URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer)

9. Oktober 2019 ( *1 )

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Eilvorabentscheidungsverfahren – Polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen – Europäischer Haftbefehl – Rahmenbeschluss 2002/584/JI – Art. 1 Abs. 1 – Begriff ‚Europäischer Haftbefehl‘ – Mindesterfordernisse, von denen die Gültigkeit abhängt – Art. 6 Abs. 1 – Begriff ‚ausstellende Justizbehörde‘ – Von der Staatsanwaltschaft eines Mitgliedstaats ausgestellter Europäischer Haftbefehl – Status – Vorliegen eines Unterordnungsverhältnisses gegenüber einem Organ der Exekutive – Befugnis des Justizministers zu Einzelweisungen – Bewilligung des Europäischen Haftbefehls durch ein Gericht vor seiner Übermittlung“

In der Rechtssache C‑489/19 PPU

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Kammergericht Berlin (Deutschland) mit Entscheidung vom 26. Juni 2019, beim Gerichtshof eingegangen am gleichen Tag, in dem Verfahren betreffend die Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls gegen

NJ,

Beteiligte:

Generalstaatsanwaltschaft Berlin,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Arabadjiev (Berichterstatter) sowie der Richter P. G. Xuereb, T. von Danwitz, C. Vajda und A. Kumin,

Generalanwältin: E. Sharpston,

Kanzler: D. Dittert, Referatsleiter,

aufgrund des beim Gerichtshof am 26. Juni 2019 eingegangenen Antrags des vorlegenden Gerichts vom gleichen Tag, das Vorabentscheidungsersuchen gemäß Art. 107 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs dem Eilverfahren zu unterwerfen,

aufgrund der Entscheidung der Zweiten Kammer vom 15. Juli 2019, diesem Antrag stattzugeben,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 3. September 2019,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

der deutschen Regierung, vertreten durch M. Hellmann, J. Möller und A. Berg als Bevollmächtigte,

der spanischen Regierung, vertreten durch L. Aguilera Ruiz als Bevollmächtigten,

der österreichischen Regierung, vertreten durch J. Schmoll und J. Herrnfeld als Bevollmächtigte,

der Europäischen Kommission, vertreten durch S. Grünheid als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 17. September 2019

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 6 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses 2002/584/JI des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten (ABl. 2002, L 190, S. 1) in der durch den Rahmenbeschluss 2009/299/JI des Rates vom 26. Februar 2009 (ABl. 2009, L 81, S. 24) geänderten Fassung (im Folgenden: Rahmenbeschluss 2002/584).

2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen der Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls gegen NJ, der am 16. Mai 2019 von der Staatsanwaltschaft Wien (Österreich) ausgestellt und mit Beschluss des Landesgerichts Wien (Österreich) vom 20. Mai 2019 bewilligt wurde, in Deutschland.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

3

Der fünfte Erwägungsgrund des Rahmenbeschlusses 2002/584 lautet:

„Aus dem der Union gesetzten Ziel, sich zu einem Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zu entwickeln, ergibt sich die Abschaffung der Auslieferung zwischen Mitgliedstaaten und deren Ersetzung durch ein System der Übergabe zwischen Justizbehörden. Die Einführung eines neuen, vereinfachten Systems der Übergabe von Personen, die einer Straftat verdächtigt werden oder wegen einer Straftat verurteilt worden sind, für die Zwecke der strafrechtlichen Verfolgung oder der Vollstreckung strafrechtlicher Urteile ermöglicht zudem die Beseitigung der Komplexität und der Verzögerungsrisiken, die den derzeitigen Auslieferungsverfahren innewohnen. Die bislang von klassischer Kooperation geprägten Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten sind durch ein System des freien Verkehrs strafrechtlicher justizieller Entscheidungen – und zwar sowohl in der Phase vor der Urteilsverkündung als auch in der Phase danach – innerhalb des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zu ersetzen.“

4

Art. 1 („Definition des Europäischen Haftbefehls und Verpflichtung zu seiner Vollstreckung“) des Rahmenbeschlusses 2002/584 bestimmt:

„(1)   Bei dem Europäischen Haftbefehl handelt es sich um eine justizielle Entscheidung, die in einem Mitgliedstaat ergangen ist und die Festnahme und Übergabe einer gesuchten Person durch einen anderen Mitgliedstaat zur Strafverfolgung oder zur Vollstreckung einer Freiheitsstrafe oder einer freiheitsentziehenden Maßregel der Sicherung bezweckt.

