Wohnsitz begründet, in bestimmten örtlichen Gebieten einer Genehmigungspflicht unterwirft?

4.

Bejahendenfalls: Steht eine solche Maßnahme im Verhältnis zum verfolgten Ziel?

5.

Steht Art. 10 Abs. 2 Buchst. d und e der Richtlinie einer nationalen Maßnahme entgegen, die die „wiederholte“„kurzfristige“ Vermietung von zu Wohnzwecken bestimmten möblierten Räumlichkeiten an eine „Laufkundschaft, die dort keinen Wohnsitz begründet“, einer Genehmigungspflicht unterwirft?

6.

Steht Art. 10 Abs. 2 Buchst. d bis g der Richtlinie einer Genehmigungsregelung entgegen, die vorsieht, dass die Voraussetzungen für die Erteilung der Genehmigung mit Verordnung des Gemeinderats im Hinblick auf die Ziele der sozialen Durchmischung, insbesondere anhand der Merkmale des Wohnungsmarkts, sowie der Notwendigkeit, der Wohnungsknappheit Einhalt zu gebieten, festgelegt werden?

26.

Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 18. Dezember 2018 sind die Rechtssachen C‑724/18 (betreffend Cali Apartments) und C‑727/18 (betreffend HX) zu gemeinsamem schriftlichen und mündlichen Verfahren und zu gemeinsamer Entscheidung verbunden worden.

27.

Die Beschwerdeführerinnen, die Stadt Paris, die tschechische und die deutsche Regierung, Irland, die griechische, die spanische, die französische, die niederländische und die polnische Regierung sowie die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht. Mit Ausnahme der polnischen Regierung haben sämtliche vorgenannten Beteiligten an der mündlichen Verhandlung vom 19. November 2019 teilgenommen.

IV. Würdigung

28.

In den Fragen 1 und 2 geht es um die Anwendbarkeit der Dienstleistungsrichtlinie auf die vorliegenden Rechtssachen. Frage 1 bezieht sich auf den Anwendungsbereich dieser Richtlinie; mit Frage 2 soll geklärt werden, welche konkreten Bestimmungen der Richtlinie auf die vorliegenden Rechtssachen anwendbar sind, insbesondere im Hinblick auf die Bestimmungen zu „Genehmigungsregelungen“ und „Anforderungen“ im Sinne von Kapitel III der Dienstleistungsrichtlinie.

29.

Ausgehend davon, dass die Vorschriften, wonach die kurzfristige Vermietung einer möblierten Unterkunft an Laufkundschaft einer „Genehmigungsregelung“ unterstellt wird, fragt das vorlegende Gericht sodann mit seinen Fragen 3 bis 6 nach der Vereinbarkeit dieser Regelung mit den für solche Regelungen geltenden Bestimmungen in den Art. 9 und 10 der Dienstleistungsrichtlinie. Insbesondere geht es in den Fragen 3 und 4 um die Rechtfertigung und die Verhältnismäßigkeit der in Rede stehenden Regelungen. Mit seinen Fragen 5 und 6 wiederum möchte das vorlegende Gericht in Erfahrung bringen, ob diese Regelungen die übrigen Voraussetzungen für die Erteilung der Genehmigung in Art. 10 Abs. 2 der Dienstleistungsrichtlinie erfüllen.

30.

Der Aufbau der vorliegenden Schlussanträge folgt den Grundgedanken der vom vorlegenden Gericht ermittelten Rechtsfragen. Ich werde zunächst prüfen, ob die Dienstleistungsrichtlinie auf die vorliegenden Rechtssachen anwendbar ist (A), und die einschlägigen Bestimmungen ermitteln (B). Sodann werde ich auf die Frage der Vereinbarkeit der streitigen Genehmigungsregelung, sowohl was ihre Einführung als auch die darin festgelegten konkreten Voraussetzungen angeht, mit den verschiedenen Voraussetzungen nach Art. 9 Abs. 1 und Art. 10 Abs. 2 der Dienstleistungsrichtlinie eingehen (C).

31.

Bevor mit dieser Prüfung begonnen wird, ist zu klären, welchen Gegenstand die Prüfung insgesamt hat. Sind die nationalen Vorschriften (wiedergegeben oben in den Nrn. 13 bis 19 der vorliegenden Schlussanträge), die kommunalen Vorschriften der Stadt Paris (siehe oben, Nr. 20) oder beide in Verbindung miteinander zu prüfen?

32.

Zwar stellt das vorlegende Gericht seine Fragen lediglich in Bezug auf die nationalen Vorschriften, die die wiederholte kurzfristige Vermietung von zu Wohnzwecken bestimmten möblierten Räumlichkeiten von einer Genehmigung durch die zuständige Behörde bzw. den Bürgermeister abhängig machen ( 4 ). Die nationalen Vorschriften legen jedoch nur den allgemeinen Rahmen dieser Genehmigungen fest. Sie ermächtigen die Gemeinderäte zum Erlass von Regelungen zur Ausfüllung dieses Rahmens ( 5 ).

33.

In Ausübung dieser Befugnisse hat die Stadt Paris konkrete, in den Gemeindeverordnungen vorgesehene Regelungen über die Voraussetzungen für die Erteilung von Genehmigungen und die Festlegung der Ausgleichsleistungen erlassen. In gewissem Maße füllen die kommunalen Regelungen den allgemeinen nationalen Rahmen mit einem konkreten Inhalt. Die kommunalen Regelungen sind im französischen Kontext auch in praktischer Hinsicht von Bedeutung, da die aus Geldbußen für die ungenehmigte kurzfristige Vermietung möblierter Unterkünfte stammenden Geldmittel offenbar in vollem Umfang dem Haushalt der Gemeinde zufließen, in dem die Räumlichkeiten sich befinden.

34.

Mit der Dienstleistungsrichtlinie hat der Unionsgesetzgeber die Bedeutung der Berücksichtigung lokaler Regelungen im Hinblick auf die Genehmigungen erteilenden zuständigen Behörden zumindest in zwei Formen anerkannt. Erstens setzt bereits der sich aus Art. 10 Abs. 2 der Dienstleistungsrichtlinie ergebende Prüfungsrahmen die Prüfung konkreter Genehmigungsregelungen, und somit gegebenenfalls durch lokale und nationale Vorschriften ausgestalteter Regelungen, voraus ( 6 ). Zweitens stellt Art. 10 Abs. 7 der Dienstleistungsrichtlinie klar, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Genehmigung die Verteilung der lokalen oder regionalen Zuständigkeiten der mitgliedstaatlichen Behörden, die solche Genehmigungen erteilen, nicht in Frage stellen dürfen.

35.

Im Ergebnis handelt es sich bei der in der vorliegenden Rechtssache in Rede stehenden Genehmigungsregelung um ein Paket aus nationalen und kommunalen Regelungen. Für die Beurteilung der Vereinbarkeit eines solchen Gesetzespakets mit dem Unionsrecht ist sein gesamter Inhalt zu untersuchen, und nicht nur seine einzelnen Regelungsebenen. Jeder potenzielle Dienstleistungserbringer in Paris würde dies von diesem Standpunkt aus betrachten, da er logischerweise beiden Regelungsebenen unterliegen würde und nicht nur der nationalen. Diesem Ansatz wird auch in den vorliegenden Schlussanträgen gefolgt.

A.   Anwendbarkeit der Dienstleistungsrichtlinie

36.

Findet die Dienstleistungsrichtlinie auf die wiederholte, kurzfristige, entgeltliche, auch nicht gewerbsmäßige, Vermietung von zu Wohnzwecken bestimmten möblierten Räumlichkeiten, die nicht den Hauptwohnsitz des Vermieters darstellen, an Laufkundschaft, die dort keinen Wohnsitz begründet, Anwendung?

37.

Mit Ausnahme der deutschen Regierung und Irlands sind alle Verfahrensbeteiligten der Ansicht, dass die Dienstleistungsrichtlinie in den vorliegenden Rechtssachen anwendbar sei.

38.

Nach Ansicht der deutschen Regierung regelt Art. L. 631‑7 des Bau- und Wohnungsgesetzbuchs keine Dienstleistung, sondern die Änderung der Nutzung von Wohnraum. Diese Bestimmung gelte nicht nur für Dienstleistungserbringer, die ihre Räumlichkeiten kurzfristig an Laufkundschaft vermieten wollten, sondern für jede Privatperson, die die Nutzung von Wohnraum ändern wolle. Eine solche Nutzungsänderung könne z. B. in der Nutzung der Räumlichkeiten als Wohnung für Wohnungslose oder Flüchtlinge bestehen. Diese Tätigkeiten seien nach den Erwägungsgründen 9 und 27 sowie Art. 2 Abs. 2 Buchst. j vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausdrücklich ausgenommen. Gleiches müsse für Regelungen über Nutzungsänderungen gelten, mit denen gewährleistet werden solle, dass hinreichend bezahlbarer Wohnraum zur Verfügung stehe.

39.

Nach Ansicht Irlands enthält das Bau- und Wohnungsgesetzbuch Regelungen für die Entwicklung und Nutzung von Flächen, insbesondere von Wohnraum. Art. L. 631‑7 des Bau- und Wohnungsgesetzbuchs regele die näheren Modalitäten einer Änderung der Nutzung und der gemischten Nutzung von Wohnraum. Im Licht des neunten Erwägungsgrundes der Dienstleistungsrichtlinie, wonach diese Richtlinie keine Anwendung auf „Vorschriften bezüglich der Stadtentwicklung oder Bodennutzung, der Stadtplanung und der Raumordnung [oder] Baunormen“ finde, sei diese Richtlinie auf Art. L. 631‑7 des Bau- und Wohnungsgesetzbuchs nicht anwendbar. Die französischen Regelungen sollten die Knappheit von Mietwohnraum bekämpfen, was ein wichtiges sozialpolitisches Ziel sei, indem Bodennutzung und Stadtplanung wirksam reguliert würden, sie sollten sich aber nicht auf den Zugang zu oder die Ausübung einer bestimmten Tätigkeit auswirken.

40.

Meines Erachtens ist die Erbringung von Dienstleistungen einer kurzfristigen Vermietung gegen Entgelt eine Dienstleistung, die eindeutig wirtschaftlicher Art ist. Das Erwirken einer Nutzungsänderung für Wohnraum ist lediglich eine Anforderung, die sich auf den Zugang zur Erbringung dieser konkreten Dienstleistung auswirkt.

41.

In Anbetracht der in Rede stehenden Tätigkeit dürfte recht offensichtlich keine der in Art. 2 Abs. 2 und 3 der Dienstleistungsrichtlinie geregelten Ausnahmen anwendbar sein.

42.

Art. 2 Abs. 2 Buchst. j der Dienstleistungsrichtlinie, der die von der deutschen Regierung angeführten sozialen Dienstleistungen im Zusammenhang mit Sozialwohnungen ausnimmt, ist in der vorliegenden Rechtssache eindeutig nicht anwendbar. Das Argument, dass die gleichen Regelungen, die ein Eigentümer bei der Nutzung des Objekts zu wirtschaftlichen Zwecken beachten müsse, möglicherweise auch bei Änderungen der Nutzung eines Objekts zu sonstigen, nicht wirtschaftlichen Zwecken, wie z. B. Sozialwohnungen, gelten könnten, ist angesichts des eindeutigen Sachverhalts der vorliegenden Rechtssache hochgradig spekulativ und bedarf keiner detaillierten Erörterung.

43.

Ebenso kann angesichts der auf Gewinnerzielung ausgerichteten Art der Gegenleistung für die Dienstleistung ( 7 ) die in Rede stehende Tätigkeit eindeutig nicht als nicht wirtschaftliche Dienstleistung von allgemeinem Interesse im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Dienstleistungsrichtlinie eingestuft werden. Daher ist auch diese Ausnahme nicht anwendbar.

44.

Vielmehr dürfte davon auszugehen sein, dass die Vermietung von Unterkünften, wie jede andere Dienstleistung im Bereich des Tourismus, in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen sollte. Auch wenn dies in der Dienstleistungsrichtlinie nicht ausdrücklich erwähnt wird, sind nach dem 33. Erwägungsgrund Dienstleistungen des Immobilienwesens und Verbraucherdienstleistungen, beispielsweise im Bereich des Fremdenverkehrs, ebenfalls von der Richtlinie erfasst. Außerdem bestätigt auch das Handbuch der Europäischen Kommission zur Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie, auch wenn es sicherlich nicht verbindlich ist ( 8 ), dass Vermietungstätigkeiten zu den Tätigkeiten gehören, die als Dienstleistungen angesehen werden können ( 9 ).

45.