(2)   Die Mitgliedstaaten vollstrecken jeden Europäischen Haftbefehl nach dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung und gemäß den Bestimmungen dieses Rahmenbeschlusses.

(3)   Dieser Rahmenbeschluss berührt nicht die Pflicht, die Grundrechte und die allgemeinen Rechtsgrundsätze, wie sie in Artikel 6 [EU] niedergelegt sind, zu achten.“

5

Art. 6 („Bestimmung der zuständigen Behörden“) des Rahmenbeschlusses 2002/584 lautet:

„(1)   Ausstellende Justizbehörde ist die Justizbehörde des Ausstellungsmitgliedstaats, die nach dem Recht dieses Staats für die Ausstellung eines Europäischen Haftbefehls zuständig ist.

(2)   Vollstreckende Justizbehörde ist die Justizbehörde des Vollstreckungsmitgliedstaats, die nach dem Recht dieses Staats zuständig für die Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls ist.

(3)   Jeder Mitgliedstaat unterrichtet das Generalsekretariat des Rates über die nach seinem Recht zuständige Justizbehörde.“

6

Art. 2 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses lautet:

„Ein Europäischer Haftbefehl kann bei Handlungen erlassen werden, die nach den Rechtsvorschriften des Ausstellungsmitgliedstaats mit einer Freiheitsstrafe oder einer freiheitsentziehenden Maßregel der Sicherung im Höchstmaß von mindestens zwölf Monaten bedroht sind, oder im Falle einer Verurteilung zu einer Strafe oder der Anordnung einer Maßregel der Sicherung, deren Maß mindestens vier Monate beträgt.“

7

Art. 8 („Inhalt und Form des Europäischen Haftbefehls“) des Rahmenbeschlusses 2002/584 sieht in Abs. 1 vor:

„Der Europäische Haftbefehl enthält entsprechend dem im Anhang beigefügten Formblatt folgende Informationen:

c)

die Angabe, ob ein vollstreckbares Urteil, ein Haftbefehl oder eine andere vollstreckbare justizielle Entscheidung mit gleicher Rechtswirkung nach den Artikeln 1 und 2 vorliegt;

…“

Österreichisches Recht

8

§ 2 Abs. 1 des Staatsanwaltschaftsgesetzes lautet:

„Am Sitz jedes in Strafsachen tätigen Landesgerichts besteht eine Staatsanwaltschaft, am Sitz jedes Oberlandesgerichts eine Oberstaatsanwaltschaft und beim Obersten Gerichtshof die Generalprokuratur. Die Staatsanwaltschaften sind den Oberstaatsanwaltschaften und diese sowie die Generalprokuratur dem Bundesminister für Justiz unmittelbar untergeordnet und weisungsgebunden.“

9

In § 29 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die Justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (im Folgenden: Gesetz über die Justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen) heißt es:

„Die Staatsanwaltschaft ordnet die Festnahme mittels eines gerichtlich bewilligten Europäischen Haftbefehls an und veranlasst gegebenenfalls die Ausschreibung der gesuchten Person im Schengener Informationssystem …“

10

§ 5 Abs. 1 und 2 der Strafprozessordnung bestimmt:

„(1)   Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaft und Gericht dürfen bei der Ausübung von Befugnissen und bei der Aufnahme von Beweisen nur soweit in Rechte von Personen eingreifen, als dies gesetzlich ausdrücklich vorgesehen und zur Aufgabenerfüllung erforderlich ist. Jede dadurch bewirkte Rechtsgutbeeinträchtigung muss in einem angemessenen Verhältnis zum Gewicht der Straftat, zum Grad des Verdachts und zum angestrebten Erfolg stehen.

(2)   Unter mehreren zielführenden Ermittlungshandlungen und Zwangsmaßnahmen haben Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaft und Gericht jene zu ergreifen, welche die Rechte der Betroffenen am Geringsten beeinträchtigen. Gesetzlich eingeräumte Befugnisse sind in jeder Lage des Verfahrens in einer Art und Weise auszuüben, die unnötiges Aufsehen vermeidet, die Würde der betroffenen Personen achtet und deren Rechte und schutzwürdige Interessen wahrt.“

11

Nach § 87 Abs. 1 der Strafprozessordnung kann gegen die gerichtliche Bewilligung eine Beschwerde eingebracht werden.