Das weitere Argument der deutschen Regierung und vor allem Irlands zum neunten Erwägungsgrund verdient eingehendere Erörterung. In diesem Erwägungsgrund heißt es: „Diese Richtlinie findet nur auf die Anforderungen für die Aufnahme oder Ausübung einer Dienstleistungstätigkeit Anwendung. Sie findet somit keine Anwendung auf Anforderungen wie Straßenverkehrsvorschriften, Vorschriften bezüglich der Stadtentwicklung oder Bodennutzung, der Stadtplanung und der Raumordnung, Baunormen sowie verwaltungsrechtliche Sanktionen, die wegen der Nichteinhaltung solcher Vorschriften verhängt werden, die nicht die Dienstleistungstätigkeit als solche regeln oder betreffen, sondern von Dienstleistungserbringern im Zuge der Ausübung ihrer Wirtschaftstätigkeit genauso beachtet werden müssen wie von Privatpersonen.“

46.

Ich halte es für zweckmäßig, den neunten Erwägungsgrund hier vollständig wiederzugeben. Aus dem Erwägungsgrund in seiner Gesamtheit, einschließlich seines ersten Satzes und der zweiten Hälfte des zweiten Satzes, ergibt sich eindeutig, warum das Vorbringen Irlands und der deutschen Regierung nicht überzeugen kann.

47.

Erstens ist daran zu erinnern, dass es sich bei dem neunten Erwägungsgrund lediglich um einen Erwägungsgrund handelt ( 10 ). Es gibt keine entsprechende Vorschrift im bestimmenden Teil der Dienstleistungsrichtlinie, die eine Gesamtausnahme ähnlich derjenigen in Art. 2 Abs. 2 und 3 der Richtlinie vorsieht. Meines Erachtens kann ein Erwägungsgrund für sich genommen und ohne eine ihm entsprechende Vorschrift im Gesetzestext keine neue Gesamtausnahme bilden, die sich im verfügenden Teil des Unionsrechtsakts nirgends widerspiegelt ( 11 ).

48.

Zweitens sei, auch wenn die Prüfung damit noch nicht abgeschlossen sein sollte, was sie meines Erachtens sein könnte und sollte, ergänzt, dass der neunte Erwägungsgrund jedenfalls etwas anderes zum Gegenstand hat als die Hinzufügung einer bereichsspezifischen Ausnahme vom Anwendungsbereich der Richtlinie.

49.

In Satz 1 des neunten Erwägungsgrundes wird zunächst der Grundsatz bestätigt, dass die Richtlinie auf die Anforderungen für die Aufnahme einer Dienstleistungstätigkeit Anwendung findet. Somit fallen alle Regelungen in jedwedem Bereich, die eine Voraussetzung für den Zugang zu einer Dienstleistung aufstellen, einschließlich der Anforderungen an eine Änderung der Nutzung eines Grundstücks, in den Anwendungsbereich der Richtlinie. Es gibt jedoch eine Einschränkung: Die Richtlinie findet „nur“ auf solche Anforderungen Anwendung.

50.

Deshalb beginnt Satz 2 mit „somit“, gefolgt von einer Aufzählung, die mit einem sie als beispielhaft kennzeichnenden „wie“ eingeleitet wird. Dieser Teil des zweiten Satzes ist jedoch weit davon entfernt, bereichsbezogene Gesamtausnahmen vom Anwendungsbereich der Richtlinie hinzuzufügen, und bestätigt lediglich, dass potenzielle Dienstleistungserbringer sich allgemein anwendbaren Regulierungsvorschriften nicht mit der Begründung widersetzen können, dass sie ihre unbeschränkte Dienstleistungsfreiheit behindere. Diese Dienstleistungserbringer können somit keine besonderen Regulierungsvorschriften verlangen, die sich von der für „Privatpersonen“ geltenden Regelung unterscheiden würde, wie sich aus dem Erwägungsgrund ergibt.

51.

Einfach gesagt, bekräftigt der neunte Erwägungsgrund lediglich, dass allgemein anwendbare Regelungen, die nicht konkret Dienstleistungen regeln und für jedermann, also gleichermaßen für Privatpersonen wie Dienstleistungserbringer, gelten, von der Dienstleistungsrichtlinie unberührt bleiben sollen. Diese Bekräftigung gilt für die gesamte Bandbreite aller Bereiche (regulatorischer) Rechtsvorschriften. Aus diesem Grund ist die Aufzählung folgerichtig auch lediglich beispielhaft und beginnt mit „wie“, so dass sie auch weitere Bereiche ( 12 ) wie beispielsweise etwa Umweltstandards oder Vorschriften über die Lebensmittelsicherheit einschließen könnte. Schließlich ist dies auch der Grund dafür, warum sich in keinem der Artikel der Richtlinie eine entsprechende Vorschrift mit verfügendem Charakter findet, die den Inhalt des neunten Erwägungsgrundes widerspiegelt: Mit diesem Erwägungsgrund sollten zu keinem Zeitpunkt ein oder mehrere konkrete Bereiche vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgenommen werden. Mit ihm sollte lediglich bekräftigt werden, dass von den Bestimmungen der Richtlinie nicht in der Weise Gebrauch gemacht werden darf, dass die in einem Mitgliedstaat allgemein geltende Regelung abgeschwächt oder bedeutungslos würde.

52.

In der mündlichen Verhandlung hat die Europäische Kommission als Beispiel für den Zweck, der mit dem neunten Erwägungsgrund verfolgt wird, das hypothetische Beispiel angeführt, dass ein Autofahrer, der aus einem Land kommt, in dem die Fahrzeuge auf der rechten Straßenseite fahren, sich gegen die inländische Verkehrsregel eines Mitgliedstaats wende, in dem die Fahrzeuge auf der linken Seite fahren, weil sie eine Anforderung darstelle, die seinen Zugang zur Erbringung von Dienstleistungen in einem anderen Mitgliedstaat beschränke. Ohne in die zweifelsohne leidenschaftliche Diskussion eintreten zu wollen, inwieweit Art. 56 AEUV oder die Dienstleistungsrichtlinie tatsächlich auf Verkehrsdienstleistungen anwendbar sein könnten, ist das angeführte Beispiel recht aussagekräftig. Es ließe sich eine Reihe weiterer Beispiele nennen: ein potenzieller Dienstleistungserbringer, der Stadtplanungen oder sonstige Raumordnungsvorschriften anficht, Einwände gegen die Modalitäten der Abgabe von Steuererklärungen, der Verwaltung der Strafregister oder wie Umweltstandards für Emissionen und Verschmutzung erlassen werden usw. Die von jeder dieser allgemein anwendbaren Regulierungsvorschriften umfassten nationalen Bestimmungen könnten stets mit der gleichen Begründung in Frage gestellt werden, nämlich dass das Bestehen gerade dieser Regelungen eine Beschränkung einer ungehinderten Dienstleistungsfreiheit sei.

53.

Wie im neunten Erwägungsgrund angegeben, sollte gerade dies ausgeschlossen sein. Gemeinsam ist allen diesen Beispielen ihre Entferntheit und Mittelbarkeit. In den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen Regelungen über (den Zugang zu) Dienstleistungen, nicht aber allgemein anwendbare Regelungen, die in keiner Weise zwischen Dienstleistungserbringern und sonstigen Privatpersonen unterscheiden. Wie der erste Satz des neunten Erwägungsgrundes bestätigt, sind Anforderungen, die Voraussetzungen für den Zugang zur Erbringung einer Dienstleistung betreffen, ungeachtet des Rechtsgebiets, dem sie entstammen mögen, eindeutig erfasst.

54.

Dieser Grundgedanke weicht deutlich vom Vorbringen Irlands und der deutschen Regierung ab, wonach im Wesentlichen die Formulierung „Vorschriften bezüglich der Stadtentwicklung oder Bodennutzung, der Stadtplanung und der Raumordnung“ als weitere Gesamtausnahme vom Anwendungsbereich der Richtlinie verstanden werden soll. Somit könnten nationale Vorschriften über die Bodennutzung, Stadtplanung oder Raumordnung niemals in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen. Dies ist nicht so und kann nicht so sein.

55.

Drittens ist auch die Unterscheidung zwischen Regelungen über Grundbesitz, auf die der neunte Erwägungsgrund aufbaut, je nachdem, ob sie die Aufnahme oder Ausübung einer Dienstleistungstätigkeit regeln oder betreffen, vom Gerichtshof bereits im Urteil Visser behandelt worden ( 13 ).

56.

In der Rechtssache Visser ging es um Vorschriften in einem Bauleitplan einer Gemeinde, die die Tätigkeit des Einzelhandels mit Waren ohne großen Platzbedarf in Gebieten außerhalb des Stadtzentrums einer niederländischen Gemeinde verboten. In diesem Kontext konzentrierte der Gerichtshof sich im Rahmen der Beurteilung des Bauleitplans auf die in Rede stehende Wirtschaftstätigkeit und nicht auf die Natur des Plans selbst als Maßnahme der Stadtentwicklung oder Bodennutzung. Der Gerichtshof stellte insbesondere fest, dass „die im Ausgangsverfahren fraglichen Vorschriften … zwar im Rahmen einer städtebaulichen Politik dazu dienen sollen, die Lebensqualität im Stadtzentrum [dieser] Gemeinde … zu erhalten und Leerstand im Stadtgebiet zu vermeiden, dass sie aber dennoch den spezifischen Zweck haben, Gebiete auszuweisen, in denen bestimmte Einzelhandelstätigkeiten aufgenommen werden können“ ( 14 ). Mit dieser Begründung kam der Gerichtshof zu dem Ergebnis, dass sie sich nur an Personen richten, die beabsichtigen, solche Tätigkeiten in diesen Gebieten aufzunehmen, und nicht an Privatpersonen.

57.

Aus diesem Urteil ergibt sich, dass der Gerichtshof, soweit es um Regelungen über Grundbesitz geht und dieser für Zwecke der Gewinnerzielung genutzt wird, zwischen dem spezifischen Zweck und dem Gesamtziel der fraglichen Vorschriften unterscheidet. Dass das (Haupt‑)Ziel in erster Linie die Stadtplanung betrifft, schließt nicht aus, dass diese Vorschriften unter die Dienstleistungsrichtlinie fallen, wenn ihr spezifischer Zweck sich auf eine Wirtschaftstätigkeit bezieht. Nach dem neunten Erwägungsgrund findet die Dienstleistungsrichtlinie nämlich auf Regelungen für die Aufnahme oder Ausübung einer Dienstleistungstätigkeit Anwendung ( 15 ).

58.

Aus dem Urteil Visser folgt somit eindeutig, dass Regelungen über die Nutzung von Grundbesitz in den Anwendungsbereich der Dienstleistungsrichtlinie fallen, soweit sie Wirtschaftstätigkeiten berühren und sich damit auf den Zugang zum Markt für Dienstleistungen oder auf die Ausübung einer Dienstleistungstätigkeit auswirken ( 16 ).

59.

In den vorliegenden Rechtssachen haben die in Rede stehenden Regelungen wie in der Rechtssache Visser ebenfalls eine Doppelnatur. Sie gehören zu einer Gesamtheit von Regelungen, die die „Nutzungsänderungen“ von zur Nutzung als Wohnraum bestimmtem Grundbesitz einem Genehmigungserfordernis unterwerfen, was für eine enge Verbindung mit der Bodennutzung oder Stadtplanung spricht. Diese Vorschriften sind jedoch auch von wesentlicher Bedeutung für die Aufnahme und Ausübung einer bestimmten Dienstleistungstätigkeit.

60.

Viertens weist schließlich die vorliegende Rechtssache allerdings eine Besonderheit auf, die sie von der Rechtssache Visser unterscheidet und die vielleicht, wenngleich in anderer Art und Weise, die von der deutschen Regierung und Irland vorgetragenen Vorbehalte zum Ausdruck bringt. In der Rechtssache Visser könnten die Regelungen, auch wenn sie unterschiedslos Anwendung fanden, als ihrer Natur nach auf eine konkrete Gruppe von Dienstleistungserbringern ausgerichtet aufgefasst werden. Die Wirtschaftstätigkeit, auf die der in Rede stehende Bauleitplan ausgerichtet war, hätte nämlich vernünftigerweise nur von einer konkreten spezialisierten Gruppe von Dienstleistungserbringern ausgeübt werden können.

61.

In der vorliegenden Rechtssache gibt es im Gegensatz zum Urteil Visser keine erkennbare (fachliche) Gruppe von Dienstleistungserbringern. Es gibt auch keine klar definierbare Gruppe von Dienstleistungsempfängern. Beide Seiten sind keine Gewerbetreibenden.

62.