12

§ 105 der Strafprozessordnung lautet:

„(1)   Das Gericht hat über Anträge auf Verhängung und Fortsetzung der Untersuchungshaft sowie auf Bewilligung bestimmter anderer Zwangsmittel zu entscheiden. Für die Durchführung einer von ihm bewilligten Maßnahme (§ 101 Abs. 3) hat das Gericht eine Frist zu setzen, bei deren ungenütztem Ablauf die Bewilligung außer Kraft tritt. Im Fall einer Anordnung der Ausschreibung zur Festnahme nach § 169 wird in die Frist die Zeit der Gültigkeit der Ausschreibung nicht eingerechnet, doch hat die Staatsanwaltschaft mindestens einmal jährlich zu prüfen, ob die Voraussetzungen der Festnahme noch vorliegen.

(2)   Soweit dies zur Entscheidung über einen Antrag nach Abs. 1 aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen erforderlich ist, kann das Gericht weitere Ermittlungen durch die Kriminalpolizei anordnen oder von Amts wegen vornehmen. Es kann auch von der Staatsanwaltschaft und der Kriminalpolizei tatsächliche Aufklärungen aus den Akten und die Übermittlung eines Berichts über die Durchführung der bewilligten Maßnahme und der weiteren Ermittlungen verlangen. Nach Verhängung der Untersuchungshaft kann das Gericht anordnen, dass ihm Kopien der im § 52 Abs. 2 Z 2 und 3 angeführten Aktenstücke auch in weiterer Folge übermittelt werden.“

13

Nach § 171 Abs. 1 der Strafprozessordnung, der während des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gilt, ist die Festnahme durch die Staatsanwaltschaft aufgrund einer gerichtlichen Bewilligung anzuordnen.

Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefrage

14

Die Staatsanwaltschaft Wien betreibt die Strafverfolgung von NJ wegen vier Taten, die vom vorlegenden Gericht u. a. als gewerbsmäßiger Diebstahl eingestuft werden und nach seinen Angaben im Ausstellungsmitgliedstaat mit einer Strafe „im Höchstmaß von mindestens drei Jahren“ im Sinne von Art. 2 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses 2002/584 bedroht sind. Andere NJ zur Last gelegte Taten wie Nötigung seien im Ausstellungsmitgliedstaat und im ersuchten Mitgliedstaat mit einer Strafe im Höchstmaß von mindestens zwölf Monaten bedroht.

15

Zur Verfolgung dieser Taten erließ die Staatsanwaltschaft Wien am 16. Mai 2019 einen Europäischen Haftbefehl gegen NJ, der im Einklang mit § 29 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die Justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen am 20. Mai 2019 vom Landesgericht Wien bewilligt wurde.

16

NJ befindet sich seit dem 14. Mai 2019 in Berlin (Deutschland) im Rahmen eines in Deutschland gegen ihn eingeleiteten Strafverfahrens wegen Diebstahls in Untersuchungshaft. Nach den Angaben des vorlegenden Gerichts hat er bei seiner am 24. Mai 2019 durchgeführten Vernehmung erklärt, dass er der vereinfachten Übergabe nicht zustimme.

17

Das vorlegende Gericht führt aus, die österreichischen Staatsanwaltschaften seien Anordnungen oder Einzelweisungen seitens der Exekutive, und zwar des Bundesministers für Justiz, unterworfen. Deshalb sei fraglich, ob das Verfahren zur Ausstellung eines Europäischen Haftbefehls in Österreich mit den im Urteil vom 27. Mai 2019, OG und PI (Staatsanwaltschaften Lübeck und Zwickau) (C‑508/18 und C‑82/19 PPU, EU:C:2019:456), aufgestellten Anforderungen vereinbar sei. Insbesondere bestünden Zweifel daran, ob die Staatsanwaltschaft Wien eine „Justizbehörde“ sei.

18

Im Unterschied zu dem Sachverhalt, der diesem Urteil zugrunde gelegen habe, stellten die österreichischen Staatsanwaltschaften einen Europäischen Haftbefehl jedoch nicht eigenständig aus, denn § 29 des Gesetzes über die Justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen sehe seine Bewilligung durch ein Gericht vor. Das Bewilligungsverfahren umfasse die Prüfung der Rechtmäßigkeit und der Verhältnismäßigkeit des betreffenden Europäischen Haftbefehls und sei gerichtlich überprüfbar. Aus diesen Gründen könne davon ausgegangen werden, dass letztlich das mit der Bewilligung des Europäischen Haftbefehls betraute Gericht zur Entscheidung über seine Ausstellung befugt sei.