Insoweit würde ich einräumen, dass Regelungen über eine Nutzungsänderung von Grundbesitz in gewisser Weise unterschiedslos auf Änderungen der Nutzung des Grundbesitzes Anwendung finden und sich nicht unbedingt auf eine kurzfristige Vermietung möblierter Unterkünfte beschränken. Dies liegt jedoch zum Teil gerade in der Natur der Peer-to-Peer-Ökonomie begründet, in der die Trennlinie zwischen gewerblichen und nicht gewerblichen Anbietern verschwunden ist ( 17 ). In einem solchen Umfeld wird es vielfach nur mit allgemein anwendbaren Regelungen möglich sein, eine solche Tätigkeit tatsächlich zu regulieren. Wenn mit anderen Worten jedermann Dienstleistungserbringer ist, verliert ein Kriterium, wonach nur solche Regelungen erfasst sind, die konkret auf eine Dienstleistungstätigkeit abzielen (und nicht solche, die auch auf alle sonstigen Privatpersonen anwendbar sind), einen großen Teil ihres Differenzierungsvermögens.

63.

Im Ergebnis ist ausreichend, wenn die allgemein anwendbaren Regelungen, gleich welcher Natur, den Zugang zur Erbringung einer Dienstleistung regeln oder betreffen, was zu der Grundaussage in Satz 1 des neunten Erwägungsgrundes zurückführt. Dies ist in der vorliegenden Rechtssache eindeutig der Fall, wo der nationale Gesetzgeber entschieden hat, eine Genehmigung der Nutzungsänderung des Grundbesitzes zur wesentlichen Voraussetzung für den Zugang zu einer bestimmten Art einer eindeutig wirtschaftlichen Dienstleistung zu machen: der kurzfristigen Vermietung möblierter Unterkünfte. Solche nationalen Regelungen fallen daher meines Erachtens eindeutig in den Anwendungsbereich der Dienstleistungsrichtlinie.

B.   Die einschlägigen Bestimmungen der Dienstleistungsrichtlinie

1. Genehmigungsregelung oder Anforderung

64.

Mit Frage 2 fragt das vorlegende Gericht im Wesentlichen, welche Bestimmungen der Dienstleistungsrichtlinie im Ausgangsverfahren Anwendung finden sollten: Ist aus Kapitel III Abschnitt 1 („Genehmigungen“) (Art. 9 bis 13) über Genehmigungsregelungen und einschlägige Voraussetzungen oder Abschnitt 2 („Unzulässige oder zu prüfende Anforderungen“) (Art. 14 und 15) anwendbar?

65.

Art. 4 Nr. 6 der Dienstleistungsrichtlinie definiert als eine Genehmigungsregelung„jedes Verfahren, das einen Dienstleistungserbringer oder ‑empfänger verpflichtet, bei einer zuständigen Behörde eine förmliche oder stillschweigende Entscheidung über die Aufnahme oder Ausübung einer Dienstleistungstätigkeit zu erwirken“.

66.

Art. 4 Nr. 7 definiert als Anforderungen„alle Auflagen, Verbote, Bedingungen oder Beschränkungen, die in den Rechts- oder Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten festgelegt sind oder sich aus der Rechtsprechung, der Verwaltungspraxis, den Regeln von Berufsverbänden oder den kollektiven Regeln, die von Berufsvereinigungen oder sonstigen Berufsorganisationen … erlassen wurden, ergeben“.

67.

Genehmigungsregelungen und Anforderungen, die von den Mitgliedstaaten vorgesehen werden, ist gemeinsam, dass sie grundsätzlich beide nach der Dienstleistungsrichtlinie – oder den Verträgen ( 18 ) – verboten sind, da bei diesen Regelungen oder Anforderungen davon ausgegangen wird, dass sie die Aufnahme oder die Ausübung einer Dienstleistungstätigkeit beschränken. Sie unterscheiden sich jedoch in der Art der in Rede stehenden Beschränkung.

68.

Eine Genehmigungsregelung führt möglicherweise zum Ergehen einer individuellen Entscheidung mit Ex-ante-Wirkung gegenüber einem Antragsteller in Form, wie der Gerichtshof im Urteil Visser formulierte, einer „förmlichen Entscheidung, die diese Dienstleistungserbringer … erwirken müssen“, um ihre Wirtschaftstätigkeiten aufzunehmen ( 19 ). Dies kann z. B. die von einer Person beantragte Genehmigung zum Betrieb einer Fahrgastbeförderung im Schiffsverkehr oder zum Betrieb eines Fensterbordells ( 20 ), eine von Behörden erteilte Konzession für Güter zum Zweck der Ausübung von Freizeittätigkeiten ( 21 ), eine Genehmigung für die Lagerung von zum Verkauf bestimmten pyrotechnischen Gegenständen ( 22 ) oder eine Ermächtigung zur Verleihung bestimmter akademischer Grade ( 23 ) sein.

69.

Dagegen kommt es beim Vorliegen einer Anforderung nicht zwingend zu einer individuellen Entscheidung mit Ex-ante-Wirkung, mit der ein subjektives Recht gewährt wird. Eine Anforderung ist eine allgemeine und nicht personenbezogene Regelung, die für alle Dienstleistungserbringer gilt und nicht mit Handlungen oder Verfahren in Zusammenhang steht, die vorgenommen oder durchlaufen werden, um die Art von individueller Entscheidung zu erwirken, mit der die beabsichtigte Tätigkeit genehmigt wird. So kann es sich beispielsweise, wie etwa in der Rechtssache Visser, um ein in einem vom Magistrat einer Stadt genehmigten Bauleitplan enthaltenes Verbot der Tätigkeit des Einzelhandels mit Waren in einem bestimmten Gebiet dieser Stadt ( 24 ) oder um eine sonstige, kraft Gesetzes auf eine bestimmte Art von Dienstleistungstätigkeit anwendbare allgemeine Regelung oder Beschränkung handeln.

70.

Um auf die vorliegenden Rechtssachen zurückzukommen, ist zunächst zu betonen, dass Kapitel III der Dienstleistungsrichtlinie, das die Bestimmungen über Genehmigungsregelungen und einschlägige Anforderungen enthält, auf die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Sachverhalte auch ohne grenzüberschreitenden Bezug anwendbar ist. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs sind die Bestimmungen des Kapitels III nämlich auch auf rein innerstaatliche Sachverhalte anwendbar ( 25 ).

71.

Was die auf die vorliegenden Rechtssachen konkret anwendbaren Bestimmungen des Kapitels III angeht, handelt es sich bei den in Rede stehenden Regelungen recht eindeutig um eine Genehmigungsregelung und nicht um Anforderungen. Eigentümer, die ihre möblierten Unterkünfte kurzfristig vermieten möchten, müssen ein Verwaltungsverfahren durchlaufen, um bei Erfüllung von Voraussetzungen vom Bürgermeister eine förmliche verwaltungsrechtliche Genehmigung zu erwirken. Diese Genehmigung ermöglicht ihnen, ihre Räumlichkeiten auf dem Markt für kurzfristige möblierte Unterkünfte anzubieten, d. h. Dienstleistungstätigkeiten auszuüben.

72.

Dementsprechend stellt die nationale Regelung in Verbindung mit den in Rede stehenden kommunalen Durchführungsverordnungen eine Genehmigungsregelung im Sinne von Art. 4 Nr. 6 der Dienstleistungsrichtlinie dar. Folglich sind die vorliegenden Rechtssachen anhand von Kapitel III Abschnitt 1 („Genehmigungen“), insbesondere Art. 9 und 10, zu prüfen.

2. Art. 9 und 10 als Prüfungsrahmen

73.

Die Fragen 3 und 4 beziehen sich auf Art. 9 Abs. 1, während sich die Fragen 5 und 6 auf Art. 10 Abs. 2 konzentrieren. Zur Beantwortung dieser Fragen ist zu bestimmen, welchen Anwendungsbereich die Art. 9 und 10 haben und in welchem Verhältnis sie zueinander stehen.

74.

Nach Art. 9 Abs. 1 der Dienstleistungsrichtlinie dürfen die Mitgliedstaaten die Aufnahme und die Ausübung einer Dienstleistungstätigkeit nur dann Genehmigungsregelungen unterwerfen, wenn a) die Genehmigungsregelungen für den betreffenden Dienstleistungserbringer nicht diskriminierend sind, b) die Genehmigungsregelungen durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sind und c) das angestrebte Ziel nicht durch ein milderes Mittel erreicht werden kann.

75.

In Art. 10 Abs. 2 wiederum ist geregelt, auf welchen Kriterien Genehmigungsregelungen beruhen müssen, damit die zuständigen Behörden ihr Ermessen nicht willkürlich ausüben. Die Kriterien müssen a) nicht diskriminierend sein, b) durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein, c) in Bezug auf diesen Grund des Allgemeininteresses verhältnismäßig sein, d) klar und unzweideutig sein, e) objektiv sein, f) im Voraus bekannt gemacht werden und g) transparent und zugänglich sein.

76.

Von den Beteiligten des Verfahrens vor dem Gerichtshof, die zum Anwendungsbereich von Art. 9 Abs. 1 und Art. 10 Abs. 2 der Dienstleistungsrichtlinie ausdrücklich Stellung genommen haben, sind die deutsche, die spanische und die französische Regierung im Wesentlichen der Ansicht, dass Art. 10 auf der kommunalen Ebene (Beschlüsse des Gemeinderats) Anwendung finde, nicht aber auf die nationalen Bestimmungen, die zum Erlass von Maßnahmen auf der kommunalen Ebene ermächtigten. Nur die erstgenannten Maßnahmen seien daher anhand der Kriterien des Art. 10 Abs. 2 zu prüfen.

77.

Nach Ansicht Irlands und der Kommission betrifft Art. 9 die Rechtmäßigkeit einer Genehmigungsregelung, während Art. 10 sich auf die Voraussetzungen beziehe, die erfüllt sein müssten, um im Rahmen einer an sich gerechtfertigten Genehmigungsregelung eine solche Genehmigung zu erwirken (und somit auf die individuelle Anwendung der Regelung). Da die Beschwerdeführerinnen im Rahmen des Ausgangsverfahrens keine Genehmigung beantragt hätten, sei Art. 10 für die Entscheidung über die vorliegenden Rechtsstreitigkeiten nicht relevant.

78.

Die niederländische Regierung ist ihrerseits der Ansicht, dass Art. 9 auf die Genehmigungsregelung selbst anwendbar sei, während Art. 10 die normalerweise lokalen, individuellen Genehmigungsvoraussetzungen betreffe. Da sich die Genehmigungsvoraussetzungen jedoch aus beiden Bestimmungen ergäben, seien die nationale Regelung und die kommunalen Regelungen nach Art. 10 zu beurteilen.

79.

Meines Erachtens entsteht die Unsicherheit über diese Fragestellungen zum Teil daraus, dass wie oben bereits skizziert, die Regelungen sich in ihrem Ursprung auf zwei Verwaltungsebenen aufteilen und das nationale Gericht seine Fragen nur auf die nationale Ebene der Regelungen bezogen hat ( 26 ), soweit es auf eine Reihe von Bestimmungen der Dienstleistungsrichtlinie verweist.

80.

Außerdem gibt es durchaus gewisse materielle Überschneidungen zwischen Art. 9 Abs. 1 und Art. 10 Abs. 2 der Dienstleistungsrichtlinie. Es ist zwar unbestreitbar ein abstrakter konzeptioneller Unterschied zwischen den beiden Artikeln feststellbar, wenn der Schwerpunkt auf Einzelheiten gelegt und insbesondere die Kriterien einzeln oder die Voraussetzungen innerhalb einer Genehmigungsregelung geprüft werden, doch ist die Abgrenzung zwischen ihnen etwas unscharf.

81.

Unter diesen Vorgaben bin ich der Ansicht, dass Art. 9 auf ein anderes Stadium des Genehmigungsverfahrens abzielt als Art. 10. In Art. 9 geht es darum, ob es für eine bestimmte Art von Dienstleistung tatsächlich eine Genehmigungsregelung geben darf ( 27 ). Art. 10 geht einen Schritt weiter. Sind die Kriterien von Art. 9 erfüllt und steht die Notwendigkeit einer Genehmigungsregelung fest, konzentriert sich Art. 10 auf die einzelnen Kriterien, die die spezifischen Genehmigungsregelungen erfüllen müssen. Art. 10 stellt klar, dass eine Genehmigungsregelung so gestaltet sein muss, dass sie alle sieben, in seinem Abs. 2 genannten Kriterien erfüllt ( 28 ). Dass „[d]ie Genehmigungsregelungen … auf Kriterien beruhen [müssen]“, zeigt, dass Art. 10 in erster Linie die konkrete Gestaltung von Genehmigungsregelungen betrifft. Diese Regelungen müssen vorgelagert so ausgestaltet sein, dass bei der nachgelagerten Entscheidung über individuelle Genehmigungsanträge, wie nach Art. 10 Abs. 1 erforderlich, eine willkürliche Ausübung des Ermessens der zuständigen Behörden verhindert wird.