19

Gleichwohl hat das vorlegende Gericht wegen der in der vorstehenden Randnummer dargelegten Zweifel mit Beschluss vom 29. Mai 2019 nur die vorläufige Inhaftierung von NJ zum Zweck seiner Übergabe an die österreichischen Behörden angeordnet.

20

Unter diesen Umständen hat das Kammergericht Berlin (Deutschland) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Hindert die Weisungsabhängigkeit einer Staatsanwaltschaft die wirksame Ausstellung eines Europäischen Haftbefehls durch sie auch dann, wenn diese Entscheidung einer umfassenden gerichtlichen Überprüfung vor Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls unterliegt?

Zum Eilverfahren

21

Das vorlegende Gericht hat beantragt, das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen dem in Art. 107 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs vorgesehenen Eilvorabentscheidungsverfahren zu unterwerfen.

22

Zur Stützung seines Antrags hat das vorlegende Gericht ausgeführt, NJ befinde sich derzeit im Rahmen eines in Deutschland gegen ihn eingeleiteten Strafverfahrens in Untersuchungshaft. Die vorläufige Inhaftierung zum Zweck seiner Übergabe an die österreichischen Behörden beginne erst im Anschluss an die Untersuchungshaft und sei gesetzlich auf zwei Monate begrenzt. Unter diesen Umständen sei für den Fall, dass der Gerichtshof beschließe, das Eilvorabentscheidungsverfahren nicht einzuleiten, zu befürchten, dass NJ freigelassen werden müsse, bevor das Vorabentscheidungsverfahren beendet sei, und sich den gegen ihn eingeleiteten Verfolgungsmaßnahmen entziehen könnte.

23

Hierzu ist erstens festzustellen, dass das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen die Auslegung des Rahmenbeschlusses 2002/584 betrifft, der zu den von Titel V („Der Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“) des Dritten Teils des AEU-Vertrags erfassten Bereichen gehört. Es kommt daher für ein Eilvorabentscheidungsverfahren in Betracht.

24

Zweitens steht fest, dass sich NJ zum Zeitpunkt der Prüfung des Antrags, das Vorabentscheidungsersuchen dem Eilvorabentscheidungsverfahren zu unterwerfen, in Untersuchungshaft befand, die jedoch jederzeit enden konnte. Zudem würde er im Anschluss an die Untersuchungshaft für höchstens zwei Monate zum Zweck seiner etwaigen Übergabe an die österreichischen Behörden in Haft bleiben. Da die Rechtmäßigkeit der vorläufigen Inhaftierung von NJ zum Zweck seiner Übergabe an die österreichischen Behörden von der Antwort des Gerichtshofs auf die Vorlagefrage abhängt, kann sich diese Entscheidung des Gerichtshofs unmittelbar auf die Dauer seines Freiheitsentzugs auswirken.

25

Unter diesen Umständen hat die Zweite Kammer des Gerichtshofs am 15. Juli 2019 auf Vorschlag des Berichterstatters und nach Anhörung der Generalanwältin entschieden, dem Antrag des vorlegenden Gerichts stattzugeben und das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen dem Eilvorabentscheidungsverfahren zu unterwerfen.

Zur Vorlagefrage

26

Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob der Begriff „Europäischer Haftbefehl“ in Art. 1 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses 2002/584 dahin auszulegen ist, dass Europäische Haftbefehle unter diesen Begriff fallen, wenn sie von den Staatsanwaltschaften eines Mitgliedstaats ausgestellt werden, die im Rahmen der Ausstellung dieser Haftbefehle unmittelbar oder mittelbar Anordnungen oder Einzelweisungen der Exekutive, etwa eines Justizministers, unterworfen werden können, sofern zwingend vorgeschrieben ist, dass die Haftbefehle, bevor sie von den Staatsanwaltschaften übermittelt werden können, von einem Gericht bewilligt werden, das im Rahmen dieses Verfahrens die Voraussetzungen für die Ausstellung der Haftbefehle sowie ihre Verhältnismäßigkeit überprüft.

27

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung, auf den sich das durch den Rahmenbeschluss 2002/584 geschaffene System des Europäischen Haftbefehls stützt, seinerseits auf dem gegenseitigen Vertrauen der Mitgliedstaaten darauf beruht, dass ihre jeweiligen nationalen Rechtsordnungen in der Lage sind, einen gleichwertigen und wirksamen Schutz der auf Unionsebene und insbesondere in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) anerkannten Grundrechte zu bieten (Urteil vom 10. November 2016, Özçelik,C‑453/16 PPU, EU:C:2016:860, Rn. 23 und die dort angeführte Rechtsprechung).