82.

Im Kern geht es in Art. 9 um folgende Frage: „Bedarf es für diese Art von Dienstleistung überhaupt einer Genehmigungsregelung?“ In Art. 10 geht es dagegen um die Frage: „Welche Kriterien und Voraussetzungen gelten unter einer solchen Genehmigungsregelung?“

83.

Angesichts dieser Aufgabenverteilung zwischen den beiden Artikeln ist die Frage des (nationalen, regionalen oder lokalen) Ursprungs der Regelungen unerheblich. In der Praxis wird für Regelungen in den Mitgliedstaaten wahrscheinlich von der höheren Verwaltungsebene der Gesamtrahmen (einschließlich der Feststellung, dass eine Genehmigungsregelung überhaupt erforderlich ist) festgelegt, während es den unteren oder lokalen Verwaltungsebenen überlassen ist, die Einzelheiten auszugestalten oder lokal abzustimmen (einschließlich detaillierter oder zusätzlicher Voraussetzungen der Genehmigungsregelungen).

84.

Diese Aufgabenverteilung ist sinnvoll. Sie ist jedoch auch völlig fallspezifisch. Es ist nicht völlig auszuschließen, dass Art. 9 für Regelungen lokalen Ursprungs und Art. 10 für Regelungen nationalen Ursprungs gelten könnte ( 29 ). Maßgebend ist der Inhalt der Regelung und nicht ihr Ursprung.

85.

Im Kontext der vorliegenden Rechtssache ist die Frage, ob eine Genehmigungsregelung überhaupt erforderlich ist, anhand der drei Voraussetzungen in Art. 9 Abs. 1 zu prüfen. Die konkreten Voraussetzungen für die Erteilung einer solchen Genehmigung, darunter insbesondere die von der Stadt Paris gestaltete Ausgleichsleistung, sind indes anhand der Voraussetzungen des Art. 10 Abs. 2 zu beurteilen.

C.   Vereinbarkeit der Genehmigungsregelung mit der Dienstleistungsrichtlinie

86.

Im vorliegenden Teil der Schlussanträge werde ich mich mit den zwingenden Gründen des Allgemeininteresses auseinandersetzen, die zur Rechtfertigung der Genehmigungsregelung angeführt worden sind (1), und mich anschließend der zentralen Frage der Verhältnismäßigkeit zuwenden (2). Abschließend werde ich mit einigen Anmerkungen auf die übrigen Voraussetzungen eingehen, die Genehmigungsregelungen nach Art. 10 Abs. 2 der Dienstleistungsrichtlinie erfüllen müssen (3).

87.

Zuvor ist jedoch der Gesamtzusammenhang der vorliegenden Rechtssachen in Erinnerung zu bringen. Zwei Rechte der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) sind in diesem Kontext von besonderer Relevanz: Art. 16 (Unternehmerische Freiheit) und Art. 17 (Eigentumsrecht).

88.

Nach ständiger Rechtsprechung umfasst der durch Art. 16 der Charta gewährte Schutz die Freiheit, eine Wirtschafts- oder Geschäftstätigkeit auszuüben ( 30 ). Die unternehmerische Freiheit gilt nicht schrankenlos, sondern ist im Zusammenhang mit ihrer gesellschaftlichen Funktion zu sehen ( 31 ). Somit kann die unternehmerische Freiheit einer Vielzahl von Eingriffen der öffentlichen Gewalt unterworfen werden, die im allgemeinen Interesse die Ausübung der wirtschaftlichen Tätigkeit beschränken können. Allgemein muss nach Art. 52 Abs. 1 der Charta jede Einschränkung der Ausübung der Rechte und Freiheiten gesetzlich vorgesehen sein, den Wesensgehalt dieser Rechte und Freiheiten achten und unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erforderlich sein und den von der Europäischen Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen ( 32 ).

89.

Art. 17 der Charta ist eine Rechtsnorm, die Einzelnen Rechte verleihen soll ( 33 ). Das in diesem Artikel verankerte Eigentumsrecht gilt jedoch ebenfalls nicht uneingeschränkt, und seine Ausübung kann Beschränkungen unterworfen werden, die durch dem Gemeinwohl dienende Ziele der Union gerechtfertigt sind ( 34 ).

90.

Nach Art. 52 Abs. 3 der Charta ist bei der Auslegung von Art. 17 die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (im Folgenden: EGMR) zu Art. 1 des Protokolls Nr. 1 zur Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden: EMRK) als Mindestschutzstandard zu berücksichtigen ( 35 ).

91.

Insoweit sind die Staaten nach Art. 1 Abs. 2 des Protokolls Nr. 1 zur EMRK zur Regelung der Benutzung des Eigentums im Einklang mit dem Allgemeininteresse berechtigt. Dies gilt insbesondere auf dem Gebiet des Wohnens als zentralem Anliegen der Sozial- und Wirtschaftspolitik. Nach der Rechtsprechung des EGMR muss der Gesetzgeber bei der Durchführung dieser Politiken über einen weiten Ermessensspielraum sowohl im Hinblick darauf verfügen, ob ein Problem von öffentlichem Belang besteht, das Kontrollmaßnahmen rechtfertigt, als auch im Hinblick auf die Wahl der detaillierten Regelungen für die Durchführung solcher Maßnahmen. Ein Eingriff muss jedoch zu einem angemessenen Ausgleich zwischen den Erfordernissen der Gemeinwohlinteressen der Allgemeinheit und den Anforderungen des Schutzes der Grundrechte des Einzelnen führen. Dass es alternative Lösungen geben mag, nimmt der angefochtenen Regelung an sich noch nicht ihre Rechtfertigung. Diese Regelung darf den Eigentümern jedoch keine unverhältnismäßigen und übermäßigen Belastungen auferlegen, die vom Beurteilungsspielraum des Staates nicht abgedeckt sind ( 36 ).

92.

Ich möchte drei Punkte hervorheben, die meines Erachtens für die gesamte folgende Prüfung der Vereinbarkeit von entscheidender Bedeutung sind, und zwar sowohl für die Ermittlung eines zwingenden Grundes des Allgemeininteresses als auch (insbesondere) für die Prüfung der Verhältnismäßigkeit.

93.

Erstens gelten, auch wenn sie aufgrund der Struktur der dem Gerichtshof vorgelegten Rechtssachen unter dem Blickwinkel der Dienstleistungsrichtlinie und der Niederlassungsfreiheit zu beurteilen sind, weder die unternehmerische Freiheit noch das Eigentumsrecht uneingeschränkt. Vielmehr können beide durchaus eingeschränkt werden. Insbesondere zeigt die bereits angeführte Rechtsprechung aus Straßburg ein hohes Maß an Umsicht, soweit sie einen ausgesprochen zurückhaltenden Umgang mit nationalen Maßnahmen verfolgt, die lediglich die Regelung der Nutzung (unbeweglichen) Eigentums betreffen. Soweit mit anderen Worten die Regelung der Nutzung keine so schwerwiegende Einschränkung darstellt, dass sie faktisch einer verdeckten Enteignung oder Entwertung des Eigentums gleichkommt, sind selbst erhebliche Einschränkungen dieser Rechte zulässig.

94.

Zweitens hat dies Auswirkungen darauf, mit welcher Intensität eine Kontrolle stattfindet. Meines Erachtens sind auf beiden Ebenen – der Ermittlung eines zwingenden Grundes des Allgemeininteresses und insbesondere der Verhältnismäßigkeit – mehrere Lösungen denkbar. Es ist nicht zwangsläufig so, dass die einzig verhältnismäßige Lösung diejenige ist, die für den einzelnen Eigentümer die am wenigsten belastende ist; dies ist lediglich einer der Faktoren, die in eine recht komplexe Gleichung Eingang finden müssen. Es gibt nicht nur eine Lösung, sondern eine Vielzahl denkbarer Lösungen, die einer Verhältnismäßigkeitsprüfung standhalten würden: nicht nur ein unumgängliches Ergebnis, sondern so etwas wie einen Korridor, eine Zone denkbarer Lösungen, die eine Vielzahl von Ergebnissen beinhalten kann, die alle als verhältnismäßig angesehen werden können.

95.

Drittens ergibt sich eine weitere Dimension der Komplexität auch in Bezug auf die vorzunehmende Gesamtabwägung in Fällen, in denen die unternehmerische Freiheit unter Berufung auf ein soziales oder gemeinschaftliches Interesse nicht für jedermann in gleicher Weise eingeschränkt wird. In diesem Fall wäre es bestimmten Personen gestattet, ihre unternehmerische Tätigkeit wie gewünscht auszuüben, während anderen dies nicht gestattet wäre. Die Rechte und Interessen potenzieller Erbringer bestimmter Dienstleistungen werden nicht nur gegen die sozialen Interessen der Gemeinschaft, sondern auch, horizontal, gegen eben diese Rechte anderer Einzelner abgewogen (und potenziell durch diese eingeschränkt). Die Dienstleistungsfreiheit des einen steht somit mit dem Interesse anderer an der Erbringung ebendieser Dienstleistung im Wettstreit. In einer Welt knapper Ressourcen, Kapazitäten und Genehmigungen kann der Umstand, dass dem einen der Zugang gewährt wird, oftmals damit erkauft sein, dass dem nächsten der Zugang verwehrt wird.

1. Zwingender Grund des Allgemeininteresses

96.

Nach Art. 9 Abs. 1 Buchst. b der Dienstleistungsrichtlinie müssen Genehmigungsregelungen durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein. Nach Art. 10 Abs. 2 Buchst. b müssen die Kriterien, auf denen die Genehmigungsregelungen beruhen, selbst durch einen solchen zwingenden Grund gerechtfertigt sein. Da beide Bestimmungen in dieser konkreten Hinsicht genau denselben Wortlaut haben, kann das Vorliegen eines hinreichenden Allgemeininteresses meines Erachtens für beide zusammen beurteilt werden, nämlich für die Notwendigkeit einer Genehmigungsregelung nach Art. 9 ebenso wie für die darin enthaltenen Kriterien nach Art. 10.

97.

Nach Ansicht der Beschwerdeführerinnen ist kein zwingender Grund des Allgemeininteresses gegeben, der die in Rede stehenden Bestimmungen rechtfertigen könnte. Die anderen Beteiligten des Verfahrens vor dem Gerichtshof haben mehrere mögliche Rechtfertigungen angeführt, nämlich die Bekämpfung der Wohnungsknappheit, ein hinreichendes Angebot an bezahlbarem Wohnraum, die Sozialwohnungspolitik, den Schutz der städtischen Umwelt, die Bekämpfung des Drucks auf den Grundstücksmarkt, den Verbraucherschutz, die Wirksamkeit von Steuerprüfungen, die Lauterkeit des Handelsverkehrs und den Schutz der Empfänger von Wohnraumdienstleistungen.

98.

Nach Ansicht der Stadt Paris und der französischen Regierung bezwecken die in Rede stehenden Bestimmungen in erster Linie die Bekämpfung der Wohnungsknappheit (und damit in Zusammenhang stehender Preissteigerungen) an bestimmten Orten (im Allgemeinen touristischen Zielen), die zumindest zum Teil darauf zurückzuführen sei, dass Eigentümer ihren Wohnraum vorzugsweise eher kurz- als langfristig vermieten würden ( 37 ).

99.

Ohne zu irgendeinem der sonstigen, im vorliegenden Verfahren vorgetragenen Ziele Stellung nehmen oder es abschwächen zu wollen, erkenne ich ohne Zögern an, dass zum einen die Bekämpfung einer strukturellen Wohnungsknappheit und zum anderen der Schutz der städtischen Umwelt, zusammen oder für sich genommen, zur Rechtfertigung sowohl der Einführung der Genehmigungsregelung – nach Art. 9 Abs. 1 Buchst. b – als auch ihrer konkreten Gestaltung und der darin enthaltenen Voraussetzungen – nach Art. 10 Abs. 2 Buchst. b – angeführt werden können.

100.

In Art. 4 Nr. 8 der Dienstleistungsrichtlinie werden der Schutz der städtischen Umwelt und Ziele der Sozialpolitik als zwingende Gründe des Allgemeininteresses ausdrücklich anerkannt. Diese Ziele sind bereits so weit formuliert, dass sie sicherlich auch von ihnen umfasste konkretere Ziele miteinschließen können.

101.

Im Übrigen wird im 40. Erwägungsgrund der Dienstleistungsrichtlinie klargestellt, dass der Begriff der „zwingenden Gründe des Allgemeininteresses“ vom Gerichtshof entwickelt worden ist und „sich noch weiterentwickeln [kann]“. Auch hat der Gerichtshof insoweit im Zusammenhang mit dem freien Kapitalverkehr mehrere mögliche Rechtfertigungen anerkannt, die für die vorliegenden Rechtsstreitigkeiten relevant sind. So hat er insbesondere Belange der Wohnungspolitik zur Bekämpfung verschiedener Formen von Druck auf den Grundstücksmarkt ausdrücklich anerkannt ( 38 ). Ferner hat der Gerichtshof Erfordernisse anerkannt, mit denen ein ausreichendes Wohnangebot für bestimmte Teile der örtlichen Bevölkerung oder wirtschaftlich schwächere Personen gewährleistet werden soll ( 39 ), sowie nationale Bestimmungen, die im Sinne einer guten Stadt- und Raumplanung die Lebensqualität im Stadtzentrum einer Gemeinde erhalten sollen ( 40 ). Ebenfalls bereits berücksichtigt hat der Gerichtshof „bestimmte Besonderheiten, die die Lage auf dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden innerstaatlichen Markt kennzeichnen, wie ein struktureller Mangel an Wohnraum und eine besonders hohe Bevölkerungsdichte“ ( 41 ).

102.

Dass sich in der Rechtsprechung des Gerichtshofs bereits hinreichend Stütze für die Ziele der Bekämpfung einer strukturellen Wohnraumknappheit und des Schutzes der städtischen Umwelt findet, sollte indes nicht davon ablenken, dass beides auch unabhängig vom Bestehen einer solchen Rechtsprechung gewährleistet ist. Wie bereits ausgeführt, ist die Kategorie der „zwingenden Gründe des Allgemeininteresses“ wie jede andere Kategorie „berechtigter Ziele“ keine feststehende und abschließende Aufzählung. Im Rahmen der Dienstleistungsrichtlinie enthält Art. 4 Nr. 8 eindeutig lediglich ein durch das Wort „einschließlich“ eingeleitetes Musterbeispiel.

103.

Zusammenfassend stellen die Bekämpfung einer Wohnraumknappheit und das Ziel, ein hinreichendes Angebot an bezahlbarem (langfristigem) Wohnraum (insbesondere in Großstädten) zu gewährleisten, sowie der Schutz der städtischen Umwelt wirksame Rechtfertigungen für die Einführung von weitgehend auf die Sozialpolitik gestützten Genehmigungsregelungen dar. Mit diesen Gründen können gleichermaßen die Kriterien einer Genehmigungsregelung gerechtfertigt werden.

104.

Da indes von der französischen Regierung und der Stadt Paris sowohl für die Notwendigkeit der Einführung einer Genehmigungsregelung als solcher als auch für ihre einzelnen Voraussetzungen, insbesondere für die streitige Ausgleichsleistung in der Stadt Paris, in erster Linie das Ziel der Bekämpfung einer Knappheit (langfristigen) Wohnraums in bestimmten Gebieten angeführt worden ist, werde ich mich jetzt der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der gewählten Mittel im Licht dieses konkreten Ziels zuwenden.

2. Verhältnismäßigkeit

105.

Nach Art. 9 Abs. 1 Buchst. c der Dienstleistungsrichtlinie ist die Einführung einer Genehmigungsregelung rechtmäßig, wenn das angestrebte Ziel nicht durch ein milderes Mittel erreicht werden kann, insbesondere weil eine nachträgliche Kontrolle zu spät erfolgen würde, um wirksam zu sein. Nach Art. 10 Abs. 2 Buchst. c müssen die Voraussetzungen oder Kriterien für die Erteilung der Genehmigung in Bezug auf den verfolgten Grund des Allgemeininteresses verhältnismäßig sein.

106.

Die Beschwerdeführerinnen machen geltend, dass die in Rede stehende Genehmigungsregelung nicht geeignet sei, das Ziel der Bekämpfung der Wohnraumknappheit zu erreichen, da sie Eigentümer nicht notwendigerweise davon abhalte, ihre Räumlichkeiten zur kurzfristigen möblierten Vermietung anzubieten. Die in Paris geltende Ausgleichsleistung sei eine zu weitreichende Belastung und erschwere eine Vermietung möblierter Räumlichkeiten an Touristen oder mache sie gar unmöglich. Es hätten weniger belastende rechtliche Mechanismen wie die Einführung einer Abgabe in Betracht gezogen werden können. Die Stadt Paris ist der Ansicht, dass das verfolgte Ziel mit keiner weniger belastenden Maßnahme hätte erreicht werden können, sei es eine Melderegelung oder eine Begrenzung der Anzahl der Nächte, für die die möblierten Räumlichkeiten kurzfristig vermietet werden könnten.

107.

Die Regierungen der Mitgliedstaaten, die zur Verhältnismäßigkeit Stellung genommen haben, halten die in Rede stehenden Bestimmungen für geeignet und verhältnismäßig.

108.

Nach Ansicht der Kommission reichen die Angaben des vorlegenden Gerichts nicht aus, um beurteilen zu können, ob die in Rede stehenden (nationalen) Regelungen verhältnismäßig seien. Allerdings sprächen einige Gesichtspunkte dafür, dass diese Bestimmungen tatsächlich verhältnismäßig sein könnten, wie z. B. die Ausnahme des Hauptwohnsitzes des Vermieters von ihrem Anwendungsbereich, der Ausgleichsmechanismus, die Durchführung durch die Kommunen und die Möglichkeit, befristete Genehmigungen vorzusehen.

109.

Die in Rede stehenden Maßnahmen sind verhältnismäßig, wenn sie zur Verwirklichung des mit ihnen verfolgten Ziels geeignet sind, nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist, und nicht andere weniger einschneidende Maßnahmen zum selben Ergebnis führen ( 42 ).

110.

Meines Erachtens ist die Einführung der Genehmigungsregelung nach Art. 9 Abs. 1 der Dienstleistungsrichtlinie verhältnismäßig, während die Verhältnismäßigkeit der Ausgleichsleistung als wesentliche Voraussetzung für die Erteilung einer Genehmigung im Hinblick auf Art. 10 Abs. 2 schon eher fraglich ist.

a) Verhältnismäßigkeit des Genehmigungserfordernisses nach Art. 9 Abs. 1 Buchst. c

111.

Erstens ist, wie in Art. 9 Abs. 1 Buchst. c der Dienstleistungsrichtlinie ausdrücklich klargestellt, eine Genehmigungsregelung regelmäßig verhältnismäßig, wenn nachträgliche Kontrollen nicht ausreichen, um das angestrebte Ziel zu erreichen.

112.

Zweitens setzt die Verhältnismäßigkeit voraus, dass die Entscheidung, ob die Notwendigkeit einer Genehmigungsregelung besteht, auf spezifischen Daten zum Wohnungsmarkt in den Städten beruht, in denen die Einführung einer solchen Genehmigungsregelung beabsichtigt ist. Die Kommission hat in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass nationale Regelungen auf spezifischen Belegen zur Lage auf dem Wohnungsmarkt beruhen sollten. Ich stimme dem zu. Ohne die Bedeutung solcher Belege für die nationalen Regelungen abschwächen zu wollen, sind diese indes gerade auf lokaler Ebene von herausragender Bedeutung dafür, eine mit Blick auf die konkreten lokalen Gegebenheiten verhältnismäßige Lösung zu finden.

113.

Drittens müssen Genehmigungsregelungen in Bezug auf den Zugang zum kurzfristigen Wohnungsmarkt fair sein und jedermann offenstehen. Nach Art. 9 Abs. 1 Buchst. a dürfen Genehmigungsregelungen nicht diskriminierend sein. Die Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit ( 43 ) stellt nicht die einzige Form der Diskriminierung dar, die ausgeschlossen ist. Der Umstand, dass die Richtlinie (im Rahmen ihres Kapitels III) auf rein innerstaatliche Sachverhalte anwendbar ist, legt nahe, dass die Kriterien der Nichtdiskriminierung in einem weiteren Sinne auch auf andere Gründe wie diejenigen in Art. 21 Abs. 1 der Charta Anwendung finden.

114.

Insoweit ist meines Erachtens nichts ersichtlich, was mit Blick auf das erklärte Ziel der Bekämpfung einer Wohnungsknappheit und der Aufrechterhaltung des langfristigen Wohnungsmarkts Anlass zu Zweifeln an der Notwendigkeit der Einführung einer Genehmigungsregelung per se geben könnte.

115.

Erstens wären dann, wenn das Ziel darin besteht, die Verfügbarkeit bestimmter Waren oder Dienstleistungen auf einem bestimmten Markt (langfristige Wohnungsvermietung) aufrechtzuerhalten, nachträgliche Kontrollen, bis zu deren Stattfinden unweigerlich festzustellen wäre, dass diese Waren oder Dienstleistungen diesen Markt verlassen und sich auf einen anderen, offenkundig gewinnbringenderen Markt (kurzfristige Wohnungsvermietung) verlagert hätten, sicherlich alles andere als wirksam. Wenn also das Ziel darin besteht, den Marktaustritt zu regeln oder zu verhindern, sind vorherige Genehmigungen für den Austritt unvermeidlich.

116.

Zweitens, auch wenn Uneinigkeit darüber bestehen mag, welche Schlussfolgerungen aus den von der französischen Regierung und der Stadt Paris zusammengetragenen Daten zu ziehen sind, wird von niemandem bestritten, dass ein Problem besteht. Die Französische Republik hat eine Lösung für dieses Problem vorgesehen, bei der, was die Notwendigkeit anbelangt, Eigentümer einer Genehmigungsregelung zu unterwerfen, auch auf die Verhältnismäßigkeit abgestellt wird. Sie enthält mehrere Flexibilitätsmechanismen. Insbesondere ist ihr räumlicher Anwendungsbereich auf Städte mit mehr als 200000 Einwohnern beschränkt ( 44 ) und eine Genehmigung für die Vermietung eines Hauptwohnsitzes nicht erforderlich ( 45 ). Außerdem können Städte offenbar auch eine befristete Genehmigungsregelung erlassen, für die eine Ausgleichsregelung nicht gelten kann und die es einer natürlichen Person erlaubt, zu Wohnzwecken bestimmte Räumlichkeiten kurzfristig an Laufkundschaft, die dort keinen Wohnsitz begründet, zu vermieten.

117.

Drittens ist in keiner Weise behauptet worden, dass nur bestimmte Eigentümer der Genehmigungsregelung unterlägen und die Genehmigungsregelung daher als solche diskriminierend wäre. Die Genehmigungsregelung gilt für jeden, der kurzfristig in Paris vermieten möchte.

118.

Zwar könnten außer der Einführung einer Genehmigungsregelung sicherlich noch eine Reihe anderer Maßnahmen ebenfalls zur Erreichung des mit den nationalen Rechtsvorschriften verfolgten Ziels beitragen. Eine Stadt, die sich infolge der kurzfristigen Vermietung möblierten Wohnraums einer Knappheit langfristigen Wohnraums ausgesetzt sieht, könnte sich dafür entscheiden, für Räumlichkeiten, die für wenige Tage oder Wochen vermietet werden, von Eigentümern oder Mietern eine Abgabe zu erheben; oder für eine Obergrenze für die Anzahl der Übernachtungen pro Jahr; oder für einen maximalen Anteil an Wohnraum, der kurzfristig vermietet werden darf, usw.

119.

Meines Erachtens ist jedoch nicht sicher, dass eine dieser Lösungen von vornherein wirksamer wäre als die unmittelbare Schlichtheit einer Regelung über eine vorherige Genehmigung. Wenn das Ziel tatsächlich darin besteht, das Angebot zu begrenzen (oder umzulenken) und durch die Ablehnung von Genehmigungen für eine kurzfristige Vermietung eine bestimmte kritische Masse an Wohnungen für den langfristigen Vermietungsmarkt zu behalten, was könnte dann wirksamer sein als eine Genehmigungsregelung? Die unerwünschte Dienstleistung (vermutlich hoch) zu besteuern? Eine solche Steuer würde wahrscheinlich unverzüglich selbst als (unverhältnismäßige) Beschränkung angefochten werden. Ferner würde sie wahrscheinlich zu Verzerrungen noch weiterer Märkte führen, während sie das ursprüngliche Problem schlicht nicht lösen würde: eine unmittelbare Knappheit langfristigen Wohnraums.

120.