28

In Art. 1 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses 2002/584 wird der Europäische Haftbefehl definiert als eine „justizielle Entscheidung, die in einem Mitgliedstaat ergangen ist und die Festnahme und Übergabe einer gesuchten Person durch einen anderen Mitgliedstaat zur Strafverfolgung oder zur Vollstreckung einer Freiheitsstrafe oder einer freiheitsentziehenden Maßregel der Sicherung bezweckt“. Der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung setzt insoweit voraus, dass nur Europäische Haftbefehle im Sinne dieser Vorschrift gemäß den Bestimmungen des Rahmenbeschlusses 2002/584 zu vollstrecken sind (Urteil vom 27. Mai 2019, OG und PI [Staatsanwaltschaften Lübeck und Zwickau], C‑508/18 und C‑82/19 PPU, EU:C:2019:456, Rn. 46).

29

Dieser Grundsatz beruht nämlich auf der Prämisse, dass der betreffende Europäische Haftbefehl im Einklang mit den Mindesterfordernissen ausgestellt wurde, von denen seine Gültigkeit abhängt; dazu zählen die in Art. 8 des Rahmenbeschlusses 2002/584 vorgesehenen Erfordernisse, u. a. das Erfordernis, dass es einen nationalen Haftbefehl oder eine andere nationale justizielle Entscheidung gibt, auf die sich der Europäische Haftbefehl stützt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 1. Juni 2016, Bob-Dogi, C‑241/15, EU:C:2016:385, Rn. 53).

30

Nach ständiger Rechtsprechung beschränkt sich der Begriff „justizielle Entscheidung“ im Sinne des Rahmenbeschlusses 2002/584 nicht allein auf Entscheidungen der Richter oder Gerichte eines Mitgliedstaats, sondern ist so zu verstehen, dass er darüber hinaus die Entscheidungen von Behörden erfasst, die wie die österreichische Staatsanwaltschaft in diesem Mitgliedstaat an der Strafrechtspflege mitwirken, im Unterschied insbesondere zu Ministerien oder Polizeibehörden, die zur Exekutive gehören (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. Mai 2019, OG und PI [Staatsanwaltschaften Lübeck und Zwickau], C‑508/18 und C‑82/19 PPU, EU:C:2019:456, Rn. 50).

31

Entscheidungen über die Ausstellung eines Europäischen Haftbefehls müssen allerdings die justiziellen Entscheidungen eigenen Garantien aufweisen, insbesondere diejenigen, die sich aus den in Art. 1 Abs. 3 des Rahmenbeschlusses 2002/584 genannten Grundrechten ergeben.

32

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der Rahmenbeschluss 2002/584 zur Schaffung eines vereinfachten Systems der unmittelbaren Übergabe zwischen Justizbehörden dient, das an die Stelle eines mit einem Eingriff und einer Beurteilung durch die politische Gewalt verbundenen Systems der klassischen Kooperation zwischen souveränen Staaten treten soll, um im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts den freien Verkehr strafrechtlicher justizieller Entscheidungen sicherzustellen (Urteil vom 27. Mai 2019, OG und PI [Staatsanwaltschaften Lübeck und Zwickau], C‑508/18 und C‑82/19 PPU, EU:C:2019:456, Rn. 65).

33

In diesem Rahmen muss, wenn ein Europäischer Haftbefehl ausgestellt wird, damit ein anderer Mitgliedstaat eine zum Zweck der Strafverfolgung gesuchte Person festnimmt und übergibt, diese Person in einem ersten Stadium des Verfahrens in den Genuss der Verfahrens- und Grundrechte gekommen sein, deren Schutz die Justizbehörden des Ausstellungsmitgliedstaats nach dem anzuwendenden nationalen Recht, insbesondere im Hinblick auf den Erlass eines nationalen Haftbefehls, zu gewährleisten haben (Urteil vom 27. Mai 2019, OG und PI [Staatsanwaltschaften Lübeck und Zwickau], C‑508/18 und C‑82/19 PPU, EU:C:2019:456, Rn. 66).