Im Ergebnis sind Genehmigungsregelungen eindeutig ein nach der Dienstleistungsrichtlinie zulässiges Mittel ( 46 ). Im konkreten Kontext der vorliegenden Rechtssachen ist meines Erachtens nichts dafür ersichtlich, dass eine Genehmigungsregelung per se unverhältnismäßig wäre. Allgemein betrachtet werden solche Regelungen schließlich, sofern nicht eine rationale Erklärung für die Einführung einer Genehmigungsregelung rundweg ausscheidet oder sie eindeutig diskriminierend ist, insbesondere auf dem konkreten Gebiet sozialer Entscheidungen im Bereich der Wohnungspolitik sich wahrscheinlich ganz sicher innerhalb des zulässigen Korridors verhältnismäßiger Ergebnisse bewegen ( 47 ).

b) Verhältnismäßigkeit der Ausgleichsleistung nach Art. 10 Abs. 2

121.

Festzustellen ist zunächst, dass die nationalen Vorschriften über Genehmigungsregelungen grundsätzlich die Einführung verhältnismäßiger Genehmigungsregelungen durch französische Großstädte zulassen. Dass „die Voraussetzungen für die Erteilung der Genehmigung mit Verordnung des Gemeinderats im Hinblick auf die Ziele der sozialen Durchmischung, insbesondere anhand der Merkmale des Wohnungsmarkts, sowie der Notwendigkeit, der Wohnungsknappheit Einhalt zu gebieten, festgelegt werden“ ( 48 ), unterstreicht die Ermächtigung der lokalen Ebene. Das Erfordernis einer Berücksichtigung der Besonderheiten des lokalen Wohnungsmarkts ist geeignet, zu gewährleisten, dass jede Genehmigungsregelung auf die lokalen Gegebenheiten zugeschnitten wird, so dass sie theoretisch nicht über das hinausgehen würde, was zur Bekämpfung der Wohnungsknappheit erforderlich ist.

122.

Die eigentliche Verhältnismäßigkeit der in Rede stehenden konkreten Genehmigungsregelung und insbesondere der Kriterien und Voraussetzungen, auf denen diese Regelung nach Art. 10 Abs. 2 der Dienstleistungsrichtlinie beruht, ist allerdings schwer zu beurteilen.

123.

Das vorlegende Gericht legt in seinem Vorabentscheidungsersuchen den Schwerpunkt auf die nationalen Vorschriften und lässt die kommunale Ebene außer Betracht. Das Vorabentscheidungsersuchen ist zudem insgesamt eher sparsam, was den Umfang der mitgeteilten Angaben und ihre Detailliertheit angeht. Dem Gerichtshof liegen wenige Informationen zum Funktionieren der konkreten Regelungen der Stadt Paris vor. Dem Gerichtshof ist daher kaum eine Entscheidung darüber möglich, ob die Kriterien in Art. 10 Abs. 2 der Dienstleistungsrichtlinie erfüllt sind.

124.

Es ist daher in erster Linie Aufgabe des vorlegenden Gerichts, in Anbetracht der Aufgabenverteilung zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten zu beurteilen, ob die Voraussetzungen für eine Genehmigung nach nationalem Recht mit Art. 10 Abs. 2 der Dienstleistungsrichtlinie vereinbar sind ( 49 ). Inwieweit der Gerichtshof das vorlegende Gericht auf der Grundlage der dem Gerichtshof vorgelegten Unterlagen zum Ausgangsverfahren sowie schriftlichen und mündlichen Stellungnahmen mit allgemeinen Hinweisen unterstützen kann ( 50 ), wird zwangsläufig vom Umfang der vom vorlegenden Gericht mitgeteilten Angaben abhängen.

125.

Unter den möglicherweise relevanten Voraussetzungen und Kriterien der Genehmigungsregelung ist eines den kommunalen Regelungen in Paris relativ klar zu entnehmen: die Ausgleichsleistung. Die Vereinbarkeit dieser Anforderung mit der Dienstleistungsrichtlinie in der von der Stadt Paris umgesetzten konkreten Form zu beurteilen, ist Sache des vorlegenden Gerichts. Ausgehend von den dem Gerichtshof vorgetragenen Argumenten dürfte der Vereinbarkeit der Ausgleichsleistung mit Art. 10 Abs. 2 Buchst. c (Verhältnismäßigkeit), aber auch mit Art. 10 Abs. 2 Buchst. a (Diskriminierungsverbot) besondere Aufmerksamkeit zu widmen sein.

126.

Aus den schriftlichen Stellungnahmen der Beschwerdeführerinnen und der Stadt Paris sowie der Erörterung in der mündlichen Verhandlung geht offenbar hervor, dass die Ausgleichsleistung in Paris für die Erteilung der Genehmigung zur kurzfristigen Vermietung möblierter Unterkünfte zwingend ist. Vorbehaltlich entsprechender Feststellungen durch das vorlegende Gericht muss in der Praxis eine Person, die ihre möblierte Wohnung für kurze Zeit vermieten möchte, z. B. an einen Amerikaner in Paris, Gewerbeflächen kaufen (und zwar nicht nur irgendwo in Paris, sondern im selben Bezirk [Arrondissement] oder sogar im selben Stadtviertel), die die gleiche Größe (oder für bestimmte, unter Druck auf den Wohnungsmarkt stehende Gegenden sogar die doppelte Größe) haben wie die Wohnung, und diese Flächen in Wohnraum umwandeln.

127.

Auf den ersten Blick ist die Ausgestaltung dieser zwingenden Ausgleichsleistung zur Erreichung des verfolgten Ziels, nämlich die Menge des dem langfristigen Wohnungsmarkt zur Verfügung stehenden Wohnraums etwa konstant zu halten, sehr wirksam. Vielleicht ist sie jedoch so wirksam, dass sie das eigentliche Ziel der Beantragung einer Genehmigung in gewisser Weise bereits völlig zunichtemacht. Wenn ein Eigentümer die Wohnung, die er dem langfristigen Wohnungsmarkt entziehen möchte, ausgleichen muss, indem er die gleiche oder offenbar gar eine noch größere Fläche anbietet und diesem Markt zur Verfügung stellt, warum sollte er die erste Wohnung diesem Markt dann überhaupt noch entziehen wollen? Kann eine solche Voraussetzung als verhältnismäßig angesehen werden?

128.

Wie von der Stadt Paris in der mündlichen Verhandlung erklärt, dürfte es einem Eigentümer mehrerer Grundstücke oder einem Bauträger nicht allzu schwerfallen, die Ausgleichsleistung zu erfüllen. Was sie angeht, dürfte die Genehmigungsregelung der Stadt Paris wegen einer solchen Anforderung somit nicht unverhältnismäßig sein.

129.

Diese Feststellung zieht jedoch eine weitere Frage nach sich: Ist die von der Stadt Paris gestaltete Ausgleichsleistung auch in Bezug auf „nicht gewerbliche Eigentümer“, also typischerweise natürliche Personen, die lediglich eine weitere Wohnung besitzen, und die Bedingungen, zu denen sie Zugang zum kurzfristigen Vermietungsmarkt für möblierte Unterkünfte haben, verhältnismäßig?

130.

Es drängt sich das Beispiel eines nicht gewerblichen Vermieters auf, dem zufällig eine 20 m2 große Einzimmerwohnung im Zentrum von Paris gehört, die nicht seinen Hauptwohnsitz darstellt, da diese Person in den Außenbezirken der Stadt wohnt. Da die Genehmigungsregelung und ihre maßgebliche Ausgleichsvoraussetzung für alle Eigentümer gelten, müssen auch diese Vermieter im selben Stadtviertel Gewerbeflächen gleicher oder doppelter Größe kaufen und in (langfristigen) Wohnraum umwandeln, um die kleine Einzimmerwohnung auf dem Markt ihrer Wahl vermieten zu können. Ist eine solche Anforderung auch für diese Eigentümer verhältnismäßig?

131.

Diese letzte Frage deutet auf die eigentliche Fragestellung hin, die die Anforderungen innerhalb der Genehmigungsregelung aufwerfen dürften. Diese Fragestellung lässt sich entweder als solche der Verhältnismäßigkeit der Ausgleichsleistung für bestimmte soziale Gruppen (nach Art. 10 Abs. 2 Buchst. c) oder als solche der Diskriminierung (nach Art. 10 Abs. 2 Buchst. a) auffassen. Wie oben bereits ausgeführt ( 51 ), gibt es keinen Grund, das Diskriminierungsverbot in Art. 10 Abs. 2 Buchst. a dahin zu verstehen, dass es sich ausschließlich gegen eine Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit des Dienstleistungserbringers richtet. Es kann sich auch gegen Diskriminierungen aus anderen, insbesondere den in Art. 21 Abs. 1 der Charta bereits genannten, Gründen richten. Das Vermögen ist einer der bereits genannten Gründe.

132.

Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, all dies, und insbesondere die tatsächliche Anwendung der Ausgleichspflicht, zu prüfen. Meines Erachtens wäre es jedoch eher schwer vermittelbar, warum der Zugang zu einem offenbar recht gewinnbringenden Markt für eine bestimmte Art von Dienstleistung tatsächlich ausschließlich wirtschaftlich besser gestellten Personen vorbehalten sein sollte, die die Ausgleichsleistung erfüllen können und die typischerweise juristische Personen oder Bauträger wären, wie die Stadt Paris vorträgt. Sofern nicht dies die hinter der Formulierung dieser Regelungen stehende Absicht war ( 52 ), warum sollte der wirksame Zugang zu diesen Dienstleistungen ( 53 ), metaphorisch formuliert, denjenigen vorbehalten sein, die bereits Monopoly spielen („grandeur nature“)?

133.

Es ist letztlich Sache des vorlegenden Gerichts, auf alle diese Gesichtspunkte im Rahmen von Art. 10 Abs. 2 der Dienstleistungsrichtlinie einzugehen. Zum Abschluss dieses Abschnitts möchte ich jedoch noch eine allgemeine Anmerkung machen. Die Beschwerdeführerinnen haben zwar in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass das Ausgleichserfordernis in einer digitalen Wirtschaft überholt und ungeeignet sein könnte; dieser Ansicht bin ich indes nicht. Im Allgemeinen und per se könnte ein Ausgleichserfordernis tatsächlich ein Weg sein, auf ein Problem der Wohnungsknappheit zu reagieren. Es kann nicht die Ansicht vertreten werden, dass diese Anforderung für sich genommen mit Art. 10 Abs. 2 Buchst. c der Dienstleistungsrichtlinie unvereinbar sei.

134.

Es sind eine Reihe von Fallgestaltungen denkbar, in denen eine solche Anforderung im kommunalen Kontext verhältnismäßig sein kann, insbesondere indem einige Ausnahmen von ihr zugelassen werden, wie etwa die Ausgleichsleistung auf Flächen oberhalb einer bestimmten Größe zu beschränken oder sie auf Eigentümer mit mehreren Wohnobjekten zu beschränken oder befristete Genehmigungen zu erteilen, die keiner Ausgleichsleistung unterliegen, und die regelmäßig überprüft und möglicherweise neu verteilt würden.

135.

Schließlich müsste auch hier der allgemeine Grundgedanke eines Korridors verhältnismäßiger Ergebnisse gelten ( 54 ), insbesondere bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der einzelnen Voraussetzungen. Wird für die lokal abgestimmten Entscheidungen kein hinreichender Spielraum zugelassen, ist letztlich jede Voraussetzung anfechtbar, weil sie sich unvermeidlich für irgendjemand nachteilig auswirken wird. Maßgebend ist eine allgemeine soziale Fairness und der Erlass nicht diskriminierender Maßnahmen im Anschluss an ein tatsachengestütztes Entscheidungsverfahren sowie ein in der betroffenen Gemeinde durchgeführtes transparentes Rechtsetzungs- und Beschlussverfahren.

136.

In diesem Rahmen ist lokale Vielfalt im Hinblick auf die konkreten Genehmigungsvoraussetzungen nicht nur zulässig, sondern sogar wünschenswert. Wird zugelassen, dass der lokalen Ebene eingeräumt wird, Regelungen zu erlassen und die Voraussetzungen für Genehmigungsregelungen auszugestalten ( 55 ), dann wird die Verhältnismäßigkeit dieser Regelungen wahrscheinlich davon abhängen, dass die lokalen Gegebenheiten und Besonderheiten berücksichtigt werden. Natürlich werden solche lokalen Abweichungen zu Unterschieden innerhalb eines Mitgliedstaats beim Zugang und den lokal anwendbaren Regelungen führen; mit dieser Vorstellung tat sich insbesondere die Kommission in der mündlichen Verhandlung schwer ( 56 ). Dies ist jedoch der Preis, der für eine Union zu zahlen ist, die nach Art. 4 Abs. 2 EUV die regionale und lokale Selbstverwaltung in ihren Mitgliedstaaten achtet.

3. Einhaltung sonstiger Kriterien nach Art. 10 Abs. 2 der Dienstleistungsrichtlinie

137.

Mit seinen Fragen 5 und 6 möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen geklärt haben, ob die beiden nationalen Bestimmungen über die in Rede stehenden Genehmigungsregelungen mit den konkreten Verpflichtungen nach Art. 10 Abs. 2 der Dienstleistungsrichtlinie vereinbar sind.

138.

Insbesondere möchte das vorlegende Gericht mit Frage 5 wissen, ob die Formulierung als wiederholte kurzfristige Vermietung von zu Wohnzwecken bestimmten möblierten Räumlichkeiten an eine Laufkundschaft, die dort keinen Wohnsitz begründet ( 57 ), auf klaren, unzweideutigen und objektiven Kriterien beruht (Art. 10 Abs. 2 Buchst. d und e der Dienstleistungsrichtlinie). Neben dem soeben angesprochenen Aspekt der Verhältnismäßigkeit verstehe ich Frage 6 dahin, dass das vorlegende Gericht geklärt wissen möchte, ob die nationale Vorschrift, die die Gemeinderäte ermächtigt, die spezifischen Voraussetzungen für die Erteilung einer Genehmigung festzulegen ( 58 ), auf Kriterien beruht, die ihrerseits klar, unzweideutig, objektiv, im Voraus bekannt gemacht, transparent und zugänglich sind (Art. 10 Abs. 2 Buchst. d bis g der Dienstleistungsrichtlinie).

139.

Die Beschwerdeführerinnen machen geltend, dass die in der in Rede stehenden Regelung verwendeten Begriffe, wie etwa die Begriffe „kurzfristig“ und „Laufkundschaft, die dort keinen Wohnsitz begründet“, zu ungenau seien. Außerdem seien die Voraussetzungen für die Erteilung der Genehmigung nicht hinreichend klar. Gestützt auf das Ziel der sozialen Vielfalt oder auf die Notwendigkeit, die Wohnungsknappheit nicht zu verschärfen, erlaube die in Rede stehende Regelung den Gemeinden, nach ihrem Ermessen über die Voraussetzungen für die Erteilung der Genehmigungen zu entscheiden. Die Beschwerdeführerinnen machen ferner geltend, dass es in der Praxis schwierig sei, Zugang zu den Beratungen des Gemeinderats zu erhalten, auch wenn sie im Rathaus und online veröffentlicht würden. Der erstere Fall setze voraus, dass man sich ins Rathaus begeben müsse, und der letztere Fall sei nicht ausreichend, weil die Website nicht immer auf den neuesten Stand gebracht werde und nicht benutzerfreundlich sei.

140.

Nach Ansicht der Stadt Paris und der französischen Regierung sind die Voraussetzungen objektiv, im Voraus bekannt und auf verschiedenen Wegen voll zugänglich. Die französische Regierung weist insbesondere darauf hin, dass zum Zeitpunkt des maßgebenden Sachverhalts die Formulierung „Laufkundschaft, die dort keinen Wohnsitz begründet“ in Art. D. 324‑1 des Tourismusgesetzes definiert gewesen sei als Kundschaft, die für einen Tag, eine Woche oder einen Monat eine Unterkunft miete.

141.

Die Kommission hält die in den französischen Regelungen verwendeten Begriffe hinsichtlich des dort vorgesehenen umständlichen Verwaltungsverfahrens für nicht hinreichend genau und transparent.

142.

Während die vom vorlegenden Gericht zu den in den vorliegenden Schlussanträgen schon angesprochenen Fragestellungen mitgeteilten Angaben und Einzelheiten schon knapp sind, ist dem Vorabentscheidungsersuchen für diese konkreten Fragen des vorlegenden Gerichts praktisch gar nichts mehr zu entnehmen. Auch dem Vorbringen der verschiedenen Beteiligten des vorliegenden Verfahrens, die zu diesen Fragestellungen Stellung genommen haben, ist zu entnehmen, dass sie in Bezug darauf auseinandergehen, welche (nationalen oder kommunalen) Regelungen für die Beurteilung der Einhaltung der konkreten Verpflichtungen nach Art. 10 Abs. 2 Buchst. d bis g der Dienstleistungsrichtlinie relevant sind. Während einige von ihnen sich mit der angeblichen Unbestimmtheit der in der nationalen Regelung enthaltenen Begriffe befassen, erörtern andere, wie die lokalen Verordnungen veröffentlicht werden.

143.

Unter diesen Umständen kann ich nur wenige, relativ vage und abstrakte Anmerkungen machen. Ich verstehe den Begriff der Klarheit in Art. 10 Abs. 2 dahin, dass er sich auf die Notwendigkeit bezieht, die Kriterien für jedermann leicht verständlich zu machen, indem zweideutige Formulierungen vermieden werden. Objektive Kriterien sollen sicherstellen, dass alle Marktteilnehmer fair und unparteilich behandelt und Anträge allein nach ihrer Begründetheit in der Sache beurteilt werden. Transparenz, Zugänglichkeit und Bekanntmachung gewährleisten, dass die Genehmigungsregelung für alle potenziellen Antragsteller verständlich ist und dass die verschiedenen Verfahrensabschnitte im Voraus bekannt sind ( 59 ).

144.

Zwar enthält Art. L. 631-7 Abs. 6 des Bau- und Wohnungsgesetzbuchs (die „wiederholte“„kurzfristige“ Vermietung von zu Wohnzwecken bestimmten möblierten Räumlichkeiten an eine „Laufkundschaft, die dort keinen Wohnsitz begründet“) eher vage Begriffe. Dies ist jedoch durchaus verständlich, da er den Gemeinderäten einen gewissen Spielraum zur näheren Konkretisierung der Bedeutung dieser Begriffe belassen soll.

145.

Meines Erachtens sollte der Gerichtshof nicht in abstrakte Abhandlungen darüber eintreten, was vernünftigerweise unter den Begriff „kurzfristig“ fallen könnte ( 60 ), der für die kurzfristige Vermietung möblierter Unterkünfte betreffende Rechtssachen von zentraler Bedeutung ist. Es kann lediglich die Ansicht vertreten werden, dass zwar wenige Tage oder wenige Wochen offensichtlich unter die natürliche Bedeutung des Begriffs „kurzfristig“ fallen, wahrscheinlich jedoch nicht Zeiträume, die sich über mehrere Monate oder gar ein ganzes Jahr erstrecken. Je länger der Zeitraum ist, desto weniger geeignet wird die Genehmigungsregelung vermutlich sein. Ab einem bestimmten Zeitraum ist zweifelhaft, ob eine solche Regelung noch zur Erreichung des Ziels der Bekämpfung einer Knappheit langfristigen Wohnraums geeignet wäre. Es können indes natürlich mehrere (unterschiedliche) Lösungen in einem angemessenen und damit verhältnismäßigen Rahmen durchaus zulässig sein.

146.

Was schließlich die Zugänglichkeit und Bekanntmachung betrifft, ist meines Erachtens der Vortrag der Beschwerdeführerinnen nicht nachvollziehbar, warum es nicht ausreichend sei, die kommunalen Regelungen im Rathaus und online auf der Website der Stadt Paris veröffentlichen zu lassen. Über diese allgemeine Feststellung hinaus ist es nicht Sache des Gerichtshofs, als Ersatz-Webmaster (oder arbiter webelegantiae) für die Website der Stadt Paris zu fungieren, indem er in eine Erörterung darüber einträte, ob diese Schnittstelle hinreichend auf den neuesten Stand gebracht wird und für jedermann, insbesondere Personen, die potenziell einen Genehmigungsantrag stellen möchten, zugänglich ist.

V. Ergebnis

147.

Ich schlage dem Gerichtshof vor, die Fragen der Cour de cassation (Kassationsgerichtshof, Frankreich) wie folgt zu beantworten:

Die Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt ist auf nationale und kommunale Vorschriften anwendbar, die den Zugang zu einer Dienstleistung regeln, die in der wiederholten, kurzfristigen, entgeltlichen, auch nicht gewerbsmäßigen Vermietung von zu Wohnzwecken bestimmten Räumlichkeiten an eine Laufkundschaft, die dort keinen Wohnsitz begründet, besteht;

wenn mit diesen nationalen und kommunalen Vorschriften ein Verfahren eingeführt wird, mit dem eine Entscheidung erwirkt werden kann, die den Zugang zur Erbringung dieser Dienstleistungen ermöglicht, stellen diese Vorschriften eine Genehmigungsregelung im Sinne der Art. 9 bis 13 der Richtlinie 2006/123 dar;

Art. 9 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2006/123 ist dahin auszulegen, dass das Ziel der Bekämpfung einer Knappheit langfristigen Wohnraums einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses darstellt, der eine nationale Maßnahme rechtfertigen kann, die die wiederholte kurzfristige Vermietung von zu Wohnzwecken bestimmten Räumlichkeiten an eine Laufkundschaft, die dort keinen Wohnsitz begründet, in bestimmten örtlichen Gebieten einer Genehmigungspflicht unterwirft;

die Richtlinie 2006/123 ist dahin auszulegen, dass sie nationale und kommunale Vorschriften zulässt, die die wiederholte kurzfristige Vermietung von zu Wohnzwecken bestimmten möblierten Räumlichkeiten an eine Laufkundschaft, die dort keinen Wohnsitz begründet, von einer Genehmigung abhängig machen, sofern diese Vorschriften den Anforderungen nach Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2006/123, insbesondere den Voraussetzungen der Verhältnismäßigkeit und der Nichtdiskriminierung, entsprechen, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.


( 1 ) Originalsprache: Englisch.

( 2 ) Vgl. insbesondere Urteil vom 19. Dezember 2019, Airbnb Ireland (C‑390/18, EU:C:2019:1112), zu Airbnb, sowie Urteile vom 20. Dezember 2017, Asociación Profesional Elite Taxi (C‑434/15, EU:C:2017:981), und vom 10. April 2018, Uber France (C‑320/16, EU:C:2018:221), zu Uber.

( 3 ) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 (ABl. 2006, L 376, S. 36).

( 4 ) Art. L. 631-7 und L. 631-7-1 des Bau- und Wohnungsgesetzbuchs.

( 5 ) Während die nationalen Rechtsvorschriften die allgemeine Voraussetzung einer vorherigen Genehmigung für die kurzfristige Vermietung möblierter Unterkünfte festlegen, sollen die kommunalen Regelungen sie nach Art. L. 631‑7‑1 Abs. 4 des Bau- und Wohnungsgesetzbuchs näher ausgestalten. Dieser Artikel ermächtigt den Gemeinderat, die Voraussetzungen für die Erteilung von Genehmigungen und die Ausgleichsleistungen pro Stadtviertel und gegebenenfalls pro Bezirk (Arrondissement) festzulegen.

( 6 ) Vgl. ferner Nrn. 81 bis 85 der vorliegenden Schlussanträge.

( 7 ) Die französische Regierung hat in der mündlichen Verhandlung, ohne dass ihr einer der anderen Beteiligten in diesem Punkt widersprochen hätte, ausgeführt, dass eine kurzfristige Vermietung möblierter Unterkünfte durchschnittlich um das 1,8‑Fache gewinnbringender sei als eine langfristige Vermietung möblierter Unterkünfte.

( 8 ) Es hat jedoch Bedeutung für die Auslegung. Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 23. Dezember 2015, Hiebler (C‑293/14, EU:C:2015:843, Rn. 32).

( 9 ) „Auf dieser Basis müssen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass die Vorschriften der Dienstleistungsrichtlinie auf eine große Bandbreite von Tätigkeiten Anwendung finden, unabhängig davon, ob diese für Unternehmen oder für Verbraucher erbracht werden [wie z. B.] Miet- … und Leasingdienstleistungen … usw.“, Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften, 2007, S. 10.

( 10 ) Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Szpunar in den verbundenen Rechtssachen X und Visser (C‑360/15 und C‑31/16, EU:C:2017:397, Nrn. 130 bis 139).

( 11 ) Vgl. dazu Urteile vom 12. Juli 2005, Alliance for Natural Health u. a. (C‑154/04 und C‑155/04, EU:C:2005:449, Rn. 59), und vom 21. Dezember 2011, Ziolkowski und Szeja (C‑424/10 und C‑425/10, EU:C:2011:866, Rn. 42 und 43). Vgl. jedoch mit einem großzügigeren Ansatz zum normativen Gewicht eines Erwägungsgrundes Urteil vom 25. Juli 2018, Confédération paysanne u. a. (C‑528/16, EU:C:2018:583, Rn. 44 bis 46 und 51).