34

Das System des Europäischen Haftbefehls enthält somit einen zweistufigen Schutz der Verfahrens- und Grundrechte, in deren Genuss die gesuchte Person kommen muss, da zu dem gerichtlichen Schutz auf der ersten Stufe, beim Erlass einer nationalen Entscheidung wie eines nationalen Haftbefehls, der Schutz hinzukommt, der auf der zweiten Stufe, bei der Ausstellung des Europäischen Haftbefehls, zu der es gegebenenfalls kurze Zeit nach dem Erlass dieser nationalen justiziellen Entscheidung kommen kann, zu gewährleisten ist (Urteil vom 27. Mai 2019, OG und PI [Staatsanwaltschaften Lübeck und Zwickau], C‑508/18 und C‑82/19 PPU, EU:C:2019:456, Rn. 67).

35

Ferner ist darauf hinzuweisen, dass dieser Schutz, da die Ausstellung eines Europäischen Haftbefehls das in Art. 6 der Charta verankerte Recht auf Freiheit des Betroffenen beeinträchtigen kann, impliziert, dass zumindest auf einer seiner beiden Stufen eine Entscheidung erlassen wird, die den einem wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz innewohnenden Anforderungen genügt (Urteil vom 27. Mai 2019, OG und PI [Staatsanwaltschaften Lübeck und Zwickau], C‑508/18 und C‑82/19 PPU, EU:C:2019:456, Rn. 68).

36

Hierzu ist erstens festzustellen, dass die Erfüllung dieser Anforderungen es ermöglicht, der vollstreckenden Justizbehörde zu garantieren, dass die Entscheidung, zum Zweck der Strafverfolgung einen Europäischen Haftbefehl zu erlassen, auf einem gerichtlicher Kontrolle unterworfenen nationalen Verfahren beruht und dass die gesuchte Person über die Garantien verfügte, die sich aus den in Art. 1 Abs. 3 des Rahmenbeschlusses 2002/584 genannten Grundrechten und allgemeinen Rechtsgrundsätzen ergeben (Urteil vom 27. Mai 2019, OG und PI [Staatsanwaltschaften Lübeck und Zwickau], C‑508/18 und C‑82/19 PPU, EU:C:2019:456, Rn. 70).

37

Zweitens muss sich die bei der Ausstellung eines Europäischen Haftbefehls vorgenommene Prüfung darauf erstrecken, ob die für seine Ausstellung erforderlichen Voraussetzungen eingehalten wurden und ob seine Ausstellung in Anbetracht der Besonderheiten des Einzelfalls verhältnismäßig war (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. Mai 2019, OG und PI [Staatsanwaltschaften Lübeck und Zwickau], C‑508/18 und C‑82/19 PPU, EU:C:2019:456, Rn. 71).

38

Drittens muss diese Überprüfung in objektiver Weise, unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Gesichtspunkte, und unabhängig wahrgenommen werden, was voraussetzt, dass es Rechts- und Organisationsvorschriften gibt, die jede Gefahr auszuschließen vermögen, dass die Entscheidung über die Ausstellung eines solchen Haftbefehls externen Weisungen, insbesondere seitens der Exekutive, unterworfen wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. Mai 2019, OG und PI [Staatsanwaltschaften Lübeck und Zwickau], C‑508/18 und C‑82/19 PPU, EU:C:2019:456, Rn. 73 und 74).

39

Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten, dass das österreichische Recht unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens vorsieht, dass sowohl im Rahmen der Entscheidung über die Ausstellung eines nationalen Haftbefehls als auch im Rahmen der Entscheidung über die Ausstellung eines Europäischen Haftbefehls die Staatsanwaltschaften der Republik Österreich die Festnahme mittels eines Haftbefehls anordnen, der, um übermittelt werden zu können, von einem Gericht bewilligt wird, das dabei die Voraussetzungen für die Ausstellung des Haftbefehls sowie seine Verhältnismäßigkeit überprüft. Die Bewilligungsentscheidung ist gerichtlich anfechtbar.

40

Ferner steht fest, dass die mit der Bewilligung Europäischer Haftbefehle betrauten Gerichte dem Erfordernis der Objektivität und Unabhängigkeit genügen. Dagegen sind die österreichischen Staatsanwaltschaften, wie aus § 2 Abs. 1 des Staatsanwaltschaftsgesetzes hervorgeht, den Oberstaatsanwaltschaften und diese sowie die Generalprokuratur dem Bundesminister für Justiz unmittelbar untergeordnet und weisungsgebunden. Da die erforderliche Unabhängigkeit verlangt, dass es Rechts- und Organisationsvorschriften gibt, die zu gewährleisten vermögen, dass die ausstellende Justizbehörde im Rahmen des Erlasses eines Europäischen Haftbefehls nicht der Gefahr ausgesetzt ist, etwa einer Einzelweisung seitens der Exekutive unterworfen zu werden, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die österreichischen Staatsanwaltschaften diesem Erfordernis genügen (vgl. entsprechend Urteil vom 27. Mai 2019, OG und PI [Staatsanwaltschaften Lübeck und Zwickau], C‑508/18 und C‑82/19 PPU, EU:C:2019:456, Rn. 74 und 84).

41

Daher stellt sich die Frage, ob unter diesen Umständen davon ausgegangen werden kann, dass die im Einklang mit dem österreichischen System ergangenen Entscheidungen über die Ausstellung eines Europäischen Haftbefehls den in Rn. 38 des vorliegenden Urteils angesprochenen Mindesterfordernissen in Bezug auf die Objektivität und Unabhängigkeit der beim Erlass dieser Entscheidungen vorgenommenen Kontrolle entsprechen, von denen ihre Gültigkeit abhängt.

42

In diesem Kontext ist hervorzuheben, dass der Begriff „Entscheidung“ so zu verstehen ist, dass er sich auf den Rechtsakt in der Form bezieht, die er bei seinem Vollzug aufweist. Zu diesem Zeitpunkt und in dieser Form kann die Entscheidung, den Europäischen Haftbefehl auszustellen, nämlich in das Recht auf Freiheit der gesuchten Person eingreifen.

43

Im vorliegenden Fall geht zunächst aus den dem Gerichtshof vorgelegten Akten hervor, dass für die Entscheidung, einen nationalen Haftbefehl auszustellen, sowie für die Entscheidung, einen Europäischen Haftbefehl auszustellen, gemäß § 171 Abs. 1 der Strafprozessordnung bzw. gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die Justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen zwingend vorgeschrieben ist, dass sie vor der Übermittlung des Haftbefehls Gegenstand einer Bewilligung durch ein Gericht sind. Werden die Entscheidungen der Staatsanwaltschaften nicht bewilligt, entfalten die Haftbefehle somit keine Rechtswirkungen und können nicht übermittelt werden; dies hat die österreichische Regierung in der mündlichen Verhandlung bestätigt.

44

Sodann geht aus dem Vorabentscheidungsersuchen hervor, dass das Gericht im Rahmen des Bewilligungsverfahrens prüft, ob die für die Ausstellung des betreffenden Haftbefehls erforderlichen Voraussetzungen eingehalten wurden und ob seine Ausstellung unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls verhältnismäßig war. Hierzu hat die österreichische Regierung in ihrer Stellungnahme und in der mündlichen Verhandlung vor dem Gerichtshof ausgeführt, dass zum einen etwaige Weisungen der Exekutive schriftlich ausgefertigt und in die Ermittlungsakte aufgenommen werden müssten, die dem mit der Bewilligung betrauten Gericht vollständig übermittelt werde. Zum anderen erstrecke sich die vom Gericht vorgenommene Prüfung der Verhältnismäßigkeit im Rahmen der Bewilligung eines nationalen Haftbefehls auf die Auswirkungen des schieren mit ihm verbundenen Freiheitsentzugs und im Rahmen der Bewilligung eines Europäischen Haftbefehls auf den Eingriff in die Rechte des Betroffenen, der über die bereits geprüften Beeinträchtigungen seines Rechts auf Freiheit hinausgehe. Das mit der Bewilligung eines Europäischen Haftbefehls betraute Gericht müsse nämlich u. a. die Auswirkungen des Übergabeverfahrens und der Überstellung des Betroffenen, der sich in einem anderen Mitgliedstaat als der Republik Österreich befinde, auf seine sozialen und familiären Beziehungen berücksichtigen.

45

Schließlich geht aus § 105 Abs. 2 der Strafprozessordnung hervor, dass das mit der Bewilligung der Haftbefehle betraute Gericht nicht an die Ergebnisse der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gebunden und nicht auf die Angaben in und die Begründung der Anordnung der Staatsanwaltschaft beschränkt ist. Insoweit hat die österreichische Regierung in der mündlichen Verhandlung vor dem Gerichtshof bestätigt, dass das mit der Bewilligung der Haftbefehle betraute Gericht jederzeit weitere Ermittlungen anordnen oder selbst vornehmen könne.