( 12 ) Ansonsten würde es sich nämlich, vorsichtig formuliert, um einen recht singulären Rechtsetzungsansatz handeln, wenn diese Aufzählung als Aufzählung von (Gesamt‑)Ausnahmen vom Anwendungsbereich der Richtlinie auszulegen wäre, die beliebig und ohne ein auf ihrer Natur beruhendes allgemeines Leitkriterium hinzugefügt werden könnten.

( 13 ) Urteil vom 30. Januar 2018, X und Visser (C‑360/15 und C‑31/16, EU:C:2018:44) (im Folgenden: Urteil Visser).

( 14 ) Ebd., Rn. 124.

( 15 ) Ebd., Rn. 123 bis 124.

( 16 ) Vgl. außer Satz 1 des neunten Erwägungsgrundes die Aufnahme oder Ausübung einer Dienstleistungstätigkeit betonend Art. 4 Nr. 6 und Art. 9 Abs. 1 der Dienstleistungsrichtlinie.

( 17 ) Zu den Herausforderungen, die die Peer-to-Peer-Ökonomie für die rechtliche Regulierung im Allgemeinen darstellt, vgl. z. B. Conseil d’État, Puissance publique et plateformes numériques: accompagner l’ubérisation, Étude annuelle 2017, La Documentation Française, 2017.

( 18 ) Zu in den Verträgen vorgesehenen besonderen Genehmigungsregelungen vgl. z. B. Urteile vom 24. März 2011, Kommission/Spanien (C‑400/08, EU:C:2011:172, Rn. 65 bis 70), und vom 22. Juni 2017, Unibet International (C‑49/16, EU:C:2017:491, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 19 ) Vgl. Urteil Visser, Rn. 115.

( 20 ) Urteil vom 1. Oktober 2015, Trijber und Harmsen (C‑340/14 und C‑341/14, EU:C:2015:641), wo als selbstverständlich vorausgesetzt wurde, dass beide in Rede stehenden Regelungen Genehmigungsregelungen darstellten.

( 21 ) Vgl. Urteil vom 14. Juli 2016, Promoimpresa u. a. (C‑458/14 und C‑67/15, EU:C:2016:558, Rn. 41).

( 22 ) Vgl. Urteil vom 26. September 2018, Van Gennip u. a. (C‑137/17, EU:C:2018:771).

( 23 ) Vgl. Urteil vom 4. Juli 2019, Kirschstein (C‑393/17, EU:C:2019:563, Rn. 64).

( 24 ) Vgl. Urteil Visser, Rn. 119 bis 120.

( 25 ) Vgl. Urteil Visser, Rn. 110.

( 26 ) Siehe oben, Nrn. 31 bis 35.

( 27 ) Worin somit auch der allgemeine Grundsatz zum Ausdruck kommt, dass, soweit nicht absolut erforderlich, der Zugang zur Erbringung von Dienstleistungen nicht einer Genehmigungsregelung unterworfen werden sollte (siehe oben, Rn. 67).

( 28 ) Einige dieser Kriterien sind vom Gerichtshof auch im Kontext primärrechtlicher Bestimmungen über den freien Dienstleistungsverkehr und die Niederlassungsfreiheit erwähnt worden. Vgl. in diesem Sinne z. B. Urteile vom 3. Juni 2010, Sporting Exchange (C‑203/08, EU:C:2010:307, Rn. 50 und die dort angeführte Rechtsprechung), und vom 13. Februar 2014, Sokoll-Seebacher (C‑367/12, EU:C:2014:68, Rn. 27), wo der Gerichtshof feststellte, dass Regelungen über eine vorherige Genehmigung auf objektiven, nicht diskriminierenden und den betreffenden Unternehmen im Voraus bekannten Kriterien beruhen müssen.

( 29 ) Wie auch das Handbuch der Kommission zur Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie auf S. 26 bestätigt: „Die in Artikel 10 Absatz 2 festgelegten Kriterien sollten auf Genehmigungsregelungen Anwendung finden, die für die Aufnahme und die Ausübung der Dienstleistungen auf allen Ebenen maßgeblich sind.“ Hervorhebung nur hier.

( 30 ) Vgl. z. B. Urteile vom 22. Januar 2013, Sky Österreich (C‑283/11, EU:C:2013:28, Rn. 42), vom 17. Oktober 2013, Schaible (C‑101/12, EU:C:2013:661, Rn. 25), und vom 4. Mai 2016, Pillbox 38 (C‑477/14, EU:C:2016:324, Rn. 155).

( 31 ) Vgl. Urteile vom 22. Januar 2013, Sky Österreich (C‑283/11, EU:C:2013:28, Rn. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung), vom 17. Oktober 2013, Schaible (C‑101/12, EU:C:2013:661, Rn. 28), und vom 21. Dezember 2016, AGET Iraklis (C‑201/15, EU:C:2016:972, Rn. 85).

( 32 ) Vgl. z. B. Urteile vom 22. Januar 2013, Sky Österreich (C‑283/11, EU:C:2013:28, Rn. 46 bis 48), und vom 20. Dezember 2017, Polkomtel (C‑277/16, EU:C:2017:989, Rn. 51).

( 33 ) Vgl. z. B. Urteil vom 21. Mai 2019, Kommission/Ungarn (Nießbrauchsrechte an landwirtschaftlichen Flächen) (C‑235/17, EU:C:2019:432, Rn. 68 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 34 ) Vgl. z. B. Urteil vom 13. Juni 2017, Florescu u. a. (C‑258/14, EU:C:2017:448, Rn. 51 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 35 ) Vgl. z. B. Urteile vom 15. März 2017, Al Chodor (C‑528/15, EU:C:2017:213, Rn. 37), vom 13. Juni 2017, Florescu u. a. (C‑258/14, EU:C:2017:448, Rn. 49), und vom 12. Februar 2019, TC (C‑492/18 PPU, EU:C:2019:108, Rn. 57).

( 36 ) Vgl. z. B. Urteile des EGMR vom 19. Dezember 1989, Mellacher u. a./Österreich (CE:ECHR:1989:1219JUD001052283, Rn. 45, 48, 53 und 55), zu Mietherabsetzungen, die der Staat Eigentümern zu sozialen Zwecken auferlegte und die ihnen einen Teil ihrer Einnahmen aus dem Eigentum entzogen, vom 19. Juni 2006, Hutten-Czapska/Polen (CE:ECHR:2006:0619JUD003501497, Rn. 167, 224 und 225), mit der Feststellung, dass eine Vermietern auferlegte staatliche Regelung zur Mietenkontrolle, mit der insbesondere der Mangel an verfügbarem Mietwohnraum zu bezahlbaren Preisen in Polen bekämpft werden sollte, eine unverhältnismäßige Belastung darstellte, vom 26. September 2006, Fleri Soler und Camilleri/Malta (CE:ECHR:2006:0926JUD003534905, Rn. 60, 68 und 75), zu einer staatlichen Maßnahme, mit der eine Fortsetzung der Vermietung des klägerischen Eigentums angeordnet wurde, und vom 12. Juni 2012, Lindheim u. a./Norwegen (CE:ECHR:2012:0612JUD001322108, Rn. 134 bis 135), mit der Feststellung, dass der Umstand, dass Mieter statt eines Ablösungskaufs eine unbefristete Verlängerung von Grundpachtverträgen zu unveränderten Bedingungen verlangen konnten, eine unverhältnismäßige soziale und finanzielle Belastung des Vermieters darstellte.

( 37 ) Hingewiesen sei darauf, dass die französische Regierung in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, dass eine kurzfristige möblierte Vermietung erheblich gewinnbringender sei als eine langfristige Vermietung (siehe oben, Fn. 7).

( 38 ) Vgl. z. B. Urteile vom 23. September 2003, Ospelt und Schlössle Weissenberg (C‑452/01, EU:C:2003:493, Rn. 39), wo der Gerichtshof u. a. feststellte, dass die Förderung einer vernünftigen Nutzung der verfügbaren Flächen unter Bekämpfung des Drucks auf den Grundstücksmarkt geeignete, im gesellschaftlichen Interesse liegende Ziele darstellen, und vom 1. Oktober 2009, Woningstichting Sint Servatius (C‑567/07, EU:C:2009:593, Rn. 29 bis 30 und die dort angeführte Rechtsprechung), wo der Gerichtshof darauf hinwies, dass nationale Regelungen im Interesse von Zielen wie der Bekämpfung des Drucks auf den Grundstücksmarkt oder – als Raumordnungsziel – der Erhaltung einer beständigen Bevölkerung in ländlichen Gebieten den freien Kapitalverkehr beschränken dürfen.

( 39 ) Vgl. z. B. Urteil vom 8. Mai 2013, Libert u. a. (C‑197/11 und C‑203/11, EU:C:2013:288, Rn. 49 bis 52).

( 40 ) Vgl. Urteil Visser (Rn. 134 bis 135).

( 41 ) Vgl. Urteil vom 1. Oktober 2009, Woningstichting Sint Servatius (C‑567/07, EU:C:2009:593, Rn. 30), zum Erfordernis der vorherigen Genehmigung einer Investition in ein Bauvorhaben. Vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 15. Oktober 2009, Busley und Cibrian (C‑35/08, EU:C:2009:625, Rn. 32).

( 42 ) Vgl. aus jüngerer Zeit Urteil vom 7. November 2018, Kommission/Ungarn (C‑171/17, EU:C:2018:881, Rn. 80).

( 43 ) Also zwischen inländischen und ausländischen Dienstleistungserbringern. Vgl. u. a. Urteil vom 20. Februar 2001, Analir u. a. (C‑205/99, EU:C:2001:107, Rn. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 44 ) Art. L. 631-7 Abs. 1 des Bau- und Wohnungsgesetzbuchs. Auch wenn die Pflicht zur Einholung einer Genehmigung für diese Städte gilt, dürften die Rechtsvorschriften nicht ausschließen, dass kleinere Städte eine Genehmigungsregelung erlassen, wenn die Merkmale ihres Wohnungsmarkts dies erfordern.

( 45 ) Art. L. 631-7-1-A Abs. 5 des Bau- und Wohnungsgesetzbuchs. Eine Wohnung ist als Hauptwohnsitz des Vermieters anzusehen, wenn sie zumindest acht Monate im Jahr vom Vermieter, seinem Ehegatten oder einer von ihm betreuten Person bewohnt wird, außer in Fällen von beruflichen Verpflichtungen, gesundheitlichen Gründen oder höherer Gewalt.

( 46 ) Vgl. die in Nr. 68 der vorliegenden Schlussanträge angeführten Beispiele.

( 47 ) Siehe oben, Nrn. 92 bis 95.

( 48 ) Art. L. 631-7-1 Abs. 4 des Bau- und Wohnungsgesetzbuchs.

( 49 ) Vgl. z. B. Urteil vom 4. Juli 2019, Kirschstein (C‑393/17, EU:C:2019:563, Rn. 66 bis 82).

( 50 ) Vgl. z. B. Urteil vom 26. September 2018, Van Gennip u. a. (C‑137/17, EU:C:2018:771, Rn. 79 bis 81 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 51 ) Siehe oben, Nr. 113 der vorliegenden Schlussanträge.

( 52 ) In diesem wenig wahrscheinlichen Fall würde, auch wenn in der Tat eher zynisch die Ansicht vertreten werden könnte, dass eine solche Voraussetzung in Bezug auf dieses konkrete Ziel tatsächlich verhältnismäßig sei, diese Behauptung wahrscheinlich eine Lawine weiterer Fragen auslösen.

( 53 ) Soweit es keine, mit der Art der zu genehmigenden Dienstleistung im Zusammenhang stehende, nachvollziehbare kapital- oder grundbesitzbezogenen Anforderungen gibt, sei hinzugefügt. Es gibt natürlich andere Arten von Dienstleistungstätigkeiten, für die kapital‑, status- oder grundbesitzbezogene Anforderungen völlig angemessen wären.

( 54 ) Siehe oben, Nrn. 92 bis 95.

( 55 ) Vgl. Art. 10 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 10 Abs. 7.

( 56 ) Auch wenn nicht ganz klar wurde, ob sich dies auf den Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit oder den Gesichtspunkt der Klarheit und Unzweideutigkeit einer solchen lokalen Regelung bezog.

( 57 ) Art. L. 631-7 Abs. 6 des Bau- und Wohnungsgesetzbuchs.

( 58 ) Art. L. 631-7 Abs. 4 des Bau- und Wohnungsgesetzbuchs.

( 59 ) Vgl. in diesem Sinne auch das Handbuch zur Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie der Europäischen Kommission, S. 25.

( 60 ) In der mündlichen Verhandlung haben die Beschwerdeführerinnen vorgetragen, dass für „kurzfristig“ von französischen Städten unterschiedliche Definitionen angewendet würden, die offenbar von drei Monaten oder acht aufeinanderfolgenden Monaten bis zu fast einem Jahr reichten.