46

Die Ausstellung eines Europäischen Haftbefehls unterliegt daher nach österreichischem Recht in vollem Umfang einer objektiven und unabhängigen Kontrolle durch ein Gericht, das insoweit eine umfassende Überprüfung der Voraussetzungen für die Ausstellung des Haftbefehls und seiner Verhältnismäßigkeit vornimmt. Erst nach der Bewilligung des betreffenden Haftbefehls durch das Gericht entfaltet er Rechtswirkungen und kann übermittelt werden. Da eine solche Kontrolle systematisch und von Amts wegen stattfindet, bevor der Haftbefehl Rechtswirkungen entfaltet und übermittelt werden kann, unterscheidet sie sich von einem Rechtsbehelf im Sinne der Rn. 85 bis 87 des Urteils vom 27. Mai 2019, OG und PI (Staatsanwaltschaften Lübeck und Zwickau) (C‑508/18 und C‑82/19 PPU, EU:C:2019:456), der erst nachträglich zum Tragen kommt und vom Betroffenen eingelegt werden muss.

47

Außerdem geht, wie die Generalanwältin im Wesentlichen in Nr. 73 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, aus den dem Gerichtshof vorgelegten Unterlagen hervor, dass das mit der Bewilligung eines Europäischen Haftbefehls betraute Gericht seine Kontrolle unabhängig und in voller Kenntnis jeder etwaigen zuvor erteilten Weisung ausübt und am Ende der Kontrolle eine gegenüber der Entscheidung der Staatsanwaltschaft eigenständige Entscheidung trifft, die über eine bloße Bestätigung der Rechtmäßigkeit der erstgenannten Entscheidung hinausgeht.

48

Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass die den Europäischen Haftbefehl betreffende Entscheidung in der Form, in der sie übermittelt wird, den in Rn. 38 des vorliegenden Urteils angesprochenen Erfordernissen in Bezug auf die Objektivität und Unabhängigkeit der bei ihrem Erlass vorgenommenen Kontrolle entspricht.

49

Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass der Begriff „Europäischer Haftbefehl“ in Art. 1 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses 2002/584 dahin auszulegen ist, dass die von den Staatsanwaltschaften eines Mitgliedstaats ausgestellten Europäischen Haftbefehle unter diesen Begriff fallen, auch wenn die Staatsanwaltschaften im Rahmen der Ausstellung dieser Haftbefehle unmittelbar oder mittelbar Anordnungen oder Einzelweisungen der Exekutive, etwa eines Justizministers, unterworfen werden können, sofern zwingend vorgeschrieben ist, dass die Haftbefehle, bevor sie von den Staatsanwaltschaften übermittelt werden können, von einem Gericht bewilligt werden, das Zugang zur gesamten, etwaige Anordnungen oder Einzelweisungen der Exekutive enthaltenden Ermittlungsakte hat, das in unabhängiger und objektiver Weise prüft, ob die Voraussetzungen für die Ausstellung der Haftbefehle vorliegen und ob sie verhältnismäßig sind, und das damit eine eigenständige Entscheidung trifft, die den Haftbefehlen ihre endgültige Form gibt.

Kosten

50

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:

 

Der Begriff „Europäischer Haftbefehl“ in Art. 1 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses 2002/584/JI des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten in der durch den Rahmenbeschluss 2009/299/JI des Rates vom 26. Februar 2009 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass die von den Staatsanwaltschaften eines Mitgliedstaats ausgestellten Europäischen Haftbefehle unter diesen Begriff fallen, auch wenn die Staatsanwaltschaften im Rahmen der Ausstellung dieser Haftbefehle unmittelbar oder mittelbar Anordnungen oder Einzelweisungen der Exekutive, etwa eines Justizministers, unterworfen werden können, sofern zwingend vorgeschrieben ist, dass die Haftbefehle, bevor sie von den Staatsanwaltschaften übermittelt werden können, von einem Gericht bewilligt werden, das Zugang zur gesamten, etwaige Anordnungen oder Einzelweisungen der Exekutive enthaltenden Ermittlungsakte hat, das in unabhängiger und objektiver Weise prüft, ob die Voraussetzungen für die Ausstellung der Haftbefehle vorliegen und ob sie verhältnismäßig sind, und das damit eine eigenständige Entscheidung trifft, die den Haftbefehlen ihre endgültige Form gibt.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Deutsch.